Opposites attract von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 12: auf dünnem Eis -------------------------- Inzwischen waren fast zwei Monate vergangen. Mittlerweile war es November und es war noch mehr abgekühlt. Überraschenderweise hatte ich es geschafft rechtzeitig fertig zu werden und hatte sogar noch die Gelegenheit dazu gehabt, mir ein zweites Frühstück zu machen und es in die Schultasche zu stecken. Gerade als ich in Stiefel, Schal und Mantel geschlüpft war, klingelte es auch schon. Meine Freunde besaßen ein perfektes Timing. Ich öffnete die Tür und begrüßte die beiden Jungs erst einmal. Obwohl Kaito und Gakupo ebenfalls sehr warm angezogen waren, sahen sie ziemlich erfroren aus. „Ihr seht ja so aus, als wärt ihr gerade aus der Tiefkühltruhe gekrochen.“, grinste ich sie an. „Viel wärmer ist es heute auch nicht.“, versicherte der Lilahaarige mir. „Vielleicht solltest du besser noch Handschuhe mitnehmen.“, riet mir Kaito. Zwar war ich nicht so kälteempfindlich, doch wenn selbst der Eisliebhaber es draußen für zu kalt befand, dann tat ich wohl besser daran seinen Rat zu befolgen. Warm angezogen und mit meiner Schultasche bewaffnet, verließ ich die Wohnung. Gemeinsam bahnten wir uns einen Weg durchs Treppenhaus. Der Aufzug war wie üblich kaputt, sodass wir mal wieder laufen mussten. „Noch zwei Wochen, dann öffnet endlich der Weihnachtsmarkt.“, streute Gakupo ein. Er verließ als erstes den Hausflur und ging plötzlich merkwürdig langsam. Auch Kaito tappte plötzlich viel vorsichtiger über den Asphalt. „Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich schon auf die Glühweinbude freue!“, tat ich meine Meinung kund. Ich dachte nicht darüber nach warum meine Freunde so langsam den Weg entlang schlichen, sondern ging stattdessen im ganz normalen Tempo weiter. Zwei Sekunden später war ich klüger. Nach vier Schritten rutschten meine Füße weg. Der Boden war spiegelglatt! Mit einem erschrockenen Aufschrei griff ich nach den beiden anderen um einen Sturz noch irgendwie zu vermeiden. Zwar riss ich die Jungs bei der Aktion fast auch zu Boden, doch irgendwie überstanden alle drei die Aktion unbeschadet. „Wir hätten dir vielleicht sagen sollen, das wir Glatteis haben.“, entschuldigte der Lilahaarige sich. Und wirklich. Der Boden sah nur nass aus, doch in Wirklichkeit war er mit einer leichten Eisschicht überzogen. „Das fällt euch aber früh ein, Jungs!“, schimpfte ich, hatte mich zwei Sekunden später aber auch schon wieder beruhigt. Den Rest des Schulwegs über legte sich niemand mehr auf die Nase. Wir schlichen mehr als das wir gingen, quatschten aber dennoch unbekümmert und hatten trotz des Glatteises gute Laune. Ich war so froh, das der Blauhaarige und ich nach wie vor Freunde waren und er meine Entscheidung akzeptiert hatte. Manchmal spürte ich zwar seinen Blick auf mir haften, doch im Grunde war alles wieder so wie früher. Im Schulgebäude angekommen trennten sich unsere Wege. Ich lief zu meinem Klassenraum, erreichte diesen allerdings zehn Minuten zu spät. Doch heute bekam ich keinen Ärger für meine Verspätung. Die halbe Klasse war leer. Das Glatteis hatte nicht nur mir zu schaffen gemacht. Ich setzte mich also auf meinen Platz, räumte meine Bücher und Hefte auf den Tisch und ließ meinen Blick dann unauffällig durch die Klasse gleiten. Viele der verhassten Tussis waren erst gar nicht erschienen, meine Sitznachbarin und deren Freundin waren anwesend und auch die blonde Cheerleaderin hatte es irgendwie zur Schule geschafft. Ich freute mich, als ich sie sah. Unsere Blicke trafen sich und wir warfen uns ein Lächeln zu, konnten wir uns mitten im Unterricht doch schlecht begrüßen. In den zwei Monaten, die inzwischen vergangen waren, hatten wir das Kriegsbeil wohl entgültig begraben. Anfangs hatte Lilys Clique zwar noch die Nase gerümpft, doch inzwischen hatten wohl auch die Tussis akzeptiert, das wir uns angefreundet hatten. In den Pausen stand die schöne Blondine mal bei uns, mal bei ihren anderen Freundinnen, doch in unserer Freizeit trafen wir uns mittlerweile oft. Meine Freunde hatten ihr Misstrauen ihr gegenüber auch so ziemlich abgelegt und begannen eine Freundschaft zu ihr aufzubauen. Wie schnell Zeiten sich doch änderten. Und wie falsch man Personen doch einschätzen konnte. Als die ersten beiden Stunden endlich geschafft waren, verließ ich den Raum und wartete vor der Tür noch kurz auf die anderen. „Und ich hab schon gedacht du kommst heute nicht mehr.“, kommentierte Lily meine Verspätung von vorhin. „Ich wäre pünktlich gewesen, wäre kein Glatteis gewesen.“, entschuldigte ich mich. „Hör mir auf mit Glatteis!“, mischte Miku sich ein, die nach uns den Klassenraum verlassen hatte. „Ich hab's heute morgen nämlich auch erst gemerkt, als ich mich auf dem Boden wieder gefunden habe.“, fügte sie dann hinzu. „Aber zum Glück ist alles noch dran.“, neckte Luka sie und pattete die Kleinere auf den Kopf. „Wir gehen tatsächlich raus?“ Ungläubig blickte die Blonde mich an, als ich die Tür zum Pausenhof öffnete. „Klar, die anderen warten schließlich auf der Bank.“ Die Bank in der Ecke des Schulhofs war nach wie vor unser Stammplatz geblieben. „Wenn's mir zu kalt wird, gehe ich aber rein zu den anderen.“, stellte sie sofort klar. Kaum hatten wir den Schulhof betreten, da war auch schon wieder schleichen angesagt. Niemand hatte großes Interesse nähere Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Die Cheerleaderin hakte sich bei mir ein, da ihre Schuhe nur ein sehr flaches Profil hatten. Ich sagte nichts dagegen. Als sie mir gegenüber langsam wirklich aufgetaut war, hatte sich herausgestellt, das sie ein weitaus anhänglicheres Wesen besaß, als man meinen sollte. Zwar immer noch verdammt zickig und launisch, aber anhänglich. Erst war ich überrascht gewesen, doch dann hatte ich es darauf geschoben, das ihre Familie so kalt war. Außerdem hatte ich nichts gegen ihre Nähe, ich empfand es sogar als angenehm. Ich fühlte wieder diese angenehme Wärme in mir aufsteigen, was irgendwie immer passierte, wenn sie zu mir rückte oder nach meinem Arm griff. Dieses merkwürdige, aber angenehme Gefühl hatte ich bei meinen anderen Freunden nicht. Ich schob es einfach darauf, das ich sie noch nicht so lange kannte und es einfach noch ungewohnt war, das wir uns nicht mehr anzickten. Schließlich hatten wir die Bank erreicht, auf der die anderen schon saßen. Schnell sicherte ich mir den letzten Platz auf der eh schon hoffnungslos überfüllten Bank. Lily setzte sich auf die hölzerne Armlehne neben mir. Ich fühlte mich ein wenig zwischen ihr und Kaito eingequetscht, was bei diesem kühlen Winter aber alles andere als schlimm war. Auch Miku und Luka hatten sich zu uns gesellt, fanden aber keinen Platz mehr. „Und dann hat er sich heute morgen auf die Nase gelegt.“, erzählte Rin gerade und zeigte kichernd auf ihren Bruder. „Hey, mach dich nicht lustig über mich!“, beschwerte Len sich. „Oh, dank Meiko hätten wir drei heute auch fast den Boden geküsst.“, streute Gakupo ein und Kaito nickte. „Wenn ihr zwei Deppen auch vergesst zu erwähnen, das Glatteis ist!“, keifte ich sie in Grund und Boden. Die beiden Jungs waren kurzzeitig erstarrt, während alle anderen lachten. „Ob ihr's glaubt oder nicht, ich habe es irgendwie pünktlich und unbeschadet zur Schule geschafft.“, verkündete Lily stolz. „Meine Schuhe haben ein gutes Profil. Ich bin auch nicht ausgerutscht.“, meinte nun Gumi und streckte einen ihrer Stiefel hoch. Die Grünhaarige sah heute mal wieder ziemlich schrill aus. „Meine Knie tun jetzt noch weh!“, jammerte Miku. Luka trat fröstelnd von einem Fuß auf den anderen. „Hoffentlich taut es bald wieder.“, murrte Len. „Ein mal Erdkunde am frühen Morgen hat mir gereicht.“ „Dir ist kalt, oder?“ Unsere Blicke blieben allesamt an Gakupo hängen, als dieser mit diesem Kommentar einen Arm um die Rosahaarige schlang und sie zu sich auf die Bank zog. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Wann wollte er endlich verstehen, das er chancenlos war? Luka blieb für eine Sekunde überrumpelt auf seinem Schoß sitzen und wollte dann etwas sagen, doch das nahm Miku ihr ab. Der Blick, der sonst immer freundlichen Türkishaarigen schien den Lilahaarigen zu erdolchen. Sie griff nach dem Arm ihrer Freundin und zog sie wieder hoch. „Dann gehen wir jetzt lieber in die Pausenhalle. Ein freier Platz an der Heizung ist mit Sicherheit besser.“ Der drohende Unterton in ihrer Stimme war keinem entgangen. „Wir sehen uns dann in der Sporthalle.“ Die Rosahaarige warf Lily und mir einen leicht verlegenen Blick zu und ließ sich von ihrer Freundin mitschleifen. Kaum waren die beiden außer Hörweite, blickte ich den Lilahaarigen an und erlitt einen Lachflash. „Du bist so ein Idiot! Sie wird in 100 Jahren noch nichts von dir wollen.“, amüsierte ich mich. „Ich versteh das nicht. Wie kann sie nur so stur sein?“, jammerte Angesprochener frustriert. Das Gesicht, das er dabei zog, war einfach göttlich. Auch die anderen wirkten amüsiert. Dann schien Gakupo etwas eingefallen sein. „Hey Meiko, die grinst so komisch! Du weißt doch irgendwas!“, stellte er dann fest. „Oh ja, damit könntest du wohl recht haben.“ Ich konnte immer noch nicht aufhören zu kichern. „Na dann sag es mir!“ „Also eins weiß ich mit Sicherheit : du bist der blindeste Idiot den ich kenne!“ Ich wusste, das ich das ruhig sagen konnte und das er es mir nicht übel nehmen würde. Meine Freunde kannten meine Art von Humor und waren teilweise nicht anders. Alle grinsten oder kicherten amüsiert, nur die Blondine neben mir seufzte leise. „Also mir tut er leid. Unerwiderte Liebe kann so schmerzhaft sein.“, meinte sie dann. Ich warf ihr einen fragenden Blick zu. Dann sprang Gumi plötzlich von ihrem Platz von der Lehne der Bank auf. „Ach was redest du da? Wir haben Mrs. Oberzicke doch alle lieb.“, rief sie mit einem Grinsen aus, lief um die Bank und jumpte sie dann grinsend an. Ein allgemeines Kreischen ging durch die Gruppe, als Lily und Gumi quer über den anderen landeten. „Sofort runter von mir, Blag!“, fauchte die Blonde die Grünhaarige an. „Sofort runter von mir, Tussi!“, meckerte wiederrum Rin. Die beiden Blonden stritten sich nach wie vor ab und an mal. Kaito, Gakupo, Len und ich nahmen es mit Humor das man uns soeben planiert hatte. „Gruppenkuscheln!“, rief ich lachend aus. „Ne lass mal, das ist doch peinlich!“, widersprach Len entsetzt. Kurze Zeit später hatten sich alle wieder eingekriegt und wir saßen wieder wie ganz normale Menschen auf unserer Bank. Es blieb gerade noch Zeit für ein Frühstück, dann klingelte es auch schon. Die Pause endete leider viel zu schnell. Als nächstes war wie jeden Montag Sport angesagt. Da ich mich heute noch nicht wirklich hatte bewegen können, war ich ganz dankbar endlich die Sporthalle zu betreten. Aber erst einmal ging es in die Umkleide. Da unsere Klasse wegen dem Glatteis heute nur zur Hälfte in der Schule erschienen war, war es in der Umkleidekabine angenehm leer. Insgesamt mussten wir uns den Raum nur zu siebt teilen. So stellten wir also unsere Schultaschen auf den Bänken ab und begannen uns umzuziehen. „Ich hab vorhin gedacht du stürzt dich jeden Moment auf ihn.“, meinte ich, als ich in Unterwäsche durch die Umkleide lief und mich zu der Türkishaarigen gesellte. „Ach quatsch, als ob ich sowas tun würde.“, grinste diese mich mit einer Unschuldsmiene an. Miku hatte sich auf die Bank gesetzt und war gerade dabei ihre schwarze Strumpfhose auszuziehen. Plötzlich verzog sie merklich das Gesicht. „Au! Ich hab doch gewusst das ich mir vorhin die Knie aufgeschlagen habe!“, jammerte sie los. Ich zog eine Augenbraue hoch. Das sie das Glatteis heute morgen genauer studiert hatte, hatte sie ja schon erzählt. „Lass mal sehen was du angestellt hast.“ Ihre rosahaarige Freundin kniete sich vor sie und zog langsam die Strumpfhose vom Knie der Jüngeren. Während Miku ihre Knie gar nicht erst genauer studieren wollte, entspannte Luka sich sichtlich und setzte ein sanftes Lächeln auf. „Ist nur ein Kratzer an deinem rechten Knie.“, meinte sie dann. „Schlimm genug!“, jammerte die Türkishaarige. Ich fragte mich gerade wirklich, was aus der gruseligen Person geworden war, die Gakupo in der Pause noch fast mit Blicken erdolcht hatte. Ein Kleidungsstück traf mich am Kopf und blieb so unglücklich hängen, das meine Augen einen Moment lang verdeckt waren. „Willst du dich nicht langsam mal weiter umziehen, Meiko?“ Lily stand mit verschränkten Armen hinter mir. Scheinbar hatte sie das Hemd nach mir geworfen. Ich pflückte mir das Kleidungsstück vom Kopf und drehte mich zu ihr um. „Hetz mich doch nicht, Mama.“, neckte ich sie. Die Blonde verdrehte die Augen. Ich bemerkte, das sie es vermied mich direkt anzusehen. Ein leichter Rotschimmer lag auf ihren Wangen. „Ich bin jünger als du, wenn ich dich dran erinnern darf!“, protestierte sie dann ebenfalls grinsend. Da sie eh schon mein Sportshirt nach mir geworfen hatte, schlüpfte ich gleich hinein und kramte auch die dazu passende Hose aus der Sporttasche. Schnell noch die Schuhe angezogen, dann war ich soweit fertig. Inzwischen hatten auch Miku und Luka sich umgezogen. Zu viert verließen wir die Umkleide und tappten in die Sporthalle. Meine anderen drei Klassenkameradinnen hatten bereits vor uns die Umkleide verlassen. Da heute nur so wenig Leute anwesend waren, wurden die Nachbarklassen mal wieder zusammengelegt. Ich konnte einen Jubelschrei nicht unterdrücken, waren in der Nachbarklasse doch eher die sportbegabten Schüler. Der Lehrer zählte uns durch und teilte uns in Gruppen ein. Heute war ein Volleyballturnier angesagt. Nicht gerade meine liebste Sportart, aber ich würde mir trotzdem Mühe geben. Das erste Spiel war einfach zu gewinnen. Die gegnerische Mannschaft war einfach viel schwächer. Nach einer kurzen Pause betrat mein Team erneut das Spielfeld. „Mal sehen ob du besser Volleyball spielst als du schwimmst.“, grinste Lily mich von der anderen Seite des Netzes an. Sie war mit Haku und einigen Mitschülern der Nachbarklasse in einem Team gelandet. „Das garantiere ich dir.“, war die selbstsichere Antwort meinerseits. Der Lehrer pfiff und das Spiel begann. Unsere Gruppen waren etwa gleich gut. Der Punktestand war fast gleich, was schlecht war, da der Lehrer entschieden hatte je fünf Minuten zu spielen. Die letzte Minute brach an und alle gaben ihr bestes um noch irgendwie einen Gewinner zu ermitteln. Der Ball rauschte ziemlich schräg auf mich zu. Ich stand in der fordern Reihe und in einer denkbar ungünstigen Position um das Teil noch zu erwischen. Dennoch machte ich einen raschen Ausfallschritt nach rechts und schlug den Ball übers Netz. Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Da ich den Ball nur noch eben so erwischt hatte und ziemlich viel Kraft in den Schlag gelegt hatte, pfeilte er nun schräg übers Netz. Leider so schnell, das die blonde Cheerleaderin dem Ball nicht mehr ausweichen konnte. Er erzielte dummerweise auch noch einen Volltreffer und sie fand sich auf dem Boden kniend wieder. Einen Moment war ich in Schockstarre gefallen. Ich bekam nur am Rande mit, das der Lehrer das Spiel sofort unterbrach. Haku hatte sich inzwischen neben die Blonde gekniet. „Alles in Ordnung mit dir Lily?“, wollte die Silberhaarige besorgt wissen. Ich riss mich aus der Schockstarre und schlüpfte unter dem Volleyballnetz durch. Auch ich kniete mich neben sie auf den Boden. „Oh Gott, das war keine Absicht!“, entschuldigte ich mich sofort. Ich hatte ja selbst nicht geahnt, das der Ball so vom Kurs abkommen würde. „Geht's dir gut?“, wollte ich dann wissen. Mittlerweile hatte sich auch noch die Klasse um uns geschart. Die Blonde hielt sich den Kopf. „Mir ist schwindelig.“, stellte sie dann fest. Vermutlich hatte sie auch Kopfschmerzen, doch das war so offensichtlich, das sie es nicht extra erwähnte. Haku half der zierlichen Blonden aufzustehen, dann warf sie mir einen bösen Blick zu. „Wo rohe Kräfte sinnlos walten. Jetzt mal ehrlich, du kannst doch nicht so spielen, als befänden sich auf der anderen Spielfeldhälfte nur Jungs, Meiko!“ Ich fühlte mich mies. Natürlich war das eben nur ein dummer Unfall gewesen, das irgendwie hatte Haku auch wieder recht. Hätte ich etwas rücksichtsvoller gespielt, hätte ich Lily nicht aus den Latschen gehauen. Vor Tsuyoshi damals hatte ich sie beschützen können und jetzt war ich selbst nicht besser. „Das war wirklich keine Absicht!“, beteuerte ich noch mal. „Lass dich besser ins Krankenzimmer bringen.“, ordnete der Lehrer an. Angesprochene nickte nur leicht. „Kommst du mit?“, wollte Lily dann wissen und sah mich an. Fast ganz automatisch nickte ich, auch wenn ich mich wunderte, das ausgerechnet ich mitkommen sollte. Immerhin war ich schuld an der ganzen Sache. Ich stützte sie also und gemeinsam verließen wir die Sporthalle. Mein schlechtes Gewissen nahm mit jedem Schritt zu. Hätte der Ball nicht irgend jemanden treffen können, der es besser hätte verkraften können? Aber doch nicht meine Klassenkameradin! Sie war so zierlich und hatte Zuhause schon genug Probleme. „Geht's?“, wollte ich besorgt wissen. „Ich wollte dich wirklich nicht treffen.“, beteuerte ich erneut. „Du hast n ziemlichen Punch drauf.“, meinte die Blonde und warf mir ein mattes Lächeln zu. Das Krankenzimmer befand sich im Keller der Sporthalle, also noch ein ganz schöner Weg. Kaum hatten wir die Sporthalle verlassen, da ging Lily auch schon wesentlich langsamer neben mir her. „Warte mal kurz. Mir ist total schwindelig.“, stellte sie fest. Mein schlechtes Gewissen verstärkte sich noch mehr. Sie war die Letzte, der ich in irgend einer Art und Weise schaden wollte! „Leg deine Arme um meinen Hals.“, ordnete ich an. Irritiert blickte die Blondine mich an, tat aber was ich sagte. Kurzerhand hob ich sie einfach hoch. So war es wesentlich sicherer. „Hey! Was machst du?!“, protestierte sie sofort. „Ich trag dich lieber, bevor du noch umkippst.“, stellte ich fest. „Ich hab den Ball nur gegen den Kopf bekommen. Meinen Füßen fehlt nichts!“ „Hör auf zu meckern, ich seh doch, das es dir nicht gut geht. Und das ist auch noch meine Schuld“ Lily schüttelte leicht den Kopf. „Das war ein dummer Unfall, sonst nichts.“ Mit diesen Worten lehnte sie den Kopf leicht gegen mich und hörte endlich auf zu zappeln, sodass ich sie zum Krankenzimmer tragen konnte. Ich bemerkte das ihr Gesicht schon wieder einer überreifen Tomate glich. Merkwürdig. Wieso passierte das in letzter Zeit dauernd? Ich fragte mich, ob ich noch eine normale Gesichtsfarbe hatte, denn ich wurde das Gefühl nicht los, das meine Wangen glühten. Ich drückte das zierliche Mädchen etwas enger an mich, als ich durchs Treppenhaus ging. Eine Bruchlandung hinzulegen wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Die Blonde schwieg. Sie lehnte immer noch an mir und ließ sich zum Krankenraum tragen. Nach wie vor lag ein Rotschimmer auf ihren Wangen. Täuschte ich mich oder sah sie irgendwie zufrieden aus? Aber das war eigentlich quatsch. Wenn man Kopfschmerzen hatte, konnte man nicht zufrieden sein. Ich seufzte leise und stupste die Tür zum Krankenraum mit dem Fuß auf. Mehr als eine Liege, ein Schrank, ein Telefon und ein Hocker standen hier nicht. Vorsichtig setzte ich sie auf der Liege ab. Gerade wollte ich mich auf den kleinen Hocker setzen, das spürte ich, wie sich ein Arm um meine Taille schlang und mich ebenfalls auf die Liege zog. Wie bestellt und nicht abgeholt saßen wir nun nebeneinander. Für einen Moment herrschte unangenehmes Schweigen. Dann lehnte die Blonde sich einfach an mich. Ich blickte sie verwirrt an. „Darf ich? Ist irgendwie bequemer so.“ Ich hatte das Gefühl, als würden meine Gefühle Ping-Pong spielen. Einerseits fühlte ich mich nicht wohl in meiner Haut, da ich mit der Situation überfordert war, andererseits fühlte sich ihre Nähe so gut an. Dann war da noch das schlechte Gewissen, das ich sie mit einem Ball fast KO geschlagen hätte, gleichzeitig hatte ich aber auch Herzrasen, weil sie so offensichtlich meine Nähe suchte. Arg! Was zum Henker war los mit mir??! Plötzlich rauschte ein einzelner Gedanke in meinen Sinn : Das war nicht normal. Meine Gefühle waren nicht normal. Falsch. Verboten! Mein Blick wanderte in Zeitlupe rüber zu Lily, welche sich gemütlich an mich gelehnt hatte. Ich zögerte, legte dann aber einen Arm um sie. Ein einfacher Test. Ich wollte mir selbst beweisen, das ich weiße Mäuse sah. Die Blondine schien das nicht zu stören, im Gegenteil, sie rückte näher zu mir. Ich war mit der Gesamtsitiation überfordert. Einerseits wollte ich aufspringen und fluchtartig den Raum verlassen, andererseits wollte ich bleiben. Die Stimme in meinem Kopf schrie fast schon, das das falsch war. Aber was genau konnte an einem so schönen Gefühl falsch sein? Ich kannte die Antwort. Wir waren beides Frauen. Dann holte die Realität mich zum Glück wieder ein. Auf was für dumme Gedanken ich kam. Ich war einfach nur überbesorgt, weil ich sie eben fast KO geschlagen hätte und war froh, das sie mir nicht böse war, das war alles. Ja, diese Erklärung ergab Sinn. Dennoch, ein merkwürdiges Gefühl blieb. Ich wusste zwar nicht genau wie ich jetzt darauf kam, aber plötzlich hatte ich das Verlangen nach der Schule noch einmal mit einer bestimmten Person zu reden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)