Goldgräber von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Weiche Schuhe, harte Schuhe -------------------------------------- Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt hat das Häschen mich doch wieder erwischt. Ad und Leo dürfen sich mit ihrem gemeinsamen Leben abstrampeln, bevor es losgeht nach Jordanien, wo sie nicht nur in archäologischer Hinsicht so manches Wunder erleben werde. Viel Spaß beim Lesen! V. Weiche Schuhe, harte Schuhe „Uff! Nimm! Den!“, keuchte Leo und prügelte mit der Fernbedienung in der Luft herum. Comic-Ad auf dem Bildschirm torkelte getroffen zurück, dann fing er sich wieder und verpasste Comic-Leo eine fürchterliche Rechte, sodass dieser k.o. ging. Ad kicherte schadenfroh. Das hier war wirklich schweißtreibend, und Ad war viel geübter als er darin. Oder war er bloß ein lahmer, alter Sack? Nein, das war er nicht! „Na warte!“, schäumte er und ging für die nächste Runde in Aufstellung. Ad hopste in seinen höchst albernen Drachenfuß-Hausschuhen aufgeregt auf und nieder. Der Anblick wäre für einen Außenstehenden so absurd, dass der wahrscheinlich ein Trauma davongetragen hätte, aber Leo wusste nur zu gut, was Ad ihm damit klarmachen wollte. Es war ja nicht so, dass Ad nicht in der Lage war, alleine einkaufen zu gehen. Wenn es sein musste, tat er das sehr wohl, doch gerne machte er es nicht. Der Erwerb dieser abartigen Treter sollte das wohl wiederlegen. Während er noch um Atem gerungen hatte ob dieses Looks hatte ihm Ad stolz wie ein Kindergartenkind erzählt, dass er mit seinem Vater „shoppen“ gewesen sei. Vater und Sohn Abendrot hatten unter Garantie keine Ahnung davon, wie man das Klischee vom schwulen „Shoppen“ in die Tat umzusetzen hatte, aber dafür war Leo durchaus dankbar. Er selbst war da auch nie fanatisch gewesen und Modehuschen waren ihm immer gehörig auf den Keks gegangen. Nichts war so abtörnend, wie ein geiler Macho, der einem ins Ohr quietschte, dass sein Nietengürtel ja sooo ein Schnäppchen gewesen sei und dass er ihm sooo viel besser stünde als Freddi, der sooowiesooo viel zu fett und alt für sooowas sei – und sooo weiter. Nein danke, da lieber Ad und seine Puschelfüße. Er sah zu, sich zu konzentrieren und schaffte es immerhin, Ad halbwegs in die Defensive zu prügeln, bevor der sein animiertes Alter Ego erneut quer durch den Raum ins Lummerland schickte. „Wah!“, stöhnte er auf. „Mich reut es fast, bei Pilates abgelehnt zu haben!“ „Naja. Pilates ist viel anstrengender“, informierte Ad ihn nüchtern, sodass er fast versucht war, Bildschirm-Ad doch noch aus dem Hinterhalt eins zu verpassen. Das ließ dieses politisch korrekte Spiel natürlich nicht zu, elender Mist. Aber das ging auch anders. Er warf die Fernbedienung beiseite, nahm einen kurzen Anlauf und schubste den überrumpelten Ad rückwärts auf Sofa. „Hey?“, protestierte der überrascht. „Das gesunde Programm wäre erledigt, jetzt lege ich Wert auf den vielleicht auch gesunden, aber absolut nicht jugendfreien Abschluss!“, stellte Leo klar und presste sich auf ihn. „Okay“, grinste Ad und schlang die Beine um Leos Hüften. Er konnte die weichen Drachenpranken in seinem Kreuz spüren. Diese verspielte Kuschelversion von Ad zu vernaschen hatte definitiv auch etwas. …………….. Erschöpft sank Ad hintenüber. Leo war ganz schön wild zur Sache gekommen, doch auch daran konnte er sich gewöhnen. Immer nur mit Porzellanhandschuhen angefasst zu werden konnte auf die Dauer auch nerven. Jetzt lag der andere verschwitzt dösend auf seiner Brust und brummelte zufrieden vor sich hin. Ihre Kleidung hing halb auf ihnen, halb war sie im Raum verstreut. Sein linker Hausschuh ruhte friedlich auf der Wohnzimmerlampe, der andere wärmte immer noch fröhlich seinen Fuß. Ad streckte die Hand aus und streichelte über Leos zerzaustes, blondes Haar. Leo streckte sich und hob den Kopf. „Hmm, das hat gutgetan!“, schnurrte er. „Freut mich, dass dir der Salat geschmeckt hat“, neckte Ad ihn. Leo grinste ihn verschmitzt an. „Ja, der heutige Tag war gar nicht so übel“, gestand er. „Das mit Jordanien ist große Klasse! Wann geht es los? Was soll ich machen?“, kam Ad wieder in Schwung. „Kommt Zeit, kommt Rat. Erst mal muss die offizielle Bestätigung da sein, dann kann ich anfangen, die Vorab-Mission zu koordinieren. Vielleicht schon bald, das wäre toll. Mal gucken. Du wärst dann wie schon auf Zypern als studentischer Praktikant dabei, frei Kost und Logis, ein kleines Handgeld, aber das war’s. Wir werden sehen, was es konkret zu machen gibt, deswegen fahren wir ja überhaupt hin. Einen Geheimauftrag hätte ich allerdings schon mal für dich“, köderte ihn Leo. „Geheimauftrag?“, fragte Ad höchst gespannt nach. „Was denn?“ „Du hast dich hinter den Kulissen um mein körperliches und seelisches Wohlbefinden zu kümmern. Du weißt schon: wilder Sex, Fußmassagen und halbstündige Lobeshymnen auf meine Person, wann immer ich das will“, eröffnete er ihm. „Zeckenziehen hast du vergessen und: pah! Ich bin doch nicht dein Lustsklave!“, empörte sich Ad, der sich anscheinend ein wenig veräppelte fühlte. „Und wenn ich ganz lieb bitte sage?“, lockte Leo flehend. „Wäre das eine ziemlich unüberzeugende Form der Versklavung!“, rächte sich Ad. „Zudem finde ich dein Verhalten, wenn ich da mal an gestern denke, ziemlich inkonsequent! Keinerlei pädagogische Stringenz deinerseits zu erkennen!“ „Ich bin Archäologieprofessor und nicht Chefkindergärtner! Obwohl mich mein Leben da manchmal dran zweifeln lässt“, neckte Leo zurück. „Aber“, kam Ad zurück zum Punkt, „natürlich sehe ich es als meine Aufgabe als dein Freund an, dich bei Laune zu halten. Diese schwere Bürde trage ich ohne Hoffnung auf Lohn im Dienste der Menschheit!“ „Aha. Sieh an. Und wer ist hier eben abgegangen wie Luzie?“, bohrte Leo amüsiert. „Wer zur Hölle ist Luzie?“, wollte Ad fies wissen. „Gute Frage. Keine Ahnung, ich hatte nie was mit einer Frau, erstrecht mit keiner namens Luzie“, gestand Leo. „Echt nicht?“, wollte Ad neugierig wissen. „Na ja. Mit fünfzehn habe ich auf einer Teenager-Engtanzfete mit Hannah aus der Parallelklasse geknutscht. Ungefähr drei Sekunden lang, dann ist mir dezent übel geworden von dem ekligen Geschlabbere und wahrscheinlich auch von den anderthalb Bieren, die ich intus hatte. Hat sie nicht so positiv aufgenommen. Danach musste ich einsehen, dass das mit mir und der Damenwelt in diesem Leben nichts wird. Aber ich denke, das wird sie überleben“, schloss Leo trocken. „Und was ist mit dir?“ „Nicht mal in meinen schlimmsten Träumen!“, gestand Ad. „Erst dachte ich, dass es daran läge, dass ich eben irgendwie anders bin. Es hat ganz schön gedauert, bis ich kapiert habe, dass mich eher andere Körperteile locken als die, die Frauen da so haben. Hat die Sache auch nicht besser gemacht.“ Leo drehte sich und zog ihn an sich. „Ach, langfristig betrachtet schon“, befand er. „Auch wieder wahr“, musste Ad ihm rechtgeben. „Und wenn du deine Aufgabe so ernst nimmst“, nahm Leo den Faden wieder auf, „dann kannst zumindest du konsequent sein. Du hängst hier sowieso nonstop rum. Pack deine Siebensachen und Caesar und zieh endlich ein!“ „Wenn du das wirklich willst?“, zierte sich Ad. „Was meinst du wohl, warum ich eine Wohnung habe, die auch für zwei Personen taugt? Das mag zwar zeitweilig übertrieben optimistisch gewesen sein, aber ich pflege pragmatisch zu träumen. Oder brauchst du noch Zeit? Das wäre auch okay, ich dränge dich nicht. Ob heute oder übermorgen – du entkommst mir nicht!“ Ad musste fast wider Willen lachen. „Ja, das hast du mehr als bewiesen. Ich muss das mit Eric klären. Und einen Anteil an den Kosten will ich auch übernehmen, ich niste mich hier nicht einfach ein. Doch dann hast du mich ernsthaft am Halse, kein Entkommen möglich, überlege dir das gut!“ Leo seufzte. „Ad, der Drops ist längst gelutscht. Beweg deinen Arsch hierher, hier ist er willkommen und bald auch Zuhause. Und der Rest von dir auch. Ich habe die Schnauze voll von der Warterei. Außerdem entwickle ich ein Suchtproblem deine Frühstücksrühreier betreffend.“ „Na gut, das wäre ansonsten Quälerei“, lenkte Ad ein. „Wir beide, was?“ „Wir beide“, bestätigte Leo. „So soll es sein!“ „Sagt wer?“; fragte Ad. „Ich!“, erwiderte Leo. „Ich will dich! In allen Lebenslagen! Also zieh gefälligst ein!“ Ad musterte ihn, dann grinste er. „Auch mit Magen-Darmgrippe?“, hakte er nach. „Jederzeit!“, bot Leo höflich an. „Anfälle von Putzwahn?“, fuhr Ad fort. „Solange du meine Comic-Sammlung nicht ins Altpapier schmeißt“, warnte Leo vorsichtshalber. „Du hast eine Comic-Sammlung?“, fragte Ad verblüfft zwischen. Leo nickte stolz. „Muskulöse Typen in engen Klamotten – na klar!“, erklärte er. „Und wenn ich dich nerve?“, nahm Ad bang den Faden wieder auf. Leo griff beiderseits nach seinem Kopf. „Auch wenn du nervst, Ad. Keine Angst. Du haust doch auch nicht ab, wenn ich nerve?“ „Natürlich nicht!“, erwiderte Ad erschrocken. „Siehst du! Also, was ist nun?“, wollte Leo wissen. „Okay“, gab Ad nach. „Ich werde versuchen, das mit dem Generve gering zu halten. Ich freue mich! Das ist so … aufregend!“, fand er das richtige Wort. „Ein Abenteuer?“, zwinkerte Leo ihm zu. „Wie immer!“, stimmte Ad ihm zu. …………………… „Es ist schön da draußen“, meinte Ad mit Blick aus dem Fenster auf die vorüberziehende Landschaft. „Ja“, murmelte Leo lediglich. Sie saßen in einem antiquierten Zugabteil. Die Sitze waren mit braunem Cord überzogen. Obwohl die Bahn recht voll war, hatten sie das Abteil für sich. Ad wusste, wenn er sich ganz klein machte, dann blieben auch Fremde, wenn auch ungern, doch das wollte er gerade schlichtweg nicht. Leo missfiel das, auch wenn er die Kosten mittrug, das hatte er eingesehen. Manchmal war es dennoch nötig, doch gerade war er viel zu angespannt, um sich zusammenzureißen. Der Tag der Wahrheit war da, unerbittlich war er näher und näher gekommen und jetzt war es soweit. Am Morgen waren sie am Hamburger Hauptbahnhof eingestiegen und jetzt ratterte bereits Mecklenburg Vorpommern an ihnen vorbei. Noch zwanzig Minuten. Die Zeit verrann gnadenlos. Leo hielt seine Hand. Er hatte ihm zwar gesagt, dass es schon glattgehen werde, doch dafür gab es leider keine Garantien, das war nur Leos wackerer Optimismus, der ihm selbst leider ziemlich abging. Die Aussicht, der Familie seines Freundes vorgestellt zu werden, machte wahrscheinlich jeden nervös, da befand er sich wohl in guter Gesellschaft. Er hatte da allerdings ein paar Zusatzbedenken zu bieten, wie eigentlich immer. Eine Frauenstimme verkündete das nahe Ende ihrer Reise. Leo schielte auf das Display seines Handys, dann gab er das Startsignal, indem er seine Hand drückte. Ad erhob sich und spürte schon jetzt ein gummiartiges Gefühl in den Knien. Er sah zu, es sich nicht anmerken zu lassen, ließ Leo los und griff nach ihrem Gepäck oben in der Ablage. Viel hatten sie nicht dabei, nur ihre Rucksäcke mit ein bisschen Kleidung zum Wechseln und den Waschsachen. Sie waren ja eingeladen, das meiste stünde im Hotelzimmer für sie bereit, um die Verköstigung mussten sie sich auch nicht sorgen, doch das waren auch nicht gerade die Themen, die Ad ein dezentes Muffensausen bescherten. Leos Familie dürfte zwar über ihn im Bilde sein, das half allerdings nicht wirklich weiter, wie er nur zu genau wusste. Er fühlte Leos Hand auf der Schulter. „Ruhig Blut, Ad“, beruhigte er ihn. „Ich tue mein bestes“, schwor Ad mit verräterisch kieksiger Stimme. Leo nickte und lächelte, dennoch war auch ihm eine gewisse Nervosität anzusehen. Auch das war eigentlich normal in dieser Situation, wenn man die nicht ganz so normalen Haken bei der Sache ignorierte. Genau das musste er probieren, auch wenn es illusorisch sein mochte. Sein Freund stellte ihn, Adalmar Abendrot, anlässlich des neunzigsten Geburtstages seines Großvaters seiner Familie vor. Dergleichen passierte in tausenderlei Variationen ständig überall auf dem Erdball und fast alle hatten dabei irgendwie Gummiknie. „Luisa wartet am Bahnhof auf uns, sie hat gerade eine SMS geschickt, dass sie da sei“, informierte Leo ihn. Der Zug begann ächzend und quietschend zu bremsen. Ein paar Einfamilienhäuser ließen sich jenseits eines modernen, tiefgrünen Lärmschutzwalls erahnen, dann konnte man die Landschaft wieder sehen. Leo öffnete die Tür des Abteils. Ad griff erneut nach seiner Hand, auch wenn er sich dabei ein wenig so fühlte wie ein verängstigtes Kindergartenkind. Leo ging voran, zog ihn hinter sich her durch das Spalier dicht aneinandergedrängt stehender Fahrgäste, die lieber auf dem Gang gestanden hatten, als sich zu ihnen zu setzen. Selbst schuld, dachte Ad wacker, das ist ihre eigene Schuld, nicht meine! Dieses Mantra half manchmal ein bisschen. Mit einem letzten, ohrenbetäubenden Kreischen kam der Zug zum Stillstand, Leo legte die altertümlichen Hebel an der Zugtür um, dann schwang sie auf und der graue Bahnhofssteig lag vor ihnen. ……. Ad hatte wahrscheinlich gar nicht registriert, wie sehr er ihm gerade die Hand zerquetschte. Weise schluckte Leo alle Klagen hinunter. Ihm ging es ja auch nicht so ganz und gar anders. Für ihn war das hier auch eine Premiere, auch er betete, dass alles glattgehen mochte. Sicher unterstellte er seiner Familie nicht, böswillig zu sein, doch Erstbegegnungen mit Ad waren nun mal nicht leicht zu verkraften. Nur was seinen Großvater anging, war er unbesorgt. Der hatte schon den zweiten Weltkrieg inklusive des Einmarsches der Roten Armee überlebt, dagegen war Ad ja nun nichts. Für diesen Vergleich hätte er sich schlagen können. Er kam jedoch nicht dazu, denn eine wohlvertraute Stimme rief seinen Namen. Er reckte den Kopf und konnte vom anderen Ende des Bahnsteiges Luisa heran stöckeln sehen. Sie sputete sich sichtlich, doch die Killer-Absätze, die sie so sehr liebte, ließen nicht mehr zu als ein hektisches Gehüpfe. Mit der freien Hand winkte er ihr zu. Ad trat einen Schritt zurück und versteckte sich halb hinter ihm. Eigentlich hätte er ihn gerne unverzagt sofort wieder neben sich geschubst, doch so ganz unklug war es nicht, so wie seine Schwester da herankam. Nicht dass sie vor Schreck noch von ihren Folterschuhen fiel und sich was brach. Das wäre nicht der beste Einstand. „Da seid ihr!“, keuchte sie ihnen entgegen. „Ich dachte, dahinten sei vorne bei dem Zug, Orientierungssinn: Nein danke!“ Ziemlich außer Atem verfiel sie die letzten Meter wieder in eine normale Frequenz. „Hallo, Schwesterherz!“, grüßte Leo sie. „Huhu, Knalltüte“, erwiderte sie gutgelaunt und verschwendete keine Zeit für irgendwelches Gekutsche und Geknuddele, wie es bei Seifenopernfamilien vielleicht üblich war, wenn Geschwister sich begrüßten. Stattdessen streckte sie sich neugierig. Ad zermuste derweil mit besonders viel Elan seine Fingerknochen. „Hallo, Ad?“, übersprang sie elegant weitere Formalitäten, sondern kam zielgenau auf die Tatsache, dass Ad sich gerade äußerst feige hinter ihm verbarg. „Huhu!“, quietschte er aus seinem imaginären Karnickelbau hervor. Leo verdrehte halb amüsiert, halb latent genervt die Augen und tat das Naheliegende, indem er einfach einen raschen Schritt zur Seite trat, sodass Ad seine Verzögerungstaktik vergessen konnte. Es mochte ein Reflex sein, doch das half leider nicht weiter. Luisa stand jetzt stabil vor ihnen, also los. Seiner großen Schwester fiel das Lächeln aus dem Gesicht und der Unterkiefer auf die Zehenspitzen. Ad blinzelte hektisch und blieb wie festgeleimt stehen. „Atmen nicht vergessen“, empfahl er ihr. Sie schnappte folgsam nach Luft uns renkte sich dabei den Unterkiefer wieder ein. Er meinte es zumindest leise knacken zu hören. „Ad?“, fragte sie in einem Tonfall, in dem sie bei entsprechender Begegnung auch „Marsmenschen?“ gesagt hätte. „Ja“, erwiderte Ad lahm. „Adalmar Abendrot. Ad.“ „Ach, du heiliges Deutschland!“, keuchte Luisa mit Augen so groß wie die zu den Marsmenschen passenden Fliegenden Untertassen. Interessant. Luisa und er sahen sich ziemlich ähnlich, sie hatte dieselbe Haar- und Augenfarbe wie er, auch ihre Züge ließen keinen Zweifel an ihrer engen Verwandtschaft aufkommen. Ob er wohl auch so ausgesehen hatte, als Ad damals in sein Berliner Büro marschiert gekommen war? In männlich, jünger und deutlich attraktiver natürlich, zumindest was Ad anging? Auch damals hatte Ad artig dumm rumgestanden, bis er sich wieder eingekriegt hatte. Er löste seine Hand aus Ads, trat vor und wedelte mit ihr vor Luisas Nase herum. „Noch wer zuhause?“, fragte er anteilsvoll, um die Sache zu beschleunigen. Luisa schluckte mehrmals hart, zwinkerte und kam schleppend wieder zu sich. Sie wurde abrupt knallrot im Gesicht, als ihr klarwurde, wie sie sich gerade aufführte. „Ich habe nur nicht gewusst … Hatte ja keine Vorstellung … Oh Mann … Äh .. Tut mir leid … Öh …“, brabbelte sie wirre. „Macht nichts. So ist das immer“, erwiderte Ad leise mit gesenktem Blick. „Was für einen Frisör hast du?“, faselte Luisa einfach weiter, vermutlich, um irgendwo eine Ursache für das zu finden, was sie da gerade sah. Gott sei Dank waren sie allein auf dem Bahnstein, sodass sie das hier im trauten Kreise über die Bühne bringen konnten. „Papa. Mein Vater! Mein Vater schneidet mir die Haare. Aber der ist nicht Friseur“, antwortete Ad brav. „Aha“, erwiderte Luisa dumpf. Sie schüttelte sich, als habe ihr jemand just einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gegossen. „Tut mir leid!“, würgte sie erneut hervor. „Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet!“ Leo musste zugeben, dass sich seine Schwester verhältnismäßig gut schlug. Vielleicht hatte dieses Mal die Vorwarnung ja etwas gebracht, da sie zumindest ernstgenommen worden war. Er selbst hatte damals ja gedacht, dass man ihm Blödsinn erzähle, da hatte es ihn wohl umso heftiger getroffen. Er verfolgte aufmerksam, wie Luisa mit sich kämpfte. Ad hielt derweil weiter still und wartete schicksalsergeben. Schließlich strafte sie sich und bekam ein verkrampftes Lächeln zustande, das sie aussehen ließ, als habe sie eine äußerst missglückte Schönheits-Operation hinter sich. „Okay!“, strahlte sie wie im Drogenrausch. „Dann … dann wollen wir mal, nicht wahr? Fahren? Mit dem Auto fahren? Zum Hotel?“, eiere sie herum. „Exzellente Idee, so schön ist es hier denn auch wieder nicht“, stimmte er zu. Ihre Schuhe vollführten ein Stakkato auf dem Grund, während sie ihr folgten. Leo war dankbar, solche Foltergeräte niemals tragen zu müssen, um attraktiv zu wirken. Das hatte er inzwischen sowieso nicht mehr möglich. Der schönste Mann auf Erden war sein Freund, obwohl er meist nur ausgelatschte Sneakers trug. Ads Bewegungen waren so unfassbar anmutig, obwohl ihm das gar nicht bewusst war. Ein unschuldig lockendes Gleiten, ein absolutes Timing für die richtige Geste. Es musste ihm irgendwie im Blute stecken. Und dieses Wunderwerk war sein, das würde er jetzt allen zeigen, die zählten. Das war nicht leicht, nicht unproblematisch, aber es ging nicht anders. Sie drängten darauf, sie waren gewarnt. Und er wollte es. Er wollte es ihnen zeigen. Ihn. Ad, seinen wundervollen, sanftmütigen Ad. …….. Nächstes Mal erwartet die beiden das Familiendinner inklusive schwerhöriger Großväter, rotzfrecher Neffen und brandgefährlicher Kekse. Bis dahin: schönes Schmökern! Hosted by Animexx e.V. 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