Auch Engel essen Fleisch von kentasaiba ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Wie verhält man sich, wenn einem ein Engel erscheint? Wenn man vollkommen unvorbereitet von der Situation übermannt wird, von einer Sekunde auf die andere? Wenn man niemals im Leben auf diese Begegnung gehofft, geschweige denn, sie beschworen hatte? Wenn man nicht einmal religiös war und schon gar nicht betete? Wenn es wenigstens in einer Kirche gewesen wäre, dann hätte Luise es nachempfinden können. Doch dem war nicht so. Es war auch kein klarer Nachthimmel, keine Sterne am Himmelszelt, oder eine Scharr herab sausender Sternschnuppen, die sich ihren Weg durch die Atmosphäre bannten. Keine Himmelsglocken, kein strahlendes Licht. Luise stand in ihrem Garten, wie jeden Tag, doch gleich gegenüber stand dieser atemberaubend schöne Engel. Er war durch nichts zu beschreiben, lächelnd und elegant hatte er seine Arme auf den zinnfarbenen Lattenzaun gestemmt und sah Luise entgegen. Nein, doch nicht so elegant. Der Zaun war alt und an den Spitzen bereits morsch, so, dass der Engel ins Schwanken geriet, aber sich rechtzeitig noch einmal abstützen konnte. Aber das änderte gar nichts. Er blickte Luise unverändert und freundlich an. Es war fast so als könne sie seine weiten, schneeweißen Flügel erkennen, und den Heiligenschein, der sein Haupt zierte. Und was war Luise schon im Vergleich dazu? „Du hast eine Banane auf dem Kopf.“, flüsterte ihr der Engel zu. Das Mädchen verstand die Worte des himmlischen Geschöpfs nicht, perplex glitt sie mit den Händen an ihren Haaren nach oben. Tatsächlich. Da lag eine Banane. Eine Bananenschale, um genauer zu sein. „Die… ist mir gar nicht aufgefallen.“, erwiderte Luise stotternd, ohne eine Ahnung zu haben, welches Verhalten man sonst gegenüber einem Engel an den Tag legte. „Achso… Du trägst normalerweise keine?“, fragte der Engel ohne sein Lächeln zu unterbrechen. Luise schüttelte stoisch den Kopf „Würde dir auch nicht sonderlich gut stehen.“, teilte ihr der Engel mit. Luise nickte und ließ die Banane wieder in die Tonne mit dem Biomüll fallen, in die sie sich vorhin hals über gebeugt hatte. Kurz darauf wurde ihr die Absurdität, aber auch die Peinlichkeit der Situation bewusst. „Ich… ähh… hatte nur den Müll falsch getrennt und mich hinein gebeugt um ein paar alte Zeitungen umzuschlichten.“, verteidigte sie sich. Das Grinsen des Engels wurde breiter, glaubte er ihr nicht? „Das ist die Wahrheit!“, glaubte Luise mit Nachdruck sagen zu müssen. Der Engel nickte schwach. „Ja, ich glaube dir doch.“, sagte er amüsiert und strich sich die langen, glatten Haare nach hinten. Sie waren nicht golden, sondern in einem sehr hellen Brünnet-Ton. Dennoch empfand Luise diese Farbe als weit aus schöner, sie passte hervorragend zum Glanz dieses Wesens. „Wo… kommst du auf einmal her?“, brachte es Luise endlich zur Sprache. „Aus dem Himmel.“, erwiderte der Engel lammfromm. Das Mädchen schnitt eine ungläubige Grimasse. „Aus Himmeldorf, um genau zu sein. Wir sind heute erst eingezogen.“, konkretisierte der Engel seine Antwort. Luise nickte nur langsam. „Das erklärt, warum ich dich noch nie hier gesehen habe. Im Haus nebenan, wohnt nur Frau Sommer, aber das ist eine gehbehinderte, alte Dame.“, murmelte das Mädchen vor sich hin. Der Engel nickte zustimmend. „Was… ist mit ihr?“, hakte Luise nach. „Die ist tot.“, gab der Engel schlicht von sich. Luise hob eine Augenbraue. „Wirklich?“ Der Engel zuckte mit den Schultern. „Naja, vielleicht auch nicht. Vielleicht hat es sie auch nur ins nächste Altenheim verschlagen, wäre auch gut möglich. Jetzt wo du mich daran erinnerst… Papa sagte, sie käme nicht mehr allein zurecht und hatte das Haus deswegen verkaufen müssen.“, sagte der Engel, mit dem Zeigefinger das Kinn abstützend. Was war das nur für ein Engel? Besuchte er die Erde nur, um sich über Luise lustig zu machen? Es erschien ihr beinahe so. „Wie heißt du?“, wollte er schließlich wissen. Luise schluckte und nannte ihm ihren Namen. Der Engel mit den glatten, brünneten Haaren nickte, als brauche er diese Zeit um sich den Namen auch wirklich merken zu können. „Und… du?“, fragte Luise fordernd, als ihr Gegenüber keinen Anstalten machte etwas zu erwidern. „Sarah.“ Natürlich, welchen Namen konnte ein Engel bitte schön sonst tragen? Bei dieser Gelegenheit kam es Luise in den Sinn, dass sie noch einen weiblichen Engelsnamen vernommen hatte. Gab es im Himmel überhaupt weibliche Engel? Oder war Gott frauenfeindlich? Nein, es musste welche geben, wie sonst, konnte Sarah vor ihr stehen und sie mustern? Sie… sehr stark mustern. Warum schlich sich in Luise plötzlich das Gefühl auf vollkommen nackt zu sein? „Muss ich Angst haben?“, wollte Sarah wissen. „Angst? Wovor?“, konnte ihr Luise schwer folgen. „Na vor Leuten im Nachbargarten, die mit Bananenschalen auf dem Kopf herumlaufen. Ich kenne hier noch niemanden und brauche unbedingt einen Verbündeten.“ Luise spürte ihre Aufregung, aber ohne das übliche Unwohlsein. „Und jemand, der sogar keine Scheu besitzt sich schmutzig zu machen, nur um ordentlich den Müll zu trennen, kann keine schlechte Person sein, oder?“, warf Sarah ein. „Ja…“, konnte Luise nicht anders, als ihr zuzustimmen. „OK.“, meinte der Engel und drehte sich um. Auch von der Rückansicht her, schien er seinen Glanz nicht zu verlieren. „Warte!“, rief Luise, die endlich wieder zu sich kam. Ein Glück! Der Engel hatte sie gehört und drehte sich nochmals um. „Werde… ich dich wieder sehen?“ Das Mädchen hatte nicht den leisesten Schimmer, wie sie gerade jetzt auf diese seltsame Frage kam. Sarah streckte ihren Zeigefinger auf und zeigte auf das Gebäude vor ihr. Luise wand ihren Blick und sah auf das verwitterte Haus der alten Frau Sommer. Ihr Blick hatte es bereits unzählige Male eingefangen, wenn sie auf der Straße entlang schritt, oder aus dem Fenster sah. Doch niemals hätte sie vermutet, dass sich darin der Himmel befinden konnte. Das Haus war alt, die Pflanzen wucherten die Wände empor. Selbstverständlich, was hätte eine alte, gehbehinderte Frau schon dagegen ausrichten sollen? Doch es war weder maroden, noch bröckelte bereits der Putz ab. Man konnte es sich schön herrichten so, dass es diesem Engel würdig war. Der Engel… Moment! Wo war er? Luise sah sich hilfesuchend nach allen Richtungen um. Er war verschwunden! Verdammt, sie hatte nur einen Moment nicht aufgepasst. Aber so war es vermutlich immer bei solchen Erscheinungen. Menschen konnten nicht belegen, dass das, was sie gesehen hatten wirklich real war. Also hatte Luise alles nur geträumt? Nein, sie spürte, dass dieser Engel echt war. Aber würde sie ihn wirklich wieder sehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)