Harmonie von Seraphin ================================================================================ Kapitel 9: Kinderspiele ----------------------- Kapitel 9: Kinderspiele Draco schloss die Augen, da ihn das grelle Sonnenlicht blendete. Es ging ihm zwar schon wesentlich besser als am frühen Morgen, doch helles, wärmendes Sonnenlicht, so angenehm es sonst sein mochte, störte ihn immer noch. Sein Magen hatte sich wieder beruhigt. Er hatte sich sogar dazu zwingen können, etwas zu Mittag zu essen. Ein klein wenig Hunger hatte er tatsächlich gehabt, nachdem er den größten Teil des gestrigen Tages damit verbracht hatte, seinen Magen zu leeren. Scheiß Alkohol, und das auch noch ausgehungert und auf leeren Magen. Immerhin hatte er ihn wohl davor bewahrt, an Ort und Stelle aus der Schule geschmissen zu werden. Erinnern konnte er sich jedenfalls an nichts. Das einzige, was ihm vom gestrigen Nachmittag trübe im Gedächtnis war, war ein greller Schmerz an seinem Hinterkopf. Irgendjemand, Pansy zufolge war es Kingsley, hatte ihn zur Krankenstation gebracht. Was Madam Pomfrey dort mit ihm gemacht hatte, wusste er nicht. Irgendwann lag er jedenfalls auf dem Fußboden, sein Kopf schmerzte und Madam Pomfrey stand mit verschränkten Armen über ihm. Als er am nächsten Tag Crabbe und Goyle darauf ansprach, wurden die rot und erklärten stotternd, dass die Krankenschwester ihnen befohlen hätte, Draco zurück in den Schlafraum zu bringen. Da beide mit dem Schwebezauber nicht zurechtkamen, stürzte Draco mehrmals ab, bis sie sich erbarmten und Draco mit ihren eigenen Händen hinab in die Kerker trugen. Vermutlich eine weitere Strafmaßnahme. „Was haben McGonagall und Shacklebolt dir denn nun vorhin gesagt?“ Draco blinzelte ins grelle Sonnenlicht und sah Pansys Gesicht, das sich dunkel gegen die Mittagssonne abzeichnete, von einer strahlenden Korona umrandet, über sich. Er spürte ihre Hand auf seiner Stirn, die ihm zärtlich Haare aus dem Gesicht strich. Draco blinzelte und drehte sich leicht zur Seite, so dass er nicht mehr direkt in die Sonne sehen musste. Seine Kopfunterlage, Pansys Schoß, war herrlich weich und warm. Eigentlich könnte man sich hier wohlfühlen. Er war nach dem Mittagessen gemeinsam mit Crabbe, Goyle und Pansy hier herunter zum See gekommen, wo sie zunächst einmal gemeinsam Mordpläne gegen Potter geschmiedet hatten, weil er Slytherin für Dracos gestriges Verhalten zweihundert Punkte abgezogen hatte. Danach folgten etwas ernst gemeintere Anweisungen an Crabbe und Goyle, Potter nach der nächsten Stunde Verteidigungen gegen die dunklen Künste auf der Toilette aufzulauern. Während Crabbe und Goyle damit beschäftigt waren darüber nachzugrübeln, welche Toilette eigentlich gemeint war, nutzte Pansy die Zeit, um Draco nicht nur den Kopf zu streicheln, sondern auch äußerst unangenehme Fragen zu stellen. Draco stöhnte bei dem Gedanken an die Unterhaltung, die er Stunden zuvor mit McGonagall, Kingsley und Slughorn geführt hatte. „Naja, sie haben mir eben gesagt, dass mein Verhalten Grund genug wäre, mich von der Schule zu schmeißen“, begann er in leicht genervtem Ton um deutlich zu machen, wie wenig er von der Beurteilung der Professoren diesbezüglich hielt. “Aber natürlich machen sie das nicht.“ Draco grinste überheblich, als wäre schon alleine der Gedanke daran, dass man eine solche Strafe über ihn verhängen könnte, zum Brüllen. Er wischte Pansys Hand von seiner Stirn und setzte sich auf. „Nun, jedenfalls habe ich während des ganzen nächsten Monats abwechselnd Nachsitzen bei Shacklebolt und Slughorn. Jeden Abend von sieben bis zehn Uhr.“ Draco zog die Augenbrauen hoch und verdrehte die Augen, dann hob er seine Hand vor den Mund und fingierte ein Gähnen. „McGonagall meinte, sie würde mir immerhin zugestehen, dass ich zu viel getrunken hätte, als dass man davon ausgehen könnte, dass ich diese Dinge absichtlich getan und gesagt hätte. Ich hätte ja sicher viel Stress gehabt, wo mein Vater aus dem Gefängnis ausgebrochen ist und wir nicht wüssten, wo er ist.“ Draco grinste und Crabbe und Goyle fingen an zu lachen. „Oh Mann, sind die dumm.“ Goyle grinste und sah aus, als würde er sich wirklich aufrichtig darüber freuen, diesen Satz über andere sagen zu können. Crabbe brauchte etwas länger, um seinen nächsten Gedanken in Worte zu fassen. Seine Augen verengten sich, er kratzte sich nachdenklich mit dem Finger an der Oberlippe, während es in seinem Kopf schwer zu arbeiten schien. „Wirst du deinem Vater schreiben?“, fragte er endlich. „Wegen der Punkte, meine ich. Darf das Potter überhaupt? So viele Punkte auf einmal?“ Dracos Grinsen erstarb. Er beugte sich nach vorne und begann mit den Fingern über Grashalme unter seinen Händen zu streichen. Er prüfte, ob alle gleich lang waren und zupfte bedächtig all diejenigen heraus, die das harmonische Bild trübten. „Natürlich“, entgegnete er kalt. „Natürlich werde ich Vater schreiben. Ich werde mir das nicht gefallen lassen, die Schulräte werden schon Wege haben.“ Draco biss sich auf die Lippen und riss einen Grashalm ab, der zwar nicht zu groß, dafür aber zu kurz und somit ungenügend war. Natürlich würde er seinem Vater nicht schreiben. Früher hätte er das gemacht, aber er wollte auf keinen Fall, dass Lucius (und somit auch Voldemort) erfuhr, dass er vollkommen betrunken im Unterricht auf Lehrer und Schüler einprügelte, nachdem sie ihm kurze Zeit vorher eingeschärft hatten, sich so unauffällig wie möglich zu benehmen. Nun ja, seine Freunde mussten nicht alles wissen. Genauso wenig wie sie wissen mussten, dass er heute morgen reumütig, mit vor Scham hochrotem Kopf und unter zehntausend Entschuldigungen behauptet hatte, dass er nachts unter Schlaflosigkeit leiden würde, das Mittagessen verschlafen hätte und dann in Ermangelung einer anderen Mahlzeit zwei Schachteln mit Whisky gefüllter Schokokessel gegessen hätte. Die seien ihm auf leeren Magen nicht bekommen. Die Konsequenz war besagtes Nachsitzen, sowie ein zusätzlicher, drei Fuß langer Aufsatz über die katastrophalen Auswirkungen von Alkohol und Drogen, den er gleich doppelt für Slughorn und Pomfrey schreiben sollte. „Gehört dein Vater überhaupt noch zum Schulrat?“, fragte Pansy verwirrt. „Ich meine“, sie hob entschuldigend die Hände und zuckte mit den Achseln, „wurden ihm nicht alle Ämter entzogen, als er nach Askaban kam?“ Worte, wie ein Faustschlag in den Magen. Am liebsten hätte er ihr allein für diesen Satz mit dem Fuß ins Gesicht getreten. Draco atmete tief und schob sich ein paar Zentimeter von Pansy weg. Es war besser, ihr nicht zu nahe zu sein, wenn sie solche Dinge sagte. „Es ist egal, ob er die Ämter vorübergehend abgeben musste oder nicht“, entgegnete er nur mühsam beherrscht. „Sein Wort gilt trotzdem als Gesetz unter den Schulräten. Und glaube mir, er wird spätestens Weihnachten wieder eingesetzt werden. Auch im Ministerium.“ Sein Blick war finster, seine Stimme leise, doch drohend und es befriedigte seine Wut etwas, dass Pansy die Schultern hängen ließ und eingeschüchtert wirkte, als sie ihn anlächelte und ihm besänftigend über seine Wange strich. „Aber natürlich, Draco. “ Draco packte ihr Handgelenk und drückte es, bis Pansys Gesicht das Lächeln verlor, und stattdessen Schmerz und Furcht zeigte. „Beruhige mich nicht wie ein kleines Kind!“, zischte er wütend. „Ich weiß ganz genau, was du denkst.“ Pansy verzog ärgerlich ihr Gesicht und zog ihren Arm zurück. „Na schön, also ich hab das gleiche gehört wie Weasley und ich glaube nicht, dass dein Vater noch irgendwo viel zu sagen hat.“ Sie verschränkte ihre Arme trotzig, sah kurz zu Crabbe und Goyle, die rot wurden und Draco halb ängstlich, halb neugierig musterten. Draco biss sich auf die Lippen, schnappte nach seiner Schultasche und sprang auf seine Füße. „Pass auf, was du sagst, Pansy. In diesem Land wird sich bald einiges ändern und du willst sicher nicht, dass mein Vater dann Grund hat, auf dich wütend zu sein.“ Pansy erbleichte und wich etwas weiter von Draco zurück, doch in ihren Augen lag wieder dieser bewundernde Glanz, den Draco einerseits brauchte, anderseits verabscheute. „Entschuldige“, sagte sie, und diesmal meinte sie es ernst. Sie lächelte künstlich und legte ihre Hand auf seine Schultasche, um ihn etwas näher an sich heranzuziehen. Draco folgte und ging vor ihr in die Knie, setzte sich auf seine Fersen, so dass sein Kopf immer noch deutlich höher als ihrer war. „Du solltest es ernst meinen, Pansy. Du wirst schon sehen, was Potter, Weasley und die anderen davon haben, wenn sie meinen, uns keinen Respekt zollen zu müssen.“ Pansys Augen leuchteten, als hätte man in ihnen ein Feuer entzündet. Sie strahlte ihn an wie kleine Kinder den mit der Rute bewaffneten Weihnachtsmann ansahen. Ehrfürchtig, hoffnungsvoll, doch auch mit einer Spur von Angst. Sie bewunderte ihn, wie den strahlenden Helden eines Epos. „Aber natürlich, Draco.“ Sie richtete sich soweit auf, dass ihr Gesicht auf gleicher Höhe mit seinem war. Küsste ihn zaghaft, als fürchte sie, sich an soviel strahlendem Glanz zu verbrennen und ließ sich wieder nach hinten sinken, immer noch das begierige Funkeln in ihren Augen. Zufrieden mit der Demutsgeste, beschloss Draco, seine Freunde weiterhin mit seiner Anwesenheit zu beehren. Er krabbelte an Pansy vorbei, um sich an den Stamm der Weide zu lehnen, deren Blätter über ihren Köpfen rauschten. „Es tut mir leid wegen gestern. Ich habe wohl die Kontrolle verloren“, entschuldigte er sich lapidar und versuchte dabei so würdevoll wie möglich zu wirken. „Du hast echt nicht gut ausgesehen. So fertig… und was du gemacht hast…“, nuschelte Crabbe. Er zog die Augenbrauen hoch und runzelte die Nase. „Ich meine, zu McGonagall „Fick dich“ zu sagen…“ „Hab ich das?“ Draco lachte und schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen bei dem Gedanken daran, so etwas Peinliches getan zu haben. „Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ach, was solls.“ Er angelte nach seiner Tasche, die immer noch neben Pansy lag, öffnete sie und fischte einen Apfel heraus, in den er mit breitem Grinsen hineinbiss. „McGonagall, Shacklebolt und dieses ganze Aurorenpack, das hier herumlungert, sie sind eh bald Geschichte.“ Er zuckte die Schultern und prahlte, so glaubhaft wie möglich: „Die können mir nichts anhaben. Sie würden es nicht wagen…“ „Und was ist wegen Weasley?“, schaltete sich Goyle ein, der mit einem frustrierten Kopfschütteln sein Buch weglegte. Vermutlich, weil er das Gelesene immer noch nicht verstanden hatte. Stattdessen setzte er sich in den Schneidersitz und deutete mit dem Daumen und einem leichten Kopfrucken hinter sich, wo Potter und Freunde zu sehen waren, die sich ein Stück weit den See hinunter ebenfalls in der Sonne fläzten. „Das war ganz schön gefährlich. Ich habe gehört, dass die gebrochene Rippe ihm fast die Lunge durchbohrt hat. Du hättest ihn umbringen können.“ „Na und? Er ist nicht tot“, kommentierte Draco gelassen, der mit leichter Überraschung feststellte, dass „er ist nicht tot“ wirklich Grund genug war, die Sache nicht weiter besorgniserregend zu finden. „Hey, was erwartet ihr?“ Draco warf den Apfelstrunk in die Höhe und fing ihn mir einer lässigen Handbewegung wieder auf. Schnatztraining. „Wenn ihr so lebt wie ich, was kümmert euch da schon eine gebrochene Weasley-Rippe?“ Er warf den provisorischen Schnatz hoch, bis er zwischen den Ästen der Weide verschwand, „nichts“, und fing ihn erneut geschickt auf. Hatte er vorhin so etwas wie Herabwürdigung in Pansys Augen gesehen? Wenn ja, dann war das alles vorbei. Bewundernd, respektvoll und verehrend war der Blick, mit dem sie ihn ansah. Mit leisem Unbehagen wurde ihm klar, dass Pansy auf jeden Fall heute Abend bei ihm würde schlafen wollen. Das wollte sie immer, wenn er solche Sachen sagte. Crabbe und Goyle begannen daraufhin mit einer Berichterstattung über die Stunde Kräuterkunde, die Draco heute Morgen wegen seines Krisengesprächs versäumt hatte. Potter und Weasley waren wohl ziemlich frech gewesen. Draco hörte kaum zu, denn er hatte ja vorhin schon bestimmt, dass diese Angeber zu bestrafen seien. Vor allem Potter. Er warf den Apfelstrunk mit einem kraftvollen Wurf in den schwarzen See, an dessen Ufer die Weide stand, und dachte darüber nach, wie er es schaffen könnte, an Potter, der dort drüben mit der Wieselin herumalberte, heranzukommen. Snape hatte ihm in den letzten Ferienwochen Legilimentik beigebracht. Laut Snape war Potter eine absolute Null in Okklumentik. Er würde keine drei Sekunden dagegen ankämpfen können. Zumal ihm Snape einen Trank überreicht hatte, den er Potter vor der Befragung einflößen sollte. Der Trank wirkte beruhigend, enthemmend und sorgte dafür, dass der Befragte sich danach an nichts mehr erinnern konnte. Soweit, so gut, das Problem war nur, Potter musste das Zeug auch trinken. Er runzelte die Stirn und überlegte, dass es schwierig werden würde, Potter ohne seine Freunde abzupassen. Sie waren immer um ihn, Potter war nie alleine. Snapes Hilfe war Gold wert, würde ihm aber nur dann etwas nutzen, wenn er Potter irgendwann einmal alleine erwischen sollte. Und das, Draco schloss die Augen und versuchte die aufsteigende Panik zu bekämpfen, musste in den nächsten beiden Tagen geschehen. Nur wie? Seine Augen glitten hinüber zum See, in den er gerade den Trainingsstrunk geworfen hatte. Quidditch… eventuell. Morgen würde das erste Quidditch-Spiel der neuen Saison stattfinden. Gryffindor gegen Slytherin. Draco erinnerte sich mit einem bösen Grinsen auf den Lippen, dass Potter kaum ein Spiel zu Ende brachte, ohne danach in den Krankenflügel eingewiesen zu werden. Er biss sich auf die Lippen und dachte über die Idee nach, die ihm in diesem Zusammenhang in den Sinn kam. Im Krankenflügel würde er ganz sicher irgendwann mal alleine sein. Zumindest ohne seine Freunde, die würden sich ja wohl kaum aus Loyalität ebenfalls ausknocken lassen, nur um ihren Helden nicht allein zu lassen. Andererseits, er runzelte die Stirn und beobachtete das Schlammblut, das ihre Freunde wegen irgendetwas ärgerlich zurechtwies. Anderseits konnte man bei Gryffindors so etwas nie wissen. Sollten sie ihn aber doch zumindest über Nacht alleine lassen, würde Draco sich nur aus den Kerkern hinauf in den Krankenflügel schleichen müssen und, ja... Nur wie? Und was sollte er mit Madam Pomfrey tun? Vor allem, wie sollte er Potter in den Krankenflügel bekommen, falls dieser sich zufällig mal nichts brechen würde? Draco streckte seine Beine aus und rutschte etwas weiter an der Weide herunter. Er spürte Pansys Lippen auf seiner Wange und legte ihr daraufhin den Arm um die Schulter, weil er wusste, dass sie das von ihm erwartete. Ihr Kopf glitt an seinem Bauch herab, bis er auf seinem Schoss liegen blieb. Ein kurzer Blick nach unten und er sah, dass Pansy sich wie ein kleines Kind neben ihm zusammengerollt hatte und darauf wartete, nun ihrerseits von ihm am Kopf gekrault zu werden. Draco gehorchte, wenn er sich des Gefühls auch nicht erwehren konnte, dass sie sich nur deswegen nach Streicheleinheiten sehnte, weil er vorhin gesagt hatte, dass es für Leute wie ihn kein Problem war, andere Menschen zu verletzen, solange die nicht tot waren. Pansy liebte die Märchen, die ihr Draco erzählte. Genau wie Crabbe und Goyle, die immer wieder wissende Blicke tauschten und Draco danach voller Bewunderung anlächelten. Draco hob eine Augenbraue und grinste zurück, tat so, als würden ihn ihre langweiligen Gespräche interessieren und beobachtete Potter weiter, der sich gemeinsam mit Weasley ein Buch von Granger erklären ließ. Trottel. Wie dumm musste man sein, wie wenig Selbstachtung musste man haben, wenn man sich von einem Schlammblut bei den Hausaufgaben helfen ließ? Er legte den Kopf schief und nahm die Gruppe der Gryffindors etwas genauer in Augenschein. Er sah Potter, das Wiesel, die Wieselin und Granger, doch noch ein weiteres Mädchen saß dabei. Sie hatte sich gegen den Stamm eines Baumes gelehnt und hielt ein Buch vor ihr Gesicht. „Wer ist die denn? Dort hinten, bei Potter? Die mit dem Buch?“ Crabbe spähte über seine Schulter nach hinten zu den Gryffindors, suchte mit den Augen die Personen ab und drehte sich danach wieder verwirrt zu Draco um. „Na, Granger.“ Draco schüttelte den Kopf und drückte Crabbes dicken Kopf zur Seite, um freie Sicht zu haben. „Nein, nicht Granger. Die andere“, sagte er und hob die Hand in Richtung des Mädchens, dass sein Buch umblätterte. „Die, die am Baum sitzt.“ Crabbe rutschte von Draco weg, hielt eine Hand über seine Augen, um nicht vom Sonnenlicht geblendet zu werden und drehte sich in Richtung Weidenbaum um. „Da sitzt doch gar niemand.“ Seine Stimme klang verwirrt und ein leiser Protest schwang darin. Draco biss sich auf die Lippen. Er wurde langsam ärgerlich und spürte, wie sich sein leidgeprüfter Magen vor Wut zusammenzuziehen begann. Dass Crabbe und Goyle nicht die Schnellsten im Denken waren wusste er ja, aber dass sie nun auch noch eine Brille brauchten... Er schob die protestierende Pansy von seinem Schoß und stand auf. „Da“, seine Hand zappelte ungeduldig in Richtung der Potter-Gruppe. „Da, am Baum, neben Granger. Seid ihr blind? Und“, er warf ihnen wütende Blicke zu, „ich meine nicht die Weaselette. Die andere, die mit dem Buch, die vor dem Baum sitzt. Die…“ Er brach ab, als er sah, dass das Mädchen ihr Buch sinken ließ. Bonbonrosa Haare leuchteten von der anderen Seite des Sees zu ihm herüber. Dracos Herzschlag beschleunigte sich, seine Atmung wurde flach und er begann zu zittern. „Da ist niemand!“ protestierte Pansy, unter ihm. Draco ließ seinen Arm sinken und drehte sich langsam zu Pansy um. Pansy, deren Haut blau war, wie von zu wenig Sauerstoff, und die ein riesiges Loch in der Stirn hatte. Er schrie entsetzt, torkelte ein paar Schritte nach hinten weg, bis er über Crabbes Beine strauchelte und fiel. Crabbe, der reglos und mit blutenden Augen neben ihm lag. Die Welt um ihn herum verschwamm. Er hörte jemanden nach ihm rufen. Die Welt drehte sich schneller und schneller um ihn, als er schwankend aufstand zwischen den Leichen, die überall verstreut am Boden lagen, hindurch taumelte. So vorsichtig wie möglich, darauf bedacht, keinen von ihnen zu berühren. Ging an Menschen vorbei, die keine Köpfe mehr hatten, stolperte, als sich seine Füße in Dädalus Diggels heraushängenden Därmen verhedderten und wich hunderten von roten und grünen Flüchen aus, die den Himmel wie ein Feuerwerk in allen Farben zum Leuchten brachten. Draco ging, bis er sich irgendwo in der Nähe des Verbotenen Waldes zusammenkauerte und darauf wartete, dass die Flüche enden würden. Als er zur nächsten Schulstunde kam, sagte er Pansy, Crabbe und Goyle, dass er eine Entzündung im Mittelohr hätte, weshalb er sie oft schlecht verstehen könnte und zum Beispiel vorhin nicht gehört hatte, als sie ihn zurückrufen wollten. Xxx Hermine verengte die Augen, kräuselte angestrengt die Nase und beugte sich nach vorne, um besser zu den Slytherins am Nachbartisch hinübersehen zu können. „Was ist denn mit Crabbe und Goyle los?“, fragte sie Harry, der gemeinsam mit den beiden Malfoy-Leibwächtern hereingekommen war, ohne ihn jedoch anzusehen. Harry kicherte und schüttelte den Kopf. „Wegen ihrer Schals?“ Hermine nickte. „Ja!“ Sie deutete mit kaum merklich mit ihrer Gabel in Richtung der beiden, „was soll das?“ „Wegen der Kakerlaken“, klärte Harry sie mit einem breiten Grinsen auf, gönnte Hermine keine genauere Erklärung, sondern biss mit wohligem Seufzen in seinen Hamburger. „Kakerlaken? Wo?“, quietschte Ginny erschrocken, die sich gerade mit einer zärtlichen Berührung von Harrys Hand neben ihn gesetzt hatte und nun nervös unter den Tisch schielte. Ron, der neben Hermine saß, war bleich geworden und zog die Knie an. „Hast du welche gesehen?“ Harry legte den Hamburger weg und grinste, als er verstohlen hinter sich deutete. „Crabbe und Goyle“, er biss sich auf die Lippen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen, krampfhaft darum bemüht, den Lachanfall doch noch zu stoppen. „Sie… sie haben mir auf der Toilette aufgelauert“, presste er hervor und sein Körper wurde vom ersten Lacher erschüttert. „Malfoy hat ihnen wohl gesagt, dass sie sich für die abgezogenen Hauspunkte rächen sollen. Er kann ja nicht, Kingsley passt ja auf ihn auf.“ Er nahm die Hände vom Gesicht und drehte sich halb zu den beiden um, schlug sich jedoch sofort wieder die Hände vor den Mund und fuhr herum, als ihn die Todesblicke von Malfoy, Crabbe und Goyle trafen. „Jedenfalls haben sie mir nach Verwandlung auf der Toilette aufgelauert und wollten mich wohl mit einem Kakerlaken-Kotz-Fluch belegen. Blöd wie sie sind, können sie aber nicht zielen. Also… die standen so…“ Harry nahm seinen Kelch und stellte in geringem Abstand rechts und links zwei Krüge daneben, um sowohl Abstand wie auch Größenverhältnis zwischen ihnen wiederzugeben. „Ich mache die Tür auf und gehe raus und sehe zwei braune Blitze direkt über meinem Kopf surren. Ja, und dann“, er schüttelte ungläubig über soviel Dummheit den Kopf und lächelte in die nun ebenfalls maliziös grinsenden Gesichter seiner Zuhörer. „Jedenfalls habe sie sich dann gegenseitig getroffen.“ „Und warum die Schals?“, fragte Hermine und nahm Harry einen der Krüge – Goyle? - weg, um sich Kürbissaft nachzugießen. „Naja“, er nickte und hielt sich den Mund zu, schloss die Augen und wartete einen Moment, bis er wieder ruhiger wurde. „Ich hab‘ sie ausgelacht, als ich bemerkt habe, dass sie sich gegenseitig getroffen haben. Sie wollten mich dann anschreien, aber jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachen, krabbeln ihnen die Viecher raus. Die Schals brauchen sie wahrscheinlich, damit es nicht so auffällt. Die rennen hier doch ständig mit offenem Mund rum.“ Harry zog eine Fratze und äffte den dümmlichen Blick mit offenstehendem Mund nach, den sie von seinen beiden Angreifern so gewohnt waren. Ginny grinste und winkte zu den Slytherins hinüber, die daraufhin alle drei die Handknöchel knacken ließen und die Köpfe zusammensteckten. „Macht keinen Unterschied“, kommentierte Ginny gelassen. „Malfoy hat eh kein Interesse daran irgendjemand anderen als sich selbst reden zu hören. Außerdem“, sie nahm sich ebenfalls einen Hamburger und prostete damit Harry zu, „sind sie sowieso viel zu fett. Das schadet überhaupt nicht, wenn sie mal ein paar Mahlzeiten aussetzen müssen.“ „Stimmt doch gar nicht“, protestierte Ron vergnügt. „Siehst du nicht, wie die kauen?“ Er ruckte mit dem Kopf hinüber zu Goyle, dessen Kiefer verräterisch mahlte. Sein angewiderter Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, was er gerade zwischen die Zähne bekommen hatte. „Die haben doch ihre knackigen Snacks immer dabei.“ „Du kannst es ja gerne auch mal probieren, Ron. Aber ich dachte, die Schnecken hätten dir damals gereicht. Vielleicht geben sie dir ein paar ab?“, scherzte Hermine, lächelte verheißungsvoll und hauchte leise: „Du musst sie nur küssen, und du wirst nie wieder Hunger leiden.“ „Na danke, Nein!“ Ron schüttelte angewidert den Kopf und lud sich seine dritte Ration Pommes an diesem Abend auf den Teller. „Da lass ich mich doch lieber von einem Dementor küssen. Nein.“ Sie scherzten noch eine ganze Weile weiter, stellten fest, was für eine gute Sache es doch war, wenn Crabbe und Goyle weder den Mund öffnen noch allzu abrupte Bewegungen machen konnten (weil ihnen dabei immer unbeabsichtigt der Mund aufklappte), beschlossen, Hagrid nach dem morgigen Quidditch-Spiel zu besuchen und stellten hunderttausend Vermutungen darüber an, wie Malfoy es schaffen wollte, einmal in seinem Leben gegen Harry zu gewinnen. Vermutlich war es einfach erleichternd und entspannend, über solch belanglose Dinge wie Quidditch-Spiele diskutieren zu können. Der einzige Grund, warum McGonagall wohl darauf bestand, diese Spiele weiterhin abzuhalten. Es lenkte die Schüler von anderen Sorgen ab… Ginny grinste siegessicher, nachdem sie ihren letzten Bissen Fast-Food hinuntergeschluckt hatte. „Vermutlich fällt der Jammerlappen eh vom Besen, bevor Madam Hooch auch nur „Los!“ schreien kann. Hat schon wieder nichts gegessen. Ist euch das aufgefallen? Seit McGonagalls Muggel-Wochen isst er nichts mehr zu Abend.“ Hermine spähte vorsichtig – und überflüssigerweise - zu Malfoy hinüber, denn natürlich war ihr das schon längst aufgefallen. Sie verkniff es sich hinzuzufügen, dass Malfoy allem Anschein nach auch zum Frühstück und zum Mittagessen nie etwas aß. Sie war schon immer gut darin gewesen, die Dinge, die sie an Leuten beobachtete, zu einer Theorie über deren Zustand und ihr Verhalten zusammen zu fassen. Malfoys Benehmen war in der letzten Zeit so bizarr - gepaart mit den Dingen, die sie über ihn wusste -, dass es keinen Meisterdetektiv brauchte um schlusszufolgern, warum der blonde Junge jeden Tag mehr einem Inferius glich. „Show, alles Show. Er will sich nur wichtig machen. Es würde mich nicht wundern, wenn er McGonagall erklärt hat, dass er so lange in den Hungerstreik tritt, bis er wieder Kürbispastete und Siruptorte kriegt.“ Ron grinste, nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher und stellte ihn unachtsam auf Hermines Teller. Sie verschränkte genervt die Arme und sah Ron finster an, doch er beachtete sie nicht. Hermine wusste, dass er den Becher nicht absichtlich auf ihrem immer noch halbvollen Teller abgeladen hatte. Er hatte einfach nicht darauf geachtet, weil er zu sehr mit Malfoy-Hassen beschäftigt war. Seiner Lieblingsbeschäftigung, die mittlerweile an eine Besessenheit der bösen Art grenzte. „Ich glaube nicht, dass es das ist“, warf Harry ein. Er verzog den Mund, beugte sich nach vorne, damit Ron und Hermine auch trotz seiner leisen Stimme alles hören konnten und erläuterte: „Ich denke nicht, dass es für ihn im Moment gut läuft. Oder?“ Hermine wollte schon erwidern, dass sie auch der Meinung war, dass Draco mit allem überfordert sei, doch Harry sprach schon weiter: „Wir müssen aufpassen. Er dreht jeden Tag mehr durch und ehrlich gesagt ist es mir bald egal, ob er absichtlich oder unabsichtlich eine Gefahr ist. Das mit diesen Kakerlaken ist ein Witz, aber das ist ihm auch klar. Er wird es nicht dabei bewenden lassen.“ Er faltete die Hände im Schoß flüsterte zu seinen Händen hinunter: „McGonagall und Kinsgley haben mir gesagt, dass ich ihn mit der Karte des Rumtreibers überwachen soll. Immer mal wieder, wenn er in Schulstunden fehlen sollte, nicht zu Mahlzeiten erscheint und vielleicht auch mal nachts. Ich denke nicht, dass sie noch viel Geduld mit ihm haben.“ Er lehnte sich wieder zurück, biss sich auf die Lippen und suchte Rons Augen, der nun wieder vollkommen ernst war und mit gesenkter Stimme murmelte. „Wir müssen reden, Harry, nachher. Es geht um… du weißt schon… Die Leute, die mein Vater aus dem Ministerium kennt. Lucius‘ Kollegen…“ Harry nickte stumm, drehte sich kurz zu Malfoy um und sah den anderen Jungen mit einer Mischung aus Wehmut und Entschlossenheit an. Hermine schluckte und dachte, dass es genau das war, was Harry jetzt dachte. Er würde es nicht gern tun, aber er würde es tun. Hermine war überzeugt, dass sie das Ganze nur deswegen so makaber fand, weil Malfoy, auf eine sehr dreckige, eklige Art, zu ihrem Retter geworden war. Seltsam sich vorzustellen, dass… „Was ist mit Dad? Mit wem hat er gesprochen?“, schaltete Ginny sich plötzlich ein. Ihre Stimme schneidend und forschend zugleich. Ebenso wie Hermine, würde Ginny nicht „mitmachen“. Vermutlich, da Mrs. Weasley das strengstens verboten hatte. Doch wenn Hermine Ginny so ansah, dann gab sie der Weasley-Tochter höchstens einen Monat, dann würde diese es geschafft haben, sich gegen ihre Mutter durchzusetzen. Und dann? „Ron und ich müssen jetzt gehen.“ Harry stand auf und löste sich aus Ginnys um ihn geschlungenen Armen. „Wohin?“, fragte Hermine, die schon aufgestanden war, um ihre beiden „Leibwächter“ zu begleiten. Ron schüttelte den Kopf und winkte ihr mit der Hand ab, als sie versuchte, sich ihnen anzuschließen. „Du weißt, dass wir darüber nichts sagen können.“ Hermine klappte der Mund auf und ihre Augen wurden riesengroß. „Jetzt…?“, flüsterte sie atemlos. Harry schüttelte den Kopf, er hatte verstanden, was sie meinte. „Nein, nur… also vielleicht bald. Aber wir gehen, hmm… üben.“ „Üben?“ „Wir dürfen nicht darüber reden, Hermine. Frag nicht weiter.“ Ron lächelte traurig, küsste sie und zog seinen Freund mit sich, der eben noch die Hand seiner Schwester gehalten hatte. „Ist es nicht komisch, sie so reden zu hören?“, fragte Hermine Ginny, ohne diese anzusehen. Sie war viel zu abgelenkt von Harry und Ron, die etwas weiter vorne am Tisch Neville etwas ins Ohr flüsterten und ihn zum Mitgehen aufforderten. „Schon“, stimmte Ginny mit bitterer Stimme zu, „Ich fühle mich immer so ausgeschlossen. Naja…“, sie zuckte die Schultern und stand ebenfalls auf, um Hermine, die langsam in Richtung Ausgang ging, zu begleiten. „Ich werde nicht lockerlassen, ich lasse mich nicht einfach wegschicken.“ Sie reckte trotzig das Kinn nach vorne und ging einen Schritt voraus, um für Hermine den Weg frei zu halten, da die immer noch keine allzu engen Kontakte zu anderen Schülern ertragen konnte. „Würdest du denn mitmachen?“, fragte Hermine die vorauseilende Ginny. Diese blieb abrupt stehen und drehte sich um. „Natürlich“, antwortete sie ohne jede Spur von Zweifel. So einfach, so entschlossen. „Das sind Voldemorts Leute. Darum geht es doch, diese dunkle Seite zu besiegen. Was für ein Mensch wäre ich denn, wenn ich nichts tun würde?“ Hermine nickte unsicher und lächelte freundlich, um einer Antwort zu entgehen. Ginny, die das als Zustimmung auffasste, ging weiter voran, während Hermine ihre Hände in ihrem Umhang vergrub und überlegte, was für ein Mensch SIE war, denn sie wollte es nicht. Xxx Draco befand sich in dreißig Metern Höhe, fühlte den Wind auf seiner Haut, der ihm die Haare aus der Stirn wehte und genoss das Gefühl der Gefahr und des Kampfes, das bei jedem neuen Spiel einen erregenden Adrenalinkick durch seinen Körper jagte. Seine Finger klammerten sich um den Besenstiel unter ihm, sein Körper war vom Haaransatz bis zur Zehenspitze angespannt und bereit. Er war heute morgen etwas nervös gewesen, nicht nur wegen des Spieles, auch wegen dem, was er außer gewinnen noch würde tun müssen. Er flog ein wenig höher, bis er direkt über Potter schwebte, der ihn nicht weiter beachtete, da er angespannt nach etwas Ausschau hielt. Draco wusste, dass er nur Harry beobachten musste, um den Schnatz zu finden. Klar, wenn er zufällig an ihm vorbei schwirren sollte, doch ansonsten würde es reichen, Potter zu folgen. Was er auch vorhatte, was sein Plan war. Er musste nur abwarten, bis Potter den Schnatz sah, und ihm dann folgen. Ein Quidditchmatch war immer eine schnelle Sache. Der Sucher selbst, der schnellste Spieler, sowie der kaum taubeneigroße Schnatz, waren noch schwerer für die Zuschauer zu verfolgen. So schwer, dass es immer wieder Momente gab, wo beide Sucher nicht zu beobachten waren. Es waren nur Sekunden, in denen sie vielleicht unter der Tribüne durchflogen, die Rückseite der Zuschauertürme streiften oder zwischen den hohen Bäumen des verbotenen Waldes abtauchten. Kurze Momente, kaum länger als ein Herzschlag während, aber Draco hatte geübt und auch wenn er nur einen einzigen Versuch haben würde, so wusste er doch, dass es zu schaffen war. Er musste nur warten, bis Potter die Verfolgungsjagd aufnahm und zu schnell wurde, um von der Menge richtig im Auge behalten zu werden. Er musste nur die Nerven behalten. Da! Potters Kopf bewegte sich unter ihm schnell hin und her. Draco senkte den Besen nach unten und verlor etwas an Höhe. Nun trennten ihn und Potter höchstens noch zwei Meter. Draco beugte sich etwas zur Seite und erhaschte einen Blick auf die Anzeigetafel. Gryffindor lag mit dreißig Punkten vorne. Nicht weiter schlimm, denn wenn Draco den Schatz fing, würde Slytherin immer noch mit hundertzwanzig Punkten Vorsprung gewinnen. Er gönnte sich einige Sekunden, in denen er nicht Potter, sondern den Verlauf des Spieles beobachtete. Weasley hatte gerade ein Tor gehalten. Draco knurrte und beschloss, nachher, wenn Potter ausgeschaltet war, dafür zu sorgen, dass der Idiot Weasley die Gryffindorniederlage in vollen Zügen zu spüren bekäme. Ihm würde schon etwas einfallen… Nur ruhig Blut, den Kopf bewahren. Draco sah etwas Goldenes hinter dem Tor der Slytherins aufblitzen. Er überlegte, ob er selbst zum Sinkflug ansetzen sollte, denn Potter hatte es noch nicht bemerkt, da er gerade von seiner Freundin abgelenkt war, die einen Klatscher ans Bein bekommen hatte. Eigentlich die Gelegenheit. Dennoch, nein, ruhig Blut und abwarten. Es würde ihm zumindest heute nicht reichen zu gewinnen. Er konnte erst dann zufrieden sein, wenn er Potter krankenhausreif bekommen hatte. Sollte er Potter vielleicht auf den Schnatz hinweisen? Nur, damit er endlich die Verfolgung aufnahm? Aber das ging eindeutig zu weit und wäre außerdem viel zu auffällig. Draco schloss die Augen und atmete tief durch. Er hustete und etwas vom Inhalt seines Magens schwappte zurück in seinen Mund. Er schluckte den scharfen Geschmack von Magensäure gemischt mit Feuerwhisky hinunter. So viel hatte er nicht getrunken, nur ein wenig, um ruhiger zu werden. Es ging ihm gut, seine Reflexe waren nach wie vor schnell und überhaupt fühlte er sich stark und absolut Herr seiner Lage. Er hatte zwar Snape gebeten, ihm etwas von der Droge, die er vor den Einsätzen nehmen musste, mit nach Hogwarts zu geben, doch Snape hatte dies mit einem anklagenden Verweis auf Lucius abgewiesen. Lächerlich, bei Draco war das doch etwas vollkommen anderes. Allmählich wurde ihm etwas übel, die Nervosität schlug auf seinen Magen. Und er… Potter setzte zum Sturzflug an! Draco beugte sich nach vorne und beschleunigte seinen Besen. Stromlinienförmig drückte er sich gegen seinen eigenen Taifun 3000, den sein Vater ihm nach einigem Drängen letzten Monat gekauft hatte. Draco war froh, die ganze Zeit schon den Zauberstab im Ärmel gehabt zu haben, denn jetzt wäre er nicht mehr dazu in der Lage gewesen, seine Bewegungen soweit zu koordinieren, seine Waffe aus seinem Schuh herauszupulen. Seine Atmung beschleunigte sich und sein Puls raste, während er mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf den Boden zuschoss. Potter direkt voraus, doch er kam näher. Beinahe hatte er den Schnatz, beinahe... Beinahe hatte Draco Potter. Er löste seine Hand vom Besen und streckte den Arm aus. Potters Fuß war nur wenige Handbreit von ihm entfernt. Er beugte sich nach vorne und versuchte den Besen noch weiter zu beschleunigen. Endlich! Er streckte den Arm so weit wie möglich aus und packte Potters Fußgelenk. Der zuckte zusammen und drehte sich um, feuerte wüste Beschimpfungen ab und Sekunden später war er schon wieder gerade, gewann sein Gleichgewicht zurück und jagte dem Schnatz, der entkommen war, fast senkrecht in die Höhe schießend, nach. Sehr gut, dort unten hätte es zu viele Zuschauer gegeben und wenn Madam Hooch auch wegen einem Foul pfiff, so dachten sie doch sicher alle nur, dass Draco Potter vom Schnatz hatte ablenken wollen. Fast richtig, aber nur fast. Denn es kam Draco ja vor allem darauf an, dass sie keine Zuschauer hatten. Das, was er eigentlich geplant hatte, würde dort hinten, wo sie jetzt hinjagten, viel besser gehen. Er kniff die Augen zusammen, ignorierte die Fliegen, die ihm durch den Gegenwind in den Mund flogen und fühlte sich wie ein Raubvogel, der im Flug seine Beute jagte. Sie näherten sich dem Verbotenen Wald. Draco wusste, dass der Schnatz nicht lange weiterfliegen würde. Er war so präpariert, dass er höchstens wenige Meter über den Verbotenen Wald flog und dann kehrtmachen musste. Sicherheitsmaßnahme. Doch das würde ihm reichem. Wenn er nur wenige Meter weiterflog… Draco löste erneut den die Hand von seinem Besenstiel und ließ seinen Zauberstab aus seinem Ärmel herausrutschen. Potter immer im Auge, wachsam darauf bedacht, seine Waffe nicht fallen zu lassen. Da! Jetzt! Potter tauchte zwischen zwei Bäumen ab! Draco beschleunigte sein Tempo, jagte hinterher und in dem Moment, als er zwischen zwei Tannen abtauchte, als Potter den Arm ausstreckte, um den Schatz zu fangen, schrie Draco: „Stupor!“ Perfekt! Es hätte nicht perfekter laufen können. Draco jubelte laut, als er sah, wie Potters erschlaffter Körper mit rasender Geschwindigkeit gegen einen Baum donnerte, zu trudeln begann und dann plump und schwer zu Boden stürzte. Den dumpfen Aufprall bekam er nicht mit, denn in dem Moment, als Potter aufschlug, umschlossenen seine Finger den Schnatz. Draco jubelte vor Glück, riss seine Hand in die Luft und küsste den Schnatz. Was für ein Sieg. Siegestrunken schreiend dachte er zwar daran, seinen Zauberstab sicher in seinem Umhang zu verstauen, nicht jedoch daran, nach vorne zu schauen… … wo die nächste Tanne vor ihm aufragte! Er erwachte mit dröhnendem Kopf. Er spuckte etwas aus, das er Sekunden später als Tannennadeln identifizierte. Er hustete und stellte fest, dass seine Lippen sich dick und geschwollen anfühlten. Etwas Feuchtes rann ihm die Wange herunter. In der rechten Hand flatterte immer noch der kleine Schnatz, so versuchte er die linke Hand zu seinem Gesicht zu führen um dort zu ertasten, was … doch… er schrie, als ein jäher Schmerz ihn durchfuhr. „Mr. Malfoy, da sind Sie ja. Oh je, das sieht nicht gut aus.“ Draco öffnete die Augen und sah Madam Hooch über ihm gebeugt. „Ich hab den Schnatz gefangen“, verkündete er stolz wie ein Sechsjähriger, doch immer noch etwas benebelt, als sich ihre Augen trafen. Sie lächelte und tätschelte ihm wohlwollend die Wange. „Ich weiß.“ Vor seinem Sichtfeld erschien ihre Faust. Draco versuchte, seinen Kopf zu bewegen, weil er dachte, sie wolle ihn schlagen, doch stattdessen hob sie drei Finger. „Wie viele Finger sehen Sie, Mr. Malfoy?“ „Drei“, antwortete er mit schwacher Stimme. Er öffnete die Augen weiter und sah einige missmutig dreinschauende Gryffindors, sowie einige sehr breit grinsende Slytherins um ihn herumstehen. „Nun ja, mit dem Kopf ist wohl alles in Ordnung. Besser als bei Potter.“ „Was ist passiert?“, fragte er scheinheilig und zuckte abermals zusammen, als er versuchte, seinen linken Arm zu bewegen. „Nicht bewegen. Der ist gebrochen. Wir bringen Sie gleich auf die Krankenstation.“ Draco drehte den Kopf zur Seite, immer noch etwas benommen, und würgte, als er einen weißen, spitzen Knochen aus seinem blutüberströmten Arm herausragen sah. Ein fester Druck lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen Ring weißen Lichts, der wie ein Druckverband um seinen Oberarm gewunden wurde. „Sie sind abgestürzt. Eventuell zusammengestoßen, als Sie und Mr. Potter den Schnatz fangen wollten. Hier zwischen den Bäumen ist das immer sehr gefährlich“, erklärte Madam Hooch freundlich. Draco nickte ihr zu, um zu zeigen, dass sie mit ihrer Angst um ihn durchaus Recht hatte. Er stöhnte noch etwas gequälter und genoss die Verunsicherung in den Augen seiner Teamkollegen. „Das tut wirklich sehr weh“, jammerte er, als er die besorgten Blicke dreier blonder Mädchen erhaschte, die sich wie ein Engelschor vor ihm aufgebaut hatten. Er stöhnte sogar noch etwas lauter, als Pansy neben ihm auf die Knie fiel und ihn wegen seines Armes bedauerte. „Gehen Sie bitte zur Seite, Miss Parkinson“, hörte Draco eine Stimme befehlen, bei der er am liebsten den Inhalt seines Magens nach außen verlagert hätte. Shacklebolt zog Pansy langsam, aber bestimmt von ihm weg und beugte sich über ihn. Die Art, wie er Draco ansah, gefiel ihm nicht. Ein wenig, als könnte er direkt in ihn hinein sehen. Oder als würde er… aber es konnte keine Legilimentik sein, Draco würde so etwas merken. Dennoch, er musterte ihn so prüfend, dass Draco sich mit einem Mal nackt und schutzlos, ja in die Falle gegangen fühlte. „Bringen Sie ihn hoch zum Krankenflügel!“, befahl Shacklebolt, zu Crabbe und Goyle gewandt. „Madam Pomfrey muss sich um seinen Arm kümmern.“ Draco ächzte und schrie vor Schmerz, als seine beiden Freunde ihn auf die Füße zogen. Diesmal nicht gespielt. Ihm war schwindelig. Vielleicht vom Whisky, vom Aufprall, vom Blutverlust oder vom Schmerz. Es war wohl die Mischung aus all dem, was ihn zum Würgen brachte. Pansy, auf deren Schuhe er sich übergeben hatte, kreischte angeekelt und sprang von ihm weg. „Möglicherweise Gehirnerschütterung“, kommentierte die unfallgewohnte Madam Hooch sachlich und deutete in Richtung Schloss. „Na, nun gehen Sie schon, Mr. Malfoy. Sie können doch laufen… oder haben sie sich auch ein Bein gebrochen?“ Draco schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Arm den Mund ab. „Nein“, murmelte er schwach. „Ich glaube“, er trat unsicher vom einen Fuß auf den anderen, „nur den Arm.“ Nur den Arm? Draco beugte sich nach vorne, um sich erneut zu übergeben. Diesmal aber vor Schreck. Er ließ den eben noch so begierig gehaltenen Schnatz los und stützte den verletzten Unterarm mit der freien Hand. „Nein, mir geht’s gut“, stammelte er und richtete sich wieder auf. Alles drehte sich vor ihm, ihm war immer noch schwindelig und sein Magen protestierte schon wieder. Trotzdem taumelte er einige unsichere Schritte von Crabbe und Goyle weg, hinüber zu Pansy, die ihm besorgt den Arm um die Schulter legte. „Das wird schon wieder“, krächzte er und spürte wie ihn zwei Hände packten, als ihm für kurze Zeit schwarz vor Augen wurde und er wieder umzukippen drohte. „Seien Sie nicht albern. Sie sind aus einiger Höhe gefallen. Seien Sie froh, dass Sie nicht Mr. Potter sind. Den hat der Sturz schwerer erwischt. Jetzt gehen Sie hoch und legen sich etwas hin, während Madam Pomfrey Sie verarztet.“ Die Quidditch-Lehererin lächelte ihm mit mütterlicher Sorge entgegen und wies Pansy an, ihn in Richtung Crabbe und Goyle zu ziehen, da sie ihm wohl doch nicht zutraute, ganz ohne Hilfe gehen zu können. Draco wurde langsam panisch. Sein Herz pochte immer schneller gegen seine Brust und er drückte seinen verletzten Arm so fest an sich, als habe er Angst, ein Fremder könnte versuchen, ihn zu stehlen. Ein Schmerz durchfuhr ihn, der ihn fast wieder straucheln ließ, als der zerstörte Knochen dabei ein Stück weiter aus dem Arm herausrutschte. „Das ist nichts, das wird wieder“, flehte er kläglich. „Also wirklich. Dein Knochen schaut raus. Natürlich musst du hoch.“ Pansy schob ihn gegen allen Widerstand, den er noch aufbringen konnte, hinüber zu Crabbe, der seinen gesunden Arm wie ein Schraubstock umklammerte und ihn wie ein kleines Kind mit sich zog. „Ich will aber nicht!“ Ihm wurde immer schwindeliger und er spürte, wie er langsam die Kontrolle über sich verlor. Als Goyle nach ihm griff, spuckte er ihm ins Gesicht. Dem, der vor ihm stand, er erkannte ihn kaum, trat er mit letzter Kraft in den Bauch. Er hörte sich selbst schreien, sah Farben an sich vorbeirauschen, als er sich mit aller Kraft loszuwinden versuchte. Er spürte den Schmerz in seinem Arm nicht mehr, bemerkte kaum noch, was um ihn herum geschah, denn all das war egal. Er wusste nur noch eines. Um keinen Preis der Welt wollte er in den Krankenflügel, wo Madam Pomfrey das dunkle Mal sehen würde. Den roten Lichtblitz, der ihn schockte, sah er nicht mehr… was vermutlich auch besser so war, denn der wissende Blick des Ex-Auroren, der ihn daraufhin mit einem Schwebezauber belegte und ihn begleitete, während Draco bewusstlos den Weg zum Schloss zurück glitt, hätte seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. xxx Hermine seufzte und rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. Voller Sorge sah sie zu Harry, dem von Madam Pomfrey heilende Salben auf die Stirn gestrichen wurden. Die Krankenschwester sah kurz auf, lächelte Hermine beruhigend zu, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. „Es ist nicht so schlimm, wie es aussah. Sicher, Schädelbruch, aber keine inneren Verletzungen. Er soll hier liegen und etwas schlafen.“ Madam Pomfrey richtete sich auf und griff nach einem Becher, dessen Inhalt sie dem halb bewusstlosen Harry behutsam einflößte. „Keine Sorge, Mr. Potter, Sie können morgen früh schon wieder gehen. Schlafen Sie jetzt.“ Harry verzog angeekelt seinen Mund, als die Medizin über seine Lippen floss, dann murmelte er etwas und Sekunden später wurde sein eben noch verspannter Körper schlaff und er ließ sich von Madam Pomfreys sorgenden Händen nach hinten betten. Hermine verschränkte die Arme und lehnte sich in den Stuhl, den sie neben Harrys Bett geschoben hatte und überlegte finster, wie schlecht diese Sache doch für ihre Freunde war. Wenn Harry, ausgerechnet Harry, so unaufmerksam wurde, dass er beim Fliegen einen Baum rammte, dann war doch offensichtlich, dass auch er unter diesen Plänen litt. Sie war dagegen. Zumindest sich selbst gegenüber konnte sie ehrlich sein. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde zu Mördern wurden und dabei, wie eben offenbart, ihr eigenes Leben in Gefahr brachten. Was war den eigentlich genau geschehen? Harry und Malfoy waren gemeinsam in den Wald hineingejagt, dann… war Harry abgestürzt und Malfoy war verschwunden. Harry wurde zuerst gefunden, da er nur wenige Meter vom Waldrand entfernt gefallen war. Man hatte Hermine sofort mit ihm hinauf in den Krankenflügel geschickt, während die anderen Malfoy suchten. Einige andere zumindest. Ron, Ginny und einige Slytherins lieferten sich wohl immer noch den Kleinkrieg, aufgrund dessen die anderen Lehrer zur Hilfe gerufen worden waren. Ob Harry und Malfoy einen Zusammenstoß gehabt hatten? Möglich… Ob Malfoy einen Unfall initiiert hatte? Noch möglicher. Ihr fiel wieder das ein, was Harry während des gestrigen Abendessens gesagt hatte. Dass Malfoy es nicht bei Kakerlaken belassen würde. Sie würde Harry morgen fragen. Hoffentlich erinnerte er sich dann besser als eben, als er eigentlich gar nicht mehr ansprechbar gewesen war, was genau geschehen war. Die Tür zum Krankenflügel öffnete sich. Schwere Schritte hallten durch den Flur und der Vorhang, den Madam Pomfrey um Harrys Kabine gezogen hatte, wurde vom Windhauch der geöffneten Tür bewegt. Die Schritte kamen näher bis sie direkt neben ihnen waren. Durch den weißen Vorhang hindurch sah sie die Umrisse eines zweiten Körpers, der auf das Nachbarbett gelegt wurde, sowie den Schatten eines großen Mannes, der näher kam. Der Vorhang wurde zur Seite geschoben und Kingsley steckte seinen Kopf in die Kabine herein. „Sind Sie bald fertig?“ Madam Pomfrey blickte überrascht auf. „Ja, warum?“ Kingsley verzog das Gesicht, zog seinen Kopf zurück und schob sich am Vorhang vorbei in die Kabine hinein. Er deutet mit dem Daumen hinter sich in Richtung der Nebenkabine. „Wir haben Draco Malfoy gefunden. Er hat einen offenen Bruch am linken Unterarm. Er wurde panisch, als er zu Ihnen gehen sollte.“ Er zog die Augenbrauen hoch und seufzte: „Wir mussten ihn schocken. Er hat die umstehenden Leute attackiert.“ „Hat er wieder getrunken?“, fragte Pomfrey in ahnungsvollem Tonfall. Sie sah noch einmal auf Harry hinab und strich ihm kurz über die schweißnasse Stirn. Dann wischte sie ihre Hände an ihrer Schürze ab und griff nach dem Tablett, das sie neben sich auf den Nachttisch gestellt hatte. Kingsley wartete, bis sie ihn wieder ansah. Ein nervöser Blick zu Hermine, dann trat er etwas näher an die Krankenschwester heran, als wolle er sichergehen, dass keine ungebetenen Zuhörer lauschen könnten. „Nicht viel, denke ich“, erklärte er flüsternd. „Er riecht etwas, aber immerhin konnte er ja noch recht gut Quidditch spielen. Er hat sich ein paar Mal übergeben. Vielleicht Gehirnerschütterung. Sehen Sie ihn sich mal an. Ich gehe wieder nach unten. Die Hausmannschaften sind ziemlich aufgebracht und nun werden alle Lehrer gebraucht um aufzupassen, dass die Situation nicht vollends entgleist. Rufen Sie mich, wenn“, er nickte in Richtung Malfoy, „wenn etwas vorfallen sollte. Ich komme aber später sowieso wieder vorbei. Also, falls dann noch etwas ist…“, er schenkte Hermine einen wissenden Blick und Hermine war klar, dass er an das dunkle Mal dachte, das Madam Pomfrey entdecken würde, „dann reden wir später darüber.“ Madam Pomfrey nickte und verabschiedete Kingsley, bevor sie sich wieder umdrehte und seufzend den Kopf schüttelte. Ein sorgenvoller Blick fiel auf Harry. Sie hob die Hände und massierte sich die Schläfe. „Also das nimmt langsam überhand mit diesem Jungen.“ Hermine wusste, dass sie nicht Harry meinte. Ihr Magen zog sich zusammen bei der Vorstellung, dass Malfoy abermals auf Ron losgegangen sein könnte. Madam Pomfrey angelte nach einer Phiole, die sie neben dem Bett auf dem Nachttisch abgestellt hatte, zog ihren Zauberstab und schob sich durch die Vorhänge hinaus in die Nachbarkabine. Hermine überlegte fieberhaft, ob sie Madam Pomfrey warnen sollte. Ob sie erfahren sollte, dass Malfoy… aber sie würde es ja gleich sehen. Und dann? Sie wollte etwas tun. Madam Pomfrey helfen, beschützen oder zumindest warnen… doch kein Wort kam über ihre Lippen. Bitter klangen Ginnys Worte in ihren Ohren: „Was für ein Mensch bin ich, wenn ich nicht gegen sie kämpfe?“, und da Hermine immer noch keine Antwort für sich selbst hatte, blieb sie sitzen und hoffte, dass Madam Pomfrey entweder kurzsichtig war oder Malfoy schlafen lassen würde. Das Rascheln von Stoff drang aus der anderen Kabine heraus. Wahrscheinlich zog die Krankenschwester Malfoy gerade aus. Hermine schlang ihre Arme um ihren Körper und biss sich auf die Lippen. Sie hörte Madam Pomfrey die Heilzauber sprechen, die den gebrochenen Knochen heilten und den Arm von herunterrinnendem Blut befreite. Sie würde es gleich sehen, das dunkle Mal. Voldemorts Brandzeichen für all diejenigen, die ihm auf Leben und Tod verpflichtet waren. Was würde Madam Pomfrey jetzt tun? Shacklebolt zurückrufen? Die Auroren zu ihrer Sicherheit einbestellen? Malfoy verhaften lassen? Nein! Stattdessen drang nur ein trauriges Murmeln von der anderen Kabine heraus zu ihr. „Dieser Junge, dieser dumme Junge…“, und bevor Hermine es verhindern konnte, sprach Madam Pomfrey den „Ennervate“. Auf der Bahre nebenan regte sich etwas. Füße scharrten auf der Liege, ein Körper rutschte über die Trage. Jemand hustete. Malfoy war wach… …und schrie. Erschrocken, panisch, entblößt. Und dann… ein weiterer Schrei. Madam Pomfreys Stimme. Sie hörte einen Schlag. Hörte, wie die Krankenschwester vor Schmerzen aufschrie. Glas zersplitterte auf dem Boden. Dann ein Blitz, ein Fluch und Hermine sah, wie die weißen Vorhänge der Nachbarkabine feuerrot aufloderten, als diese vom scharlachfarbenen Licht des Fluches erleuchtet wurden. Die Vorhänge bewegten sich, als etwas sie streifte. Ein dumpfes Geräusch, das unzweifelhaft von einem Körper verursacht wurde, der zu Boden fiel. Hermine hörte das Klirren zersplitterten Glases auf dem Fußboden und das ließ sie aus ihrer Erstarrung erwachen. Sie sprang vom Bett, stürzte an Harry vorbei und riss den Vorhang auf, der Harrys von Dracos Kabine trennte. Hermine schrie vor Schreck auf, als sie Draco, der sich gerade sein blutverschmiertes Hemd über die nackten Schultern zog, direkt vor sich sah. Zu seinen Füßen lag Madam Pomfrey. tot oder bewusstlos? Eine umgekippte Phiole, aus der eine scharf riechende Flüssigkeit herausrann, lag neben ihrer schlaffen Hand. Und ihren Zauberstab… hielt Draco in seiner Hand, der Hermine gerade entdeckt hatte. Erschrocken stolperte sie einige Schritte rückwärts, bis sie mit dem Rücken zur Wand stand, kramte hektisch in den Taschen ihres Umhangs bis ihr einfiel, dass ihr Zauberstab in der Nachbarkabine auf dem Nachttisch lag. Wieder war sie vollkommen schutzlos, ohne Zauberstab, in der Situation, von Malfoy mit erhobenem Zauberstab bedroht zu werden. Malfoys Augen verengten sich gefährlich. Sein Mund wurde schmal und gerade, während er sie observierte. Überlegte er nun, ob er auch sie töten sollte? Ob es nichts ausmachen würde, auch noch das Schlammblut zu töten, nachdem er schon die andere Person ausgeschaltet hatte, die von seinem gefährlichen Geheimnis wusste? Ein teuflisches Grinsen wuchs über Dracos Gesicht, während er langsam den linken Ärmel seines Hemdes hochkrempelte und das dunkle Mal auf seinem erhobenen Arm entblößte. Groß, viel größer als sie es sich vorgestellt hatte, war ein schwarzer Totenkopf zu sehen, aus dem sich eine dunkle Schlange herausschlängelte. „Weißt du, was das ist? Weißt du, was das heißt?“, flüsterte er leise und bedrohlich. Die Augen weit aufgerissen, blutig, nach Alkohol, Schweiß und Schmutz stinkend, wirkte er Furcht einflößend wie kaum jemals zuvor. Aber sie war nicht alleine, auch wenn es etwas albern war wie die Jungfrau aus dem Märchen um Hilfe zu rufen. „Harry! Harry…“ Weiter kam sie nicht, denn Malfoy war in einem einzigen Satz über Madam Pomfrey gesprungen. Er stöhnte tief, als würde es ihm Freude bereiten, als er Hermine mit seinem eigenen Körper gegen die Wand presste und ihr mit seiner rechten Hand den Mund zuhielt. „Kannst du nicht lesen?“, keuchte er und drückte sich so fest an Hermine, dass ihr Körper, der gegen die harte Mauer hinter ihr gequetscht wurde, schmerzte. Wilde Angst lähmte sie. Fast unfähig zu atmen, unfähig sich zu bewegen, überwältigt von Furcht dachte sie an den Moment zurück, als sich das letzte Mal ein Männerkörper so hart und unbarmherzig gegen sie gepresst hatte. Als sie das letzte Mal das heisere, erregte Stöhnen eines Todessers gehört hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, ihr Körper, den sie nicht mehr willentlich bewegen konnte, begann zu zittern, als sie erneut warmen Atem von oben herab über die Haut ihrer Wangen streichen spürte. Draco hatte die Augen so weit aufgerissen, dass die grauen Iriden wie kreisrunde Diamanten aus kaltem Feuer zu Hermine herabfunkelten. „Sieh genau hin“, zischte er und drückte Hermine das dunkle Mal hart gegen Augen und Nasenrücken, „Da steht: Stirb, Schlammblut!“ Noch einmal stieß er so hart gegen sie, als wolle er in sie eindringen. Ihre Schulterblätter schmerzten und ihr Hinterkopf wurde mit einem dumpfen Schlag gegen die Rückwand gedrückt. „Ein Wort, nur ein einziges Wort…“, hauchte er in ihr Ohr, „und du stirbst.“ Er ließ von ihr ab und wich einige Schritte zurück, hob noch einmal den linken Arm und das Mal darauf nach oben, dann rauschte er hinaus. Erst als sie die Tür des Krankenflügels zuschlagen hörte, knickten ihr die Knie ein. So lange hatte sie wie erstarrt an der Wand gestanden. Erst als die Starre nachließ, brach sie zusammen. Statt um Hilfe zu rufen, statt die Auroren und Shacklebolt zu verständigen, statt Harry zu wecken, statt all die vernünftigen Dinge zu tun, die ihr vorhin als letzter Rettungsanker in den Sinn gekommen waren, bevor die Angst sie überwältigt hatte, saß sie zusammengesunken, wie ein nutzloses Häufchen Elend auf dem Boden, zitterte und weinte und konnte nichts anderes tun als inständig zu hoffen, dass Malfoy nicht zurückkommen würde. Als Madam Pomfrey irgendwann von alleine erwachte erinnerte sie sich an nichts mehr. Statt die Krankenschwester aufzuklären, log Hermine, dass es nur ein unglücklicher Sturz gewesen sei. Malfoy sei gegangen und Madam Pomfrey während des Aufräumens gestolpert. Es war merkwürdig, dass sie sich an gar nichts mehr erinnern konnte. Dass sie sich nicht wunderte, ihren Zauberstab neben der Tür, die sie ja bewusstlos nicht hatte erreichen können, zu finden. Dass sie alles so gelassen und ohne zu hinterfragen hinnahm. Doch eigentlich, nein, nicht merkwürdig. Zweifellos hatte Malfoy das Gedächtnis der Krankenschwester manipuliert, doch Hermine hätte sich lieber die Zunge herausgeschnitten als dies laut auszusprechen. Sie hatte die Warnung verstanden. Xxx Draco lag in seinem Bett und überlegte, ob es überhaupt möglich war, sich selbst noch mehr Probleme zu bereiten als er ohnehin schon hatte. Man sollte doch glauben, dass er langsam einen Punkt erreicht hatte, an dem es nicht mehr schlimmer werden konnte. Frustriert drehte er sich zur Seite und betrachtete seinen entblößten Arm im grünlichen Schein, den die flackernde Kerze auf seinem Nachttisch durch die Vorhänge hereinwarf. Das Mal auf seinem Unterarm war nur schemenhaft, als dunkler Schatten, zu erkennen. Er schloss die Augen und dachte an die Nacht zurück, als eben dieses Mal in grünem Licht über dem Astronomieturm aufgestiegen war. In der Nacht, als er versagt hatte. Für sich selbst würde er diese Nacht als letzte Nacht seines Lebens bezeichnen, da das aber zu dramatisch klang, um es vor irgendjemandem zuzugeben, nannte er diese Nacht vor Freunden und seiner Familie „der Anfang“. Warum hatte er es nicht geschafft Dumbledore zu töten? Weil er kein Mörder sein wollte? Was nutzte das schon, wenn er es nur eine Stunde später doch geworden war. Aber das hatte er oben auf dem Turm ja noch nicht gewusst. Draco seufzte und drehte seinen Arm hin und her, so dass es aussah, als würde die Schlange sich um seinen Arm winden. Kein Mörder, von wegen. Aber gab es eine andere Lösung? Er musste es ja tun. Egal, wie sehr er es hasste, egal, wie sehr er die Leute hasste, die ihn dazu zwangen. Zum Beispiel seinen Vater, der ihn einfach im Stich gelassen hatte und ihm nicht half. Er hasste ihn fast so sehr, wie er sich selbst hasste. Und er hasste es, wenn irgendjemand dachte, dass all dies anders sein könnte. Vielleicht hasste er sogar Pansy und seine Freunde, weil sie ihn für diese Dinge bewunderten. Jedes Mal wenn sie ihn mit ihrem strahlenden Augen ansahen, wenn ihre Wangen vor Erregung glühten, wenn er ihnen etwas erzählte, würde er ihnen am liebsten ins Gesicht schlagen. Und, so musste er sich eingestehen, es gefiel ihm nicht, dass das Schlammblut dachte, dass er sie wirklich umbringen wollte. Sollte sie das glauben, könnte die Lage für ihn noch viel schlimmer werden. Nach dem Vorfall mit Weasley gab es für die anderen Schüler doch sicher keinen Zweifel mehr, was er zu tun imstande war. Wobei er sich Weasley gegenüber mit seinem Zustand entschuldigt hatte. Er verdrehte die Augen, als er daran dachte, wie McGonagall ihn dazu gezwungen hatte. Draco hatte es nicht ernst gemeint und Weasley hätte ihn am liebsten erwürgt. Doch man hatte Draco angewiesen, so wenig Ärger wie möglich zu verursachen. So tief war er schon gesunken, dass er seiner Familie zuliebe vor einem Weasley zu Kreuze kroch. Und trotzdem ging er los und verkündete jedem Gryffindor, den er traf, dass er ihn umbringen wollte. Sehr unauffällig. Wer sagte ihm denn, dass Granger nicht zu Shacklebolt gerannt war, um ihm ihr Leid zu klagen? Es stand außer Frage, dass Shacklebolt ihn bewachte. Jetzt mehr denn je. Doch das war nicht das einzige, was an diesem Gedanken quälte. Es war die Erinnerung an ihre panisch aufgerissenen, braunen Augen. Ihr bebender Körper, gegen den er sich gepresst hatte und der Ausdruck ihres Gesichtes. Die Todesangst, die darin geschrieben stand, als er sie an die Wand gedrückt hatte. Sie hatte es nicht sagen müssen, er hatte gewusst, woran sie in diesem Moment dachte. Er hatte es gewusst und ausgenutzt. Ein klein wenig hatte er die Macht genossen, die er dabei empfand. Es hatte sich gut angefühlt, das Schlammblut derart verzweifelt zu sehen. Ihm komplett untergeordnet, ihm bedingungslos ausgeliefert. Nur damit sie ruhig war. Nur damit sie still war und niemanden rufen würde, dem sie ihr gemeinsames Geheimnis ausplaudern könnte. Und Potter durfte es schon gar nicht wissen. Er hatte es doch tun müssen und doch… und doch… doch würde Draco den brennenden Schmerz in seinen Eingeweiden nicht los, der immer stechender und quälender wurde. Quälend wie das schlechte Gewissen, dass er sie in der Winkelgasse hätte sterben lassen. Sie wäre nicht sein erstes Opfer gewesen... Dennoch war Granger das einzige Opfer, das ihm Tag für Tag begegnete und ihn daran erinnerte, was er getan hatte. Der grausamste Gedanke von allen, der, dass das Mädchen davon überzeugt war, dass er es gern getan hätte. Dass er ein Mörder war, wie alle anderen Mörder auch. Nein, nutzlos. Es hatte keinen Sinn, das hier als Ausruhen zu bezeichnen, es war hier drinnen nicht ruhig. Draco zog den Zauberstab unter seinem Kopfkissen heraus, setzte sich mit einem leisen Stöhnen auf und schob sich durch die schweren Brokatvorhänge, die um sein Bett hingen. Es war nicht ganz dunkel hier drinnen, die wenigen Kerzen, die auch nachts brannten, spendeten ein spärliches, doch warmes Licht. Er fand seine Schultasche neben seinem Nachttisch, schlüpfte in seine Pantoffeln und stahl sich so leise wie möglich aus dem Schlafsaal hinaus. Er wusste nicht genau wie spät es war. Nach Mitternacht sicherlich, denn der Gemeinschaftsraum war leer. Draco schlich zu der großen Standuhr, die neben einem lebensgroßen Porträt von Salazar Slytherin stand und hob den erleuchteten Zauberstab vor das elfenbeinfarbene Zifferblatt. Ein Uhr… gut, diese Zeit war günstig. Um diese Uhrzeit konnte er einigermaßen sicher sein, dass ihm niemand in den Gängen begegnen würde. Doch vorher gab es noch etwas anderes zu tun. Er setzte sich an den Tisch, der ihm am nächsten war und packte Pergament, Tintenfass und eine Feder aus. Er hatte einen Brief zu schreiben. Draco kaute nachdenklich an seiner Feder, während er die vor ihm hin und her tanzende kleine Flamme der Kerze beobachtete, die er entzündet hatte. Was könnte er schreiben? Eine Entschuldigung? Wohl kaum. Erstens, weil es unter der Würde eines Reinblutes war, sich bei einem Schlammblut zu entschuldigen, zweitens, weil sie intelligent genug war um zu wissen, dass er es nicht ernst meinte. Diese ganze Sache war schon unwürdig und ehrverletzend genug, er wollte es nicht noch demütigender für sich machen. Aber irgendetwas musste er ihr schreiben. Nachdenklich verzog er sein Gesicht und kratzte sich mit der Feder hinter seinem Ohr. Als ihm etwas einfiel, tauchte er die Spitze der Pfauenfeder in das Tintenfass und schrieb. Wenn auch keine wirkliche Entschuldigung, wenn auch nicht sonderlich geistreich, so doch besser als nichts. „Du weißt, dass ich dich nicht umbringen will. Du weißt aber sicher auch, wie gefährlich es für mich wäre, wenn du irgendjemand etwas erzählst. Sag keinem etwas und ich verspreche, ich lasse dich in Ruhe. D.M.“ Xxx Draco drehte sich vor der Fensterscheibe hin und her, um sich von allen Seiten zu bewundern. Er zögerte etwas, dann hob er die Hände und befühlte seine Brüste. Er grinste dreckig, knetete sich selbst und überlegte, ob er auch mal probeweise die Hand in seine Unterhose stecken sollte. Er kniff die Beine zusammen und verfolgte interessiert, wie anders sich sein Körper doch anfühlte. Er drehte sich noch einmal zur Seite und presste seine Brüste nach oben. Das reife Gesicht einer unanständig vergnügt aussehenden Madam Pomfrey, die sich in den Schritt griff, sah ihm aus der Fensterscheibe entgegen. Draco würgte und ließ von sich ab. Er hätte sich in jemand anderen verwandeln sollen. Wenn er sich selbst schon als Frau befummeln musste, hätte er sich wenigstens in jemand hübscheren verwandeln sollen. Ginny Weasley eventuell oder in eine der Patil-Schwestern, die sahen wenigstens gut aus. Mit einem frustrierten Seufzen stieg Draco über die geschockte, am Boden liegende Madam Pomfrey und während er ihren faltigen Rücken betrachtete, beglückwünschte er sich zu dem Entschluss, sich erst zu verwandeln, nachdem er der Krankenschwester bereits ihren Morgenmantel abgenommen hatte. Sich selbst mit ihrem Körper ausziehen zu müssen, wäre alles andere als appetitlich geworden. Sämtliche Bemühungen in Pansys Gegenwart funktionsfähig zu sein, wären unwiederbringlich zum Scheitern verurteilt gewesen. Er überlegte, ob er es eventuell doch wagen sollte, einer der Patils Haare auszureißen und den nächsten Vielsafttrank nur zu seinem Vergnügen auf einer einsamen Toilette zu sich zu nehmen, aber andererseits hatte er nicht mehr allzu viel Reserven übrig und es würde ein Weilchen dauern, bis der Trank, den er selbst braute, fertiggestellt war. Er musste haushalten. Statt also weiter über die Möglichkeiten herumzuphilosophieren, die ihm Vielsafttrank bieten könnte, wanderten seine Gedanken zurück zu den Ampullen, die er bereits auf dem Tablett drapiert hatte, das auf Pomfreys Schreibtisch stand. Er hatte vorhin, gleich nachdem er Pomfrey geschockt hatte, in ihrem Medizinschränkchen herumgewühlt, bis er einige leere Ampullen fand, in die er seine zu deutlich nach Snape aussehenden Mitbringsel gefüllt hatte. Zudem hatte er noch einen Becher gefunden, den er ebenfalls auf das Tablett gestellt hatte. Es sollte funktionieren, es musste einfach funktionieren. Voldemort hatte ihm Zeit gegeben bis morgen. Sollte das Mal morgen bis zur Mittagsstunde nicht brennen, würde er sich auch ohne Ruf ins Manor begeben. Blaise war bereits instruiert, statt seiner Draco zu spielen. Noch ein Grund, warum der Vielsafttrank geschont werden musste. Nun ja, und es würde sich ja gleich zeigen, ob die nächste Begegnung mit Voldemort ein Grund zur Sorge sein würde. Mehr als ohnehin schon. Er öffnete die Tür von Madam Pomfreys Dienstwohnung, die direkt an den Krankenflügel anschloss und spähte verstohlen zur Tür hinaus. Der lange Saal lag ruhig im Dunkel der Nacht. Hier und da huschten Schatten an den hohen Rundbogen-Fenstern vorbei, die Bilder auf den vom weißen Mondlicht beschienenen Wänden malten. Draco sah zu beiden Seiten des Raumes lange Reihen von Betten im bläulichen Licht der Nacht weiß hervorleuchten. Nichts rührte sich, kein Geräusch war zu hören. Immerhin, das war zu erwarten, denn in keinem dieser Betten lag jemand. Nur ganz hinten, um das letzte Bett auf der rechten Seite, war ein weißer Vorhang zugezogen. Dort lag Potter und schlief. Vermutlich…zumindest war er nicht aufgewacht und hatte nachgesehen, wer es war, der vorhin gegen Madam Pomfreys Tür geklopft und gerufen hatte: „Ich bin‘s. Harry. Ich brauche Medizin.“ Draco schloss behutsam die Tür hinter sich und schlich so leise wie möglich durch die Reihen der Betten hindurch, zu Potter hinunter. Etwas beschämt dachte er daran, dass er der Krankenstation dieses Jahr selbst einige nicht sehr rühmliche Besuche abgestattet hatte. Das war nun wirklich nichts, worauf er stolz war. Viel stolzer war er hingegen auf seine Idee, Potter in den Krankenflügel zu bringen, um ihn danach als Madam Pomfrey auszuspionieren. Er war ein Slytherin. Er war gut im Pläneschmieden. Je verzwickter, desto mehr reizte ihn die Sache. Potter schlief, als Draco in dessen Kabine eintrat. Er verzog das Gesicht, denn sein Erz-Feind sabberte. Zudem sah er ohne Brille irgendwie… falsch aus. Er spielte mit dem Gedanken, Potters bestes Stück zu verhexen. Er könnte ihm eine ansteckende Geschlechtskrankheit verpassen, ihn körperlich deformieren oder vielleicht auch nur die Farbe ändern? Was würde die Wieselin dann sagen? Worüber würde sie sich wohl mehr freuen? Über ein heldenhaftes Gryffindor-Rot oder ein leuchtendes Slytherin-Grün? Aber nein, keine Zeit für Scherze. Er setzte sich an den Rand von Potters Bett, legte ein Hand hinter dessen Nacken und hob seinen Kopf leicht an. „Aufwachen, Mr. Potter, Sie müssen noch einmal Medizin nehmen“, hörte er sich selbst mit der beruhigenden, freundlichen Stimme von Madam Pomfrey sprechen. Der müde Junge blinzelte schläfrig, murmelte etwas, doch wehrte er sich nicht, als ihm die vermeintliche Krankenschwester Snapes Grüße aus dem Krankenstand übermittelten. Ein dümmliches Grinsen breitete sich auf Potters Gesicht aus, als ihm Draco Pomfrey fürsorglich über die Wange streichelte, seinen Kopf zu ihm hinüberdrehte und leise „Legilimens“ hauchte. Xxx Als er wieder ging, wünschte sich Draco, dass nicht Potter, sondern er einen Schädelbruch gehabt hätte. In diesem Fall hätte er sich freiwillig gleich noch mal vom Besen fallen lassen, denn dann wäre ihm das bevorstehende Gespräch mit Voldemort erspart geblieben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)