Harmonie von Seraphin ================================================================================ Kapitel 22: Alltagsarbeit eines Todessers ----------------------------------------- Kapitel 22: Alltagsarbeit eines Todessers Hermine war ein Mensch, der sich in einmal übernommene Aufgaben verbiss wie ein Pitbull in das Bein eines Joggers. Ebenso versessen, gierig und unerbittlich ließ sie nicht locker, bis sie ihre Opfer weichgebissen hatte und ihr Ziel erreicht war. Eine fast körperlich bedingte Unfähigkeit, einmal übernommene Ideen aufzugeben, bevor sie nach Hermines Wünschen beendet waren. Zu diesen Ideen gehörten die Gleichberechtigung von Hauselfen und Zauberern, dann natürlich ein Ende der Diskriminierung nicht reinblütiger Hexen und Zauberer sowie die fixe Idee, dass all ihre Freunde ebenso gute Noten haben könnten wie sie. Hermine quälte und nervte Harry tagsüber mit Wiederholungen, Stundenplänen und Buchbesprechungen – obwohl er ihr ein klein wenig leid tat, denn ohne Ron blieb ihm nur die häufig anderweitig beschäftigte Ginny, um sich vor Hermines Wohltaten zu drücken – und sobald es dunkel wurde, musste Draco daran glauben. Draco stellte für Hermines Helferkomplex ein wahres Eldorado an zu bearbeitenden Projekten dar. Ein wenig hätte man es als bizarre Goldgräberei bezeichnen können, denn je tiefer und je intensiver Hermine in seinem Inneren schürfte, desto mehr Aufgaben fand sie für sich. Gleichwohl, in erschreckend kurzer Zeit würden die Abschlussprüfungen anstehen, weshalb es sinnvoll schien, Dracos Schulproblemen erst einmal Vorrang zu geben. Da Draco wegen seiner zahlreichen Wutanfälle, Panikattacken, Ausnüchterungen und teilweise auch einfach nur aus Unlust viele Stunden versäumte, war es nicht schwer gewesen zu erraten, dass er nicht optimal für die anstehende Abschlussprüfung vorbereitet war. Folglich bestand sie darauf, dass sie sich mindestens zwei- bis dreimal die Woche zusammensetzten, um gemeinsam zu lernen. Draco zeigte sich von dieser Idee gänzlich unbeeindruckt. „Wozu?“, hatte er gefragt, als sie ihn einmal mehr dabei besuchte, wie er das Pokalzimmer abstauben musste. „Weil wir bald unsere Abschlussprüfungen haben und du ohne einen guten Abschluss keine angemessene Stelle finden wirst!“, hatte sie empört geantwortet, denn dieser Punkt lag doch auf der Hand. Draco hatte daraufhin nicht gelacht und ihr den Kopf getätschelt, als er ob er mit einem unverständigen Kind reden würde. „Reg dich ab“, hatte er leichthin gesagt. „Als ob das noch eine Rolle spielte, im Herbst bin ich doch eh tot.“‘ Hermine war bereits bei dem Wort „Herbst“ aufgesprungen und schaffte es, die Tür zuzuknallen, als er mit dem Wort „tot“ endete. Dieses ewige Gerede von seinem Tod ging ihr langsam auf die Nerven. Es machte sie aggressiv und sie wollte es nicht hören. Er war ja nicht krank, oder? Dann sollte er diese Sprüche auch lassen. Sie rannte ins Freie, atmete ein paar Minuten Sauerstoff in vollen Zügen ein, dann kehrte sie kampflustig ins Pokalzimmer zurück und konfrontierte Draco mit ihrer Antwort auf seinen Zukunftspessimismus. Da Draco von sich aus nicht das mindeste Interesse daran zeigte, seine Ausbildung tatsächlich erfolgreich zu beenden, hatte Hermine schließlich zu speziellen Methoden gegriffen. Sie war nicht bereit, sich ihm auch nur ansatzweise körperlich zu nähern, bis sie nicht die besagten Nachhilfestunden absolviert hatten. Das half. Draco war, wie sie es sich bereits gedacht hatte, weder dumm noch faul. Er war ein intelligenter und durchaus leistungswilliger junger Mann, dennoch, er hatte von dem vorgegebenen Stoff nicht die geringste Ahnung. Dass er sich im Unterricht seit Ende der sechsten Klasse nicht mehr gemeldet hatte, lag nicht nur an seinen zahlreichen Tagträumen von bösen Dingen, sondern wohl vor allem daran, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, worum es ging. Wie er jemals die Prüfungen für die sechste Klasse geschafft hatte, war ihr schleierhaft, denn der aktuelle Unterrichtsstoff war absolut jenseits seines Wissens. Sollte er in diesem Schuljahr auch nur ein einziges Mal aufgepasst haben, hatte offenbar sofort im Anschluss an die Unterrichtsstunde die Verdrängung eingesetzt. Hermine war das egal. So schnell würde sie nicht aufgeben. Er sollte Reden schwingen so oft und solange er wollte. Solange sie mit ihm gemeinsam in diversen leeren Klassenzimmern, Besenkammern, leeren Lehrerwohnungen und eigentlich abgeschlossenen Gewächshäusern üben konnte, solange musste sie sein nervtötendes Herbst-Gerede auch nicht ernst nehmen. Je gleichgültiger er gegen alles schien, desto sorgfältiger überlegte Hermine, was sie mit ihm machen sollte. Hermine hatte sich eines Abends in den Gemeinschaftsraum gesetzt und alle Dinge aufgeschrieben, an die er nicht dachte. Regelmäßige Mahlzeiten. Draco behauptete, dass er das Essen meistens einfach vergessen würde. Die Lösung war, ihm zu jedem ihrer Treffen etwas mitzunehmen. Egal was es war, er aß alles und behauptete hinterher, dass er weder wüsste, ob es geschmeckt hatte oder nicht, noch ob er satt wäre oder noch Hunger hätte. Weiterhin achtete sie auf seine Kleidung. Weniger darauf, dass es gut aussah, sondern dass es zum Wetter passte. Hermine hatte Draco im Winter zwischen Scharen von Schülern in Pelzmänteln in einem dünnen Shirt herumgehen sehen. Auch jetzt konnte er im Freien den Dunstwolken seines kondensierten Atems nachsehen und dann immer noch behaupten, dass er nicht wüsste, ob ihm kalt war oder nicht. Zusammengefasst ergab das ein Bild, als ob Draco seinen eigenen Körper nur ab und zu besuchen würde. Den Rest der Zeit war er irgendwo anders. „Schon fort“, dachte Hermine eines Abends beiläufig, erschrak sofort darauf über ihre eigenen Gedanken und beruhigte sich, indem sie Unterrichtsstoff für den nächsten Abend vorbereitete. Sicherlich war er genervt, aber da ihm andererseits alles, was ihn nicht sofort zum Ausrasten brachte, eigentlich komplett egal war, fügte er sich meist doch, um seine Ruhe zu haben. Hermine war absolut überzeugt, dass sie Dracos gesammelte Merkwürdigkeiten mit viel Geduld und Lie… Zuneigung würde beheben können. Und es wurde doch besser, oder? Er erzählte ihr viel seltener von komischen Dingen, die er gesehen hatte, verbrachte immerhin mehr Zeit mit ihr als mit Madam Pomfrey – zumindest soweit Hermine wusste - und war nicht mehr ganz so aggressiv. Gut, das konnte auch daran liegen, dass er nun endgültig ein Verbot für die Große Halle bekommen hatte, nachdem er… ach, es war doch egal warum und sie wollte es auch nicht wissen. Er war nicht ständig betrunken, die seltsamen Drogen von Snape waren... nun ja, bei Snape und Einsätze hatte er im Moment auch keine, so weit sie wusste. Es würde klappen, wenn sie sich nur genug Mühe gab, würde Draco bis zum Schulabschluss sicherlich wieder ganz normal sein. Und danach? Wer wollte darüber schon nachdenken, jetzt war April und Juli noch weit. Xxx Für heute hatten sie das Lernen immerhin hinter sich. Draco war ungewöhnlich früh mit den Strafarbeiten fertig gewesen, Hermine schloss einen Oblivate an Filch nicht aus, und hatte ihr danach per Schuleule eine Nachricht gesendet, ihn in der Heulenden Hütte zu treffen. Kingsley und Lupin waren an diesem Abend nicht da, irgendeine hässliche Sache, die vielleicht dafür verantwortlich war, dass auch Harry und Ginny beim Abendessen gefehlt hatten. Hermine wollte lieber nicht darüber nachdenken, ob es da einen Zusammenhang geben könnte. Stattdessen hatte sie sich in der Küche mit Kuchen, Obst und kaltem Hähnchen eingedeckt und war derart ausgerüstet zur Heulenden Hütte gepilgert. Dort angekommen, hatten sie gegessen… Also, eigentlich hatte eher Draco gegessen und Hermine hatte dabei zwei Kapitel aus dem „Lehrbuch der Zaubersprüche Band 7“ rezitiert und danach getan, was sie eben in letzter Zeit so machten, wenn sie Zeit hatten. Hermine hatte aber noch weitere Pläne für diesen Abend. „Ich hab was für dich“, murmelte sie mit einem wohligen Seufzen. Sie lagen beide nackt, glücklich, erschöpft und kuschelnd in dem leidlich restaurierten Bett in der Heulenden Hütte und erholten sich vom Tag, dem von Hermine besorgten Brathähnchen und natürlich vom gerade erlebten Geschlechtsverkehr. Seine Hand auf ihrem Rücken hielt inne. Mit der anderen Hand hob er ihr Kinn an und drehte ihren Kopf zu sich. „Für mich? Du hast mir was mitgebracht?“, fragte er neugierig und wirkte dabei wie ein Kind, das darauf hoffte, Schokolade zu bekommen. Hermine grinste und nickte. „Ja… ich hab dir was mitgebracht. Ich hab es sogar eingepackt. Willst du es sehen?“ „Klar…. toll.“ Draco schubste sie unsanft zur Seite und fuhr in die Höhe. „Komm, gib her. Ich liebe Geschenke.” Hermine kicherte, drückte sich hoch und wickelte mit einem verschämten Seitenblick, ein Bettlaken um sich. Dann angelte sie nach ihrem achtlos zu Boden geworfenen Schulumhang und wühlte eifrig darin herum. “Hier!” Hermine hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte. Ein kleines, in eine bunt-schimmernde Serviette eingewickeltes Etwas. Kaum die Größe eines Steines und vermutlich noch kleiner, denn das Päckchen war weich und man spürte, wie dick der Gegenstand eingewickelt war. Draco verengte die Augen. War er enttäuscht, dass es nicht größer war? Zögerlich streckte er die Hand aus und drehte die Handfläche nach oben, so dass Hermine ihr Geschenk hineinfallen lassen konnte. Mit langen, schlanken Fingern wickelte er es so vorsichtig aus als fürchte er, es könne zerbrechen. Hermine hielt sich eine Hand vor den Mund, knabberte angespannt an ihren Fingernägeln und beobachtete ihn, wie er erst eine, dann die zweite und schließlich die letzte Serviette entfernte und schließlich einen silbernen Ring, in den ein blauer Edelstein eingelassen war, auf seiner Hand liegen hatte. Dracos Augen weiteten sich erstaunt. Er schien nicht enttäuscht, nur vollkommen verwirrt. Er hielt den Ring hoch und legte den Kopf schief. Hermine lächelte. „Das, Draco, ist mein Glücksring. Das ist mein kostbarster Besitz… mal abgesehen von meinen Büchern. Naja, anders als meine Bücher.“ Draco zog die Augenbrauen hoch und betrachtete den allzu offensichtlich billigen Ring skeptisch. Hermine atmete tief durch und lächelte, als sie sah, wie ähnlich der Stein der Farbe seiner Augen war. „Ich erklär es dir. Der Stein ist blau. Blau ist die Farbe der Harmonie. Der Ring soll dem, der ihm trägt, dabei helfen, egal was für ein Problem er hat, immer wieder zu Ruhe und innerer Harmonie zurückzufinden und sich wohl zu fühlen.“ Sie grinste, nahm den Ring in ihre Hand und warf ihn hoch. „Außerdem bringt er Glück, ganz sicher.“ Der Ring flog hoch, rotierte in der Luft, fiel herunter und wurde Hermine von Draco weggeschnappt. Er schob seinen Unterkiefer von links nach rechts. Er schien etwas sagen zu wollen, presste dann aber die Lippen zusammen und wirkte, als ob er sich immer noch nicht klar darüber war, was er davon halten sollte. Hermine nahm seine große Hand in ihre und streifte ihm den Ring vorsichtig über den linken Mittelfinger, da er am Ringfinger bereits den Siegelring seiner Familie trug. „Ich sehe ihn mir immer an, wenn ich traurig bin. Ich hatte ihn meist in meiner Tasche, aber du könntest ihn um den Hals tragen, so wie ich diesen Ring.“ Hermine zog an ihrem Anhänger, ließ aber gleich wieder davon ab, als sie sah, wie Dracos Mundwinkel missmutig nach unten rutschten und beeilte sich, so beiläufig wie möglich, weiterzuerklären: „Ich hatte ihn bei jeder einzelnen Klassenarbeit seit dem zweiten Jahr dabei… Da hab ich ihn nämlich gekauft. Ich war in den Weihnachtsferien zuhause und habe ihn aus einem Kaugummiautomaten gezogen.“ „Einem Kaugummiautomaten?“ Draco drehte den Ring nachdenklich an seinem Finger hin und her. „Jawoll… er hat nur ein paar Pennys gekostet… umgerechnet vielleicht… zwei Knuts.“ Sie lächelte und nahm seine Ringhand, zog sie zu sich, legte sie sich an die Brust und streichelte darüber. „Er ist vollkommen wertlos. Zumindest, wenn man es mit Geld ausdrücken will, und besitzt nicht die mindesten magischen Fähigkeiten. Ein absolut billiges Muggelspielzeug. Ich habe ihn nur mit einem Zauber versehen, damit er nicht rostet und jedem passt, der ihn anzieht. Aber ich liebe diesen Ring und bin davon überzeugt, dass er mir viel Angst nimmt und mir Glück bringt. Das will ich dir schenken.“ Das Misstrauen in seinem Gesicht schmolz wie der letzte Schnee an einem warmen Frühlingsmorgen und seine kalte Miene taute auf und wurde wärmer. Hermine biss sich auf die Lippen, bemühte sich, nicht allzu breit zu lächeln, denn sie musste noch etwas sagen. „Wir haben bald Osterferien… dauert nicht mehr so lange. Ich bin mal wieder bei meinen Eltern und du ja wahrscheinlich auch bei deiner Familie. Ich will, dass du den Ring mitnimmst und ihn dir immer ansiehst, wenn es dir dort nicht gut geht. Außerdem ziehst du ihn an, wenn… wenn ihr etwas macht. Ich will, dass es etwas gibt, das dann auf dich aufpasst, damit…“ Weiter kam sie nicht. Draco hatte ihr Gesicht zwischen seine Hände genommen, sich vorgebeugt und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Er zog sich mit einem leicht dümmlich wirkenden Grinsen von ihr zurück, hob die Hand und betrachtete den Ring mit einem seligen Lächeln. „Wann hast du den nochmal gekauft?“ Hermines Wangen wurden heiß. „In meinem zweiten Jahr, sagte ich doch. Er war ja eigentlich wertlos, aber ich habe ihn behalten, weil“, sie hustete verlegen, hielt sich die Hand vor den Mund und nuschelte durch die Finger, „ich hoffte, dass jemand dadurch auf mich aufmerksam wird.“ Seine Züge verspannten sich und seine Stimme barg etwas Lauerndes. „Weasley?“ Sie lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein… nicht Weasley. Älter!“ Hermine senkte verschämt den Kopf und wickelte die Bettdecke etwas enger um sich. Sie würde nie verstehen, wie es Männer nicht im Geringsten stören konnte, sich vollkommen nackt zu präsentieren. Selbst wenn sie alleine war, war sie nur zum Duschen oder Umziehen freiwillig unbekleidet. Doch der Grund, warum sie sich jetzt so entblößt fühlte, war nicht, dass sie lediglich mit einer dünnen Decke bekleidet war, sondern auch Dracos spöttischer Blick. „Na, sag schon, wer. Kenne ich ihn?“ Hermine wimmerte und nickte. Sie beugte sich noch etwas weiter vor und konnte Dracos amüsiert verzogenen Mund nur noch durch einen Schleier aus dichtem, braunem Haar erkennen. „Es war… lach nicht… hörst du… hör sofort auf… ich sagte doch… ich sagte, du sollst nicht lachen! So, wenn du nicht sofort still bist, dann… bist du wohl… na also… also, es war…ähm… Lockhart!“ Schallendes Lachen folgte. „Lockhart?“ Er giggelte, bis er husten musste, schlug sich hart an die Brust und lachte ununterbrochen weiter. Laut und gnadenlos. Hermine spürte an ihren brennenden Ohren, dass sie knallrot sein musste. „Er hat so unfassbar schöne Bücher geschrieben. Das klang alles so… intelligent.“ Hermine seufzte wehmütig und spürte selbst, wie ihre Miene mit jedem weiteren Wort träumerischer wurde. „Und er war so… gut aussehend.“ Sie seufzte hingebungsvoll, fasste sich in die Haare und streichelte selbstvergessen ihre Locken. „Er hatte so schöne, honigblonde Locken… Und er hat immer Sachen gesagt, die sich so klug angehört haben.“ Sie seufzte wohlig und lächelte Draco selig an. „Er war so freundlich zu mir… So… so… so dankbar…“ Sie errötete etwas mehr, ignorierte Dracos unablässiges Gekicher und senkte die Augen. „Ich habe ihm zum Valentinstag eine Karte geschrieben. Jeden Tag habe ich diesen Ring getragen und darauf gehofft, dass er mir zurückschreibt!“ Draco bog sich vor Lachen. Prustete, schnaubte und johlte. „Valentinstagkarte… hahahah… oh Merlin, wie geil.“ Hermine fand das nun doch ziemlich kränkend. Sie holte aus und boxte ihn gegen die Schulter. „Hör sofort auf.“ Er schüttelte den Kopf und kicherte weiter. „Ich… ich kann nicht…“ Er lachte, giggelte und krümmte sich. „Lockhart. Hahaha… sein nächstes Buch: Schlammwrestling mit Schlammblütern!“ Hermine wurde es zu dumm. Diesen Spott sollte er ihr büßen. Sie warf sich mit ausgebreiteten Armen auf ihn. Dadurch verloren sie beide das Gleichgewicht und kippten um. „Wenn du nicht sofort aufhörst… dann wirst du es mir büßen!“ Draco kringelte sich und schüttelte den Kopf. „Ich… ich erinnere mich… du hast doch damals alle seine bescheuerten Fragen bei dem Test gewusst… Und die Valentinszwerge… Hast du ihm einen geschickt, der ein Lied gesungen hat?“ „Okay… jetzt reicht‘s.“ Hermines Mund verzog sich gefährlich, sie klemmte seinen Oberkörper zwischen ihren Beinen ein und setzte sich rittlings auf ihn. „Du hast es nicht anders verdient.“ Ein unanständiges Lächeln huschte über sein Gesicht, das Kichern wurde wirklich leiser und Sekunden später spürte sie seine Hände an ihrem Hintern, die sie auf sein Becken drückten. „Ha… das denkst du dir so. Von wegen…“ Hermine beugte sich über ihn, hob ihre Hände, als wollte sie ihn würgen und stürzte sich mit lautem Kampfgeschrei auf ihn, um ihn mit hingebungsvollem Sadismus zu duchzukitzeln. Draco quiekte entsetzt und zappelte, als habe sie ihm einen Stromschlag verpasst. Sie hatte schon länger gemerkt, wie kitzlig er war, doch das, was er hier tat, sich winden, schreien, drehen und mit den Beinen strampeln, das erstaunte selbst sie. Hermine presste sich fester an seinen Unterleib, um von seinen herumzappelnden Beinen nicht heruntergekippt zu werden und quälte ihn umso leidenschaftlicher weiter. „Ergib dich, Slytherin! Los, auf der Stelle!“ Er japste, schnappte nach Luft und quetschte ein gequältes, atemloses „okay... hör auf“ hervor. Hermine legte die siegreichen Hände neben seinen Schultern ab, schob sich nun freiwillig direkt über sein Becken und setzte sich aufrecht darauf. Die Arme verschränkt, blickte sie triumphierend auf ihn hinab. Er rang immer noch nach Luft, atmete hart und doch schien er sich, so unterlegen er auch war, recht wohl zu fühlen. Seine Hände glitten ihre Oberschenkel hinauf und hinab, schoben sie leicht vor und zurück und genoss die ganze Situation sehr, falls sie sich nicht irrte. Er betrachtete sie nachdenklich und Hermine wurde sich erst jetzt bewusst, dass das Tuch, in das sie sich vorhin gewickelt hatte, heruntergerutscht war und er freie Sicht auf ihren Busen hatte. In einer etwas hilflosen Geste zog sie das Tuch wieder höher. Zu klein und sicher kein besonders schöner Anblick… aber warum wirkte er dann jetzt so enttäuscht? Enttäuscht und nachdenklich. Er atmete tief durch, bog den Rücken durch, um sich etwas anders hinzulegen und drückte sich Hermine für einen Moment hart entgegen. Dann sank er zurück, legte sich einen Arm hinter den Kopf und strich mit der anderen Hand über ihre Arme, die sie schützend vor ihre Brust gelegt hatte. „Dein Ring scheint nicht zu wirken. Du hast Lockhart immer noch nicht geheiratet, nicht? Stattdessen sitzt du hier auf mir. Enttäuscht?“ Sie schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein, Draco, denn erstens sitze ich ganz gerne auf dir“, sie lächelte ihm vielsagend zu und bewegte sich auf ihm, kicherte, als sie sah, wie er sich daraufhin grinsend auf die Unterlippe biss und zählte weiter auf: „Zweitens, hatte ich bei etwas anderem Glück.“ „So?“ Seine Lippen kräuselten sich und seine Hand zog ihren Arm sanft weg, legte sich stattdessen überraschend zart auf ihre kleinen, kein bisschen schönen Brüste und er sah sie dabei an, als wäre sie… schön. „Ja, Draco. Ich hatte Glück, weil ich herausgefunden habe, was dein Vater aus der Kammer lassen wollte. Ich wurde nur versteinert, ich bin nicht gestorben. Und deswegen“, sie schob seine Hand weg, legte ihre Hände auf seine Wangen und küsste ihn sanft, „will ich, dass du Ring hast, wenn du nicht hier bist.“ Hermine lächelte und setzte sich wieder aufrecht nach hinten. Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, das nicht erwidert wurde. Eigentlich konnte sie im Moment in seinem Gesicht gar keine Emotion erkennen. Maskenhaft wirkte seine Miene. War es denn möglich, dass Menschen, die Okklumentik beherrschten, nicht nur ihre expliziten Gedanken, sondern auch Gefühle so geschickt verbergen konnten, dass sie für ihre Umwelt, wenn sie es so wollten, so unnahbar wie Steinfiguren wirkten? Eine Steinfigur, die Hermines Hand in ihrer hielt und sie weiterhin unbewegt mit kalten, grauen Augen anstarrte. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Sollte sie vorhin Erregung gespürt haben, war das vorbei. Nichts Greifbares, Verstehbares war mehr da. Draco schloss die Augen, atmete tief durch und… riss die Augen wieder auf. Er drückte den Oberkörper nach oben. Seine Hände schnellten zu ihren Schultern, packten sie und warfen sie wie einen unnützen Gegenstand von ihm herunter. Hermine lag mit dem Gesicht dort, auf der leeren Matratze, wo eben noch ihr nervöser Liebhaber gelegen hatte. Draco selbst war aus dem Bett gesprungen und hielt seinen Zauberstab in der Hand. Hermine wollte sich scharf über die grobe Art, wie er sie von sich geschubst hatte, beschweren, doch gerade als sie den Mund öffnete, schoss seine Hand vor, presste sich auf ihre Lippen und drückte ihren gesamten Oberkörper mit sehr viel Kraft zurück in die Kissen. Hermine gab sich Mühe, gleichmäßig ein und auszuatmen und sich nicht der in ihr aufsteigenden Panik hinzugeben. Sie war nicht in Gefahr. Draco würde nicht durchdrehen. Sie war nicht in Gefahr. Er hatte keinen seiner merkwürdigen Anfälle. Sie war nicht in Gefahr. Gleichmäßig atmen. Dennoch zitterte sie am ganzen Leib. Er presste sie fest nach hinten, beugte sich über sie, hob sich einen Finger an die Lippen und nickte ihr bedeutungsvoll zu. Hermine erwiderte das Nicken, soweit es eben mit zurückgedrücktem Kopf ging, um ihm zu zeigen, dass sie mitspielen würde. Mitspielen war immer das Beste, wenn er merkwürdige Dinge tat. Sie war nicht in Gefahr… Die eben noch fest auf ihren Mund gepresste Hand zog sich langsam, sanft, zurück. Dennoch sah er sie nicht an, sondern blickte beunruhigt zur Tür. Langsam richtete er sich auf, weiter auf die Tür starrend, richtete seinen Zauberstab auf die Türklinke, glitt geräuschlos wie eine Katze an dem Bett vorbei und schmiegte sich in einer befremdlich sanften Art an die Wand, legte sein Ohr dagegen und schloss die Augen. „Draco… Was ist denn?“, fragte sie ängstlich und zog die zerknüllte Decke hoch über ihre Brust. Er schüttelte den Kopf und deutete bestimmend auf sie. „Nimm deinen Zauberstab und leg dich unter das Bett!“ „Was?“ Hermine bekam Angst. Wenn er wirklich gerade einen seiner Flashbacks duchlebte, könnte er vielleicht doch gefährlich werden. Wenn er dachte, dass er in Gefahr war… Wenn er dachte, dass die Gefahr von ihr ausging. Mehr aus diesem Grund denn aus Gehorsam, angelte sie nach ihrem achtlos am Kopfende abgelegten Zauberstab und richtete ihn ebenfalls in Richtung Tür… oder vielleicht doch eher auf ihn? „Leg dich sofort unter das Bett!“, zischte er drohend. „Mach schon!“ Draco legte sein Ohr wieder gegen die Wand, tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Lippen, um ihr zu zeigen, dass sie schweigen musste. Er schloss die Augen, drehte seinen Zauberstab in der anderen Hand zweimal im Kreis und ließ damit all die schwebenden Kerzen mit einem geräuschlosen „Plopp“ verschwunden. „Da draußen ist jemand!“ Klong. Hermine hielt den Atem an. Selbst das leiseste Luftholen durch die Nase, Schlucken oder eine Bewegung ihres Körpers, erschien ihr verräterisch laut wie ein gellender Schrei. Klong. Sie hörte es. Ganz leise… die Treppe knarzte unter schweren Schritten, die langsam näher kamen. Draco fuchtelte nervös in ihre Richtung und diesesmal gehorchte Hermine. Sie warf das Bettlaken von sich und schlüpfte zitternd, aber ohne ein verräterisches Geräusch zu verursachen, aus dem Bett, um sofort darunter zu verschwinden. Draco trat einen Schritt zurück. Er war vollkommen nackt und wenn der, der hereinkommen würde, die Tür zu weit aufstoßen sollte, würde er sofort den Körper spüren, der sich dort, in der Hoffnung, von einer hereinkommenden Person nicht beachtet zu werden, versteckt hielt. Klong. Die Schritte waren schon ein wenig lauter geworden. Die Person musste am oberen Ende der Treppe angekommen sein. Hermines Augen lagen wie gebannt auf Draco, der nackt wie ein David von Michelangelo, wenn auch nicht ganz so gut gebaut - bereit für alles, was auf ihn zukommen würde, immer noch neben der Tür wartete. Sein Zauberstab zitterte. In dem Moment, als ihre Blicke sich begegneten, huschte ein dünnes Lächeln über seine Lippen. Klong. Schon näher. Eine Tür zu einem Nebenraum wurde geöffnet. Hatten die Schritte eben noch recht gemächlich geklungen, wurden sie nun hektischer, energischer. Sie hätte aufschreien können. Hermine deutete in die Richtung, wo nun die Schritte jenseits der Zimmerwand hektisch auf und abschritten und die Person, die dort ging, Gegenstände bewegte. Draco drehte sich nicht um, um zu sehen, wohin sie zeigte. Er nickte verstehend. Er hatte es selbstverständlich auch gehört und seiner unnatürlich geraden, steifen Haltung nach, war er viel zu angespannt, um an irgendetwas anderes zu denken als daran, dass man sie gleich suchen würde. Er legte einen Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf. Deutete ihr an, still zu sein. Jetzt mehr denn je. Hermine presste ihre Stirn gegen den schmutzigen Fußboden, doch statt des erhofften Druckabbaus überkam sie nur eine erneute Welle Übelkeit. Außerdem fror sie erbärmlich. Mit Draco aneinander gekuschelt im Bett zu liegen war etwas anderes, als nackte Haut auf kaltem, mit Staub und Spinnweben überzogenem Holz zu spüren. Dennoch presste sie die Stirn weiter gegen die Bodendielen, denn erstens hatte sie eben eine besonders hässliche Spinne entdeckt, die über ihr herumkrabbelte, zweitens, weil sie sonst vor Wut über sich selbst aufgeschrien hätte. Hermine war ein reinlicher Mensch. Wenn sie auch heute nicht mehr soviel Aufwand, wie noch vor wenigen Monaten betrieben, um die Hütte ihren Bedürfnissen anzupassen, wollte sie dennoch nicht auf alles verzichten. Im Zimmer nebenan lag nicht nur eine Rolle Klopapier, sondern auch Duschgel. Die Person im Nebenzimmer würde das sehen und wie konnte man solche Dinge, vor allem in Verbindung mit reparierter Toilette und Badewanne, falsch verstehen? Die Person nebenan hatte verstanden. Mit einem Mal schien sie darauf bedacht, leise zu gehen, als sie das hergerichtete Badezimmer verließ und auf das nächste Zimmer zusteuerte. Hermine riss die Augen weit auf und starrte wie hypnotisiert zu der sich quietschend öffnenden Tür. Sie steckte sich ihre Faust in den Mund, um nicht zu schreien. Schwere Schritte hallten auf dem morschen Fußboden, von denen jeder einzelne von einem gespenstisch klingenden, metallischen „Klong“ begleitet wurde. Der Mann - der Art der Schritte nach musste es ein Mann sein – ging, als wäre er einem veralteten, amerikanischen Gefängnis entkommen und hätte eine Eisenkugel am Bein festgekettet. Klong. Rasselnder Atem, der eines Menschen, nicht der eines Dementors. Klong. Ein klobiger, dunkelbrauner Stiefel blieb neben dem Bett stehen. Der zweite Schuh war schmaler, weil er von keinem richtigen Fuß ausgefüllt wurde. Hermine kannte diese Schuhe und nun erkannte sie auch die Person, die die unheimlichen Klong-Geräusche verursacht hatte. Moody! Natürlich… die schweren, metallischen Schritte waren von Moody gekommen. Er rief laut: „Bill, komm mal hier rauf!“ Bill musste also noch weiter unten im Haus sein. Ganz langsam, behäbig und abgrundtief hässlich, ließ sich die große, schwarze, dünnbeinige Spinne an einem seidenen Faden vor Hermine vom Bett herab. Ihre Atmung beschleunigte sich und dennoch durfte sie durch keinen Laut, kein Zucken oder ein sonstiges Lebenszeichen auf sich aufmerksam machen. Die Spinne verharrte für einen Moment, als müsse sie sich erst orientieren und Hermine nutzte die Gelegenheit, das Tier mit einem Lockzauber zu sich zu rufen. Manche Menschen hatten Angst vor Spinnen und reagierten gereizt bis panisch, wenn ihnen unversehens ein solches Tier das Bein emporkroch. Hermine wusste nicht, ob Alastair „Mad Eye“ Moody in einer solchen Weise auf Spinnen reagierte, doch wenn, wollte sie es hier nicht herausfinden. Statt zu Moody krabbelte die Spinne nun auf Hermine zu. Die langen, dünnen Beine, ließen den Körper fast frei, wie ein modernes Kunstwerk, über den Boden schweben. Ganz langsam, ein hohes Bein nach dem anderen, krabbelte das Tier auf Hermine zu. Hermine erschauderte. Die eine Hand krampfte sich in ihrem Mund zusammen, die andere lag locker neben ihr auf dem Boden. Moody hatte ein gutes Gehör, er würde es hören, wenn sie ihre Hand wegzog. Sie musste es aushalten, dass die Spinne ihre Hand berührte, und langsam, hoheitsvoll ihren Arm hinauf, auf ihr Gesicht zustakste. Ihre Haut wurde eiskalt und doch schien jede Berührung eines Spinnenbeines brennende Stromstöße auszusenden. Draco hatte ihr vorhin seine Finger, wie eine wandernde Spinne, über den Rücken gleiten lassen. Sie hatte auf dem Bauch gelegen, er hatte sich halb über sie gelegt und seine Hände auf ihrem Rücken hinauf und hinunter kitzeln lassen. Das war schön gewesen. Hermine atmete tief durch und versuchte nur daran zu denken, wie schön sich das angefühlt hatte, als die Spinne ein Bein auf ihre Wange setzte. Hatte sie auch Flashbacks? So wie Draco? Möglich, denn urplötzlich stand ihr ein käsig-gelber Ron vor Gesicht, das Gesicht vor Ekel verzerrt, als er eine Spinne in seinem Bett im Fuchsbau gefunden hatte. Damals, als alles noch gut war. Hermine war an diesem Tag in den Fuchsbau gekommen, da Bill und Fleur am nächsten Morgen heiraten würden. Nachts war sie in sein Bett geschlichen. Sie hatten miteinander geschlafen und danach gekuschelt. Irgendwann waren sie eingeschlafen und dann war sie, mitten in der Nacht, von einem panischen Ron aufgeweckt worden, der sich ganz furchtbar erschrocken hatte, weil ihm eine Spinne übers Gesicht gekrabbelt war. Hermine erinnerte sich daran, weil auch ihr jetzt, eine Spinne über die Nase wanderte. Sie war nicht sehr empfindlich, doch zu spüren, wie die dünnen Beinchen beim Einatmen leicht ins Nasenloch hineinrutschten… widerlich. Moody drehte sich um. Hermine erinnerte sich daran, dass Moody nicht nur ein gutes Gehör, sondern auch ein magisches Auge hatte. Er musste Draco sehen, auch wenn er hinter der Tür stand. Moody blieb stehen, sah sich nicht weiter um, das war nicht gut… Alle Vorsicht außer Acht lassend schlug sie die Spinne von ihrem Gesicht und boxte mit der Faust auf den Boden. Moody wirbelte herum und so sah Hermine noch sein verwirrtes Gesicht, als er, von ihrem Schockzauber getroffen, nach hinten kippte. Hermine schloss die Augen und wartete auf den dumpfen Aufprall, doch der kam nicht. Sie öffnete die Augen wieder und sah Dracos nackte Beine hinter dem schlaff in seinen Armen liegenden Auroren. „Du musst aufpassen!“, zischte er wütend. „Unten ist noch jemand. Wenn Moody fällt, kommt er sofort hoch und schießt mit Flüchen um sich.“ Sie sah, wie Draco Moody sanft vor sich auf dem Boden ablegte. Hermine krabbelte ächzend unter dem Bett heraus, schlang die Arme um sich und eilte so schnell sie konnte in Dracos ausgestreckte Arme. Es war kalt hier drinnen, doch dass sie jetzt zitterte, lag weniger an der Zimmertemperatur, als an der Tatsache, dass hier ein leicht paranoider, kampferfahrener, bewusstloser Auror neben dem Bett lag, der intelligent genug war, um eins und eins zusammenzuzählen. Draco legte einen Arm um sie und drückte sie an sich. Mit der freien Hand, in der er den Zauberstab hielt, zielte er unverändert auf Moodys Gesicht. Seine Mundwinkel zuckten nervös hin und her, seine Augen flackerten nervös und sie spürte wie sein sich heftig hebender und senkender Brustkorb sich gegen ihren eigenen zitternden Körper presste. „Draco was…. Was tun wir denn jetzt mit ihm?“ Er sah kurz zu ihr herab, verzog den Mund und setzte gerade zu einer Antwort an, als die Tür sich erneut quietschend öffnete und ein sorgloser Bill Weasley ins Zimmer spaziert kam. Hermine quiekte entsetzt und drückte sich an Draco, der, als Bill das Zimmer betreten hatte, seinen Zauberstab hinter Hermines Rücken verborgen hatte. Bills Bewgungen gefroren, als wäre er mitten in der Bewegung zur Salzsäule erstarrt. Sogar die freundlichen Augen und den leicht nach oben gezogenen Mund hatte er noch, als er reglos vor der nackten Hermine stehen blieb, die sich an den ebenso unbekleideten Draco Malfoy drückte und zu deren Füßen ein bewusstloser Moody lag. Dann, Merlin, war Bill schnell, schoss sein Arm nach vorne, er zielte, atmete ein und - „Stupor!“ - kippte wie ein gefällter Baum nach hinten um, als der Fluch, den Draco hinter Hermines Rücken hervorgeschossen hatte, hart auf ihn prallte. Hermine hatte den Fluch gefühlt, doch sie brauchte einige Sekunden, um den Schreck über die Verbrennung zu verdauen, die ihr Draco gerade verpasst hatte. In dieser Zeit hatte Draco von ihr abgelassen, war über die beiden Auroren hinübergestiegen und lief mit drohend erhobenem Zauberstab den Gang hinunter. Sie wollte ihm folgen, aber nicht so. Sie versuchte, ihre Blößen zu bedecken, zielte auf ihre Kleider und ließ Hose, Unterwäsche, Pullover und alles andere, was sie vorhin getragen hatte, zu sich herfliegen. Ungestüm, doch gleichzeitig auch ungeschickt, stolperte sie in ihre Hosen hinein, verhedderte sich in ihrem BH und kippte um, als sie ihre Socken anzog. Wo war Draco? Sie warf einen angstvollen Blick zur Tür. Sie sah ihn nicht mehr. Hermine krabbelte zitternd an den am Boden liegenden Bill und Moody vorbei, klammerte sich an der Tür fest und zog sich auf ihre immer noch wackligen Beine. Draco war nicht im Flur. Ein scheuer Blick zurück – beide Männer waren so bewusstlos wie zuvor - dann wagte sie den beiden den Rücken zuzukehren und Draco zu suchen. „Draco!“, rief sie laut und hätte sich Sekunden später selbst ohrfeigen können, denn wenn noch jemand hier war, hatte der sie nun gehört. „Hier unten. Bleib, wo du bist, ich komm gleich wieder zu dir!“, kam augenblicklich die deutliche, laute Antwort. Hermine wollte aber nicht hierbleiben. Zum einen, weil es ein recht unheimliches Gefühl war, hier mit diesen beiden Ordensmitgliedern alleine zu sein, zum anderen, weil „Komm nicht runter!“ sehr interessant klang. Sie huschte so leise sie konnte den Gang entlang, bis sie das Geländer erreicht hatte und vorsichtig nach unten spähte. Sie sah Draco in der Nähe der Treppe, doch bereits unten in dem großen Zimmer stehen, in dem sie im Februar auf Rattenjagd gegangen waren. Er wirkte erstaunlich ruhig. Vorsichtig darauf bedacht, sich nicht durch ein Knarzen zu verraten, glitt sie nahezu geräuschlos die Treppe hinab, drückte sich hinter den Vorsprung an der Wand und äugte neugierig zu Draco hinüber. Was machte er denn da? Er stand vor einem großen, massiven und sicherlich gut hundert Jahre alten Holzschrank und starrte offenbar bewegungslos, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken in die Regale hinein. Da die Schranktür ihr den Blick versperrte, konnte sie nicht sehen, was dort drinnen denn so interessant für Draco war, doch schien es für Hermine einleuchtend, dass es etwas war, das Bill und Moody in Bezug auf die Todesser entweder gefunden hatten oder einsetzen wollten. „Was ist denn da drin?“ Draco zuckte erschrocken zusammen und wirbelte zu Hermine herum. Hermine kam einige Schritte näher, verharrte einen Moment, lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Draco, was ist denn?“ Er atmete tief durch, strich sich durch sein Haar und legte eine Hand an die offene Schranktür. Ganz langsam schloss er sie, die Augen jedoch stets auf Hermine gerichtet. „Das willst du nicht wissen!“ „Doch!“ Trotzig wie ein kleines Kind stieß sie mit dem Fuß auf, richtete ihren Zauberstab auf ihn und stapfte entschlossen zu ihrem Ziel. Breitbeinig baute sie sich vor Draco auf, stemmte ihre Arme in die Hüften und hob herausfordernd das Kinn. „Geh beiseite. Was ist da drin? Todesserspielzeug?“ Es irritierte Hermine ein wenig zu sehen, dass bei ihrem letzten Wort ein schiefes Lächeln über sein Gesicht huschte, doch so schnell es gekommen war, war es wieder weg und hinterließ eine Miene, die mit einem Mal beunruhigend ernst und erwachsen wirkte. Statt Platz zu machen, stemmte er den Arm fester gegen den Schrank und straffte seine Haltung. „Geh wieder hoch, Hermine. Ich komme gleich.“ Hermine fühlte sich mehr und mehr unbehaglich. Draco bei seinen Verrücktheiten zu beobachten, war beängstigend, aber jetzt wirkte er, als ob er vollkommen klar wäre und einen guten Grund hatte, den Schrank geschlossen zu halten. Doch gerade deshalb wollte sie unbedingt wissen, was es damit auf sich hatte. Sie verzog ihren Mund, trat einen Schritt zurück, um ihren Arm ausstrecken zu können und bohrte die Spitze ihres Zauberstabes in seine nackte Brust. „Geh – sofort - beiseite!“ Er nickte schicksalsergeben. Und doch war er ruhig, so ruhig, dass es ihr Angst machte. Er atmete tief durch und streckte ihr einen Arm entgegen. „Okay, vorher gibst du ja doch keine Ruhe. Komm her, Hermine!“ Es war so seltsam. Seine ruhige, beherrschte Art. Dass er in jedem Satz ihren Namen nannte. Seine ernsten Augen, die so… klar… ja, wirklich klar, ohne den Irrsinn der letzten Zeit schienen. Hermine fühlte sich, als würde sie über Watte gehen. Sie wusste, dass es etwas gab, wovor sie Angst haben könnte, vielleicht auch sollte und dennoch musste sie es wissen. Gerade weil es eines der Geheimnisse war, das man wohl vor ihr verbergen wollte. Er streckte seine Arme nach ihr aus. Als sie noch etwas näher war, zog er sie dicht an sich heran und umarmte sie. Hermine war so irritiert, dass ihr eigener Zauberstabarm immer noch erhoben war, wenn er nun auch in eine ganz andere Richtung zeigte und sie die Umarmung nur still duldete, statt in irgendeiner Weise darauf zu reagieren. „Hör zu, Hermine“, flüsterte er ihr leise ins Ohr. „In dem Schrank ist eine Leiche. Ein Mann, er sieht nicht gut aus!“ Hermine keuchte erschrocken auf und spürte, wie ihre Knie weich wurden. Er fing sie auf, als sie leicht einknickte und hielt sie mit beiden Armen umschlungen, um ihr Halt zu geben. „Es ist okay. Keine Angst, niemand, den du kennst. Er sieht nur nicht sonderlich schön aus!“ Er rubbelte ihr tröstend über den Rücken, strich ihr zart über die Wange und küsste ihre Stirn. „Hast du schon mal eine Leiche gesehen?“ Hermine schluckte und schüttelte den Kopf. „Nein, ich… ich denke nicht. Damals, als Cedric… da waren viele Leute und sie haben ihn schnell weggebracht und dann… nein!“ „Ist okay!“ Er nickte, drückte sie noch einmal und ließ dann von ihr ab. „Manche kriegen Angst, wenn sie zum ersten Mal eine Leiche sehen, aber ich bin ja da. Also, ich mache die Tür jetzt auf, okay?“ Hermine schnaubte hart, schloss die Augen, dann nickte sie. Draco war normalerweise weder ruhig, noch mutig, noch jemand, von dem man Schutz erhoffte. Eigentlich war er das genaue Gegenteil von alledem, dennoch war sie ihm sehr dankbar, dass er zuerst ihre Hand nahm, bevor er mit der anderen, etwas umständlich, denn in der hielt er seinen Zauberstab, die schwere Tür zu dem wuchtigen Schrank aufzog. Hermine schrie auf und hielt sich die Hände vor den Mund. Der Schrank war in zwei Hälften aufgeteilt. Die eine Hälfte war mit Fächern versehen, in die Wäsche einsortiert werden sollte. In der zweiten Hälfte war mehr Platz, wohl, um lange Mäntel oder Kleider aufzuhängen. Hier hockte, zusammengekauert und grau, ein Mann, der bereits deutliche Verwesungsspuren aufwies. Die toten Augen lagen tief in den eingesunkenen Augenhöhlen und waren halb geschlossen. Die Wangen eingefallen, die Mundwinkel hingen schlaff herab, doch der Mund selbst stand offen, denn die Lippen hatten sich bereits ein Stück weit über die Zähne zurückgezogen, so dass der Tote zu schreien schien. Hermine taumelte gegen Dracos Brust. Er fing sie, hielt sie vorausschauend fest, denn schon wieder gaben ihre Knie nach. Wie ein Kleinkind, das gerade laufen lernt, hing sie in seinen Armen. Die Haare des Toten standen wirr und stumpf vom Kopf ab. Nasenhaare ragten unangenehm weit aus der Nase heraus. Die Finger waren gelb und das Nagelbett war dunkel. Der Mann war nackt und verströmte einen intensiven Geruch nach Fäulnis. Hermine würgte und erinnerte sich unwillkürlich an letzten Sommer, als ihr Mutter ein rohes Lammkotlett im Auto vergessen hatte. Als sie zwei Tage später zum Bahnhof Kings Cross fuhren, hatte das ganze Auto bestialisch gestunken. So wie dieser Mann heute stank. Der Körper wirkte schlaff und irgendwie unvollständig. Er war problemlos als Mann mittleren Alters zu erkennen, doch war er eindeutig zu wenig. Der ganze Körper wirkte, als habe er sich zurückgezogen. Ein kurzer Blick auf die Füße. Dicke, gelbliche Nägel ragten weit aus dem Nagelbrett heraus. Hellrote Leichenflecken auf den Füßen und den Oberschenkeln. Den Rücken und die Arme konnte Hermine wegen der gekauerten Haltung nicht erkennen. Draco zog sie wieder nach oben. Er atmete fast ebenso heftig wie sie. „Sieh dir seinen Hals an!“ Hermine nickte, überwand ihre Abscheu, beugte sich ein wenig in den Schrank hinein und gab ein ersticktes Gurgeln von sich, als sie den Toten so nahe vor sich sah… und roch. Hermine presste sich die Hand vor den Mund und taumelte einige Schritte zurück, bis sie wieder gegen Draco stieß. Warum war er so ruhig? Dort drinnen im Schrank saß ein halb verwester Mann, dem man die Kehle aufgeschlitzt hatte. Die Wunde klaffte immer noch offen. Statt eine seiner üblichen Panikattacken zu bekommen, tätschelte er ihr ruhig den Rücken, als wäre sie ein besonders arbeitswilliges Pferd, und zog sie wieder an sich heran. „Das ist Rookwood!“ Er biß sich auf die Lippen, sah zu dem Toten drehte sich dann wieder zu Hermine. Er zog sie fester an sich und drückte ihr mit der freien Hand den Kopf gegen seinen Hals. „Er ist nicht dort drin gestorben. Kein Blut… Sie, sie müssen ihn vorhin irgendwo gefunden haben und… was weiß ich, warum sie ihn ausgezogen haben. Danach haben sie ihn dann hierher geschafft und…“ Er brach ab. Nun wirkte er doch unruhig, er drückte Hermine nun wieder mit beiden Armen an sich. Eine Hand auf ihrem Rücken, die andere Hand in ihren Locken vergraben. Er atmete heftig und flach. „Merlin… Wenn sie uns gesehen hätten. Hermine… wenn ich sie nicht gehört hätte… sie… Merlin!“ Er schüttelte den Kopf und schluckte hart. „Hermine!“ Er schob sie etwas von sich weg, schüttelte sich, und wirkte sogleich etwas ruhiger, doch auch bestimmter. „Weißt du, ob in dieser Hütte hier Ordenstreffen stattfinden?“ Hermine schlang die Arme um sich, drehte sich zu dem im stummen Schrei verharrenden Rookwood um und zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung… Sie treffen sich manchmal im Schloss… Weißt du ja, aber… also…Sie sagen mir auch vieles nicht. Also… kann sein!“ Draco nickte bedächtig, trat einen Schritt vor und hängte seinen Arm an die Schranktür. „Kein Blut, nicht? Auch an der Wunde nicht… Sie müssen ihn gewaschen haben. Ich frage mich wo…“ „Aber das haben sie doch nicht heute gemacht!“, entfuhr es Hermine, für sie selbst überraschend sicher. „Ach, nein?“ Er drehte sich zu ihr und hob neugierig eine Augenbraue. „Woher willst du das wissen? Natürlich waren sie das… Ich hab doch vorhin die Schranktür gehört…Natürlich haben sie ihn…“ „Das mag ja sein, aber“, Hermine gab sich einen Ruck, straffte sich, wagte es nun doch näher an den Schrank heranzutreten und deutete auf die vorstehenden Zähne der Leiche. „Sie ihn dir doch mal an. Rieche… Der wurde doch nicht heute getötet. Also vielleicht haben sie ihn heute hierher geschafft, aber das heißt noch lange nicht, dass sie ihn auch getötet haben. Sieh mal… diese vorstehenden Zähne, die Haare an seiner Stirn… seine Finger… Da zieht sich doch überall das Fleisch schon zurück und“, Hermine hielt die Luft an, würgte allen Ekel und alle Abscheu für einen Moment herunter, packte den kalten, schlaffen Arm des Toten und wedelte ein paar Mal mit dem Handgelenk hin und her. „Siehst du.. keine Totenstarre. Die Totenstarre hält sich bis zu achtundvierzig Stunden nach dem Tod, aber da ist ja alles weg. Sonst hätten sie ihn auch gar nicht in den Schrank reinquetschen können!“ Hermine wischte sich angewidert die Hand an ihrer Hose ab und sah erwartungsvoll zu Draco, der sich die Hand an seiner nackten Brust rieb und sie beunruhigend nachdenklich ansah. „Interessant… und da bist du dir sicher?“ „Naja…“ Hermine zuckte die Achseln und wagte einen weiteren, nun nicht mehr ganz so furchtsamen, sondern eher geschäftsmäßigen Blick auf Rookwood. „Also, ich kann das natürlich nicht so sicher bestimmten wie ein Arzt, äh… Heiler. Aber der“, sie stach Rookwood mit dem Finger in die unangenehm weiche Muskelmasse seines Armes, „der ist schon ein paar Tage tot. Also, ich wäre nicht mal sicher, dass Moody und Bill…“ „Oh, doch!“ Draco kratzte sich gedankenverloren am Kinn und beugte sich ebenfalls prüfend über Rookwood. „Doch, ich denke schon! Hmm… ein paar Tage…“ „Man sollte meinen, du wüsstest das. Immerhin hast du sicher schon viel mehr To…“ Sie brach ab und erschauderte. Draco drehte sich um und grinste auf diese bösartige, gefühlskalte Art, mit der er sie jahrelang tyrannisiert hatte. „Natürlich habe ich viel mehr Tote gesehen als du. Aber die waren in der Regel…äh… frischer! So… ein paar Tage! Tja, Hermine… dann hab ich noch eine Frage an dich!“ Er richtete sich auf, und sah ihr nun direkt in die Augen. „Ja?“, fragte Hermine, die sich recht wohl dabei fühlte, ihre Kenntnisse vor dem offenbar uninformierten Draco auszubreiten. Draco lächelte. „Stupor!“ xxx Das Mädchen kippte nach hinten. Er hatte versucht sie zu fangen, hatte sich dabei jedoch vergriffen und so polterte sie laut zu Boden. Draco seufzte, warf ihr einen bedauernden Blick zu und stieg über sie hinweg in Richtung Treppe. Er würde sich später mit ihr befassen. Einstweilen musste er sich um die beiden Killer da oben kümmern. Rookwood war also schon ein paar Tage tot. Da war Hermine sicher und so wie er sie einschätzte, konnte man ihrem Urteil vertrauen. Ein paar Tage… Auf jeden Fall länger als achtundvierzig Stunden. Die Frage war dann, wer der Rookwood gewesen war, den er gestern Nacht auf dem Todessertreffen gesehen hatte. Heute war wieder ein Treffen. Die Todesser waren zur Zeit schwer mit allem möglichen beschäftigt und wenn Draco sich nicht irrte, machte er selbst sich im Moment gar nicht so schlecht. Als er das Mädchen geschockt hatte, wollte er zunächst nur sichergehen, dass sie ihn nicht daran hindern würde, diese beiden Ordensmitglieder gefangen zu nehmen. Wie würde der Lord ihm für ein solches Geschenk danken… Doch nun, während er Stufe um Stufe den beiden gefallenen Männern entgegenstieg, stieg ein anderer Gedanke in seinem Geist empor. So, der dort unten im Schrank, das war Rookwood. Natürlich hatten Moody und Bill etwas mit seiner Ermordung zu tun. Leichen fand man nicht einfach wie Pilze im Wald. Vor allem, da sich zur Zeit ein falscher Rookwood bei den Todessern herumdrückte und sie zweifellos nach Herzenslust ausspionierte. Das musste nicht unbedingt etwas schlechtes sein, wenn man klug mit diesem Umstand umging. Draco rollte seinen Zauberstab versonnen zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, während er die bewusstlosen Männer vom Türrahmen aus betrachtete. Es war nicht ganz ungefährlich, was er sich überlegt hatte, obwohl es keinerlei Kampf erforderte. Zuerst würde er sich natürlich anziehen… dann… seinen Plan in die Wege leiten und dann… Lord Voldemort in die Heulende Hütte rufen. Xxx Draco lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und zwang sich zu einem letzten Lächeln, um Hermine zu verabschieden. Sie wirkte misstrauisch und angespannt. Sie glaubte ihm nicht. Sie fühlte, dass etwas nicht stimmte und so oft wie sie grüblerisch die Stirn in Falten zog, die Augen nachdenklich nach oben verdrehte und sich die Wange rieb, dachte sie gerade angestrengt drüber nach, was sie von diesem Nachmittag vergessen hatte. Vergessen war eigentlich nicht der richtige Ausdruck, aber Draco würde sich hüten ihr zu sagen, dass sie das plötzliche Auftauchen von Weasley und Moody, sowie den toten Rookwood im Schrank nicht einfach vergessen hatte, sondern dass er ihr diese Erinnerung gestohlen hatte. Sie erinnerte sich nur daran, hier mit ihm Zeit verbracht zu haben. Als sie erwacht war hatte er sich aufgeräumt von ihr verabschiedet, gesagt, dass sie mal wieder völlig die Zeit vergessen hätten und sie schnell zurück müsse, da es bald Abendessen geben würde. Hermine sah immer wieder verwirrt zu ihm, auf ihre Uhr, die Treppe hinauf, als überlege sie immer noch, wie sie dort hinuntergegangen war, ohne sich daran zu erinnern. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihr Gedächtnis zu modifizieren. Er hatte ihr gesagt, dass sie ihm den Ring, den er tatsächlich und voll liebevollem Stolz an seiner Hand trug, gegeben hatte, sie dann noch einmal Sex hatten und danach eingeschlafen wären. Hermine wäre zuerst aufgewacht, zu schnell aufgestanden und dabei umgekippt. Er, Draco, hätte ihr aufgeholfen und das Zimmer wieder in den üblichen Zustand zurückversetzt. Sie wäre wegen der Ohnmacht nur etwas schwummrig gewesen, das war alles. Sie stand direkt vor dem Geheimgang, schüttelte schon wieder ungläubig den Kopf und rieb sich die Schläfen. Draco grinste noch etwas breiter, machte einen dummen Witz von wegen „Sex ist gut gegen Kopfschmerzen“ und atmete erleichtert aus, als sie daraufhin genervt mit den Augen rollte und den Geheimgang endlich betrat. Endlich, die Tür schloss sich. Draco schob den kleinen Schrank, der als Absperrung diente, wieder davor und ging im Geiste noch einmal die weiteren Punkte durch. Moody und Bill Weasley? Waren mit gelöschten, echten Erinnerungen und von Draco neu geschaffenen, falschen Erinnerungen, auf dem Weg zurück nach London. Ein wenig hatte er sie schließlich durchleuchten müssen, nachdem sie aufgewacht waren. Draco grinste und wackelte befriedigt mit dem Kopf hin und her. Das sollte er Voldemort gleich sagen, dass es ihm gelungen war, Moody dermaßen zu verfluchen. Gut, der war zu diesem Zeitpunkt gelähmt, zauberstablos und noch halb bewusstlos… dennoch. Der andere, dieser Weasley… nun, war sollte man von einem Weasley auch erwarten? Aber auf Moody war er stolz. Sollte der ihn noch einmal Frettchen nennen… gut, er war es genau genommen nicht gewesen, aber egal. Er war der Feind und somit war jede weitere Erklärung hinfällig. Der zweite Teil seiner genialen Idee, die ihm zu fünfzig Prozent einen vorzeitigen Tod bescheren würde, falls Voldemort ihm nämlich nicht zustimmen sollte, hatte darin bestanden, sein eigenes Gedächtnis zu manipulieren. Voldemort würde sicher Okklumentik gegen ihn einsetzen. Er wäre dumm, wenn er es angesichts Rookwoods nicht tun würde und wenn er dann, als der begnadete Legilimens der er war, herausfinden sollte, was Draco in der Heulenden Hütte alles gemacht hatte und warum und mit wem er hier gewesen war, nun, dann würde seine Sterbewahrscheinlichkeit von fünfzig auf hundert Prozent steigen. Einer sehr genauen Inspektion würde er vermutlich nicht standhalten, ebenso wie es unter der Folter, oder auch nur unter Veritaserum mit seiner Ausrede vorbei sein würde, aber vielleicht kam es ja gar nicht soweit. Immerhin hatte er Voldemort etwas zu berichten, was diesen auf jeden Fall interessieren und ihm vermutlich auch nutzen sollte. Draco schloss die Augen und drückte seinen Hinterkopf gegen die Wand. Seine Handinnenflächen, seine Armbeugen und die Kniekehlen kribbelten vor angespannter, keineswegs freudiger Erregung. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seine Brust, seine Hände waren feucht und er musste sich gegen die Wand lehnen, damit der, der nun kommen würde, ihn nicht wanken sah. Er gab sich noch einen Moment, dann rollte er den Ärmel seines Umhangs hoch und drückte auf den Totenschädel, der dort eingebrannt war und ihn unbarmherzig mit seiner Totenfratze angrinste. Er schloss die Augen, als eine große, schwere und schmerzhafte Macht sein Gehirn überspülte und versuchte, trotz dieses überwältigenden Gewichtes der Macht, das ihn nun überspülte, seine Gedanken auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren. „Mylord. Ich, Draco Malfoy, bin in der Heulenden Hütte. Es gibt ein Problem, das ich Euch, Mylord, nicht vor den anderen Todessern zeigen kann.“ Und nun warten. Draco kippte, trat einen Schritt vor, um sich abzufangen und lehnte sich wieder zurück an die Wand. Aber vielleicht war Wanken gut. Er würde sich dem Dunklen Lord doch eh zu Füßen werfen müssen, sobald der den Raum betrat. Warten. Hermine sollte sich auf dem Weg ins Schloss zurück beeilen. Sie sollte auf keinen Fall auch nur in der Nähe sein, wenn Voldemort kam. Draco hielt es bei einem so überragenden Legilimens wie Voldemort für möglich, dass er Schlammblutschwingungen auf ein paar hundert Fuß Entfernung erkennen konnte. Warten. Draco verlagerte sein Gewicht nervös von einem Bein auf das andere und wieder zurück. Seine Nase juckte. Seine Ohren juckten, seine Augen… dann wieder seine Nase und so hingebungsvoll er sich eben noch gekratzt hatte, so abrupt fielen ihm die Hände nach unten bei dem Gedanken, dass sich die Tür vor ihm öffnen könnte und Lord Voldemort ihn beim Popeln erwischen würde. Warten. Um der Peinlichkeit zu entgehen, eventuell doch noch Spuren aus der Nase an den Fingern zu haben, wenn der Lord käme, wischte er sich die Hände an der Wand hinter ihm ab. Warten. Seine Atmung ging unregelmäßig und sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Dracos ganzer Körper vibrierte vor angespannter Erregung. Vielleicht hätte er ihn doch nicht rufen sollen. Warum fiel ihm jetzt erst ein, was das für eine selbstmörderische Idee gewesen war. Voldemort würde sich nicht von ihm rufen lassen, als wäre er sein Hund. Wenn er erschien, sollte er überhaupt erscheinen, würde er sehr wütend sein und Draco für diese Respektlosigkeit zweifellos bestrafen. Warten. Im Geiste ging er noch mal alles Punkte durch, die er sich vorhin zurechtgelegt hatte. Direkt gegenüber stand eine alte Standuhr. Draco spähte nervös auf das Ziffernblatt, stöhnte frustriert, als ihm auffiel, dass die Uhr vermutlich schon seit Jahrzenten nicht mehr funktionierte. Warten. Rookwood, da drinnen im Schrank, nur durch schwarzes Holz und durch den Herzschlag getrennt von ihm, hatte nicht gut ausgesehen. Man hatte ihm die Kehle aufgeschnitten. Kein Blut war mehr an ihm und Draco war ziemlich sicher, dass nur noch wenig in ihm war. Vermutlich hatten sie ihn ausbluten lassen und dann vergessen. Warum brachten sie ihn nun hierher? Seit ein paar Tagen tot? Was hatten sie mit ihm vor? Sicher gab es Ordenstreffen in der Heulenden Hütte. Sonst hätte man Rookwood ins Schloss gebracht, oder? Doch wozu? Dracos Finger trommelten nervös an der Wand hinter ihm. Voldemort sollte sich beeilen. Moody und Weasley würden heute sicher noch zurückkommen, sie durften sich hier nicht zu lange aufhalten. Warten. Merlin! Seine Füße waren eingeschlafen. Er war so nervös, dass ihm Gliedmaßen einschliefen. Er trat etwas ungeschickt vom einen Fuß auf den anderen und verzog das Gesicht. Ein widerwärtiges Gefühl, als würde man ihm brennendheiße Nadeln in die Fersen stechen. Warten. Wie lange stand er nun schon hier, neben dem toten Rookwood? Hatte er eben etwas gehört? War da ein Geräusch aus dem Schrank gekommen? Seine Atmung beschleunigte sich noch mehr. Kalter Schweiß brauch ihm aus und der vorhin schon etwas unangenehme Druck auf die Blase wurde immer schlimmer. Würde der Orden es wagen, einen Inferius in die Heulende Hütte zu bringen? Immerhin war das etwas, dass ihn zu neuen Überlegungen animierte. Warten. Draco presste die Beine zusammen. Er musste auf die Toilette. Peinlich berührt fragte er sich, ob ein Mensch wie Voldemort wohl Urin, oder gar Sperma, an ihm riechen konnte. Ob er sich vielleicht allein durch seinen Geruch bei Voldemort verraten könnte. Ein Knall und die Tür wurde schwungvoll aufgestoßen. Ohne Worte, doch mitreißend und Furcht einflößend wie ein Wirbelsturm, kamen drei in schwarze Umhänge gehüllte Gestalten in die Hütte geweht und brachten eine Kälte mit sich, die Draco zum Erschaudern brachte. Sie blieben wie auf Kommando zwei Meter hinter der Tür stehen, entblößten ihre Gesichter und drehten sich in einer einzigen, fließenden, wie einstudiert wirkenden Drehung, simultan zu Draco um, der ein paar Schritte von dem Schrank weggetreten war, demütig auf die Knie ging und seinen Kopf senkte. „Mylord!“ Voldemort, begleitet von Lucius und Snape, verengte leicht die Augen, so als wäre er sich nicht sicher, ob es wirklich so war, wie es den Anschein hatte. Als wäre Voldemort erst jetzt in diesem Moment klar geworden, dass er tatsächlich auf den Ruf eines halbstarken Jungen gehört hatte. Er runzelte nachdenklich die Stirn und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Was gibt es, Draco?“, fragte er ruhig, doch mit Unheil verkündendem, drohendem Unterton. Draco überlegte, ob er aufstehen sollte, um auf Voldemort zuzugehen. Er beugte sich nach vorne, doch schon bei dem ersten Versuch die Kniescheiben auch nur ein wenig über den Boden zu drücken, wurde ihm bewusst, dass er vor lauter Angst viel zu zittrig war, um aus eigener Kraft gerade und sicher gehen zu können. So robbte er, während Voldemort sich kurz zu Snape umgedreht hatte, auf Knien etwas näher und warf sich dann, als Voldemort wieder zu ihm blickte, zu seines Meisters Füßen. „Mylord, verzeiht, dass ich Euch gerufen habe, aber ich habe etwas herausgefunden, das ich Euch dringend zeigen muss. Auf gar keinen Fall hätte ich heute Abend mit Euch darüber sprechen können. Dafür ist die Angelegenheit zu… heikel.“ „Heikel?“ Voldemort kräuselte die dünnen Lippen und offenbarte herablassende Belustigung darüber, dass Draco meinte, etwas zu wissen, das Voldemort für heikel halten könnte. „Ja, Mylord. Sehr heikel! Erlaubt mir… darf ich… aufstehen?“ „Erhebe dich!“ Voldemort verschränkte die Arme vor der Brust. Der Zauberstab sichtbar und griffbereit. „Beeile dich, Draco. Ich will dir nicht verheimlichen, dass ich sehr ungehalten über deinen Ruf bin!“ Draco verneige sich leicht und katzbuckelte. „Ja sicher, Mylord. Aber… aber dennoch. Es ist“, er hob seinen Arm, der mittlerweile ebenso zitterte wie Lucius' Arm, wenn der zu lange keinen Alkohol getrunken hatte und deutete mit bebender Stimme auf den von einer Leiche bewohnten Schrank. „Dort drinnen!“ Voldemort rührte sich nicht. Er sagt nichts, machte keine Anstalten zum Schrank zu gehen oder Dracos Andeutung auch nur in irgendeiner Weise mit Aufmerksamkeit honorieren zu wollen. Dracos Knie waren weich, er hoffte, nicht zu taumeln, als er langsam an den Schrank herantrat, die Augen für einen Moment schloss, all seinen Mut zusammennahm und die Schranktür dann mit einem Ruck aufzog. „Da drinnen sitzt Rookwood und er ist tot!“ Draco trat einen Schritt beiseit und öffnete den Schrank, um den Blick auf den ausgebluteten Rookwood freizugeben. Voldemort kam langsam näher, neigte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete den toten Mann mit so unverhohlener Neugier, als sei dieser das besonders faszinierende Werk eines talentierten Malers. Draco sah, wie sein Meister zuerst ihm, dann Lucius und zuletzt Snape fragende Blicke zuwarf. „My… Mylord?“, krächzte er zögernd. „Ja?“, schnarrte Voldemort, offenbar ungehalten darüber, aus seinen Studien herausgerissen worden zu sein. Draco zitterte so stark, dass er schon fürchtete, dass seine Zunge ebenso zittern würde und es ihm nicht möglich sein würde, einen zusammenhängenden Satz zu sagen. Die Option zu schweigen hatte er selbst in dem Moment zerstört, als er Voldemort gerufen hatte. Er musste es erklären, natürlich, er musste es erklären und sich danach dem prüfenden Blick seines Meisters stellen, der jede Unstimmigkeit mit seinen roten Augen aus ihm herausbrennen konnte und der ihn töten würde, hier, vor den Augen seines Vaters, ohne auch nur einen Wimpernschlag zu zögern, falls Draco ihn nicht überzeugen sollte. Aber er hatte keine Wahl. Nun denn. „Ich bitte um eure Erlaubnis zu sprechen!“ „Gewährt!“ Voldemort wedelte gelangweilt ab und beugte sich in den Schrank hinein, um die Wunde an Rookwoods Hals zu betasten. „Ich… Ich sah heute Mittag zwei Ordensmitglieder in der Schule. Sie haben mich aber wohl nicht bemerkt. Ich hörte ganz kurz, dass sie darüber redeten, dass sie etwas hierher bringen wollten. Ich musste dann weg, kam aber sofort nach dem…“ Draco bis sich auf die Lippen, nun hätte er fast seine Nachhilfestunden erwähnt, um die Affäre mit Hermine zu verheimlichen... doch Voldemort durfte weder vom einen noch vom andern wissen. Draco schluckte hart. Er warf einen kurzen Blick nach hinten, wo er Snape mit seinem Vater leise tuscheln sah. Beide wirkten sichtbar angespannt. Kein Wunder, ein verärgerter Voldemort war lebensgefährlich. „…nach dem Unterricht her. Ich ging durch den Geheimgang von dem mir Sn…“ Draco biss sich auf die Lippen, warf Snape einen scheuen Blick zu, der schnaubte und genervt mit den Augenbrauen zuckte. Sollte Draco von ihm als Snape, Professor Snape, Mister Snape oder gar von Severus reden? Er entschied sich für keines von alledem. „… der mir gezeigt worden war.“ Draco deutete auf die kleine, wurmstichige Tür, von der Größe einer Hundeklappe, weiter hinten im Gang. „Ich kam gerade, als sie Rookwood dort hineinsetzten. Sie redeten nicht viel. Eigentlich sagten sie gar nichts zur Sache, unterhielten sich nur über Belanglosigkeiten. Sie machten den Schrank zu und verließen die Hütte sofort!“ „Du hast sie einfach laufen lassen?“ Das war Lucius gewesen. Draco drehte sich zu seinem entsetzt wirkenden Vater um, der ihn nun mit zusammengepressten Lippen und mahnenden Blick durchbohrte. Draco nickte und drehte sich zu Voldemort, der sich aufgerichtet hatte und Draco neugierig von oben herab betrachtete. „Ja, ich habe sie mit voller Absicht gehen lassen. Aber“ er atmete noch einmal tief durch. Er musste sich beruhigen, er war zu nervös. Er musste ruhiger werden. Wenn er zu nervös war, würde die falsche Erinnerung, die er sich selbst eingepflanzt hatte, als Lüge offenbart. Einatmen – Ausatmen. „Lasst mich erklären… Es hing natürlich damit zusammen, dass sie zu zweit waren und ich alleine. Aber das war nicht der einzige Grund…viel eher… Ich sah Rookwood und, nun seht selbst… Ich sehe Verwesungsspuren an ihm. Er ist sicher nicht heute Mittag gestorben…“ Voldemort hob eine nicht vorhandene Augenbraue und drehte sich wieder zum Schrank um. Er wedelte lässig in Richtung von Lucius und Snape und befahl ihnen damit stumm, näher zu treten und selbst ein Auge auf den Toten zu werfen. Snape schob Draco unsanft, wie ein sperriges, falsch platziertes Möbelstück zur Seite und streckte seine langen, aschfahlen Hände aus, um Rookwood zu betasten. „Zweifellos… Es kommt wohl auch darauf an, wo er seit seinem Tod aufbewahrt wurde… aber…“ „Wenn das Rookwood ist“, schnitt Lucius ihm das Wort ab und quetschte sich sehr dicht neben Snape und so weit wie möglich von Voldemort weg, auch noch vor den Schrank. „Dann frage ich mich, wer gestern bei unserem Treffen war.“ Voldemort lächelte amüsiert, doch seltsamerweise weder erbost noch herablassend. „Die alles entscheidende Frage, Lucius. Wohl war… Dein Sohn scheint mehr zu wissen als wir, ich spüre es. Nun denn, Draco...“ „Ich weiß es auch nicht, aber der Spion, der sich für Rookwood ausgibt, dürfte es uns zweifellos sagen können!“ Die drei Männer drehten sich Draco fast gleichzeitig zu und wirkten interessiert und überrascht. Draco atmete heftig doch er fühlte, dass er seinem Ziel näher kam, denn er lebte immer noch. „Nun, Mylord. Ich dachte eben, dass es gut für uns sein könnte, wenn man nicht weiß, dass wir von dem Betrug wissen. Hätte ich Moody und Weasley angegriffen und nicht getötet, hätten sie mich gefangengenommen und verhört. Die Gefahr bestand… Das wäre schlecht gewesen, für uns alle. Ich gestehe, natürlich auch für mich… Aber auch, wenn ich sie getötet und beseitigt hätte, wäre es den anderen Ordensmitgliedern sicher aufgefallen. Nun, ich… lasst es mich anders erklären. Meine Idee war die… Nur wenn ich verborgen bleibe, wissen sie nicht, dass sie beobachtet werden und dass wir von ihrem Spion wissen. Heute Abend ist wieder ein Treffen und dieser Spion wird wieder dort sein. Ich weiß zwar nicht genau, woher er von unseren Treffen weiß, denn sicherlich ist das Mal auf seinem Arm nur ein fauler Zauber, aber das ist auch unerheblich, denn wenn er zu uns kommt, in unsere Falle tappt, ohne zu wissen, dass wir um ihn wissen und auf ihn warten... dann wird er nicht vorbereitet sein. Wir können ihn bloßstellen und verhören. Wir können von ihm Informationen aus erster Hand erhalten…“ Voldemort schob Lucius und Snape beiseite und trat nun ganz dicht vor Draco. Das Brennen in seinem Geist begann. Voldemort drang in ihn ein, wie ein Messer in menschliches Fleisch, berührte ihn innerlich, erforschte und verletzte ihn. Draco fühlte sich lahm, träge und sicherlich lallte er leicht, da er nun auch seine Zunge nicht mehr vollständig unter Kontrolle hatte, doch er zwang sich weiterzusprechen. „Wir… wir können ihn… wir könnten ihn zurückschicken und…. Ihr könntet ihn unter den Imperius nehmen… er könnte weitere Informationen sammeln und…“ „Wenn er wichtig ist, Draco. Daran habe ich Zweifel!“ Lucius Stimme war leise, berechnend und konnte Besorgnis nicht vollständig verheimlichen. Draco schnappte nach Luft, die Ohren gingen ihm zu und allmählich fiel ihm das Denken schwer, während Voldemort immer noch ruhig vor ihm stand und nichts anderes tat, als ihm mit unbewegter Miene in die Augen zu sehen. „… Ich bin nicht sicher, ob sie jemanden zu einer so gefährlichen Mission schicken würden, der ihnen wichtig ist. Was meinst du, Severus?“ Snape machte eine kurze Pause, als würde er überlegen, dann antwortete er. „Wohl nicht. Ich denke auch, dass es jemand ist, dessen Verlust sie nicht allzu sehr schmerzen würde. Fraglich, ob wir von ihm überhaupt etwas erfahren würden. Ich denke, dass Draco selbst vermutlich besser über die Pläne des Ordens informiert ist als dieser Spion.“ Draco versuchte nicht daran zu denken, dass man dasselbe über ihn sagen könnte, was die Pläne der Todesser angingen. Zu unbedeutend, um Informationen herauszufoltern. Unbedeutend vielleicht, aber nicht dumm. Er atmete langsam, sein Kopf fühlte sich warm und wie von Watte umhüllt an, dennoch schaffte er es, seine träge Zunge zu einigen Worten zu bemühen. „Wir könnten ihn in einen Inferius verwandeln. Wir verhören ihn, machen ihn zum Inferius und schicken ihn zurück. Sie werden denken, dass er Bericht erstattet und dann kann er dort auf sie losgehen. Sie werden es zuerst mit Flüchen versuchen… Er könnte sehr weit kommen, bis sie ihn stoppen. Weit genug, um mindestens ein bis zwei von ihnen zu überwältigen und…“ „Still!“ Der Schmerz kam so brennend und unvorhergesehen, dass Draco vor Schmerz aufschrie. Er spürte, wie etwas Großes, Starkes aus ihm herausrutschte. Die Befreiung brachte jedoch keineswegs Erleichterung, sondern nur die Qualen einer offenen, klaffenden Wunde mit sich. So musste es sich anfühlen, wenn ein scharfes Messer aus einer blutenden Wunde herausgezogen wurde. Voldemorts Geist mochte von ihm abgelassen haben, doch Voldemorts Körper war bedrohlich nah. Eiskalte Spinnenfinger umklammerten Dracos Nacken und zogen ihn in einer unnachgiebigen Geste der Unterwerfung dicht an Voldemorts Nüstern heraus, so dass Voldemorts warmer, stoßweiser Atem Draco zum Erschaudern brachte. „Du hast Pläne, Draco? Du hast dir das ausgedacht?“ Draco schluckte schwer, versuchte ergeben zu nicken, doch er konnte nicht, da Voldemorts klamme Finger ihn bei der angedeuteten Bewegung nur noch fester packten. „Ja, My…Mylord. Ich…Ich dachte… Wenn sie nicht wissen… Der Spion wird in die Falle gehen, wenn er nicht weiß… Und ein Inferius im Schloss… zwischen all den Schülern… Sie würden ihn nicht erkennen. Im Schloss vermutet niemand einen Inferius.. Und falls es ein Lehrer ist… falls es ein Lehrer ist, der Potter unterrichtet… oder…“ Voldemort ließ ihn los und Draco fiel kraftlos, wie ein nasser Sack, zu Boden. Was hatte das zu bedeuten? Draco fasste sich an den Hals und röchelte. Das Atmen fiel ihm so schwer, als hätte der Dunkle Lord statt seines Nackens seine Kehle gewürgt. Harte, kraftvolle Schritte entfernten sich. Der Boden neben Draco knirschte. Immer noch hart nach Luft schnappend, drehte er sich um und sah Snape, dessen Gesicht zwar unbewegt war, doch dessen nervös zuckende Hände Unsicherheit offenbarten. Lucius neben ihm rutschte einige Schritte zur Seite. Seine grauen Augen flackerten unruhig zwischen Draco und dem Lord hin und her. Sein Vater war früher besser darin gewesen, sich zu beherrschen und seine Unruhe zu verbergen. Doch jetzt war es so offensichtlich, dass nicht einmal Draco ignorieren konnte, wie sehr auch Lucius' Hände schon wieder zitterten. Der Zauberstab wackelte wie eine Wünschelrute zwischen Lucius' Fingern und Draco sah Schweiß auf der Stirn seines Vaters. Mit einem Mal kam er sich unheimlich dumm und kindisch vor. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? Es war ihm absolut klar gewesen, was in dieser Situation von ihm erwartet worden wäre. Zwei starke, gefährliche Ordensmitglieder, die nicht wussten, dass er sie belauerte. Einen hätte er auf jeden Fall töten können… unverzeihlich, diese Chance ungenutzt zu lassen. Voldemort stand in der Mitte des Flurs und hatte die Hände vor seinem Schoss gefaltet. Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und bedachte Draco mit einem kalten, unbewegten Blick. „Lucius“, fragte er kühl. „Was ist die Strafe für einen Todesser, der seinen Pflichten nicht nachkommt und uns stattdessen wie seine Diener zu ihm ruft, nur, um uns mit haarsträubenden Verschwörungsideen zu empfangen?“ Lucius zog die Schultern hoch und erinnerte Draco an verängstigte Erstklässler, die zum ersten Mal in ihrem Leben dem Halbriesen Hagrid gegenüberstanden. „Mylord?“ „Verzeih mir, Lucius, falls ich mich unklar ausgedrückt haben sollte. Ich werde mich bemühen, es diesesmal deutlicher zu formulieren. Nun denn, was tun wir mit Todessern, die Verrat begehen?“ Lucius schluckte schwer, sein Mund stand offen, wodurch er etwas dümmlich aussah. Er warf Hilfe suchende Blicke zu Snape, der diese jedoch nicht im Mindesten beachtete, sondern sich stattdessen wieder mit Rookwood befasste. „Nun?“, fragte Voldemort, mit unverkennbarer Ungeduld. „Ich warte. Was tun wir mit Verrätern? Was tust du mit Verrätern?“ „Ich… ich töte sie“, hörte Draco seinen Vater flüstern. „Ganz recht. Bist du nicht auch der Meinung, dass man Dracos eigenmächtiges Verhalten als Verrat bezeichnen könnte? Dann sollte es ein Leichtes für dich sein herauszufinden, was ich nun von dir erwarte!“ „Mylord“, krächzte Lucius flehend und ging in leicht gebückter Haltung, die ihn irgendwie geschrumpft wirken ließ, auf Voldemort zu. „Das ist mein Sohn… ich..“ „Dein Sohn?“, höhnte Voldemort belustigt und neigte den Kopf kalt lächelnd auf die andere Seite. „Nun, das Problem ist zu beheben.“ Voldemort hob den Arm und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Snape. „Severus!“ Snape zuckte zusammen und fuhr zu seinem Herren herum, der mit langsamen Schritten am immer noch am Boden kauernden Draco vorbei ging. Voldemort hob das Kinn und betrachtete Snape mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, die ungeduldig mit dem Zauberstab darinnen spielten. Draco hatte sich geirrt, als er dachte, dass Snape niemals Angst zeigen wurde. Er mochte ruhig dastehen, keine Miene verziehen und nicht einen einzigen Tropfen Schweiß am Leib haben, doch in dem Moment, als Voldemort seinen Namen ausgesprochen hatte, war jede Farbe aus seinem Gesicht gewichen und seine sonst so drohend funkelnden Augen wurden ebenso stumpf wie die, des toten Rookwood. Draco fand endlich wieder genug Luft in den Lungen, um zu atmen. Er rappelte sich mit zitternden Knien hoch und erhaschte einen flüchtigen Blick auf seinen Vater, in dessen Gesicht wilde Panik geschrieben stand. „Mylord“, wimmerte er alle Würde hinter sich lassend. „Ich… ich wollte doch nicht, es sollte…“ „Schweig!“ Voldemort fuhr herum und bohrte seinen Zauberstab hart in Draco Brust. „Wenn meine Gefolgsmänner nicht gehorchen, muss ich eben selbst…!“ „Nein!“ Lucius machte einen Satz auf Voldemort zu, packte dessen Arm und riss Voldemorts Zauberstab von Draco, dann erstarrte er, als wäre unter dem nun drohend auf ihn gerichteten Blick Voldemorts zu Stein geworden. Lucius ließ vom Arm seines Meisters ab, als habe er sich daran verbrannt. Seine Augen wurden immer größer, er wirkte, ob er eben erst begriff, was er gerade getan hatte. Voldemorts Augen ruhten kalt auf Lucius' Brust und Draco fragte sich, ob Voldemort nur durch die Kraft seines Willens ein Herz zum Stehen bringen könnte. Wieder hob Voldemort den Zauberstab und zielte auf Lucius Kehle. Doch nicht lange, nur einen Moment, eine Geste ultimativer Bedrohung, dann ließ er den Arm sinken und drehte sich mit schlangenhafter Geschmeidigkeit zu Draco um. „Dein Sohn hat heute gegen meinen Befehl gehandelt, Lucius, um stattdessen eigenmächtig seinen eigenen Plan in die Wege zu leiten!“ Draco schloss die Augen. Er würde sterben. Hier und jetzt. Er wollte zu seinem Vater gehen und… irgendetwas sagen, ganz egal was, irgendetwas, oder zumindest etwas näher bei ihm stehen, bevor sie beide sterben würden, doch seine Beine versagten ihm ebenso den Dienst, wie seine Stimme, denn nun war er wahrhaftig sprachlos vor Angst. Dracos Augen huschten zu Snape, dessen Brustkorb sich heftig hob und senkte. Voldemort leckte sich die Lippen und für einen Moment hatte Draco die alberne Furcht, dass Voldemort sich auf ihn stürzen könnte, um ihn bei lebendigem Leibe aufzufressen. Plötzlich drehte der Dunkle Lord sich überraschend gelassen wirkend zu Lucius um. „Du darfst wieder ausatmen, Lucius. Draco hat richtig gehandelt!“ So lächerlich der Befehl auch war, Draco sah, dass sein Vater daraufhin wirklich seine Haltung entspannte und tief durchatmete. Für einen Augenblick, begegneten sich ihre Augen. Blaugrau in Blaugrau. Der Lord lächelte auf eine verstörende, beschwichtigende Art. Eine eiskalte Hand legte sich Draco auf seine heiße, vor Angst verschwitzte Wange. Eine Berührung, die, kaum wahrgenommen, eiskalte, brennende Schauer durch ihn jagte und ihn unwillkürlich zusammenzucken ließ, als habe er einen Stromschlag bekommen. Voldemorts Lächeln wurde breiter. Er hob die Hand und… tätschelte Draco die Wangen. „Gut, gemacht, Junge! Du hast weitschauend gedacht. Du solltest dich jedoch hüten, noch einmal eigenmächtig gegen meinen Befehl zu handeln. Doch dieses eine Mal verzeihe ich dir, denn dein Plan ist wahrlich gut. Ein Inferius, über dessen Erscheinen sich niemand wundert. Der sich frei im Schloss bewegen kann und der Potter und den Rest des Phönixordens angreift, ist ein guter Plan. Sehr gut mitgedacht, Draco. Du machst deiner Familie Ehre. “ Die kalte Hand verharrte auf seiner Wange und obwohl Dracos Lippen dadurch Voldemorts Daumen näher kommen, konnte er dennoch ein Lächeln nicht mehr zurückhalten. Voldemort streichelte ihn, wie er schon so oft die Schlange Nagini, und vermutlich Bellatrix über die Wange gestreichelt hatte. Er trat noch einen Schritt näher auf Draco zu. Unwillkürlich neigte der seinen Kopf nach hinten, als er Voldemorts Atem über seine Stirn streichen spürte. „Guter Junge, guter Junge.“ Dracos Atmung begann zu rasseln. Konnte man vor Schreck Asthma bekommen? Sein Sichtfeld begann zu flimmern und seine Knie vermochten seinen Körper kaum noch zu tragen. Er würde umfallen, wenn Voldemort nicht gleich von ihm abließe. Das Blut wich aus Dracos Kopf, als er sich einem dünnlippigen, breiten Totenschädellächeln gegenüber sah. Voldemorts Hand glitt langsam an Dracos Hals hinab, strich über seine Schultern und verklang in einer sanft anmutenden Berührung kalter Fingerkuppen auf Dracos Haut. So plötzlich und unwillkommen diese Berührung gekommen war, endete sie auch und hinterließ ein eigenartiges Gefühl der Leere auf Dracos Arm. Voldemort schob ihn unsanft zu Seite und durchmaß den Raum mit langen Schritten, der Tür entgegen. „Wir gehen wieder. Lasst Rookwood wo er ist. Wir dürfen keinen Verdacht erregen. Draco, du wirst heute Abend etwas früher als vereinbart erscheinen. Du wirst dich mit dem Spion befassen. Bellatrix wird dich instruieren. Lucius!“ Der Angesprochene zuckte zusammen, als sei er eben erst aus einem totengleichen Schlaf aufgeschreckt. „Ja, Mylord?“ „Wage es niemals wieder!“ Voldemort öffnete die Tür und entschwand mit wehendem Umhang. Es war nicht nötig zu sagen, was Lucius niemals wieder wagen sollte oder was geschehen würde, falls er es doch täte. Es war allen klar. Doch jetzt war keine Zeit, sich über Todesdrohungen Gedanken zu machen, sie mussten nun alle gehen, um den Tod eines anderen zu planen. Alltagsarbeit eines Todessers. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)