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17:59, it's Guinness Time

von

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»Sie sind so weich!«

Julius döst auf dem Beifahrersitz ein, als ich auf die Autobahn lenkte. Überrascht mich nicht, da er ja nicht fahren musste, hatte er sich nach der Zeremonie ziemlich voll laufen lassen. Als Trauzeuge hat er sich gut gemacht. Der Ring wurde weder vom Hund seiner Schwester, noch von den Tauben oder den Blumenkindern gefressen und er fiel auch nicht in einen Gulli, ins Klo oder kam anderweitig abhanden. Ich bin furchtbar stolz auf Julius – nicht.

Ich habe mich nach dem der Sektempfang eröffnet wurde, auch dazu hinreißen lassen einige Gläser zu trinken, da ich wusste, das ich als Begleitung des Trauzeugen die Hochzeit auch erst sehr spät verlassen werde und einfach früh genug wieder mit dem Trinken aufhören musste. Hatte ich getan, ich fühle mich recht nüchtern. Irgendwo, als Julius noch nicht total betrunken war und ich trotzdem noch gut angeheitert, haben wir uns darauf verständigt, erstmal die Diskussion zu vertagen. Tatsächlich machte danach die Hochzeit auf ihre Art Spaß. Ich habe mich mit allen möglichen Leuten unterhalten, sogar einen alten Schulfreund dort wieder getroffen, der mit dem Bräutigam irgendwie verwandt ist und irgendwann habe ich es auch gelassen, mich als Julius Begleitung vorzustellen, dann hielt mich auch niemand mehr für seinen Lover.

Alles in allem sind das die Gründe, warum ich Julius doch noch so spät mit nach Hause nehme und ihn nicht früher gegangen bin. Vielleicht lasse ich die Sache auch insgesamt einfach auf sich beruhen. Ich bin nicht der nachtragende Typ, allerdings fühle ich bei der Erinnerung an das Gespräch immer noch eine leichte Verärgerung. Immerhin hat er mich bevormundet und mich irgendwie als notgeiler Sack dargestellt, der jedem schwulen Schwanz hinter her steigt.

Okay, ich bin nicht nachtragend. Aber ich brauche manchmal etwas Zeit, um wieder ins Reine zu kommen. Ich schiele zu Julius, der sich selig im Land der Träume befindet. Wobei die Schlafpostion dermaßen unbequem aussah. Sein Kopf ist ziemlich weit nach hinten gebeugt und lehnte zwischen Autositz und Fensterscheibe. Vermutlich wird er morgen Nackenschmerzen haben, was ich ihm voll auf gönne. Er fängt leise an zu schnarchen. Naja, wenigstens kotzt er mir so nicht das Auto voll, das hätte der ganzen Sache den Rest gegeben.

Kurz nach vier sind wir dann endlich in unserem Wohnhaus angekommen. Ich rüttle ihn unsanft an der Schulter, da er sicher nicht in meinem Auto schlafen will.

»Julius, wir sind da!«, sage ich laut, als er auf das Rütteln nicht so recht reagiert. Er murrt nur und tatscht mit geschlossenen Augen nach meinen Händen. Offensichtlich um mich wie eine lästige Fliege zu verscheuchen. Ich seufze.

»Ey, komm, Julius, wach jetzt endlich auf!« Nochmal schüttle ich ihn etwas. Endlich ist er bereit ein Auge zu öffnen. Er schaut mich zerknautscht und verschlafen an, als wüsste er im Moment nicht, wo er ist.

»Isaac ...« Er lächelt mich debil an. Das hat er auch schon die ganze Zeit gemacht, als ich ihn Richtung Auto geschoben habe. Vielleicht hat mich das auch etwas versöhnlich gestimmt. Im Grunde weiß ich, dass Julius sich nicht unbedingt was böses gedacht hat, als er mir verschwiegen hat, dass er auch auf Kerle steht.

»Wir sind da«, erkläre ich ihm nochmal.

»Oh.« Er drückt sein Gesicht gegen die Scheibe, um nach draußen zu sehen, als würde er mir nicht glauben. Ich steige aus und öffne ihm die Autotür. Irgendwie traue ich ihm nicht zu, dass er es ohne meine Hilfe nach oben schafft. Er ist halt auch nicht mehr der Jüngste.

Ich helfe ihm aus dem Auto, lege seinen Arm um meine Schulter und schleife ihn mehr nach oben, als das ich ihn stütze. Vor seiner Wohnungstür lehne ich ihn ächzend gegen die Wand. Er grinst mich wieder nur debil an.

»Wo hast du deine Wohnungsschlüssel?« Keine Ahnung, ob er die Tür noch aufkriegen würde. Ich weiß noch, einmal war ich so besoffen, dass ich es nicht geschafft habe meinen Schlüssel in das Loch zu stecken und habe deshalb die Nacht über auf der Treppe gepennt. Erschien mir zu dem Zeitpunkt sinnvoll. Nachdem ich mit Halsschmerzen und mörderischen Schmerzen im Rücken aufgeweckt wurde, kam mir die Idee nicht mehr so gut vor. Und das will ich Julius ersparen.

Julius tastet fahrig seine Hosentaschen ab, stülpt sie mit trägen Bewegungen um. Bis auf ein paar Fussel und … Hundeleckerlies? findet er nichts. Das ist nicht sein Ernst, oder?

»Du hast deine Schlüssel verloren?«, frage ich ihn entnervt. Junge, was ist dem mit dem Kerl los? Wir waren schon so oft einen Trinken, aber das habe ich noch nicht erlebt. Normal ist er, genau wie ich, ein verhältnismäßig vernünftiger Trinker. Deswegen gehe ich auch so gerne mit ihm weg. Das hier im Moment nervt.

»Weiß nich ...«, nuschelt er.

Hilft ja alles nichts. Ich kann schon froh sein, wenn Julius noch weiß, wie er heißt. Wo seine Schüssel sind, wird ihm auf die Schnelle vermutlich nicht einfallen. Ich schleife ihn zu mir in die Wohnung, lasse ihn ächzend auf mein Sofa fallen. Mein Sofa ist nicht das superbequemste zum Schlafen, aber besser als eine Treppe alle mal.

Unzufrieden starre ich auf Julius runter, der betrunken zu mir hoch sieht.

»Meine Mutter mag dich. Ich glaub, die findet das Schade. Also das du … du und ich nicht… und so.« Er bricht ab. Auf der Party hat sich Gisela nochmal bei mir entschuldigt und sich bei mir bedankt, dass ich so ein guter Nachbar bin und wie froh sie darüber ist, dass Julius so nette und hilfsbereite Leute im Haus hat. Über die ganzen Komplimente konnte ich mich nicht so recht freuen, da ich zu diesem Zeitpunkt immer noch etwas schlecht auf Julius zu sprechen war. Allerdings habe ich genickt und gelächelt. Meiner Erfahrung nach die beste Möglichkeit, um mit Frauen umzugehen.

»Auf dem Tisch steht eine Flasche Wasser.« Ich werde nicht auf das Thema mit seiner Mutter eingehen. Julius wird eh gleich wieder einnicken. Das Wasser steht noch von gestern dort, wird ihm aber gut tun, wenn er mitten in der Nacht mit einem Mordsbrand aufwachen wird.

»Weißt du … ich hatte mehr Beziehungen mit Frauen … aber mehr Sex mit Kerlen«, nuschelte er wieder. Seine Arm hat er über sein Gesicht gelegt und es wirkt kurz so, als würde er zu sich selbst reden. Will er hier was erklären? Eigentlich habe ich keine Lust irgendwas über seine Beziehungen zu hören. Ich beschließe zu gehen.

»Ich dachte, es wird so leichter mit uns«, ruft er mir nach. Er hat sich halb aufgerichtet, starrt mir nach. Das wieder. »Wir hatten doch keinen Bock auf Beziehung und ich geh gern mit dir weg.«

Ich sage nichts dazu, seine Gründe hat er mir schon erläutert und folgen kann ich ihm bei der Argumentation, gutheißen tue ich sie trotzdem nicht. Hätten wir nicht einfach weg gehen können, einen trinken, wenn ich gewusst hätte, das Julius bi ist? Wegen was macht er sich Stress? Wir sind keine Teenager.

»Hattest du nie was mit Frauen?«, fragt er mich aus dem Zusammenhang gerissen. Warum habe ich überhaupt inne gehalten? »Sie sind so weich!«

Mit diesen Worten schlage ich mein Schlafzimmertür hinter mir zu. Nein, ich hatte nie etwas mit Frauen. Sobald ich mir Gedanken über meine Sexualität gemacht habe, wusste ich auch, dass ich nicht auf Frauen stand. Warum herumexperimentieren, wenn man es weiß? Aus dem Grund hatte ich in meiner Schulzeit wenig Freunde. Mit dem weiblichen Geschlecht komme ich nicht so gut klar, wie man sich das bei Schwulen immer vorstellt und die meisten Typen auf meiner Schule sind auf Abstand gegangen, weil sie wohl Angst hatten, ich würde sie anbaggern. Verprügelt wurde ich nie, oder offen dumm angemacht, aber akzeptiert haben sie mich auch nicht recht.

Während des Studiums wurde es besser. Da ist alles nicht mehr so eng und auf Klassen begrenzt und sowieso alles lockerer. In der Zeit habe ich auch viele Beziehungen gehabt.

Ich war nicht der Typ für One-Night-Stands oder Casual-Sex, wie ich es bei vielen erlebt habe. Deswegen hat es lange gedauert, bis ich wirklich mal jemand hatte. Meine Ansprüche sind dabei nicht so hoch gewesen. Musik- und Modegeschmack, völlig überbewertet. Gemeinsame Interessen? Man geht sich doch nur auf die Nerven, wenn man zu viel Zeit miteinander verbringt. Hauptsache man versteht sich und ist sich treu. Offensichtlich reicht das nicht aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  inkheartop
2011-12-14T21:30:06+00:00 14.12.2011 22:30
Mein Gedankengang:
"Oh. Interessanter Titel? ... aber, hm, irgendwie klingt die Kurzbeschreibung da komisch... egal." *klickt* "Oh. Hört sich ganz nett an. Hm. Lesen? Es ist schon spät. Ich muss noch lernen. Lesen? ... OH! Ein NaNoWriMo!" *mit lesen anfängt*

Ehrlich, ich hätte es wahrscheinlich nicht gelesen, wenn du nicht dazu geschrieben hättest, dass du beim NaNoWriMo mitgemacht (und wie ich sehe sogar gewonnen hast, Herzlichen Glückwunsch!). Ein Glück hab ich's getan! Mir gefallen die Charaktere sehr, sie sind... hm... alltagstauglich, haben eine gute Chemie, die Sprache passt dazu. Außerdem habe ich Respekt vor Menschen, die ordentlich in der 1. Person schreiben können, ohne dass es ausgelutscht klingt, ohne dass es hölzern klingt. Ich hätte mir manchmal ein paar Details weniger gewünscht, aber okay, so was gehört auch zu nem Stil dazu.

Ich werd's auf jeden Fall weiter verfolgen. Jetzt gleich sogar, weil gerade ein neues Kapitel veröffentlicht wurde, wie ich sehe :D


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