Harmonie von Seraphin ================================================================================ Kapitel 29: Aufwachen (Teil 2) ------------------------------ A.N.1: Vorweg: Meine Beta hat gegen dieses Kapitel protestiert:o) Ich habe meinen Kopf jetzt aber doch durch gesetzt weil da Dinge enthalten sind, die ich der Vollständigkeit halber einfach drin haben will. Ich weiß, dass es spannendere Kapitel gegeben hat. Ich bin selbst nicht so doll zufrieden aber sonst würde mir einfach eine Lücke fehlen. Es ist eben nur ein halbes Kapitel dass aber doch recht lang geworden ist, weil ziemlich viel gelabert wird *seufz* Nun, hier ist es jedenfalls und ganz ehrlich, ihr müsst nicht kommentieren. Aber lest doch dann beim nächsten Mal einfach weiter. Mehr dazu am Ende des Kapitels. Kapitel 29: Aufwachen (Teil 2) Hermine trat vorsichtig in den Raum und schlang die Arme um sich. Sie fröstelte. Wegen der Szene eben, wegen des offenen Hasses der Malfoys ihr gegenüber, aber natürlich auch wegen des ganzes Tages und letzten Endes, weil es im Zimmer kalt geworden war. Kalt und zugig. Die Tür hinter ihr fiel ins Schloss, als ein Windstoß durchs Zimmer fegte. Die Kerzenleuchter über dem Schreibtisch des Heilers flackerten nervös und ließen Licht und Schattenflecken an den Wänden des Zimmers spielen. Der Heiler hob seinen Zauberstab, murmelte etwas und die fast heruntergebrannten, matten Kerzen fuhren sich zu neuer Größe aus und leuchteten doppelt so intensiv, so dass es nun so hell war, als ob man elektrisches Licht im Raum angeschaltet hätte. Hermine sah sich suchend um. Wo war Draco? Sie hatte doch eben noch gehört, wie er seinen Vater angeschrien hatte und dann… Sie fand ihn neben den umgekippten Stühlen, auf denen sie beide zuvor gesessen hatten. Er lag bewusstlos am Boden, atmete schwer und war wachsweiß im Gesicht. „Draco!" Hermine eilte zu ihm, fiel neben ihm auf die Knie und rüttelte ihn besorgt. „Er wird nicht aufwachen." Hermine ließ irritiert von Draco ab und sah sich im Raum um. Ihr gegenüber, nur durch den Schreibtisch von ihr getrennt, stand Lucius Malfoy und lehnte neben einem geöffneten Fenster an der Wand. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, sah irgendwie grün im Gesicht aus und wenn Hermines Augen nicht trogen, dann zitterte und schwitzte er zur gleichen Zeit. Der Heiler kniete sich neben Hermine, schob sie behutsam ein wenig zur Seite und beugte sich über seinen am Boden liegenden Patienten, um ihm mit dem Zauberstab in die Augen zu leuchten. „Schockzauber?", fragte er. „Ja." Lucius räusperte sich umständlich, hustete und drehte sich um, so dass er nun nicht mehr Draco am Boden, sondern die Nacht draußen beobachtete. „Er… ich… nun ja…" Er brach ab, wischte sich mit seiner Hand über das matt glänzende Gesicht. Hermine bemerkte, dass er die Lederhandschuhe ausgezogen hatte. Er sprach so leise, dass es fast ein Flüstern war. „Er war wirklich… außer sich und… ich… er hat nicht aufgehört und ich habe gesagt… aber er… nun… das Zimmer..." Er brach ab, drehte sich zu Hermine, Draco und dem Heiler um und zielte mit dem Zauberstab hinter sich, um das Fenster wieder zu schließen. Seine Augen wanderten unglücklich durch den Raum. „Ich habe alles wieder hergerichtet. Er… nun ja… es ging einiges durcheinander, aber… es sollte nun wieder an seinem Platz sein." Lucius Malfoy rubbelte sich mit einem Finger über die Nase. Wenn Hermine sich nicht irrte, so hatte er kleine, rote Flecken unterhalb der Nase. Blutflecken. Draco musste ihm ins Gesicht geschlagen haben. Er hatte sich wohl am Waschbecken neben dem Schreibtisch gewaschen, deswegen die ausgezogenen Handschuhe. Aber diese Flecken hatte er übersehen. Langsam kam er näher. Wie ein Kind, das wusste, dass es etwas ausgefressen hatte und dem nun die wohlverdiente Standpauke drohte. Hermine wich zurück, als sie sah, dass er sich zu ihnen auf den Boden kniete. Unerwartet sanft glitten seine Finger über Dracos Haare. „Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte." Der Heiler verkniff sich die Bemerkung, die Hermine auf der Zunge lag. Offenbar war es nicht nötig, es auszusprechen, Lucius hatte auch so begriffen, dass Draco um einiges aufbrausender war, als er für möglich gehalten hätte. All der Hochmut und die Häme, die vorhin in seinem ganzen Gebaren gewesen waren, waren wie weggewaschen. Er presste die Lippen zusammen und betrachtete Draco bekümmert. „Er atmet so schwer", murmelte er leise und strich Draco nochmal über das wirre Haar. „Ich glaube, er bekommt nicht richtig Luft. Können Sie… können Sie nichts für seinen Hals tun, damit er freier atmen kann?" Der Heiler setzte sich auf seine Fersen, fuhr sich durch sein eigenes, schütteres Haar und schüttelte den Kopf. „Wollen Sie ihn denn wirklich glauben machen, dass es einfach wäre, sich umzubringen?" Malfoy blickte verwirrt von Draco auf. Mit dieser Aussage schien er nichts anfangen zu können. Der Heiler lächelte matt und erhob sich etwas schwerfällig. Mit einer fließenden Bewegung zog er seinen Zauberstab aus seiner Umhangstasche und zielte auf Draco. Hermine, genau wie Malfoy, beobachteten verdutzt, wie ein dichter, weißer Nebel aus dem Stab hervorbrach, sich unter Draco zu einer bauschigen Wolke verdichtete, bis er schließlich wie auf einem Luftkissenbett von der dichter werdenden Wolke in die Höhe gehievt wurde. Die Wolke löste sich vom Boden und schwebte samt Draco zu einem Sofa, das an der Wand gegenüber des Schreibtisches stand. Draco sank wie von Armen getragen auf die Liegefläche nieder und ließ sich, bewusstlos wie er war, sanft auf ein Kissen betten. Die Wolke dünnte aus, wurde wieder zu Nebel und verschwand schließlich ganz und gar. Hermine zögerte noch einen Moment, doch als weder Heiler noch Malfoy Anstalten machten, dort nach ihm zu sehen, ging sie zu ihm und ließ sich auf einem freien Fleck neben ihm nieder. Sayer stand auf und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Er winkte Lucius Malfoy herzukommen, der daraufhin gehorsam wie ein Kind aufstand und zu seinem eigenen Platz schlich. „Wir könnten die Halswunde heilen, Sir. Wir tun es aber nicht, weil… nun. Wir halten es für wichtig, dass unseren Patienten gewisse Hemmschwellen erhalten bleiben. Wenn wir ihnen alle Folgen ihrer Verletzungen und Auseinandersetzungen abnehmen, müssen sie nicht mehr darüber nachdenken. Es ist… nun… unangenehm, aber glauben Sie, es soll keine Strafe sein. In keiner Weise. Wir wollen nur nicht, dass er denkt, Selbstmord sei eine leichte, schmerzlose Sache." Er seufzte schwer. „Das hält leider nicht alle davon ab, es nochmal zu versuchen. Ganz offen gesagt, viele versuchen es ein zweites und ein drittes Mal, wenn sie nicht erfolgreich waren. Aber… nun ja… zumindest manche können wir von übereilten Versuchen abbringen, wenn sie die Folgen eines Fehlschlages fürchten." Der Heiler setzte sich kerzengerade auf und atmete tief durch. Er gähnte verhalten und wischte sich über das müde Gesicht. Malfoy selbst sackte auf seinem Sitz in sich zusammen, als der Heiler die Hände auf Dracos Akte faltete und ihn mit einem durchdringenden Blick musterte. Der Heiler hätte noch vieles zu ihm sagen können, doch schien allein dieser strenge Blick das zu erreichen, was der Heiler bezweckt hatte. Lucius kauerte kleinlaut und ergeben vor ihm und war endlich bereit einzusehen, dass Draco Hilfe brauchte. Der Heiler honorierte diese veränderte Haltung, indem er seinen Blick weicher und seine Stimme sanfter werden ließ. „Wir werden ihm eine Salbe geben, mit der er sich morgens und abends einreiben soll. Es wird wohl eine Narbe bleiben. Die Schnur hat tief eingeschnitten. Ich möchte Sie bitten, die Narbe nicht zu entfernen. Wie gesagt… manche, die es wieder versuchen wollen, erinnert das an die Schmerzen und… sie überlegen es sich noch einmal. Außerdem…", er legte den Kopf schief und zog die Augenbrauen hoch, „ist es manchmal auch nicht schlecht, wenn das Umfeld hin und wieder daran erinnert wird, dass es wirklich ernst zu nehmende Probleme gibt!" Er beobachtete Lucius mit ausdrucksloser Miene dabei, wie er sich verlegen noch einmal und noch einmal durch die Haare fuhr. Der Heiler ließ ihn einen Moment gewähren, dann zog er ein weiteres Formular aus seinem Schreibtisch und legte das Pergament ohne weitere Erklärung vor Dracos Vater ab. Der verzog den Mund, zögerte noch einen Moment, dann beugte er sich vor und griff sich eine Feder, die bereits schreibfertig neben ihm in der Luft schwebte. Er hob die Augen und sah den Heiler an, als ob der ihn gerade dazu aufgefordert hätte, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Hermine dachte schon, dass er nun doch wieder versuchen würde zu diskutieren, doch stattdessen gab er sich einen Ruck und unterzeichnete zuerst Dracos Entmündigung und danach die Zwangseinweisung. Nach getaner Arbeit seufzte er schwer und ließ sich auf seinem Stuhl nach hinten sinken. Der Heiler sah ihn noch einen Moment an, prüfend, als würde er etwas abwägen, dann fischte er von einem recht hohen Stapel geschickt eine andere Akte herunter, prüfte, ob es die richtige war und streckte sie Malfoy entgegen. „Bitte, Sir. Lesen Sie sich das doch mal durch. Eigentlich ist es verboten, Ihnen das zu zeigen, doch… Nun ja. Das ist Dracos Schulakte. Madam Pomfrey hat alle seine Besuche auf ihrer Krankenstation dokumentiert. Nebenbei hat sie auch aufgelistet, wer wegen Draco auf die Krankenstation musste und wie es zu diesen Vorfällen kam." Malfoys Mund war linealgerade. Er betrachtete die Akte auf seinem Schoß voller Misstrauen und… vielleicht sogar mit ein klein wenig Angst. Er atmete laut durch die Nase, klang dabei sehr angespannt und bemüht. Schließlich gab er sich einen Ruck und öffnete sie. Schweigend blätterte er Seite um Seite um, wischte sich immer wieder über die Stirn, über die Augen, die er dann immer wieder für einige Sekunden mit der Hand bedeckte und atmete dabei immer angestrengter. Er ließ die Hand wieder sinken. Unbehaglich rutschte er auf seinem Stuhl herum, ballte die Hände zu Fäusten und erstarrte manchmal komplett, wenn er eine neue Seite aufgeschlagen hatte. Der Heiler beobachtete ihn dabei eine Weile, bevor er zu erklären begann. „Laut Madam Pomfrey kommen die meisten Schüler vielleicht vier- oder fünfmal im Schuljahr zu ihr. Manche kommen gar nicht. Madam Pomfrey hat für Draco insgesamt sechshundertdreiundzwanzig Behandlungen in diesem Jahr vermerkt. In seinem sechsten Jahr waren es vierundzwanzig, in seinem fünften Jahr genau eine." Malfoy nickte verstehend und hielt sich die Hand vor den Mund, als er auf irgendein Foto stieß. „…Madam Pomfrey hat außerdem über fünfhundert Vorfälle dokumentiert, in denen Draco andere Schüler verletzt hat." Der Heiler machte ein schmatzendes Geräusch mit den Lippen, verengte die Augen und starrte sein Gegenüber weiterhin missbilligend an. „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie Eltern sowas übersehen können!" Lucius Malfoy wurde zu Hermines größter Verwunderung rot. Er nahm seinen Gehstock, der vorher am Schreibtisch des Heilers gelehnt hatte und Hermine dachte, dass er nun gehen würde. Stattdessen warf er nur einen kurzen Blick zur Seite, wo Draco lag. „Tja… ich… Er hat sich ja nicht so oft bei uns gemeldet in diesem Schuljahr", stammelte er dann matt und umständlich. „Nun…", er stöhnte, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und blaffte dann wieder viel lauter. „Natürlich habe ich das gewusst. Was denken Sie denn? Aber was hätte ich denn machen sollen? Ich dachte eben… ich dachte, das wird schon wieder, mit der Zeit!" Er hustete, als habe er sich gerade an seinem eigenen Geständnis verschluckt und rieb sich danach mit den Fingern über den Mund. Der Heiler verzog das Gesicht, warf ebenfalls einen Blick auf Hermine und Draco und schüttelte den Kopf. „Nein… leider nicht. Es gibt Menschen leiden an Leben lang an den Folgen. Sowas verschwindet nicht einfach von alleine, wenn man es ignoriert!" „Hmm", grunzte Malfoy, dem auf diese Androhung von Folgen wohl einfach keine gehässige Erwiderung einfallen wollte. „Wissen Sie, was ein Trauma ist und wie es verarbeitet wird?", fragte der Heiler nun wieder sanfter. Lucius schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf seine Hände. „Ich… ich habe davon gehört und durch meine Zeit in…", er hustete und hob die Hand vor die Brust, die jedoch gleich wieder schlaff zur Lehne herunter glitt. „Askaban und meine Verbindung zu…" Er biss sich auf die Lippen, hob den linken Arm und schob den Ärmel soweit nach oben, dass man den unteren Rand des Dunklen Mals sehen konnte. „Ich weiß, dass schlimme Dinge passieren können. Aber nun, ich kenne mich nicht weiter mit den Folgen aus." Der Heiler nickte, nahm seine Brille ab und hauchte darauf. „Tja… ich muss etwas ausholen. Ich versuche es so knapp und verständlich wie möglich zu formulieren." Er hauchte abermals auf die Brille und rieb sie etwas ungeschickt mit den Ärmeln seines Umhangs ab, „Tja…", und setzte sie wieder auf. „Ein Psychotrauma erleidet man, wenn man einer Situation ausgesetzt ist, die so bedrohlich und übermächtig erscheint, dass man vollkommene Hilflosigkeit und rettungsloses Ausgeliefertsein empfindet. Die eigene Existenz und alles, was sie ausmacht, werden bedroht. Das ist ein Erlebnis, das die Seele nicht aushält und von der Katatonie bis zum tatsächlichen Tod führen kann. Da die Psyche dies um jeden Preis zu verhindern sucht, verändert sie unsere Wahrnehmung. Da wir die Umstände nicht ändern können, wird unsere Wahrnehmung der Situation modifiziert. Wir spüren in diesem Moment auch kaum oder keine Schmerzen, empfinden Hitze und Kälte nicht und so weiter… Alles das ist störend, lenkt vom Überlebenskampf ab. Es ist wie… hmm… die Bedrohung durch ein Tier. Eines… nun, sagen wir, eines Tigers. Sie leben in einem primitiven Dorf im fernen Osten. Der Tiger beißt Sie, aber Sie merken es nicht, um ihn weiter abwehren zu können. Unsere Wahrnehmung klinkt sich sozusagen aus, weil all diese Dinge die Situation unerträglich machen würden. Manchmal kann das sogar so weit gehen, dass wir uns soweit von uns selbst entfernen, dass sich die Person nach dem Trauma nicht mehr an die Gefahr erinnern kann. Das passiert ebenfalls, um sich im Moment der Gefahr vor überwältigenden Eindrücken zu schützen. Wenn der Tiger über Ihnen ist, kriegen Sie das gar nicht richtig mit und beobachten sich höchstens von außen, das macht die Situation aushaltbar. Es ist aber noch mehr. Menschen haben das Bedürfnis, alles, was sie erlebt haben, irgendwo in passende Schemata einzuordnen. Damit wird die Welt übersichtlich und vorhersehbar. Das gibt uns die nötige Sicherheit, um im Alltag zu funktionieren. Traumatische Situationen passen aber nicht in diese Schemata. Sie sind unvorhergesehen und überwältigend. Das erzeugt Unruhe und Stress. Dieser Zustand der Unruhe hält knapp gesagt solange an, bis es uns gelingt, die ganze Situation so einzuordnen, dass wir damit leben können und sie uns selbst erklären können. Das kann schon eine Weile dauern. In dieser Zeit sind wir nervös, ängstlich, irritierbar und so weiter, aber irgendwann wird es besser. Eine Narbe bleibt, doch das Leben geht weiter. Das ist der günstige Verlauf. Manchen Menschen gelingt es jedoch nicht, das Erlebte in passende Schemata einzuordnen. Sagen wir es so… Die Wunde heilt nicht, sie entzündet sich und eitert. Diese Menschen entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung. Da es dem Gehirn nicht gelingt, die Erlebnisse einzuordnen, kommen sie immer wieder und wieder hoch in dem verzweifelten Versuch, endlich eine Erklärung, Lösung dafür zu finden. Das können Bilder, Geräusche, Gerüche, Stressreaktionen wie Schwitzen oder ganze Episoden sein, die erneut durchlebt werden müssen. Wichtig ist, dass der Körper darauf genauso reagiert, als ob das Erlebnis gerade stattfinden würde. Ganz egal, wie harmlos die Realität nun um ihn herum ist. Wir kämpfen und wehren uns gegen den Tiger, auch wenn der gar nicht da ist. Der wirkliche Tiger ist also schon längst wieder weg und dennoch werden Sie ihn immer wieder sehen, immer wieder vor ihm flüchten und seinen Biss weiter spüren." Der Heiler deutete auf Dracos Akte. „Damit können Sie schon einen recht großen Teil von Dracos Angriffen auf Schüler erklären. Er wurde in die Gefahr zurückversetzt und hat reagiert, wie er es dort getan hat. Mit körperlichen Auswirkungen… Madam Pomfrey hat ihn ja immer wieder wegen diverser Schmerzen, Erschöpfungszuständen und anderer Leiden behandelt, für die es körperlich keine Erklärung gab. Nun, ein Trauma erzeugt Stress. Dieser Stress bewirkt, dass wir innerhalb von Sekunden extreme Emotionen durchleben. Personen mit einer PTBS können diesen Stress nicht mehr herunterfahren. Sie durchleben die Anspannung, die sie während des Traumas erlebt haben, fortwährend. Dermaßen angespannt und belastet, reagieren sie auch bei kleinsten Vorkommnissen extrem, da sie nicht mehr dazu in der Lage sind, ihre Emotionen oder Handlungsimpulse angemessen zu kontrollieren. Um es wieder mit dem Tiger zu sagen… Dracos Tiger lässt ihn nicht mehr alleine. Er schleicht ständig um ihn herum und so kann sich Draco auch nie beruhigen, da er sich permanent in Gefahr fühlt. Er wird dann auch so reagieren, als ob er immer noch in Gefahr wäre, weil er seinen Körper nicht von „Alarm" auf „Entwarnung" zurückschalten kann. Und diese subjektiv erlebte Gefahr wird mit den Mitteln bekämpft, die er gelernt hat. Was gegen den Tiger geholfen hat, wird auch helfen, wenn ein anderer aus dem Dorf gefährlich zu werden scheint. Draco hat immer wieder seine Mitschüler angegriffen, weil, nun, weil er lernen musste, sich zu verteidigen. Selbstbeherrschung ist schlicht nicht mehr möglich. Gefahren oder Absichten anderer Personen einzuschätzen fast ebenso wenig. Tja… explosionsartige Wutanfälle, nicht wahr… Miss Granger?" Hermine schreckte hoch, überlegte einen Moment, was der Heiler gerade gesagt hatte, dann nickte sie bedrückt. De Heiler schenkte ihr ein mitfühlendes, wenn auch unglückliches Lächeln. „Gewalttätiges Handeln ist vor allem bei Männern zu beobachten. Für die Umwelt ist es sinnlos und brutal, aber aus seiner Sicht kämpft er ständig um sein Leben." Der Heiler seufzte schwer. „Hinterher tut es den Leuten ja leid. Sie merken ja irgendwann schon, dass da nicht wirklich ein Tiger ist, der sie bedroht, aber leider können sie dennoch nicht aufhören, das Tier zu fürchten. Vor allem Männer können dann wirklich sehr gefährlich werden, weil sie teilweise enorme körperliche Kräfte entwickeln und nicht mehr kontrollieren können, gegen wen und warum sie diese einsetzen. Das ist hinterher schwer, erzeugt Schuldgefühle, Scham und, ja, das Gefühl, schlecht zu sein. Hmm… Miss Granger… Mr. Malfoy… Sie sagten beide, dass Sie das Gefühl hatten, dass er in der letzten Zeit nicht mehr unter den Umständen leiden würde?" Hermine senkte den Blick, sah den bewusstlosen, schwer atmenden Draco vor sich und zuckte die Achseln. „Weiß nicht, er schien keine Anfälle mehr zu haben und so." „Das bringt mich zu einem anderen Punkt. Nun… Draco hat ein multiples, serielles Trauma erlitten. Multiple, weil er auf mehrere Arten traumatisiert wurde und seriell, eigentlich fortwährend… ähm… Mr. Malfoy… Draco sagte, dass er oft nachts zu Einsätzen gerufen wurde?" Hermine hob den Kopf und sah nun zum ersten Mal Lucius Malfoy direkt in die Augen „Oft? Mir hat er nur von vielleicht fünf Einsätzen erzählt!" Lucius verschränkte die Arme vor der Brust, drehte sich von Heiler und Hermine weg in Richtung Fenster und murmelte mit tonloser Stimme. „Ich glaube drei- bis viermal die Woche… manchmal öfter." Hermine klappte der Kiefer herunter. Der Heiler warf einen Blick in Dracos Akte und nickte. „Nun ja. Das erklärt die Aufputschdrogen, nicht wahr? Tja… Nun weiter. In Dracos Fall sind die Tiger also wirklich im Dorf geblieben. Nicht nur Tiger, auch viele andere Raubtiere bedrohen ihn dauerhaft. Das muss irgendwie ertragen werden. Wenn Sie dauerhaft in einer Situation leben, die so furchtbar ist, dass Sie sie nicht aushalten können, müssen Sie Strategien entwickeln, um damit irgendwie zurecht zu kommen. Die Methode, die viele Menschen entwickeln, ist, die Situation umzuwerten. Wir erfinden Ausreden, Beschönigungen und alles, was dabei hilft, uns selbst einzureden, dass wir das, was wir tun, im Grunde ja mögen und im Recht sind, wenn wir es tun. Am Beispiel des Tigers festgemacht: Tiger sind böse Kreaturen und sie zu bekämpfen ist eine gute, unterhaltsame Sache. Aber wissen Sie, der Mensch ist immer noch der Gleiche. Tigerkämpfe machen keinen Spaß. Aber der einzige Weg, mit dem Grauen fertig zu werden, ist, es nicht mehr grauenhaft zu finden. Gewalt wird befürwortet, um sie auszuhalten. Auf diese Art kann man zumindest überleben, handeln und ist nicht hilflos ausgeliefert. Draco ging es „besser", weil er abstumpfte und versucht hat, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Aber glauben Sie mir, das kommt alles wieder und er wird unter seinem Gewissen zerbrechen. Stress schützt in gewisser Weise, weil er uns davor bewahrt, ruhig über Erlebtes nachzudenken. Wenn dann aber mal wieder Zeit und Ruhe ist… nun. Mr. Malfoy, Sie waren in Askaban?" Zum ersten Mal seit einer Stunde sah Malfoy dem Heiler wieder in die Augen. Überrascht, beschämt, verletzlich. „Ich… ja. Ein Jahr lang." „Wie war es dort?" „Es war…", nun war Hermine ganz sicher, dass Mr. Malfoy entweder gleich erbrechen oder sich unter dem Tisch verkriechen würde. Ganz leise, zaghaft sprach er, wie ein kleines, verängstigtes Kind, „... entsetzlich. Man kann nicht denken. Man wird auf die schlimmsten Dinge reduziert, die man erlebt hat und wird gezwungen, sie immer wieder zu sehen. Es ist sehr schwer, dort an etwas anderes, auch nur Neutrales zu denken. Noch dazu die hygienischen Bedingungen, die Schmerzen, die…" „Ja, und nun stellen Sie sich vor, dass dieses von den Dementoren erzeugte Gefühl, nie wieder enden würde", unterbrach ihn der Heiler zwar abrupt, doch nicht unfreundlich. „Das, was Draco in seinem Alltag erlebt, ist ein immerwährendes Askaban. Da er die Erinnerungen nicht einsortieren kann, da sie einfach zu grausam sind, um sie irgendwie mit dem, was er bisher gelernt hat, zu vereinbaren, sieht er sie immer wieder. Erinnerungen, die nicht einsortiert werden können, werden vom Gehirn in einer Endlosschleife soweit wiederholt, bis sie doch verzerrt, verformt und sinnentfremdet eingeordnet werden. Und das ist das, was Draco erwartet, wenn er irgendwann ruhig genug ist, um nachzudenken. Der Junge, den sie kannten, den gibt es nicht mehr. Er ist psychisch gestorben. An seiner Statt ist eine Killermaschine entstanden und nun müssen wir ihm das auch noch wegnehmen. Da bleibt nichts mehr…" Lucius kaute unbehaglich auf der Unterlippe und blätterte mit zitternden Fingern auf die letzte Seite, wo bereits ein von einem Omniglas aufgenommenes Foto des baumelnden Dracos eingeheftet war. Er schüttelte den Kopf, klappte die Akte zu und verbarg das Gesicht hinter seinen Händen. „Es ist ja nicht so, dass ich von ähnlichen Dingen noch nie… noch nie gehört hätte. Viele, es gab…", er sprach stockend, leise und krallte sich wie sich mit den Fingern in die Stuhllehne. „Viele wurden nach kurzer Zeit einfach verrückt und wir mussten sie dann… beseitigen. Andere töteten sich selbst. Nur wenige können als Todesser leben." „Sie?" „Ich weiß nicht." Er rutschte unbehaglich auf dem Stuhl herum und Hermine sah, wie sich seine Ohren rot verfärbten. Vermutlich hatte er ihre Gegenwart vollkommen vergessen, sonst hätte er nie weitergesprochen. „Ich… Askaban hat mich mit vielen Dingen konfrontiert, über die ich nie nachdenken wollte. Ich habe ein… ähm, ein Alkoholproblem." Er schüttelte den Kopf und drehte seinen Kopf zum Fenster. „Wir wurden bedroht. Unsere Familie wurde von… Sie-wissen-schon-wem bedroht. Sicher, wir waren enge… Gefolgsleute, aber… nun, wir mussten in dieser Zeit feststellen, dass es dem Dunklen Lord egal ist, wer man ist und was man für ihn getan hat, am Ende interessiert er sich nur für sich selbst. Er hat uns mit allem möglichen gedroht und diese Gedanken aus Askaban… es wurde zu viel. Meine Frau bekam Depressionen." Er holte tief Luft und für einige Sekunden war nichts außer dem Ticken der Uhr an der Wand zu hören. „Ich will ganz ehrlich sein. Wir waren froh, dass Draco uns nichts erzählt hat. Wir konnten einfach nicht mehr. Ich weiß, was er gesehen hat, denn seine Erlebnisse sind meine, wenn Sie wissen, was ich meine. Denken Sie nicht, dass es uns egal wäre." Er seufzte und warf Dracos Akte zurück auf den Schreibtisch des Heilers. „Draco ist nicht der Erste, dem das schwerfällt. Aber wenn der Dunkle Lord bemerkte, dass es einer nicht schafft, dann", er hob die Hände und deutete auf seine Brust, „hat er uns losgeschickt, um das Problem zu lösen. Wer durchdreht, wird getötet. Ganz einfach. Und irgendwann haben sich die meisten ja wirklich irgendwie damit abgefunden und kamen damit zurecht. Hätten wir ihm das nehmen sollen? Wir waren in Lebensgefahr… und er auch. Ich… wie gesagt, ich habe gehofft, dass… naja… dass es ihm wieder besser geht, wenn alles vorbei ist." „Aber, Mr. Malfoy, wie könnte es den vorbei sein? Nicht nur, dass viele Menschen ein Leben durch solche Erlebnisse belastet sind. Wie kann es denn vorbei sein, wenn er für fast alle Menschen im Zaubererstaat ein brutaler Terrorist ist? Sie haben ihn doch vorhin selbst erlebt, er versteht die Welt um ihn herum doch gar nicht mehr. Wie soll er sich da zwischen Leuten zurechtfinden?" Malfoy zuckte die Achseln. „Es ist nicht so, dass ich ihm nicht helfen will. Nur… offen gesagt." Er seufzte und faltete die Hände dicht vor seiner Nase. „Wenn ich das alles höre, dann habe ich Angst." „Ich verstehe das. Natürlich, das ist bedrohlich und macht Angst, aber… jetzt muss etwas geschehen, sonst kann ich Ihnen hier und jetzt prophezeien, dass er höchstens noch einen Monat hat, bevor er wirklich Amok läuft oder sich wieder umbringen will. Vermutlich wird er beides tun und vermutlich in weniger als vier Wochen. Also, es muss etwas geschehen und ich fürchte, wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass wir Draco perfekte Bedingungen bieten können. Das ist nunmal leider sehr oft nicht möglich, sehr oft muss man das Beste aus dem machen, was da ist. Das möchte ich nun mit Ihnen gemeinsam überlegen." „Was wäre denn das Beste?" „Das Beste wäre eine Unterbringung in einer fachkundigen Psychiatrie, in enger Zusammenarbeit mit Ihnen und vielleicht auch Miss Granger. Da eine entsprechende Einrichtung im Moment nicht vorhanden ist, müssen wir uns von dieser Idee verbschieden. Ich schlage nun eine mindestens einjährige Therapie hier in der Klinik vor. Mindestens ein Jahr. Ich gehe aber eigentlich von einem längeren Zeitraum aus, in dem er dann tagsüber in der Klinik bei uns wäre. Den Rest des Tages sollte er in einer liebevollen, verständnisvollen und vor allem stabilen, sicheren Umgebung verbringen." Lucius hustete umständlich. „Wie meinen Sie das?", fragte er hinter vorgehaltender Hand. „Nun ja. Ich finde, er sollte bei Menschen sein, die ihm helfen können. Menschen, die sich mit so etwas auskennen. Er braucht therapeutischen Umgang rund um die Uhr…" Malfoys Hand sank herab, er neigte den Kopf zur Seite und musterte den Heiler misstrauisch. „Werden Sie deutlicher! Was soll das heißen, therapeutischer Umgang rund um die Uhr?" Der Heiler seufzte und begann seine Akten zu sortieren. „Wie ich bereits sagte. Die Einrichtung ist teilstationär. Psychotherapie ist in unserer Welt nicht etabliert, schon gar nicht in diesem Krankenhaus. Wir dürfen tagsüber die Gruppen führen, aber abends müssen wir gehen". Er hüstelte allzu offensichtlich, um sein Unbehagen zu überdecken und stapelte eifrig seine Akten von links nach rechts. „Wir bringen die Patienten bei Personen unter, die auf diesem Gebiet geschult sind. Muggel, die mit Magie begabte Partner haben oder Squibs, die einen entsprechenden Beruf gelernt haben." „Sie wollen einen psychisch labilen Todesser allen Ernstes bei Muggeln unterbringen?" Malfoy ächzte entsetzt und schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Mann." „Ja, nun. Das ist in diesem Fall… also, viele unserer Patienten sind ja aus fremden Ländern. Da… die haben ja nichts mit den Todessern zu tun und… ähm… also ich gebe zu… es ist nicht ganz einfach, Todesser in diesem Land unterzubringen. Die Leute haben ja doch die einen oder anderen Bedenken…" Nun konnte auch Hermine nicht mehr an sich halten. „Diese Leute haben noch bis vorgestern Krieg gegeneinander geführt. Wie soll denn das gehen, dass sie nun solche…solche…. Killer bei sich im Haus haben?" Malfoys Kopf schnellte herum. Seine Mundwinkel verzogen sich gefährlich nach unten. Seine Lippen formten lautlos „Killer" und Hermine schämte sich, da ihr klar wurde, dass das auch für Draco beleidigend gewesen war. Der Heiler hatte nun alle Akten komplett gerade gerückt und musste sich nun wohl damit abfinden, dass er entweder Hermine oder Lucius Malfoy in die Augen sehen musste. Er entschied sich für Hermine. „Ich sagte ja, eine wirklich gute Lösung ist in diesem Fall nicht möglich. Wir können nicht den besten, sondern nur den bestmöglichen Weg gehen. Ich dachte…. Also wenn Sie ja bereit wären mitzugehen, Sie könnten vermitteln und in den Personen, die ihn aufnehmen würden… nun, Verständnis wecken." Er holte tief Luft und hob beschwörend die Hände. „Aber unsere Leute, also die, die wir für die therapiefreie Zeit engagieren, die haben alle psychologisches Wissen und Erfahrung. Sie werden wissen, wie sie mit ihm umgehen müssen." Er brach ab und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse des Unbehagens, als er sich an Hermine wandte. „Wir haben darüber ja bereits gesprochen und ich fürchte, wir müssen nun zu einer Entscheidung kommen. Draco will Sie in seiner Nähe haben. Wenn man bedenkt, wie viele Stunden er täglich in der Klinik sein wird und wie viel Struktur und Gleichförmigkeit es im Alltag geben sollte, dann würde eine räumliche Trennung auf ein Ende der Beziehung hinauslaufen. Nur ab und zu abends und am Wochenende würde ihn zu sehr verunsichern. Miss Granger, wir helfen Ihnen so gut wir können, wenn Sie bei ihm bleiben wollen. Aber leicht wird das nicht. Wenn Sie sich das nicht zutrauen, haben Sie mein Wohlwollen und Verständnis, aber dann sollten Sie sich heute schon verabschieden und dazu stehen." Hermine stieß einen gurgelnden Laut aus und auch die Worte, die danach über ihre Lippen kamen, klangen kaum sicherer. „Ich… jetzt? Mit Draco zu fremden Leuten ziehen?" Der Heiler nickte ernst. „Ja, genau. Auch das müssen Sie bedenken. Wir helfen Ihnen, Sie sind nicht allein." „Moment mal!" Malfoy fuchtelte ungeduldig mit der Hand vor dem Gesicht des Heilers herum. „Also ich bin bereit mich damit abzufinden, dass er… zumindest… also für kurze Zeit… die Schule… dass das im Moment schwierig wäre. Nun ja, aber…. Dann nehme ich ihn eben mit zurück ins Manor!" Das Gesicht, das der Heiler nun machte, offenbarte, dass genau das der Teil war, der ihn zuvor so nervös gemacht hatte. „Das halte ich für keine gute Idee!" „Warum?" So unbehaglich wie der Heiler sich nun hinter seinem Ohr kratzte, hätte Hermine ihm fast ein paar weitere Akten zum Ordnen gebracht. „Tja… nun… Wollen wir offen sein?" Lucius' Gesichtsausdruck nach war die Antwort zwar „nein" – ein sehr unfreundliches nein - dennoch schaffte er es, ein mattes „ja" auszusprechen. „Sie sind ein Alkoholiker!" Hermines Wangen wurden heiß. Peinlich berührt senkte sie die Augen auf Dracos Gesicht und strich ihm über die bleichen Wangen. Sie wartete angespannt auf das anstehende Gebrüll, doch es blieb aus. „Ich hab aufgehört", antwortete Malfoy matt. „Vor einigen Wochen. Ich trinke jetzt nicht mehr!" Der Sessel des Heilers quietschte ein wenig. Offenbar begann er wieder, darin herumzurutschen. „Hmm, wie lange haben Sie denn getrunken und seit wann nicht mehr?" Es folgte eine weitere Pause, bis sie hörte, wie Malfoy unbehaglich Luft holte. „Nun… im Gefängnis. Tja… Askaban ist ein grauenhafter Ort, müssen Sie wissen. Kalt, dreckig, die Dementoren… Krankheiten, Ungeziefer… aber die Wärter sind bestechlich. Nun… ich brauchte Ablenkung von diesen… diesen Gedanken, die die Dementoren…" Er seufzte, machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter. „Und zu Hause waren die Umstände auch nicht erfreulicher. Aber… nun ja…. Ich habe, also vor fünf oder sechs Wochen habe ich das letzte Mal getrunken." „Dann haben Sie ja gerade mal den körperlichen Entzug hinter sich, Sir." Der Heiler klang alarmiert. „Das ist… das ist zwar wirklich erfreulich und ein guter Anfang, aber… nun… Habe ich das in den Nachrichten richtig verstanden, dass Sie wieder im Ministerium arbeiten?" Hermine hob den Kopf. Das interessierte sie jetzt auch. Wer wäre so blöd, einen Terroristen wie Lucius Malfoy erneut ins Ministerium zu lassen. „Ähm… inoffiziell. Die Unruhen und meine… Beteiligung... Ich werde die nächste Monate inoffiziell am Aufbau mitarbeiten, bevor meine erneute Ernennung folgt." Hermine verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Wer würde ihn erneut ernennen? Ja… ein Minister, der Geld brauchte. Aufbauarbeiten… aha. Malfoy zahlte seine Todessertätigkeit mit Spenden ab. Der Heiler nickte ihm zu, wirkte jedoch immer noch nicht überzeugt. „Das bedeutet doch sicher, dass Sie selbst viel Arbeit haben werden, unter Stress stehen, auf Empfänge gehen… und vergessen Sie nicht Ihre Frau… sagten Sie nicht, sie hätte ebenfalls sehr unter dem Krieg gelitten?" Malfoy zuckte mit den Achseln und drehte sein Gesicht in Richtung Fenster. „Durchaus…" „Und dann wollen Sie es aushalten, einen Jungen wie Draco in ihrem Haus zu haben… und Miss Granger?" Malfoys Kopf schnellte wie am Gummiband gezogen herum. Daran hatte er offensichtlich nicht mehr gedacht. „Miss…. Miss…", stammelte er, schüttelte sich, als hätte man ihm kaltes Wasser übergekippt und deutete auf Hermine. „Sie?" „Ja, sie! Draco meinte, dass er unbedingt mit ihr zusammen wohnen wollte und Miss Granger zieht es in Erwägung. Das ist ihr hoch anzurechnen, denn nach dem, was ich heute Mittag erfahren habe, wäre Draco durch eine erzwungene Trennung zusätzlich belastet. Eine sichere Bindung zu seiner Freundin, noch dazu jemand, der weiß, wie er mit ihm umgehen muss, würde ihm helfen." Malfoy wurde zuerst grau, dann weiß und letztlich leicht grün. „Nun ja…", er seufzte und drehte sich wieder zum Heiler um. „Wir haben ein sehr großes Haus. Beinahe einen Palast, möchte ich sagen. Wir können uns aus dem Weg gehen, denke ich. Ich wäre einverstanden, wenn es Draco helfen würde." Der Heiler wirkte aufrichtig überrascht. „Wirklich?" „Wenn es hilft…" Malfoy schenkte Hermine einen Blick zwischen Abscheu und Erdulden. Etwa wie man einen Blutegel oder eine Made ansehen würde, die zur Behandlung an erkrankte Körperteile gelegt wurde. Ein notwendiges Übel. „Hmm… und Sie, Miss Granger? Ich kann es nur wiederholen, Sie müssen es sich selbst zutrauen. Können Sie es bei diesen Leuten", er zeigte mit dem Finger zu Lucius, der daraufhin ärgerlich die Nase rümpfte, jedoch still blieb, „aushalten, oder fühlen Sie sich in der Gegenwart dieser Menschen bedroht?" Hermine wurde mit einem mal etwas schummrig. Sie hielt sich die Hände an die Schläfen und starrte zur Wand, die vor ihr leicht hin und her schwankte. „Ich… ja… ich weiß nicht!" Bei Draco zu bleiben war unter diesen Umständen schon schwer genug… aber im Manor? Natürlich wollte sie das nicht. Weder das eine noch das andere. Von „wollen" konnte nicht mal ansatzweise die Rede sein, aber angesichts des von der Besenkammerdecke baumelnden Dracos hatte Hermine ihre Prioritäten neu gesetzt. Vielleicht konnte sie sich den Luxus etwas wirklich zu „wollen" nicht leisten, angesichts der Umstände… Malfoys Stimme, sie sah sein Gesicht nicht, weil sie nicht aufhören konnte, das Fenster anzustarren, klang nicht wirklich erfreuter als ihre eigene. „Ähm, mir ist klar, dass das nicht einfach ist, aber… also, wenn es ihm hilft und… wenn er sonst nicht mitgeht und… unser Haus ist sehr groß. Ich würde vorschlagen, dass wir uns einfach aus dem Weg gehen… Miss Granger." Da. Die Starre löste sich. Vollkommen entgeistert fuhr sie zu Lucius herum. Er musste sich ja entsetzlich vor dem Heiler schämen und vor Schuld nahezu überquellen bei allem, dem er hier zustimmte. Der Heiler kratzte sich am Ohr. Er sah nervös auf die Uhr. Wartete er auf seine Kollegin? Jemand, der ihm half, Malfoy diese – nun ja - „ Schnapsidee" wieder auszureden. „Ich weiß nicht… Ich… Also… das ist wirklich keine leichte Entscheidung." Sie seufzte schwer und senkte die Augen wieder auf den bewusstlosen Draco. „Vielleicht… schon. Ich möchte ihn eigentlich nicht alleine lassen. Ich meine, ich würde ihn ja nicht mehr sehen können sonst, oder? Wenn ich in der Schule bliebe und er in der Klinik ist." Der Heiler legte die Stirn in Falten und verzog seinen Mund. Zuerst wanderten die Mundwinkel nach rechts, dann nach links und schließlich wurden die Lippen so dünn wie Bleistiftstriche. Er seufzte schwer, kratzte sich mit einer verlegenen Geste am Kopf und seufzte noch einmal. „Die Sache ist die. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne dabei einen falschen Eindruck zu erwecken. Nun, zunächst einmal freue ich mich sehr." Er hob die Augenbrauen und fuhr mit überzeugter, eindringlicher Stimme zu Malfoy gewandt fort. „Ich freue mich wirklich, dass Ihnen so viel daran zu liegen scheint, sich um Ihren Sohn zu kümmern. Ich gebe zu, ich bin überrascht." Malfoys Mund kräuselte sich zu einer garstigen Erwiderung, doch bevor er sie aussprechen konnte, stoppte ihn der Heiler durch eine abwehrende Geste seiner Hände. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie so offen bezüglicher ihrer familiären Situation waren. Diese Dinge sind durchaus wichtig, um Dracos Zustand zu verstehen. Dennoch, ich denke die Situation mit Draco, würde Sie überfordern." Lucius Malfoy holte vernehmlich Luft, doch abermals hob Sayer die Hand, wandte dem echauffiert wirkenden Mann das Gesicht zu und erklärte sanfter. „Es ist doch kein Vorwurf. Verstehen Sie, das macht es ja so schwer, Ihnen diese Dinge zu sagen. Ich habe Verständnis für Ihre Probleme. Durchaus. Die Zeiten waren für alle hart und Sie wären kein Mensch, wenn Sie in Ihrer Situation nicht ebenso darunter gelitten hätten wie alle anderen auch." Hermines Mundwinkel zuckten leicht, weil es so befremdlich war, Lucius Malfoy wie ein Schulmädchen erröten zu sehen. Er zog die Schultern hoch und senkte seinen Blick wieder auf seine Hände. „Es war… Askaban. Die Dementoren… und diese Erinnerungen. Nun und dann… wir wurden doch in jeder Sekunde bedroht. Unsere Ehe", er wurde, wenn überhaupt möglich, noch etwas röter, „unsere Ehe hat darunter gelitten. Nicht nur unter meinem… Problem. Auch die ganze Situation..." „Ich verstehe, aber, ich möchte es noch einmal betonen: Ich bin in diesem Fall der Anwalt Ihres Sohnes und ich möchte, dass wir eine Lösung finden, die vor allem für ihn am besten ist. Ich bin gerne bereit, Ihnen und Ihrer Frau in dieser schweren Zeit so viel Hilfe zukommen zu lassen wie irgend möglich, aber vor allem möchte ich, dass wir für Ihren Sohn eine Lösung finden, mit der wir ihn zum Weiterleben überreden können." Er seufzte, ließ sich nach vorne auf den Schreibtisch gleiten und faltete seine Hände vor sich. „Ganz offen gesagt. Sie mögen ja trocken sein, aber, unter uns: Fünf Wochen sind gar nichts." Er verzog den Mund und schüttelte den Kopf. „Nicht mal ansatzweise reicht das, um Sie als stabil zu bezeichnen. Wenn ich Sie so vor mir sehe, da sind Sie sehr weit davon entfernt, mit sich selbst im Reinen zu sein. Ganz zu schweigen von Ihrer Ehe, die ja nun auch sehr belastet ist. Ich verstehe, wie schmerzhaft es sein muss, das zu hören, aber meiner Meinung nach sollten Sie", er deutete auf Malfoy, „sich selbst in eine Therapie begeben. Sie haben das letzte Jahr sehr viel durchgemacht und ich möchte Ihnen zugestehen, selbst stabiler und sicherer zu werden. Ihre Frau wiederum, nun, auch sie bräuchte Hilfe. Verstehen Sie, sowohl als einzelne Menschen wie auch als Paar brauchen Sie Ruhe und Unterstützung, um wieder zu sich selbst zu finden. Wie sollen Sie es da schaffen, zu alledem, was Sie selbst verkraften müssen, auch noch ihren schwerkranken Sohn mitzutragen? Draco ist ein Vollzeitjob." Hermine wurde ganz flau im Magen, wenn sie so darüber nachdachte, wie oft auf Draco „aufgepasst" werden musste und wie viel doch versäumt worden war. Und wenn das Ganze dann auch noch hilfreich dargeboten werden sollte, dann konnte sie sich sehr schwer vorstellen, wie das in einem häuslichen Alltag aussehen sollte. Es war… beunruhigend. Sie schlang ihre Arme etwas enger um sich und wagte einen kurzen Blick zu Malfoy, dessen Augen sie mit totenstarrer, bleicher Miene kurz streiften, und dann unfokussiert zum Fenster hinaus wanderten. „Es wird eine sehr große Belastung sein, Mr. Malfoy. Eine sehr große Belastung und er wird es Ihnen nicht leicht machen. Sie haben ihn vorhin doch erlebt. Er hat unkontrollierbare Wutanfälle, provoziert jeden, den er sieht, will sich gegen alles und jeden verteidigen und zudem schätze ich, dass ihn mit der Zeit seine Erlebnisse sehr schmerzhaft überwältigen werden. Dann wird er depressiv sein, Panik-Attacken haben, Flashbacks und nach wie vor ist er zu alledem auch noch suizidal. Wie wollen Sie das auffangen, wenn Sie selbst Unterstützung bräuchten?" „Aber ich sagte doch", warf Malfoy wieder mit verzweifelter Stimme ein, „wir… wir wurden bedroht. Wir konnten nicht… wir konnten ihn nicht…" „Sehen Sie…", der Heiler bedachte ihn mit einem kritischen Blick, „wie sehr Sie allein die Erwähnung möglicher Vorfälle aufregt? Ich verstehe Ihre Situation, wirklich. Nur, wie wollen Sie Dracos Probleme auffangen, wenn Sie selbst Ruhe bräuchten, um das Erlebte zu verarbeiten? Und nicht zuletzt, wo wollen Sie die Zeit hernehmen, wenn Sie einem solch zeitaufwendigen Beruf nachgehen?" „Nun ja, ich…" Lucius Malfoy schluckte und sprach mit einer leisen, schwachen Stimme weiter, die so gar nicht zu ihm passen wollte. „Der Minister weiß von meinem… Problem. Wir haben recht offen darüber gesprochen. Ohnehin, ich meine, ich bin ein Todesser. Ohnehin wäre es besser, mich beruflich in der ersten Zeit etwas zurückzunehmen. Ich wäre ja die meiste Zeit da, wenn Draco zu Hause ist. Wenn er, wie Sie sagen, tagsüber in der Klinik ist? Meine Frau müsste dann ja nicht… ich könnte sie entlasten." Der Heiler kratzt sich nachdenklich am Kinn und schien sich Lucius' Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Er dachte über wohl darüber nach, wer Lucius war und ob man dem, was er hier so großzügig versprach, Glauben schenken konnte oder sollte. „Sir, Sie helfen ihm nicht, wenn Sie sich mit all Ihrer Hilfe selbst überanstrengen und nach drei Wochen rückfällig werden." Lucius Malfoy schüttelte entschieden den Kopf. „Das wird nicht so sein. Ich kann mich zusammenreißen. Ich bin ein starker Charakter, wenn es darauf ankommt!" Der Heiler gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Knurren und Husten lag. Er hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich umständlich, bevor er mit rauer Stimme weitersprach: „Das mag ja alles sein, aber Sie vergessen noch einen Punkt. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Sie sehr stark in Dracos Erlebnisse involviert, Sir. Allein deswegen halte ich es für besser, ihn bei Leuten unterzubringen, die für ihn in dieser Hinsicht nicht so… vorbelastet sind." „Ich bin mir sehr sicher, dass er unter gar keinen Umständen zu fremden Leuten in ein fremdes Haus ziehen will." Lucius Malfoy lächelte schief. „Glauben Sie mir, ich kenne meinen Sohn. Er kann schon unter normalen Umständen eine echte Pestbeule sein, wenn er Leute nicht leiden kann. Glauben Sie mir, er wird diesen Menschen nicht mal ansatzweise die Chance geben, sich mit ihm zu befassen." „Ich… ich fürchte, er hat Recht", piepste Hermine. Obwohl es ihr zutiefst widerstrebte Lucius Malfoy zu helfen. In diesem Punkt sah sie ebenfalls keine Chance. „Draco würde nie zu Muggeln ziehen wollen." „Oh, das sind nicht nur Muggel. Sie…" Doch Hermine schnitt Sayer das Wort ab „Nein, auch wenn sie keine Muggel sind, aber Muggelpsychologie studiert haben. Er würde dort nicht wohnen wollen. Er würde nie mit diesen Leuten reden und er würde sie hassen. Es wäre wie eine Gefängnisstrafe. Also vielleicht würde er sich irgendwann dran gewöhnen, aber sagten Sie nicht, dass er… dass er sofort Hilfe braucht? Nicht erst in einem Jahr?" Der Heiler seufzte und zog die Stirn in Falten. Die Bedenken waren ganz offen in seinen Augen zu lesen, dennoch hörte er Lucius Malfoy weiter zu. „Sie sagten doch, dass eine wirklich gute Lösung nicht möglich ist", wiederholte dieser leise. Er hob die Hände und deutete auf sich selbst. „Ich lasse mich beurlauben. Ich werde meine Frau entlasten. Ich werde bei jedem Programm mitmachen, das Sie für sinnvoll halten. Wenn er nicht alleine mitkommt, dann…" Er schluckte, als ob er knapp davor gewesen wäre zu würgen. „Dann kann auch Miss Granger mitkommen. Bitte! Verstehen Sie doch. In den letzten Tagen flattert uns eine Todesbotschaft nach der nächstens ins Haus. So viele unserer Verwandten und Freunde sind in der letzten Zeit gestorben." Er schnaubte im jämmerlich erfolglosen Versuch, gefasst zu erscheinen. Seine Hand klammerte sich an den Gehstock, mit dem er polternd auf den Boden klopfte. „Ich werde nicht nach Hause gehen und darauf warten, dass die nächste Eule, die ins Haus flattert, mitteilt, dass ich nun auch noch zur Beerdigung meines einzigen Kindes gehen kann. Er kommt mit. Ich werde ihn nicht irgendwohin gehen lassen, wo ich ihn nicht unter Kontrolle habe." Der Heiler nickte langsam. „Es hätte gewisse Vorteile. Einen Todesser unterzubringen ist wirklich nicht leicht… und er ist offen gesagt nicht der einzige junge Mann, den wir im Moment integrieren müssen. Wir sind auf der Suche, aber… es ist schwer. Aber, Sir, ist Ihnen eigentlich klar, was das heißt? Draco braucht nicht einfach jemanden, der ihn liebt. Er braucht vor allem jemand, der ihm absolute Sicherheit, eine feste, stabile Bindung und ein absolut durchstrukturiertes Umfeld bieten kann. Im Moment traut er niemandem auf der Welt und wenn er Ihnen vertrauen soll, müssen Sie sich das Vertrauen wieder neu verdienen. Seien Sie geduldig, aber lassen Sie ihm nichts durchgehen. Draco darf überhaupt nichts mehr ohne Ihre ausdrückliche Erlaubnis. Beim kleinsten Anzeichen von Stress müssen Sie ihn aus der Situation herausbringen. Er kann sich nicht von selbst beruhigen und das kann, wie Sie vorhin selbst erlebt haben, sehr gefährliche Folgen haben. Und egal was er tut, machen Sie ihm keine Vorwürfe. Er ist nicht schuld daran, dass er so ist wie er ist. Und genau deswegen braucht er so viel Struktur im Alltag wie möglich. Sie müssen all das, was er nicht selbst steuern und kontrollieren kann, für ihn übernehmen, ohne ihm das das Gefühl zu geben, ungenügend zu sein." Der Heiler bedachte Lucius mit einem kritischen Blick und machte dadurch nur allzu deutlich, wie wenig er ausgerechnet jemandem wie ihm zutraute, eine vertrauensweckende, geduldige Person zu sein. Da ihm wohl aber immer noch keine bessere Lösung eingefallen war, gab es sich einen Ruck und fuhr fort: „Nun, ich muss allerdings auf einige Dinge bestehen. Um das im Vorfeld ganz klar zu stellen. Wir sind hier keine Reparaturwerkstatt, wo man kaputte Kinder abgeben kann und sie dann ein paar Wochen später als gesunde Erwachsene zurückkriegt. Ohne intensive Mitarbeit Ihrerseits geht es nicht. Ist das klar?" Der Heiler hob die Augen und funkelte Lucius von unten herauf streng an, der seinerseits verlegen zur Seite sah und knapp nickte. „Natürlich. Wie… wie lange wird es denn dauern bis er… bis er…" „Bis er wieder so ist wie vorher?", beendete der Heiler den Satz für ihn. Lucius rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl nach vorne und nickte. „Nie." Der Heiler klappte Dracos Akte zu, faltete seine Hände darauf und sah mit prüfendem Blick abwechselnd von Lucius Malfoy zur neben Draco kauernden Hermine. „Es tut mir leid, Ihnen das so deutlich sagen zu müssen, aber ich möchte, dass wir mit realistischen Vorstellungen an die Sache herangehen. Draco wird nie wieder so sein wie er vor den Todessern war. Dafür ist er zu sehr von allem mitgenommen, zu viel ist passiert, als dass das einfach wie Schmutz abgewaschen werden könnte. Es ist in ihm drin, hat ihn verändert." Er räusperte sich, kratzte sich an der Nase, warf Hermine einen nachdenklichen Blick zu und drehte sich dann unvermittelt zurück zu Malfoy. „Bitte sagen Sie mir, Sir, konnten Sie jemals alles abschütteln? Denken Sie, dass es Ihnen gelingt, alles einfach zu vergessen?" Der Angesprochene zuckte mit den Schultern und sah zum Fenster in die schwarze Nacht hinaus. Der Heiler begann dann, die von ihm angestrebte Therapie in groben Zügen zusammenzufassen. Draco müsste montags bis freitags von neun bis siebzehn Uhr in der Klinik sein. Allerdings würde er, der Heiler, erwarten, dass abwechselnd Hermine und Dracos Eltern früher erschienen, um aktuelle Dinge des Tages zu besprechen. Ja, das müsse täglich sein, insistierte der Heiler auf Malfoys beginnenden Protest. Weiter würden sich die Malfoys mit Hermine einmal die Woche in der Klinik zusammensetzen müssen, um in der Gruppe die Spannungen im Manor aufzuarbeiten. Doch, das wäre wichtig, beharrte er, nachdem Lucius Malfoy und Hermine entsetzte Gesichter zogen. Bevor die beiden aus ihren jeweils eigenen Gründen protestieren konnten, öffnete sich die Tür und Narzissa Malfoy wurde von Heilerin Chang wieder in den Raum gebracht. Madam Pomfrey sei bereits gegangen, sagte sie Heiler Sayer. Sie hätte sich jedoch bereit erklärt, in den nächsten Tagen des Öfteren vorbeizuschauen, um mit dem Personal über Draco zu reden. Der Heiler erklärte dann, dass man für Draco einen eigenen Pfleger abstellen müsste, der die nächsten Monate jede Minute an Draco kleben würde, um Draco vor sich selbst und auch andere vor ihm zu schützen. Der Heiler erklärte weiter, dass Ruhe im Moment etwas Schwieriges sei. Draco sei enorm angespannt und hätte über zwei Jahre hinweg unter hohem Stress gestanden. Dieser Stress würde ihn zwar auszehren, ihn jedoch gleichzeitig auch vor einem Überschwang an Gefühlen und Erinnerungen schützen. Solange er so angespannt war, hatte er sich halbwegs im Griff. „Heißt das, dass das, was er bisher getrieben hat, noch die positivere Variante war?", ächzte Hermine entsetzt. Der Heiler schmunzelte mitfühlend und nickte: „Leider ja." Die Therapie selbst würde so aussehen, dass er zunächst einfach nur anwesend sein müsste. Die Patienten sollten neben den Therapiesitzungen und –übungen praktische Arbeiten oder Unterricht absolvieren, weil Untätigkeit zu viel Zeit für Depressionen oder andere ungesunde Gedanken lassen würde. Man ginge nicht davon aus, dass Draco von sich aus dazu große Lust haben würde. Man würde ihm aber die Zeit geben hineinzuwachsen, nun musste er es erst einmal aushalten, überhaupt auf der Station sein zu müssen. Man würde ihn auch zum Sport mitnehmen. Nicht nur, weil die meisten Jungen und Männer einen recht ungesunden Lebenswandel hinter sich hatten, sondern auch, weil sich aggressive Ausbrüche der Patienten untereinander in Grenzen hielten, wenn man ihnen anderweitig Möglichkeit gab, sich auszutoben. Mit Gesprächen sei es so eine Sache. Die seien zwar einerseits ein Kernstück der Therapie, andererseits war dem Heiler aber auch klar, wie schwer es den Patienten fiel, über ihre Traumata und Sorgen offen zu sprechen. Und dann noch mit einem fast vollkommen Fremden… Nein, das war zu viel verlangt, wenn man bedachte, wie sehr Draco im Moment der ganzen Welt um ihn herum misstraute. Man würde ihm Zeit geben, die Heiler erst einmal kennenzulernen und dann, wenn sich mit der Zeit die eine oder andere Unterhaltung ergab, würde man die Therapie langsam anrollen lassen. Manche Patienten seien bereit, sich auf die Therapie einzulassen, manche brauchten ihre Zeit, die Einweisung zu verkraften. Zudem würde er in den nächsten Tagen, der Einschätzung des Heilers nach, sowieso erst einmal einen sehr unangenehmen Drogenentzug durchstehen müssen. „Was sagt er denn dazu, dass er entziehen soll?", fragte Hermine, die sich nicht vorstellen konnte, dass Draco diese Forderung einfach kommentarlos zur Kenntnis genommen hatte. Der Heiler zog ein Gesicht und zuckte unbestimmt mit den Achseln. „Er sagt, dass ihm das egal wäre. Er wäre nicht abhängig. Als ich ihm dann gesagt habe, dass wir seine Vorräte allesamt die Toilette runterspülen werden, mussten ihn drei Pfleger festhalten, weil er auf mich losgehen wollte." Hermines Magen krampfte sich bei dieser Vorstellung schmerzhaft zusammen. Da würde noch einiges auf sie zukommen. Malfoys schmalem, verkniffenem Mund nach dachte er dasselbe. Der Heiler meinte außerdem, dass es sowieso noch einige Wochen dauern würde, bis Draco genug zur Ruhe kommen konnte, um über sich nachzudenken. Er würde fallen. Er würde sehr tief fallen und hart und grausam aufschlagen, das sei eigentlich gar keine Frage. Aber in den ersten Wochen würde es ihm vermutlich überraschend gut gehen… zumindest nach außen. Je mehr er aber über sich nachdenken würde - das würde irgendwann unweigerlich der Fall sein, wenn er sich die Akte so ansähe - desto mehr würden die Schuld und Schamgefühle wieder aufkommen. Vermutlich würden auch bald wieder Flashbacks, Panikattacken und Depressionen kommen. Man müsse das alles auffangen und ihm sehr viel Halt und Zuneigung geben und vor allem, das war das Wichtigste, Draco war nicht an seinem Zustand oder an seinen Taten Schuld. Schuld waren andere. Schuld waren die, die ihn dort hingebracht hatten, die ihm nicht geholfen hatten, als sie merkten, wie schlecht es ihm dort ging und die nichts unternommen hatten, um ihn vor sich selbst zu schützen. Die es zugelassen hatten, dass er Dinge tun musste, die er vielleicht sein Leben lang nicht verkraften würde. Hier brach er kurz ab und funkelte die beiden Eltern streng an. Lucius Malfoy wurde rot, senkte den Blick, seine Frau starrte ins Leere. Ob sie überhaupt zugehört hatte, war nicht erkennbar. Der Heiler versprach, dabei zu helfen, mit Draco umzugehen. Dafür seien ja die täglichen Gespräche und Treffen wichtig, da es auch für die Angehörigen furchtbar belastend sei, so jemandem um sich zu haben, der sich voraussichtlich dauerhaft daneben benehmen würde. Narzissa hob eine Augenbraue und fragte: „Ich dachte, Sie suchen etwas, wo er wohnen wird?" Der Heiler rückte irritiert seine Brille zurecht, entschuldigte sich, weil er vergessen hatte, ihr das gleich zu sagen. Mr. Malfoy hätte gesagt, dass er seinen Sohn auf jeden Fall gerne bei sich zu Hause hätte, weil er glaubte, dass es woanders sehr bald zu einer Katastrophe kommen würde. Miss Granger sei ebenfalls dieser Ansicht, weshalb es jetzt so geregelt sei, dass Draco mit ins Manor zurückginge. Gemeinsam mit Miss Granger, der einzigen Person, die er im Moment überhaupt sehen wollte. Hier winkte Narzissa indigniert ab und schnarrte ein kühles „aha". Mehr wollte sie zu dem Thema nicht sagen. Der Heiler fragte noch ein paarmal nach, ob sie sich das überhaupt vorstellen könnte, den kranken Draco zu ertragen oder jemanden wie Miss Granger in ihrem Haus zu beherbergen. Sie kommentierte alles mit: „Jetzt ist es ja beschlossen", und vermied jede weitere Ausführung dazu. Auf die abermalige Frage von Lucius, wie lange es denn dauern könnte, bis Draco wieder halbwegs „normal" war, zuckte der Heiler unglücklich mit den Achseln. „Vermutlich Jahre. Im Moment ist bei ihm wirklich alles kaputt. Sein ganzes Leben wurde ihm genommen und seine Seele in Fetzen gerissen. Das dauert… ich… nun… ich will Sie nicht vollkommen entmutigen. Den meisten Patienten können wir dabei helfen und die meisten können mit der Zeit ein normales Leben führen. Wenn auch in manchen Fällen, mit therapeutischer Hilfe. Wenn Sie mich fragen, wie lange es dauert bis er hier aus der Klinik wieder entlassen wird und er einer Arbeit nachgehen kann, dann schätze ich im Moment mindestens eineinhalb Jahre." Hermine sank das Herz bei dieser Ankündigung. Eineinhalb Jahre, in denen Draco… In denen Sie… ja, was war mit ihr? Sollte sie nun mitgehen? Irgendwie kam sie sich etwas überrumpelt vor, nun hatte sie ihr Einverständnis gegeben, in dem sie nicht widersprochen hatte, was bedeutete, dass sie sich nun auf knapp eineinhalb Jahre Malfoyhaft vorbereiten konnte. Ein Gedanke, der ihre ohnehin schon trüben Gedanken noch trübsinniger werden ließ. Der Heiler mahnte den zähneknirschenden Malfoy, ehrlich zu sein, wenn er den Eindruck habe, dass er unter Draco zusammenbrechen und wieder trinken würde. „Das wär es zumindest für heute Abend. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?" Hermine und die Malfoys schüttelten die todmüden Köpfe. Die beiden Heiler nickten verständnisvoll, auch sie schienen kein Bedürfnis zu haben, noch länger und noch mehr zu besprechen. Es war mittlerweile elf Uhr in der Nacht. Bevor Draco mit einem Enervate geweckt wurde, spritzte der Heiler noch einmal mit dem Zauberstab ein recht starkes Beruhigungsmittel. Zumindest für diesen Tag hätten alle genug Aufregung gehabt. Man solle ihm die aktuelle Lage kurz erklären und ihn dann auf kürzestem Weg ins Bett bringen. Draco wurde kaum wach, als der Aufweckzauber in traf. Schlaff und mit hängenden Augen nahm er zur Kenntnis, dass er jetzt mit seinen Eltern nach Hause gehen sollte. Draco sah aus, als ob er jeden Moment wieder einschlafen würde, er hing kraftlos im Sessel und schaffte es gerade mal halbwegs verständlich zu fragen, ob Hermine denn mitgehen würde. Hermine nahm seine Hand und bejahte. Damit war er zufrieden. Der Heiler hatte den Malfoys geraten, ihren Kamin an das Flohnetzwerk des Krankenhauses anschließen zu lassen. Für Notfälle. Narzissa wollte etwas erwidern, doch verstummte sie, sichtlich verärgert, als ihr Mann auch dazu gehorsam nickte. Draco war mehr schlafend denn wach. Die Augenlider fast vollkommen geschlossen, der Kopf nach unten hängend und der ganze Körper schlaff und kraftlos, schaffte er es nur alle paar Minuten das Kinn zu heben, die Lider einige Millimeter weit anzuheben und irgendetwas Unverständliches vor sich hinzumurmeln. Lucius und der Heiler brachten ihn zu der Vorhalle des Krankenhauses, von wo aus appariert werden konnte. Den Weg zurück, von der Stelle außerhalb des Manors in das schlossartige Gebilde hinein, zog, schleifte und stützte Hermine den nun fast vollkommen bewusstlosen Draco, gemeinsam mit seinem Vater. Narzissa Malfoy achtete weder auf Hermine, ihren Mann oder ihren Sohn, sondern stolzierte hoch erhobenen Hauptes in schnellem Schritt durch den Park und war schon nicht mehr zu sehen, als Hermine die Halle betrat und nicht umhin konnte, diese einmal mehr zu bestaunen. Lucius Malfoy nutzte diese Pause um festzustellen, dass Hermine nun überflüssig war. Er rief nach einer Hauselfe, die Hermine ein Zimmer zu Recht machen sollte und wies sie an, dem unliebsamen Hausgast nötige Hygieneartikel bereitzustellen bis diese ihre eigenen Dinge aus Hogwarts geliefert bekommen würde. Im Anschluss daran erklärte Malfoy, dass er Draco nun hochbringen würde und Hermine gehen sollte. Ein suchender Blick durch die Halle verriet, dass er eigentlich etwas anderes vorzufinden erwartet hatte. Seine Frau? Jemanden, der ihm half? Alleine konnte Draco die große Marmortreppe, die sich oben zu den beiden Seitenflügeln des Hauses hin teilte, jedenfalls nicht gehen. Einen Moment später hörte sie schwere Männerschritte rasch näher kommen. Rodolphus Lestrange eilte die Treppe zu ihnen hinab, erstarrte, als er Hermine sah und machte ein Gesicht, als ob er seinen persönlichen Irrwicht vor sich hätte, doch Malfoy ließ ihm keine Zeit sich zu gruseln. Er nahm seinen Schwager beiseite und murmelte ihm leise, mal besorgt, mal angewidert klingende Worte zu. Vor allem die angewiderten Worte wurden durch einen Seitenblick zu Hermine unterstützt. Doch offenbar war nun nicht die Zeit zur Schlammbluthatz und so legten die beiden Männer sich Dracos Arme um die Schultern und zogen und schleppten ihn die lange Treppe nach oben. Hermine sah den Dreien nachdenklich hinterher, bis sie eine kleine Hand an ihrem Arm fühlte. „Bitte mitkommen, Miss. Salsa zeigt ihnen den Weg!" Die Elfe führte sie die Treppe hinauf, einen langen Gang hinab und eine weitere Treppe nach oben. Es stellte sich heraus, dass Dracos Zimmer am Ende des ersten Stockwerkes war und sich genau unter dem Schlafzimmer von Lucius und Narzissa Malfoy befand. Das für Hermine hergerichtete Zimmer - erstaunlicherweise war es weder eine Folterkammer noch eine Toilette - befand sich ebenfalls im zweiten Stock, nur etwas weiter den Gang hinunter. Wollte Hermine also zu Draco zu gehen, musste sie am Schlafzimmer von Lucius und Narzissa vorbei. Hermine seufzte und sank auf das ihr zugewiesene Bett. Sie bedankte sich höflich bei der Elfe, die ihr zum Abschied noch eine Flasche Kürbissaft ins Zimmer beschworen hatte, und sah dem kopfschüttelnden Wesen nach, als es etwas misslaunig zur Tür hinaus ging. Verloren wie sie sich fühlte, wagte sie im Moment nichts anderes als hier zu sitzen und sich skeptisch im Zimmer umzublicken. Wer wusste schon, ob dem ersten Anschein zum Trotz, nicht doch irgendeine Beleidigung oder Bedrohung hier verborgen war? Bisher hatte sie nichts dergleichen entdecken können. Im Gegenteil, der Raum wirkte überraschend freundlich. Alles war in hellen, ansprechenden Farben gehalten und sehr gepflegt, ohne dabei klinisch steril zu wirken. Ein großes Bett, ein Schreibtisch, diverse Schränke und sogar ein eigenes Badezimmer hatte man ihr zugestanden. Es war ja auch alles sehr schnell gegangen. Hätten die Malfoys gewusst wer kommen würde, hätte man das Zimmer sicher angemessen für den Gast verwüstet und verdreckt. Hermine sank mit ausgebreiteten Armen nach hinten auf die Matratze zurück und starrte an die Decke. Bleierne Müdigkeit überkam sie, kroch in ihre Glieder vernebelte ihre Gedanken. Alles andere ausser ruhig dazuliegen, die Beine auszustrecken und mit eigentümlicher Beruhigung festzustellen, wie ihre Lieder immer schwerer wurden schien zu anstrengend. Hermine gähnte, streckte sich und war selbst zu erschöpft um dieses Haus, seine Bewohner und alles wofür sie standen zu verteufeln. Sie war nur müde, körperlich und seelisch, und brauchte Ruhe. Plötzlich fuhr sie erschrocken hoch, als es in ihrem Zimmer mehrere Male laut ploppte. Man hatte ihr ihre Koffer aus Hogwarts gesendet. Anbei ein Brief der wieder eingesetzten Schulleiterin McGonagall, die sie davon in Kenntnis setzte, dass sie ihren Entschluss, die Schule nur noch als Schülerin, nicht jedoch als Bewohnerin zu besuchen, zwar akzeptierte, doch als unüberlegt erachte. Sie bat Hermine dringend, am morgigen Tag zu einem persönlichen Gespräch in ihr neues, altes Schulleiterbüro zu kommen. Hermine stöhnte gequält. Auch das noch. Daran hatte sie ja noch gar nicht gedacht. Mit Ausnahme von Harry wusste keiner der anderen Schüler, dass sie die Schule überhaupt verlassen hatte. Geschweige denn, warum. Ein unbändiges Verlangen überkam Hermine, die frisch eingetroffenen Koffer zu schnappen und augenblicklich dieses feindliche Feld zu räumen. Wenn sie jetzt einfach wieder gehen würde, dann… Nein, sinnlos. Natürlich war bereits aufgefallen, dass sie nicht da war und sollten die anderen Schüler von ihrer Verbindung mit Draco erfahren haben, so stünden ihr in der Schule nicht weniger Anfeindungen als im Manor bevor. Zudem… hatte sie nicht versprochen zu bleiben? Sollte sie nicht zumindest versuchen, dieses Versprechen einzulösen? Und doch, ihr graute vor dem nächsten Morgen, wenn sie allen in die Augen sehen und sagen musste, was passiert war und… nun… wie es dann weitergehen sollte, wusste sie auch noch nicht. Sie beschloss, dass es das Beste war, wenn sie Harry eine Nachricht sendete. Vielleicht nur ein paar Zeilen. Sie könnte ihn bitten, die anderen bereits ein wenig vorzuwarnen, so dass Hermine morgen früh die heftigsten Schockreaktionen erspart bleiben würden. Pergament und Feder lagen auf dem Schreibtisch bereit. Eine Eule saß dort natürlich nicht. Die Elfe hatte ihr vorhin im Vorbeigehen gesagt, dass sich neben dem Flurfenster, wo Narzissas und Lucius' großes Schlafzimmer war, eine Art Briefkasten befand. Sie müsste den Brief nur einwerfen und sofort würde eine Eule alarmiert werden, die das Pergament auffangen und wohin auch immer ausliefern würde. Auf Zehenspitzen schlich sich Hermine aus ihrem Zimmer. Der Gang vor ihr war dunkel und wurde nur spärlich von dem trägen Licht einiger weniger Kerzen erhellt. Schon als sie ihre Tür schloss, hörte sie die erregten Stimmen, die vom anderen Ende des Flures zu ihr drangen. Hermine mochte es eigentlich nicht zu lauschen. So etwas gehörte sich nicht. Doch da der Eulenkasten sich in der Nähe des Aufruhrs befand, musste sie wohl oder übel näher kommen. Schon konnte sie die ersten, deutlichen Worte verstehen. Narzissa schrie: „Das ist alles deine Schuld. Du bist ein verdammter Lügner. Du hast mich angelogen! Du hast mir versprochen… und jetzt schleppst du ihn hierher!" Hermine erstarrte. Narzissa konnte doch nicht allen Ernstes Draco gemeint haben. Sie hörte Lucius' Stimmte. Der sprach jedoch so leise, dass sie keine Worte verstehen konnte. Viel besser verstand sie Narzissas gellenden Antwortschrei: „Aber ich will ihn nicht hier haben!" Eiskalte Schauer überliefen Hermine. Sie kam ein wenig näher. Das musste alles ganz anders sein, als es den Anschein hatte. Lucius murmelte etwas, dann wieder Narzissa. Laut, schrill und durchdringend: „Du hast mir versprochen, dass du dich jetzt endlich einmal um mich kümmerst! Dass du für mich da bist! Dass ich endlich mal wieder jemand bin, der für dich wichtig ist und stattdessen halst du uns schon wieder das nächste Problem auf!" Hermine legte ihr Ohr an die Wand. Sie war schon ein wenig näher und wenn sie sehr angestrengt lauschte, konnte sie auch Lucius verstehen. „Wenn du eine bessere Idee hast…." „Du hast doch gesagt, dass die Heiler ihn bei irgendwelchen Leuten unterbringen wollten. Leute, die sich damit auskennen du… du… Ah!" Ein Wutschrei und irgend etwas zerschellte an der Wand. „Du denkst nie an mich! Du bist ein verdammter Egoist! Ich weiß, warum du das tust. Du wolltest nur gut dastehen und es ist dir ganz egal, wie es mir dabei geht!" Etwas klirrte, etwas krachte und nun wurde auch Lucius laut. „Du weißt genau, dass er nie bei Muggeln bleiben würde. Was hätte ich denn tun sollen?" „Ja und ich? Du hast mich nicht gefragt! Du denkst nicht darüber nach, wie es mir dabei geht. Ich will ihn nicht hier haben!" „Er ist dein Sohn und er braucht…" „… und ich bin deine Frau und ich brauche dich! Du hast mir versprochen, dass du jetzt für mich da bist. Dass ich endlich mal auf Unterstützung von dir hoffen kann… stattdessen…" „Ist dir das denn alles ganz egal? Der Junge hat sich an einer Paketschnur aufgehängt!" Wieder knallte etwas. Narzissas Stimme war laut und drohend. „Wage es nicht, mich als schlechte Mutter hinzustellen, Lucius. Ich war immer für ihn da. Ich war immer für dich da. Ich war immer für alle da. Ich will immer nur das Beste für ihn. Dieser Heiler hat dir etwas angeboten, was das Beste für ihn wäre und du hast es abgelehnt, weil du… Ah!" Ein erneuter schriller, gellender Schrei. „Jetzt endlich verstehe ich. Lucius, du bist wirklich… Du hast dieses Schlammblut mitgenommen, um dich wieder im Ministerium einschleimen zu können. Sag mal…", sie lachte bitter und ihre Stimme triefte vor Hohn und Ablehnung. „Noch tiefer kannst du nicht mehr sinken, oder? Du holst dir ein Schlammblut ins Haus, um beim Minister gut Wetter machen zu können. Du verlogener, du verdammter…" Eine Pause entstand. Hermine nahm an, dass Lucius irgend etwas getan hatte, das Narzissa zum Schweigen brachte. Irgend etwas klapperte. Nun, noch ein paar Schritte näher konnte sie hören, dass dort drinnen ständig etwas hin und hergeschoben werden musste und dass mehrere Türen eines Schrankes oder etwas ähnlichem geöffnet und geschlossen wurden. „Hör sofort auf zu suchen!", bellte Narzissa und eine weitere Tür wurde knallend zugeworfen. Nun schrie auch Lucius. „Ich suche nicht!" „Oh, doch, das tust du. Schon die ganze Zeit… Du bist… du… und sowas wie du… verdammt Lucius. Er hat mir einen Kerzenständer auf den Kopf geschlagen. Ich war bewusstlos!" Lucius klang gelangweilt. „Ja, ja!" Offenbar die falsche Antwort. Narzissa war lauter als zuvor, doch noch eine ganze Oktave höher. „Ich bin dir egal. Solange du nur vor anderen herum schleimen kannst, ist dir alles egal. Du kümmerst dich überhaupt nicht um mich... und das, nachdem ich deine… deine Sauferei ertragen musste… und all den Ärger, den wir wegen dir hatten. Wegen dir. Nur wegen dir. Wegen der Mysteriumsabsteilung. Und der Dunkle Lord bedrohte unseren Sohn. Ich lag auf Knien vor Severus, während du deinen letzten Funken Verstand versoffen hast und dann… aber nein… du… du säufst wie ein Loch und ich muss alles alleine verkraften. Jetzt ist der Krieg vorbei und immer noch denkst du nur an dich und an deine Karriere und was aus uns wird…" „Der bringt sich doch um, wenn er bei den Leuten nicht bleiben will!" Hermine prallte zurück, so laut war Lucius eben geworden. Sie trat einen Schritt zurück, und rieb sich überrascht die Ohren, da Narzissa ebenso laut, doch wesentlich schriller, nachsetzte. „Du bist so dumm, dass mir davon schon schlecht wird. Dieser Heiler ist ein Vollidiot und du glaubst ihm und… und dann bietet er dir immerhin eine Lösung an und…" Lucius war leise, doch das Zischen war so drohend und gefährlich, dass Hermine davon eine Gänsehaut bekam. „Du bist eine hingebungsvolle Mutter, Narzissa. Wirklich, du tust alles für deine Familie… solange es nicht zu umständlich wird!" „Wie… wie… wie…" Narzissa keuchte, schnappte nach Luft. Dann jammerte sie, offenbar in Tränen ausgebrochen: „Wie kannst du es wagen. Ich wäre für Draco gestorben. Aber jetzt kann ich nicht mehr. Ich bin am Ende meiner Kraft und du weißt das. Ich halte das nicht mehr aus. Ich habe dich ertragen, wie du warst. Ich bin vor Sorge um dich krank geworden und jetzt ist alles vorbei und jetzt brauche ich auch einmal Ruhe… der Heiler hat doch Hilfe angeboten. Ich flehe dich an… bitte, geh morgen zu diesem Heiler und sag, dass er Draco zu diesen Leuten bringen soll. Ich flehe dich an… Lucius. Ich bitte dich. Ich besuche ihn ganz oft und von mir aus gehe ich sogar mit dir zu diesen Heilern… aber ich kann das nicht jeden Tag aushalten. Nicht noch einmal. Ich kann nun nicht auch noch Draco aushalten, so wie er ist. Ich kann es einfach nicht mehr! Bitte." Sie wimmerte mit so viel Schmerz in der Stimme, dass sie Hermine wirklich leid getan hätte, wenn sie sie für ihre Worte nicht so gehasst hätte. „Und Bellatrix… ich habe meine Schwester für ihn geopfert und du beschimpfst mich als schlechte Mutter. Aber wie soll ich denn mit ihm… wo er doch… wie, Lucius?" Sie flehte so herzzerreißend, dass selbst Hermine davon eine Beklemmung in der Brust verspürte. Sicher… Draco hatte immer wieder gesagt, dass seine Mutter den Alkoholismus seines Vaters nicht verkraften konnte. Sie hatte wohl gehofft, dass es nun besser für sie würde… und nun Draco… mit Hermine und… Hermine schüttelte den Kopf und drehte sich um. Lucius würde nachgeben und Hermine… nun, ihr war es doch im Prinzip ganz recht, eine Ausrede zu haben, dieses Haus so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. „Nein!" Hermine wirbelte herum. Das war Lucius gewesen. Eine Pause, dann hörte sie ihn wieder. „Er bleibt! Und wenn es ihm hilft, wenn er sonst nicht bei uns bleibt, dann bleibt das Schlammblut eben auch. Geh ihr aus dem Weg, wenn sie dich stört. Sie hat nichts mit uns zu tun!" „Ja, aber… aber… du kannst doch nicht…. was werden denn die Leute sagen, wenn sie hören, dass ein Schlammblut in unsrem Haus ist?" Lucius lachte bitter. „Vielleicht lenkt es sie davon ab, was sie sonst alles über uns sagen könnten." „Ah!" Narzissa brüllte schon wieder. „Das ist es. Mitleid. Du holst dir Draco und das Schlammblut ins Haus, weil du denkst, dass sie dir dann aus lauter Mitleid keine deiner Todesserunternehmungen mehr vorwerfen. Lucius, du bist das letzte Stück Dreck, das…." Die Tür wurde aufgerissen, Lucius stürmte hinaus und warf sie laut knallend hinter sich zu. Er hatte Hermine nicht bemerkt, hatte sich ja sowieso nicht umgesehen, sondern polterte laut die Treppe hinunter. Hermine zögerte, wollte gehen. Wenn jetzt Narzissa nachkäme… mitten im größten Streit. Hermine wollte nicht beim Lauschen erwischt werden. Doch Narzissa kam nicht. Im Zimmer war es ruhig. Da dies vielleicht ihre einzige Chance war, unbeobachtet ihren Brief abzugeben, huschte Hermine auf leisen Sohlen den Gang bis zum Fenster hinunter und warf ihn in die von der Elfe beschrieben Öffnung. Sie wollte gehen, doch als sie sich umdrehte, bemerkte sie, dass vom unteren Flur ein schwaches Licht nach oben drang. Dracos Tür war geöffnet worden. Abermals fühlte Hermine sich schlecht dabei, zu lauschen… doch sie musste wissen, was nun geschehen würde. Bestimmt würde Lucius Draco sagen, dass er morgen wieder gehen musste. Sie glitt geräuschlos die Treppe hinab und schlich sich so nahe an die Tür heran, dass sie durch den geöffneten Türspalt hinein ins Zimmer sehen konnte. Draco lag zusammengerollt in seinem Bett und hatte die Decke um sich geschlungen. Sie sah sein Gesicht nicht, da er mit dem Rücken zur Tür lag. Lucius war bei ihm. Er saß neben seinem Sohn an der Bettkante und streichelte ihm über das zerwühlte, blonde Haar. Hermine schluckte. Die Szene, die sich ihr bot, war gleichermaßen beklemmend und anrührend. Sie zögerte, war nicht sicher, ob es der Anstand Draco gegenüber nicht doch gebot, sich zurückzuziehen. Draco würde nicht wollen, dass sie ihn so sah. Andererseits, vielleicht war es ja wichtig, was dort drinnen besprochen wurde und sie könnte sich ja immer noch zurückziehen, bald. Dracos Decke hob und senkte sich gleichmäßig. Tiefe, regelmäßige Atemzüge. Abgesehen davon nahm sie keine Bewegung seitens Draco war. Sie verstand Lucius kaum, aber falls sie richtig verstand, erklärte er Draco gerade, dass es Narzissa mittlerweile wieder gut ginge und die Kopfverletzung geheilt worden war. Sie konnte Lucius' Gesicht kaum erkennen, da es hinter dessen langen Haaren verborgen war. Er sah Draco nicht an, sondern hatte den Kopf dem Fenster auf der anderen Zimmerseite zugewandt. Seine aufrechte Haltung, die Art, wie er seinen Sohn streichelte ohne ihn anzusehen und der Nachhall der wütenden Worte, die Hermine vorher gehört hatte, ließen dieses Bild gezwungen erscheinen. Warum auch immer er nach dem Streit mit seiner Frau zu seinem Sohn gegangen war, die Gründe hatten wohl kaum mit aufrichtiger Zuneigung zu tun. Unvermittelt wurde er etwas lauter und Hermine hörte einen Mann, der bedrückt und beinahe flehend klang: „Mit wem soll ich denn reden, wenn du nicht mehr da bist. Hmm?" Die Decke nuschelte etwas, das wie „Mutter" klang. Lucius schnaubte zu ihrer Überraschung belustigt: „Mutter? Sie ist nicht halb so boshaft wie du. Ich liebe deine Mutter, wirklich. Aber mit niemandem kann ich mich so herzhaft über andere Leute lustig machen wie mit dir." Er brach ab und Hermine meinte zu erkennen, dass er erneut schluckte. Die Hand auf Dracos Hinterkopf wurde kurz weggezogen und vor den Mund gehalten, als er sich räusperte, dann wischte er sich anmutig über den Umhang und legte die Hand erneut auf Dracos Haare. Lucius klang nicht mehr belustigt, sondern, nun, Hermine wagte es bedrückt, vielleicht sogar ängstlich zu nennen. „Du bist noch so jung, Draco. Dein Leben ist noch nicht vorbei. Egal wie es jetzt aussieht, du hast noch so viel vor dir." „Du kannst mich nicht dazu zwingen!", unterbrach Draco laut, ohne Nuscheln und mit Eiseskälte in der Stimme, das Gestammel seines Vaters. Lucius seufzte, fuhr mit der Hand etwas weiter nach vorne und strich Draco eine Strähne aus der Stirn. So, wie Hermine es schon oft getan hatte, weil Draco das mochte. „Und wenn ich dich darum bitte?" Die Decke zitterte. Nein, Draco zitterte unter der Decke, als wäre ihm kalt. „Hau ab. Lass mich allein. Lasst mich doch endlich in Ruhe." Lucius' Hand stoppte, verharrte einen Moment auf der Stirn seines Sohnes, dann zog er sie weg, um sich mit beiden Händen über das eigene Gesicht zu wischen. Das Atmen schien ihm immer schwerer zu fallen. Sie sah sein Gesicht nicht, stellte sich aber vor, wie er die Augen schloss und die Lippen aufeinander presste, um sich zu konzentrieren. Ihm, der sonst nie um eine schleimige Lüge verlegen war, schienen die Worte zu fehlen wenn es darum ging, seinem Sohn zu sagen, wieso Selbstmord keine gute Idee war. Vielleicht hatte sie ihr ursprünglicher Eindruck nicht getrogen. Lucius sagte gar nichts. Blieb einfach sitzen und senkte den Kopf. Vermutlich, um nun, da ihm die Unterhaltung langweilig wurde, seine teuren Schuhe zu bewundern. Er schnaubte, warf Draco einen flüchtigen Blick zu, so dass Hermine für einen Sekundenbruchteil das emotionslose Gesicht Malfoy Seniors erkennen konnte, dann drehte er sich wieder um und verschränkte die Arme über der Brust wie ein trotziges Kind. Bestimmt würde er gleich aufstehen und gehen. Sein Sohn, die Enttäuschung seines Lebens, war wohl einfach nicht das, was er haben wollte. Zudem gab er auf halbwegs freundliche Bitten auch nur patzige Antworten. Bestimmt würde Lucius das Zimmer verlassen, um seine Zeit mit etwas zu verbringen, was seiner würdig und vor allem nutzbringender war. Hermine hörte ein Geräusch, das nach einem leisen Wimmern klang. Die Decke zitterte leicht. Dracos Stimme klang schwer und schleppend. „Du hast alles kaputt gemacht. Lass mich endlich in Ruhe!" Erneut hörte sie Lucius gedehnte, doch überraschend freundliche Stimme. „Weißt du eigentlich, wie gern ich dich habe, Draco?" Lucius drehte sich erneut zu Draco um, rutschte ein wenig weiter zu seinem Sohn, so dass er mit dem Oberschenkel nun direkt an Dracos Rücken stieß und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich mich freue, dass es dich gibt? Wie dankbar wir beide, Mutter und ich, sind, dass wir dich haben?" Eine kurze Pause. Lucius' Hand lag immer noch auf Dracos Schulter. Er beugte sich zu ihm hinunter und wirkte ganz so, als ob er ihn auf die Stirn küssen wollte, doch fror er mitten in der Bewegung ein. Der Oberkörper hing gebeugt über Draco, die Hand, nun sicher um das Gleichgewicht zu halten, auf Draco und die langen blonden Haare wie ein Vorhang über Lucius' Gesicht. Er flüsterte etwas, das sowohl „Ich mach' es wieder gut" wie auch „Es wird alles wieder gut" heißen konnte. Hermine sah, wie Draco daraufhin heftig seinen Kopf schüttelte und mit der Hand nach hinten schlug, um Lucius von sich zu schütteln. Der gehorchte tatsächlich, murmelte etwas, das Hermine nicht verstand und erhob sich. Hastig schlüpfte sie hinter einen großen Schrank, den man auf der anderen Seite des Ganges aufgestellt hatte und wartete, bis Lucius das Zimmer verlassen hatte und sie seine Schritte die Treppe hinauf verhallen hörte. Als sie die Tür oben quietschen hörte, wagte sie, aus ihrem Versteck herauszukommen. Eigentlich wollte sie wieder hochgehen. In ihr Zimmer. In… nein, das war nicht ihr Zimmer. Das war nur ein Raum, in dem zufällig ihre Koffer standen. Sie fühlte sich dort unwohl, fremd und nichts als ihre Sorgen würden dort oben auf sie warten. Sie überlegte kurz, ob sie wirklich tun sollte, was sich eigentlich vor ihrer Nase anbot und gab dann ihrer Einsamkeit nach. Draco lag immer noch mit dem Rücken zu ihr im Bett, wirbelte jedoch aufgeschreckt herum, als er die Tür hinter Hermine ins Schloss fallen hörte. „Was willst du denn schon wieder…" Er brach ab, neigte den Kopf verdutzt zur Seite und öffnete den Mund. „Ach du!", schnarrte er in diesem heiseren, krächzenden Ton, der Hermine grausam und kalt die Ereignisse des vergangenen Tages aufdrängte. Sein Hals. Dieser dicke Verband um seinen Hals brachte sie schon wieder zum Zittern. „Was willst du hier?" Hermine schlang ihre Arme um sich, und kam ein wenig näher. Sie wusste nicht was sie von ihm erwartet hatte, aber diesen abweisenden Ton… sicher nicht. „Ich möchte da oben nicht alleine sein. Das ist… ich weiß nicht… das macht mir ein wenig Angst. Dieses Haus und… alles." Noch ein Schritt und sie stand direkt vor dem Bett. Nahe genug, um in seine glasigen Augen zu sehen. Von hier aus wirkte er nicht mehr ganz so abweisend, wohl aber unendlich erschöpft. „Kann ich bei dir schlafen?", fragte sie zaghaft. Draco presste die Lippen zusammen und spähte an ihr vorbei zur Tür. „Ist er wieder oben?" Hermine nickte. „Ja… ich hab die Tür gehört." Er seufzte, fuhr sich durch die Haare und über das Gesicht. „Okay." Draco rutschte zur Seite und schlug die Bettdecke weg. „Aber pass auf, dass dich morgen niemand hier sieht!" Hermine nickte eifrig und krabbelte zu ihm. Es war tröstlich, die Arme um ihn legen zu können und sich an ihn zu schmiegen. Draco kippte einfach wieder weg und sank in sich zusammen. Diese Unterhaltung schien alles gewesen zu sein, wozu er an diesem Abend noch imstande war. Er musste wirklich sehr starke Beruhigungsmittel bekommen haben. Nach allem was passiert war… er wirkte von allem so unbeeindruckt. Hermine spürte, wie sich seine Hand auf ihre legte, er rollte sich zusammen und drängte sich an sie. Er gähnte. Sie hörte es und spürte es an der Art, wie sich sein Bauch unter ihren Händen langsam zurückzog und dann wieder entspannte. „Du, Draco", flüsterte sie „Wie geht es jetzt weiter? Sind wir denn wirklich wieder zusammen?" Draco brauchte einen Moment, um zu antworten. Hermine dachte eigentlich, dass er schon eingeschlafen wäre, doch schließlich schaffte er es doch noch ein müdes, träges „Scheint so" zu murmeln. „Willst du denn noch?" Hermine stützte sich auf dem Ellenbogen auf, um ihm über seine Schulter hinweg aufs Gesicht sehen zu können. Er war müde, die Augen waren schwer, aber er hörte ihr zu. Er versuchte den Kopf zu ihr zu drehen, zuckte aber zusammen, als diese Bewegung ihn schmerzte. „Scht", machte Hermine und legte ihm die Hand auf die Stirn. „Bleib liegen. Du musst mit deinem Hals aufpassen." Er nickte vorsichtig, schloss die Augen und fragte wieder: „Willst du überhaupt noch?" Die Frage war einfach, die Antwort schwer. Hermine schluckte und überlegte einen Moment, dann ließ sie sich wieder neben ihn niedersinken und legte ihrem Arm um ihn. „Ich weiß nicht. Ganz ehrlich, ich bin nicht sicher, ob ich das alles aushalten kann." Er schwieg einen Moment, dann sprach er, so leise und sanft, wie sie ich lange nicht mehr gehört hatte. „Ich will, dass du bei mir bleibst. Du bist alles, was ich noch habe!" Hermine fühlte einen Kloß im Hals. Ein Schauer überkam sie und es sie musste hart an sich halten, um sich nicht zu schütteln. „Ist gut", flüsterte sie. „Ich versuche es." A.N. 2: So… Blumenstrauß an alle, die durchgehalten haben :o) Übergangskapitel geschafft. So… ab Kapitel 30, geht es wieder „normal" weiter. Wir erfahren … wie man in der Schule auf das sehr plötzliche Kriegsende reagiert; … was Draco davon hält, nun in der Psychiatrie zu sein; („Ganz allein". Wirklich, oder gibt's da „Kollegen?) … Wie Hermine sich mit den Malfoys versteht… oder auch nicht; Wie Draco und seine Eltern sich so gar nicht mehr verstehen; … wie Draco sein Todesserdasein im Nachhinein sieht. Also… bis bald. *knuddeleuchalle* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)