Coming Out von Shunya (Meine Sicht der Dinge) ================================================================================ Kapitel 2: Schwul – und dann? ----------------------------- Ich liege auf meinem Bett und sehe mir in voller Lautstärke das Video an, welches ich in der Schule aufgenommen habe. Es ist ja eh niemand zu hause außer mir und Monty. Wie immer. Nicholas hat mich nicht bemerkt und ich bin verschont geblieben gestern. Ich betrachte Nicholas Gesicht. Ich habe diesen Jungen in der Hand und er gewissermaßen mich. Wir haben beide Videos von dem anderen. Ich kann soviel mit diesem Video anfangen, ihm soviel Schaden zufügen wie er es immer mir antut. Ich kann das Video hochladen oder ihn damit erpressen. Es gibt so viele Möglichkeiten und doch weiß ich nicht für welche ich mich entscheiden soll. Ich will mich nicht auf sein Niveau herunterlassen. Ich bin nicht so wie er! Ich überlege, ob ich mit ihm darüber reden soll. So ein Gespräch würde sicher etwas bringen. Oder nicht? Ich fühle mich nicht gut. Ich lasse meinen Kopf auf mein Kissen sinken und schaue auf das Taschenmesser, das neben meinem Gesicht liegt. Ich habe es nicht gebraucht, um mich zu wehren und wenn ich ehrlich bin, möchte ich es auch nicht benutzen. Ich habe angst davor. Ich will niemanden verletzen! Was soll ich jetzt nur machen? Ich kann alles tun und doch nichts. Ich kann versuchen Nicholas außerhalb der Schule abzufangen und mit ihm reden, aber ob er mir überhaupt zuhören wird? Was ist, wenn er gar nicht mit sich reden lässt? Geht es dann immer so weiter? Wird er mich die ganze Schulzeit über demütigen? Nicht mal mit meinen Eltern kann ich darüber reden. Sie wissen, dass ich schwul bin. Nicht aber, dass ich in der Schule gemobbt werde. Schon gar nicht, dass es solche prekären Videos von mir gibt! Ich kann es ihnen nicht sagen. Mein Vater könnte mir vielleicht helfen, aber es geht nicht. Ich kann einfach nicht mit meinen Eltern darüber reden. Zu groß ist die Schmach. Außerdem weiß es dann wirklich jeder, dass es solche Videos von mir gibt und ich habe angst vor den Reaktionen. Ich greife nach meinem Taschenmesser und drehe es in meiner Hand. Ich werde nicht darum herum kommen. Ich sollte mit Nicholas reden. Irgendwie muss ich es schaffen, ihn dazu zu bringen, die Videos zu vernichten. Zur Not mit Gewalt. Ich lasse das Messer wieder sinken und seufze. Ich stehe auf und schlurfe an meinen Schreibtisch, fahre meinen Laptop hoch und gehe gleich ins Internet. Ich habe in diversen Foren nachgesehen und hab leider nicht viel Brauchbares gefunden. Immer nur Ratschläge, dass man mit Freunden, Lehrern und den Eltern über die Probleme reden soll. Nur nützt es mir nicht viel in diesem Fall. Aus irgendeinem Grund gebe ich Nicholas Namen in einer Suchmaschine ein und bekomme tatsächlich ein paar Ergebnisse. Die ersten Seiten sind nichts besonderes, lediglich irgendwelche Portale auf denen er sich so in seiner Freizeit herumtreibt. Es ist irgendwie ein komisches Gefühl, als Opfer seinem Täter hinterher zu spionieren. Aber es muss doch irgendeinen Grund geben, dass Nicholas so ist wie er ist?! Eine Seite lässt mich dann doch stutzen. Es ist ein kleiner Zeitungsbericht. „Vor vier Jahren, so alt ist der Artikel noch gar nicht.“, stelle ich verwundert fest. Aufmerksam lese ich mir den kurzen Bericht durch. Es geht um Nicholas Familie. Das einzige, was ich über ihn weiß ist, das er aus Ungarn kommt. Das ist alles. Laut der Nachricht ist sein Vater wegen sexueller Misshandlung an seiner Frau und seinem Sohn festgenommen worden. Ist das nicht viel zu wenig? Ich weiß nicht, wie lange er Nicholas und seiner Mutter so etwas angetan hat, aber sechs Jahre Haft sind einfach viel zu wenig, finde ich. Einfach viel zu wenig. Aber was bringt mir das jetzt? Soll ich Mitleid mit dem Jungen haben? Das er seine Probleme an mir auslässt? Das ist nicht fair! Ich bin kein Ventil für seine aufgestauten Aggressionen! Ich knabbere auf meiner Unterlippe. Das bringt mir alles nichts. So komme ich nicht weiter. Mir kommt ein vager Einfall. Eine Idee. Ganz sicher bin ich mir noch nicht, ob ich es wirklich tun soll. Ob es mir überhaupt etwas nutzen wird. Ich fahre meinen Laptop herunter und stehe abrupt auf. Monty, der zu meinen Füßen liegt, schreckt auf und sieht mich an, als hätte ich gerade ein schweres Verbrechen begangen. „Sorry Monty, aber dein Spaziergang muss warten!“, meine ich entschuldigend. Ich streife mir die Schuhe über, ziehe meine Jacke an und mache mich auf den Weg. „Was ist?!“, mürrisch wird mir die Tür geöffnet. Ich habe es tatsächlich gemacht, habe meine Klamotten geschnappt und bin zu ihm gefahren. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Und man kann nicht gerade sagen, dass wir in Freundschaft auseinander gegangen sind. Natürlich nicht! Man denkt jahrelang, nichts kann uns auseinander bringen und dann stellt sich heraus, dass dein bester Freund schwul ist. Für ihn ist es ein Grund gewesen, mich nicht mehr sehen zu wollen. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Er hat sich kaum verändert, aber trotzdem wirkt er so anders. „Hey!“, meine ich zögerlich und grinse ihn etwas dümmlich an. „Was willst du hier, Alan?“, fragt er mich leicht überrumpelt. Ich stehe etwas nervös in seinem Hauseingang und mustere ihn unauffällig. „Kann ich reinkommen?“ „...“ Er sagt nichts und ich beginne an meiner Entscheidung zu zweifeln. Was erwarte ich mir davon? Was habe ich mir nur erhofft? Natürlich wird er sich nicht meine Probleme anhören oder mir zur Seite stehen. „Tut mir Leid, dass war eine dumme Idee. Ich gehe wieder.“ Ich drehe mich hastig um und entferne mich ein kurzes Stück vom Haus, als er mir hinter ruft. Ich bleibe stehen und sehe zurück. Er geht einen Schritt zur Seite und zeigt mir somit, dass ich eintreten darf. Freudig laufe ich zurück zu ihm und betrete sein Elternhaus. Ich bin schon lange nicht mehr in diesem Haus gewesen und stelle fest, dass sich hier kaum etwas verändert hat. Es sieht immer noch so aus wie damals, als ich noch zu Besuch kam. „Außer dir keiner da?“, frage ich ihn, als ich die Totenstille bemerke. „Scheinbar nicht.“, meint er kurz angebunden. Unschlüssig bleiben wir im Flur stehen, bis er mir netterweise die Jacke abnimmt, sie aufhängt und mir winkt, dass ich ihm hinterher kommen soll. Wir gehen die Treppe hoch und ich ertrage diese Stille zwischen uns nicht. Irgendetwas muss ich doch sagen! „Hübsch hässlich ist es hier.“, rutscht es mir heraus, als ich das Chaos in seinem Zimmer bemerke. Von Aufräumen scheint er nicht viel zu halten. Ich bahne mir tänzelnd und schleichend einen Weg, durch die am Boden liegenden Klamotten, die wahrscheinlich schon seit Wochen keine Waschmaschine mehr von innen gesehen haben. Über Bücher, die er eh nie lesen wird, weil er zu faul ist und sie nur im Zimmer hat, um bei den Frauen Punkte zu sammeln. Seiner Meinung nach, lieben Frauen belesene Kerle. Er hat mir mal voller Stolz erzählt, er weiß was Frauen an Männern mögen. Nämlich all das, was Männer normalerweise nicht tun. Erstaunlicherweise kommt er dank seiner genialen neuen Methode trotzdem nicht bei den Frauen an. Ich setze mich aufs Bett und höre ein Knacken. Erstaunt erhebe ich mich und hebe die Decke an. Seit wann versteckt er seine Kekse im Bett? Ich hole die Packung hervor und reiße sie ungeniert auf, stopfe mir die Kekse in den Mund und sehe mich im Zimmer um. Überall sind Poster von nackten Frauen, Models, wer auch immer die sein mögen. Seine komplette Konsolensammlung steht aufgereiht vor dem Fernseher und mir kribbelt es verlangend in den Fingern, aber ich beherrsche mich. „Was willst du?“, fragt er mich müde und fährt sich durch seine abstehenden Haare. Ich habe ihn aus dem Bett geworfen, stelle ich ohne bedauern fest. Sein gelber Smileywecker sagt mir, dass es schon fast Mittag ist. Es ist zwar Wochenende, aber ich bin nun mal ein Frühaufsteher. Etwas nervös spiele ich an der Bettdecke herum, die einem Handy gleicht. Wo bekommt der Junge nur all das komische Zeug her? „Alan!“, wiederholt er sich. Ich sehe auf und direkt in seine Augen, die mich zu durchbohren scheinen. Ich hole tief Luft und beginne ihm langsam zu erzählen, was ich in letzter Zeit alles durchmachen musste. Das Gespräch verläuft wie in Zeitlupe und mit der Zeit gesellen sich doch noch schleichend die Tränen hinzu, bis stockend alles aus mir herauskommt. Mein ehemals bester Freund sieht mich mit großen Augen an und muss schlucken. „Ich bring' ihn um!“, grollt er mit düsterem Blick. Ich wische mir mit dem Hemdärmel die Tränen aus dem Gesicht und versuche mich an einem Lächeln. Es gelingt mir nicht. Ich muss immer noch heulen, als gäbe es kein morgen mehr. „Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“, gestehe ich ihm. „Und du bist der Einzige mit dem ich darüber reden kann.“ „Du solltest ihn mit dem Video erpressen oder stell es gleich auf irgendeine Internetseite. Dann vergeht ihm das blöde Grinsen schon noch!“, meint er wütend. Ich schüttele den Kopf. „Das kann ich doch nicht machen! Dann bin ich wirklich nicht besser als er. Und wenn er die Videos von mir ebenfalls hochlädt, bin ich auch dran!“ „Hm, du musst an seine Videos kommen.“, meint er und überlegt. „Wenn er sie auch auf dem Rechner hat, kenne ich jemanden, der ihn hacken kann. Problem ist nur, wenn er die Videos gebrannt hat, müssen wir bei ihm einbrechen. Und das Handy brauchst du auch.“ Ich sehe ihn mit verheulten Augen an und sie werden immer größer. Hat er wirklich vor, ein Verbrechen zu begehen und das nur für mich? Noch bevor ich etwas erwidern kann, greift er zu seinem Handy und wählt in seinem Adressbuch nach einer Nummer. „Hey, Zero! Du musst einen Computer für mich hacken!“, meint er, als wäre es das Normalste auf der Welt. Sie reden noch eine Weile. Ich sitze nur dumm auf dem Bett und starre ihn weiterhin entgeistert an. Was wird das hier? Jetzt stehe ich noch schlimmer da, als Nicholas oder nicht? „Und schick mir Benji rüber, den brauchen wir auch noch.“, meint er und spielt mit einem Gummiband herum. Er legt auf und brummt zufrieden. Dann sieht er auf. „Und jetzt zu dir.“ Ich schlucke, als er mich ansieht. „Wir müssen in sein Haus und du musst den Kerl irgendwie aufhalten, solange er nicht drin ist.“ In meinen Ohren klingelt es. Habe ich gerade richtig gehört? Er verlangt von mir Nicholas aufzuhalten?! Ich schüttele den Kopf. „Könnt ihr das nicht machen, wenn er in der Schule ist?“, frage ich zögerlich. Er schüttelt den Kopf. „Je eher wir an das Zeug kommen, desto schneller bist du ihn los.“, meint er und beugt sich zu mir vor. „Und wenn du nicht langsam mal anfängst dich zu wehren, kannst du was erleben! Ich will nicht irgendwann Nachrichten sehen oder lesen, dass du dich umgebracht hast, kapiert!?“ Ich nicke nur. Er hat ja recht, ich hätte mich längst wehren sollen. Aber irgendwie stellen sich die anderen Leute das immer so einfach vor. Das ist es aber gar nicht! „Benji is in da house!!!“, grölt es von unten zu mir hoch, als er reingelassen wird, nachdem er erst mal den Finger nicht mehr von der ollen Klingel lassen konnte. Die beiden Jungs kommen die Treppen hoch gepoltert und ich sehe einen ziemlich schrägen Vogel vor mir, der einen großen grauen Rucksack mit sich trägt. „Du bist also der kleine Wurm in der Schlinge.“, stellt er fest und wuschelt mir lachend durch die Haare, während ich den Typen mit den langen schwarzen Haaren nur anstarre. Er sieht ein wenig aus, wie ein Rocker. Bin ich im falschen Film? Ich habe das Gefühl mitten in einem Cyberkrieg zu stecken. Benji schmeißt sich auf das Bett neben mich und lässt erst mal fröhlich die Beine baumeln. „Hast du alles dabei?“ Benji nickt und tritt gegen seinen Rucksack. „Alles was ein perfekter Einbrecher braucht.“, meint er grinsend und ich hege das leise Gefühl, dass er so etwas schon öfter gemacht haben könnte. Ich schlucke nervös. Ist das wirklich so eine gute Idee? So langsam bereue ich meine Entscheidung hierher gekommen zu sein. Nachdem Benji uns verlassen hat, um Nicholas Haus zu beschatten, sitzen wir wieder allein im Zimmer. Viel gibt es nicht zu sagen. Wir zocken ein paar Spiele. Anscheinend lässt Nicholas schön auf sich warten. Was ist, wenn er heute überhaupt nicht aus dem Haus geht? Müssen wir dann morgen auch noch auf der Lauer liegen? Ich will das irgendwie nicht. Plötzlich bekomme ich einen Stoß in die Rippen. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Was er gemacht hat, ist viel schlimmer. Er hat dich nicht nur seelisch sondern auch körperlich misshandelt.“ Ich nicke und versuche mich auf das Spiel zu konzentrieren, aber es gelingt mir nicht. Immer wieder kracht mein Auto irgendwo gegen und ich gebe es irgendwann auf. „Sag mal, Tilo...wieso hilfst du mir?“, frage ich ihn nach einer Weile etwas steif. Er sieht mich von der Seite kurz an, konzentriert sich dann aber wieder auf das Spiel. Er kaut auf seiner Unterlippe und scheint zu überlegen. „Weil ich blöd reagiert habe, damals.“, meint er schulterzuckend. „In der Zeit, in der du mich am meisten gebraucht hast, war ich nicht für dich da.“ Er lässt den Controller sinken und beachtet das noch laufende Spiel nicht weiter. Stattdessen sieht er mich an. Verlegen schaue ich zur Seite. „Ich war ziemlich blöd. Ich fand es einfach nur ekelhaft, dass du auf Männer stehst. Tut mir Leid. Ich hab darüber hinaus, ganz vergessen, dass du dadurch kein anderer Mensch wirst. Dass du immer noch derselbe bist.“ Er zieht die Beine an und schaut auf das Spiel. Sein Auto steht auf einem Abhang. Ich greife nach seinem Controller und stürze den Wagen die Klippe herunter. Grinsend sehe ich Tilo an. „Vergeben und vergessen.“, meine ich lächelnd. Seit Benji's Anruf, stehe ich hier draußen herum. Ich bin mit Monty draussen. Irgendwann werde ich Nicholas über den Weg laufen und mein Magen zieht sich zusammen. Ich will ihn nicht treffen! Was ist, wenn irgendetwas schief läuft? Wenn seine Mutter früher nach Hause kommt und Benji in der Wohnung sieht? Wenn er mir einfach davon läuft? Er wird doch bemerken, dass die Sachen fehlen? Ich lasse mich auf eine Bank sinken und spiele mit Montys Leine herum, während er auf der Grünfläche vor mir herum tobt und Löcher buddelt. Ich beobachte meinen Hund und die Leute, die an uns vorbei gehen. Ich werde immer nervöser und will am liebsten davon laufen, aber meine Beine sind schwer wie Blei. Meine größte Angst ist, dass er hier im Park über mich herfällt. Ein dummer Gedanke. Er hat mir nie etwas in der Öffentlichkeit getan, außer mich verbal zu beleidigen. Ich schlucke, der Klos in meinem Hals wird immer größer. Ich kriege ja nicht einmal ein Wort heraus, wenn er mit mir spricht, wie soll ich ihn da bitte aufhalten? Noch ehe ich weiter in Selbstmitleid versinken kann, bellt Monty und läuft fröhlich auf einen Jogger zu. Er liebt alles was schnell ist. Nur leider jagt er den armen Leuten meist eher einen Schrecken ein. Kein Wunder, so ein großer Wischmop, dessen Augen man nicht sehen kann, ist ja auch nicht jedermanns geschmack. Ich stehe auf und laufe zu dem Jogger, um Monty aufzuhalten. Allerdings verlangsamen sich meine Schritte je näher ich komme. Ich werde blass im Gesicht und muss schlucken. Wieso muss es ausgerechnet Nicholas sein?! Er sieht auf, erkennt mich und sofort wird sein noch eben belustigter Blick spöttisch. „Ah ja, das musste ja kommen. Spioniert mir die Schwuchtel hier auch noch im Park hinterher? Kannst wohl nicht mehr ohne mich.“ Er richtet sich auf und baut sich vor mir auf. „Was ist? Hast du's schon wieder so nötig, dass du extra auf mich wartest?“, fragte er höhnisch und wirft mir einen abschätzigen Blick zu. Ich schüttele stumm den Kopf. Mein Mund öffnet sich, aber ich kriege einfach keine Worte heraus. Ich räuspere mich und starte einen erneuten Versuch, der ebenfalls so prächtig klappt. Nicholas sieht mich belustigt an. „Wird das heute noch was, Zipfelklatscher?“, fragt er mich und kommt näher. Ich weiche automatisch ein paar Schritte zurück. Er bleibt stehen. Sein Blick ist so komisch. Ich presse meine Lippen aufeinander und sehe zu Boden. Was soll ich jetzt machen? Sprechen klappt nicht. Zu meinem Glück kommt Monty und springt Nicholas an. Zu meinem großen Pech landet der aber in meinen Armen. Ich verliere das Gleichgewicht und wir küssen beide den Boden. Ich keuche erschrocken auf. Bei dem kurzen Flug habe ich auch noch meine Brille verloren, ohne die bin ich doch blind wie ein Maulwurf! Jetzt liegt der Idiot auch noch auf mir drauf und er ist so schwer. Den bekomme ich so nicht von mir runter. Nicholas stemmt sich vom Boden ab und bekommt zu meiner Belustigung auch gleich die nasse Zunge von Monty ins Gesicht. Geschieht ihm ganz recht! Wenn der wüsste, wo Monty damit schon überall dran hing, dann würde ihm sicher ganz schlecht werden. Nicholas schiebt Montys Schnauze zur Seite und zu meinem bedauern, setzt er sich auch noch auf mich drauf. Kann er nicht gleich aufstehen? Der Junge wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Tja, Idiot, die Keime wirst du damit auch nicht los! Ich hoffe, du bekommst 'nen richtig hübschen Ausschlag oder sonst was ekliges! „Was gibt’s da so blöd zu grinsen, du kleiner Schwanzlutscher!“, faucht er mich an. Sofort verziehe ich mein Gesicht, als ich die Ohrfeige im Gesicht spüre. Es brennt und schmerzt. Ich halte meine Wange und sehe ihn stumm mit großen Augen an. „Boah, fang' bloß nicht an zu flennen, Heulboje!“, murrt er und sieht mich trotzig an. Zu spät, schon kommen die Tränen und ich kann sie nicht einmal zurückhalten. Mitten im Park schluchze ich herum und die Passanten sehen uns mit skeptischen Blicken an. Scheiß Gesellschaft, keiner hilft mir! Alle glotzen nur blöd oder gehen einfach weiter und ich bin der Leidende. Würden sie erst einschreiten, wenn ich vor ihren Augen vergewaltigt werde, oder was?! Wieso hilft keiner?! „Scheiße, krieg' dich mal wieder ein! Das war nur eine einfache Ohrfeige!“, schnauzt Nicholas mich an. Damit macht er es aber nur noch schlimmer, jetzt schluchze ich maschinengewehrartig auf und kriege mich gar nicht mehr ein. Es bricht alles aus mir heraus. Die Tränen, die ich die ganze Zeit immer zurückgehalten hatte. Nicholas sitzt immer noch auf mir, sieht mich aber irgendwie eher hilflos an, was ich natürlich, blind wie ich bin, nicht sehen kann. Er zieht mir die Arme aus dem Gesicht, beugt sich zu mir herunter. „Reg dich endlich ab! Sonst setzt es was!“, flüstert er mir bedrohlich zu. Ich schluchze und sehe ihn an, zumindest seine Konturen, die ich erkennen kann. „Geht doch!“, meint er zufrieden und steht auf. Er packt mich am Hemd und zieht mich hoch. Ich schniefe und wische mir die Tränen aus den Augen. Zu meiner Verwunderung hebt er meine Brille auf und setzt sie mir auf die Nase. „Du kleine Hure bist ganz schön hinterhältig, mich so scharf zu machen.“, meint er plötzlich und drängt mich grob gegen einen Maschendrahtzaun. Überrumpelt stehe ich nun hier und er presst sich unangenehm an mich. Ich spüre seine Erregung an meinem Becken und reiße erstaunt die Augen auf. Ich sehe ihn an und spüre im nächsten Moment auch schon seine Lippen auf meinen. Ich mag es nicht. Er nimmt überhaupt keine Rücksicht dabei und presst sich erbarmungslos an mich. Ich kneife meine Augen zusammen. Ich versuche meinen Kopf wegzuziehen, aber er hält ihn fest. Ich nehme all meine Kraft zusammen und schubse ihn von mir. Er taumelt ein paar Schritte zurück und zieht die Augenbrauen wütend zusammen. Als ich bemerke, wie er die Fäuste zusammenballt, renne ich los. Laufe einfach weg und sehe mich nicht noch einmal um. Ich höre nichts hinter mir und werde nach einiger Zeit etwas langsamer. Ich drehe mich um und bemerke aufatmend, dass mir nur Monty gefolgt ist. Ich sinke zu Boden und heule erst mal richtig los. Was die Leute um mich herum denken, ist mir gerade so was von egal! Abends sitze ich mit Tilo und Benji in Tilo's Zimmer. Die Aktion war ein voller Erfolg. Benji hat Nicholas Zimmer komplett auseinander genommen und ein paar interessante Dinge zu tage befördert. Jetzt sitzen wir in einem Haufen von gebrannten CD's, meinen Aufnahmen. Dieser Depp hat sie auch noch mit meinem Namen beschriftet! Eine nach der anderen wandert in den Schredder von Tilo und mit jeder kaputten CD geht es mir etwas besser. Benji beobachtet alles und flätzt sich gemütlich mit Monty auf dem Bett. Ich halte Nicholas Handy, dass Benji hat mitgehen lassen, in meiner Hand und durchsuche es nach Aufnahmen und Fotos und was es sonst noch geben könnte. Er hat ziemlich heftige Sachen da drauf und mir wird übel. Ein Foto lässt mich stutzen. Es ist ein völlig normales älteres Bild von mir, auf dem ich auf meinem Platz sitze und fröhlich lache. Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Er hat das Bild als einziges in einem extra Ordner. Ich schlucke und meine Mundwinkel ziehen sich nach unten. Benji und Tilo beobachten mich schweigend. Es ist das letzte Bild, das ich lösche. Plötzlich klingelt Tilos Handy und wir sehen gespannt auf. Tilo nimmt ab und stellt auf freisprechen. „Ich hab da ein paar interessante Sachen auf dem Computer von diesem Arsch gefunden!“, begrüßt uns Zero mit seiner tiefen Stimme. „Das ist echt so'n scheiß Stalker! Ihr glaubt nicht, was der für Zeug auf seinem Rechner von dem Kleinen hat. Das ist einfach nur krank!“, meint er aufgebracht. „Tausende heimlich geschossene Fotos, der Kerl muss ja dauernd hinter Alan her gewesen sein. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, der ist verliebt. Aber so was von!“ Zero lacht. „Tja, Kücken! Da hast du einen richtigen Verehrer an der Angel! Keine Sorge, ich hab alles gelöscht und ihm als Andenken einen netten Virus eingepflanzt.“ Und schon hat er aufgelegt. Sprachlos sehen wir uns an. „Und jetzt...?“, frage ich hilflos in die Runde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)