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Medizin der Dämonen

Ahriman-Projekt
von

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Baal Zephon setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Sein Körper war nicht geschaffen worden um gut zu laufen. Hüpfen, wie es die meisten seiner Art am Boden taten, wollte er nicht. Das sah lächerlich aus und er hatte seine Würde. Da kam er lieber etwas langsamer voran und machte sich nicht zum Affen.

Die Blinden wichen ihm schon aus Entfernung aus. Die wenigen Sehenden schauten irritiert dem Zekh zu, wie er sich wie ein heißes Messer durch Butter seinen Weg durch die Menge schnitt. Es erkannte ihn niemand als den Verwalter Avaddons. Das lag daran, dass er keinen Schmuck offen trug oder irgendetwas, dass ihn öffentlich als jenen ausgewiesen hätte. Das Einzige, was ihn hätte verraten können war die große Kutsche, die hinter ihm herfuhr, gezogen von großen wildschweinartigen Kreaturen mit tellergroßen Augen und mehrere bewaffnete Dämonen auf und neben der Kutsche.

Eine Buchlieferung an eine Bibliothek.

Es war das erste Buch seit einer halben Ewigkeit, das Baal Zephon veröffentlicht hatte. Dabei waren seine Bücher die bei weitem wertvollsten und begehrtesten Werke der Medizin. Aber der Arzt ging lieber anderen Dingen als der Wissensvermittlung nach.

Es war bekannt, das heute die ersten Bücher in wenige erlesene Läden kamen und der Verwalter bemerkte, dass an gerade diesen Buchhändlern bereits eine lange Schlange stand. Über 20 Millionen Exemplare waren gedruckt worden und teilweise ins Ausland gebracht worden. Noch vor der Veröffentlichung würde es in vier Sprachen übersetzt. Den Verwalter berührt oder freute die Nachfrage nicht sonderlich. Er war ein Zekh der Wissenschaft und Schmeicheleien jeder Art ließen ihn völlig kalt.

Die Kutsche hinter ihm blieb abrupt stehen. Sie waren angekommen. Die Dämonen, die für den Arzt arbeiteten machten sich sofort daran die Kisten umzulagern und sie in die Bibliothek vor ihnen zu tragen. Wobei sie nie eine einzige Kiste aus den Augen ließen; der Wert der enthaltenen Bücher war enorm.

Die Fassade des Gebäudes war mit klaren Linien getrennt und der Eingang komplett verglast. Ein wenig erinnerte das Gebäude an ein Krankenhaus, wie sie die Menschen bauten. Allein, dass der Putz abbröckelte und tierischen Figuren den Treppenaufgang zierten, deren Gesichter schmerzverzerrt schienen, widersprachen dem Eindruck.

Der Zekh kletterte die Treppe hinauf, seine Klauen kratzten auf dem Gestein und er leckte sich dabei mit seiner spitzen Zunge über die kegelförmigen Zähne. Er schnaufte als er oben angekommen war, fing sich aber schnell wieder und strich noch einmal sein schwarzes Gefieder glatt. Die Besucher dieser Bibliothek waren hauptsächlich Leute aus der Corpusuniversität, deren Hauptgründer Baal Zephon selbst war. Entsprechend fühlte er sich für die Virologiebibliothek mitverantwortlich.

Im Weitergehen griff er in die Umhängetasche, in der er sein Wappen mit dem höllischen Siegel aufbewahrte, um sich zu identifizieren. Das Emblem hatte er vom Herren der Hölle selbst erhalten, in dessen Dienst er stand. Die Bibliotheksverwaltung wusste, dass er heute kommen würde und hatte in Zusammenarbeit mit der Corpusuniversität, sowie auf Bitte des alten Zekhs, die besten und fleißigsten Studenten der Medizin eingeladen. Für andere Interessenten der Virologie hatte die Bibliothek heute geschlossen.

Baal Zephon drückte die Glastür schwungvoll auf und schaute sich in dem Gebäude prüfend um. Die bestimmt zehn Meter hohen Bücherregale waren mit etlichen Rollleitern gespickt und sie waren, das konnte der Verwalter mit seinen guten Augen schon von weitem sehen, nach Sprachen sortiert.

Ansonsten war alles sehr schlicht, geräumig und linear. Der Blick fuhr zu den Leuten hinab, die ihn erwartungsvoll und teilweise mit großen Augen anstarrte. Ein Blinder stand zwischen ihnen und atmete heftig, bevor er begann zu husten. Vermutlich hatte der Geruch des Arztes seine Anwesenheit verraten. Er legte das Emblem auf den Tisch der Sekretärin, die es zitternd abnickte. Sie war so hohen Besuch nicht gewöhnt und wurde nie dazu ausgebildet, wie man mit Dämonen wie ihm umging.

Baal Zephon zeigte sich sowieso sehr selten in der Öffentlichkeit. Allgemein ließ er lieber alles über Vollmachten oder Briefwechsel abklären. Aber dieses Mal hatte ihm sein Herr befohlen sich mal wieder zu zeigen und Befehlen musste er sich beugen.

Es war ein erbärmlicher Haufen dämlicher Studenten, wie Baal Zephon feststellte, wie er es vermutet hatte. Am liebsten hätte er sie verbal zusammengefaltet bis sie nur noch krallengroß gewesen wären. Stattdessen zwang sich der Zekh zur Ruhe und trat durch den Dreheingang, bei dem wahrscheinlich fast jeder einfach hätte drüber springen können. Eine Sicherheitsmaßnahme so lächerlich wie die Möchtegernmediziner vor ihm.

Er fixierte mit seinen dunklen Augen die nervöse Truppe vor ihm. Sein Blick blieb allerdings auf dem Blinden kleben, der immer noch husten musste.

"Gib ihm doch einer ein Taschentuch!"

Sofort begannen die Studenten in ihren Taschen zu kramen. Ein regelrechtes Wettrennen brach aus. Der Verwalter konnte nur schnaufen und genervt die Augen verdrehen, ließ aber den Wettkampf ausfechten und wartete ungeduldig, bis der Blinde sich beruhigt hatte und seine Atmung sich normalisierte.

In dieser Zeit ließ Baal Zephon sich von seinen Dienern einige der selbstverfassten Bücher geben und reichte sie an die Studenten weiter.

"Bitteschön. Behaltet das Exemplar. Ihr seid nun entlassen."

In den Augen zweier Zekh funkelte die Wissensgier. Der Blinde schlug es skeptisch auf und fuhr mit seinen empfindlichen Fingern über das Papier. Auch sein Gesicht hellte sich auf, als er bemerkte, dass die Bücher auch blindenfreundlich gedruckt worden waren. In einer Welt ohne Sonne doch nur selbstverständlich.

Baal Zephon schwieg. Er hätte gerne gesagt, dass sie das was dort im Buch stehe auch sich selbst erarbeiten konnten. Aber er wusste, dass die Presse darüber nicht gut sein würde, da er sowieso als miesepetriger, viel zu viel verlangende dunkle Existenz galt, der seine Gegenüber regelmäßig überforderte.

Der Verwalter kapselte sich von den beschäftigten Studenten ab, die nun begannen sich über den Inhalt der neuen Veröffentlichung das Maul zu zerreißen und schritt durch die Regale der Virologie. Einige Bücher erkannte er wieder, weil er sie selbst geschrieben hatte oder weil er sie selbst irgendwann mal gelesen hatte.

Plötzlich entdeckte er einen Buchrücken, der ihm bekannt vorkam und es seit Jahrhunderten nicht mehr zu sehen bekommen hatte. Zumindest war es eine spätere Ausgabe davon. Er griff danach und schlug es auf. Es war das erste Buch, das Baal Zephon jemals in die Klauen bekommen hatte, damals als er selbst kaum lesen konnte und die Zekh noch von anderen dämonischen Rassen gejagt und gefressen wurden. Er blätterte durch die schlecht illustrierten Bilder und die kaum leserliche handgeschriebene Schrift. Die Tinte war sehr verblasst im Laufe der Jahre, aber es war – verglichen zu seinem Alter – in gutem Zustand. Mit diesem Buch, das die Macht des Kleinen offenbarte wurde die Willenskraft des Zekhs wachgerüttelt. Das Buch hatte ihm die Augen geöffnet und ihm gezeigt, welche Macht Unsichtbares haben konnte.

"Herr, darf ich Euch eine Frage stellen?"

Die Gedanken eines Fremden ließen den alten Verwalter aufschrecken und herumfahren. Er sah den fremden Zekh böse an, der wie er feststellte fast noch ein Küken war.

"Wie habt Ihr es geschafft derart gut zu werden?"

"Willenskraft, Wissensdurst, Zielstrebigkeit."

Baal Zephon wischte liebevoll mehr der dicken Staubschicht vom ledernen Umschlag, der an dem Buch klebte wie Honig in Gefieder.

"Ha-hat Euch jemand dabei geholfen?"

Eine Pause entstand, in der der Student betroffen zu Boden sah.

"Du sagtest eine Frage."

Der Verwalter stellte das Buch wieder zurück in das Regal und lief weiter.

"I-ich möchte mehr über Euch erfahren. Ich bewundere Euch!"

Baal Zephon blieb stehen. In ihm keimte ein amüsiertes Lachen, aber er schluckte es wieder herunter und drehte sich nun doch zu ihm.

"Was ICH kann, ist jedem Zekh möglich, der genauso viel Verstand hat wie ich. Der Rest liegt an dem Lernenden."

Mit diesen Gedanken in dem fremden Kopf ließ er den Studenten stehen und ging. Baal Zephon sah nicht, dass der angehende Mediziner nach dem Buch griff, das er wieder ins Regal geschoben hatte.

Dieses Buch...

Der Autor war immer unbekannt geblieben und dennoch war es zu seiner Zeit revolutionär. Es war nicht – wie man denken mochte – wissenschaftlich, sondern beschrieb wie Gift und Krankheit die Welt regierte, ohne dass die „Vernunftbegabten“ überhaupt etwas davon bemerkten. Herrschte also jemand darüber, herrschte er über die Welt. Das hatte sich bei Baal Zephon bewahrheitet. Der Instinkt des Blinden hatte gut getan als er von seinem Geruch zusammenbrach. Der Verwalter war kein Mediziner; er war Giftmischer und Todesbote.



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