Wer hat's geschrieben? von abgemeldet (Das dritte Jubiläum) ================================================================================ Kapitel 2: Auf dem Eiffelturm ----------------------------- „Was für ein Glück, dass wir uns einen Tag ausgesucht haben, an dem hier nicht so viel los ist“, meinte Frau M., als sie am Fuße des Eiffelturms angekommen war. Erst gestern war sie in Paris angekommen und hatte in einem Hotel in der Nähe eingecheckt. Heute war sie mit Frau L., einer bekannte Autorin, hier am Eiffelturm zu einem Interview verabredet. Jetzt im Herbst war hier nicht mehr so viel los wie im Sommer, noch dazu war es unter der Woche und die meisten Leute arbeiteten ganz normal. Selbstverständlich arbeitete auch Frau M., deswegen war sie ja hier. „Entschuldigen Sie die Verspätung“, atemlos kam Frau L. angelaufen. „Ich wurde in der Hotellobby aufgehalten.“ „Das macht doch nichts, ich stehe auch erst seit fünf Minuten hier“, beruhigte sie Frau M. Frau L. lächelte und sah zum Eiffelturm hinauf. „Beeindruckend, wenn man so direkt davor steht, nicht wahr?“, meinte sie. „Ja, in der Tat“, stimmte ihr Frau M. zu. „Also gut, lassen sie uns hochgehen“, sagte Frau L. schließlich und ging auf den Eingang zu. Frau M. folgte ihr. Am Eingang holten sie ihre reservierten Karten ab und gingen zum Fahrstuhl, mit dem sie in die zweite Etage fuhren, in der sie einen Fahrstuhl bestiegen, der sie in die dritte Etage brachte. Dort angekommen genossen die beiden Frauen erst einmal die Aussicht. Nach einer Weile gingen sie in den überdachten Aussichtsraum und setzten sich auf eine Bank. Frau M. holte ihr Diktiergerät aus der Tasche und begann das Interview. „Beginnen wir mit dem Interview“, erst jetzt schaltete Frau M. das Diktiergerät ein. „Ich befinde mich hier auf dem Eiffelturm im herbstlichen Paris und neben mir sitzt die bekannte Autorin L. Frau L., warum haben sie sich für den Eiffelturm in Paris für das Interview ausgesucht?“ Frau L. antwortete lächelnd: „Ich liebe Frankreich und Paris, da erschien mir dieser Ort ideal für ein Interview.“ Frau M. stimmte nickend zu ehe sie die nächste Frage stellte: „Erzählen sie ein bisschen von ihnen? Wie sieht ihr Leben zurzeit aus?“ Ihre Interviewpartnerin begann zu erzählen: „Nun, ich studiere derzeit Psychologie im dritten Semester.“ Ehe Frau M. fragen konnte, fuhr Frau L. fort: „Darauf gekommen bin ich, da wir es als Fach in der Schule hatten und mich die Psyche schon immer sehr interessiert hat. Mein Freund blieb in meiner Heimatstadt, sodass ich jetzt eine Fernbeziehung mit vier bis fünf Stunden Zugfahrt dazwischen habe – gerade noch erträglich, aber eigentlich ist es schon sehr nervig – die Fernbeziehung, nicht der Freund. Ansonsten sieht mein Leben derzeit ganz gut aus; ich bin auch recht zufrieden.“ „Das mit der Fernbeziehung kann ich gut verstehen. Mich würde das auch nerven, wenn ich stundenlang mit dem Zug herum fahren müsste, nur damit ich meinen Freund sehen kann“, meinte Frau M. verständnisvoll und ging zur nächsten Frage über. „Was hat sie zum Schreiben gebracht? Warum schreiben sie?“ „Schreiben tue ich, seit ich schreiben kann“, erwiderte Frau L. „Ich hatte schon immer ein ausgeprägte Fantasie; die Schrift ist damit nur zu einer Fähigkeit geworden, diese auch festzuhalten. Schreiben ist für mich auch Entlastung, da ich vieles, was ich erlebe – bzw. was ich in den Nachrichten höre, was die Gesellschaft hervorbringt usw. – in meinen Werken verarbeite.“ „Haben sie ein Vorbild unter den Schriftstellern?“, kam auch schon die Frage von Frau M. und die Antwort von Frau L. ließ nicht lange auf sich warten: „Mein größtes Vorbild ist mein Vater. Er schreibt schon immer und das sehr gut; er ist für mich der Inbegriff eines Schriftstellers und auch so, wie ich mir zu mindest einen guten Schriftsteller vorstelle: gebildet und sehr intellektuell. Auch wenn er noch nichts groß veröffentlicht hat, so ist er für mich der größte Schriftsteller, den ich kenne.“ „Das hört sich sehr interessant an, aber jetzt weiter im Text. Ohne was können sie nicht leben?“, Frau M. legte ein erstaunliches Tempo vor, sodass Frau L. nicht einmal Zeit blieb um sich zu wundern, also gab sie gleich eine Antwort: „Ohne meine Familie. Sie sind immer für mich da und ich liebe und vergöttere sie einfach. Meine Eltern, die mich immer unterstützen und meine ältere Schwester, die auch immer da ist. Natürlich auch meine Tanten und Onkel, Cousinen und Oma… sie sind mir alle wichtig. Nicht zu vergessen auch meine Freunde, die immer da sind, wenn man sie braucht.“ „Ich finde es schön, dass ihre Familie und Freunde so hinter ihnen stehen, das hat auch nicht jeder“, sagte Frau M. und ihre Stimme klang etwas traurig dabei. Schließlich fuhr sie mit einer weiteren Frage fort: „Haben sie eine Lieblingsromanfigur oder eine Lieblingsserienfigur?“ „Ich habe eigentlich in jeder Serie – die ich kenne – eine Lieblingsfigur“, antwortete Frau L. „So richtig ‚lieben’ tue ich jedoch Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyle, das ist wohl auch die einzige Figur, über die sich das bis jetzt über Jahre gehalten hat. Ansonsten fällt mir nichts ein… ich ändere meine Meinung was so was betrifft auch sehr schnell, je nachdem, was ich gerade lese/sehe.“ „Ja, das kenne ich. Es ist schwer sich auf eine Figur fest zu legen, wenn man so viele toll findet“, meinte Frau M. und stellt schon die nächste Frage: „Wie sieht es mit Zukunftsplänen aus? Was haben sie in ihrem Leben vor?“ „Als erstes möchte ich natürlich mein Studium abschließen und wenn möglich gleich eine Arbeitsstelle bekommen – wo genau, ob in einer Praxis oder z.B. in der Werbebranche, da bin ich mir noch nicht sicher. Dann möchte ich unbedingt eine Familie gründen und Kinder haben. Und reisen, die Welt sehen“, Frau L. sah etwas verlegen aus. „Ich bin da wohl sehr 08/15 in meinen Träumen, aber schlimm finde ich das nicht.“ „Ich auch nicht“, beruhigte Frau M. ihre Interviewpartnerin. „Im Gegenteil, bestimmt haben viele andere dieselben Träume und freuen sich darüber, dass eine prominente Person wie sie solche Träume hat. Kommen wir wieder zum Schreiben zurück. Haben sie bestimmte Gewohnheiten beim Schreiben?“ „Hm…“, Frau L. dachte ein paar Augenblicke nach, dann sagte sie: „Ich denke eigentlich nicht. Das kommt aber auch daher, dass ich einfach überall schreibe. Eine Gewohnheit kann es wohl nennen, dass ich immer einen Block und einen Stift mithabe. So kann ich meine Ideen sofort aufschreiben.“ Wie als hätte sie einen Gedankenblitz gehabt, sah sie Frau M. an und fuhr fort: „Ach doch: Ich stelle mir die Geschichte immer wie einen Film vor. Er läuft in meinem Kopf ab und ich versuche so detailliert wie möglich alles mit zu schreiben. Aber ob das jetzt zu ‚Gewohnheit’ zählt?“ „Ich denke schon“, Frau M. lächelte gutmütig. „Was hilft ihnen gegen Schreibblockaden?“ Frau L. erstarrte, schließlich sagte sie missmutig: „Leider gar nichts! Ich hab seit einem Jahr eine und nichts hilft dagegen. Alle Sätze sehen einfach falsch aus und mir gefällt nichts mehr, was ich zu Papier bringe, falls ich überhaupt etwas zu Papier bringe. Und alle Tipps, die ich bisher bekommen habe, helfen auch nicht…“ „Oha, das ist wirklich ein ernstes Problem“ stellt Frau M. erschrocken fest. „Noch schlimmer ist, dass ihnen gar nichts helfen will. Hoffentlich finden sie etwas das ihnen hilft ihre Schreibblockade zu überwinden. Ich wünsche ihnen viel Glück und Kraft dafür.“ „Danke“, Frau L. lächelte froh ob dieses Trostes und Frau M. wechselte das Thema: „Was inspiriert sie? Woher kommen ihre Ideen?“ Frau L. seufzte ehe sie antwortete: „Meine Ideen kommen von meinem Leben selbst, von der Gesellschaft und der Umgebung. Ich sehe die Welt und halte meistens nur kurze Augenblicke davon fest. Manchmal kann es passieren, dass mich Liedzeilen – nicht ganze Texte – oder auch einfach nur Personen von ihrem Aussehen her inspirieren.“ Sie sah noch etwas traurig aus, aber Frau M. lächelte sie aufmunternd an und stellte eine weitere Frage: „Welche drei Charaktereigenschaften beschreiben sie am treffendsten?“ „Oh, das ist eine schwere Frage…“, Frau L. runzelte nachdenklich die Stirn. „Wohl am ehesten: freundlich – ich versuche jedem stets freundlich zu begegnen – hilfsbereit – ich helfe, wenn ich kann – und lustig.“ Sie schmunzelte. Frau M. war froh, dass ihre Interviewpartnerin wieder besser gelaunt war und hoffte, dass ihre nächste Frage zum Thema Schreiben die Autorin nicht wieder an ihre unsäglich Schreibblockade erinnerte: „Schreiben sie gerne über bestimmte Themen oder Genres? Welche sind das?“ „Eigentlich gibt es keine besonderen Genres“, Frau L. grinste, dieses Thema schien ihr zugefallen. „Ich versuche mich immer an allen. Allgemein schreibe ich nicht so gern Romanzen; allgemein nicht so gern Geschichten, wo es nur darum gehr, dass Charakter X mit Charakter Y zusammen kommt. Meine Version wäre wohl dann eher, dass Charakter y stirbt…“ „Stimmt auch wieder, das ist nicht nur ausgelutscht, sondern auch ziemlich langweilig. Na ja, letztlich ist es auch Geschmacksache“, Frau M. mochte Romanzen, die immer dieselbe Leier – X kommt mit Y zusammen nach einer ‚Tortenschlacht’ und alle sind Happy – enthielten, noch nie und fuhr fort: „Was bedeutet ‚Schreiben’ für sie?“ „Schreiben ist für mich das Tor zur Seele“, sagte Frau L. und man sah ihr an, dass das Schreiben für sie etwas erfüllendes sein musste. „Einfach eine Möglichkeit sich seine Erlebnisse von der Seele zu schreiben – nicht umsonst sollen oft Traumaopfer ihre Erlebnisse aufschreiben – aber auch eine Möglichkeit auf Missstände oder die Gesellschaft hinzuweisen. Und natürlich bedeutet es Spaß.“ „Spaß am Schreiben ist auch für mich das wichtigste“, stimmte Frau M. ihr zu und setzte das Interview fort: „So, jetzt kommen wir zur letzten Frage, dann sind wir hier fertig. Wie sieht es bei ihnen mit Fanfics aus? Würden sie welche schreiben?“ „Ich schreibe so was sehr ungern“, entgegnete Frau L. „Weil ich weiß, dass ich nie 100%ig den Charakter treffen kann – es ist eben nicht mein eigener, ich werde nie durchschauen, wie er wirklich gemeint ist, was sich derjenige wirklich dabei gedacht hat. Daher schreibe ich Fanfics eigentlich gar nicht. Außerdem sind die meisten Fanfics sowieso nur Verkuppelungszeug und so was mag ich – wie ich schon gesagt habe – sowieso nicht.“ „Stimmt“, pflichtete ihr Frau M. bei. „Das ist meistens so ein Zeug a la X trifft Y, ist ’ne Seite später mit ihm zusammen und hüpft im Absatz darunter mit ihm ins Bett. Das mag ich auch nicht.“ Beide mussten lachen. „Ich bedanke mich ganz herzlich bei ihnen Frau L. für das Interview“, fuhr Frau M. fort und Frau L. antwortete mit einem „Gern geschehen“. Endlich stellte Frau M. ihr Diktiergerät wieder aus und lud anschließend Frau L. zu einer Tasse Tee ein. Sie stiegen in den entsprechenden Etagen in die verschiedenen Fahrstühle und fuhren wieder hinunter. Unten angekommen verließen sie den Eiffelturm, um in einem Café in der näheren Umgebung bei einer Tasse Tee noch etwas zu plaudern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)