Opposites attract von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 10: Funkenflug ---------------------- Kaum hatte der Englischunterricht begonnen, da mussten auch schon die ersten Gruppen ihre Referate vortragen. Wieso tat Frau Tachikawa uns das nur schon so früh am Morgen an? Wir waren zumindest die zweite Gruppe, die vortragen musste. Ich war komplett übermüdet und hatte gerade genug andere Sorgen, doch ich riss mich zusammen. Diese Note war für zwei Leute und wir hatten hart an diesem Referat gearbeitet. Als wir nun vor der Klasse standen, sahen Lily und ich uns kurz an, nickten uns zu und begannen dann mit dem Referat. Jack the Rippers Geschichte auf Englisch zu erzählen war gar nicht so einfach, wie ich fand. Doch die endlosen Internetrecherchen und das Üben gestern hatten einiges gebracht. Zwar war Lilys Englisch besser als meins, doch wir ergänzten uns ganz gut. Die Vokabeln um die verschiedenen Morde originalgetreu nachzuerzählen hatte ich, den Horrorfilmen sei dank. Die Klasse war ruhig und hörte uns aufmerksam zu. Nach zehn Minuten hatten wir erzählt, was es zu erzählen gab und konnten uns wieder setzen. Unsere Englischlehrerin war ziemlich überrascht, das wir so gut zusammengearbeitet hatten. Sie hatte wohl damit gerechnet, das wir das Referat mehr schlecht als recht und mit blauen Augen halten würden, doch den Gefallen taten wir ihr nicht. Das Frau Tachikawa uns am Ende noch einen Gefallen mit der Gruppenbildung getan hatte, damit rechnete sie ja nicht. Auch die anderen Schüler und Schülerinnen hielten noch ihre Referate, dann hatten wir die Doppelstunde überstanden. „Wow, das ist ja echt gut gelaufen.“, freute meine blonde Projektpartnerin sich. „Da sagst du was. Mit ner 2+ habe ich nun wirklich nicht gerechnet.“, gab ich zu. Als ich den Raum verließ, blieb ich einen Moment lang unschlüssig stehen. Ich musste unbedingt mit Kaito reden, aber ich hatte keine Ahnung wie. Ich wollte ihn nicht noch mehr verletzen und hatte Angst, das er wegen die Abfuhr gestern eventuell sauer sein könnte. Ewig konnte ich das Problem nicht vor mir herschieben, war mir unsere Freundschaft doch sehr wichtig, doch irgendwie fühlte ich mich nicht in der Lage diese Pause zu ihm rüber zu gehen. Vor der Klasse wartete noch niemand meiner Freunde. Scheinbar war ich heute die Erste, die in die Pause konnte. Dank dem eben wieder angesprochenen Problem, war ich mir nicht ganz sicher, zu welcher Klasse ich jetzt gehen sollte. Wenn die ganze Gruppe vollständig war, dann würde ich zwangsläufig mit dem Problem konfrontiert sein. Aber ewig wegrennen konnte ich auch nicht! Das...war eigentlich nicht meine Art. Normalerweise war ich sehr direkt und sagte das, was ich gerade dachte. Doch hier ging es um ein viel sensibleres Thema und meine sonst so große Klappe war hier fehl am Platz. Wann hatte ich mich das letzte Mal so hilflos gefühlt? Es war nur ein Gespräch, aber gleichzeitig stand unsere Freundschaft auf dem Spiel. Ein falsches Wort würde alles nur noch viel schlimmer machen. Und wenn ich so darüber nachdachte, dann wollte ich dieses Gespräch plötzlich noch viel weniger. Mir war unsere Freundschaft so wichtig! Was aber, wenn ich durch ein dummes Wort alles nur noch verschlimmerte? Meine Rettung kam zum Glück gerade aus dem Klassenraum. „Und? Hast du schon mit ihm geredet?“, wollte Miku von mir wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, bis jetzt noch nicht. Nächste Pause oder Morgen.“ „Ach Mei-chan, schieb es nicht zu lange auf. Das macht alles nur noch schlimmer.“, riet Luka mir und schob mich etwas zur Seite, da ich genau vor der Tür zum Pausenhof stand. „Ich müsste wenigstens wissen, wie ich anfangen soll.“, murrte ich und folgte den beiden einfach mal. Da es draußen recht kalt war, liefen Luka, Miku und ich rüber zur Pausenhalle. Eine Windböe fegte über den Schulhof hinweg und zerzauste dem Pärchen die Haare. Nur meine Frisur war wie üblich unkaputtbar. Schnell öffneten wir die Tür zur Pausenhalle und setzten uns an einen Tisch. „Manchmal ist eine Aussprache vielleicht unangenehm, aber sie wird eure Freundschaft retten.“, predigte die Rosahaarige. „Ich geh uns mal was zu essen holen.“ Miku war von ihrem Platz aufgestanden und lief rüber zur Küchenecke, wo in den Pausen immer Baguettes und sonstiger Kram verkauft wurden. Als sie mit dem Essen zurück zum Tisch kam, zog die Türkishaarige ein Gesicht. „Wir haben heute Hofdienst.“, stellte sie grummelnd fest. „Im Müll rumstochern? Wollen die uns eigentlich verarschen?!“, entrüstete ich mich. „Ich könnte schwören aus dem Alter sind wir raus.“, murrte Luka. So saßen wir die Pause über da und unterhielten uns. Erst gegen Ende der Pause tippte mir plötzlich jemand an die Schulter. Als ich mich umdrehte, erblickte ich meine grünhaarige Freundin. Ich erwartete, das Gumi jeden Moment ausrasten würde, weil ich die Pause über nicht zu den anderen gegangen war, doch sie zog überraschenderweise ein ernstes Gesicht. „Ich hab gehört was passiert ist.“, erklärte sie mir setzte sich zu uns. Sie blickte mich mitfühlend an und langsam bekam ich ein schlechtes Gewissen, nicht schon früher etwas gesagt zu haben. „Das war gestern ein ziemlicher Schock, sage ich dir.“ „Kann ich mir vorstellen. Auch wenn ich ehrlicher Weise damit gerechnet habe, das es eines Tages mal so weit kommen würde.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Du wusstest von seinen Gefühlen mir gegenüber?“ Jetzt war ich platt, wusste für einen Moment nicht, was ich denken sollte. Gumi sah mich entschuldigend an. „Nein, nicht direkt gewusst. Aber wenn wir euch so angesehen haben, dann haben wir uns sowas schon gedacht. Nur das wir dachten...das du vielleicht auch genauso...-“, druckste sie rum. Der Grünhaarigen war anzusehen, das sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte. „Wer sind 'WIR'?“, harkte ich scharf nach. „Na Rin, Len, Gakupo und ich. Also die ganze Gruppe.“ Und schon wieder wusste ich einen Moment lang nicht, was ich denken sollte. Nur weil Kaito und ich uns schon so ewig kannten und demnach sehr vertraut miteinander umgingen, bedeutete das doch noch lange nicht, das... Doch eine Sache wurmte mich noch mehr. Wenn die ganze Gruppe es gemerkt hatten, wieso dann ausgerechnet ich nicht?? „Und ich war die Einzige die von all dem nichts mitbekommen hat.“, murrte ich nachdenklich. „Und was hast du jetzt vor?“, wollte sie wissen. „Nun, ich werde wohl mit ihm reden und einiges klarstellen müssen. Er ist ein guter Freund, aber mehr nicht.“ „Solltest du wirklich besser. Er ist ziemlich fertig.“, erzählte Gumi mir. „Von wem weißt du's denn jetzt eigentlich?“, wollte ich dann wissen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, das der Blauhaarige der ganzen Gruppe die Story einfach so erzählt hatte. „Von Gakupo.“, erklärte sie. „Kaito hat gestern Abend noch mit ihm geredet und er hat es uns dann heute gesteckt, als wir uns gewundert haben, wo du bleibst und warum die Stimmung so schlecht ist.“ Gerne hätte ich noch weiter mit ihr geredet, doch da klingelte es auch schon wieder. Während die Grünhaarige sich erst einmal verabschiedete und wieder zurück in ihre Klasse ging, versammelte ein Teil meiner Klasse sich vor der Pausenhalle. Eine Hälfte würde den Hofdienst diese Pause übernehmen, die andere Hälfte in der nächsten Pause. Die Tussengruppe wanderte kichernd die Treppe hoch. Scheinbar wollten diese ätzenden Personen sich entweder ganz vor der Arbeit drücken oder sie waren ganz einfach für nächste Pause eingeteilt. Bloß wunderte ich mich, wo ihre Anführerin steckte. Irgendwie machte sich ein komisches Gefühl in meiner Magengegend breit. Ähnlich warnend wie gestern, doch auf irgend eine Art und Weise dennoch anders. „Jetzt schlaf nicht ein, Hofdienst ist angesagt.“ Mit einem Grinsen wedelte die Türkishaarige mir mit einem Eimer vor dem Gesicht rum, den sie nur mit zwei spitzen Fingern hielt. Es war deutlich zu sehen, das sie den Eimer als nicht besonders hygienisch eingestuft hatte. Auch ich wich etwas vor dem Teil zurück. „Iiih“ Hau mir bloß nicht den dreckigen Eimer ins Gesicht!“, beschwerte ich mich. Ich war eigentlich nicht sonderlich empfindlich, was Dreck anging, doch einen Mülleimer im Gesicht brauchte ich nun wirklich nicht. „Komm Schatz, lass uns am besten vor dem Schultor saubermachen. Da sind wir am schnellsten fertig,“, rief die Rosahaarige ihrer Freundin zu, als gerade niemand außer uns in Hörweite war. Miku winkte mir noch gut gelaunt zu und verließ dann mit Luka die Pausenhalle. Ich bequemte mich rüber zu den restlichen Hofdienstutensilien um ebenfalls gerüstet zu sein. Mit einer Zange und einem Eimer bewaffnet machte ich mich auf den Weg. Bananenschalen, leere Schachteln und sonstiger Müll wurde aufgehoben und in den Eimer gesteckt. Wie gut das ich dafür die Zange benutzen konnte. Zwar hätte ich mich auch zu den anderen gesellen können, verstand ich mich mit einem Großteil der Klasse doch sehr gut, aber ich zog es vor allein meine Runde zu drehen um Zeit zum nachdenken zu haben. Wieder mal zerbrach ich mir den Kopf über das Gespräch, welches mir noch bevor stand. Gerade war ich dabei eine Flasche aus einem Busch zu rupfen, da hörte ich ganz in der Nähe einen Streit losgehen. Merkwürdig...wer außer meinen Klassenkameraden war denn jetzt noch auf dem Schulhof? „Ich habe gesagt du kommst jetzt mit, weil wir reden!“ Die Stimme klang hart und eisig. „Nein! Lass mich los! Es gibt nichts mehr zu reden!“ Die aufsteigende Panik war schwer zu überhören. „Halt die Klappe und mach nicht so nen Wind!“ Ein dumpfes 'Klonk' war zu hören, fast so, als seie einer dieser Plastikeimer, wie wir sie für den Hofdienst benutzen, zu Boden gefallen. Ich hielt inne. Mein ungutes Gefühl verstärkte sich noch. Der Streit hörte sich ganz und gar nicht gut an. Wieder schrillten in meinem Kopf die Alarmglocken, diesmal allerdings, weil es nach Ärger roch. Unser Schulhof war genau genommen in einen kleinen und einen großen Hof aufgeteilt. Der große Hof war der 'Haupthof', der Kleine wurde eher von den Rauchern genutzt. Die beiden Schulhöfe verband ein schmaler Weg, von dem links und rechts einige Büsche und Bäume standen und der sehr schlecht einsehbar war. Ich selbst befand mich derzeit kurz vor dem Weg um Müll aus den Büschen zu zupfen. „Hör auf hier so rumzuzicken, du blödes Weib!“, ging der Streit weiter. „Lass mich los! Du tust mir weh!“ Die Stimme kannte ich doch! Und genau mit so einer Situation hatte ich schon seit Samstagabend gerechnet! Ohne viel nachzudenken stellte ich meinen Eimer ab. Schnell kämpfte ich mir einen Weg, einfach mitten durch die dicht an dicht stehenden Büsche, und betrat den Weg. Etwa sechs Meter von mir entfernt standen Tsuyoshi und Lily. Erst Genannter zerrte am Arm der zierlichen Blondine rum und schien immer wütender zu werden, während meine Klassenkameradin langsam Panik bekam und sich losreißen wollte. „Ich hab dir gesagt es ist aus! Kapier das endlich!“, schrie sie ihn an. Obwohl ich genau mit dieser Szene gerechnet hatte, starrte ich einen Moment lang fassungslos auf das Bild was sich mir da bot. Ich spürte, wie die Wut in mir aufstieg. Ich hatte es schon immer schwer gehabt mein Temperament unter Kontrolle zu halten und in diesem Moment wusste ich, das ich es diesmal nicht schaffen würde ruhig zu bleiben. „Hey! Lass sie sofort los!“, machte ich auf mich aufmerksam. Beide Köpfe wirbelten herum. Überrascht hob Tsuyoshi eine Augenbraue. „Oh, die kleine Schulschlägerin.“, stellte er belustigt fest. „Ich geb dir nen Tipp. Zieh Leine, das ist gesünder!“, fügte er hinzu. Beim Sprechen hatte er den Arm der Blonden losgelassen. Diese nutzte ihre Chance und flüchtete hinter mich. Tsuyoshi war gute zwei Köpfe größer als ich und ziemlich muskulös. Ich wusste, das ich gegen ihn nicht den Hauch einer Chance haben würde. Außerdem würde man mich von der Schule schmeißen, wenn ich mich noch ein Mal mit jemandem prügelte. Aber was sollte ich tun? Einfach abhauen? Das wäre sicherlich gesünder gewesen, doch aus irgend einem Grund hatte ich eine verdammte Wut auf den Kerl. Wie konnte er meine Klassenkameradin einfach so grob behandeln?! Es war nicht schwer zu erkennen, das sie Angst hatte. Angst wegen diesem Ekel. Und genau diese Tatsache ließ mich kochen. „Ich warne dich! Fass sie nie wieder an, kapiert?!“, hörte ich meine eigene Stimme im festen Tonfall sagen. „Bist du lebensmüde, Kleine?“ Tsuyoshi machte zwei Schritte auf mich zu und baute sich drohend vor mir auf. „Ich hab keine Angst!“ Das war eine glatte Lüge, denn mir war das Herz in die Hose gerutscht, doch er schien es mir zu glauben. Ich wusste, das diese Sache böse für mich enden würde. Tsuyoshi war dafür bekannt alles andere als freundlich zu sein, aber ich war zu sauer um abzuhauen. Außerdem spürte ich diesen flehenden Blick im Rücken, der mich dazu brachte zu bleiben. „Dann komm doch...!“, zischte ich und ging meinerseits auf ihn zu. Und das tat er auch. Ehe ich reagieren konnte, hatte er mich an den Haaren gepackt und riss daran. Es schmerzte, doch war es eigentlich nur ein Zug gewesen um mich in Schlagweite zu ziehen. Ich sah den Fausthieb jedoch kommen und blockte mit dem Ellbogen ab. „Aufhören! Bitte!“, hörte ich Lily am Rande kreischen. Doch um jetzt einen Rückzieher zu machen, war es zu spät. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, kratzte, trat und biss. Teilweise erwischte ich ihn sogar recht heftig, schaffte es einmal sogar meine Nägel tief in seinen Arm zu bohren und sie so runter zu ziehen, das er mit den Kratzern noch einige Wochen lang Spaß haben dürfte. „Du kleine Schlampe!“, schrie Tsuyoshi wütend. Etwas Blut lief seinen Arm herab. Leider ließ er meine Haare deswegen trotzdem nicht los, im Gegenteil. Er riss erneut daran, sodass ich nach vorne taumelte. Dieses Mal schaffte ich es nicht mehr dem folgenden Schlag auszuweichen oder ihn auch nur abzublocken. Seine Faust traf mich mit voller Wucht in der Magengegend. Es schmerzte höllisch. Eigentlich wollte ich aufschreien, doch mehr als ein ersticktes 'Urg!' brachte ich nicht zustande. Endlich ließ er meine Haare los. Meine Beine gaben nach und ich fand mich im nächsten Moment auch schon gekrümmt auf dem Boden kniend wieder. Verdammt, es tat weh! Ich konnte mich einfach nicht aufrichten, auch wenn ich es wollte. Wenn Tsuyoshi das ausnutzte um noch einen Schlag hinterher zu setzen, ich würde mich vermutlich auf der Krankenstation wiederfinden. „Es reicht doch! Tu ihr nicht weh! Bitte!“ Die Stimme der Blondine klang schrill und hysterisch, doch ich nahm sie nur am Rande wahr. Schritte näherten sich uns im rasanten Tempo. „Du Dreckskerl! Was fällt dir ein!“, hörte ich eine bekannte, mehr als nur wütende Stimme schreien. „Dich mache ich fertig!“, eine andere. Eine Faust traf das Ekel seitlich am Kopf. Der Schlag traf genau Tsuyoshis Ohr, sodass er benommen taumelte. Gakupo packte meinen Gegner am Kragen, riss ihn zu sich herum um schlug ihm dann mit voller Wucht ins Gesicht. Lilys gewalttätiger Ex taumelte noch stärker, sah aber ganz schnell zu, das er Abstand zwischen sich und seinen neuen Gegner brachte. Das er nicht einfach umkippte war ein kleines Wunder, welches ich nicht verstand. „Sag mal schämst du dich nicht ein Mädchen anzugreifen?!“ „Wenn du einen Gegner suchst, dann leg dich mit uns an, aber lass Meiko in Ruhe!“ Nur ein paar Sekunden nach dem Lilahaarigen hatte auch Kaito den Kampfplatz erreicht. Zwar war der Blauhaarige eher ruhig, doch einen solchen Hass in seinen Augen hatte ich noch nie gesehen. Ich war überzeugt davon, das er Tsuyoshi ebenfalls angegriffen hätte, wäre Gakupo ihm nicht zuvor gekommen. Meine Freunde schäumten vor Wut und der Gegner hielt angeschlagen und irritiert inne. „Zwei gegen einen. Überleg dir das.“, knurrte der Blauhaarige ihn an. „Drei gegen einen.“, korrigierte ich, kämpfte mich mühsam wieder auf die Füße und stellte fest, das ich auf jeden Fall meine Freunde unterstützen würde. „Mädchen, du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten. Wart nur ab!“, murrte Tsuyoshi und trat wohl oder übel den Rückzug an. Wir ließen ihn ziehen. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, hast du die Schwierigkeiten am Hals!“, rief Gakupo ihm nach. Als der Typ verschwunden war, wich die Anspannung aus meinem Körper. Ich seufzte hörbar. „Genau im richtigen Moment. Danke Leute.“ Mit einem aufrichtigen Lächeln blickte ich die beiden Jungs an. Die Blonde, welche neben mir stand, zitterte nach wie vor am ganzen Leib. Sie hatte wohl nicht erwartet ihren Ex so bald wieder zu sehen. Ich konnte nicht anders und zog das verstörte Mädchen zu mir in den Arm, sie drückte sich an mich. Ein merkwürdiges Gefühl...aber es fühlte sich gut an. „Oh Gott, geht’s dir gut?“, wollte sie sofort wissen. Obwohl es mir schon mal besser gegangen war, nickte ich tapfer. „Ist schon gut, sowas halte ich aus.“ „Es tut mir so leid.“ Vermutlich, das sie mich erst in diese Situation gebracht hatte. Ich schüttelte leicht den Kopf und strich ihr übers Haar. „Du musst dich nicht entschuldigen.“ „Hat er dir was getan?“, wollte ich dann wissen. Lily schüttelte den Kopf. „Nein, zum Glück nicht.“ Sie sah zu den Jungs. „Ihr habt uns echt gerettet. Danke.“ Ich sah wieder rüber zu den beiden. „Sagt mal, wo kommt ihr eigentlich her? Die Stunde hat doch schon längst angefangen.“, wollte ich dann wissen. Kaito deutete auf einen Tisch, der mitten auf dem Weg lag. „Wir sollten den eigentlich gerade rüber ins andere Gebäude bringen.“, erklärte er. „Aber dann haben wir euch gesehen.“ Ich nickte. Das erklärte schon mal wo meine Freunde so schnell hergekommen waren. So was nannte man wohl wirklich perfektes Timing Ich blickte rüber zu dem Blauhaarigen und wurde wieder wesentlich ernster. „Wir müssen unbedingt reden.“, begann ich. Eigentlich hatte ich erwartet das er sowas wie 'nächste Pause' oder 'unter vier Augen' sagen würde, doch stattdessen nickte er nur. Scheinbar schien es ihn nicht zu stören, das Gakupo und Lily anwesend waren. „Ist schon gut.“, sagte er nun. „Eigentlich hätte ich es besser wissen sollen und hätte dich vor allem nicht so überrumpeln dürfen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, mir tut es leid. Ich hätte nicht einfach abhauen dürfen und dir erst recht keine Ohrfeige verpassen dürfen.“ „Vielleicht hat mich das wieder klar denken lassen.“ Er kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf. „Du bist mein bester Freund und ich möchte das sich daran nichts ändert. Ich hatte einfach Angst.“, gab ich zu. Auch mich störte es nicht wirklich, das hier noch zwei Leute standen. Während Gakupo wusste, was wir da redeten, blickte Lily eher verwirrt drein – egal. „Schwamm drüber, ja?“, meinte Kaito schließlich. Glücklich darüber zog ich ihn in eine kurze Umarmung, was mein Magen sofort wieder mit neuen Schmerzen quittierte. Der Blauhaarige hatte mein leises Wimmern nicht überhört und hielt mich vorsichtshalber fest. „Alles in Ordnung mit dir, Meiko?“, hakte er nach. „Ja geht schon. Es tut nur weh.“, räumte ich ein. Scheinbar hatte Tsuyoshi mich doch schlimmer erwischt, als ich anfangs gedacht hatte. Jetzt, wo mein Körper aber langsam wieder zur Ruhe kam, waren die Schmerzen kaum zu ignorieren. Die Blonde fühlte sich sichtbar unwohl in ihrer Haut, denn sie gab sich die Schuld daran. „Soll ich dich zur Krankenstation bringen?“, wollte sie wissen und machte den Eindruck, als wolle sie jeden Moment im Erdboden versinken. „Hey, mach dir keinen Kopf, du kannst nichts dafür. Wenn Meiko meint sich mit jemandem prügeln zu müssen, dann hält sie keiner davon ab.“, versuchte Gakupo sie zu beruhigen. „Nein, besser nicht zur Krankenstation.“, lehnte ich ihr Angebot ab. „Es darf auf gar keinen Fall rauskommen, das ich mich mit deinem Ex geprügelt habe.“ Ich wusste, ich würde der Schule verwiesen, wenn jemand diesen Vorfall an die große Glocke hängen würde. Das Tsuyoshi nichts sagen würde war klar, aber ein anderer durfte es auch auf keinen Fall. „Hey keine Angst, du fliegst schon nicht. Immerhin ist dieses Ekel auf dich losgegangen und du hast nur versucht Lily und dich selbst zu schützen. Außerdem hast du drei Zeugen.“, versuchte Kaito mich zu beruhigen. Wie auf ein Zeichen hin nickten Lily und Gakupo. Meine anderen Klassenkameraden hatten den Vorfall nicht mitbekommen, da der Zwischenweg vom Schulhof aus nur sehr schwer zu sehen war und sie vermutlich schon längst zurück in der Klasse waren. „Ich will trotzdem zurück ins Klassenzimmer. Sind ja nur noch vier Stunden.“, entschied ich. Obwohl ich beteuerte das es mir einigermaßen gut ging, bestand die Cheerleaderin darauf mich zu stützen. Sie sagte, sie wolle es nicht schuld sein, wenn ich mich nachher noch im Treppenhaus auf die Nase legen würde. Gakupo hatte inzwischen den Tisch eingesammelt, den Kaito und er vorhin hatten fallen lassen. Der Blauhaarige warf einen Blick in meine Richtung und irgendetwas in seinem Blick sagte mir, das er schon wieder mehr wusste als ich. Und eben dieses stille 'ich weiß was los ist' ärgerte mich. „Gut, aber sag bloß bescheid, wenn es dir schlechter gehen sollte.“, mahnte er mich. „Ja, Papa~!“ Ich verdrehte die Augen, auch wenn ich wusste das er es nur gut meinte. „Wir sehen uns dann in der nächsten Pause.“, verabschiedeten die beiden Jungs sich dann. Obwohl es mir nicht gut ging, lächelte ich. Es war schön zu wissen, was für gute Freunde ich doch hatte und das wir uns immer aufeinander verlassen konnten. Und das Eis zwischen mir und Lily taute ebenfalls überraschend schnell. Gemeinsam begaben wir Mädels uns dann wieder ins Gebäude und liefen bis zur zweiten Etage, wo unser Klassenraum war. Die anderen waren schon längst wieder vom Hofdienst zurück. Kurz bevor wir die Klasse erreicht hatten, blieb die Blonde plötzlich stehen. „Was ist?“, wollte ich wissen. „Ich verstehe zwar nach wie vor nicht warum du das für mich getan hast, aber vielen Dank. Du hast ja keine Ahnung was für eine Angst ich vorhin hatte.“, gestand sie. „Das brauchst du nicht. Ich lasse nicht zu das er dir noch einmal weh tut.“, hörte ich meine eigene Stimme plötzlich sagen. Oh man, fast wie in so einem kitschigen Film. Mir war meine Wortwahl peinlich und ich fragte mich, wie um alles in der Welt ich jetzt darauf gekommen war. Ohne Vorwarnung umarmte die Blonde mich und vergrub ihr Gesicht in meinem Shirt. Auf ihren Lippen hatte sich ein glückliches Lächeln breit gemacht. Ihre Wangen erinnerten mich derzeit stark an eine überreife Tomate und ich spürte, wie die Hitze augenblicklich auch in mir aufstieg. Restlos verwirrt schloss ich sie in die Arme und lehnte mein Kinn leicht auf ihren Kopf. Bis vor kurzem waren wir noch Erzfeindinnen gewesen und jetzt, nach einer knappen Woche, empfand ich ihr gegenüber eine so starke Freundschaft, das es mir schon fast unheimlich war. Hätten Rin oder Gumi mich plötzlich so umarmt, ich hätte sie vermutlich nach kurzer Zeit weggeschoben, wieso aber ließ ich diese Nähe bei Lily zu? Es fühlte sich so falsch und so richtig zugleich an. Mir kam es vor wie eine halbe Ewigkeit, doch dann suchten wir wieder etwas Abstand und blickten nun beide recht verlegen drein. „Uhm...ja..“, stammelte die sonst so zickige Cheerleaderin. „Ähm...lass uns in die Klasse gehen.“, schlug ich nicht weniger verwirrt vor. Und genau das taten wir dann auch. Zwar bekamen wir Ärger von der Lehrerin, doch damit konnte ich leben. Während Frau Sato eine Matheaufgabe an die Tafel schrieb, schielte ich heimlich rüber zu der Blondine. Ja, es war wirklich merkwürdig wie schnell sich Dinge ändern konnten. Plötzlich wünschte ich mir, das sie bald genau so zu meinen guten Freunden zählen würde wie der Rest meiner Gruppe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)