Harmonie von Seraphin ================================================================================ Kapitel 37: Begegnungen ----------------------- Kapitel 37: Begegnungen Hermine hatte Harry in den letzten Wochen nicht allzu oft gesehen und wenn, dann war er meist unter sicherer Bewachung durch die Weasleys gewesen. Die Tage, an denen sie ihn, wenn auch nur stundenweise, ganz für sich alleine hatte, waren reichlich knapp bemessen. So war Hermine auch gar nicht böse, fast nicht zumindest, als man sie bei den Malfoys zur Weihnachtszeit traditionell auslud. Bei Harry nachgefragt, ergab sich nämlich, dass auch er den Weihnachtsabend ohne Schwiegerfamilie verbringen würde. Unter einem Vorwand, so gestand er ihr, hatte er es geschafft, alleine in seinem Haus bleiben zu dürfen, wo er seit kurzem wieder wohnte. Nachdem er nun einige Monate lang eine Intensivschulung in Haushaltsführung und eine Rosskur familiärer Fürsorge verabreicht bekommen hatte, war ihm die traute Gemeinschaft im Fuchsbau doch etwas zu viel geworden. Er hatte ihr mehrfach in Briefen gestanden, dass das Zusammenleben mit Ginny nicht sonderlich romantisch war, wenn das Pärchen ständig vom Rest der Weasleys umgeben war. Weasleys, die nicht nur furchtbar laut waren, sondern auch das gesunde Maß an Abneigung gegen die dunklen Künste weit überschritten hatten, seit zwei ihrer Söhne… In einem recht unglücklich klingenden Brief hatte Harry Hermine gestanden, dass er manchmal das Gefühl habe, dass sie ihm insgeheim die Schuld an Rons und Charlys Tod gaben. Hätte er nicht der auserwählte Erlöser sein sollen? Der, der mit Voldemort Schluss machte und alles Elend vom Rest der Welt fern hielt? Hermine hatte ihm zurückgeschrieben, dass er sehr wohl viel zu Voldemorts Fall beigetragen habe, dass kein Mensch auf der Welt ihm vorwerfen könnte, zu wenig getan zu haben und dass die Weasleys auch ganz sicher nicht erwartet hatten, dass ein siebzehnjähriger Junge im Alleingang über Nacht die Welt retten könnte. Vielleicht hatte er ihr geglaubt, denn das Thema wurde danach nie wieder angeschnitten. Auf Hermines kontinuierliches Nachfragen, ob er denn nun in der Klinik gewesen wäre, um über eine Therapie zu sprechen, wich er jedes Mal sehr dezent aus. Laut Ginny – und Hermine weigerte sich, ihre Nachforschungen an dieser Quelle als Hinterherspionieren zu bezeichnen - war die Antwort immerhin ja. Möglicherweise war das ja ein Grund, wieso die Weasleys ihn im November wieder hatten gehen lassen. Seitdem wohnte Harry wieder im Grimmauldplatz. Regelmäßige Kontrollbesuche waren dennoch fast an der Tagesordnung, ebenso unvermeidlich wie Kreachers erneuter Einzug. „Wie klappt es denn mit euch beiden?", fragte Hermine deshalb, als sie sich im weihnachtlichen Exil bei Harry einfand. „Geht so", kommentierte er lapidar und nahm Hermine ihren Umhang ab, um ihn ordentlich auf den neu angeschafften, absolut black-untypischen, weil ungruseligen, Schirmständer zu hängen. „Er hasst mich, ich hasse ihn. Darüber sind wir uns schon mal einig. Ab und zu wechselt er sich mit Dobby ab. Ich würde ihn gerne ganz gegen Dobby austauschen, aber Dobby ist es hier allein ohne Winky zu langweilig und Kreacher ist es in Hogwarts zu stressig." Er zuckte lakonisch mit den Achseln. „Wir müssen uns wohl aushalten." „Aber warum kannst du nicht alle drei hier behalten?", fragte Hermine und folgte Harry den Gang entlang in Richtung Küche. „Naja, könnt ich machen. Aber seit wann bist du denn für Sklavenhaltung?" Er drehte sich mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen um und stieß die Tür auf. „Es wäre keine Sklavenhaltung, wenn du sie angemessen… Oh, wow! Das sieht ja gigantisch aus!" Hermine riss die Augen auf, bei dem, was sich vor ihr auftat. Was im August verdreckt, zugemüllt und stinkend gewesen war, war nun nicht nur blitzblank sauber, sondern auch neu gestrichen und renoviert. Der Tisch war adrett mit feinem Porzellan, perlfarbenen Kerzen und Kristallgläsern gedeckt. Die Wände waren mit Winterblumen und Mistelzweigen geschmückt und ein festlicher Geruch nach gutem Essen lag in der Luft. Auf dem Tisch standen kleine, bläulich schimmernd Gebilde – Blumen, Kerzen, Miniatur-Tauben - die allesamt aus Eis geschliffen worden waren. „Sind die echt?" „Fass sie an und finde es raus!" „Die… iih ist das kalt. Ha ha ha. Ja, die sind echt. Wer hat die gemacht, sie sind zauberhaft!" Statt einer Antwort erhielt Hermine einen Stoß, als ein entsetzt quiekender Kreacher mit einem Satz auf einen Stuhl neben ihr sprang, ihr die Skulptur einer Eisblume entriss und sie fürsorglich, wie eine Mutter ihr Baby, an sich drückte. „Das Schlammblut hat sie angefasst, das Schlammblut hat sie angefasst", wimmerte er entsetzt. Harry zog ein Gesicht, packte Kreacher am Kragen und zog ihn über den Tisch. Ganz sicher hätte er ihn heruntergeschmissen, wenn Hermine nicht heftig protestiert hätte. So setzte er ihn nur halbwegs vorsichtig auf den Boden und, nun ja, er gab ihm wohl einen Tritt in den Hintern, aber nicht sehr fest und auch nur, als er dachte, dass Hermine es nicht bemerken würde, weil sie gerade ihren Platz am Tisch einnahm. Kreacher gestikulierte rüde, bewarf Harry mit der Eisblume und machte sich dann daran, das von ihm gezauberte Mahl anschweben zu lassen. Es landete mit vielen Klecksen im Teller und verspritzte ihre Kleidung. Hermines Suppe war eiskalt, Harrys kochendheiß. Ein wenig Vergnügen wollte der Elf sich am Weihnachtsabend nicht nehmen lassen. Als endlich alles gedeckt war, Hermine und Harry ihr Essen auf Normaltemperatur gezaubert hatten, schnappte sich Kreacher etwas von einer Herdplatte und wandte sich damit zur Tür. Hermine kam eine herrliche Idee, wie man den Abend versöhnlicher gestalten könnte. „Warum willst du denn schon gehen? Setz dich doch zu uns und erzähl ein bisschen von Hogwarts." Harry gab ein Geräusch von sich, als würde er ersticken und Kreacher verschlug es den Atem und die Sprache. Nur kurz jedoch, denn Sekunden später plusterte er sich auf, was ihm ein wenig das Aussehen eines bleichen Frosches gab, und wetterte empört: „Das Schlammblut will Kreacher vergiften. Wenn das die Herrin wüsste, der arme Kreacher soll verhungern, weil er neben einem Schlammblut…" Harrys Schuh, an seinen Kopf geworfen, brachte ihn zum Verstummen und er ließ die Schüssel fallen. „Harry!" „Hermine!" „Lass das!" „Wieso? Er beleidigt dich…" Kreacher selbst murrte munter weiter, während er seine Schüssel, aus der merkwürdigerweise nichts herausgefallen war, wieder aufhob. „Der arme Kreacher muss für Schlammblüter und Blutsverräter kochen. Wenn der Krieg doch nur weiterginge und Kreacher die beiden loswerden könnte! Niemals würde eine Person einer vornehmen Familie…" „Du, Kreacher", krähte Harry belustigt und grinse breit. „Das Schlammblut, das du loswerden willst, wohnt in Malfoy Manor. Was sagst du dazu?" Kreachers Augen wurden so groß wie Unterassen. Wieder ließ er die Schüssel fallen, dieses Mal wohl absichtlich, fiel vor Hermine auf die Knie und reckte ihr seine gefalteten Hände entgegen. „Kann das Schlammblut Kreacher mitnehmen? Bitte… Ist das Schlammblut wirklich bei den edlen, wohlerzogenen, vornehmen Reinblütern? Das Schlammblut muss Kreacher befreien… er wird hier gezwungen, die schrecklichsten Dinge zu tun. Neulich musste er sogar diesen sprechenden Kasten abstauben und…" „Der Computer beißt dich, wenn du zu viel meckerst. Das weißt du!" Kreacher machte ein ängstliches Gesicht und nickte Harry mit schuldbewusster Miene zu. „Harry!" Statt auf ihre Rüge einzugehen, winkte er nur gelangweilt ab. „Denk dran, Kreacher. Und jetzt verzieh dich und iss was. Wenn du brav bist, nehm ich morgen den Vorhang von Mrs. Blacks Bild ab, wenn ich aus dem Haus gehe." Kreacher schniefte, nickte jedoch ergeben, schnappte sein Essen und trottete zur Küche hinaus. Hermines Blick folgte ihm mitleidsvoll, dann jedoch erinnerte sie sich an die eben ausgesprochene Drohung. „Sag mal, spinnst du? Der Computer beißt dich? Der arme Kerl hat totale Angst und du nutzt seine Einsamkeit aus und…" „Ach!" Er hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. „Vergiss es! Er mag uns nicht und er braucht ein paar Drohungen ab und zu, sonst wird ihm langweilig. Und überhaupt... er hasst dich immer noch. Der hasst dich nur noch mehr, wenn du nett zu ihm bist. Das will er einfach nicht. Kommt dein Verständnis bei den Elfen im Manor denn gut an?" Da dies eine sehr prekäre Frage war, deren Antwort Hermines Bestreben nach Harmonie zwischen den magischen Geschöpfen stark gefährdet hätte, beschloss sie, lieber zu essen. Harry tat es ihr mit siegreichem Grinsen gleich. Nach einer Weile, mittlerweile waren sie schon beim Hauptgang angelangt, legte Harry unvermittelt seine Gabel beiseite und erklärte: „Ich habe gekündigt." Hermine, die Gabel im Mund, machte große Augen. „Waff?" „Ich sagte, ich habe in der Aurorenabteilung gekündigt", erklärte er ruhig. „Ich mag nicht ewig weiterkämpfen, also habe ich schon vor einigen Wochen gekündigt. Silvester ist mein letzter Arbeitstag, mehr sage ich zu diesem Thema nicht." Er nickte sich selbst bestätigend zu, griff erneut nach seiner Gabel und spießte eine Bratkartoffel auf. „Ja, und… ja... und… was machst du jetzt?", stammelte Hermine verwirrt. „Ich werde in die Mysteriumsabteilung gehen. Du magst das unfair finden, aber offen gesagt, kann ich so ziemlich überall hingehen, wo ich will. Ich will dorthin. Ich habe jetzt noch ein wenig Zeit, um mich in meine neue Stelle einzulesen, am ersten Februar fange ich an." Hermine atmete tief durch. Sie überlegte, was sie dazu sagen sollte und wie sie diese Nachricht überhaupt finden sollte. „Weiß Ginny das schon?" „Natürlich." „Mir hat sie nichts gesagt", murrte Hermine leise und schielte missmutig auf ihren Teller, als wäre der Schuld daran, dass sie erneut ausgeschlossen wurde. „Sei nicht böse. Wir sehen uns einfach nicht mehr so oft wie in der Schule und per Eule, äh, Brief, erklärt sich sowas schlecht. Komm, wenn ich dann wieder täglich im Ministerium arbeite… Ginny hat bei ihrem Job in der Zeitung auch viel zu tun. Das ist halt nicht mehr wie früher… aber wir haben dich noch immer lieb. Komm, iss weiter. Wenn wir morgen alle zusammen sind, dann bist du wieder überall auf dem neuesten Stand." Hermine verzog ihr Gesicht, widersprach jedoch nicht. Er hatte ja recht. Mittlerweile hatten alle ihre Jobs. Selbst Luna, die – wie könnte es anders sein - für den Klitterer unbekannte Tiere und Pflanzen erforschte. Gemeinsam mit dem armen Neville, der sie jedoch tapfer bei ihren Expeditionen durch seine Gewächshäuser unterstützte. Ja, sie waren nicht mehr in der Schule, sie sahen sich nicht mehr alle täglich, es hatte sich einiges geändert. Damit musste sie sich wohl abfinden. Gerade als sie nach ihrer Gabel griff, erklang vom Flur her das unmelodische Kreischen der Klingel. Hermine schreckte bei dem unvermittelten Geräusch zusammen, das eher nach dem schrillen Schmerzensschrei eines verendenden Tieres, als nach irgendetwas anderem klang. Als sie dies zum ersten Mal gehört hatte, war sie entsetzt aufgesprungen, um zu sehen, ob Kreacher aus lauter Verzweiflung wieder hier zu sein, vielleicht Selbstmord beging. Mittlerweile wusste sie es besser. Statt also wegen Kreacher besorgt zu sein, konnte sie ihre Aufmerksamkeit gleich dem Tisch widmen, wo aus dem nichts zwei weitere Gedecke erschienen. „Du hast doch gesagt, dass die Weasleys im Fuchsbau feiern!" Harry machte ein Gesicht, als wäre er selbst überrascht oder zumindest verunsichert. Ziemlich unbehaglich wirkte er, irgendwie ertappt. „Ja… ähm… schon", stotterte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ja, wie jetzt? Du hast doch gesagt…" Hermine verkniff sich den Protest, dass sie gehofft hatte, allein mit Harry zu sein. Irrte sie sich, oder wurde Harry gerade rot? „Ich geh mal und öffne", piepste er nervös und sprang von seinem Stuhl auf. „Kreacher wird sie nicht mögen. War schwierig genug, sie hierher zu kriegen. Wenn er sie nun nicht reinlässt, dann…" Doch statt zu erklären, wer hier so schwer hergefunden hatte, wen Kreacher nicht hineinlassen würde oder warum Harry nicht gleich gesagt hatte, dass weitere Gäste eingeladen waren, stürzte er eilig zur Tür und polterte den Gang hinunter, zum Ursprung des Rätsels. Das Kreischen erstarb und Hermine meinte zu hören, wie die Tür quietschend geöffnet wurde. Verhaltenes Raunen drang in die Küche. Hermine konnte die Stimmen nicht gut ausmachen, doch ihrem Eindruck nach konnte das niemand von den Weasleys sein. Merkwürdigerweise klangen die Stimmen eher leiser als lauter, während die Schritte näher kamen. Sie flüsterten. Sollte Hermine sie nicht hören können? Dennoch hatten die Stimmen etwas Familiäres, Vertrautes. Wenn es auch nur ein Raunen war, das sie hörte, es klang ihr vertraut. Die Schritte kamen näher, hielten vor der Tür einen Moment inne und Hermine stellte sich vor, wie die Personen, wer immer sie auch sein mochten, noch einmal tief durchatmeten, bevor sie… die Tür öffnete sich und Hermines Eltern standen in der Tür. Sie kamen herein, sahen sich einen Moment erstaunt in der Küche um und lächelten dann Hermine verlegen an, als sie ihre Tochter am Tisch entdeckten, während Harry mit tomatenrotem, hängendem Kopf zurück an den Tisch schlich. „Harry, was soll das?" Er räusperte sich verlegen, trank hektisch einen Schluck Wein, verschluckte sich daran und erklärte, während er sich noch den Mund wischte. „Ich hab sie zufällig in London gesehen. Sie waren in der Nähe des Tropfenden Kessels und haben den Eingang nicht gefunden und da… da dachte ich mir…" „Wir haben ihn angesprochen", sagte Hermines Mutter und kam zögerlich etwas näher. „Wir hatten ja die ganze Zeit keine Möglichkeit, mit dir Kontakt aufzunehmen, weil du uns keine Eulen mehr geschickt hast und wir keine Adresse hatten, zu der wir schreiben konnten…" Hermine hatte es die Sprache verschlagen. Unzählige empörte Beschimpfungen und Tiraden gegen Harry, saßen in ihrer Kehle fest, doch vermochten sie sich nicht von dort zu lösen und über ihre Lippen zu kommen. Wie festgeklebt war dort alles, angestauter Ärger über Jahre hinweg, eine Enttäuschung nach der anderen, Unverständnis und Einsamkeit wollten ausgesprochen werden, doch gelähmt wie Hermines Zunge war, blieb all dies ungesagt. So konnte sie nichts anderes tun, als ihre Stirn zu runzeln, die Arme zu verschränken und Harry wütend anzufunkeln. Der wich ihrem Blick aus und deutete auf die beiden freien Stühle, die sich eben, beim Klingeln, aus dem Nichts, an der Tafel eingefunden hatten. „Setzen Sie sich bitte… wir… wir haben schon angefangen, aber…" Ohne auf Hermines bitterböse Miene zu achten, entledigten sich die beiden ihrer Mäntel, hingen sie über die Stuhllehnen und ließen sich rechts und links von Hermine nieder, die am liebsten laut gerufen hätte, dass sie das nicht wollte. „Tja… weißt du", begann Hermines Vater, nachdem er sich von dem offensichtlichen Schreck erholt hatte, dass sich sein Teller von alleine mit Essen beladen hatte. „Wir… also wir haben natürlich oft an dich gedacht, seit wir diesen dummen Streit hatten und… wir wollten mit dir reden, aber wir konnten dich nicht erreichen…" „Wir waren sehr traurig", führte Hermines Mutter den Gedanken fort. „Wir haben überlegt, ob wir wirklich zu wenig Verständnis gehabt haben, aber… du hast ja auch nie etwas gesagt." „Ihr habt doch eh nie was verstanden!", erklärte Hermine trotzig und starrte weiter grimmig auf ihr langsam kälter werdendes Essen. „Ihr habt euch immer nur um euren Kram gekümmert, als ob es euch je interessiert hätte, was bei uns vor sich geht." Sie sah, wie sich ihre Mutter und ihr Vater sich über ihren Kopf hinweg kurz ansahen, als würden sie sich gegenseitig an eine stumme Absprache erinnern. „Weißt du", sagte Hermines Vater und legte seine Hand auf ihre, die Hermine sofort abschüttelte, was er widerspruchslos akzeptierte. „Wir… wir wollten dir zuhören. Aber du hast uns so wenig gesagt. Immer nur, dass wir das eh nicht verstehen würden und dass du mehr Zeit zum Lernen brauchst." Er zuckte mit den Schultern und warf Hermines Mutter einen Hilfe suchenden Blick zu. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, aber du hast uns nie an dich herangelassen. Und als dann noch dieser… dieser… ähm… Freund von dir zu uns kam, mit all dem Blut und…" „Wir sind immer noch zusammen und wohnen jetzt bei ihm", schnappte Hermine dazwischen. „Aber ihr müsst euch keine Sorgen machen, er bringt jetzt keine Leute mehr um, weil er in die Psychiatrie zwangseingewiesen wurde. Seid ihr jetzt beruhigt?" Sie sagten nichts, warfen sich nur wieder Blicke zu und Harry wurde, wenn möglich, noch etwas röter. Er hielt den Kopf gesenkt, stopfte sich einen Bissen nach dem anderen in den Mund und tat sein Bestes, jede Form von Konversation zu vermeiden. „Ihr wisst das also schon! Sag Harry, was hast du noch alles gegen meinen Willen breit getreten?" Er räusperte sich und murmelte verlegen: „Nicht viel. Dass du bei den Malfoys wohnst, im Ministerium arbeitest und dass es dir soweit gut geht." „Das ist die Rache dafür, dass du zu den Weasleys musstest. Nicht? Jetzt willst du mir das heimzahlen!" Harry hob den Kopf und schenkte ihr ein Lächeln, in dem ein Hauch von Schadenfreude mitschwang. „Alles zu deinem Besten…" Hermine hätte ihn auf der Stelle erwürgt, wenn sich ihre Mutter nicht eingemischt und gesagt hätte, dass sie Harry auf der Straße regelrecht angefleht hätten, ihm von ihrer Tochter zu erzählen. Ihr Vater fügte hinzu, dass sie ja sehr gerne verständnisvoller wären, aber das Hermine dafür schon mit ihnen reden müsste. Sie wären heute Abend hier, um Hermine zuzuhören und ihr zu sagen, dass sie sehr gerne wieder Kontakt hätten. Es war sicher gut gemeint und es klang auch ehrlich, dennoch war es für Hermine an diesem Abend zu viel. Sie ertrug es, mit ihnen gemeinsam zu essen, hüllte sich jedoch größtenteils in Schweigen. Nach allem, was in den letzten Jahren passiert war, was sie mitgemacht hatte, wo sie allein gelassen war, nach alledem, konnte und wollte sie jetzt nicht so tun, als ob sie ihren Eltern vertrauen würde. Da war eine riesengroße Mauer zwischen ihnen und Hermine wollte diese Mauer. Die Möglichkeit einer Tür, für kurze Einblicke in die Welt des jeweils anderen, musste sie erst noch überdenken. Ihre Eltern blieben auch nicht lange, gingen nach etwa einer Stunde wieder. Hermine räumte die Möglichkeit ein, ihnen mal wieder zu schreiben. Vorher müsse sie nachdenken… und Harry verprügeln, wenn sie das auch nur dachte und nicht sagte. Es blieb bei dem Gedanken. Harry erntete lediglich Vorwürfe, aber keine Prügel. Trotzdem war die Stimmung an diesem Abend sowie auch am Weihnachtstag danach zwischen ihnen angespannt. Als Hermine am nächsten Abend ins Manor kam, fand sie einen wütenden Draco in seinem Zimmer vor. Seine Eltern hatten die Frechheit besessen, ihm und Hermine einen Urlaub in einem magischen Hotel in der Karibik zu schenken. Im Frühjahr sollte die Reise sein. Draco empörte sich furchtbar und wetterte, dass das nur ein neues Mittel sei, um ihn loszuwerden und dass Lucius und Narzissa doch wissen sollten, wie ungern er außerhalb des Manors war. Dieser Urlaub wäre eine Unverschämtheit, eine Zumutung und er würde nicht im Traum daran denken, diese Reise jemals anzutreten. Hermine verdrehte die Augen, sagte aber nichts dazu. Die Zeit würde es bringen… Sie schwieg jedoch auch zu ihrem eigenen, ungewünschten Weihnachtsgeschenk. Dem Besuch ihrer Eltern. Das war etwas, was sie erst einmal mit sich alleine ausmachen musste, bevor sie Dracos Kommentar dazu verkraften konnte. Und was sollte sie auch sagen? Ja, sie hatte ihre Eltern wieder gesehen, die ihr auf eine Art wie Fremde und im selben Moment doch ungewohnt nahe und vertraut erschienen. Sie beschloss, ihnen zunächst einmal einen Brief zu schreiben. Nichts zu Privates, denn sie wusste, dass ihre Eltern mit dem, was sie erlebt hatte, überfordert sein würden. Ebenso wie sie selbst. Also vielleicht nur ab und zu Alltägliches aus dem Büro? Vielleicht nur die kleinen Alltagsgeschichten, die im Manor niemand interessierten. Sie würde an den darauf folgenden Reaktionen merken, ob ihre Eltern es verdient hatten, mehr von ihr zu erfahren. Xxx Januar dümpelte ereignislos dahin, wurde alt und verging, ohne dass Hermine mit Draco über ihre Eltern geredet hatte. Es würde ihn nur verunsichern. Sicher würde er dann nur wieder glauben, dass sie nach einem Weg suchte, um ihn verlassen zu können. Er würde Angst haben, dass sie zurück zu ihren Eltern zog. Nein, das, was ihr Harry und Neville bei ihrem Treffen Mitte Januar vorgeworfen hatten, stimmte absolut nicht. Sie schob Draco niemals vor, um sich vor unangenehmen Dingen zu drücken. Hermine war eine starke Persönlichkeit, die sich immer allem offen stellte. Sie war niemals verschlossen, verbohrt und sie hatte noch niemals andere so behandelt, als ob sie dümmer oder unsensibler als sie selbst seien. Diese empathielosen Idioten verstanden sie nur nicht. Hermine war dankbar, dass es Draco mittlerweile besser ging und er viel freie Zeit dazu nutzte, um Schulstoff zu lesen oder mit ihr Zaubersprüche zu üben. In dieses empfindliche Gleichgewicht, welches sich langsam im Manor einstellte, wollte sie keine unnötige Unruhe hineinbringen. Harry und alle anderen irrten sich. Dennoch war es im Ministerium einmal mehr einsam ohne ihn. Wie freute sie sich da, als sie ihren besten Freund Anfang Februar endlich wieder dort erblickte. Hermine strahlte Harry freudig an, als sie ihm im Flur begegnete. „Na du? Wie läuft dein erster Arbeitstag?" Er grinste müde und zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen darf." „Oh!" Hermine erwiderte das Grinsen und hob belustigt die Augenbrauen. „Nein, ernsthaft. Hier ist alles total geheim. Ich hab sogar ein Handbuch gekriegt, wo drin steht, was ich in der Öffentlichkeit alles anziehen darf und was nicht, um nicht aufzufallen. Weißt schon… Und ich glaube, die haben in der Abteilung einen geheimen Vertrag mit irgendeiner Vielsaftfirma. Die lagern das Zeug fässerweise, weil wir in der Öffentlichkeit nie als wir selbst auftreten dürfen." Hermine schenkte ihm ein lahmes Lächeln. „Dummerweise weiß ich aber, wer du bist. Und nun?" Er zuckte leichthin mit den Schultern. „Weiß nicht, könnte sein, dass ich dich jetzt umbringen muss." Hermine erstarrte. Ihr Mund klappte auf, einen Moment, bis sie ihn Sekunden später empört zuschnappen ließ, als Harry beim Anblick ihres entsetzten Gesichtes in lautes Gelächter ausgebrochen war. Verärgert knuffte sie ihm in die Seite und vergab ihm doch schon wieder in dem Augenblick, als er ihr grinsend den Arm um die Schultern legte. „Worum geht's denn dieses Mal?", fragte er, als sie sich dem Versammlungssaal näherten und schon die ersten gelangweilten Mienen anderer Opfer von Fudges politischer Umerziehungsmaßnahme sahen. „Immer das gleiche", antwortete Hermine träge und schüttelte missmutig den Kopf. „Jeden Montag das selbe Gelaber und ich habe gehört, dass er das noch locker bis zur nächsten Wahl im Herbst durchziehen will. Ich bin mir sogar sicher, dass er das will. immerhin hat er da ein riesiges Forum von allen Mitarbeitern, denen er regelmäßig predigen kann, was für ein toller Minister er doch ist und dass er uns allen noch beibringen kann, wie man sich richtig benimmt." Vor der Eingangstür waren Sicherheitsbeamte platziert, die allen, die gezwungen waren teilzunehmen, die Zauberstäbe abnahmen. Zu beiden Seiten des Eingangs saßen Hexen, konfiszierten die Zauberstäbe, markierten sie und schrieben Namen der Besitzer sowieso Abgabetermin dazu. Eine Vorsichtsmaßnahme, die für alle öffentlichen Versammlungen galt. Lucius hatte an einem seiner redseligen Tage verraten, dass es noch andere Gründe für die Abgabe der Zauberstäbe gab. Gerade bei diesen Montagssitzungen langweilten die Leute sich oft, spielten herum und ärgerten ihre Nachbarn. Manche unfreiwilligen Teilnehmer hexten sich mit einem Trick das magische Radio ins Ohr, um den Erklärungen der Redner zu entgehen. Soviel Missachtung missfiel dem Minister. Harry und Hermine stellten sich brav in der Schlange an, warteten, bis sie dran kamen und gaben ihre Zauberstäbe in Verwahrung, bevor sie endlich, fünfzehn Minuten später, den Saal betreten konnten. „Ich geb' ja zu, in der Küche der Weasleys rumzusitzen und von Molly Haushaltsführung zu lernen war jetzt auch nicht so spannend, aber lieber schäle ich drei Tage am Stück Kartoffeln, als diese ewigen Reden." „Wie wahr", murmelte ein verschlafener Zauberer in grasgrünem Umhang, der sich in der hintersten Stuhlreihe auf seinem Stuhl lümmelte und sich mit leicht verzweifelter Miene einen Schluck aus seinem Flachmann genehmigte. Hermine fühlte sich bei diesem Anblick augenblicklich an Moody erinnert. „Hast du Mad-Eye heute schon gesehen? Hat er sich seit der Kündigung mal bei dir gemeldet… oder die anderen? Was sagen sie denn, dass du da ausgestiegen bist?" Die Antwort war ein unbestimmtes Schulterzucken und ein Ruck in die entgegengesetzte Richtung des grünen Zauberers, da sich in dessen Reihe gerade zwei von Harrys ehemaligen Kollegen setzten. „Nichts. Also ja, ich hab ihn gesehen. Ich bin ja offiziell noch Ordensmitglied und im Dezember war mal wieder ein Treffen, wusstest du das nicht?" Hermine schüttelte leise grummelnd den Kopf. „Als ob sie mir das sagen würden, wo ich doch eine abtrünnige Verräterin bin!" „So sehe ich dich nicht", sagt Harry und setzte sich, Hermine neben sich auf einen freien Platz ziehend. „Na und?", schnappte sie zurück. „Ja, du, Ginny, Neville und Luna reden noch mit mir, aber die ganzen alten Ordensmitglieder haben mit mir vielleicht drei Worte gewechselt, seit sie wissen, wo ich jetzt wohne!" „Lupin nicht…" „Nein, der nicht." „Na, siehst Du. Der hat sich ja sogar für ein Interview mit dir geopfert…" Harry nickte bedächtig und verfiel sofort in albernes Kichern. „Muss daran liegen, dass ihr beide Werwölfe seid. Solidarität unter Artgenossen." Der böseste, strengste Blick, zu dem Hermine imstande war, brachte ihn zum Schweigen. „Mach dich nur lustig über mich!" Ihre Augen verengten sich gefährlich, denn sie hatte in einiger Entfernung die blonde Wurzel des haarigen Übels entdeckt. Lucius war in den Saal stolziert. „Er hat es wieder zurückgenommen, aber das Gerücht hält sich hartnäckig. An Vollmond weichen mir alle aus und ich kriege jeden Monat mindestens drei anonyme Briefe von echten Werwölfen, die sich mit mir über unser gemeinsames Schicksal unterhalten wollen. Draco und Lucius lachen sich immer noch schlapp, wenn sie das mitkriegen." Harrys Miene nach hätte er sich jetzt sehr gerne ebenfalls schlapp gelacht. Eine mürrisch hochgezogene Augenbraue Hermines ließ die Heiterkeit jedoch im Keim ersticken. „Unmöglich, diese Leute", presste er mühsam beherrscht heraus und konnte dann doch nicht verbergen, dass sich seine Mundwinkel dabei ein klein wenig nach oben verzogen. Am anderen Ende des Saals sah Hermine gerade Lucius seinen Platz n der ersten Reihe, neben den anderen Abteilungsleitern einnehmen. Seit Lucius nun wieder offiziell als Leiter der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit eingesetzt worden war, hielt er es wohl für taktisch ratsam, sich der Öffentlichkeit der Mitarbeiter zu präsentieren. Der optische Beweis dafür, dass er immer noch da war, begnadigt, wegen seiner Verdienste. So sah man ihn auch immer wieder gerne und oft seinen Mitangestellten erklären, wie groß doch sein Beitrag an der Beendigung des Krieges war und wie engagiert er nun nach dem Krieg war, die schrecklichen Folgen zu beheben. Wie auch jetzt. So sah es für Hermine zumindest aus, als sie ihn dabei beobachtete, wie er sich vor einer Gruppe älterer Zauberer aufbaute, wo er mit wichtiger Miene und ausladenden Gesten offenbar höchst interessante Dinge besprach. Als würde er Hermines Blick bemerken, die dieses Schauspiel missbilligend beobachtete, wandte er seinen Kopf von den Männern weg ihr entgegen und lächelte. Natürlich lächelte er. Lucius lächelte immer, wenn er Hermine sah, zumindest in Begleitung seiner Kollegen. Da er auch im Manor in letzter Zeit etwas umgänglicher war, beantwortete Hermine den stummen Gruß auf eben dieselbe Weise. Mehr noch, sie knuffte Harry in die Seite, schenkte ihm einen vielsagenden Blick und ermunterte ihn so dazu, sich Lucius zuzuwenden und genauso breit zu ihm hinüber zu lächeln, wie der zu ihnen zurückstrahlte. Aber dennoch gab es nur ein bestimmtes Maß an gekünsteltem Lucius-Gegrinse, das Hermine ertragen konnte und so wandte sie sich wieder ab und versank so tief wie möglich in ihrem Sitz. „Ich seh' sein blödes Gesicht früh genug wieder", erklärte sie Harry, der sie bei ihrem lausigen Versuch, zu verschwinden beobachtete. „… und der darf auch noch früher gehen, weil er immer noch wegen Draco Stunden reduziert hat, während seine Kollegen hier schmoren müssen. Ungerecht… ich hab ihm oft genug gesagt, dass wir tauschen können und dass ich Draco jetzt aus der Klinik abhole… Und eigentlich darf er mittlerweile auch alleine kommen und gehen, aber Lucius will ja nicht. Der spielt den Malfoy-Bonus total aus, nur um früher gehen zu können." Harry winkte gelangweilt ab. Statt ihr zu antworten, reckte er den Arm nach oben, um sich einen der um sie herumschwirrenden Programmzettel aus der Luft zu angeln. Er erhaschte einen, der nicht schnell genug ausweichen konnte, klopfte ihn kräftig auf sein Knie, alle wolle er ihn bewusstlos schlagen und begann in dem erlahmten Pergament zu lesen. Hermine beugte sich zu ihm hinüber, um auch darauf sehen zu können, runzelte die Stirn und stöhnte. „Oh nein, sieh mal, er hat Gastredner eingeladen. Der überzieht heute bestimmt wieder!" Harry verdrehte die Augen und deutete mit dem Finger auf die von Hermine erwähnte Zeile. „Guck mal, was da steht. Gastredner: Echte Muggel." Er kicherte albern und schüttelte ungläubig den Kopf. „Echte Muggel… Frisch von der Straße eingefangen." „Das steht da nicht, also, Fudge würde doch nicht wirklich… Also, er hat ja schon einiges gebracht, aber…" „Beruhige dich", besänftigte er Hermines Empörung. „So schlimm ist er wohl doch noch nicht, aber guck doch! Da steht wirklich „echte Muggel". Sie haben doch seit kurzem diese Kooperationsprogramme..." „Ach richtig, jetzt fällt es mir wieder ein. Steht ja regelmäßig in der Zeitung, mehr Offenheit für mehr Vertrauen. Naja, von wegen. Das werden Verwandte von Ministeriumsmitgliedern sein…" Hermine seufzte. Ein Gefühl, welches verdächtig an Zahnschmerzen erinnerte, überkam sie bei der Erinnerung an die Versammlung letzte Woche, als sie einen dreistündigen Vortrag zum Thema „Haben Muggel Gefühle wie wir?" anhören musste. Immerhin war die Antwort „ja" gewesen. Die Erklärungen der selbsternannten Experten waren jedoch bestenfalls amüsant zu nennen. Ein skeptischer Blick in das Programm offenbarte das Thema des heutigen Tages. „Muggel-Medizin. Alles Humbug?" „Du hättest deine Eltern einladen können, hier zu reden, die hätten sich sicher besser ausgekannt als irgendjemand, den Fudge aussucht." Hermine drehte Harry langsam den Kopf zu, der jedoch, sowie er ihre Bewegung wahrnahm, sofort in die andere Richtung sah und wild mit den Armen in Richtung Tür wedelte. Percy Weasley hatte den Raum betreten, rückte seine Hornbrille zurecht und winkte mit aller Würde, zu der ein Mensch wie er fähig war, zu ihnen hinüber. Hermine fragte sich im Stillen, seit wann Harry so begeistert war, ausgerechnet Percy zu treffen. Vermutlich war es eh egal wer das war, denn allzu offensichtlich hatte er nur einen Grund gesucht, um sie nicht ansehen zu müssen. „Hast du sie nochmal getroffen?", fragte er, den Kopf immer noch verdächtig zur Seite verdreht. Hermine atmete tief durch und gab sich immerhin Mühe, sich nicht mehr über Harrys Eigenmächtigkeit an Weihnachten zu ärgern. „Nein. Ich hab ihnen eine Eule geschickt und nochmal erklärt, wie sie per Eule antworten können. Sie wollen aber eine Telefonnummer, E-Mail Adresse oder so, dass sie sich auch mal von sich aus bei mir melden können." „Hast du doch." „Ja, schon aber… sie stellen immer so viele Fragen und ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Sie verstehen so wenig…" Er drehte sich vorsichtig, ein wenig zögernd zu ihr, so langsam, als müsse er darauf achten, im Notfall schnell wegspringen zu können, falls er etwas Falsches sagte und sie wütend machte. „Bildest du dir vielleicht auch nur ein. Trau den anderen doch auch mal was zu. Die anderen sind nicht alle automatisch blöder als du." Hermine knurrte ob dieser haltlosen Unterstellung, doch blieb es ihr erspart, dieses unerfreuliche Thema auszuweiten, weil sich eben in diesem Moment der Minister vorne ans Rednerpult gestellt hatte und mit seinem Vortrag begann. Xxx Draco schlich unsicher durch die vor ihm aufgebauten Türme aus Quidditch-Utensilien. Ganze Straßen, Tunnel und Türme waren errichtet worden, um die neuesten Waren kundenwirksam auszustellen. Über seinem Kopf schwebten Ansichtsmodelle der neuesten Rennbesen, die auf Zuruf interessierter Käufer zu den Kunden hinab segelten und sich ausführlich begutachten ließ. Ein auferlegter Sprachzauber bewirkte, dass die Besen entweder in süßlich-säuselnder, oder abenteuerlich prahlerischer Stimme Hexen und Zauberer ihre Vorzüge anpriesen. Draco zog die Schultern hoch und wünschte sich von Herzen, unsichtbar zu sein. Hier drinnen war es voll. Viel zu voll für Dracos Geschmack. Überall standen Menschen, die ihm neugierige Blicke zuwarfen. Er seufzte, spähte kurz über das Dach eines Besenpflegeset-Turms hinweg und atmete erleichtert auf, als er seinen ebenfalls ziemlich unbehaglich aussehenden Leidensgenossen Adrian Pucey erblickte, der sich dort drüber verdächtig eng an die Wand drückte. Draco beschloss nicht darüber nachzudenken, dass er sicher ein ähnliches Bild des Unbehagens abgab und ging hinüber. Adrian lächelte verhalten, als er Draco sah und ruckte mit dem Kopf in Richtung einiger Kinder. Dracos Magen verkrampfte sich, als er ihr munteres Geplauder hörte. Er warf Adrian einen unsicheren Blick zu und trat gleich wieder einen Schritt zurück. Warum sollte er dort hinsehen? Adrian sollte doch wissen, dass Draco nicht scharf auf die Gesellschaft von lärmenden Kindern war. Er verzog sein Gesicht, halb verärgert, halb verunsichert und wollte sich schon zum Gehen umwenden, doch ließ ihn Adrians heftiges Gestikulieren innehalten. Adrian wedelte mit den Händen, dann hob er einen Finger, krümmte ihn und deutete über die Köpfe der Kinder hinweg. Was er ihm zeigen wollte, waren also nicht die Kinder, sondern das, was die Kinder sich gerade ansahen. Draco biss sich auf die Lippen und trat gehorsam näher an die schwatzende Gruppe heran. Näher als zwei Meter konnte er jedoch nicht und schon jetzt wurden seine Knie weich, das altbekannte Pochen in seinem Kopf meldete sich in steter Heftigkeit zurück und sein Blickfeld verschwamm. Er kannte diese Kinder doch, er hatte sie schon einmal gesehen. Damals hatten sie geblutet… aber wieso waren sie dann hier in diesem Laden, wenn sie doch vor zwei Jahren gestorben waren… Er hätte Adrian gerne gefragt, was das hier sollte, doch der stand in etwa der gleichen Entfernung auf der anderen Seite der Kindergruppe und so wie es aussah, brachte er es ebenfalls nicht über sich, auch nur einen Schritt näher heranzugehen. Er schwitzte, war blass… vermutlich ebenso wie Draco. Eine alarmierte Frauenstimme rief einige Namen zu ihnen herüber und sofort schossen vier wuschelige Kinderköpfe in die Höhe. Unter heftigem Protest forderten die Kinder noch länger bleiben zu dürfen, bis eine strenge Männerstimme forderte sofort herzukommen. Maulend gehorchten die Kinder. Draco legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete tief durch. Tief durchatmen, frei atmen. In Gegenwart der Kleinen hatte er es nicht vermocht. Sie waren es nicht gewesen, hatten diesen anderen Kindern nicht einmal ähnlich gesehen. Warum passierten ihm diese Verwechslungen immer noch? Die Frage blieb natürlich, ob die Erwachsenen die Kinder nur deswegen weggeschickt hatten, weil sie die beiden Todesser erkannt hatten. Draco wagte einen kurzen Seitenblick zu der Familie hinüber. Ein kalter, abschätzender Blick des Vaters lag auf ihm, während die Mutter deutlich in Dracos und Adrians Richtung zeigte und ihrem Mann aufgeregt ins Ohr tuschelte. Eine deutliche Antwort auf die Frage, die er sich schon den ganzen Nachmittag stellte. Man kannte ihn, ganz sicher… seine Familie war bekannt und seit dieser Prozess durch die Zeitungen gegangen war… Aber zumindest waren die Kinder jetzt weg und wenn die Leute auf Abstand blieben, weil sie Angst vor ihm hatten, dann war das besser, als wenn sie ihm mit ihrer Gegenwart Zunge, Atmung und Denkvermögen lähmten. Adrian stieß sich von der Wand ab und trat neben ihn. Immerhin war Draco nun nicht mehr alleine. Schiefe Blicke ertrug er leichter, wenn sie ihm nicht alleine galten. Ihren dritten Mann, dem ebenfalls schiefe Blicke gelten könnten, hatten sie bereits um die Mittagszeit verloren. Der war mit einer anderen Gruppe Mitpatienten verschwunden, ohne sich von Draco und Adrian zu verabschieden. Vielleicht war er wieder zurück zur Klinik gegangen, möglich. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand die aufgenötigten „Freigängerstunden" früher abbrach und lieber zurück flüchtete, statt mit einigen anderen halbwegs gemeinschaftskompatiblen Mitpatienten durch die Stadt zu gehen. Draco zumindest war mehr als einmal unter einem Vorwand wie Kopf-, Zahn- oder Bauchschmerzen vor den Blicken seiner Mitmenschen geflüchtet. Dennoch setzte man ihn immer wieder aus. Er sollte sich langsam wieder daran gewöhnen, sich ohne besondere Hilfe unter seinen Mitmenschen zu bewegen. Und immerhin, zähneklappernd, zitternd und mit reichlichen weichen Knien, hatte er heute bestanden, während der Angeber Flint getürmt war. Dieser leise Triumph ließ Draco durchhalten. Seit dem „Schlammblutficker-Vorfall" war sein Verhältnis zu Flint nicht mehr wirklich freundschaftlich geworden. Eine ganze Weile lang hatten sich die drei Todesser offen angegiftet, dann waren die gegenseitigen Anschuldigungen leiser geworden und zumindest mit Adrian konnte er sich irgendwann wieder friedlich unterhalten. Gut, Draco konnte mit keinem der beiden über Hermine sprechen, aber davon abgesehen… Mit Flint war es angespannt geblieben. Mit der Zeit konnte Draco beobachten, dass auch das Verhältnis zwischen Adrian und Marcus von gegenseitigem Taxieren, stillen Vorwürfen und Misstrauen geprägt war. Flint vermisste die Todesser, soviel stand fest. Dort hätte er eine Zukunft gehabt. Und jetzt, wo die drei sich mit der Zeit etwas besser im Griff hatten, zumindest manchmal vorgeben konnten, normale Menschen zu sein, wurden immer wieder diese beunruhigenden Gespräche wegen Stundenreduzierung, Resozialisierung und Therapieabbau geführt. Einige der Männer, die damals zu Dracos Einweisung noch Vollzeit anwesend gewesen waren, waren bereits entlassen oder nur noch halbtags da, neue Patienten waren hinzugekommen und Draco war darüber verunsichert zu erkennen, dass er nicht mehr so war, wie diese menschlichen Zeitbomben. Flint vielleicht auch nicht, aber er war einfach unzufrieden, weil auch bei ihm die Rede von Resozialisierung war und Flint, soviel hatte Draco durchaus mitbekommen, nichts hatte, wohin er zurückkehren konnte oder wollte. Doch wie auch immer. Flint hatte wohl einmal mehr keine Lust darauf gehabt die voldemortlose Welt zu erkunden und war bereits vor zwei Stunden auf wundersame Weise entschwunden. Da weder Draco noch Adrian den Drang verspürt hatten, ihn quer durch die Stadt zu suchen, hatten sie sich stattdessen weiterhin durch bevorzugt ruhige Flecke der Winkelgasse gequält, bis sie schließlich hier vorbeigekommen waren und der Versuchung nicht widerstehen konnten, ihr altes Hobby wiederzubeleben. Quidditch. Mit einem dünnen, doch ehrlichen Lächeln auf den Lippen, kam nun auch Draco dorthin, wo eben die Kinder gestanden hatten. Er suchte Adrians Blick, grinste ihm zu und ging vor dem dort aufgebauten Tisch-Quidditchfeld in die Hocke. Adrian beugte sich über das Mini-Stadion und beäugte die aufgebauten Tribünen. „Sieh dir mal das an, die haben sogar jubelnde Zuschauer reingesetzt." „Habs gesehen. Und sieh mal hier… da sitzen einige Veelas zum Anfeuern!" Draco hob seinen Finger und versuchte, eine der Miniatur-Schönen zu berühren, stieß jedoch einige Inches von ihr entfernt gegen einen unsichtbaren Widerstand. „Muss ein Schutzzauber sein", murmelte er bedauernd. Das Bedauern verflüchtigte sich innerhalb von Sekunden, als ein neuer Gedanke, schnell und strahlend wie ein Schnatz, in seine Gedanken schoss. „Ob wir die dazu bringen können, sich auszuziehen und sich gegenseitig zu küssen?" Adrian schielte neugierig zu der Ecke, wo die Veelas fröhlich, doch stumm jubelten. „Weiß nicht. Aber ich glaube, wir können hier gar nichts anderes tun als zusehen. Da muss man das schon kaufen, um es auszuprobieren." Draco erhob sich grummelnd und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Spielverderber! Aber hey… könnten wir das nicht mal in der Klinik ausprobieren?" „Da gibt es keine Veelas und selbst wenn, da kriegen wir nur ein paar Monate mehr, weil sie uns dann auch noch für Perverse halten, die es mit Puppen treiben." Draco kicherte und zuckte unschuldig die Achseln. „Ja und? Dafür halten sie und doch sowieso. Wenn wir die Puppen dazu bringen, es miteinander zu treiben, dann können die Kleinen wenigstens was lernen. Die Hälfte von den Neuen ist sicher noch Jungfrau…" „Ja, aber wir haben trotzdem fast nur männliche Puppen und noch nicht mal Publikum. Ich will da nicht ein Jahr länger rumsitzen müssen, nur um zu sehen, wie es ein paar Kerle miteinander treiben. Da musst du es schon kaufen, wenn du uns was Sehenswertes bieten willst." Draco runzelte die Stirn und kratzte sich nachdenklich die Nase. „Hmm, mal gucken", murmelte er und fischte in seinem Umhang nach seiner Geldbörse. „Wie viel kostet es denn?" Adrians Augen begannen in einem unanständigen Glanz zu erstrahlen. „Dreihundert Galeonen", keuchte er vorfreudig. „Hast du so viel dabei?" Natürlich nicht und so sehr Draco seine Geldbörse auch hin und her wog und durchforstete, natürlich hatte er nicht hunderte von Galeonen dabei. „Nicht wirklich… ich könnte ihnen aber einen Scheck ausstellen. Auf meinem Gringottskonto…" „Darfst du da denn alleine dran?" Adrians Augenbrauen wanderten mit sichtbarem Misstrauen nach oben. „Hat man dich nicht entmündigt?" „Ich bin nicht entmündigt, nur für geschäftsunfähig erklärt, du Arschloch und außerdem gilt das genauso für dich!" Wütend steckte Draco sein Portemonnaie zurück und funkelte seinen Leidensgenossen böse an. Der schnaubte übellaunig und verschränkte die Arme. So standen sie eine Weile stumm da und ärgerten sich darüber, dass sie zwar neunzehn und zweiundzwanzig waren, rechtlich aber kaum besser als die Kinder von vorhin dastanden. „Weißt du, ich werde meinem Vater sagen, dass er mir das Stadion holen soll. Mit allem Zubehör, da gibt es sicher noch andere Extras dazu… Du kommst dann einfach mal am Wochenende mit Malique und Flint zu mir und dann können wir dort machen, was wir wollen", lenkte Draco nach einigen Minuten ein. „Kauft dir dein Vater sowas?" „Klar", bestätigte Draco gelassen. „Vater kauft mir alles, was ich will. Außerdem… ich glaube, er findet es gut, wenn ich mich mit sowas beschäftige. Er findet immer, dass das ein gutes Zeichen ist, wenn ich mich wieder für Dinge aus meinem… ähm… früheren Alltag interessiere. Neulich hat er mir sogar einen Rennbesen mitgebracht…Tja, nehme ich mal in die Klinik mit. Ich glaube, im Park dürfen wir jetzt auch Quidditch spielen. Sie haben mir zumindest gesagt, dass wir das dürfen, wenn wir es fertig kriegen, uns die nächste Woche nicht gegenseitig die Köpfe einzuschlagen." „Gut!" Adrian nickte begeistert, doch Sekunden später verfinsterte sich seine Miene wider. „Ja gut, also mit dir und Malique und einigen von den anderen geht das… Aber Flint… Da weiß ich nicht. Ich glaub auch nicht, dass der zu dir nach Hause kommen würde, wo das Schla… ähm… Granger rumsitzt." Draco verzog den Mund. „Ach, nein?" Adrian schüttelte den Kopf. „Nein, damit will er nichts zu tun haben. Er hetzt auch hinter deinem Rücken immer noch ziemlich gegen dich. Die meisten interessieren seine Sprüche nicht, aber… ja… er kommt da nicht davon weg." Er zuckte unbehaglich mit den Achseln und deutete zu einem unbestimmten Punkt an der Wand. „Siehst es doch. Er ist schon wieder abgehauen. Sitzt lieber in der Klinik rum, als sich eine Winkelgasse ohne Todesser anzusehen. Damit kommt er einfach nicht klar, dass das jetzt vorbei sein soll." Draco nickte, das wusste er ja. Im Grunde war es ihm ganz recht, wenn Flint ihn nicht zuhause besuchen würde, wo seine schlammblütige Freundin und seine verräterische Familie waren. Zuviel Trubel in seinem sonst so sicheren Refugium. „Draco?" Draco und Adrian wirbelten beim Klang der wohlbekannten Frauenstimme herum. „Oh, Adrian… du auch hier. Von hinten haben wir nur Draco erkannt, wegen den Haaren", setzte eine ebenso vertraute Männerstimme nach. Draco überkam eine Gänsehaut. Eigentlich waren es sogar mehrere unangenehme Gefühle gleichzeitig, die ihn in diesem Moment heimsuchten. Zum einen zogen sich sein Eingeweide zusammen, dann hatte er unvermittelt das Gefühl, dringend pinkeln zu müssen, was durch die kalten Schauer, die ihm über den Rücken liefen, noch um einiges unangenehmer wurde, als es sich auch ohne dies angefühlt hatte. „Blaise… Pansy…", nahm Adrian ihm die Begrüßung ab. Auch der klang alles andere als begeistert, wenn er Dracos Meinung nach auch nicht ansatzweise so viel Grund zu Magengrummeln hatte wie er, der sich hier ohne Vorwarnung seiner Ex-Freundin und einem ehemaligen Freund ausgeliefert fand. Zähneknirschend schüttelte er beiden die Hände und tat sein Bestes, sie alle beide hässlich, fett und unsympathisch zu finden. Vor allem Pansy… Die war wirklich fett. Musste der Frust sein, denn Blaise war garantiert eine absolute Null im Bett. Außerdem waren beide strohdumm und… „Ähm… und, wie geht es euch?", fragte die dumme, hässliche und extrem unsympathische Pansy schüchtern. „Gut!", antworteten Draco und Adrian abgehackt und wie aus einem Mund. Blaise war auch hässlich. Egal wie teuer er und Pansy angezogen waren und dass sie hier händchenhaltend vor ihnen standen. Sie waren sicher unglücklich und… „Und… was macht ihr so?", fragte Blaise nach einigen Herzschlägen erdrückenden Schweigens. „Wir… also wir haben jetzt wirklich beide in einer Apotheke angefangen, da drüben", er deutete durch das Schaufenster in die Winkelgasse hinein. „Na toll, in dem Laden gibt Vater immer meine Rezepte ab", dachte Draco grimmig und fühlte sich gleich noch ein wenig mehr gedemütigt. Die zwei hatten bestimmt schon seine einkaufslistenlange Medikamentenzusammenstellung gesehen. „Ich hab euch da drinnen noch nie gesehen", wagte er den Frontalangriff. „Ich… also ich war mit Vater ein paar Mal drinnen und…" So, jetzt mussten sie entweder zugeben, dass sie dort gar nicht arbeiteten und nur angeben wollten oder, dass sie sich feige vor ihm verkrochen hatten. „Ja, ich weiß. Ich hab dich gesehen", gestand Pansy so ehrlich, dass Draco der Mund offen stand. „Wir wussten nur nie, was wir sagen sollten", fügte Blaise ebenso offen und, soweit bei schwarzer Hautfarbe erkennbar, mit leicht rotverfärbten Wangen hinzu. „Also wir haben euch ja beide…" „Aha!", dachte Draco. „Pucey ist genauso enttarnt. Hoffentlich kriegt der noch peinlicheres Zeug als ich zu schlucken!" Pansy und Blaise wechselten einen unbehaglichen Blick und Draco war klar, dass ihre beiden ehemaligen Freunde dann recht gut informiert sein mussten. „Ihr seid… seid ihr wirklich… also es gab ja so Gerüchte, als du nicht mehr in die Schule kamst und… ja, lohnt sich nicht es abzustreiten… ich sehe ja eure Rezepte… seid ihr wirklich… ähm… in die Psychiatrie eingewiesen worden?" Wenn Draco sich eben geschämt hatte, so war dies gar nichts im Vergleich zu dem Gefühl, dass ihn jetzt überrollte. Feuerheiß brannten seine Wangen. Die Haare an seinem Körper schienen sich alle gleichzeitig schmerzempfindlich aufzurichten und er schmeckte Magensäure in seinem Mund. „Ja", presste Adrian hervor, bevor Draco es tun konnte. „Und? Findet ihr das witzig? Wir sind nach Kriegsende zusammen mit Flint zwangseingewiesen worden. Sehr lustig, ha ha." „Könnt jetzt gleich mal losgehen und jedem den ihr trefft sagen, dass alles genau so stimmt", startete Draco seinerseits eine Attacke. „Wir sind entmü… für rechtsunfähig erklärt worden, weil wir als Gefahr für uns selbst und andere gelten, kriegen seit zwanzig Monaten Psychogespräche und tonnenweise Medikamente zu schlucken. Witzig… so… und jetzt schwirrt ab!" Er wedelte abwehrend mit den Händen, warf den Kopf so würdevoll in den Nacken, wie er nur konnte und wandte sich gemeinsam mit Adrian ab um zu gehen. „So war das doch gar nicht gemeint", protestierte Pansy. „Ich.. wir… Adrian, Draco!… Wir… ach, kommt schon. Was sollen wir denn jetzt sagen, dass ihr uns zuhört?" Draco und Adrian blieben stehen, vergruben ihre Hände in ihren Umhängen und machten bitterböse Gesichter. Eigentlich hatten sie es nicht nötig, sich hier wieder demütigen zu lassen. Andererseits wollten sie ihren eigene Reden von gerade eben zum Trotz nicht als komplette Psychopathen vor ihren ehemaligen Hauskameraden dastehen. Normale Menschen rennen nicht einfach weg, wenn man mit ihnen reden will. Das hatte man Draco mittlerweile beigebracht. „Ich… ach komm schon, Draco, wir… hey… Wir haben so oft an euch, na… und ich noch viel öfter an dich gedacht." „Ach ja, und warum?" „Ach, warum wohl", schnappte Pansy ärgerlich zurück. „Komm schon, wir waren fast vier Jahre zusammen und noch viel länger befreundet. Denkst du wirklich, ich hätte nie drüber nachgedacht, wie es dir geht, seit wir Schluss gemacht haben? Du hast mich damals echt erschreckt, du warst so verändert… und dann fang ich in der Apotheke an und sehe deine Rezepte… Hey, ich hab mir echt Sorgen gemacht… auch in der Schule schon…" „Davon hab ich aber nichts gemerkt", antwortete Draco eingeschnappt und bequemte sich dazu, sich wieder zu ihr umzudrehen und missmutig die Arme vor der Brust zu verschränken. Pansy seufzte und hob die Arme zu einer entschuldigenden Geste. „Ich weiß, tut mir leid… aber damals war mir das echt alles zu viel und ich hab's auch nicht verstanden und… also tut mir leid. Das ist mit uns ganz blöd auseinander gegangen, aber... hey… wir waren doch so lange befreundet und das mit Blaise ist einfach passiert. Außerdem, wenn ich richtig informiert bin, hast du doch auch schon länger eine andere Freundin." „Granger?" Blaise hob die Augenbrauen voll ungläubigem, wenn auch leicht amüsiertem Entsetzen. „Also das hab ich zumindest über ein paar Ecken gehört. Wohnt die echt bei dir?" „Seit eineinhalb Jahren", erklärte Draco stolz darauf, zumindest nicht alleine und somit so erbärmlich wie Adrian vor den beiden erfolgreichen Angebern zu stehen. „Ja, wir sind etwa zwei Jahren zusammen, ein bisschen länger eigentlich." „Aber die ist ein Schlammblut!", ereiferte sich Blaise und sprach damit genau das aus, was Pansys Augen zu sagen schienen. Draco zuckte lässig mit den Achseln. „Ja und? Das ist doch mittlerweile eh egal und sie war damals eben da und hat mich nicht hängen lassen, wie…" Er biss sich auf die Lippen. Das war viel zu offen verletzt gewesen. Pansy schloss für einen Moment die Augen und sollte Draco sich nicht irren, kippte sie leicht seitlich an Blaise, der ihr daraufhin beschützend den Arm um die Schulter legte. Sie wirkte müde, angespannt… doch nur kurz. Einen Moment später schon riss sie die Augen wieder auf und wirkte unverschämt fidel. „Ja, siehst du, dann… dann gibt es doch keinen Grund zu streiten. Ich habe jemand, du hast jemand neuen, aber wir sind doch immer noch alte Freunde… Komm, Draco… so viele sind aus unserem Haus gestorben. Wir sollten froh sein, dass wir ein paar unserer alten Freunde noch haben. Nicht, Adrian? Kein Streit, lassen wir das. Das ist doch jetzt schon wieder eine ganz Weile her und ich gebe zu, dass wir uns damals alle kindisch benommen haben, aber… hey… wir waren halt auch nur dumme Schüler und wussten es nicht besser. Tut mir leid… also... wir… ähm… ja… also es gibt eine Grund, warum Blaise und ich heute früher aufgehört haben zu arbeiten." Adrian fingierte ein Gähnen. „Welchen?", fragte er so desinteressiert wie möglich und auch Draco war klar, dass diese Neuigkeit, dem begeisterten Ton in Pansys Stimme nach, erfreulicher als alles sein musste, was er und Adrian erzählen könnten. Blaise atmete tief durch, warf einen prüfenden Blick auf seine Taschenuhr und ruckte mit dem Kopf wieder in Richtung Straße. „Habt ihr Zeit? Wir könnten vielleicht zusammen in ein Café gehen, hier ist es doch etwas eng und ungemütlich." Draco zauderte um den Schein zu wahren. Adrian grübelte und stöhnte, um mindestens ebenso beschäftigt auszusehen wie Blaise und Pansy, schließlich willigten sie aber doch ein. Pansy hatte ja recht. Wie oft trafen sie schon alte Bekannte und wann waren sie überhaupt das letzte Mal mit irgendjemand der nicht in der Klinik war zusammengesessen um zu reden? Sie suchten ein nettes Café, verdrückten sich in die hinterste Ecke – obwohl Pansy protestierte, dass es hier doch recht dunkel und verlassen wäre – und… redeten. Pansy und Blaise wollten heiraten. Wie so viele junge Paare dieser Tage wollten sie das, was sie hatten, so sicher wie möglich bewahren. Außerdem waren sie beide reinblütig und ihre Familien waren der Meinung, dass zwanzig das ideale Alter für eine Vermählung war. Draco hörte zu und rang sich zu einem Glückwunsch durch. Eigentlich tat es fast gar nicht weh, Pansy so etwas sagen zu hören. Vielleicht war es Nostalgie die ihn bei ihren Worten ein wenig zwickte, aber nicht zu sehr. Die Erinnerung an vergangene Tage. Doch, ein wenig tat es weh, Pansy mit Blaise glücklich zu sehen. Aber nicht zu sehr. Sie hatte recht. Sie hatten beide schon längst jemand anderen und er glaubte ihr, dass sie an ihn gedacht hatte. Wenn er ehrlich war, dann hätte er in der Schule auch nicht gewusst, wie er mit jemandem wie sich selbst hätte umgehen sollen. So saßen sie da und redeten, weniger über den Krieg und ihre Todesservergangenheit - Draco war noch lange nicht bereit, darüber offen zu sprechen - sondern über die Zeiten davor und natürlich über Crabbe, Goyle, Nott und all die anderen gemeinsamen Freunde, die mittlerweile längst tot unter der Erde lagen. Xxx Hermine sah auf die Uhr an der Wand. Die Minuten krochen quälend langsam dahin. Fudge hatte sich endlos darüber gewundert, warum Muggel noch nicht ausgestorben waren, ob Muggel-Medizin überhaupt als solche bezeichnet werden konnte und gerade als Hermine der Meinung war, dass er zu keiner dümmeren Aussage mehr fähig war, begann er sich über Operationsmethoden auszulassen. Die Gesichter der „echten Muggel", die neben ihm auf der Empore saßen, sprachen Bände. Irgendwann hatte Fudge sich offensichtlich genug über Dinge ausgelassen, zu denen er im Grunde genommen nichts zu sagen hatte und bat den ersten Redner ans Pult. Fünf waren es insgesamt. Mediziner und Psychologen. Als sich der Psychologe über die Folgen des Krieges ausließ und dass man eben doch nicht alles umfassend mit Tränken behandeln konnte, verschwand Harrys – den roten Ohren nach zu urteilen - glühendes Gesicht hinter dem Programmprospekt. Hermine akzeptierte, dass er dazu nichts sagen wollte und suchte stattdessen Lucius in der ersten Reihe. Nicht, dass sie vorgehabt hatte durch den Saal zu rufen, um ihn nach seiner Meinung zu fragen, einfach nur, was für ein Gesicht er bei diesem Thema machte. Sie sah ihn nicht, er musste bereits gegangen sein. Ungerecht, während sie hier schmoren musste, um sich Sachen anzuhören, die in der Muggelwelt selbst Vorschulkinder längst wussten. Der dritte Redner bedankte sich und setzte sich wieder unter mäßigem Applaus, der sofort verstummte, als der Vierte sich erhob, um seinen Platz vor dem Publikum einzunehmen. Die Ministeriumsangestellten stöhnten unisono, wenn auch verhalten und drehten ihre Köpfe kollektiv hinüber zur Uhr. Halb sechs Uhr abends. Sicher würde das hier noch eine ganze Weile dauern. Hermine wollte nach Hause. Es war einfach ungerecht, wenn immer nur Lucius wegen Draco früher gehen durfte. Hermine hatte schon längst Dienstschluss und Lucius müsste eigentlich mindestens bis sechs Uhr abends hier sein, seit er wieder offiziell im Amt war. Aber der fand immer einen Weg sich zu drücken. Ungerecht war das. Während sie so da saß und sich weiterhin darüber ärgerte, wie ungemütlich ihr Sitzplatz, wie langweilig das Thema und wie albern Fudge war, spürte sie auf einmal Harrys Kopf, der sich sanft an ihre Schulter schmiegte. Im ersten Moment hielt sie das für einen empörend plumpen Anmachversuch, realisierte aber schnell, dass er lediglich eingeschlafen war. „Reiß ich zusammen!", zischte sie und boxte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. „Ich muss mir das jede Woche anhören. Das ist alles sehr wichtig, um zu verstehen, wie verrostet die Vorstellungen der Zauberer über…" „Ja, Ja…" Harry gähnte offen und streckte sich genüsslich. „Dann pass mal schön weiter auf und erzähl mir nachher was passiert ist." Und schon sackte sein Kopf erneut nach vorne auf die Brust. Hermine war umgeben von Drückebergern. Aber so war das schon in der Schule gewesen, da war sie auch immer die Einzige gewesen, die… Was war das? Als der Redner sich erhoben hatte, waren seine vier Kollegen von ihren Stühlen gekippt. Hermine dachte zuerst, dass sie vielleicht von ihrem ungeschickten Kollegen umgestoßen worden waren, doch als der gelassen weiter nach vorne ging, hielt sie es eher für die Demonstration irgendeines Krankheitsbildes. Im Saal hob ein unruhiges Raunen an, als der eben noch dämmrig dauerlächelnde Minister sich mit verwirrter Miene erhob. Zwei Bedienstete betraten die Plattforum, blieben jedoch in einigen Metern Abstand stehen. Hermine gab Harry einen erneuten Stoß. Verschlafen wie er war, kippte er dabei fast vom Stuhl. Sie musste ihn fangen, sonst wäre er auf den Boden geknallt. „Was ist denn nun schon wieder los?", murmelte er gähnend. „Da vorne, sieh mal!" Der Redner breitete die Arme in einer alles umschließenden Umarmung aus und grinste breit. „Seht ihr die vier am Boden?", fragte er statt einer Vorstellung seiner Person oder einigen einleitenden Floskeln. „Sie sind tot, ich habe sie eben umgebracht." Totenstille im Saal. Betretenes Schweigen, denn dies konnte nur ein besonders widerwärtiger Versuch eines Theaterspiels sein. Was sollte das? „Wie geschmacklos", raunte eine ältere Hexe neben Hermine. „Als ob irgendjemand nach dem Krieg solche Witze unterhaltsam fände." „Ist es ein Witz?", zweifelte ein Zauberer aus der Reihe vor ihnen, der sich nach hinten umgedreht hatte. Besorgnis stand in seinem Gesicht. Harry war aufgestanden. Hermine wollte ihn nach unten ziehen, weil sich aufstehen während eines Vortrages nicht gehörte, doch er ließ sich nicht beirren und statt zu gehorchen, wehrte er sie mit den Händen ab. Der Redner lachte schallend. Er lachte und lachte und klatschte vor Begeisterung über sich selbst in die Hände. Er stampfte mit dem Fuß auf, ein Knall, eine rosa Rauchwolke und unvermittelt, als wäre er ein billiger Trickzauberer, hielt er seinen Zauberstab an der Hand. Hermine fischte ein Programm vom Boden und suchte hektisch nach seiner Vorstellung. „William Blake. Onkologe", stand dort. Aber das was hier ablief, konnte doch unmöglich mit Krebsforschung zu tun haben. „Sieh mal, sein Gesicht verändert sich ", zischte Harry und packte sie am Arm. „Oh nein, den kennen wir doch!" Hermine hörte die Panik in seiner Stimme. Sie wollte aufstehen, doch waren Teile ihres Umhanges unter dem Stuhl der Nachbarin eingeklemmt. So stand Hermine halb aufgerichtet, zog und zerrte, während die betreffende Hexe beharrlich sitzen blieb und gar nicht auf die zerrende Hermine achtete, da sie ihren Hals verrenkt hatte soweit es ging, um zum Rednerpult zu blicken. „Ich werde hier nicht sitzen und zusehen, wie ihr diesen Abschaum in unsere Welt lasst", erklärte der Redner munter. „Ich bin hier, um euch dafür bluten zu lassen, was ihr zerstört habt." Der Stoff riss und Hermine schnellte nach oben. William Blake, wenn er es denn war, fuchtelte mit dem Zauberstab vor dem Publikum herum, als wäre er ein Dirigent und sie sein Orchester. „Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie senile Volltrottel wie Fudge unsere Welt zugrunde richten!" Fudge wandte ihm verdattert das Gesicht zu, doch noch immer unternahm er nichts. Die Sicherheitsbeamten fuchtelten mit den Händen, damit der Minister auf sie aufmerksam werden möge, doch zwecklos. Wie gebannt starrte er auf den eigens einbestellten Onkologen und… tat nichts. William Blake lachte, trat mit dem Fuß nach hinten aus und stieß Fudge vom Stuhl. „Avada Kedavra", sang er triumphierend und ein grüner Lichtstrahl brach aus seinem Zauberstab hervor, sirrte pfeilschnell durch die Luft und tötete einen Sicherheitsbeamten, der gerade dabei gewesen war, seine eigene Waffe zu ziehen. Panik brach im Saal aus. Die Leute sprangen von ihren Stühlen, warfen diese dabei um, teilweise auf ihre Nachbarn. Rempelten, stießen und drängten sich durch die Reihen umgestürzter Stühle. Direkt vor Hermine fiel eine Frau auf den Boden, sie wollte ihre Hand ergreifen, doch gerade als die diese nach oben streckte, trampelte ein Mann darauf, der die Hexe am Boden in seinem kopflosen Fluchtversuch nicht gesehen hatte. Harry wollte sich zu ihr hinunter bücken, doch gerade als er seine Hand hilfreich ausstreckte, rempelten ihn zwei ältere Herren um. Nun war nicht mehr an die am Boden liegende Frau zu denken. Hermine zog Harry mit aller Kraft nach oben und dann mussten sie selbst sehen, dass sie hier wegkamen, denn dass sie so weit hinten gesessen hatten, bedeutete, dass die Flut der Menschen, die vorne gesessen hatten, nun einer Tsunamiwelle gleich in Richtung Tür walzte. Hermine taumelte, als ein stürzender Mann sie streifte. Ein Sicherheitsbeamter. Er blieb mit dem Gesicht nach unten liegen. Unmöglich ihm aufzuhelfen, die Massen schoben sich nach vorn und drängten Hermine und Harry mit sich. Eine Menschenmenge wie diese war gefährlich, wenn sie in Panik ausbrach. Wie eine Herde Tiere in der Wüste, die vor einem hungrigen Löwen flüchtet und dabei alles niedertrampelt, was nicht schnell genug ausweichen kann, stürmten die Ministeriumsangestellten zur Tür. Gellende Schreie, wenn jemand niedergetrampelt wurde. Laute Rufe nach Zauberstäben. Heulen, wenn ein Fluch getroffen hatte und der ohrenbetäubende Lärm umstürzender oder explodierender Möbel. Panische Muggel sind gefährlich, panische Zauberer gefährlicher. Wilde, unbeherrschbare Magie brach aus ihnen heraus in dem Moment, als sie um ihr Leben fürchteten und ihrer eigenen Kraft nicht mehr Herr waren. Bilder krachten von den Wänden, Skulpturen an den Wänden lösten sich, gingen herum und wurden zu tödlichen Stolperfallen. Kristallleuchter an der Decke zerplatzten, ließen feine, splitterartige Glassteinchen in die Augen der Menge regnen und übersäte die Gesichter der Menge mit Wunden. Rauch, Panik, Staub. Dann ein Knall, Hermine schrie entsetzt auf und drängte sich mit Harry an die Wand, als sich der erste Kronleuchter mit lautem Krachen von der Decke löste und drei Menschen unter sich begrub. Drei weitere folgten und damit brach Finsternis über den Raum herein. Doch Hermine hatte schon bevor es dunkel wurde gesehen, dass William Blake, oder wer immer dieser angebliche Muggel mit dem Zauberstab sein mochte, die Türen verriegelt hatte und so stürmten die Leute, die es bisher geschafft hatten, seinen immer noch gespenstisch das Dunkel erleuchtenden Blitzen bis zum eigentlichen Saalausgang auszuweichen, einer noch tödlicheren Gefahr entgegen. Dort, wo ihre Freiheit hätte sein sollen, lauerte der Tod, denn wenn die panische Menge sich nicht beruhigte, würden sie sich gegenseitig tot trampeln, bevor auch nur einer nach draußen gelangen konnte. Ob die Sicherheitsbeamten es nun bereuten, den Leuten vor dem Betreten des Saales ihre Zauberstäbe abgenommen zu haben? Hatte man Blake gar nicht erst durchsucht, weil er ein Muggel war? Weil er zumindest wie ein Muggel ausgesehen hatte? Zwei Sicherheitsbeamte hatten an der Bühne gestanden, die waren vom Attentäter als erstes getötet worden, noch bevor sie und die geschockte Menge überhaupt dazu in der Lage gewesen waren zu realisieren, dass das hier kein Scherz und kein Schauspiel war. Zwei waren, soweit Hermine sehen konnte, von den Menschen, die sie hätten schützen sollten, überrannt worden. Einer war von seinem Kollegen, der auf den Amokläufer zugestürzt war, getroffen worden und der letzte feuerte nun selbst wild mit Flüchen um sich. Imperius? Der Amokläufer selbst lachte mit einer Stimme, die Hermine kannte. Harry hatte es vorhin schon bemerkt. Zweifellos eine Person, die Vielsafttrank irgendwo ergaunert hatte und… nun, es war nicht schwer, von den wöchentlichen Versammlungen im Ministerium zu erfahren. Die Zeitung berichtete immer wieder davon. Aber wer war er, der die Menschen hier als Verräter beschimpfte, die es verdient hatten zu sterben. Wer wollte so dringend verhindern, dass Muggel und Zauberer sich ein klein wenig besser verstanden und wem waren die Menschen um ihn herum so gleichgültig, dass er sie alle töten wollte? Hermine konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Sie war sich kaum ihrer eignen Todesangst bewusst, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, Kristallsplittern, Flüchen, explodierenden Stühlen und ihren eigenen Mitmenschen auszuweichen. Harry hatte sie eine Weile lang, so gut es ging, mit seinem Körper an die Wand gedrückt, doch nun löste er sich, ergriff ihren Arm und zerrte sie mit sich. Orientierungslos wie sie war, unfähig, klar zu denken, vermochte Hermine nicht zu sagen, in welche Richtung er sie zog. Nach vorne, hinten, links oder rechts… Sie bemerkte nur eines, sie kamen der Stimme des Amokläufers näher. Ein Blitz sauste heran, Hermine wollte sich zu Boden werfen, doch Harry zerrte sie hoch und schubste sie zur Seite. „Nicht hinlegen, man sieht dich nicht. Sie würden über dich trampeln…" Lautes Wummern vom anderen Ende des Saales. Nicht nur innen, auch außen. Endlich hatte man außen bemerkt, dass die Leute hier drinnen eingeschlossen waren und dass etwas Schlimmes im Gange war. Die Tür krachte, bebte… und der Attentäter, den Hermine im schwachen Licht seiner eigenen Todesflüche sekundenlang in der vollkommenen Finsternis ausmachen konnte, hüpfte im Saal herum, sang sein Todeslied und feuerte um sich, als wäre er ein kleiner Junge, der gerade Cowboy spielt. „Ist das Marcus Flint?", krächzte Hermine. Harry blieb ihr die Antwort schuldig. Er, der es ihr doch gerade eben verboten hatte, hatte sich auf den Bauch gelegt und robbte der Quelle der Flüche entgegen. Hermine versuchte den letzten Wachmann auszumachen, der ebenfalls geschossen hatte. Sie sah ihn nicht mehr. Ob Flint ihn mit einem seiner eigenen Flüche getroffen hatte? Nein, für einen Moment war Hermines Angst betäubt, als sie im Licht des nächsten Fluches Percy Weasley erkennen konnte, der über dem Wachmann kniete. Einen Schuh in der Hand, der Wachmann reglos am Boden. Etwas Heißes sirrte an Hermine vorbei und wieder erstrahlte die gesamte Halle für Sekunden in giftgrünem Todeslicht. „Hey, Schlammblut!" Hermines Herz blieb stehen und ihre Lungen gefroren zu Eis. Flint hatte sie gesehen und sie war allein, unfähig sich zu verteidigen, und stand direkt vor ihm. „Lumos!" Sein Zauberstab entflammte, da es ihm nun nicht mehr egal war, wen er tötete. Er hatte ein Ziel, das er im Auge behalten musste. Sie. Abermals hob er den Zauberstab, zielte und - brach in die Knie. Sein Licht erlosch und alles, was Hermine hörte, war ein dumpfes Poltern. Was war geschehen? „Lumos!" Abermals. Doch dieses Mal hielt Harry den Stab in der Hand, Moody neben ihm. Der Amokläufer – „Lumos Maxima" ja, es war tatsächlich Marcus Flint, lag am Boden. Moodys Holzbein in seinem Rücken. Sie mussten darauf gewartet haben, dass er abgelenkt war und hatten ihn dann von hinten niedergeschlagen. Keine Zeit für Erklärungen. Moody riss den Zauberstab an sich, richtete ihn in Richtung der Decke über der Tür und brüllte: „Figidus Aspergo!" Grauer, dichter Nebel brach aus seinem Zauberstab hervor und ballte sich über den Köpfen der panischen Masse zu einer dichten, dunklen Nimbuswolke zusammen. Eine Sekunde lang leuchtete die Wolke, als ob ein Gewitterblitz sie durchschnitten hätte, dann kam der Regen. Kein natürlicher Regen, eher das Brausen einer eiskalten Dusche. Dazu gedacht, die erhitzten Gemüter der panischen Menge abzukühlen. Und wirklich, die Menschen erstarrten vor Schreck, als die kalten Schauer sich über sie ergossen. Es war ein Glück, dass es funktionierte, denn im nächsten Moment öffnete sich die Tür und wären die Leute nicht von dem kühlen Eisregen abgelenkt worden, hätten sie sich alle beim Anblick der offenen Tür, dem Versprechen von Sicherheit, nur wieder gegenseitig gefährlich bedrängt. Die Zauber von draußen erhellten den Raum. Hermine sah zu Harry, dem Moody gerade auf die Schulter klopfte. „Kannst jederzeit wieder bei uns anfangen." Harry sagte nichts, er sah auf seine Füße, die in einer Blutlache standen. Moody und Hermine folgten seinem Blick. Flint, nur zu Boden geschlagen, nicht mit Schockzauber bestäubt, hatte es geschafft, sich einen besonders spitzen Kristallsplitter vom Boden zu angeln und hatte sich, während Moody den Regenzauber sprach, die Kehle aufgeschlitzt. Xxx Ein wenig wehmütig, doch anregend war das Wiedersehen mit Pansy und Blaise und so verflog die Zeit unbemerkt. Als Draco zum ersten Mal auf die Uhr sah, war es bereits sechs Uhr abends. Der erwachsene, vernünftige Teil in ihm erinnerte ihn daran, dass sein Vater bereits vor einer Stunde in die Klinik gekommen war, um ihn dort abzuholen. Sicher fragten sich jetzt alle, wo Draco und Adrian waren. Ein wenig Verspätung durften sie schon haben. Wenn sie „Freigang" hatten, war den Leuten im Krankenhaus sicher klar, dass sie aufgehalten worden sein konnten. Andererseits würden weder Lucius noch die Familie, bei der man Adrian unterbracht hatte, ewig warten. Ganz sicher waren sie schon wieder heim gegangen und warteten, dass man ihnen Bescheid sagte. Hey, sie waren beide volljährig. So spät war es ja gar nicht und ob sie nun eine oder zwei Stunden zu spät kamen, war im Grunde doch egal. Ja, genau, sie waren volljährig und, verdammt noch mal, Draco war nicht entmündigt worden. Nur so irgendwie, aber nicht richtig und deswegen durfte er auch so lange wegbleiben, wie er wollte. Aus diesem Grund stimmten die beiden auch zu, Blaise und Pansy zu der Party zu begleiten, die einige andere ehemalige Slytherins zu Ehren des Brautpaares geben würden. Egal wann er heimkam. Man würde sich doch denken können, dass er lediglich ein wenig länger weg war und schon irgendwann kommen würde, er war doch kein kleines Kind. Anstandshalber sollte er Hermine vielleicht mit diesem seltsamen kleinen Ding, das sie Telefon nannte, anrufen, um ihr Bescheid zu sagen, wo er war. Da er allerdings immer noch nicht ganz verstanden hatte, wie das Ding funktionierte und genau dies schon gar nicht zugeben wollte, hatte er es auch nicht bei sich. Ach was… Hermine arbeitete manchmal auch länger und… so spät würde es schon nicht werden. Er würde vielleicht eine Stunde auf dieser Party bleiben, dann würde er nach Hause gehen. Xxx Hermines Knochen fühlten sich immer noch an, als wären sie aus Gelee. Nicht nur ihre Knie, oder überhaupt ihre Beine, selbst ihre Arme, Finger und die gesamte Wirbelsäule waren zu einer glibberigen, wabbeligen Masse geworden, die jede koordinierte Bewegung unmöglich machte. Sie stolperte mehr als dass sie ging. Immer noch fassungslos und überwältigt von dem Schreck. Der Angriff selbst, so endlos lang er sich in ihrem Gefühl auch hingezogen hatte, hatte nur ein paar Minuten gedauert. Ein paar Minuten nackte Todesangst können Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre Gelassenheit und Zufriedenheit zunichte machen. Nicht, dass Hermine auf so etwas hätte zurückblicken können und so war ihr Zustand, nachdem man den Leichnam Flints gesichert hatte, entsprechend erbärmlich gewesen. Geweint hatte sie. Gezittert und geweint, unfähig, ihre Beine das tun zu lassen, was ihr Wille befohlen hatte. Harry hatte sie hochgezogen. Der hatte nicht gezittert, war aber kreidebleich und sein Hemd komplett durchnässt. Wimmernde Menschen waren über den Boden gekrochen, während vollkommen verwirrte Sicherheitsbeamte die Ereignisse zu verstehen versuchten und das medizinische Personal sich um die unter Schock stehenden Ministeriumsangestellten kümmerten. Sie hatte gefroren, obwohl der Saal mit all den aufgeregten, schwitzenden Menschen darin doch sicher aufgeheizt gewesen war. Hatte kaum atmen können, trotz des Frischluftzaubers. So hatte sie die letzte Stunde dick in eine Decke eingewickelt neben Harry gesessen und hatte sich nur darauf konzentriert, wieder Herrin über ihre Beine zu werden. Fassungslos lehnten sie sich aneinander um sich gegenseitig Halt zu geben und sahen den Sanitätern dabei zu, wie sie Menschen auf Tragen aus dem Raum brachten. Manche wimmerten vor Schmerzen, manche nicht. Als sie endlich aufstehen konnte, ließ sie sich von einem seit dem Angriff komplett verstummten Harry hinausführen und apparierte ins Manor. Im Hauptgebäude angekommen, steuerte sie zielsicher den Salon am Ende der Eingangshalle an. Licht und Stimmen drang dort heraus. Was sie dort sagen sollte, wusste sie nicht, auch nicht, was sie mit diesen Leuten überhaupt reden sollte, aber vielleicht war Draco dort und der… also, was sie ihm sagen sollte, speziell ihm, nachdem einer seiner… Freunde, Mitpatienten, Mit-Mörder im Ministerium Amok gelaufen war… das wusste sie nicht. Hermine öffnete die Tür, trat ein und taumelte augenblicklich einige Schritte zurück, als ihr ein gellender Schrei von Narzissa entgegenschlug. „Draco!" Dort drinnen waren Rodolphus auf einem Sessel, Narzissa aufgesprungen mit einer Hand an der wogenden Brust und Lucius sitzend, auf der Chaiselongue daneben. Alle drei mit ängstlichen Mienen. „Draco…", wiederholte Narzissa erneut und bog sich, um an Hermine vorbeisehen zu können. Hermine folgte automatisch ihrem Blick, doch da war er nicht. „Ist… ist er denn nicht hier? Er, er…" Sie hob den Arm und deutete auf Lucius, als wollte sie ihm drohen. „Sie haben ihn doch um fünf abgeholt… wo ist er denn?" Narzissa stieß ein langgezogenes Wimmern aus. Sie sank kraftlos neben ihren Mann auf das Sofa, der für einen Moment die Augen schloss und dann matt den Kopf schüttelte. „Er war nicht da. Er… man hat ihm und einigen anderen heute erlaubt, alleine in die Stadt zu gehen. Wir warteten, weil… vielleicht haben sie sich nur verspätet, aber… er ist nicht gekommen und… Sie wollen eine Nachricht senden, wenn sie etwas hören." „Aber Flint war im Ministerium", fuhr Hermine mit hysterisch schriller Stimme dazwischen und fuchtelte aufgebracht mit den Armen, als ob dies nur ein weiterer übler Scherz der Malfoy war, mit dem sie die unliebsame Schwiegertochter vergraulen wollten. „Wissen wir." Rodolphus atmete tief durch und fuhr mit tiefer, sorgenschwerer Stimme fort. „Draco war nicht im Ministerium dabei, aber wir wissen nicht, wo er sonst sein könnte. Er geht doch nie freiwillig raus und… sie sagten, dass er immer weit vor der Zeit wieder zurück wäre, wenn er alleine in die Stadt dürfte. Sie…" Narzissa begann zu weinen. Lucius legte eine Hand auf ihre Schulter. Hermine sah, dass die Hand zitterte. Nicht nur die Hand, auch seine Stimme, als er Rodolphus' Gedanken zu Ende führte: „Wir mussten die Polizei benachrichtigen. Sie vermuteten, dass ein weiterer Amoklauf an einem anderen Ort geplant sein könnte. Da wir aber bis jetzt noch nichts gehört haben… also, sie gehen davon aus, dass die anderen beiden Selbstmord begangen haben oder von Flint getötet worden sind." Xxx Als Draco gegen drei Uhr nachts beschwingt heimwärts schlenderte, war es ihm egal, dass es doch länger als eine Stunde geworden war. Er hatte nicht vorgehabt, so lang dort zu bleiben. Eigentlich war sein erster Impuls gewesen umzukehren und sofort wieder zu gehen, als sie gemeinsam den gemieteten Club betraten. Dort drinnen war es voll, entsetzlich voll von Menschen, die alle wussten, dass Draco ein Todesser gewesen war und ganz sicher waren einige dabei, von denen er Verwandte oder Freunde… Ja, er wäre um ein Haar gemeinsam mit Adrian sofort geflüchtet, wenn Pansy und Blaise sie nicht so vehement ins Innere des Clubs gezogen hätten. Dort saßen sie dann praktisch in der Falle, denn um dieser Situation zu entkommen, hätten sie sich ja durch die aufgehetzte Menschenmenge hindurch kämpfen müssen, um zur Tür zu gelangen, von der Draco, orientierungslos wie er hier drinnen war, keine Ahnung hatte, wo sie sich befand. Immerhin hatte er eine Ahnung, wo sich die Bar befand. Statt also zu flüchten, verschanzten sich Draco und Adrian in einer Ecke, ließen sich gelegentlich von Pansy, Blaise und einigen anderen Slytherins belagern und da eine Unterhaltung bei diesem Lärm es so gut wie unmöglich war, verlagerten sie ihre Aktivitäten vom Reden aufs Trinken. Das war gar nicht so schlecht. Also die Getränke, die waren eigentlich recht lecker und nach einer Weile war der Club auch nicht mehr so einschüchternd wie zu beginn. Gut, man hatte ihm eigentlich verboten Alkohol zu trinken, weil das wegen seiner Medikamente gefährlich war. Aber es war ja nur heute und ein einziges Glas… Nach dem zweiten Drink traute sich Draco aus seiner Ecke heraus und fiel gemeinsam mit Adrian über das Büffet her. Dort standen und kauten sie gemütlich, hatten noch nicht einmal Lust, auf die Uhr zu sehen, wie viel zu spät sie jetzt schon waren, und unterhielten sich stattdessen krakeelend mit einigen anderen Gästen. Nach dem dritten Drink wurde Draco klar, wie unheimlich gut er doch die Musik hier fand und wie wahnsinnig gerne er sich dazu bewegen wollte. Das tat er dann auch. So viel konnte er insgesamt doch gar nicht getrunken haben. Vier oder fünf Drinks… Aber irgendwann, als es schon recht spät war stellte er überrascht fest, dass der Boden unter ihm nicht mehr ganz so fest war wie zuvor. Verantwortungsbewusst wie er war, beschloss er, nach Hause zu gehen. Er verabschiedete sich von Pansy und Blaise, versprach in Kontakt zu bleiben und schnappte sich den fröhlich angetrunkenen Adrian. Draco selbst war nicht betrunken, naja, höchstens ein bisschen. Aber warum nicht? Er war erwachsen, er hatte alte Freunde wieder getroffen, es gab etwas zu feiern und Draco war so lange nicht mehr unter fröhlichen Menschen gewesen. So schlenderte er bestens gelaunt und fröhlich summend in den Salon des Manors, wo seine leichenblasse Familie mit einer verheulten Hermine bereits auf ihn wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)