F(r)ischluft von Hyoura ================================================================================ Kapitel 2: Koffein ------------------ James war bei seinem zweiten Kaffee für diesen Tag angelangt und trotzdem lichtete sich der Nebel um seinen Geist nur sehr zaghaft. Dumpf starrte er auf die Plexiglasscheibe vor sich, hinter der sich der Aufnahmeraum befand. Zurzeit war er leer, verständlich, schließlich war es noch vor neun, Aufnahmen fingen nie vor dieser Zeit an. Also oxidierte er hier im Regieraum vor sich hin. Hier standen die ganzen Gerätschaften zum Aufnehmen, Abspielen, Mischen und was man noch alles mit der im Aufnahmeraum gespielten Musik machen wollte. Gehalten war der Raum in einem schlichten, zweckdienlichen Weiß, von dem es nicht allzu viel zu sehen gab, denn überall war alles vollgestellt und gelegt mit Kabelgewirren, Schränken und Technik jeder Art. Jemand gab ihm von hinten einen kräftigen Klaps auf den Rücken und beinahe wäre er mit dem Gesicht zuerst auf das Mischpult vor ihm gefallen. Glücklicherweise retteten ihn seine wohl doch noch etwas funktionierenden Selbsterhaltungsinstinktive und mit der Nase wenige Zentimeter von den eckigen Reglern entfernt, schwang er sich wieder auf. Neben ihm ließ sich Harald in den mit schwarzem Leder bezogenen Stuhl fallen. Wie James arbeitete er auch im Tonstudio Soundbolt im Recording Bereich. Er war älter als James, wenn er sich richtig erinnern konnte war es sein 35. Geburtstag gewesen, den sie zusammen mit einigen anderen vor zwei Monaten gefeiert hatten. Wirklich sah man ihm das Alter aber nicht an, die Haare, lang und zum Pferdeschwanz zusammengebunden, waren vom selben dunklen blond wie immer, genau wie der Zickenbart, nur an den Augen zeichneten sich die ersten Krähenfüße ab. „Na, alter Hase? Wie steht's, wie geht’s?“, fragte er nach James Meinung viel zu munter. „Gar nichts geht“, murrte James unwillig und kippte die Kaffeetasse um 180 Grad, sodass der mickrige, krümelige Bodensatz gemählich die weiße Innenwand der Tasse herunterkraxelte. Als der kleine Fluss aus Kaffeesatz den Tassenrand erreichte, streckte er die Zunge heraus und ließ die dunkle Flüssigkeit darauf fallen. Es reichte gerade mal für drei Tropfen. Etwas enttäuscht stellte er die Tasse zurück auf den kleinen Fleck freien Platzes neben dem Mischpult. „Schon wieder eine durchwachte Nacht hinter dir?“, fragte Harald mitfühlend. James warf ihm einen kurzen Seitenblick aus mit dicken Ringen versehenen Augen zu. „Okay, das erklärt alles. War sie denn wenigstens von Erfolg gekrönt?“ Ein feines Lächeln stahl sich auf James' Lippen. „Eine Seite.“ Harald pfiff durch die Zähne. „Siehste mal.“ Der anerkennende Gesichtsausdruck wandelte sich dann aber schnell zu Besorgnis um. „So schön dass auch ist, meinst du nicht, du könntest das auch feierABENDS machen, mit Betonung auf abends wie in abends wie in NICHT nachts?“ „Wenn das mal immer so einfach wäre. Ich musste diese Idee nun mal unbedingt auf Papier bekommen, sonst wäre sie mir durch die Finger geflutscht.“ „Deine nächtlichen Einfälle disharmonieren schon etwas mit deinen Arbeitszeiten, dessen bist du dir bewusst?“, meinte Harald kein bisschen beruhigt. James zuckte nur mit den Schultern. „Wie du meinst.“ In automatischen Bewegung schaltete Harald die Steckerleiste ein und drückte auf den Einschaltknopf seines Computers. Mit einem feinen Surren erwachte die Maschine zum Leben und der Flachbildschirm schaltete sich mit einem Knipser ein. „Also, auch wenn du müde bist, die Arbeit beginnt jetzt.“ Harald wedelte mit seiner Armbanduhr vor James' Nase herum, deren Zeiger kurz vor acht Uhr anzeigten. „Immer frisch ans Werk!“ James stöhnte, schaltete aber ebenfalls seine Seite der Technik ein. „Bist du eigentlich schon mit den Tracks dieser Kuschelrockband von vor einer Woche durch?“, rief er über die Schulter, während er sich aus einem der weißen Schränke ein Set Kopfhörer griff. „Fast, nur beim letzten Song sind noch einige Veränderungen notwendig.“ Ein Pling sagte ihm, dass der Rechner fertig war mit Hochfahren und bereit war, seine Befehle entgegenzunehmen. Nicht, dass es gerade allzu viel für ihn zu tun gab. James warf einen Blick auf den Terminkalender, der eingequetscht zwischen Rechner und Mischpult auf seinem Tisch stand. In einer halben Stunde dürfte sich das ändern, dann war „Subtle Subterfuge“ zum Recording eingetragen. Nachdem Marcus, auch wenn mit ziemlicher Verspätung, beim Tonstudio Soundbolt ankam, ging er mit der Erwartung, dort eine aufgebrachte Amanda zu finden, in die Eingangshalle. In dieser fehlte jedoch jede Spur von ihr und und dem Gitarristen ihrer Band, Jack. Planlos, wohin er jetzt gehen sollte, stand er mit seinem Bass über der Schulter und dem Rest der Ausrüstung da und schaute sich in der Halle um. Es war weder jemand zu sehen noch zu hören, was es ihm nicht gerade erleichterte, Amanda und Jack ausfindig zu machen. Er könnte am Eingang einfach stehen bleiben, beziehungsweise sich auf die rote Couch setzen die in einer Ecke im Raum stand und warten bis einer von den Beiden ihn dort ausfindig machte. Diese Idee beseitigte er aus seinem Kopf aber wieder schnell, denn das würde Amanda nicht milder stimmen. So ließ er jetzt ein paar Mal seinen Blick von rechts nach links schweifen in der Hoffnung, dass doch noch jemanden hier rumgeisterte, den er bis jetzt übersehen hatte. Das ganze hin und herschwenken seines Blickes brachte letztendlich doch nichts und so entschied er sich dazu, die große Treppe zu nehmen und einen Stock höher nach jemanden zu suchen, der ihm vielleicht helfen könnte. Als er dann im oberen Teil des Gebäudes stand, machte sich totale Verzweiflung in ihm breit, denn als er die Größe des Gebäudes sah und an seine Geschwindigkeit, die Beiden zu finden dachte, war es nicht schwer festzustellen, dass er Jahre brauchen würde, sie ausfindigzumachen. Der zweite Stock bestand aus einem recht breiten Flur, zu dessen Rechten und Linken sich etwas weiter hinten einige Räume befanden. Die Wände hier waren, im Gegensatz zu unten, in einem hellen Ton gehalten und welche den Raum eine angenehme Frische ausstrahlen ließ. Aber egal in welcher Farbe die Wände auch gestrichen wären, Marcus' Hoffnung, Amanda eine plausible Erklärung zu liefern, sodass sie ihn nicht für den Rest des Tages hassen und mit bösen Blicken bombardieren würde, schwand mehr und mehr. Keine Tapetenfarbe der Welt würde Amanda abhalten können ihm, ohne auf eine Entschuldigung zu warten, den Kopf abreißen. Die ruhige Atmosphäre wurde plötzlich von einer Stimme zerstört – die dem Tonfall nach zu einer sehr genervten Person gehörte. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es Amanda war, die er hörte, denn sie regte sich offensichtlich darüber auf, dass Marcus noch immer nicht da war. „Lass uns schon mal das wichtigste mit Herr Nerad klären, wir können ja nicht ewig auf Marc warten.“ Sie hätten nicht noch länger als nötig warten müssen, wenn sie einfach am Eingang gewesen wären und nicht irgendwo, wo sie niemand ohne Weiteres einfach findet. Aber zumindest konnte er nun einfach dem Klang ihrer Stimme folgen, anstatt alle Zimmer nach ihr zu durchkämmen. Schnell hatte er den Raum gefunden, in dem die Sachen von Amanda und Jack standen und legte seine dazu. Seine schwarze Lederjacke hängte er an den Kleiderständer. Der Rest war eigentlich ganz einfach. Er musste sich nur daran halten, wo sich dafür entschuldigt wurde, dass der Bassist noch nicht da war. Flüchtig und wahrscheinlich viel zu leise klopfe er gegen die große Holztür, vor der er stand. Als kein „Herein“ oder dergleichen kam, öffnete er einfach die Tür und ging rein. Kurz nachdem er die Tür geschlossen hatte, schaute ihn Amanda bereits so an, als würde sie sich gleich auf ihn stürzen und zu Hackfleisch verarbeiten. „Du bist bestimmt der Bassist“, begrüßte ein Mann viel zu freundlich für diese Uhrzeit Marcus, der nicht allzu alt aussah und die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Lange Haare bei Männern mochte Marcus noch nie. Aber das war das geringste Problem, denn Amanda würde ihm noch gehörig die Meinung sagen. „Genau. Das ist der Bassist, der es nicht für nötig hält, Termine einzuhalten.“ Diese Anschuldigungen gingen in dem einen Ohr rein und im anderen wieder raus. Es kam nur selten vor, dass Marcus zu spät war, dass sie es wieder so drehte, als wäre das Alltag, war wirklich typisch für sie. Genauso müde wie Marcus es zurzeit noch war, schien auch der Mann zu sein, der zur Linken des Pferdeschanzmannes saß. Kurz nachdem Marcus reingekommen war, hatte er sich umgedreht und zu ihm geschaut, dann aber auch gleich wieder zurück zu seinem Arbeitsplatz. Er hatte echt schöne braune Augen. Diesen Gedanken rangierte er gleich wieder aus und gab sich dem kleinen Streitgespräch zwischen ihm und Amanda wieder hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)