Mikado von Hotepneith (Von Verwechslungen, Irrtümern und sonstigen Fehlern) ================================================================================ Kapitel 1: Kagome ----------------- Die Hauptstraße der Provinzhauptstadt Shuto war dicht mit Menschen bestanden. Sie alle wollten den Zug sehen, der die Verurteilten durch das Stadttor zu dem unheimlichen Todeswald bringen würde. Auch ein siebzehnjähriges, schwarzhaariges Mädchen war dabei. Kagome schätzte Hinrichtungen nicht und weigerte sich für gewöhnlich zuzusehen, aber sie hatte gehört, dass dies Fremde seien, Jäger, die einen Dämon getötet hatten. Und darauf stand nicht nur hier im Bezirk Teien die Todesstrafe. Schließlich regierten Dämonen das gesamte Reich, ja, der Kaiser selbst war einer, ebenso wie ihr Provinzfürst Naraku. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie mächtig Menschen sein mussten, denen es gelang einen Dämon zu töten. Überdies hatte sie nie zuvor Menschen aus anderen Bezirken getroffen und war neugierig, wie diese wohl aussehen würden. Nicht ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie die schützenden Mauern Shutos verlassen. Sie schob sich ein wenig vor, um besser hingucken zu können, als sie das dumpfe Trommeln vernahm. Zuerst kamen zwei Menschen, die solcherart warnten, den Weg freizugeben, dann Narakus Dämonenkrieger. Zwei von ihnen trugen einen Mönchsstab, ein Schwert und einen überdimensionierten Bumerang. Dahinter kamen die beiden Verurteilten und Kagome ertappte sich bei Mitleid. Sie waren ein Paar, nicht viel älter als sie selbst, ein Mönch und eine junge Frau in einem eng anliegenden, schwarzen Kampfanzug. Beide waren gefesselt, schritten aber fast gelassen dahin. Wussten sie nicht, dass sie sterben würden noch ehe die Sonne wieder aufging? Sie drängte sich zurück, um auf die Stadtmauer zu gehen. Auch dort standen bereits Leute, aber sie würde schon noch ein Plätzchen finden. Viel würde man allerdings nicht sehen können. Statt zu einer gewöhnlichen Hinrichtung hatte der Provinzfürst die beiden dazu verurteilt in den Todeswald gebracht zu werden. Dies war ein Waldstück etwas außerhalb der Stadt, in dem ein Ungeheuer hausen sollte. Seit undenklichen Jahren war der Wald von einem hohen Gitterzaun umgeben, zusätzlich mit Bannsprüchen gesichert. Früher, weit vor ihrer Geburt, sollten des Öfteren Verurteilte dort hineingeschickt worden sein, von denen man nie wieder gehört hatte. Ein Entkommen war durch das Gitter ja auszuschließen. Kagome sah genau zu, wie die Dämonenkrieger mit ihren Gefangenen immer weiter auf den Wald zugingen, das Tor dort im Gitter öffneten, ehe sie zwischen den Bäumen verschwanden. Die meisten Menschen wandten sich daraufhin ab, aber sie beobachtete weiter, bis die Krieger wieder herauskamen, ohne die Jäger und deren Waffen. Warum nur hatten sie sie ihnen gelassen? Halfen diese etwa nicht gegen das sagenhafte Ungeheuer? Oder war es Hohn? Hatten sie die beiden gefesselt gelassen, ihre Waffen in Sicht, ohne sie nutzen zu können? Es wurde Zeit, dass sie zu ihrer Übung ging. Mutter hatte so viel Geld bezahlt, um sie auf die Priesterinnenschule schicken zu können, da musste sie auch gute Leistungen abliefern. Nur die besten Schüler kamen an Tempeln in der Stadt unter, die ihren Lebensunterhalt garantieren konnten. Die anderen mussten zusehen, wo sie blieben, zumeist in irgendeinem Dorf. So stand sie nur eine halbe Stunde später mit den anderen Mädchen und Jungen auf dem sandigen Platz der Priesterschule und übte die Bewegungen des Segnens und des Verbeugens, später würde Blumenkunde kommen. Die Sonne stand schon tief und sie musste unwillkürlich an die beiden Jäger denken. Es hieß, sobald es dunkel wurde, käme das Ungeheuer aus seiner Höhle und würde sie fressen. Erneut spürte sie Mitleid, gleich, was auch immer die Zwei getan hatten. „Kagome!“ Sie schrak zusammen, als sie ihren Lehrer vor sich sah. „Du träumst!“ „Verzeiht, Meister. Ich war in Gedanken....“ Aber die würde er wohl kaum verstehen. „Konzentriere dich besser.“ „Ja, Meister.“ Sie bemerkte, dass dieser plötzlich angespannt hinter sie blickte und drehte sich selbst um. Zwei Dämonenkrieger kamen direkt auf sie zu. Instinktiv wollte sie zurückweichen, aber der alte Priester hielt sie. „Kagome Higurashi?“ fragte einer der Dämonen: „Auf Befehl Fürst Narakus. Du bist verhaftet.“ „Aber....warum?“ fragte sie vollkommen verwirrt, fühlte sich jedoch gepackt und mitgenommen: „Das....das ist ein Irrtum.“ „Fürst Naraku irrt sich nicht.“ Das war die einzige Antwort, die sie bekam, bis sie in den Keller des Fürstenschlosses gebracht wurde, durch stickige Gänge geschleift wurde. Rechts und links erkannte sie Käfige, in denen Menschen aber auch Dämonen saßen. In jäher Panik versuchte sie sich zu befreien, aber der Kraft zweier Dämonen hatte sie nichts entgegenzusetzen. Eine Tür wurde vor ihnen geöffnet und sie erstickte fast an ihrem eigenen Atem. Sie hatte gehört, dass es so etwas geben sollte, aber sie hätte nie gedacht einmal einen solchen Raum zu betreten. Diese ganzen Gerätschaften....oh nein, sie wollte gar nicht wissen, zu was das alles benutzt wurde. Und wer war der Mann in weißer Kleidung, der fast ebensolche Haare besaß und sie lächelnd betrachtete? Er schien doch jung zu sein, so alt wie sie. „Kettet sie hier an.“ Sie spürte, dass ihre Arme nach oben gerissen wurden: „Was...was soll das?“ „Nun lasst uns allein,“ befahl der Unbekannte und die Krieger gehorchten. „Bitte,“ sagte sie verzweifelt: „Ich begreife nicht, was das soll...ich habe doch nichts getan....“ „Kagome.“ Er klang freundlich: „Es hat meinen verehrten Vater, Fürst Naraku, einige Mühe gekostet deinen Namen herauszufinden. Mein Name ist übrigens Akago. Ich bin sein jüngster Sohn. - Du weißt nicht, was dir vorgeworfen wird? Oh, komm schon. Du musst nur sagen, dass du es warst. Ohne Geständnis darf man niemanden verurteilen.“ Verstört und verschreckt stammelte sie: „Was...was soll ich denn getan haben?“ „Vor einer Woche warst du mit ein paar anderen Mädchen auf der Grünanlage vor dem Schloss.“ Sie musste nachdenken. „Ja,“ gab sie dann verwirrt zu. Sie hatte mit einigen Freundinnen Ball gespielt und Bogen schießen geübt – das war doch nicht verboten? Sie wiederholte den Gedanken laut. „Nebenbei hast du Hochverrat begangen.“ „Nein! Ganz sicher nicht, ich meine....“ „Du hast einen Pfeil abgeschossen, der über die Schlossmauer flog.“ Das stimmte, und sie hatte sich wegen ihrer mangelnden Treffgenauigkeit den Spott der anderen Mädchen anhören müssen: „Ja, er...ich bin abgerutscht. Sie haben mich ausgelacht.“ „Abgerutscht, so so. So gut abgerutscht, dass du Fürst Naraku getroffen hast.“ Sie wurde blass: „Wie bitte?“ hauchte sie fassungslos. „Hätte mein verehrter Vater nicht sein großes Juwel um den Hals getragen, wäre er nun tot. So ist nur das Juwel zersplittert. Bedauerlicherweise war es übrigens ein magisches Juwel und hat sich wohl über das gesamte Land verteilt. Es wird uns viel Mühe kosten, es wieder zusammenzusetzen. Aber nun gut. Vater ist nichts geschehen.“ „Ja, das ist gut....“ Ach du liebe Güte! Das war Hochverrat. „Wer hat dich beauftragt?“ „Niemand, ich sagte doch, es war ein Unfall....ich wusste doch gar nicht, dass Fürst Naraku dort ist. Und ich bin wirklich eine lausige Schützin.“ Akago lächelte erneut: „Du gibst also zu, dass du den Pfeil auf den Fürsten abgeschossen hast?“ „Äh, nein. Ich meine, ich habe einen Pfeil über die Mauer geschossen, ja, aber....“ „Du hast hier etwas nicht verstanden, Mädchen. Entweder, du gestehst den Hochverrat und das Attentat, oder ich werde Befehl geben diese ganzen netten Gerätschaften an dir auszuprobieren. Zunächst an dir und dann an deiner Mutter, deinem Bruder, deinem Opa...Bis ihr alle vier wegen Hochverrates dran seid. Ich kann mir vorstellen, dass du das nicht möchtest. Falls übrigens deine Phantasie nicht ausreichen sollte....“ Er begann zu erklären, was alles mit ihr geschehen würde. Kagome überlief ein kalter Schauder nach dem anderen. Sie wollte doch nicht sterben! Und das würde sie sicher, wenn sie Hochverrat gestehen würde. Aber Mutter, Opa, Souta....sie würden dafür büßen müssen, wenn sie nicht gestand, was gar nicht zu gestehen war. Überdies wagte sie ehrlich zu bezweifeln, dass sie den Mund halten konnte, wenn ihr diese Schmerzen erst einmal zugefügt wurden. „Hört auf!“ schrie sie mit Tränen in den Augen, als sie vergeblich versuchte, sich die Ohren zuzuhalten: „Das...das ertrage ich nicht.“ „Du kannst schon nicht einmal zuhören? Was würdest du dann erst machen, wenn du es spürst?“ Akago musterte sie. Er hatte schon viele Verhöre geführt und wusste, dass ihre Angst, ihre Verzweiflung, echt war. Nun, auch der Mönch und die Jägerin hatten freiwillig gestanden – allerdings hatte es da auch genügend Zeugen gegeben, dass sie einen Dämon ausgetrieben hatten. Zwar bloß einen Wurmdämon, aber Vater war dieser Vorwand nur zu recht gewesen. Er mochte keine Fremden aus anderen Provinzen in der seinen, ebenso, wie er den Handel mit den anderen Bezirken unterbunden hatte. Kein Informationsaustausch, ehe der große Plan Erfolg hatte. „Also, wenn ich dich jetzt hochbringen lasse, wirst du vor meinem Bruder Hakudoshi gestehen, dass du ein Attentat begangen hast.“ „Und...dann?“ brachte sie hervor. Akago lächelte fast verträumt: „Ach, Kagome. - Nun, du wirst hingerichtet. Aber deine Familie bleibt unbehelligt, das kann ich dir versprechen.“ Sie war die Einzige mit magischen Fähigkeiten, das hatte Vater schon überprüfen lassen. Und es war wohl wirklich reiner Zufall gewesen, dass sie ihn getroffen hatte. Dennoch – das ging so nicht an. „Aber für die Zerstörung des Juwels möchte Fürst Naraku ein Exempel statuieren.“ Kagome schluckte trocken. Exempel, das klang nicht gut, gar nicht gut. „Wie...wie soll ich....“ „Sterben? Nun, das weiß ich nicht, aber dein rasches Geständnis spricht für dich. Also, du wirst vor Hakudoshi gestehen?“ Sie nickte. Was hätte sie schon tun können? Früher oder später würde sie alles bekennen, jede Lüge, die verlangt wurde, sagen – und so wäre wenigstens ihre Familie sicher. Eine seltsame Stimmung hatte sie erfasst. Wie in Trance ließ sie sich emporführen, zu diesem Hakudoshi, der seine Ähnlichkeit mit Akago nicht verleugnen konnte. Sie unterschrieb ein Papier, das ihr vorgelegt wurde, ohne eine Ahnung zu haben, was dort überhaupt stand. Widerstandslos ließ sie sich wieder hinabbringen, in einen dunklen, mit schmutzigem Stroh ausgelegten Raum. Nun erst begann sie zu weinen und rollte sich zusammen, sich wie schutzsuchend an ihre eigenen Knie klammernd. Zum Tode verurteilt! Sie! Warum nur? Nur wegen des einen, abgerutschten Pfeiles? Es war doch einfach ein Kinderspiel gewesen. Wie würde sie wohl sterben müssen? So wie die beiden Jäger heute Nacht in dem Todeswald? Oder durch das Schwert des Henkers, wie sie es auch schon erlebt hatte? Sie spürte, dass ihre Zähne zu klappern begannen und wusste, dass dies in hilfloser Todesangst war. Was würde sie erst tun, wenn sie sie holten...? Sie entsann sich, wie ruhig die beiden Jäger heute geblieben waren. Daran würde sie sich ein Beispiel nehmen, beschloss sie. Und seltsamerweise fühlte sie sich besser. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Sie hatte nie eine schlimmere Umgebung gehabt als diesen stinkenden, schmutzigen, dunklen Raum, aber das war ihr gleich. Wichtig war, dass ihre Familie am Leben blieb, unbehelligt blieb. Hoffentlich würde ihr Tod schnell gehen. Aber Akago hatte doch gesagt, dass bei der Todesart auch berücksichtigt würde, dass sie rasch gestanden hatte....das machte ihr Hoffnung. Die Tür wurde geöffnet und sie richtete sich auf. „Kagome.“ „Ja?“ Das helle Licht von außen ließ sie nicht erkennen, wer dort stand. „Komm. Es ist Zeit.“ Sie gehorchte. Da waren vier Dämonenkrieger, die sie sofort umringten, ihr die Hände auf den Rücken banden. „Wie...“ brachte sie hervor. „Wir bringen dich zum Todeswald. Fürst Naraku beschloss, dem Ungeheuer dort nach den Jägern ein weiteres Festmahl zu geben.“ Sie wäre fast zusammengebrochen, aber ein Dämon hielt sie. Also sollte sie gefressen werden? Lebendig, womöglich? Etwas wie Wut stieg in ihr auf. Naraku, so also rächte er sich für ein Versehen? Nun gut, sie hatte wohl irgendein Juwel kaputtgemacht, aber das konnte doch unmöglich ihren Tod verlangen, noch dazu so....? Gleich. Sie richtete sich auf, als irgendetwas in ihr erwachte, von dem sie nicht geahnt hatte, dass es überhaupt da war. Die beiden Jäger hatten auch gewusst, was auf sie wartete, und sie wollte ebenso ruhig durch die Straße gehen, wie diese. Nicht, sich schleifen lassen, schreiend, weinend, um Gnade flehend. Nein. Ihre Familie sollte irgendwie auf sie stolz sein können. Für die drei. Es wurde ein langer Weg für Kagome. Die Sonne stand schon tief, es musste später Nachmittag sein, als sie durch die Straßen geführt wurde. In der Menschenmenge entdeckte sie einige bekannte Gesichter, manche mitleidig, die meisten nur neugierig. Sie nahm sich zusammen und ging ruhig zwischen den Kriegern, hinter den beiden Trommlern her. Ob Mutter hier war? Oder hatten sie sie doch auch gefangen genommen? Mama....Am liebsten hätte sie geweint, aber sie schaffte es mit aller Selbstbeherrschung, das nicht zu tun. Der Todeswald. Sie starrte auf das Tor vor sich. Der Gitterzaun und das Tor waren zusätzlich mit schweren Bannsprüchen gesichert. So weit war ihre Ausbildung doch schon vorangeschritten, dass sie das erkennen konnte. Der vorderste Dämonenkrieger hütete sich auch dem Gitter zu nahe zu kommen. Daher öffnete es ein Mensch. Die beiden Trommler blieben allerdings draußen, als die vier Krieger Kagome in den Wald führten. Er war dicht mit Unterholz bewachsen. Man konnte nur den schmalenWeg erahnen, der vom Tor weiter in die Tiefe führte. Sie schluckte trocken, als sie erkannte, dass die Dämonen um sie nervös wurden, die Hände an die Schwerter legten. Was auch immer hier lebte war etwas, das selbst diesen mächtigen Wesen Furcht einjagte. Sie wusste nicht, wie weit sie gegangen waren, als sie eine Lichtung erreichten. Dort war ein anscheinend alter Pfosten angebracht, mit einem Ring ungefähr in Hüfthöhe. Dunkle Flecken an dem Holz zeugten von getrocknetem Blut. Sie zuckte unwillkürlich zurück, aber die Dämonen banden sie mit dem Rücken zu dem Pfahl und ihre Handfesseln an den Ring an. „Niemand weiß, wer hier haust,“ sagte einer der Krieger: „Nun, du wirst es bald wissen. Von den Jägern ist ja auch nichts übrig geblieben.“ „Komm, es wird schon dunkel,“ meinte ein anderer: „Und, wenn die Sonne untergeht, will ich lieber auf der anderen Seite des Gitters sein.“ Sie liefen förmlich davon und ließen das Mädchen allein. Kagome, der nun erst wieder das ganze Elend ihrer Situation zu Bewusstsein kam, begann zu weinen. In der Tat, keine Spur war mehr von den beiden Jägern zu erkennen, nicht einmal Gewand oder die Waffen, ja, auch nur Blut. Und es wurde merklich dunkler, selbst hier auf der Lichtung. Bestimmt würde gleich das Monster kommen, ihr Untergang, ihr Tod. Oh ihr Götter, hoffentlich würde es sie erst töten, ehe es sie auffraß. Es wurde Nacht. Ängstlich und mit verweinten Augen blickte sich Kagome um. Jeder Windhauch verursachte ein Rascheln und ließ sie zusammenzucken. Da – leuchtete da nicht etwas zwischen den Sträuchern? Augen? Aber wieso reflektierten sie das matte Sternenlicht? Weil es keine menschlichen Augen waren, erkannte sie dann panisch. Hektisch versuchte sie von ihrer Fessel freizukommen. „Oh, Mann,“ sagte eine junge, männliche Stimme: „Wenn Naraku das hier so weitertreibt, muss ich eines Tages noch wegen Überfüllung schließen.“ Kagome starrte den Jungen vor ihr an. Er war kein Mensch, auch, wenn er durchaus menschenähnlich aussah. Dazu waren seine Haare zu lang und zu schneeweiß – und kein Wesen ihrer Art trug Hundeohren auf dem Kopf. Seine Augen leuchteten auch so seltsam gelblich. Das, was er gesagt hatte, klang allerdings gar nicht nach Fressgier oder auch nur Mordlust. „Äh...wer bist du?“ erkundigte sie sich daher. „Inu Yasha. - Und du?“ „Kagome.“ „Ich mach dich mal los. Wollte Naraku, dass ich dich fresse?“ „Äh, das Ungeheuer des Waldes...bist das etwa du?“ Nun, wie ein Nichtmensch sah er schon aus, aber Ungeheuer? Mit diesen niedlichen Öhrchen? „Er meint es wohl. Komm, Sango und Miroku warten schon.“ „Das...das sind die Jäger?“ „Ja. Na, komm schon.“ Ohne Weiteres packte er ihre Hand und zog sie mit durch den Wald. Vor einer Erdhöhle warteten zwei Menschen, die sie erkannte. Ja, das waren die Jäger von gestern. Inu Yasha hatte sie also nicht gefressen, wie es der Fürst wohl gedacht hatte. Aber, wer war er dann? Und warum lebte er hier? „Hier, mein nächstes Opfer,“ verkündete Inu Yasha: „Sie heißt Kagome. Miroku und Sango.“ Die Jägerin lächelte: „Kagome, komm, setze dich. Hattest du auch solche Angst?“ „Ja, schon. Ich meine, wenn einem gesagt wird, dass man gefressen werden soll...“ gestand sie und nahm Platz: „Aber, ich meine, was jetzt?“ „Wieso wollte dich Naraku denn umbringen?“ erkundigte sich Miroku. „Uns warf er vor, einen Wurmdämon ausgetrieben zu haben.“ „Ich...mir rutschte ein Pfeil bei einer Schießübung aus und machte ein Juwel von ihm kaputt.“ Da sie die Drei anstarrten, ergänzte sie kleinlaut: „Ich bin keine gute Schützin. Jedenfalls hieß es Hochverrat.“ „Das kann ich mir vorstellen!“ Inu Yasha lachte laut auf: „Du hast DAS Juwel kaputtgemacht? Na, herzlichen Glückwunsch. Kein Wunder, dass er sauer war.“ „Vielleicht erklärst du mir auch, was so erheiternd daran ist?“ Jetzt, da sie wusste, dass er sie nicht fressen würde, wurde sie eher wütend. „Das war das Juwel der Vier Seelen, ein sehr magisches Stück, das seine Macht vermehrte. Es war seit Jahrhunderten im Besitz der Fürstenfamilie, bis er es an sich brachte. Und prompt den letzten Fürsten ermordete. Jetzt hat der Gute ein Problem, wenn ihm irgendwer mit Magie auf den Pelz rückt.“ „Wer sollte das schon tun?“ fragte Sango nüchtern: „Er ist hier der Provinzfürst und damit unantastbar. Außer durch den Kaiser.“ „Und den interessiert Teien nicht,“ erwiderte Inu Yasha sofort. „Sonst hätte er doch etwas unternommen, als Naraku an die Macht kam.“ „Sag mal,“ begann Kagome: „Wieso lebst du eigentlich hier im Wald, so als Ungeheuer?“ Er zuckte die Schultern: „Weil ich leben wollte. Nach Mutters Tod scheute sich mein lieber Onkel doch etwas mich umzubringen und schickte mich hierher. Frei rumlaufen lassen konnte er mich auch nicht. Immerhin hatte er sich mein Erbe unter den Nagel gerissen.“ „Dein Erbe?“ fragte Miroku prompt. „Ich...nein, du hast etwas menschliches an dir....“ „Ich bin halb Mensch, halb Dämon. Meine Mutter war ein Mensch, mein Vater ein Hundedämon. Er starb aber noch vor meiner Geburt.“ Inu Yasha sah zu Boden: „Aber Menschen haben es nicht so mit Halbdämonen. Dämonen übrigens auch nicht.“ Das erklärte sein Aussehen, dachte Kagome: „Dann bist du wohl irgendwie mit der Fürstenfamilie verwandt, wenn dein Onkel dich hier herbringen lassen konnte?“ „Irgendwie. Meine Mutter war Prinzessin Izayoi. Zuerst machte der liebe Onkel Takemaru nur die Regentschaft für sie und mich, aber als sie starb, verfrachtete er mich hierher. Ich war da...na, sagen wir nach menschlichen Maßstäben, acht oder zehn. Ehrlich gesagt, als ich hörte, dass Naraku ihn umgebracht hat, hatte ich nicht vor Blumen zu seiner Beerdigung zu schicken.“ „Das ist nicht nett,“ sagte sie prompt. „Es war auch nicht nett, ein kleines Kind hier in dem Wald auszusetzen,“ erwiderte er: „Und ehrlich gesagt bin ich mir bis heute nicht sicher, ob er nicht bei Mutters Tod nachhalf. Aber egal. Dieser dämliche Naraku scheint sich jedenfalls seit Neuestem einzubilden seine Delinquenten mir zu schicken. Wie gesagt, ich muss hier noch wegen Überfüllung schließen. Oder ihr haut ab.“ „Dein Wald ist von einem Gitter umgeben, das auch noch Bannsprüche hat,“ meinte Miroku: „Das könnte Probleme machen. Nicht, dass ich hier bleiben möchte. Ein Todesurteil reicht mir für diese Woche.“ „Das Gitter wäre kein Problem,“ sagte der Halbdämon: „Aber die Bannsprüche. Ich habe nun einmal Dämonenenergie.“ „Die Bannsprüche könnte ich versuchen aufzuheben,“ erklärte Kagome: „Ich meine, ich lerne Priesterin.“ „Ich kann das auch.“ Der Mönch nickte: „Das müssten wir doch hinbekommen, zumal zu zweit. Willst du nicht auch mitkommen, Inu Yasha?“ Der zuckte die Schultern, ohne erkennen zu geben, dass ihn diese Frage freute, wie überhaupt dieses Reden und die ungewohnte Gesellschaft: „Wohin? Glaubst du, ich bin irgendwo gern gesehen?“ „Zum Mikado. Wenn Teien dein Erbe ist und Naraku es widerrechtlich hat – es gibt niemanden, der ihn absetzen kann, außer dem Kaiser.“ Und er persönlich würde sich gern für die geplante Hinrichtung rächen, in dem er den Provinzfürsten hinhängte. „Der ist ein Dämon, oder? Dämonen mögen keine Halbdämonen, heißt es.“ Aber Inu Yasha sah sich um: „Naja, den Wald kenne ich auswendig. Mal etwas anderes sehen, wäre nett. Wo lebt denn der Mikado?“ „Machi.- Das liegt an der Westküste. Sicher drei Wochen von hier.“ „Gut. Dann gehen wir.“ ** Ein Fehler, sich nicht genau darüber zu informieren, wer das Ungeheuer vor der Haustür ist... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)