Verschlungene Pfade von Cersey ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Der Rest der Woche verlief gewohnt unspektakulär. Nach diesem Wochenende war ich beinahe froh, mich in der Uni langweilen zu dürfen. Ja, richtig gehört! Die Uni langweilte mich zu Tode. Keine Ahnung, was mich geritten hatte, als ich beschloss, mit Till zusammen BWL zu studieren. Und keine Ahnung, was ihn geritten hatte, dass ihm der öde Kram Spaß machte! Die Hälfte meiner Kommilitonen waren absolute Langweiler und die andere Hälfte saß aus demselben Grund hier wie ich. Nämlich aus purer Verzweiflung darüber, dass alle um uns herum wussten, was sie mit ihrem Leben anfangen sollten. Ich persönlich hatte keinen blassen Schimmer. Man sollte meinen, 13 Schuljahre wären genug, um das herauszufinden, doch stattdessen saß ich hier. Meine Eltern hofften wohl, dass ich in der Uni entdeckte, dass Betriebswirtschaftslehre das Spannendste der Welt sei, oder, dass ich hier wenigstens schnell meine wahre Bestimmung fand. Tja, Pustekuchen. Es war Freitag und ich saß mit meinem besten Freund in einer Vorlesung, die auf mich eine kaum aufweckendere Wirkung hatte, als eine Überdosis Valium. Irgendwie war ich sogar stolz darauf, dass ich dieses Studium bisher so stur durchgezogen hatte. Dass dies sogar mit recht guten Noten geklappt hatte, war einzig und allein Tills Verdienst, der mir mit schier unendlicher Geduld den ganzen Mist, den ich bei den Professoren nicht verstand, erklärte. Das machte ihm scheinbar auch noch Spaß. Verrückte Welt. Während ich kaum erwarten konnte, dass die letzte halbe Stunde endlich vorbeiging, wurde Tills Blick immer finsterer. Und das alles wegen diesem Familiending, zu dem er mitgeschleift wurde. Okay, seine Großtante, die ich bisher nur zweimal gesehen hatte, gehörte auch für mich nicht zu den bevorzugten Personen auf dieser schönen, großen Welt, doch Till würde diese Stunden schon überleben. Als ich ihm auch genau das sagte, während wir den Hörsaal endlich verließen, schnaubte er abfällig. „Klar werde ich das überleben. Ich kann mir aber wirklich eine tollere Gestaltung für mein Wochenende vorstellen. Keine Ahnung, was ich da überhaupt soll! Das Durchschnittsalter liegt bei etwa fünfzig Jahren, kochen kann die gute Frau auch nicht und vor den Torten habe ich jetzt schon Angst. Und dauernd müssen mich alle begrabschen, weil die ganzen Tanten nicht fassen können, dass man in zwei Jahrzehnten nun mal älter und größer wird. Du kennst das vermutlich nur aus dem Fernsehen, aber mir wird da tatsächlich in die Wange gekniffen.“ Bei diesem Gefühlsausbruch konnte ich gar nicht anders. Ich musste lachen! Till fand das eindeutig weniger lustig als ich. Daraus machte er auch überhaupt kein Geheimnis. „Sehr witzig“, zischte er. „Ach komm… so schlimm wird es schon nicht werden“, sagte ich aufmunternd, „und morgen Abend machen wir einen drauf.“ „Ich kann es kaum erwarten“, antwortete Till trocken. Gemeinsam gingen wir zu den Fahrradständern. Obwohl ich stolzer Besitzer eines eigenen Autos war, bevorzugte ich für die Strecke zur Uni noch immer das Fahrrad. „Till, wenn du dich morgen Abend unwohl fühlst, gehen wir woanders hin. Das haben wir gesagt und das gilt nach wie vor, okay?“ „Prima, ich will da nicht hin! Ich fühle mich da unwohl!“, sagte Till auch prompt, „Können wir bitte woanders hingehen?“ „Boah, du verhältst dich wie ein bockiger Teenager. Du kommst mit ins Herzblut und siehst, wie es läuft. Sonst streiche ich dir dein Taschengeld.“ Till ließ ein genervtes Schnauben erklingen und schwang sich auf sein Fahrrad. Ich beeilte mich, mein Fahrrad ebenfalls aufzuschließen, ehe er noch auf den Gedanken kam, mich hier einfach stehen zu lassen. Als wir an die Kreuzung kamen, an der sich unsere Wege unweigerlich trennten, schaffte ich es trotzdem, ihm das Versprechen abzunehmen, am kommenden Abend mit ins Herzblut zu gehen. Natürlich unter Vorbehalt. Dabei hatte Till es noch einigermaßen glücklich getroffen, denn immerhin musste er nur einen Abend des Wochenendes mit seiner Ex verbringen. Ich hatte bereits in wenigen Stunden das zweifelhafte Vergnügen. Zumal wir am Samstag sogar die Gelegenheit haben würden, Caro aus dem Weg zu gehen. Die würde vermutlich auf einem Hocker in Tamilos Nähe kleben und ihn anhimmeln. Solange wir unsere Getränke einfach bei einem anderen Barkeeper orderten, würden wir die beiden kaum zu Gesicht bekommen. An diesem Abend würde das nicht so einfach werden. Dafür quälte mich heute wenigstens nicht das schlechte Gewissen. Zuhause empfing mich laute Musik aus dem Wohnzimmer. Für mich ein klarer Beweis dafür, dass meine Eltern beide noch am Arbeiten waren, denn Sophias bevorzugten Pop-Rock Songs gehörten nicht zur ersten Wahl meiner Eltern. Und für die Lautstärke die mir entgegenschlug, hätte sie selbst in ihrem Zimmer auf den Deckel bekommen. Als ich das Wohnzimmer betrat, herrschte dort jedoch gähnende Leere. Genervt stellte ich die Anlage aus und brüllte: „Toller Empfang!“ Ein Lachen erklang hinter mir. „Nur die Ruhe Bruderherz. Ich habe mir nur etwas zu trinken geholt.“ „Ja, und ganz nebenbei die halbe Stadt mit Musik versorgt. Hast du mal darüber nachgedacht, Eintrittsgelder zu verlangen?“ Sophia steckte mir nur die Zunge heraus. Ich ließ mich auf das Sofa fallen und sie machte die Musik wieder an. Jedoch in einer Lautstärke, die Gespräche nicht völlig unmöglich machte. „Ach, stell dich nicht so an. Wie oft ist man hier schon einmal alleine? Das musste ich ausnutzen.“ „Warum bist du eigentlich schon zuhause?“, fragte ich sie. Sophia zuckte mit den Schultern. „Stundenausfall“, antwortete sie schlicht. „Schüler müsste man noch einmal sein“, seufzte ich theatralisch und grinste. Sophia hob eine Augenbraue an und entgegnete: „Und das kommt von dem Studenten, der jeden Freitag um halb eins zuhause ist? Du hast ja einen Knall.“ „Bevor wir jetzt einen Pseudo-Streit vom Zaun brechen, lass uns lieber bequatschen, wie wir das morgen machen sollen“, lenkte ich das Thema in eine andere Richtung. Ich kannte uns schließlich gut genug. Zuerst starteten wir aus Spaß einen völlig belanglosen Streit und dann sprachen wir den Rest des Tages tatsächlich kein Wort mehr miteinander, weil wir beide dann völlig genervt voneinander waren. Da hatte ich heute wirklich keine große Lust drauf. „Wie hast du dir das denn gedacht? Ich bin davon ausgegangen, dass wir gemeinsam in die City fahren würden.“ „Das können wir auch. Allerdings musst du dann morgen zu Leonie kommen, denn ich glaube nicht, dass ich morgen nach Hause komme.“ „Seid ihr heute Abend auch unterwegs?“, fragte Sophia nach. Ich nickte und erzählte ihr von den Plänen. Sie schien zuerst Interesse daran zu haben, sich uns anzuschließen, doch das änderte sich, als ich Carolines Anwesenheit erwähnte. Berechenbare kleine Schwester. „Die schon wieder“, schnaubte sie abfällig. Als ich Sophia erzählt hatte, dass Till, Caroline und Tamilo im Alex aufeinander getroffen waren, war sie darüber schockierter, als Till selbst. Dass nun auch Till mehr oder weniger mit seiner Ex-Freundin verabredet war, hatte ich meiner Schwester bisher verschwiegen. Da ich sie aber vorher wohl kaum noch einmal sehen würde, fand ich es nun doch an der Zeit, sie zu warnen. Das Theater, das entstehen würde, sollte Sophia unvorbereitet auf Caroline treffen, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen. Obwohl… witzig wäre es. Vermutlich würde Sophia das allerdings deutlich weniger amüsant finden. Und der daraus resultierende Streit, war kein Preis, den ich zahlen wollte, um Caroline eins auszuwischen. „Sophia… fairerweise sollte ich dir sagen, dass Caroline morgen auch im Herzblut sein wird.“ Sophia erstarrte. „Bitte, was?“, fragte sie mit ausdruckslosem Gesicht. Als ich auf ihre Frage nicht weiter einging, hakte sie nach: „Und Till weiß Bescheid?“ Langsam nickte ich. „Toll. Und das sagst du mir erst jetzt?“ Entgeistert sah meine Schwester mich an. „Naja, ich dachte, dass du vorbereitet sein solltest, damit es zu keiner unangenehmen Szene kommt.“ „Zu gütig“, giftete sie, „Wenn ich das vorher gewusst hätte…“ „Dann was? Hättest du Tills Einladung dann ausgeschlagen?“ Purer Zweifel schwang in meiner Stimme mit, doch das kümmerte mich nicht. „Arschloch.“ „Zicke.“ „Ihr könnt morgen alleine fahren. Ihr braucht nicht auf mich zu warten. Ich finde alleine hin“, murrte Sophia eingeschnappt, griff nach der Fernbedienung und steigerte den Lautstärkepegel wieder deutlich. Das Gespräch war also beendet. Die Audienz bei meiner Schwester vorbei. Wie war das mit den Streits aus völlig banalen Gründen? Ich liebte meine Schwester, aber hin und wieder könnte ich ihr auch heute noch an die Gurgel springen. Ein paar Stunden später betrat ich mit Leonie allerdings erst mal die Große Freiheit. Zwei Abende in Folge. Das konnte doch nicht gut gehen. Mir kam es so vor, als würden wir die Caro-freie Zeit nun auf einmal nachholen müssen. Dumpfer Bass und Gitarrenriffs hießen uns willkommen. Es war wie immer brechend voll in der Freiheit. Da Caro und Milo etwas später kommen würden, hatten die Mädels untereinander ausgemacht, dass sich Caro bei ihrer Ankunft mit einer SMS melden würde. Treffen würden wir uns dann an der Bar. Nun gut. Das sollte zu schaffen sein. Musikalisch waren wir in unserer Clique recht anspruchslos, wenn es darum ging, zu feiern. Doch die Rock-Nächte in der Freiheit gehörten eindeutig zu meinen Lieblingsterminen. Erst in diesem Augenblick fiel mir auf, wie lange ich nicht mehr hier gewesen war. Und wie sehr ich es vermisst hatte. Leonie und ich beschlossen erst an die Bar zu gehen und etwas zu trinken. Dort angekommen, trafen wir auf das erste bekannte Gesicht des Abends. Der Barkeeper grinste uns an, als er uns erkannte. „Ach was“, sagte er, „Leonie und Nik verirren sich mal wieder zu uns.“ „So lange kann es ja nicht her sein, schließlich erinnerst du dich noch an unsere Namen“, erwiderte ich ebenfalls grinsend. „Es war hart an der Grenze! Ich musste schon fast überlegen!“ Ben war unser Lieblingsbarkeeper in der Freiheit. Wir hatten ihn hier kennengelernt und bisher auch nur in diesen Räumlichkeiten gesehen. Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, ihm jemals woanders über den Weg gelaufen zu sein. Hin und wieder kam man ins Gespräch, man tauschte Namen aus und wünschte sich beim Verlassen des Clubs alles Gute. Eine reine Club-Bekanntschaft also. „Und? Wird es mal wieder eine größere Runde?“, wollte Ben wissen, als er uns ungefragt zwei Bier hinstellte. Leonie war es, die den Kopf schüttelte. „Nein, es kommen nur noch Caro und ihr neuer Freund. Die anderen sind alle woanders unterwegs.“ Genau in diesem Moment zog sie ihr Handy hervor und grinste. „Aufs Stichwort“, murmelte sie, tippte eine kurze Antwort und erklärte dann: „Sie kommen gerade rein.“ Leonie warf mir einen kurzen kritischen Blick zu, der mich zum Lachen brachte. „Ich zeige mich von meiner besten Seite“, versprach ich. Überzeugt hatte ich Leonie damit scheinbar nicht so ganz. „Soll mich das jetzt beruhigen?“, fragte sie zweifelnd. Ich grinste nur. Tatsächlich fanden Tamilo und Caro uns ein paar Minuten später. Treffpunktabsprachen sei Dank. Ich machte die beiden genau in dem Moment aus, als Tamilos suchender Blick auf meinen traf. Ein kurzes Lächeln zuckte über sein Gesicht, das ich wie selbstverständlich erwiderte. Ein paar Momente später hatten sie es dann auch geschafft, zu uns durchzukommen. „Wahnsinn, wie voll das hier immer wieder ist“, bemerkte Caroline laut das Offensichtliche. Ich erinnerte mich gerade noch rechtzeitig an mein Versprechen und beschränkte mich auf eine Begrüßung. Das Lächeln dazu fiel Caroline gegenüber noch immer etwas kühler aus, als bei Tamilo. „Hey“, strahlte uns Caro entgegen. Na da hatte ja jemand ausgezeichnete Laune. Leonie wurde von beiden umarmt, bei mir verzichtete man darauf. Nicht dass ich da ein riesiges Bedürfnis nach gehabt hätte. Leonie drehte sich zur Bar um und kämpfte um Bens Aufmerksamkeit. Nach mehrmaligem Rufen reagierte er dann auch und trat an uns heran. Sein Lächeln wich einem überraschten Gesichtsausdruck, als er Tamilo entdeckte. „Tamilo!“, rief er aus. „Ben... hey“, grüßte ihn Tamilo. „Schön dich zu sehen. Wie geht es dir denn?“, wollte Ben mit einem unverschämt breiten Grinsen wissen. „Ich kann nicht klagen“, gab Tamilo zurück. „Hallo Ben.“ Bens Blick fiel auf Caro. „Hey, Kleine! Wie es dir geht, muss ich wohl kaum fragen. Ich habe gehört, du bist mit deinem neuen Freund hier?“ Schmunzelnd nickte sie. Auf Bens übertriebenes Suchen reagierte sie mit einem hellen Lachen. „Jetzt tu nicht so. Du kennst Tamilo doch.“ Nun fing auch Ben an zu lachen. Bis er zu Tamilo sah. Das Lachen verschwand. „Was?“, fragte Ben entgeistert und sein verwirrter Blick huschte zwischen Tamilo und seiner Freundin hin und her. Bens Blick war ähnlich verwirrt, wie der, den ich nun Leonie zuwarf. Die zuckte nur mit den Schultern und machte ein ratloses Gesicht. „Das ist kein Witz? Ihr beide seid echt ein Paar?“, fragte Ben und wusste scheinbar nicht, in welche Richtung er mit seinem Zeigefinger deuten sollte. Seine Augen fixierten jedoch Tamilo. „Ja, wir sind zusammen“, antwortete er. Seine Augen schienen noch einiges mehr zu sagen. Im Gegensatz zu mir, schien Ben es auch zu verstehen. Er schüttelte leicht seinen Kopf und fragte dann spürbar kühler: „Was wollt ihr trinken?“ Das flüchtige Lächeln, das auf Tamilos Gesicht lag, als er uns entdeckt hatte, war unauffindbar verschwunden. Es war irgendwo in dem Gespräch oder Nicht-Gespräch mit Ben verschwunden. Tamilo kannte Ben eindeutig besser, als wir. Soviel war klar. Oder Ben kannte Caro besser, als wir dachten. Möglich wäre es ja. Vielleicht war das ja auch eine jüngere Geschichte. Wenn Ben zu Tamilos Freundeskreis gehörte, blieb Caro ja nur ihren Prinzipien treu. Ich versuchte, Caros Gesicht irgendetwas zu entnehmen, was sie verriet. Waren da irgendwelche Blicke in Bens Richtung? Verlegenheit, weil sie spürte, dass ich ihr auf der Schliche war? Verunsicherung? Irgendwas? „Aua“, schimpfte ich. Langsam sollte ich mich daran gewöhnen. Konnte ein Körper Hornhaut über den Rippen ansetzen? Genervt rieb ich mir über die Stelle, die Leonies Ellenbogen dieses Mal getroffen hatte. Meine Freundin sah mich entschuldigend an. „Entschuldige, habe ich dir weh getan?“, unschuldig blinzelte sie mich an und lächelte leicht. „Geht schon“, grummelte ich. Ich spürte ein leichtes Kribbeln im Nacken. Das kam wohl kaum von dem tätlichen Angriff meiner Freundin, die neuerdings Spaß daran zu haben schien, mir Schmerzen zuzufügen. Als ich mich umdrehte, bohrte sich Tamilos Blick in meinen. Da war sie wieder, die kleine Falte, zwischen seinen Augenbrauen. Wieso musste ich auch immer wieder anfangen, entweder Tamilo oder Caroline dämlich anzustarren. War ja klar, dass er mit der Zeit misstrauisch wurde. Irgendwann halfen meine verkümmerten Gehirnwindungen dann doch, dieser Situation zu entfliehen und sie erinnerten mich an die Bierflasche, die ich in der Hand hielt. Ich setzte die Flasche an und unterbrach damit den Augenkontakt zu Tamilo, der mich nach wie vor prüfend ansah. Als ich die Flasche absetzte, achtete ich tunlichst darauf, diesen Kontakt auch nicht wieder herzustellen. Musikalisch kündigten sich in diesem Moment Rock-Klassiker vom Allerfeinsten an und Leonie ergriff die Gelegenheit, die Situation aufzulösen, indem sie uns zur Tanzfläche schleifte. Ich griff nach etwas ganz anderem und zog Caro von den anderen weg und dicht an mich heran. „Ziehst du dieselbe Scheiße etwa schon wieder ab?“, zischte ich direkt in ihr Ohr. Caro schoss zu mir herum und fragte: „Wie bitte?“ „Warst du mit Ben in der Kiste? Ja oder nein?“ „Sag mal, spinnst du?“ „Ja, oder nein, Caroline?“, wiederholte ich. „Nein! Natürlich nicht!“, entgegnete sie fauchend, „Und jetzt lass mich gefälligst los.“ Das tat ich. Doch nicht bevor ich sie mit kalter Stimme warnte: „Ich behalte dich im Auge! Bei einem einzigen Fehltritt erfährt Tamilo alles, das schwöre ich dir!“ „Ich habe nicht vor, es soweit kommen zu lassen! Willst du diese Show jetzt bei jedem Kerl abziehen, der meinen Namen kennt?“ Unsere kleine Szene blieb natürlich nicht unbemerkt. Die Musik machte es zwar unmöglich, dass irgendjemand mitbekommen haben könnte, worum es bei unserer Auseinandersetzung ging, doch es war eindeutig, dass wir uns keine lieben Kosenamen ins Ohr geflüstert hatten. Dass Tamilo das auch wusste, bewies sein Gesichtsausdruck, als er uns beim Näherkommen beobachtete. Mal wieder verfluchte ich mich für mein unüberlegtes Handeln. Unfassbare zwei Songs lang ertrug ich Tamilos bohrenden Blick auf mir, ehe ich beschloss, meine inzwischen leere Bierflasche gegen eine neue einzutauschen. Zielsicher steuerte ich Ben an. An der Theke angekommen, wartete ich auf eine Gelegenheit, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Plötzlich gesellte sich eine zweite Bierflasche zu meiner. Ich musste mich nicht zu ihm umdrehen, um zu wissen wer neben mich getreten war. Tamilo drängte sich in die kleine Lücke die sich rechts neben mir befand. Sie war eng genug, um auch Tamilo ziemlich eng an mir stehen zu lassen. Mein Oberarm berührte seine Brust und dieser Kontakt sorgte augenblicklich für eine Gänsehaut. Ich versuchte ein Stückchen von ihm abzurücken, doch der Raum der zwischen uns entstand, wurde von ihm direkt eingenommen. Verzweifelt wartete ich darauf, dass Ben dieser dämlichen Blondine da endlich ihr Wechselgeld gab und seinen Blick hob. Tamilo beugte sich gerade noch näher zu mir rüber. Ben! Endlich! „BEN!“, rief ich nach dem Barkeeper. Tatsächlich sah der auch direkt auf und kam zu uns herüber. „Einmal Nachschub, bitte“, sagte ich und legte dankbar das Geld auf die Theke. Eindeutig belustigt ließ Ben seinen Blick von mir zu Tamilo schweifen. Kurz huschte er noch mal zu mir, blieb dann aber doch auf Tamilo liegen. „Soll ich raten, was DU willst?“, fragte er ihn grinsend. „Du könntest natürlich raten, aber da ich nicht der Einzige hier bin, der etwas trinken möchte, gib mir einfach noch ein Bier, ja?“, gab Tamilo freundlich zurück. Ben bedachte ihn mit einem spöttischen Kopfschütteln. Spott? Okay, die beiden schienen sich zu kennen und nicht sonderlich zu mögen. Irgendwie seltsam. Sonderlich gut kannte ich Ben zwar nicht, doch ich hatte ihn bisher für ziemlich umgänglich gehalten. Milo nutzte den Moment, den ich Ben nachdenklich hinterhergesehen hatte, um sich wieder zu mir hinüber zu beugen. „Hör zu Nik. Ich war mir bisher sicher, dass mir die alten Geschichten in eurer Clique egal sind. Aber langsam bin ich die ständigen Andeutungen echt leid.“ „Sorry…“, sagte ich, weil mir beim besten Willen nicht einfallen wollte, was ich darauf erwidern sollte, „… ich werde mich zukünftig zurückhalten.“ Tamilo zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „Hältst du mich für dämlich? Ich hab schon kapiert, dass da irgendetwas Größeres passiert sein muss. Und ich möchte wissen, was es ist. Ich komme mir nämlich langsam etwas verarscht vor.“ „Das hat nichts mit dir zu tun, Milo…“, sagte ich ausweichend. „Nein. Mit mir wohl nicht. Aber mit Caro… und ich denke, mit ihrem Ex-Freund. Wenn es etwas gibt, das ich wissen sollte, dann sag mir das bitte.“ „Denkst du nicht, dass Caro dir das erzählen sollte?“ Tamilo nickte nachdenklich. „Ja, das sollte sie wohl. Aber sie hat es bisher nicht getan. Und wie gesagt, bis jetzt habe ich einfach alles ignoriert, doch langsam wird es ein bisschen viel zu ignorieren. Also frage ich dich: Was hast du für ein Problem mit Caro?“ „Das ist eine lange Geschichte und es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sie zu erzählen“, wies ich ihn ab, „was ist das zwischen dir und Ben? Wieso könnt ihr euch nicht leiden?“ Verwirrt blinzelte Tamilo mich an. „Ich kann Ben gut leiden“, widersprach er. „Das hast du aber gut versteckt.“ Tamilo zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, wir haben unsere Differenzen“, sagte er nur. Doch noch bevor ich ihn darauf ansprechen konnte, kehrte Ben mit unserem Bier zurück. „Lasst es euch schmecken, Jungs“, grinste er. Diesen Rat nahm ich mir zu Herzen. Ich ließ es mir schmecken. Jedes einzelne Bier an diesem Abend. Eine äußerst unkluge Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, aber es hätte noch schlimmer kommen können. Irgendwie befand sich Tamilo immer in Sichtweite. Musste der immer dort stehen, wo ich gerade hinsah? Alle paar Sekunden schob er sich in mein Blickfeld. Zugegeben, vielleicht war nicht er es, der sich in mein Blickfeld schob. Meine Augen suchten völlig selbstständig nach ihm. Irgendwie lief dieser Abend total an mir vorbei. Während ich mir das dritte Bier reinzog, stand ich bei der Bar und beobachtete … die Tanzfläche. Ganz allgemein natürlich! Nur hin und wieder streifte mein Blick Tamilo, der mit Caro und Leonie auf der Tanzfläche war. Ich verbot mir einfach, allzu häufig hinzusehen. Wie würde das denn bitteschön wirken? Es war ja nun nicht so, als hätte ich irgendein Interesse an ihm. Was sollte ich auch für ein Interesse an ihm haben? Der Kerl war aber auch unheimlich präsent auf der Tanzfläche. Dabei tat er gar nichts Besonderes. Er sang wie auch der Rest der Menge in der flackernden Beleuchtung den Refrain eines großen Musik-Klassikers, an dessen Namen ich mich gerade beim besten Willen nicht erinnern konnte und bewegte sich zu der Musik. Wie gesagt: eigentlich nichts Besonderes. Trotzdem sah es irgendwie … toll aus. Er sah irgendwie toll aus. Rein objektiv betrachtet tat er das sowieso. Das fiel mir nicht zum ersten Mal auf. Die Tanzfläche war voll und er verschmolz mit der Menge, die sich dort zu den harten Klängen der Musik bewegte. Und doch stach er so sehr heraus, dass ich zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten hatte, ihn dort auszumachen. Selbst dann nicht, wenn ich den Kopf in den Nacken legte, um weiter an meiner Bierflasche zu nuckeln. Dass dort schon seit einigen Versuchen kein Schluck mehr herauskam, war eine Kleinigkeit, die ich sofort wieder vergessen hatte, sobald ich die Flasche wieder absetzte. Aber immerhin konnte ich nun behaupten, dass ich Dinge durchaus auch mit einigen Verrenkungen im Auge behalten konnte. Ganz großes Kino. Hatte ich mir vorgenommen, Tamilo nicht allzu oft anzusehen? So ein Blödsinn. Erstens hatte es offensichtlich nicht geklappt und zweitens … über was für eine Scheiße machte ich mir gerade eigentlich Gedanken? Und wieso sah ich ihn überhaupt die ganze Zeit an? Es war ja nicht so, als hätte ich in meinem Leben noch keinen gutaussehenden Mann gesehen. Ich war ja nicht blind. Zwar band ich niemandem auf die Nase, wenn ich jemanden gutaussehend empfand, aber es hatte auch noch nie jemanden gegeben, bei dem ich das bemerkenswert gefunden hätte. War das bei Tamilo anders? Ja, er sah toll aus. Sicherlich einer der bestaussehendsten Kerle, denen ich in meinem Leben gesehen habe. Ach was, Tamilo würde es zweifellos in die Reihe der Sexiest Men Alive schaffen, wenn die Verantwortlichen dafür beim People Magazine ein Foto von ihm in die Finger bekämen. Mit der Bedingung, dass man einem gewissen Publikum bekannt sein sollte, um diesen Titel zu erhalten, den ich ganz nebenbei bemerkt für ziemlich überflüssig hielt, würden die schon irgendwie klar kommen. Letztlich sickerte auch bei mir durch, über welchen Schwachsinn ich gerade nachdachte und ich spülte die wirren Gedanken mit einem weiteren Schluck aus meiner Bierflasche hinunter. Das heißt, ich hätte es getan, doch die Flasche war ja seit geraumer Zeit leer. Vermutlich war das auch besser so. Denn ich dachte ohnehin bereits sehr seltsames Zeug. Genervt stellte ich die Flasche auf dem Tresen hinter mir ab. Dort wurde die sofort gegen eine volle ausgetauscht. Verwundert sah ich auf. „Wenn du mir verrätst, was es da hinten Spannendes zu sehen gibt, geht das Bier auf mich“, grinste mich Ben an. Auf einmal fand ich Ben gar nicht mehr so nett, wie vor diesem Abend. Dieses Grinsen wirkte auf mich nämlich nicht nett. Es war nicht unfreundlich. Ben war freundlich und cool wie immer. Naja fast. Denn irgendwie störte mich seine Art mich anzugrinsen. Seine Augen blitzten amüsiert. Als würde er mich … ja, als würde er mich … ausgrinsen. Gab es dieses Wort überhaupt? Vermutlich hieß es auslachen, doch Ben lachte ja gar nicht. Er grinste nur. Und ich wünschte, er würde es lassen. Als ich ihm, statt einer Antwort, lediglich das Geld für das Bier auf die Theke legte, wurde sein Grinsen noch breiter … und wissender. Spontan hätte ich gern irgendetwas getan, um dieses Grinsen aus seinem Gesicht zu wischen. Was wusste der schon? Ha, gar nichts! Ich hatte ihm ja nichts erzählt! Leider schien ihm das nicht so bewusst zu sein, wie mir, denn das Grinsen war trotzdem da. Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder von ihm ab. Doch dass ich das Gespräch, welches ja keins war, da nur er gesprochen hatte, als beendet ansah, schien ihm ebenfalls nicht bewusst zu sein, denn wenige Augenblicke später trat er neben mich. Auf der anderen Seite des Tresens. Diese Tatsache wirkte auf mich minimal besorgniserregend. Mir war klar, dass ich gar nicht hören wollte, was er mir zu sagen hatte. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, genau das zu tun. „Ich versteh dich“, sagte er in einem vertrauten Tonfall und nickte zu der Tanzfläche, „so auszusehen, gehört verboten.“ „Von wem sprichst du?“, fragte ich bemüht desinteressiert, obwohl ich ahnte, dass er schon an die richtige Person dachte. Das war ja so klar. Da gaffte ich einmal in meinem Leben einen Kerl an und wurde dabei direkt erwischt und das ausgerechnet von einem Barkeeper, der diesen Kerl auch noch gut zu kennen schien. Peinlicher ging es ja wohl kaum! Ben lachte auch nur leise und erwiderte: „Na, von wem wohl? Es kann ja durchaus sein, dass es mir entgangen ist, aber ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals hier gestanden hast und deine Freundin so beobachtet hast.“ „Musst du nicht arbeiten?“, reagierte ich genervt. „Die Sklaventreiber hier erlauben uns von Zeit zu Zeit eine kleine Pause“, grinste Ben. Spöttisch schnaubte ich und sah ihn an. „Und jetzt? Zündest du mir gleich meine Zigarette an und hörst dir meine Lebensgeschichte und meine Probleme an? Du redest Unsinn. Ich starre hier niemanden an.“ „Na klar… Das Rauchen ist hier untersagt, wie du wissen dürftest. Aber eigentlich hatte ich sowieso vor, meine Pause mit einer Zigarette zu kombinieren. Wie sieht’s aus? Begleitest du mich nach oben?“ Seit ich hier war, hatte ich keine Zigarette mehr geraucht. Das war der Nachteil, wenn man in einer kleinen Gruppe unterwegs war, in der keiner außer mir rauchte. Denn um alleine nach oben in den Raucherbereich zu steigen, dazu fehlte mir irgendwie – Sucht hin oder her – die nötige Motivation. Doch wollte ich mich wirklich mit Ben zusammen vom großen Trubel entfernen? Ich fühlte mich seltsam ertappt. Wobei das eigentlich Schwachsinn war. Ich hatte schließlich nichts getan. Ben schlug mir auf die Schulter und sagte: „Ich geh zur Not auch ohne dich. Ich will ehrlich nur eine Zigarette rauchen. Leistest du mir nun Gesellschaft dabei, oder nicht?“ Ablehnen wäre wohl blöd gewesen. Ich hatte ja auch nichts zu verbergen! Mit einem seltsamen Gefühl im Magen drehte ich mich noch einmal zur Tanzfläche um und begegnete einem undeutbaren Blick von Tamilo. Schnell wandte ich meinen Blick zu Ben und nickte. „Okay.“ „Na dann, komm mit. Ich hab nur ein paar Minuten Zeit“, sagte er und ging auf die Treppe zu, die zu dem Raucherbereich in der Galerie führte, die sich über dem großen Saal befand. Auf dem Weg dorthin fühlte es sich an, als ob sich meine Nackenhärchen einzeln aufstellen wollten. Ich spürte Tamilos Blick auf mir liegen. Keine Ahnung woher, doch ich wusste, dass er uns hinterher sah. Mühsam unterdrückte ich den Drang, mich noch einmal umzusehen. Die Anspannung, die meinen Körper befallen hatte, fiel erst von mir ab, als wir am Türsteher vorbeikamen, den Ben im Vorbeigehen knapp grüßte, und die Tür zur Treppe hinter uns zufiel. Erleichtert atmete ich durch und folgte Ben nach oben. In der Galerie war sofort anderes Publikum anzutreffen und im Gegensatz zu der Rockmusik im unteren Stockwerk wirkte die Musik hier gerade im Moment eher beruhigend. Dabei stand ich gar nicht so sehr auf diese Salsa-Klänge, die uns in der Galerie Willkommen hießen. Schweigend folgte ich Ben in den Raucherbereich, in dem andere Gäste hauptsächlich in Grüppchen zusammenstanden. Wir fischten beide unsere Zigaretten aus der Hosentasche und steckten sie an. Ein paar Züge lang rauchten wir schweigend. „Soso, Milo ist also mit Caroline zusammen.“ „Ja“, antwortete ich knapp und nickte. „Das Ergebnis seines Besuchs im Land der unbegrenzten Möglichkeiten?“ Aus irgendeinem Grund schien Ben es lustig zu finden. „Er war in Kanada. Und scheinbar ist die Beziehung eher ein Ergebnis seiner Rückkehr.“ Grinsend zog Ben an seiner Zigarette. „Macht das einen Unterschied?“ Ich zuckte meine Schultern. „Vermutlich nicht.“ „In ein paar Wochen ist die Sache wieder vorbei“, meinte Ben zwischen zwei Zügen. Nun horchte ich auf. Ich war eigentlich derselben Meinung. Ich gab den Beiden aber zumindest die Zeit, die ich es schaffen würde, mich davor zu drücken, das Versprechen einzulösen und Tamilo die gesamte Geschichte zu erzählen. „Die beiden wirken doch eigentlich recht … zufrieden“, entgegnete ich. „Das kann ich nicht beurteilen. Ich hab sie nicht lange beobachtet. Aber Caroline himmelt Milo schon ziemlich an. Sehr niedlich“, sagte Ben grinsend. Das war genau die Art von Gespräch, die ich befürchtet hatte. Nachdem ich meine Zigarette im Aschenbecher entsorgt hatte, widmete ich mich wieder der Bierflasche. Wieso war ich Ben hier her gefolgt? Gut, einerseits hatte ich dadurch das dämliche Starren unterbrochen, bevor es richtig peinlich wurde und alle es mitbekamen. Doch andererseits stand ich hier nun mit der einzigen Person, die es bereits gemerkt hatte. Und irgendetwas sagte mir, dass er wusste, dass ich nicht heimlich irgendein hübsches Mädchen beobachtet hatte. Und dazu war kein weiteres Wort notwendig. Sein Blick reichte. Und in Kombination mit seinem Grinsen wäre ich unter diesem Blick liebend gern in irgendein Loch verschwunden. Doch wie war das mit diesen Löchern im Boden, wenn man sie benötigte? Richtig, es war unnötig sie zu erwähnen, da sie einfach nicht existierten. Wenn er wenigstens was sagen würde, dann könnte ich es abstreiten. Aber er gab sich mit einem wachsamen, wissenden Blick zufrieden. Warum dieses Wissen? Ich hatte doch nur die Tanzfläche beobachtet. Dass wir uns besonders gut kannten, konnte man ja auch nicht behaupten. Wir sahen uns ja nur hier. Und diese gemeinsame Zigarette, war mit Abstand das privateste Aufeinandertreffen, das wir hatten. Wo auch immer er sich in seiner Freizeit herumtrieb, ich hatte ihn in keiner unserer Anlaufstellen gesehen. Aufgrund einer vagen Ahnung, die es durch meinen langsam etwas schummrigen Verstand schaffte, fragte ich ihn danach. „Ja, kann gut sein, dass wir unterschiedliche Clubs besuchen“, gab er zu. Auf meinen fragenden Blick fuhr er fort: „Wenn du neugierig bist, wo ich mich am Wochenende amüsiere, wenn ich nicht hier arbeite, nehm ich dich gerne mal mit.“ Das Grinsen auf seinem Gesicht sagte mir, dass ich an dieser Stelle einfach ablehnen und aufhören sollte, weitere Fragen zu stellen. Doch ich tat es nicht. „Und wo würde ich dann landen?“, fragte ich und ich schaffte es wohl nicht, das Misstrauen ganz aus meiner Stimme zu verbannen, denn ich hörte es selbst raus. Ben zündete sich eine zweite Zigarette an und da mein Bier auf wundersame Weise mal wieder verdunstet war und ich nicht wusste, was ich mit meinen Händen tun sollte, tat ich es ihm gleich. „Für den Anfang wäre es wohl einfach nur das 136 Grad“, antwortete er schließlich. 136 Grad… „Das ist doch…“ „Ein echt lockerer Club. Und es werden auch … Touristen reingelassen.“ „Touristen…“, wiederholte ich. Ben hatte meine Ahnung gerade bestätigt, wenn ich das richtig verstanden hatte. Hatte ich…? „Dann… bist du…?“ „Schwul?“, half er mir mit meiner spontanen Wortfindungsstörung auf die Sprünge. „Wäre das schlimm für dich?“, fragte er herausfordernd. „Nein, gar nicht“, beeilte ich mich zu sagen. Das wurde doch von mir erwartet, oder? Scheinbar war es nicht allzu überzeugend, denn Ben sah mich amüsiert an. „Ich bin… nur etwas überrascht, das ist alles. Das hätte ich irgendwie nicht erwartet…“, gab ich zu, „Aber das würde erklären, dass wir uns privat noch nicht über den Weg gelaufen sind.“ „Wie sieht es aus? Hättest du mal Lust … reinzuschnuppern?“ Einen Moment lang, dachte ich beinahe darüber nach, aber … was hatte ich dort zu suchen? Richtig. Gar nichts hatte ich dort zu suchen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, eher nicht.“ Ben nickte nachdenklich und zuckte dann die Schultern. „Wie gesagt, es ist ein lockerer Club. Du könntest dort auch problemlos mit Leonie rein. Aber es ist nur ein Angebot.“ Dann zog er einen kleinen Block und einen Stift hervor, kritzelte etwas darauf und drückte mir dann einen Zettel in die Hand. „Wenn du es dir anders überlegen solltest, ruf mich an. Du wärst überrascht, wem man dort so über den Weg laufen kann.“ Dann sah er auf seine Uhr und drückte die halb aufgerauchte Zigarette aus. „Ich muss wieder ran. Wir sehen uns … spätestens, wenn du dir dein nächstes Bier holst“, sagte er grinsend und verschwand wieder Richtung Treppe. Ich sah eine Weile zu dem Durchgang, durch den Ben verschwunden war, bevor ich endlich den Blick auf den Zettel senkte. Außer der erwarteten Telefonnummer, ohne die ich ihn ja nicht hätte anrufen können, standen zwei Worte darauf. Trau dich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)