Silent Promise von Lance (First Class) ================================================================================ Kapitel 1: Silent Promise ------------------------- Das sanfte Wellenrauschen holte Erik langsam in die Realität zurück, seine grauen Augen blickten auf das unnatürlich blaue Meer vor der Küste einer kubanischen Insel. Dieser Insel. Vor genau einem Jahr war es passiert, dieser Ort war Zeuge eines schlimmen Schauspiels geworden, einem Mord, einer Lüge und einem Bruch. Der Mord war wohl für alle das kleinste Übel, selbst wenn es moralisch nicht in das Denken der Menschen passte, die es nicht nachempfinden konnten. Hier hatte Erik sein Leben beendet, er war nicht mehr Erik Lensherr, er hatte den Namen angenommen, den Raven und die anderen Kids ihm gegeben hatten… pardon Mystique, er nannte sich nun Magneto. Seine Schuhe wurden leicht von der anschwemmenden Gischt berührt, doch er bewegte sich keinen Zentimeter, genau an dieser Stelle hatte vor einem Jahr alles begonnen. Er wandte seinen Kopf, der nun von einem magentafarbenen Helm geschützt wurde, zur Seite. Er wusste noch genau die Stelle, in der ihr Flugzeug damals notgelandet war, ebenso das U-Boot von Shaw. Die Regierung hatte alles verschwinden lassen, was auf ihren kleinen Krieg hätte hinweisen können. Es erfüllte Erik mit ungemeiner Wut, dass diese Menschen einfach versuchen wollten ihre Fehler ungeschehen zu machen, wenn niemand nachforschte würde niemand jemals erfahren, dass Shaw hier auf der Insel gewesen war - ein Mutant gewesen war. Einer der die Regierung so unter Kontrolle gehabt hatte, dass sie beinahe den 3. Weltkrieg ausgelöst hätten. Wie töricht diese Menschen doch waren, sie waren eine so niedrige Lebensform, dass Erik sich wunderte, wie sie es schafften sich überhaupt allein die Schuhe zu zubinden. Jedoch viel zu lange war es für den Dunkelblonden her. Wieso hatten sie sich ausgerechnet an so einem Ort trennen müssen? Unter solchen Umständen? Selbst wenn Erik nie an seiner Entscheidung oder seinen Gründen gezweifelt hatte, konnte er selbst jedoch nicht leugnen, dass dieser Preis welchen er dafür gezahlt hatte, mehr als hoch gewesen war. Die einzige Freundschaft, die er seit Shaw’s unmenschlichen Taten zustande bekommen hatte. Viele hatten ihre Freundschaft nicht verstehen können und manchmal verstand er sie selbst nicht einmal und doch konnte er sich niemals vorstellen Charles wie all die anderen zu behandeln. Seine Informationen mit Gewalt und Folter aus ihm heraus zu pressen und ihn danach vielleicht sogar noch zu töten. Doch als er die Kugel abgelenkt hatte, so dass diese genau in Charles Bahn geflogen war, war zwischen ihnen komplette Stille aufgezogen, kein angenehmes Gefühl. Anders als bei Shaw, als dieser seine Mutter getötet hatte und Erik schon Augenblicke zuvor gespürt hatte, dass er versagen würde. Es war wie ein tiefer Schlag in die Magengegend, deren Schmerz auch jetzt noch andauerte, es war seine Schuld, die er mit sich herum trug und doch wusste er, dass Charles wohl auf war. Er hatte zwar keine Beweise, aber er wusste es, ihm ging es gut, er hatte diesen Fehler seinerseits überlebt. Jedoch brachte es ihm nicht viel, hier herum zu stehen, das Meer anzustarren und darauf zu hoffen, dass eine Lösung an das Ufer des Strandes schwappte, dies würde nicht passieren. So hob er seine Hand, welche er, seit dem er wieder an diesen Strand zurückgekehrt war, zu einer Faust geballt hatte. Er öffnete diese, in seiner Handinnenfläche kam ein deformiertes, kleines Stück Metall zum Vorschein. Es war die Kugel, die er damals aus Charles Rücken heraus gezogen hatte. Erik hatte sie nicht in den Sand fallen lassen, wie man vielleicht vermutet hätte, er hatte sie an sich gebunden mit seiner Kraft, ohne es selbst gemerkt zu haben. Sie hatte an ihm geklebt, als er mit seiner Gruppe verschwunden war. Erst als sie einen Unterschlupf gefunden hatten, war ihm aufgefallen, dass dieses kleine Stück Schrott noch an ihm geklebt hatte, doch übers Herz gebracht hatte er es nicht es einfach weg zu werfen. Es würde ihn an seine erneuten Fehler erinnern, die Freundschaft, die er verletzt hatte und das Vertrauen, das er von Charles geschenkt bekommen hatte, welches er so missbraucht hatte. Sie war seine neue Münze. Einen kurzen Moment spürte Erik das Verlangen Charles aufzusuchen, ihm zu sagen wie Leid es ihm tat, was er ihm angetan hatte und doch war er sich nicht sicher ob all dies der Wahrheit entsprach, die er empfand. Charles würde ihm verzeihen, er hätte ihm alles verziehen, so war sein alter Freund. Er war so naiv und gutherzig, dass es ungesund sein musste. Doch hatte es Erik verdient verziehen zu werden? Es war wieder der Moment in welchem er in einem gewissen Maße an Selbstmitleid ertrank, er selbst gab es nicht zu, wie gut es ihm getan hatte jemanden an der Seite zu haben, der einen respektierte und wertschätzte wie er war, seine Art akzeptierte, seine Fehler und er hatte die erstbesten Gelegenheiten genutzt und versucht Charles von sich zu stoßen. Wie oft hatte er diese Gedanken in diesem Jahr schon gehabt? Zu Tausende und jedes weitere Mal machte ihn noch wütender auf sich selbst, dass sich solche Gedanken in seinen Kopf geschlichen hatten, dass es Charles war, der ihn so verändert hatte und dies in ein paar Wochen. Der Wunsch jetzt zu Charles zurück zukehren, zu wissen wie es ihm in diesem Jahr ergangen war, wurde stärker und dringender. Einen roten Rauch und ein Puff-Ähnliches Geräusch konnte er vernehmen, ehe die Stimme Azazel’s zu hören war. „Die 2 Stunden sind um, Magneto. Emma möchte mit dir reden.“ Darauf hatte Erik, wenn er ehrlich war, gar keine Lust. Emma war zwar keine anstrengende Frau und doch hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, wie lange er hier gestanden hatte, um über Charles und das zwischen ihnen nachzudenken. Keine wirklich weise Entscheidung, wenn man ihn fragte, sein Leben so in der Vergangenheit zu leben, auch wenn er es vor einem Jahr nicht anders getan hatte und nach Rache gedurstet hatte. Er drehte sich zu dem rothäutigen Teleporter herum. „Bevor wir zurückgehen, musst du mich noch wo anders hinbringen.“ Er hatte seine Entscheidung getroffen, er würde seinem alten Freund einen Besuch abstatten. Bekanntlich war dieser Ortswechsel für einen Teleporter nicht schwer oder vielleicht nur für Azazel, denn er brachte ihn nach Berkshire, England, ohne irgendwelche Schwierigkeiten. Den restlichen Weg zur Schule legte Erik jedoch alleine zurück, wieder einmal. Mit seinem Magenta-Roten Aufzug fiel er jedoch ziemlich auf, weswegen er sich so nahe wie möglich an die Schule heran bringen ließ, wie es für Azazael möglich war. Er konnte das Lachen von Kindern hören, welches jedoch erstarb, als sie einen Blick in den Himmel warfen, eine Geste, die auch Erik unbewusst selbst tat, dunkle Wolken zogen auf, ein ungutes Gefühl brachte es sofort mit sich. Hätte er vielleicht nicht kommen sollen? Was war wenn Charles ihn nicht sehen wollte? Wenn er es ihm doch übler nahm, als er angenommen hatte? Dieser Vertrauensbruch war für Charles sicher nicht so einfach gewesen und wie er sich wohl gerade in diesem Moment fühlte? Aber an Karma oder Schicksal glaubte weder Erik Lensherr noch Magneto, so setzte er seinen Weg fort, einen Weg durch den Garten, wo bis eben noch ein paar Kinder gespielt hatten. Charles hatte es wirklich geschafft aus seinem Anwesen eine Schule zu machen und noch mehr Mutanten zu finden, um sie zu unterrichten. Eines musste man Charles lassen, er wusste wie er sich richtig durchsetzen konnte. Unterbewusst musste Erik schmunzeln, nun hieß es nur noch seinen alten Freund zu finden, bevor es anfing zu regnen. Der große Garten wurde mit vergleichbar schnellen Schritten durchquert, an einem Teich entlang zu offenen Türen, die es einem Fremden nicht schwer machte in diese Schule hinein zu kommen. Doch brauchte jemand wie Charles Alarmanlagen? Nur wenn alle solche speziellen Helme hatten wie Erik und dieser würde dafür sorgen, dass nur er der Einzige bleiben würde, der sich mit so etwas vor Charles schützte. Mit deutlich schnelleren Schritten suchte Erik nach seinem Freund, wo könnte er sich in solch einem riesigem Anwesen bloß aufhalten? Wenn er seinen Helm abnehmen würde, würde er sofort wissen wo sein Freund sich aufhielt, doch genau dies wollte er vermeiden. Überraschungen waren doch noch nie wirklich seine Stärke gewesen bei einem Telepathen als Freund, doch nun konnte er ihm vielleicht einmal etwas zeigen, womit Charles nicht mal im Ansatz mit gerechnet hatte. Sein Blick blieb für einen Moment am Fenster hängen. Die Wolken schienen noch trister und dunkler geworden zu sein, er blieb stehen um weiter aus dem Fenster zu schauen. Die Bäume, die sich im Wind leicht bewegten und vereinzelte Wassertropfen prallten gegen die Scheibe. Dieses ungute Gefühl heute doch nicht hier her kommen zu sollen, beschlich ihn wieder, im selben Moment hörte er eine Tür aufgehen. Er hatte nicht daran gedacht, dass es vielleicht noch mehr Kinder gab, die hier herum liefen oder auch andere Erwachsene. Charles hatte nicht nur Raven und ihn als Freunde gehabt, wenn man an Alex, Sean und Hank dachte. Eindeutig hätte er sich das besser überlegen sollen. Langsam drehte sich Erik herum, rechnete fast mit einem großen blauen Fellüberzogenem Biest, doch was er sah, ließ ihn einen Moment wünschen, er hätte lieber Hank gesehen, als diesen Anblick. Es war Charles, doch nicht der Charles, den er zurück gelassen hatte. „Charles?“ Es war nicht ihre Schuld, Erik. Das warst du. Diese Szene lief wie ein Film vor seinem inneren Auge, wie er Charles die Kugel aus dem Rücken geholt hatte, wie er ihn umgedreht hatte, ihn in seinen Armen gehalten hatte und dann hatte er ihn gehen lassen. Erik hatte nicht überprüft, ob mit ihm alles in Ordnung war, er hatte sich nicht überzeugt, nicht nachgefragt. Und nun sah er Charles dort in einem Rollstuhl. Seine grauen Augen starrten den Flur entlang, seine Kehle war trocken, sein Inneres war wie verschwunden, doch als er realisierte, diese blauen Augen sah, waren sie schlagartig wieder da und bleischwer. Charles sah ihn an, als sei er die Illusion, welche Erik sich gerade vor sich wünschte. Er konnte diese Panik und diese Angst nicht in Worte fassen, die er gerade in diesem Augenblick spürte, wieso hatte Charles es ihm niemals gesagt? Er hatte ihn in diesen Rollstuhl gebracht, er musste ihn hassen! Einige Sekunden starrten sie sich an, ohne Worte, bis der Professor seinen Mund öffnete und seinen Namen aussprach, nicht mit Hass, nicht mit Verachtung, für ihn klang es in diesem Moment wie Scham. Er musste sich verhört haben, denn Charles hatte keinen Grund sich dafür zu schämen, für das was er ihm angetan hatte. Unbewusst hatten seine Hände sich fester zusammengeschlossen, als sie es die ganze Zeit schon gewesen waren, um das Zittern zu unterdrücken, die Wut auf sich selbst und was er Charles angetan hatte. Mit fahrigen Schritten war er auf den Rollstuhl zugegangen, den Blickkontakt zwischen sich und Charles nicht abbrechen lassend, denn würde er es jetzt tun, dann war die Wahrscheinlichkeit zu groß, dass er umdrehen würde und vor seinen Taten davon laufen würde. Noch einmal hörte er seinen Namen, die Angst war deutlich daraus zu hören, er kannte seinen Telepathen. Mit einem Mal glitt seine Hand zu seinem Helm, mit welchem er sich vielleicht schon all die Monate vor Charles und der Verantwortung, die er zu tragen hatte, zu verstecken hatte versucht. Doch was er hier sah, was er schon seit einem Jahr hätte wissen müssen, machte ihm deutlich wie schwer sein Fehler gewesen war, Charles einfach am Strand zurück zu lassen. Sein Helm kam scheppernd auf dem Boden auf, Erik sank vor dem Rollstuhl, vor Charles, in die Knie. Er spürte, wie seine grauen Augen sich mit Tränen füllten, als er seine Stirn gegen eines der gelähmten Beine seines Freundes lehnte. ‚Es tut mir Leid, Charles…‘, erklang die Stimme des Dunkelblonden in seinem Kopf mit der Gewissheit, dass Charles ihn hören konnte. Eine Welle von Verzweiflung, Wut, Bereuen, Verlangen, Zorn, Ärger, Vertrauen, Vergebung, Frieden und Liebe durchfluteten seinen Körper. Er wusste, dass es Charles war, der versuchte ihn zu beruhigen, ihm zu sagen das alles gut werden würde und das er ihm vergab. Erik hatte seine Fäuste als Halt neben Charles’ Rollstuhl gestemmt, er zitterte noch immer, doch die Verbindung, die seit einem Jahr nicht mehr stattgefunden hatte, fühlte sich so intensiv an. Als hätten sie dieses verschwendete Jahr niemals ohne diese Verbindung verbracht. Heiße Tränen rollten Eriks Wange hinab, versickerten in der weißen Decke. Das klirren einer Münze brachte Erik dazu seine Augen zu schließen, Charles Gefühle und Gedanken vollkommen zuzulassen und sich selbst zu vergeben. Langsam öffnete er seine Fäuste, hob seine Hände und legte sie auf Charles’, um sie in den Schoß des Dunkelhaarigen zu ziehen und sie dort fest zu halten. Er würde keinen derartigen Fehler erneut zulassen, dies versprach er ihm, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Neben der Münze lag eine deformierte Kugel, die andere als Schrott bezeichnen würden. Doch für Erik und Charles waren diese beiden Gegenstände mehr als nur eine Münze und mehr als nur eine Kugel. Versprechen mussten nicht immer mit Worten ausgesprochen werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)