Fuchsjagd von Hotepneith (Der zwanzigste Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 5: Annäherungen ----------------------- Nori erwies sich als junge Dame mit etwas helleren Haaren als die anderen. Sie verneigte sich höfisch ehe sie Platz nahm, ihre Dienerin setzte sich neben Sakura an die Tür. Sesshoumaru wartete einen Moment, aber sie sah weder auf noch redete sie. Gut. Da war Kasori wohl die unrühmliche Ausnahme. „Der Herr der Füchse bat mich den Tod Lady Mailins aufzuklären. Was könnt Ihr mir über sie sagen?“ „Sie stammte vom Festland und einige ihrer Verhaltensweisen waren sehr...ungewohnt. Überdies mied sie unsere Gesellschaft. Lord Takeru sprach allerdings einige Male mit ihr.“ „So dass man annehmen konnte, er würde sie bevorzugen?“ „Ich kann dazu nichts sagen.“ „Wie schätzt Ihr die anderen Kandidatinnen ein?“ „Auch dazu kann ich kein objektives Urteil abgeben.“ Seine Lordschaft spürte, wie sich seine Hand verkrampfte und musste sie bewusst entspannen. Wollte ihn diese Nori ärgern? Sie verriet weder Angst noch Aufregung – und wenigstens das konnte er auch bei einem Fuchsdämon feststellen. „Ihr seid nüchtern genug, dass ich eine persönliche Einschätzung will.“ Nori hatte den Nachdruck gehört und wusste dass der Herr der Füchse diese Ermittlung angeordnet hatte. So neigte sie den Kopf ein wenig tiefer: „Lady Ruri ist eine vornehme, gut ausgebildete Dame und benimmt sich auch so. Sie ist stets gelassen und ich glaube, sie wäre eine Ehefrau für Lord Takeru, die seinen Sohn nach seinen Wünschen erziehen kann. Ayaka ist schön, nach meiner Meinung die Schönste von uns allen, und in allen weiblichen Künsten bewandert. Sie kann Laute spielen, zeichnen, Gedichte schreiben, kurz, alles, was einen Ehemann wohl gefallen sollte. Aber die Entscheidung liegt bei Lord Takeru, da der mächtige Kitsune no Kyuu seinem Sohn ja freie Wahl ließ.“ „Kasori fält aus diesem Rahmen.“ „Ich vermute, dass Ayaka und Lady Ruri bereits erwähnten, dass die arme Kasori nicht gerade höfische Kenntnisse hat.“ Sollte das heißen, dass er nach dem Hörensagen urteilte? Diesen Eindruck musste er korrigieren: „Ich habe mit ihr bereits gesprochen. - Warum nennt Ihr sie arm?“ „Sie stammt aus keiner vornehmen Fuchsfamilie. Allerdings rettete ihr Vater Lord Takeru einmal das Leben und aus diesem Grunde schlug der Herr der Füchse sie seinem Sohn vor. Sie fühlt sich hier nicht wohl und fehl am Platze, was die anderen ihr durch ihr Verhalten auch bestätigen. Sie spotten gern über sie, vor allem Ayaka. Ich gab ihr, wenn auch vergeblich, den Rat zumindest auf ihr Messer zu verzichten, das sie fast immer bei sich trägt.“ „Die anderen Damen. Auch Lady Mailin?“ „Auch diese. Wobei sie ja selbst nicht allzuviel von unseren Sitten verstand. Sie schminkte sich zu sehr, geradezu unvorteilhaft.“ „Ihr behandelt Kasori anders?“ „Ich urteile nie nach dem ersten Eindruck.“ „Wärt Ihr an einer Ehe mit Lord Takeru interessiert?“ „Sonst wäre ich kaum hier.“ Die junge Dame sah etwas auf: „Mein Bruder würde mich nie zu einer Entscheidung drängen, die mir zuwider ist. - Oh, ich verstehe. Ja, ich habe Lord Takeru bereits früher getroffen. Mein verstorbener Vater war einer der Ratgeber des Kitsune no Kyuu, so wie es mein Bruder nun ist.“ Und er hatte seinen Verstand offenbar gerecht an seine Kinder weitergegeben. Nori war mit Sicherheit die intelligenteste der Damen – nun, über Mailin konnte er kein Urteil mehr fällen. „An dem Theaterabend: wie lief das ab?“ „Wir wurden vom Haushofmeister hereingeführt. Ayaka setzte sich zuerst, ihre Dienerin hinter sie, dann Lady Ruri, Lady Mailin, Kasori und dann ich. Unsere Dienerinnen können das bestätigen.“ „Lady Mailin besaß keine.“ „Nein. Warum weiß ich nicht. Wie erwähnt, mied sie unsere Gegenwart. Entweder sie war bei ihrem Bruder oder mit Lord Takeru, wenn auch öffentlich, beisammen. Nur bei den offiziellen Veranstaltungen kam sie mit uns. Meist hielt sie sich an Lady Ruri.“ „Warum setzte sich Ayaka als erste?“ „Ich vermute – es ist nur mein persönlicher Eindruck, Lord Sesshoumaru, - dass sie annimmt, solcherart einen Vorrang zu demonstrieren.“ Wie angenehm, außer Sakura jemanden zu treffen, der sachlich zwischen Fakten und persönlicher Meinung trennte. Wenn das alle täten wäre sein Leben deutlich einfacher: „Kasori hat eine persönliche Dienerin, obwohl sie aus einer einfachen Familie stammt.“ „Ja. Ich halte das Mädchen allerdings für ihre Schwester.“ „Es fiel Euch niemand auf, der heraus- oder hereinging?“ „Nein. Es war dunkel im Raum und das Theater sehr amüsant.“ „Euch ist klar, dass Ihr damit gesagt habt, nur eine der Damen oder eine Dienerin könne Lady Mailin getötet haben.“ Sie neigte zustimmend den Kopf: „Das ist der zulässige logische Schluss daraus. Ihr seid in der Tat so sachlich, wie ich es erhoffte. - Überdies, selbst wenn jemand hereinkam, so hätte niemand den Kopf gewendet, da alle angenommen hätten, eine Dienerin sei es, die rasch....draußen war. Von den Damen verließ niemand ihren Platz.“ „So sicher?“ „Selbst Ayaka hätte an ihrer Dienerin vorbeigehen müssen. Überdies ist es in den prunkvollen Roben sehr schwer allein aufzustehen. Gewöhnlich hilft einem die Dienerin.“ Das stimmte. Also eine Dienerin – oder eben jemand, der hereinkam, sich wie eine solche verhielt, sich hinter Mailin stellte....? Gewagtes Spiel, aber denkbar. Nur, warum sollte Lady Mailin sterben? Oder doch nur irgendeine der Kandidatinnen? Und sie traf es, weil sie eben keine Dienerin hatte? Warum eigentlich nicht? Das sollte Sakura herausfinden. Sein eigenes Interesse noch einmal mit diesem seltsamen Lord Lian zu reden war doch recht gering. „Ich habe keine weiteren Fragen. Einstweilen.“ „Lord Sesshoumaru...“ Nori verneigte sich höflich, ehe sie aufstand und doch einmal den Hundeprinzen in das Gesicht sah. Was sie dort erblickte, schien ihr zu gefallen, denn sie lächelte.: „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr so ein junger Mann seid. Euer exzellenter Ruf als Ermittler drang bis zu uns vor.“ Sakura bemühte sich das gleiche Gesicht beizubehalten. Dieses Kompliment war so, dass er nichts sagen konnte – aber es bewies eindeutig, dass Nori durchaus Interesse an ihm zeigte. Nun, auch an Lord Takeru. Und der war wohl eher in ihrer Reichweite. Überdies mochte es möglich sein, dass sie nur am Verstand Seiner Eisigkeit Gefallen fand. Seine Lordschaft wartete, bis sie mit ihrer Dienerin den Raum verlassen hatte: „Sakura – rede mit den Dienstboten, sei es der Damen, sei es aus dem Schloss. Warum hatte Mailin keine Dienerin dabei und nahm auch niemanden aus dem Schloss?“ Sollte sie ihn darauf aufmerksam machen, dass das am ehesten wohl der Bruder der Toten wissen würde? Aber den wollte er wohl selbst befragen...Hm. So fragte sie nur: „Weitere Anweisungen, Lord Sesshoumaru?“ „Geh.“ Da Sakura den Haushofmeister vor der Tür entdeckte, beschloss sie, dass sie sich auch bei ihm erkundigen könnte: „Kosame-san, darf ich Euch im Auftrag Seiner Lordschaft etwas fragen?“ Er führte sie in ein leeres Zimmer und drehte sich um: „Nun?“ „Lady Mailin reiste ohne persönliche Dienerin hier an. Lehnte sie dann auch eine Eurer Füchsinnen ab?“ „Ja, in der Tat. Es war sehr eigenartig. Ich kenne keine junge Dame und gar Prinzessin, die ohne eine solche Begleiterin reist, schon aus Schicklichkeitsgründen nicht. Aber sie kam ja vom Festland.“ „Ja, und ihr Bruder war dabei...“ „Auch so eine seltsame Sache. Ich sollte zwar nicht darüber reden, aber Lord Sesshoumaru ermittelt ja im Auftrag des Herrn. Nori, auch eine der jungen Damen, reiste mit ihrem Bruder an – aber eben auch einer Dienerin. Und sie schläft auch im Frauentrakt, während Lady Mailin es stets bevorzugte bei Lord Lian zu schlafen. Diese seltsamen Sitten auf dem Festland....“ Kosame schüttelte etwas den Kopf: „Nun, das war allen bekannt, aber der Herr meinte, das sei dort wohl eben so Brauch. Nach den schwierigen Beziehungen zuvor wollte er sicher keinen Ärger...Ich muss schweigen. Wenn Lord Sesshoumaru da mehr wissen will, sollte er selbst den Herrn fragen.“ „Ich werde es ihm übermitteln.“ Oder eher wohl nicht, denn sein Auftrag war klar gewesen: den Grund, warum Lady Mailin keine Dienerin dabei gehabt hatte. Wirklich einfach die anderen Sitten auf dem Festland? „Eine Frage hätte ich noch, Kosame-san: sprach Lady Mailin unsere Sprache?“ „Ja, ebenso wie Lord Lian. Sie reden manchmal ein wenig eigenartig, aber das liegt eben daran, dass sie Fremde sind.“ „Ich danke Euch.“ Wenn sie japanisch sprachen, alle beide, sollten sie doch auf dem Festland auch mit einem Japaner in Berührung gekommen sein – und kannten dennoch die Sitten nicht? Wollten aber eine Ehe mit Takeru anstreben? Nun, sie würde das Seiner Eisigkeit mitteilen und dann sehen, ob er noch weitere Informationen wollte. Sie bog soeben um die Ecke, als sie eilig zurückwich. Es war wohl nicht der geeignete Zeitpunkt für eine Berichterstattung, denn soeben betrat Lord Lian das Gästezimmer des Hundeprinzen. Da sollte sie besser nicht stören, sondern sich unter dem weiblichen Personal noch einmal umhören. Vielleicht konnte ihr Lady Ruris Begleitung da weiterhelfen. Nori hatte doch erwähnt, dass, wenn Lady Mailin mit den anderen Damen beisammen war, hätte sie sich an Ruri gehalten. Sesshoumaru erkannte seinen unerwarteten und unerwünschten Besucher: „Lord Lian....“ Für empfindlichere Gemüter wäre der Tonfall Grund genug gewesen auf der Stelle kehrt zu machen. Lian schloss dagegen nur die Tür, ehe er mit ausgebreiteten Armen auf den Hundedämonen zuging: „Mein teurer, schöner Freund....Ich habe meine Neugier nicht länger unterdrücken können: Wie kommt Ihr voran?“ Drei Sätze und gleich drei gute Gründe für einen Mord, dachte Sesshoumaru grimmig und wich gerade noch möglichst unauffällig einer Umarmung aus: „Setzt Euch.“ Irgendwie kurz und höflich bleiben, das Gespräch beenden und diesen nervtötenden Besucher wieder loswerden. Der Herr der Füchse wäre sicher kaum erbaut, wenn er zwar den Mord aufklärte, dafür aber den Bruder selbst umbrachte. Politische Rücksichten waren wirklich eine Zumutung. Er nahm sich in diesen Sekunden fest vor, sich darum möglichst nicht zu kümmern, wenn er in langen Jahren sein Erbe antreten würde. „Aber ja, mein Wertester....Oh, Euer Haar ist so fein und weich....Ich wollte meines würde auch so fallen.“ Lord Lian hob seinen Zopf: „Könnt Ihr mir verraten, welches Mittel Ihr nehmt?“ „Keines.“ In der ruhigen Stimme lag schierer Mord. „Aber Ihr könnt mir eine Frage beantworten: warum hatte Lady Mailin keine Dienerin dabei?“ „Das fragtet Ihr mich bereits, mein Lieber.“ Der Fuchsprinz bemerkte nicht, wie nahe er in diesem Moment dem Tod war: „Wir wollten die Ausgaben so niedrig wie möglich halten. Überdies habe ich erst hier bemerkt, dass es wohl so üblich ist. - Ich kenne mich mit Frauenangelegenheiten nicht so aus, müsst Ihr wissen.“ Wieso starrte dieser Kerl ihn so an? Wusste er nicht, dass das unhöflich war, selbst, wenn man als Fürstensöhne gleichrangig war? Und dieses schräge Lächeln...? Irgendwie fühlte sich der Hundeprinz in der Falle. Was sollte das denn? Er würde sich doch nicht von so einem ausländischen Fuchs in die Enge treiben lassen? „Und dann nahmt Ihr auch keine Dienerin von hier?“ versuchte er sachlich zu bleiben. „Ich nehme nie eine Frau, Teuerster....“ Verstand der Fuchsprinz ihn doch nicht so richtig? „Für Eure Schwester.“ „Oh, nein, das war mir dann doch zu aufwendig und unangenehm, mit einer fremden Frau das Zimmer teilen zu sollen...“ Lord Lian lächelte: „Mit Euch sähe das natürlich anders aus.“ Der Kerl ging ihm mehr als auf die Nerven. Was wollte der denn bloß? So ähnlich sahen ihn auch immer wieder mal Dämoninnen an, wenn sie hofften, ihn in ihr Bett bekommen zu können. Moment mal. Das wurde ja immer schlimmer, falls sich sein Verdacht bewahrheiten sollte....Wie sollte er hier diplomatisch wieder herauskommen, ohne gleich einen internationalen Zwischenfall zu provozieren? Vater würde ihm das nie verzeihen.... Vater! Wo steckte eigentlich Sakura? Wo blieb sie? Es gelang ihm irgendwie seine Finger beiseite zuziehen, ehe Lord Lian sie fassen konnte: „Ich habe bedauerlicherweise keine Zeit für Spiele,“ hörte er sich sagen: „Der Tod Eurer Schwester ist noch immer ungeklärt....“ „Ja, ich verstehe schon...“ Der Fuchs lächelte erneut und zwinkerte: „Aber nach Eurer Lösung nehmt Ihr Euch ein wenig Zeit für mich, ja? Ich freue mich schon auf ein gemeinsames Bad....“ Das war das erste Mal, dass Sesshoumaru bei dem Gedanken an ein Bad ein Schauer über den Rücken lief. „Das liegt nicht zuletzt an dem, was der Kitsune no Kyuu entscheiden wird.“ „So förmlich, mein Schöner und so kühl...Ich freue mich schon.“ Zur unbedingten Erleichterung Seiner Eisigkeit ging Lord Lian mit einem letzten, gewinnenden Lächeln. ** Arme Lordschaft.... Wenn das so weiter geht, wird er doch noch Schuld an einem Asienkrieg. Das nächste Kapitel bringt nicht unbedingt Besserungen aber „Neuigkeiten“... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)