Indian Summerrain von caramel-bonbon ((KaRe) Küsse im Monsun) ================================================================================ Kapitel 1: Wie ein Sonnenuntergang in der Sahara ------------------------------------------------ Seine Konzentration war weg. Viel zu heiß war es im Raum. Er bekam kaum noch Luft und seine Haare klebten im Gesicht, genau so, wie das Hemd unter dem Anzugjackett an seiner Haut klebte. Der Ventilator rasselte vor sich hin und blies ihm heiße Luft ins Gesicht. Selbst das Glas, das vor ihm auf dem Tisch stand, war mit warmem Wasser gefüllt und die Fliege, die unaufhörlich von einer Schulter zur nächsten schwirrte, raubte ihm den letzten Nerv. Wie zum Teufel konnte es auch passieren, dass die alte, scheppernde Klimaanlage kaputt ging? Unter anderen Umständen wäre das ja kein Problem gewesen, aber es war Frühsommer und Kai Hiwatari saß in einem Konferenzraum in Indien. Er hatte sich eigentlich erhofft, dass die Geschäftsreise eine nette Abwechslung zur sonst eher eintönigen Arbeit, die er zu verrichten hatte, doch nun, da er in diesem Raum saß, mit neun anderen Geschäftspartnern, und diesem Inder mit dem alten braunen Anzug zuhören musste, wie er in unverständlichem Englisch versuchte, ihnen etwas zu erklären, bereute er es bitterlich. Hinzu kam noch, dass er nicht einmal wusste, wie lange er hier sein musste. Er war erst am Abend zuvor angekommen und wäre am liebsten schon da ins nächste Flugzeug gestiegen, das ihn nach Hause brachte. Nur dummerweise hatte er es seinem Chef versprochen, ihn an der Konferenz als einen seiner besten Männer zu vertreten, und was tat man nicht schon alles für eine etwaige Beförderung. Oder sei es nur eine Lohnerhöhung. Aber dass dann auch noch die Klimaanlage kaputt ging, war zu viel des Guten. Er konnte es kaum noch erwarten, endlich nach draußen zu kommen und diesem ekelhaft stickigen Raum zu entkommen, in dem es bestimmt noch heißer war als draußen. Jedoch wurde er sogleich eines Besseren belehrt, als er durch die gläserne Eingangstür des Bürogebäudes auf eine Straße Neu-Delhis schritt. Die drückende trockene Hitze und die direkte Einstrahlung der Sonne trieben ihm erbarmungslos den Schweiß auf die Stirn. Beim nächsten Laden, an dem er vorbei ging, kaufte er sich eine Halbliterflasche gekühltes Mineralwasser und kontrollierte, ob der Deckel auch noch original verschlossen war. Die Verkäufer in Indien neigten ja angeblich gerne dazu, gebrauchte Flaschen einfach wieder aufzufüllen und so zu verkaufen. Doch der Verschluss war noch nicht geöffnet worden. Wenigstens etwas Erfreuliches an diesem Tag. Es war ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit, während dem er in der Menschenmenge, die zu beiden Seiten an ihm vorbei strömten, stehen blieb um sich die Flasche an den Mund zu setzen. Ein Junge, nicht älter als zehn, elf Jahre, rempelte ihn beim Vorbeirennen an. Fluchend wischte er sich mit dem Ärmel über Mund und Kinn, wo er das Wasser verschüttet hatte und schaute ihm wütend hinterher. „Entschuldigung“, rief er in Englisch und grinste ihn schamlos frech an, da traf Kai beinahe der Schlag. Der Junge hielt sein Portemonnaie in der Hand. „Du! Bleib stehen!“, brüllte er und lief ihm sofort hinterher. So gut es eben ging wich er den Leuten aus, zwischen denen sich der Taschendieb flink hindurchschlängelte. Die Aktentasche war mehr als hinderlich bei dieser Hetzjagd, doch er hatte es seiner durchaus guten Kondition zu verdanken, dass er dem Dieb trotz der Hitze einigermaßen folgen konnte, der gerade in einer Nebenstraße verschwand. Außer sich vor Zorn bog er um die Ecke in die im Gegensatz zur Hauptstraße beinahe Menschenleere Straße und sah, wie ein junger Mann von der Seite eiligst auf den Dieb zu rannte und ihn fast schon grob am Arm packte und herumriss. Wütend stapfte er auf sie zu. Er konnte sehen, dass der Junge ihm immer wieder eingeschüchterte Blicke zu warf, die ängstlicher wurden, je näher er kam. Als er außer Atem bei den beiden ankam, hörte er gerade noch die letzten Worte seiner wohlverdienten Predigt. „Ist das Ihre Brieftasche?“, fragte der junge Mann und lächelte ihn an, in der einen Hand Kais Portemonnaie, die andere Hand noch immer den dünnen Arm des kindlichen Taschendiebs fest umschließend. Kai nickte und streckte die Hand aus. „Entschuldige dich bei ihm“, sagte der Retter seiner Geldbörse in harschem Ton zum Jungen. Trotzig blickte er zu Boden und murmelte irgendetwas Unverständliches und Kai fragte sich, ob es eine Angewohnheit der Inder war, unverständlich zu sprechen. „Noch einmal, und du kannst was erleben!“, fauchte Kai und steckte sich sein Portemonnaie zurück in die Tasche. Der junge Mann ließ los und sogleich suchte das Kind das Weite. Kopfschüttelnd schaute er ihm hinterher. „Sie müssen besser aufpassen“, hörte er plötzlich tadelnde Worte, die eindeutig ihm galten. Überrascht blickte er den fremden jungen Mann an, der vor ihm stand, beide Arme in die Hüfte gestemmt. Es war das erste Mal, dass Kai ihn überhaupt richtig ansah. Vorhin war er zu konzentriert auf den Taschendieb gewesen, der gerade mit seinem halben Leben davon lief, als dass er dessen Erscheinungsbild bemerkt hätte. Doch nun, da er ihn zwangsläufig ansehen musste, stieg in ihm die Hitze auf und er war sich sicher, dass das nicht an der vorherrschenden Temperatur lag. Der junge Mann war eindeutig kein Inder. Asiatisch, ja, aber schon an dem Englisch, das er sprach, konnte er erkennen, dass er kein Inder war. Außerdem war seine Haut viel zu hell, immer noch dunkler als seine, aber wie flüssige Bronze. Die Haare waren schwarz wie Kohle und unglaublich lang, in einen losen Zopf gebunden und schimmerten seiden. Das Gesicht hatte klare Züge, eine absolut gerade Nase, hohe Wangenknochen und einen verboten sinnlichen Mund. Und die Augen, die ihn tadelnd musterten, funkelten ihn honiggelb an. Er war wie ein Sonnenuntergang in der Sahara. Unfähig, in diesem Moment auch nur ein Wort zu sagen, hob er die Wasserflasche zum Mund, um sich die ausgetrocknete Kehle zu benetzen. Doch sie war leer. Er hatte vergessen, sie zu schließen und während der Hetzjagd musste er alles verschüttet haben. Ein amüsiertes Lachen drang an seine Ohren. „Was ist so lustig?“, fragte er kühl. „Heute ist wohl nicht Ihr Tag“, stellte der Fremde fest und zuckte mit den Schultern. „Nein“, erwiderte Kai knapp und schleuderte die leere Plastikflasche in den nächsten Abfalleimer. „Kommen Sie, ich werde Ihnen ein neues Wasser besorgen.“ Kai war mitgegangen. Wortlos hatte er sich eine Wasserflasche in die Hand drücken lassen, die er nun gierig bis zur Hälfte leerte. Das Jackett hatte er mittlerweile ausgezogen, wozu er vorher schlicht nicht gekommen war. „Danke“, brummte er vor sich hin und bemühte sich nicht wirklich, dass der andere ihn hörte. „Gern geschehen“, erwiderte dieser jedoch und lächelte. Kai bemerkte, wie ihm dabei erneut die Hitze in die Wangen stieg und wandte sich schnellstens wieder der Flasche zu. „Sind Sie geschäftlich hier in Delhi?“, fragte der Asiat und musterte neugierig seinen Anzug und die Krawatte, die nun lose um den Kragen des Hemdes fiel, dessen oberste Knöpfe er vor wenigen Minuten geöffnet hatte. „Hn“, brummte Kai und trank noch einen Schluck. „Sie sind wohl nicht gerade sehr gesprächig“, bemerkte der andere mit einem amüsierten Lächeln. „Nein“, bestätigte Kai, worauf er seufzte. „Na gut, entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, ich werde Sie dann nicht mehr weiter belästigen.“ Kais Blick verdüsterte sich unmerklich. Eigentlich hatte er die Gegenwart einer angenehmen Person hier in Indien etwas vermisst. Nicht, dass er sich jemals nach Gesellschaft sehnen würde, aber hier in Indien waren die Menschen seiner Meinung nach einfach nur unerträglich. Schon dass sie ihn anstarrten, als wäre er ein Außerirdischer, was wahrscheinlich an seinem europäischen Aussehen lag, mochte er überhaupt nicht. Er schluckte. Kein Wort wollte über seine Lippen, stattdessen spürte er sich nicken und der andere war mit einem Lächeln und einem kleinen ‚see ya’, verschwunden. Seufzend warf er sich sein Jackett über die Schultern und machte sich auf die Suche nach einer Rikscha, die ihn zu seinem Hotel bringen würde, da er weder wusste, wo sich dieses Hotel von hier aus befand, geschweige denn, wo er selbst war. Zwei Tage vergingen, während denen Kai beinahe stündlich hoffte, dass die täglichen Konferenzen endlich Resultate zeigten. Doch auch an diesem Abend musste er feststellen, dass sie davon noch meilenweit entfernt waren. Nicht einmal die Klimaanlage hatten sie geschafft zu reparieren. Er fühlte sich immer noch nicht wohl hier und mit den Menschen konnte er auch noch immer nichts anfangen. Überlegend, wo und was er zu Abend essen wollte, stellte er sich in die Reihe vor einem kleinen Kaffeestand. „Wie, dann sind Sie hier in Indien und trinken Kaffee?“, sagte eine Stimme plötzlich neben ihm. Kai wandte den Kopf zur Seite und erkannte den jungen Mann, der ihm vor ein paar Tagen geholfen hatte, seine Brieftasche zurück zu erobern. „Sagen Sie, verfolgen Sie mich etwa?“, fragte Kai übertrieben genervt, worauf der Asiate lachte. „Keineswegs, ich habe lediglich einige Einkäufe gemacht und Sie dann beim nachhause Gehen hier anstehen sehen“, erwiderte er und hob zwei Tüten in die Höhe, um seine Worte zu unterstreichen. „Und sich hier in Delhi zweimal über den Weg zu laufen grenzt an eine Seltenheit“, fügte er noch hinzu. Kais rechter Mundwinkel zuckte. In der Tat hatte er nicht damit gerechnet, ihm noch einmal durch Zufall zu begegnen. „Und da dachten Sie, Sie müssten mich eines Besseren belehren?“, hackte Kai nach und nahm seinen ersehnten Kaffee entgegen. „Nein, ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte sagen sollen“, sagte der Asiate wahrheitsgemäß und lächelte etwas verlegen. Kai fragte sich, ob dieser Typ immer so gut gelaunt war und musterte ihn aus den Augenwinkeln. Er sah noch immer so gut aus wie bei ihrer ersten Begegnung und das weiße Leinenhemd ließ ihn strahlen. „Verraten Sie mir Ihren Namen?“, fragte er plötzlich und schaute ihn erwartungsvoll an. „Hiwatari Kai“, antwortete Kai knapp. „Rei“, erwiderte der Asiate erfreut. „Nun denn, Kai, möchten Sie bei mir zu Abend essen?“ Kai hätte sich beinahe an seinem Kaffee verschluckt, damit hätte er als Letztes gerechnet. „Wieso?“, fragte er deshalb. „Ich dachte mir, vielleicht könnten Sie etwas Gesellschaft vertragen. Sie scheinen sich ja hier nicht gerade wie zu Hause zu fühlen. Außerdem bin ich sowieso alleine und ich habe viel zu viel eingekauft und die Gastfreundschaft in diesem Land drängt sich einem regelrecht auf, also haben Sie eigentlich keine andere Wahl, als mit mir zu kommen“, erklärte Rei amüsiert. „Keine Angst, ich habe kein Indisch eingeplant“, ergänzte er noch auf Kais skeptischen Blick hin bezüglich des Inhalts seiner Tüten. „Naja“, zögerte Kai und rieb sich seinen Nacken. „Warum eigentlich nicht“, gab er dann nach. „Schön“, lachte Rei und deutete ihm dann, ihm zu folgen. Kai staunte nicht schlecht, als er die Wohnung betrat. Sie war zwar indisch eingerichtet, doch groß und hell und in angenehm warmen Farben gehalten. Dunkles Holz dominierte die Einrichtung und er konnte sich gut vorstellen, dass auch er sich hier durchaus wohl fühlen würde. „Machen Sie es sich ruhig gemütlich, ich bringe Ihnen einen guten, indischen Tee“, meinte Rei augenzwinkernd und zeigte auf einen nicht mal kniehohen Tisch, um den herum farbige, bestickte Seidenkissen aufgestapelt lagen. Kai hängte sein Jackett an einen Hacken neben der Tür und setzte sich auf ein dunkelrotes. „Eine schöne Wohnung“, bemerkte Kai, laut genug, dass Rei es in der angrenzenden Küche hören konnte. „Ja, nicht wahr? Sie gehört einem guten Freund von mir und da er gerade mit seiner Freundin auf Reisen ist, hat er mir angeboten hier Ferien zu machen, diese Gelegenheit musste ich natürlich ergreifen“, erklärte Rei in schwärmerischem Ton. „Mir ist schon aufgefallen, dass Sie kein Inder sind. Dann leben Sie normalerweise nicht hier?“, hackte Kai nach, er war nun doch neugierig geworden, außerdem wusste der andere den Grund seines Aufenthalts, was er sehr einseitig fand. „Nein, ich bin zwar in China aufgewachsen“, erzählte er, während er auf einem Tablett ein Krug mit heißem Wasser, zwei Tassen und einer kleinen Schale Knabbereien zum Tisch balancierte, „aber ich lebe nun seit ein paar Jahren in Japan“, ergänzte Rei, wurde dann aber abrupt von Kai unterbrochen. „In Japan? Dann sprechen Sie japanisch?“, fragte Kai überrascht in ebendieser Sprache, die ihm doch einfacher fiel als Englisch, da er sie viel häufiger verwendete. Rei schaute ihn mit großen Augen an und vergaß vollkommen, dass er das Tablett abstellen wollte. „Natürlich“, wechselte auch er überrascht in diese Sprache, „aber wie kommt es, dass Sie japanisch sprechen?“ Kai räusperte sich, worauf Rei offensichtlich wieder in den Sinn kam, seine geplante Handlung auszuführen. „Ich lebe und arbeite seit einigen Jahren in Tokyo, außerdem war meine Mutter Japanerin.“ „Oh, das tut mir leid“, flüsterte Rei, während er Kai Tee eingoss. Ein kleines Sieb verhinderte, dass die Teeblätter in die Tasse gespült wurden. Fragend blickte Kai ihn an. „Ihre Mutter“, gab Rei den Hinweis. „Ach, ich habe sie nicht wirklich gekannt, ich bin bei meinem Großvater in Russland aufgewachsen“, tat er mit einem Schulterzucken ab und lockerte die Krawatte, um die drei obersten Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Schließlich war er nicht mehr geschäftlich unterwegs. Er hätte schwören können, dass Rei ihn dabei beobachtet und unmerklich geschluckt hatte. Doch vielleicht stieg ihm auch einfach nur die Hitze zu Kopf. Er bedankte sich und führte die Tasse zum Mund. „Achtung heiß!“, warnte Rei ihn gerade noch rechtzeitig und Kai senkte die Tasse wieder, bevor er sich die Lippen verbrennen konnte. Er war einfach gerade wo anders gewesen mit den Gedanken. „Darf ich fragen, was für eine Nationalität denn Ihr Vater hat? Ist er Europäer?“, fragte Rei neugierig nach, da er sich das westliche Aussehens seines Gastes ansonsten einfach nicht erklären konnte. „Er war Russe“, erwiderte Kai und Rei ließ den Kopf hängen, da er offensichtlich schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. „Oh...“, verließ seine Lippen, doch Kai winkte erneut ab, bevor er irgendetwas sagen konnte. Bedrückt pustete er in seinen Tee und starrte ins Leere. Kai gefiel diese Atmosphäre nicht und er hatte irgendwie das Gefühl, etwas sagen zu müssen. „Und was hat Sie nach Japan geführt?“, fragte er deshalb. „Mein Studium, ich bin im letzten Jahr meines Medizinstudiums“, erklärte Rei und lächelte ihn an. Auch Kai verzog den Mund, da es ihm anscheinend gelungen war, die trübe Stimmung zu vertreiben. Sie redeten viel. Kai war überrascht von sich selbst, wie viel er eigentlich reden konnte. Und doch war es hauptsächlich Rei, der während dem Kochen vor sich hin plapperte. Er stand mit dem Rücken zu Kai gewandt und bemerkte somit nicht, wie dieser seinen Blick über ihn gleiten ließ. Er genoss diesen Anblick. Unter den etwas weiter geschnittenen Leinenkleidern vermutete er einen wunderbar geformten Körper. Schon als er hinter ihm die Treppe hochgestiegen war, konnte er seinen Blick nicht vom Hintern des Chinesen losreißen, um den sich bei jeder Stufe der Stoff spannte. Das musste er auch wieder feststellen, als Rei sich bückte, um etwas aus dem Kühlschrank zu holen. Er hatte schließlich schon lange keinen Sex mehr gehabt. Nur mit Mühe konnte er seinen Blick doch noch losreißen, als Rei ihn plötzlich etwas fragte. „Wie bitte?“ „Sie mögen doch Chinesisch?“, fragte Rei erneut und schaute ihn abwartend an. Kai nickte. „Wenn das Gemüse so knackig ist, wie ich denke, dann ja“, erwiderte Kai in einem etwas zweideutigen Ton, was Rei mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. „Das werden Sie bestimmt bald erfahren“, bemerkte er mit einem kecken Grinsen. Kai glaubte, seinen Ohren nicht recht trauen zu können und bevor er noch etwas Überstürztes tat, wechselte er lieber schnell das Thema. „Wollen wir uns nicht einfach duzen, Rei? Ich bin schließlich bestimmt nicht viel älter als Sie.“ „Klar, da bin ich einverstanden. Wieso, wie alt bist du denn?“, fragte er auch gleich nach und blickte ihn herausfordernd an. „Fünfundzwanzig“, antwortete Kai wahrheitsgemäß und blickte seinerseits auffordernd zurück. „Du hast recht, du bist wirklich nicht viel älter“, lächelte er jedoch lediglich und wandte sich wieder dem Gemüseschneiden zu. „Aber jetzt erzähl mal, wie kommt es, dass man in deinem Alter schon eine Geschäftsreise nach Indien machen kann?“ „Nun, ich habe einen Masterabschluss in Projektmanagement und schon während des Studiums in dieser Firma gearbeitet. Der Chef hat großes Vertrauen in mich. Aber ich glaube, er wollte einfach nicht selber gehen, weil er seine Familie nicht für unbekannte Zeit alleine lassen wollte.“ „Aha... Dann musst du aber auch ziemlich gut sein, in dem was du tust. Aber was soll das heißen, für unbekannte Zeit?“, fragte Rei nach. „Das heißt, ich muss so lange hier bleiben, bis sich etwas ergeben hat.“ Kai zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm gleichgültig. „Aber“, fing Rei zögernd an, „gibt es denn niemanden, der auf dich wartet?“ Es klang beinahe schon mitleidig. Kai schüttelte den Kopf. „Nein“, meinte er lässig und mit einem schiefen Grinsen. Reis Augenbrauen zuckten in die Höhe, dann warf er sämtliches Gemüse in einen großen Wok. „Tja, auf mich auch nicht“, sagte Rei unerwartet nach langem Schweigen, als er Kai einen Teller vor die Nase setzte und Kai fragte sich, warum er ihm das noch gesagt hatte. Er hatte genügend Zeit darüber nachzudenken, denn die Themen, über die sie während dem Essen sprachen, waren eher belanglos. „Das Essen war wirklich ausgezeichnet!“, bemerkte Kai, als er den Teller geleert hatte und ihn nun etwas von sich schob. „Danke! Es hat noch, möchtest du vielleicht einen Nachschlag haben?“, fragte Rei sofort, worauf Kai nickte. Lächelnd erhob sich Rei und Kai folgte ihm in die Küche. „Warst du schon mal in China?“, fragte Rei, während er Kais Teller wieder auffüllte. „Nein“, erwiderte er schlicht. „China ist ein aufregendes Land“, lächelte Rei. Kais Atem stockte. Aufregend war genau das richtige Wort. Alles an Rei war aufregend. Sein Gesicht, sein Körper, seine Stimme, sogar die Art, wie er sich bewegte. Erst als er dessen fragende Stimme vernahm, bemerkte er, dass er, während er dies dachte, automatisch die Hand gehoben und mit den Fingerspitzen Reis Wange berührt hatte. Seine Haut war so weich. „Alles in Ordnung?“, fragte Rei erneut und die hellen Augen sahen ihn besorgt an. „Entschuldige“, krächzte Kai und ließ die Hand schnell wieder sinken, doch Rei schüttelte nur den Kopf. „Nein, ist schon gut.“ Reis Lippen bebten. Kai war ihm so nah, dass er nur einen kleinen Schritt hätte machen müssen, um ihn küssen zu können. Doch das gehörte sich nicht, rief er sich streng immer wieder in den Kopf und starrte ihn stattdessen weiterhin mit großen Augen an. Kai starrte zurück. Er hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte. Erst Rei riss den intensiven Blickkontakt ab, als er bemerkte, dass er beinahe den Teller, den er immer noch in der Hand hielt, fallen gelassen hätte. Er räusperte sich und streckte ihn Kai entgegen, um sich dann peinlich berührt wieder abzuwenden. Kai flüchtete aus der Küche. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass er die Kontrolle verlor. Er wusste nicht, wie so etwas passieren konnte, noch nie zuvor war er in solch einer Situation gewesen, dass er einen beinahe unüberwindlichen Drang verspürte, jemanden küssen oder umarmen zu wollen. Kai fasste sich an den Kopf. Er musste ganz dringend seine Gedanken ordnen. Auch in der Küche rang Rei mit sich selbst. Am liebsten hätte er nachgegeben. Dieser Kerl war so unverschämt attraktiv und alleine schon dessen Blicke auf sich zu spüren, verpasste ihm eine Gänsehaut. Seufzend stieß er sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte. Einen Gast durfte man schließlich nicht warten lassen. Sie schafften es, die Stimmung nicht komplett über den Haufen zu werfen, indem sie sich gegenübersitzend über den Tisch über weitere belanglose Themen unterhielten. Als Kai schließlich ging, war es noch nicht sehr spät abends, doch immerhin spät genug, dass die Sonne bereits untergegangen war. Er war gerade zur Tür raus, da wurde diese wieder aufgerissen. „Kai!“, sagte Rei laut und lief ihm die wenigen Treppenstufen hinterher, die er bereits zurückgelegt hatte. Kai blieb stehen und blickte abwartend hoch. „Du hast am Samstag doch bestimmt frei, nicht?“, fragte Rei nach kurzem Zögern, als er die Treppenstufe über ihm erreicht hatte. Kai nickte. „Möchtest du nicht vielleicht etwas mit mir unternehmen?“ Kais Augen weiteten sich ein wenig ob dieser unerwarteten Frage. Während er überlegte, ob er samstags wohl tatsächlich nicht arbeiten müsste, nickte er langsam. Reis Gesicht erhellte sich sofort mit einem Lächeln. „Schön, ist dir acht Uhr recht?“, fragte er. „Abends?“, hackte Kai nach, worauf Rei lachend den Kopf schüttelte. „Natürlich morgens!“ „Einverstanden“, sagte Kai und auch auf seinem Mund bildete sich ein kleines vorfreudiges Lächeln. „Wunderbar, ich freue mich. Ach und Kai“, meinte er noch, nachdem er sich schon wieder zur Tür gewandt hatte und drehte sich nochmal zu ihm um, „zieh dir doch etwas Bequemes an, ja? Ich habe nämlich vor, dir die schönen Seiten Indiens mal ein wenig näher zu bringen.“ Kai musste schlucken. Reis Augen hatten einen unheimlich verführerischen Glanz angenommen und seine Stimme klang ein wenig heiser, was ihm einen heißkalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Doch bevor er irgendwas erwidern konnte, hatte Rei die Tür hinter sich bereits wieder geschlossen und sein Mund schnappte automatisch wieder zu. Achselzuckend und tief einatmend stieg er die Treppe hinunter auf die immer noch rege bevölkerte Straße, um nach dem Schild zu suchen, das ihm den Straßennamen verraten würde. Erst in drei Tagen würde er ihn wieder sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)