Ghosts von Manganime (Ein kleines Mädchen, das das Leben zweier BO Agenten durcheinander bringt) ================================================================================ Prolog: Encounter - Begegnung ----------------------------- Die Nacht war dunkel und kalt, und der eisige Wind, der wehte, kündigte das baldige und sichere Eintreffen weiteren Schnees an. Wolken sammelten sich am Himmel, welche die blinkenden Sterne und den kalten Mond verdeckten. Die weiße Schneedecke, die sich bereits über die Straßen, Fußgängerzonen und das Gras gelegt hatte, tauchte die Umgebung in ein fast malerisches Bild. Jedoch, für ein kleines Mädchen, das verzweifelt versuchte ihren Weg nach Hause zu finden, war diese Nacht eindeutig zu kalt und hinderte sie am nach Hause kommen. Sie war auf dem Weg gewesen, eine simple Besorgung zu machen, doch leider hatte es die ganze Zeit über geschneit auf dem Rückweg und irgendwie hatte sie es geschafft sich zu verlaufen. Nun wanderte sie einsam durch leere Straßen, sich nach Wärme sehnend und nach jemandem, der ihr den ihr helfen konnte, den Weg nach Hause zu finden. Während sie so vor Kälte zitternd weitermarschierte und sich ihre dunkelbraunen Strähnen aus dem Gesicht wischte, die ihre blauen Augen verdeckten, wünschte sie sich nichts mehr als dass nun Conan bei ihr wäre. Dann hätte sie wenigstens genug Mut und Konzentration gehabt, zu wissen was zu tun sei. Bei ihm fühlte sie sich immer sicherer als alleine. Aber innerlich fasste sie den Entschluss, ihren Weg wieder nach Hause zu finden. Sie würde ganz alleine wieder zurückfinden und Conan-kun wäre stolz auf sie. Als sie um die nächste Ecke bog, sah sie einen Park vor sich. Für einen Moment durchdrang sie ein Gefühl der Hoffnung, aber dann stellte sie fest, dass es nicht der Park war, der nahe ihrem Zuhause lag. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus, um ihrer Enttäuschung Luft zu machen, bevor sie sich langsam und vorsichtig vorwärts bewegte, um nicht im Schnee auszurutschen. Vielleicht würde sie, wenn sie den Park durchquerte, etwas finden, das ihr vertraut vorkam. Einen Versuch war es jedenfalls wert. An einigen Stellen war der Park auch nicht so hoch mit Schnee bedeckt, da die Zweige der riesigen Bäume ihn davon abhielten ganz auf den Boden zu fallen. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, immer noch behutsam aufzutreten. Als sie die Mitte eines Platzes erreicht hatte, hörte sie plötzlich Stimmen. Wieder erwachte in ihrem Herz die Hoffnung. Vielleicht war da doch jemand, der wusste, wie er ihr nach Hause helfen konnte! Aber dann fragte sie sich auch, wer so spät noch draußen sein würde. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie schon draußen war, aber es fühlte sich an wie Stunden, und da sie schon so lange mit Conan-kun unterwegs war, hatte er auch praktisch dazu beigetragen, dass sie ein kritisches Auge auf etwas verdächtiges werfen konnte. Als sie also nah genug gekommen war, um hören zu können, was die Stimmen sagten, versteckte sie sich hinter einem Baum. „Da ist das Geld“, kündigte eine tiefe und dunkle Stimme an. Sie biss sich in die Lippe, als ihr ein Schauer über den Rücken lief. Und es kam nicht von der Kälte, die hier draußen herrschte. „Und nun… Ich will die Information, die du uns versprochen hast. Wir werden langsam ungeduldig.“ „Natürlich, natürlich, mein Freund.“, erwiderte eine andere Stimme befriedigt. Diese Stimme machte ihr wesentlich mehr Angst, aber sie wusste nicht, warum. Seine nächsten Worte schlugen bei ihr Alarm und lies ihr ganzes Inneres erschauern. „Aber vorerst haben wir einen Gast.“ Sie hörte, wie er durch den Schnee stapfte, und realisierte dass er in ihre Richtung kam. Voller Panik riss sie sich vom Baum los und versuchte wegzurennen, aber er hatte sie schon sehr bald eingeholt und packte sie am Arm. Er hob sie vom Boden hoch und schielte sie mit boshaft schimmernden Augen an. „Sieh an, sieh an, was haben wir denn hier?“, bemerkte er. „So ein entzückendes kleines Mädchen. Du solltest doch nicht zu so später Stunde mitten in der Nacht alleine herumwandern.“ Sie strampelte und versuchte verzweifelt sich zu befreien. „Lass mich los!“, schrie sie, denn ihr Gefühl riet ihr, so schnell wie möglich von diesem üblen Typen wegzukommen. Als sie in sein höhnisch grinsendes Gesicht sah, erblickte sie etwas in ihm, das sie noch nie zuvor bei einem anderen gesehen hatte, und es war etwas, das sie nie wieder in einem anderen erblicken wollte. Tränen der Verzweiflung fingen an sich in ihren blauen Augen zu sammeln, als sie mit ihrer freien Hand versuchte, sich vom festen Griff des Mannes los zu winden. Nun kam auch der andere Mann, der als erstes gesprochen hatte, dazu. Sie beachtete ihn kaum, da sie zu sehr darauf fokussiert war von dem Typen wegzukommen, der einfach nicht daran dachte, sie loszulassen. „Was hast du mit ihr vor?“, knurrte er und sie sah auf, als er sich in Ruhe eine Zigarette anzündete. Sie zitterte und wusste, dass sie sich in einer äußerst ernsten Situation befand und dass sie wahrscheinlich nicht einmal mehr die Chance haben würde jemals wieder frei zu kommen. Würden sie sie töten? Der zweite Mann, der gesprochen hatte, grinste lüstern. „Oh, ich weiß nicht“ sinnierte er, während er seine Augen kein einziges Mal von ihr abwandte. „Es ist nicht gut für kleine Mädchen mitten in der Nacht andere Leute zu belauschen.“, meinte er halb spöttisch, halb belehrend. „Wir sollten sie einfach beseitigen“ bemerkte der erstere, seine grünen Augen verschwanden fast unter den langen blonden Strähnen, die ihm ins Gesicht fielen. „Sie hat uns gesehen und könnte und wiedererkennen.“ Der andere legte seinen Arm um sie. „Lasst uns nichts übereilen“, antwortete er. „Ich könnte sie gebrauchen… sie könnte mir ja Gesellschaft leisten.“ Sie wusste nicht, was das heißen sollte, aber sie wusste ganz genau, dass sie ihm nie Gesellschaft leisten wollen würde. Und so begann sie nach ihm zu treten, jede Möglichkeit versuchend sich von ihm los zu winden und sich so weit wie es ging von ihm zu entfernen. Der blonde Mann blies eine Rauchwolke in die kalte Nachtluft. Etwas flackerte kurz in seinen Augen auf, wahrscheinlich so etwas wie Abscheu. „Es wäre wohl besser für sie, zu sterben als dieses Schicksal zu erleiden.“, knurrte er. „Solche Kinder von dir betteln wohl jeden Tag darum, umgebracht zu werden.“ Ein Schicksal, das schlimmer als der Tod sein sollte? Sie konnte nicht nachvollziehen, was das sein konnte. Heiße Tränen stiegen in ihr auf und liefen ihr ihre Wangen hinunter. „Gib sie mir.“, befahl der grünäugige Mann nun. „Ich werde mich um sie kümmern.“ Seine Augen verfinsterten sich als er spürte, was sein Geschäftspartner dazu sagen würde und fügte deswegen noch hinzu: „Der Preis für die Information beinhaltet nicht das Mädchen.“ Mit der linken Hand zog er seine Pistole aus dem Innern seines Mantels und zielte damit auf den anderen. Zum ersten Mal schlich sich ein Zug von Furcht auf die Gesichtszüge dieses unheimlichen Typen. Daraufhin fing er nervös an zu lachen. „Du meinst es wohl ernst damit, oder?“, meinte er zittrig. „Ich hasse Menschen wie dich.“, war die kalte Antwort. „Ich gebe mich nur mit dir ab, weil du mir manchmal etwas Nützliches erzählen kannst.“ Er hielt die Waffe ruhig auf den anderen gerichtet. „Lass sie los.“ Der andere schwieg, während er darüber nachzudenken schien, aber letztendlich stieß er sie fort und beförderte sie somit in den Schnee. Bevor sie wieder von selber aufstehen konnte, ergriff sie der blonde Mann am Handgelenk und zog sie unsanft auf ihre Füße. „Wodka, stell sicher, dass er nicht versucht sich davonzuschleichen, bevor ich wieder zurückkomme.“, befahl er. „Ich trau ihm nicht.“ Sie blickte auf und erst jetzt bemerkte sie einen dritten Mann hier. Er war kleiner und etwas umfangreicher und seine Augen lagen versteckt hinter einer Sonnenbrille. Seltsam, dachte sie, mitten in der Nacht eine Sonnenbrille zu tragen. Aber sie hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, als sie von dem Blonden mitgezogen wurde. Sie schrie kurz auf und griff an seinen Arm. „Ich… Ich will doch nur nach Hause gehen.“, weinte sie. Er schaute zu ihr runter, antwortete jedoch nicht. „Wodka!“, fuhr er diesen an und der dritte Mann erwachte augenblicklich aus seiner Trance. „Ich werde hier bei ihm bleiben, Aniki.“, erwiderte er mit einem Kopfnicken und hielt seine Pistole hin. Der Blonde nickte zustimmend. „Sieh nach, ob du ihn überreden kannst uns zu erzählen, was er angeblich weiß.“, meinte er und begann sich mit dem kleinen Mädchen, das er immer noch hinter sich her zog und darauf wartete, dass sie mitlief, zu entfernen. Sie versuchte mit seinen langen Schritt zu halten, rutschte aber regelmäßig im Schnee aus, wenn sie es nicht schaffte. „Ich will nicht sterben, Sir!“, flehte sie, immer noch mit Tränen in den Augen, als er sie um eine Hecke führte. Es war niemand anderes in dieser Ecke des Parks, und sie wusste, dass niemand außer den anderen beiden Männern sie hören würde, wenn sie schrie. Sie war wie gelähmt. Er sah wieder zu ihr runter und sie schreckte zurück vor seiner intensiven Ausstrahlung. „Du bist eindeutig zu jung, um zu verstehen, vor was für einer Art von Mensch ich dich eben weggebracht habe.“, meinte er finster. „Und mit etwas Glück wirst du es vielleicht auch nie erfahren.“ Seine Pistole klickte und wieder versuchte sie sich zu befreien. „Ich hab Familie und Freunde, Sir!“, rief sie daraufhin. „Ich will sie nicht verlassen! Ich… ich will Conan-kun nicht verlassen…“ Sie blickte bestimmt zu ihm auf, in ihren Augen lagen Entschlossenheit und zugleich Schrecken. „Wahrscheinlich… wahrscheinlich sorgt er sich nicht auf dieselbe Weise um mich, wie ich mich um ihn sorge, aber… aber ich will ihn nicht verlassen! Ich will mit ihm zusammen bleiben. …“ Er betrachtete sie eingehend, und kurz blitzten Augen überrascht auf, als er ihren Mut trotz ihrer Angst erkannte. Aber so schnell wie es erschienen war, so schnell war es auch wieder verschwunden und seine Augen wurden wieder kalt. Er kniete sich vor ihr hin, und so weit zu ihr vor, dass er in ihr Ohr flüstern konnte. „Ich werde aus dieser Waffe feuern und sobald ich das tue, wirst du anfangen zu schreien.“, erklärte er ihr. „Und dann wirst du von hier fortlaufen und alles vergessen, was du hier gesehen hast, verstanden?“ Er sah in ihre entsetzten blauen Augen und sah sie zitternd den Kopf nicken. Daraufhin richtete er sich wieder auf, denn er war sich sicher, dass sie tun würde, was er gesagt hatte. Jemand, der so jung war, würde solch eine schreckliche Erfahrung wahrscheinlich verdrängen, oder aus Furcht geflissentlich darüber schweigen und niemandem etwas erzählen. Auch konnte er erkennen, dass sie ein ehrliches Verlangen danach hatte zu ihren Liebsten zurückzukehren. Wenn es das war, was sie am meisten wollte, fühlte er sich bestätigt genug, dass sie bereit war, alles zu tun was er wollte, um zu ihnen zurückzukehren. Schnell schoss er mit seiner Pistole in die Luft, einmal, zweimal, dreimal. Und sie schrie mit ganzer Kraft, und stellte sich all die Schmerzen und die Todesqual vor, die sie aufbringen konnte. Dann floh sie durch den Schnee ohne noch einmal zurück zu blicken und konzentrierte sich allein auf die Flucht. Vor ihr in einiger Entfernung konnte sie dann endlich den Ausgang sehen. Ihr Ziel war es, diesen zu erreichen, und als sie es geschafft hatte stand sie außerhalb des Parks und versuchte wieder zu Atem zu kommen und dabei ihre Sinne wieder zu gewinnen. Er hatte sie laufen lassen… sie fühlte eine Mischung aus verschiedenen Emotionen in ihr – Erleichterung, Verwirrung, Angst… sie war sich sicher gewesen, dass er sie umbrachte. Sie fragte sich, ob er schon die ganze Zeit über geplant hatte, sie laufen zu lassen, oder ob er erst später zu dem Entschluss gekommen war. Aber das war im Moment egal. Als sie sich umblickte, wusste sie plötzlich wo sie war. Sie wusste, wie sie von hier aus nach Hause kam! Ein leises Stoßgebet der Dankbarkeit verließ ihre Lippen als sie wieder zu rennen anfing. Sie würde sich erst wieder richtig sicher fühlen, wenn sie zu Hause angekommen war. Er zündete sich eine weitere Zigarette an, nachdem sie ins Auto gestiegen waren. Dann drehte er den Zündschlüssel um und sie verließen den Parkplatz. Er schwieg vor sich hin, seine grünen Augen leicht zu Schlitzen verengt als er nachdachte. Wahrscheinlich hätte er weiter geschwiegen, wenn Wodka nichts gesagt hätte. „Du hast im gesagt, dass du die Leiche im Kofferraum untergebracht hast, damit sie nicht gefunden werden würde.“, bemerkte Wodka. „Aber sie ist nicht dort, nicht wahr?“ Er betrachtete seinen Partner forschend, während er versuchte zu erraten, was dieser dachte. Aber es war ihm nicht möglich. Sein Gesichtsausdruck war unleserlich, ohne sichtliche Gefühlsregung. Er war normalerweise immer so, sofern er nicht entweder über etwas dreckig grinste oder besonders wütend war. Der Blonde schnaubte verächtlich. „Was denkst du denn was ich damit gemacht hab?“, erwiderte er scharf. Wodka zögerte. „Ich weiß nicht.“, gab er zu. „Du hast die Schüsse gehört. Du hast sie schreien gehört.“ Der Blonde bog um eine Ecke, seine Stimme ohne jegliche Emotion. Wodka nickte bedächtig. Aus unerklärlichen Gründen war er immer noch nicht überzeugt. Er war sich nicht sicher warum. Vielleicht, weil er den anderen schon so viele Jahre kannte. Vielleicht aber auch aus einem anderen Grund. Aber was auch immer es war, etwas sagte ihm, dass sein Partner gegenüber ihrem Geschäftspartner gelogen hatte. „Aniki… du hast sie laufen lassen, nicht wahr?“, meinte er schlussendlich. Er fuhr auf die Schnellstraße und lies damit die Stadt hinter sich, als es wieder zu schneien begann. „Warum würde ich sowas tun?“, erwiderte er. Wodka zuckte ratlos die Schultern. „Warum würdest du so etwas tun.“, erwiderte er zurück. Wieder Schweigen. „Vielleicht hat sie mich an etwas erinnert. Ein Geist aus der Vergangenheit.“ Er warf den Zigarettenstummel aus dem Fenster und griff nach der nächsten. Wodka wusste es besser, als weiter nach zu fragen. Kapitel 1: Two Weeks later - Zwei Wochen später ----------------------------------------------- Für Ayumis Freunde war es offensichtlich, dass sie etwas Erschreckendes erlebt haben musste, aber aus unerklärlichen Gründen, die sie nicht verstanden, weigerte sie sich darüber zu reden. Sie schien in einer Art Betäubung zu sein, und außerdem in einer ängstlichen Anspannung, denn sie zuckte jedes Mal erschrocken zusammen, wenn man sie an der Schulter tippte oder mit ihr sprach. Und wenn man sie fragte was sie denn hätte, würde sie entschieden sagen, dass nichts war, und dabei lächeln. „Was könnte bloß passiert sein?“ lies Genta am Ende des Schultags frustriert verlauten, zwei Wochen nach dem Vorfall. Ayumi war so schnell wie möglich raus gerannt sobald es geläutet hatte, bevor irgendjemand auch nur die Chance bekam mit ihr zu reden. „Vielleicht macht sie sich Sorgen um Conan, weil er wegen Grippe im Bett liegt! ... Oder vielleicht wurde ihr das Herz gebrochen!“, versuchte Mitsuhiko es zu erklären. „Vielleicht hat sie endlich Conan ihre Gefühle für ihn gestanden und er hat er gesagt, dass er schon eine andere hätte!“ Genta schlug mit einer seiner Fäuste auf den Tisch. „Dieser Conan!“, knurrte er. „Wenn er sie so verletzt hat, dann sollte ich mal bei ihm vorbeischauen und ihm eine runterhauen!“ In seinen Augen blitzte es. Niemand würde Ayumi wehtun solange er in ihrer Nähe war! Er würde dafür sorgen. Sie verdiente Freundlichkeit und Verständnis, und jemanden, der ihr all die Liebe gab, die sie verdiente. Und Conan würde ihr niemals das geben. Sowohl Genta als auch Mitsuhiko wussten, dass er jemand anderen liebte. „Dann komm ich mit!“, warf nun auch Mitsuhiko ein. Ai Haibara, die ihnen dabei zugeschaut hatte, schüttelte nur langsam den Kopf in einem Anflug von Belustigung. Ah, junge Liebe, dachte sie nur für sich selbst, und grinste leicht. Kinder waren noch so ahnungslos in diesem Alter, und so niedlich, wenn sie versuchten, die Gefühle der Erwachsenen nachzuahmen. Sie fragte sich, ob sie auch mal so gewesen war. Sie erinnerte sich an verschiedene Dinge aus ihren sehr jungen Jahren, als sie in Ayumis Alter war und jünger, aber das meiste davon war verschwommen und machte sich nur an Erfahrungen fest, die sie mit zwei speziellen Menschen gemacht hatte, die ihr mehr bedeutet hatten als alle anderen. Sie hatte sie beide geliebt, auf verschiedene Arten – die eine auf geschwisterliche Art, die andere… nun, es hatte mit einer kindlichen Schwärmerei begonnen und hatte sich über die Jahre zu sehr viel mehr entwickelt. Sie seufzte, sie wollte lieber nicht daran denken. Schlussendlich gab sie eine Antwort. „Ayumi ist nicht aufgebracht wegen irgendwas, was Conan getan hat.“, meinte sie einfach. Beide Jungs drehten sich überrascht und verwirrt zu ihr um, und blinzelten sie aus dunklen an. „Woher weißt du das?“, verlangte Genta zu wissen. „Hat sie dir erzählt, was mit ihr nicht stimmt?“, warf Mitsuhiko ein. Ai schüttelte den Kopf. „Frauen wissen, was Männer nicht wissen können.“, antwortete sie, während sie bedächtig ihre Notizblöcke in den Rucksack packte. „Ayumi hat vor zwei Wochen eine schlechte Erfahrung gemacht, aber es hatte nichts mit Conan zu tun. Etwas hat ihr furchbare Angst gemacht.“ Genta und Mitsuhiko tauschten Blicke aus. „Was könnte ihr denn Angst gemacht haben?“, riefen beide aus und sahen wieder zu Ai. „Vielleicht hat sie eine Leiche gefunden!“, rief Mitsuhiko, als er an die Fälle dachte, die sie mit Conan schon erlebt hatten, und wie die toten Körper anscheinend immer an den seltsamsten Orten auftauchten. Nach einer Weile konnte es einem echt zu viel werden, vor allem für jemanden wie Ayumi. „Vielleicht hat sie gesehen, wie jemand ermordet wurde!“, verkündete Genta. „Aber wenn so was passiert wäre, hätte sie uns nicht davon erzählt?“, meinte Mitsuhiko stirnrunzelnd. „Hätte sie es nicht Conan erzählt?“ Ai stand auf und war bereit zu gehen. Sie dachte darüber nach, dass das, was Genta vorgebacht hatte, nicht allzu weit hergeholt sein konnte, aber dann musste dahinter mehr stecken als nur das. Unter normalen Umständen, so schien es ihr, hätte Ayumi etwas davon gesagt, nach allem was sie schon durchgemacht hatten und all den Verbrechen, die sie schon mitbekommen hatten. „Vielleicht hat der Mörder sie ja gesehen“, warf sie ein. „Sie könnte vor ihm davon gelaufen sein, bevor er sie erwischt hat. Oder er hat sie schwören lassen, es geheim zu halten, damit ihr nichts passieren würde. Er könnte gedroht haben sie zu töten, wenn sie jemandem davon erzählte.“ „Dann sollten wir vermöbeln!“, meinte Genta unverzüglich und schlug seine Faust in die Handfläche. „Wir werden ihm keine Ruhe lassen bis er dafür bezahlt hat, was er Ayumi angetan hat dafür, dass er jemanden umgebracht hat.“, fügte Mitsuhiko hinzu. Ai marschierte an ihnen vorbei, immer noch leicht amüsiert über die simplen Gedankengänge von Kindern. Es verblüffte sie manchmal, dass sie nach all den schrecklichen Dingen, die sie bereits gesehen, während sie ein Rätsel gelöst hatten, immer noch so arglos sein konnten. Sie hoffte, dass es immer so sein würde, jedoch fragte sie sich ob Ayumis Arglosigkeit einen schmerzhaften Kratzer abbekommen haben könnte von dem, was ihr so große Angst machte. Sie hatte vor, darüber mit Conan zu reden. „Ihr werdet nichts tun können bis ihr wisst, was überhaupt passiert ist.“, bemerkte sie, als sie an ihnen vorbeiging. Sie starrten ihr hinter und wussten, dass sie leider Recht hatte. Ayumi stand direkt vor der Detektiv Mouri Agentur, unsicher das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagernd, als sie die Träger ihres Rucksacks umklammerte. Ein Teil von ihr wollte unbedingt hineingehen, um mit Conan darüber zu reden, was vor vierzehn Tagen geschehen war. Ihr war bewusst, dass der Mann ihr befohlen hatte, niemandem davon zu erzählen und sie wollte nicht gegen seinen Wunsch handeln, da er ihr Leben verschont hatte, aber sie fühlte sich sehr unwohl bei der ganzen Sache. Sie wollte jemandem erzählen, wie sie sich fühlte, von dem tiefen Schrecken, der immer noch in ihrem Herzen saß und der sie dazu veranlasste, sich zu versichern, dass sie auch nicht verfolgt wurde. In ihren Alpträumen konnte sie immer noch die unheimliche und geschmeidige Stimme des kahlköpfigen Mannes hören, und er würde sie verfolgen und ihr sagen sie solle mit ihm kommen und alles wäre in Ordnung; er wollte nur, dass sie ihm „Gesellschaft“ leistete. Sie würde rennen, verzweifelt versuchen so weit wie möglich von ihm weg zu kommen, aber sie würde jedes Mal scheitern. Er würde sie erwischen und sie würde schreien und sich wehren, aber ohne Erfolg. Dann würde sie schreiend aufwachen und ihre Eltern würden in ihr Zimmer stürmen, um zu erfahren was los sei. Aber sie konnte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie konnte nur sagen, dass sie schlecht geträumt hatte, aber nicht worum es darin ging oder warum sie sie überhaupt hatte. Mit einem traurigen Seufzer drehte sie sich um. Sie würde ihre Geheimnisse nicht preisgeben. Sie würde nicht ihren mysteriösen Retter verraten. Als sie sich aber umdrehte wäre sie beinahe mit Ai zusammengestoßen, die sie auf dem Gehweg stand und sie musterte. Die Rothaarige schaute sie ruhig an, ihre blauen Augen zeigten nicht eine Spur von Überraschung über ihr Treffen. „Ich wusste, du würdest hierher kommen.“, meinte sie dann. „Du bist schon seit einiger Zeit jeden Tag hier vorbeigekommen, aber du bist noch kein einziges Mal reingegangen. Du willst doch mit Conan über was reden. Warum tust du es nicht einfach?“ Wie sie sich wünschte, dass sie Ayumi dazu bewegen könnte ihr oder Conan zu sagen was los sei. Sie hatte das Gefühl, dass sie niemals Genta oder Mitsuhiko etwas sagen würde, aber vielleicht ihr oder Conan, wenn sie geduldig waren. Sie fragte sich wie lange es so weitergehen würde. Ihr war klar, dass Ayumi sich sehr verloren fühlen musste. Sie wollte über ihr Erlebnis berichten, aber etwas hielt sie davon ab. Ai wünschte sich sie könnte dem armen Kind irgendwie helfen. Ayumi runzelte die Stirn. Es musste also genau so sein wie Ai es sich gedacht hatte. „Wem hast du es versprochen, Ayumi?“, forderte sie nun. „Warst du Zeugin eines Verbrechens?“ Sie machte einige Schritte auf Ayumi zu, als sie sah, dass sich die Braunhaarige mehr und mehr ertappt fühlte. „Es gibt Geheimnisse, die man nicht verschweigen darf.“, meinte Ai in einem sanfteren Ton, da sie sie nicht einschüchtern wollte. „Wenn ein Geheimnis dich belastet, dann solltest du es nicht für dich behalten.“ Sie konnte erkennen, dass Ayumi hin und her gerissen war, und es machte sie wütend, dass jemand ein solch kleines Kind in so eine Situation befördern konnte. Sie empfand es als sehr grausam. Ayumi zögerte. Wie sehr wünschte sie sich etwas zu sagen, aber wenn sie den furchtbaren Mann erwähnen würde, der sie hatte mitnehmen wollen, dann würde sie auch über denjenigen erzählen müssen, der sie hatte frei lassen. Sie war sich sicher, dass beide in etwas Illegales verwickelt waren, dennoch, der Blonde hatte sie gerettet. Und sie wollte nicht, dass er Schwierigkeiten bekam. Und was wäre wenn der schreckliche Mann Wind davon bekommen würde, dass sie immer noch am Leben war? Würde er hinter ihr her sein? Nein! Das konnte und durfte nicht passieren! Ihre Augen füllten sich mit Tränen und liefen ihr die Wangen hinab. „Ich kann nicht darüber reden!“, weinte sie, wandte sich um und floh, wobei sie eine besorgte Ai am Gehweg stehen ließ. „Ich kann einfach nicht!“ Gin saß in einem Straßenkaffee, während er wie immer die Zeitung las und nebenbei rauchte. Es schien, dass die Neuigkeiten größtenteils von einem Tag auf den anderen dieselben blieben. Es gab Geschichten über Mord, Raub, Veruntreuungen, usw. Ein Teil berichtete über einen ausgeklügelten Raubüberfall, den Kaito Kid letzte Nacht verübt hatte, genauso wie über einen Mord an einem Geschäftsmann, und über die Inhaftierung einiger Leute, die Geld aus ihrer eigenen Firma, für die sie gearbeitet hatten, gestohlen hatte. Er machte sich gelangweilt daran, die Blätter beiseite zu legen, als ein anderer Artikel seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er überflog ihn kurz, während seine Stirn sich in finstere Falten legte, und faltete die Zeitung daraufhin zusammen und lies sie hart auf den Tisch knallen. Die Tassen und Teller wackelten. Wodka, der auf der gegenüber liegenden Seite des Tisches saß, zuckte von dem plötzlichen Lärm zusammen. „Stimmt was nicht, Aniki?“, fragte er als er zu dem blonden Auftragsmörder rüber blickte. Gin sah gerade ziemlich verärgert aus, und Wodka wusste, es gab nur sehr wenige Dinge, die dies bei seinem Partner bewerkstelligen konnten. Gin war für gewöhnlich äußerst gelassen, wenn es um mögliche Bedrohungen ging, wogegen Wodka oft derjenige war, der sichtlich schnell frustriert wurde. Gin knurrte leicht. „Es gab einen weiteren Mord letzte Nacht, und die Kinder eines Mannes sind verschwunden.“ Seine grünen Augen verfinsterten sich als er weiter sprach. „Ich denke, wir beide wissen, wer dafür verantwortlich ist.“ Seit letztem Monat geschahen solche Morde und Entführungen an verschiedenen Orten im Land. Gin war überzeugt, dass der Mann, den er und Wodka vor zwei Wochen getroffen hatten hinter all dem steckte. Dieser würde den Kindern wahrscheinlich erzählen, dass der Tod ihrer Eltern ihre Schuld war und dass er sie wegbringen würde, wo niemand sie jemals finden würde. Daraufhin würden sie weit mehr durchleiden, als wenn sie einfach am Schauplatz ermordet worden wären. Die meisten von ihnen hätten nicht mal das Verbrechen mitbekommen und man hätte nicht mal etwas mit ihnen anstellen müssen, aber die grässlichen Gefühle dieses Mannes kannten keine Grenzen. Wodka schluckte und nickte langsam. Es machte auch ihn krank, aber sie konnten nichts dagegen tun – nicht, solange ihr Boss besagten Yusuke Ushio am Leben lassen wollte. „Widerwärtig.“ Gin zündete sich eine weitere Zigarette an und von dem Feuer, das in seinen Augen brannte, konnte Wodka sich zusammenreimen, dass Gin einen persönlichen Grund für seine Gefühle hatte. Er konnte Ushio nicht ausstehen, und das nicht nur aus der einfachen Tatsache heraus, was dieser tat, obwohl das wohl schon genug Grund war. Wodka war sich sicher, dass Gin schon davor mit Ushio zu tun gehabt hatte, oder wenigstens mit einem von dieser Sorte. Der Himmel wusste, wie viele es waren. Wodka zuckte hilflos die Schultern. „Ich weiß, aber wir können nichts machen.“, meinte er nun. Nicht dass er dachte Gin würde es versuchen, aber fühlte sich dazu verpflichtet es noch einmal klarzustellen. Gin schnaubte. „Wenigstens haben wir es geschafft, ein Mädchen davor zu bewahren, in seine Hände zu fallen.“ Er stand auf und machte sich auf den Weg zu seinem Auto. „Sogar das ist ein Sieg über jemanden wie ihn.“ Wodka stand ebenfalls auf und folgte ihm, er fragte sich ob er es überhaupt wagen sollte, danach zu fragen. Gin war in einer äußerst schlechten Laune, und Wodka machte ihm keine Vorwürfe, aber es schien ihm dennoch angebracht ihn zu fragen. Als sie in den Porsche einstiegen, traute sich der kürzere von den beiden schließlich zu fragen. „Aniki… was hast du damit gemeint, das Kind hat dich an einen ´Geist aus der Vergangenheit´ erinnert?“ Er hatte das Gefühl, was auch immer es war, es hatte irgendetwas mit Gins starker Abneigung gegen Ushios Machenschaften zu tun. Er wunderte sich immer noch, warum Gin das Kind hatte laufen lassen, da sein Partner ihm nie den ganzen Grund dafür genannt hatte. Gin war nicht für seine Freundlichkeit bekannt… jedenfalls nicht mehr. Sowohl er als auch Wodka waren schon seit langer Zeit dank der Schwarzen Organisation verdorben, und Wodka hatte bezweifelt, dass noch einer von ihnen beiden irgendeinen Funken Mitgefühl für jemanden empfinden konnte. Gin schwieg, als er den Zündschlüssel umdrehte und ausparkte. Er antwortete nicht bis sie einige Blocks weitergefahren waren. „Sie hat mich nur einige Menschen erinnert“, meinte er während seine Augen die Straße vor ihnen fixierten. „Menschen, die vor langer Zeit mal gekannt habe, zu einer anderen Zeit.“ Wodka wusste, er würde ein Risiko damit eingehen, aber fragte dennoch. „Ist einer von diesen Menschen Sherry?“ Gin antwortete nicht. Er wollte nicht, und überhaupt fühlte er, dass er das auch nicht musste. Conan saß aufrecht im Bett, als er Ais Beschreibung von Ayumis Verhalten von vorhin zuhörte. Seine Augen verengten sich sorgenvoll. Er stimmte Ai zu, sie war höchstwahrscheinlich zu verängstigt, etwas zu sagen, weil sie bedroht worden war. Worüber er sich nicht sicher war, wie er sie zum Reden bringen konnte. „Es ist möglich, dass diese Person jeden um sie herum bedroht hat, und nicht nur sie.“, meinte er, nachdem Ai ihm alles erklärt hatte. „Möglicherweise hat sie Angst, dass diese Person hinter uns her sein könnte, wenn sie erzählt, was sie gesehen hat.“ Er rückte sich sein Brille zurecht. Ai nickte langsam. „Ich hab auch schon daran gedacht.“, gab sie zu. Aber dann zögerte sie. Auf ihren Weg nach drinnen hatte sie die Abendzeitung von der Türschwelle mitgebracht und sie hatte nicht umhin können denselben Artikel zu betrachten, den auch Gin zuvor schon gelesen hatte. Sie musste sich fragen, ob es möglich war, dass Ayumi denjenigen gesehen hatte, der diese Menschen umbrachte und ihre Kinder entführte. Es wäre jedenfalls genug, um ihr eine solch schreckliche Angst einzujagen. Conan sah sie stirnrunzelnd an. „Was ist?“, fragte er, denn er hatte bemerkt, dass sie ihm noch nicht alles erzählt hatte. Ai seufzte und warf ihm die Zeitung aufs Bett. „Kudo… ist es irgendwie möglich, dass Ayumi diesen Mann gesehen haben könnte, oder zumindest so jemand ähnlichen?“, meinte sie ruhig. Conan überflog kurz den Artikel und schnappte hörbar nach Luft. Natürlich hatte er von diesen unmenschlichen Verbrechen gehört, aber er hatte bis jetzt noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass Ayumi möglicherweise den Verantwortlichen dafür gesehen haben könnte – er hätte angenommen, dass sie wenn dann nicht mit dem Leben davon gekommen wäre. Aber nun fing er an sich zu fragen, ob er es nicht doch wenigstens in Betracht ziehen sollte. Er legte die Zeitung beiseite. „Vielleicht sollten wir sie darüber ausfragen.“, grübelte er. Ai stand auf und brachte ihm das schnurlose Telefon. „Vielleicht wird sie´s ja dir erzählen.“, meinte sie mit sanfter Stimme. Conan nickte ihr zu und wählte die Nummer. Das Telefon klingelte eine Zeit lang bevor jemand am anderen Ende abhob und der Detektiv konnte die ruhige Stimme antworten hören. Na wenigstens ist sie zu Hause und wandert nicht irgendwo in der Gegend rum, dachte er sich. „Hallo, Ayumi-chan“, grüßte er zurück. „Haibara hat mir erzählt, dass du vorhin vorbeigeschaut hättest.“ Er hörte einen überraschten Laut. „Conan-kun!...“ Ayumi war froh, von ihm zu hören, aber Conan konnte auch eine gewisse Befürchtung aus ihrer Stimme heraushören. Conan wusste, dass es nicht leicht werden würde sie dazu zu bewegen, zu ihm zu kommen, falls er sie überhaupt dazu überreden konnte. „Es tut mir Leid, dass du so früh gehen musstest“, redete er weiter. „Ich hätte dich wirklich gern gesehen.“ Ein leichtes Zögern. „Ich würde dich auch gern sehen, Conan-kun.“, meinte sie dann. Conan fragte sich, ob er es wagen konnte sich zu entspannen. „Nun… wenn du zum Essen vorbeikommen könntest wäre schön“, meinte er hoffnungsvoll, während er einen Blick mit Ai austauschte. Ein weiteres Zögern, diesmal länger. Conan verengte die Augen als er zuhörte, er war sich fast sicher, dass er ein leichtes Schluchzen hörte. „Conan-kun“, brachte Ayumi schließlich heraus, „hat Ai-chan dir erzählt was passiert ist?“ Conan seufzte leicht. „Sie hat“, gab er zu. „Ayumi-chan… wir machen uns beide sorgen um dich. Wir wissen, dass was nicht stimmt.“ Er hatte beschlossen, dass es ab diesem Punkt nichts mehr zu verlieren gab und las ihr einen Ausschnitt aus dem Artikel über das Telefon vor. „Wir müssen wissen, hört sich das nach jemandem an, den du getroffen haben könntest?“ Ayumis Augen weiteten sich vor Schreck. Sie war sich fast sicher, dass es derselbe Mann gewesen war, dieser schreckliche Mann. Und der Artikel besagte, dass er immer noch auf freiem Fuß war und Kinder wie sie verschleppte. Sie packte die Telefonschnur und fragte sich, ob sie immer noch schweigen konnte, jetzt, nachdem sie das alles wusste. Immer mehr Tränen stiegen ihr in die Augen. Vielleicht… vielleicht konnte sie ihn erwähnen, wenn es dazu beitragen würde, ihn zu fassen. Sie würde keine Details erwähnen müssen oder den Mann, der sie gerettet hatte. „Ja“, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn gesehen hab… er muss es gewesen sein… oh Conan-kun! ...“ Conans Augen weiteten sich. Er hatte kein solches Zugeständnis erwartet, und ein Teil von ihm hatte gehofft, dass es nicht so wäre. Ayumi war so jung, zu jung um auf so etwas Schlimmes zu stoßen. „Wann, Ayumi-chan?“, drängte er. „Wann hast du ihn gesehen?“ Er merkte wie Ai hochfuhr und sich vorwärts lehnte, und er nickte ihr zu, um ihr zu Verstehen zu geben, dass er auf der richtigen Spur war. Sie schniefte. „Vor zwei Wochen in einem Park“, antwortete sie und warf einen verstohlenen Blick um sich, als ob sie erwartete, dass das Ungetüm plötzlich hinter einem der Möbel hervorspringen würde. niemand war da, aber sie drückte sich trotzdem gegen die Wand. Irgendwie half es ihre Gedanken zu beruhigen, wenigstens etwas. „Hat er dich gesehen?“ Die Tränen rannen ihr nun übers Gesicht. „Ja!“, weinte sie. „Er hat mich gesehen. … oh, es war schrecklich. … er war so ein entsetzlicher Typ!“ Sie schloss die Augen, während sie versuchte, die Erinnerungen daran, wie er sie gepackt und in die Höhe gehoben hatte und sie ihm in diese funkelnden, furchterregenden Augen und sein verzerrtes Lächeln gesehen hatte. Aber diese Bilder waren immer noch da, egal ob sie die Augen schloss oder nicht. Sie hielt das nicht aus. Sie wollte zu jemandem rennen, der sie vor diesem bösartigen Gesicht beschützte – zu ihren Eltern, zu Conan-kun, oder sogar zu… sogar zu dem, der sie gerettet hatte. Er schien diese furchtbare Person gekannt zu haben, also wusste er sicherlich, wie man jemanden vor solch einem Typen beschützen konnte. Conan konnte einige ihrer Worte durch ihr Weinen nicht genau erraten, aber er schätzte, dass er die Hauptsache begriffen hatte. Es machte ihn von Minute zu Minute wütender. Die nächste Frage war definitiv schwierig für ihn. „Ayumi-chan, ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber ich muss wissen – hat er dir was getan?“ er lehnte sich vor, er fühlte sich extrem angespannt bei dieser ganzen Sache. Außerdem war er erstaunt, dass sie es geschafft hatte unversehrt zu fliehen. Aber… war sie auch auf andere Weise unversehrt? „Nein“, antwortete Ayumi, und Conan fühlte eine immense Erleichterung durch diese Bestätigung. „Er wollte mich mitnehmen, aber er hat es nicht…“ „Warum, Ayumi-chan?“, wollte Conan wissen. Ein neuer Gedanke kam ihm. „War noch jemand anderes dabei?“ Das würde am meisten Sinn machen. Er bezweifelte stark, dass Ayumi jemals alleine einem solch heimtückischen Typen entfliehen hätte können. Es muss jemand anderes dabei gewesen sein, jemand der ihr irgendwie geholfen hatte zu entkommen. Aber wer hätte das sein können? Ein Passant im Park? Ayumis Augen weiteten sich. „Tut mir leid, Conan-kun“, rief sie daraufhin und ihre Stimme bebte. „Ich muss gehen.“ Und damit legte sie auf ohne sich richtig verabschiedet zu haben und sank auf den Boden, während sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten, die ihr dennoch aus den Augen rinnen wollten. Sie wollte, dass dieser schreckliche Mann gefasst wurde, bevor er es schaffte einen weiteren Menschen zu verletzen, aber andererseits wollte sie ihren Beschützer nicht verraten. Sie fragte sich, was sie überhaupt machen sollte. Vielleicht, entschied sie nach einiger Zeit, sollte sie versuchen den blonden Mann wieder zu finden… vielleicht konnte er ihr sagen, was sie tun sollte. Somit stand sie entschieden auf und machte sich auf den Weg zur Tür. Kapitel 2: The Search and what came of it - Die Suche und was daraus wurde -------------------------------------------------------------------------- Sie war mit ihm an der Seite aufgewachsen. Sie erinnerte sich nicht an ihre Eltern und war nach Amerika geschickt worden, als sie noch so jung war, und lebte unter der Aufsicht eines älteren japanischen Mitglieds der Organisation. Dieser Mann hatte auch ihn aufgezogen, und hatte sie in die japanische Lebensweise eingeführt, um sie darauf vorzubereiten, wenn sie zurückkehren würden. Beide Kinder waren Fremde in diesem Land – sie war Japanerin, er war Norweger. Er war acht Jahre älter als sie; sie erinnerte sich an ihn als er um die elf Jahre alt war. Er war ihr Beschützer gewesen, ihr Vertrauter und bester Freund zugleich. Als sie in der Schule wegen ihrer japanischen Abstammung verhöhnt worden war, hatte er sich für sie eingesetzt und gedroht es mit jedem aufzunehmen, der sie schikanieren würde. Und er hatte sich mit vielen von ihnen angelegt, und ließ sie kläglich und schamerfüllt zurück. Im Kampf war er immer unübertroffen gewesen. Sie hatte gewusst, dass man ihn trainierte, um einer der besten Topagenten der Organisation zu werden, aber zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht verstanden, was das bedeutete. Sie hatte nicht verstanden, wie es ihn verändern würde. Sie hatte nicht auf Wiedersehen sagen wollen als der Zeitpunkt gekommen war. Sie war gerade erst zehn, er achtzehn, und sie wollten ihn zurück in Japan haben für eine Zeit lang, um sein Training abzuschließen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte und er hatte ihr einen seiner seltenen sanften Blicke geschenkt und ihr dasselbe gesagt. Für zwei Jahre war er fort, und als er zurückkam hatte sie angefangen zu bemerken, dass sich etwas an seiner Persönlichkeit, seiner Sprache und seiner Gewohnheiten geändert hatte. Er hatte vorher nie geraucht. Jetzt tat er es fast ständig. Und wo vorher sein Mitgefühl gewesen war, war sein Herz erkaltet. Er war nie ein geselliger Mensch gewesen, und sie eigentlich auch nicht, und vielleicht war das auch teilweise ein Grund für ihre gegenseitige Zuneigung gewesen. Aber auch wenn er immer noch freundlich ihr und respektvoll gegenüber ihrem Mentor gewesen war, fühlte sie eine Kälte, eine Bitterkeit in seinem Herzen, die zuvor nie da gewesen war. Wenn sie ihn danach gefragt hatte, hatte er ihr nie antworten wollen. Sie war sich nicht sicher, wann ihre Gefühle zu ihm angefangen hatten sich in mehr als nur Freundschaft zu entwickeln. In diesem Alter glaubte wohl jeder, dass es nur eine vorübergehende kindliche Schwärmerei war. Über die Jahre hinweg jedoch waren ihre Gefühle zu ihm stärker geworden, und es schien, dass er sie erwidern würde. Der Altersunterschied war unwichtig. Sie war sechzehn und er war vierundzwanzig als sie sich schließlich ihre Gefühle für einander eingestanden hatten. Sie erinnerte sich, wie bestürzt sie gewesen war über den Verrat einer anderen Person in Amerika, die sie für ihren Freund gehalten hatte. Sie war zu ihm gegangen, um sich trösten zu lassen und er tat es, indem er sie in seinen Armen gehalten hatte. Während er immer freundlich zu ihr gewesen war, war er selten so liebevoll, und sie hatte jeden Moment davon genossen. Das war auch das erste Mal, dass sie sich geküsst hatten. Sie erinnerte sich, wie unbeschwert und glücklich sie sich gefühlt hatte, und wie er ihren Kummer vertrieben hatte. Und sie hatte daran geglaubt, dass er immer an ihrer Seite bleiben würde, egal was passieren würde. Im selben Jahr, einige Monate später, war ihr Mentor an Altersschwäche gestorben, jedoch hatte er immer den Verdacht gehabt, dass ihr Mentor vergiftet worden war. Er war zunehmend kälter und erbitterter geworden. Sie erinnerte sich als sie zum ersten Mal den Mann getroffen hatte, der sein zukünftiger Partner in der Organisation sein würde. Ihr gegenüber hatte er sich ziemlich schroff verhalten, und sie hielt ihn für ein ziemlich nervig. Aber ihr Geliebter hatte ihn schon während seinem Aufenthalt in Japan kennengelernt, und die beiden schienen gut miteinander auszukommen. Dennoch… sie wunderte sich, was die beiden wohl dort drüben gesehen haben mochten, was ihn so verändert haben könnte, denn irgendetwas musste dort gewesen sein. Und von da an hasste sie die Organisation für das, was sie mit ihm tat. Nach diesem Ereignis war alles abwärts gegangen. Nach ihrem Abschluss war auch sie nach Japan gesendet worden, um dort als Wissenschaftlerin für die Organisation zu arbeiten. Er hatte sich weiter verändert, seine Seele schien weiter verdorben worden zu sein. Ihre Beziehung war auseinander gebrochen, und obwohl sie wusste, dass er mit so vielen inneren Dämonen zu kämpfen hatte, die sie nie begreifen würde, so hätte sie nie erwartet, dass er sie auf diese Weise verraten würde, indem er ihre Schwester, eine Verräterin der Organisation, erschoss. So viele Emotionen waren in ihr hochgekommen damals – Verwirrung, Ungläubigkeit, Trauer, Hass… Der Mann, der ihr bester Freund gewesen war, ihre Liebe, war nicht mehr. An seine Stelle war nun ein kalter, zorniger, machtbesessener Assassine getreten, der von da an voll und ganz zur Organisation gehörte und nur ihr diente. Sie hatte begonnen, ihn zu hassen, ihn und seinen Partner, genauso wie jeden der etwas mit der Organisation zu hatte. Ai fuhr aus ihrer Träumerei auf als sie Conan durch das Telefon rufen hörte. Die Stirn in Falten legend schaute sie zu ihm rüber. „Was ist los?“, fragte sie. Conan schmiss das Telefon verärgert aufs Bett. „Ayumi hat einfach aufgelegt als ich sie gefragt hab, ob noch jemand anders im Park war!“, rief er frustriert. „Es muss jemand anderes da gewesen sein, und aus irgendeinem Grund will sie es mir nicht erzählen.“ Aber er konnte nicht verstehen, aus welchem Grund sie es ihm nicht sagen wollte. Er konnte verstehen, dass sie nicht über den schrecklichen Mann sprechen wollte, der sie mitnehmen hatte wollen, aber was würde sie davon abhalten von ihrem Retter zu erzählen, wer auch immer er oder sie war? Ai schnappte sich das Telefon und wählte noch einmal die Nummer. Sie ließ es eine Weile klingeln und ihre Augen verengten sich grimmig. „Entweder will sie nicht rangehen oder sie ist raus gegangen.“, verkündete sie, nachdem sie es über zehn Mal hatte läuten lassen. Sie legte wieder auf und platzierte das Telefon auf den Nachttisch, um dann Conan wieder anzublicken. „Wir können es nicht so stehen lassen. Jemand muss zu ihr rübergehen.“ Sie wandte sich ab und ging zur Tür. „Nach allem, was wir wissen könnte es sein, dass dieser Typ ihr nachstellt. Er könnte sogar bei ihr zu Hause sein in diesem Moment.“ Conan schlug die Bettdecke zurück, denn er wusste sie hatte Recht. Er zog sich seine Hausschuhe an, die auf der einen Bettseite waren und stand auf. „Ich bin gleich soweit“, meinte er als er sich ins Bad aufmachte. Sie sah ihn zweifelnd an. „Bist du sicher, dass du gehen solltest?“, erwiderte sie. „Du bist immer noch nicht gesund.“ – „Das ist jetzt schon einige Wochen her. Das schlimmste ist sowieso vorüber.“, meinte Conan bestimmt. „Wir müssen Ayumi finden.“ Ai nickte zum Einverständnis, als sie sich zur Tür begab. Ayumi war sich nicht sicher, wo sie anfangen sollte nach dem blonden Mann zu suchen, aber sie entschied, wenn sie zu dem Ort gehen würde, wo sie ihn zuerst getroffen hatte, wäre das ein guter Anfang. Aber dann verweilte sie in Gedanken und blieb einfach an der Straßenecke stehen. Wenn sie dorthin zurückkehren würde, würde sie wahrscheinlich wieder diesem schrecklichen Mann begegnen, der, von dem sie versuchte hatte wegzukommen. Nein, sie konnte es nicht tun. Aber vielleicht konnte sie ihren Retter im Zentrum der Stadt finden. Wenn sie einfach dahin gehen würde und nach ihm suchen würde, könnte sie ihn vielleicht ausfindig machen. Schließlich ging er sicher manchmal dahin. Sie machte sich nicht wirklich Gedanken darüber wie lange es dauern würde oder dass sie sich komplett verlaufen konnte. Sie war jung und ihre Gedanken waren auf ein Ziel fixiert, und zwar nur das eine. Egal, wie lange es dauern würde, sie würde tun was nötig war, um es zu erreichen. Und das hieß diesen Mann zu finden. In den nächsten paar Stunden durchwanderte sie alle Geschäftsviertel der Stadt nach dem anderen auf der verzweifelten Suche nach ihm oder wenigstens dem einen, der bei ihm dabei gewesen war. Denn wenn sie den fand, den er Wodka genannt hatte, konnte der sie vielleicht zu dem blonden Mann führen. Aber als sie sich durch die Menge schlängelte und versuchte zu verhindern in jemanden hineinzurennen oder umgerannt zu werden konnte sie keinen von beiden ausmachen. Sie ging in Läden und Restaurants, die Straßen rauf und runter, in Gassen und einige Male, wenn sie dachte sie gefunden zu haben, wurde sie nur enttäuscht. Zuletzt machte sie Halt an einer Telefonzelle, um sich auszuruhen und sich zu sammeln. Mittlerweile brach die Nacht an, und als sie sich umsah und die Lichter des zunehmenden Verkehrs wahrnahm, bemerkte sie, dass sie nicht wusste wo sie war und wie sie nach Hause kommen sollte. Sie biss sich auf die Lippe und schluckte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete runter. Es war genau wie letztes Mal, nur dass diesmal viele Menschen um sie herum waren. Dennoch fühlte sie sich genauso allein wie in der verschneiten Nacht damals. Sie ging langsam mit zögerlichen und nervösen Schritten voran bis sie aus der Menschenmenge draußen war. Aber als sie es war, wünschte sie sich fast sie hätte es nicht getan. Nicht weit entfernt von ihr kam aus einem nahen Nachtklub der schreckliche Mann, der Mann, der sie in ihren Träumen und auch tagsüber in Gedanken heimsuchte, der Mann, der wollte, dass sie ihm „Gesellschaft“ leistete. Von Panik erfasst, tauchte sie hinter einem nahen Auto unter und auf dessen andere Seite, während ihr Herz raste. Er kam in ihre Richtung… er würde sie sehen. Sie war sich sicher, er würde sie bemerken! Und wenn das passierte… sie wollte nicht mal daran denken. Der blonde Mann hatte gesagt, dass sie ein schlimmeres Schicksal als den Tod erleiden würde, und sie wollte nicht herausfinden was das war. Ohne richtig nachzudenken, probierte sie die Tür des Wagens aus und stellte fest, dass sie nicht verschlossen war. Dankbar öffnete sie die Tür gerade weit genug um rein zu klettern und sich auf dem Boden zu verstecken. Daraufhin blieb sie dort, unbeweglich und wagte nicht mehr sich zu rühren. War er weg? Hatte er vor dem Wagen angehalten? Sie dachte, sie fühlte jemandes Augen auf sie gerichtet. Oh! Er muss sie gesehen haben! Sie rollte sich fester zusammen und wünschte sich sehnlichst zu verschwinden auch wenn sie wusste, dass es nicht passieren würde. Jede Minute erwartete sie, dass die Türe aufgeschwungen wurde und dass sie gefasst würde. Aber aus einer Minute wurden fünf, aus fünf wurden zehn und so weiter und nichts passierte. Sie war erschöpft von ihrer langen und erfolglosen Wanderung durch die Stadt. Bevor sie richtig realisieren konnte was passiert war, war sie eingeschlafen. Als sie endlich wieder aufwachte, bemerkte sie, dass sich der Boden unter ihr bewegte. Zuerst war sie verwirrt und glaubte sich immer noch in einem ihrer Träume, deshalb blieb sie für eine Weile einfach nur liegen als sie langsam wieder zu sich kam. Dann hörte sie Stimmen. „Ich kann nicht glauben, dass du das Auto vorher nicht abgesperrt hast.“ „Tut mir leid, Aniki… Ich dachte wirklich es war abgesperrt!“ Eine Pause. „Ich muss die Tür nicht richtig geschlossen haben. Vielleicht hat sich der Gurt irgendwie darin verhangen…“ Ein Klicken war zu hören. „Das ist keine Entschuldigung.“ Das Auto begann sich mit Zigarettenrauch zu füllen. Ayumi hustete leicht und setzte sich auf um den Rauch wegzuwehen. Während sie das tat erkannte sie dass die Stimmen vertraut klangen. Ihre Augen weiteten sich. Sie hatte endlich den blonden Mann gefunden! Das Auto hielt abrupt an. „Was war das?“, knurrte der Blonde, der das Husten gehört hatte. Er wollte sich gerade umdrehen, da wurde er mehr als nur überrascht, als Ayumi um den Sitz herum lugte. Für einen Moment zeigte sein Gesicht nur totale und blanke Fassungslosigkeit und die beiden starrten sich gegenseitig an, denn keiner von beiden wusste, was sie darüber denken sollten. Beide waren sprachlos. Zuletzt brach Wodka die Stille. „Was machst du denn hier?“, rief er überrascht und war dabei mindestens genauso fassungslos wie sein Partner. Er wäre weit weniger überrascht gewesen wenn jemand von hinten eine Knarre erhoben hätte. Aber stattdessen ein junges und unschuldiges Mädchen dort vorzufinden… das war fast so gut wie ausgeschlossen! Und, stellte er daraufhin fest, sie kam ihm bekannt vor. Ayumi schreckte leicht zurück, sie fühlte sich plötzlich verlegen. Aber als sie sich daran erinnere, weswegen sie gekommen war, wandte sie sich entschlossen zu dem grünäugigen blonden Mann zurück. „Tut mir Leid, Sir“, entschuldigte sie sich leise, „aber ich hab versucht von diesem Mann wegzukommen! Ich… ich hab gedacht er würde mich sehen, und das Auto war nicht abgeschlossen und da bin ich eingestiegen und… ich glaub ich muss dann eingeschlafen sein.“, gab sie verlegen zu. „Aber ich hab sowieso nach dir gesucht!“, rief sie auch gleich, jetzt da sie sich etwas mutiger fühlte. „Du hast nach mir gesucht…“, wiederholte er scheinbar immer noch fassungslos. Manchmal konnte er sich wirklich schlecht an Gesichter erinnern, es hatte eine ganze Weile gedauert, zu raten, wer sie war – aber bei ihrer letzten Aussage erkannte er sie wieder und erinnerte sich. Nur verstand er es nicht. Hätte er zu Wodka rüber gesehen hätte er bemerkt, dass sein Partner genauso verwirrt war wie er. Keiner von den beiden konnte verstehen, warum ein kleines Kind bewusst nach einem der gefährlichsten Agenten der BO suchen würde. Sie nickte entschieden. „Ich wollte dich fragen, was ich machen soll“, meinte sie langsam. „Ich will, dass dieser schreckliche Mann gefasst wird, weil er immer noch herumläuft und andere Kinder mitnimmt, aber ich will auch niemandem über dich erzählen, weil du mir gesagt hast es nicht zu tun. Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen.“ Sie senkte den Blick zu Boden und blickte dann wieder auf. Beide Männer betrachteten sie immer noch als würde sie etwas Unglaubliches aussprechen. Unsicher verlagerte sie ihr Gewicht. „Es ist nur, ich weiß nicht wie ich von diesem schrecklichen Mann erzählen soll ohne dich ebenfalls dabei zu erwähnen.“, redete sie entschuldigend weiter. „Einer meiner Freunde hat gefragt was passiert ist, weil er herausgefunden hat, dass etwas schief gelaufen ist und ich hab ihm von dem bösen Mann erzählt, aber dann hat er gefragt, ob mir jemand geholfen hat…“ Sie wandte ihren Blick ab als die Tränen sich wieder in ihren Augen sammelten. „Ich musste einfach auflegen! Ich konnte ihn doch nicht anlügen! Aber ich konnte doch auch nicht mein Versprechen Ihnen gegenüber brechen, Sir!“ Der Blonde wechselte einen Blick mit Wodka. Er war sich nicht sicher, was er daraus machen sollte. Das Mädchen meinte es ernst. Und das verblüffte ihn mehr alles andere. Sie hatte ihn nicht verraten wollen und so hatte sie stattdessen nach ihm gesucht. „Was sollen wir jetzt machen, Aniki?“, fragte Wodka unsicher in leisem Tonfall. „Wir können sie nicht bei uns lassen“, blaffte dieser, was Wodka natürlich auch klar war, „aber wenn wir sie jetzt hier raus lassen könnte Ushio sie finden.“ Und das würde nichts Gutes für beide Seiten verheißen. Ushio würde es nicht gut aufnehmen, dass man ihn belogen hatte, und es konnte dazu führen, dass er sich gegen die komplette Organisation stellte, was der Boss der BO nicht sehr schätzen würde. Und das wiederum würde sich schlecht auf die beiden Agenten im Porsche auswirken. Nicht zu vergessen, dass er Ushio nicht einfach so den Triumpf gönnen würde das Mädchen in seine Gewalt zu bekommen, besonders nicht, wenn er sich die Schwierigkeiten gemacht hatte, sie von ihm fernzuhalten. Ayumi kletterte nun nach vorne zu dem grünäugigen Agenten. „Ich will keine Schwierigkeiten machen“, meinte sie leise. „Ich will nur wissen, was ich meinen Freunden erzählen kann, das nicht schlecht für dich ist.“ – „Da gibt es nicht wirklich viel, was du sagen könntest ohne dass es schließlich auf mich zurück zu führen wäre.“, meinte er nur knapp. Er wusste, selbst wenn sie sich entschieden weigern würde ihn zu erwähnen, würde die Polizei dennoch nicht aufhören sie zu befragen und sie würde letztendlich doch etwas über ihn verraten. Oder irgendetwas würde während ihrer Untersuchung einfach zufällig auftauchen und würde ihn mit Ushio in Verbindung bringen. Wodka achtete fast nicht auf das Gespräch zwischen den beiden. „Aniki, Ushio kommt uns entgegen!“, kündigte er plötzlich an, als er den kahlköpfigen Mann vor ihnen sah. Ushio hatte den Porsche erkannt und schlenderte zielsicher auf sie zu. Wodka wurde äußerst nervös als er daran dachte, was passieren würde, wenn er das Mädchen bei ihnen finden würde. Ushio würde sie sehen, wenn sie nicht sofort aus seiner Sicht verschwand. Der Blonde fluchte. „Versteck dich irgendwo.“, befahl er Ayumi und sie krabbelte unverzüglich auf den Boden neben seinem Sitz und benutzte die langen Falten seines Mantels um sich unsichtbar zu machen. Seine grünen Augen verengten sich leicht verärgert bei dieser Aktion, aber er hatte keine Zeit zu protestieren, denn Ushio klopfte gegen sein Fenster. Murrend öffnete er es und funkelte den grinsenden Mann vor ihm kalt an. „Was willst du?“, verlangte er verärgert zu wissen. Ushio schnalzte mit der Zunge. „Nana, ist das eine Art seinen Geschäftspartner zu begrüßen, Gin?“, meinte er scheinbar tadelnd. An seinem Gesichtsausdruck ließ sich ablesen, dass er wusste, dass sein Besuch die beiden BO Agenten ärgern würde. Das war ohne Zweifel von Anfang sein Vorhaben. Ayumi schauderte als sie die Stimme aus ihren Alpträumen hörte. Sie schloss ihre Augen fest und drückte sich gegen den Frontsitz und hinter Gins Beine und betete er würde sie in Sicherheit behalten. Gin spürte wie ihr Körper sich ängstlich gegen ihn drückte, aber er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Wenn es nach mir gegangen wäre, wärst du schon längst beseitigt worden.“, meinte er nur finster. „Ungetüme wie dich sollte man gar nicht erst am Leben lassen.“ „Wie mich?“ wiederholte Ushio gespielt gekränkt. „Du bist doch der Auftragsmörder. Ich bring niemanden um die Ecke.“ Gin zog nur an seiner Zigarette. „Nur weil du Leute dafür anheuerst, heißt das nicht, dass deine Hände nicht auch mit Blut befleckt sind.“, erwiderte er. „Innerlich hast du schon Mord begangen. Und überhaupt, abgesehen davon hast etwas getan was weitaus schlimmer ist als alles, was ich jemals getan habe.“ Seine Augen verengten sich, und Wodka sah wieder den Funken der Verärgerung und Wut in ihnen. „Das, was du den Kindern antust ist abscheulich.“ „Das sagst du. Aber du hast nur Gerüchte gehört.“ Ushio lehnte sich gegen das Auto und Gin warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er mochte es überhaupt nicht, dass diese Schlange sein Auto anfasste, und schon gar nicht, dass er sich daran lehnte als ob es ihm gehörte. „Ich hab genug gesehen, das mir sagt, dass es nicht nur Gerüchte sind.“, antwortete der Blonde. „Und wenn du nicht aus einem bestimmten Grund hierhergekommen bist, dann rate ich dir zu verschwinden, dann können wir das auch tun.“ Er wurde ungeduldig, und das umso mehr als er den immer noch vor Angst zitternden Körper des Kindes spürte. Er würde nicht in der Lage sein sie für längere Zeit unentdeckt zu lassen, und er beabsichtigte, dass es so schnell wie möglich vorbei sein würde. Mit so etwas wollte er nicht regelmäßig konfrontiert werden. „Genau genommen bin ich auch aus einem bestimmten Grund hier.“ Ushio lächelte. „Mir geht dieses kleine Mädchen aus dem Park nicht mehr aus dem Kopf.“ Alle drei Insassen spannten sich mit einem Mal an. Gin hoffte, dass man es nicht bemerkte. „Was soll mit ihr sein?“, erwiderte er gereizt. „Nun, ich frage mich wo du sie begraben haben könntest“, meinte Ushio während sein Lächeln breiter wurde. „Ich hab mir gedacht, ich könnte… ihr noch den letzten Respekt erweisen.“ Das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Augenblicklich schoss Gins Hand aus dem Fenster und stieß ihn von seinem Wagen weg. „Stirb“, fauchte Gin. Und ohne auf eine Antwort zu warten schloss er das Fenster und startete den Motor, um gleich darauf hinter der nächsten Ecke zu verschwinden. Er kochte fast vor lauter Wut über die Dreistigkeit dieses Ungetüms. Bei diesem Ushio war es einfach viel zu leicht zwischen den Zeilen zu lesen. Gin wusste, was er wirklich gemeint hatte, und er konnte erkennen, dass Wodka es ebenfalls verstanden hatte. Manchmal hatte er wirklich große Mühe sich davon abzuhalten einfach seine Pistole zu ziehen und die Welt von diesem Monster zu befreien. Eines Tages würde er es einfach tun, wenn er weit genug dazu getrieben werden würde. Sie waren einige Häuserblocks entfernt bevor Ayumi sich traute aus ihrem Versteck hervorzukommen. Als sie vor einer Ampel stehen blieben kam sie vorsichtig unter Gins Mantel hervor, jedoch blieb sie neben ihm am Boden sitzen, um nicht gesehen zu werden. Sie schluckte den Klos, der sich wieder in ihrem Hals gebildet hatte, herunter. „Wird er böse auf euch sein?“, fragte sie ängstlich. Gin schnaubte. „Nicht mehr als üblich, solange er mich nicht verdächtigt, dass ich dich lebend habe.“, antwortete er. Die Ampel schaltete auf grün und er trat aufs Gaspedal. „Und ich werde dich nicht länger mit mir herumkutschieren. Du gehst jetzt ohne Umwege nach Hause.“ Ayumi zögerte. „Ich weiß nicht wie man von hier aus nach Hause kommt“, meinte sie schließlich und schaute zu Boden, wo sie nicht die frustrierten Blicke sehen konnte. „Wie lautet deine Adresse?“, erwiderte er. Sie sagte sie ihm und er nickte wissend. „Ich weiß wo das ist. Ich werde dich ein paar Blöcke weiter entfernt aussteigen lassen. Kannst du von da aus dann nach Hause kommen?“, fragte er, halb sarkastisch. Er wunderte sich wie er nur in diese Situation geraten sein konnte. Von allen Autos, in denen sie sich hätte verstecken können, warum musste sie ausgerechnet in seines klettern? Es machte alles nur noch komplizierter für beide. Und er fragte sich, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte vor zwei Wochen. Und immer noch konnte er sich nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Aus irgendeinem Grund hatte er das Leben dieses Kindes verschonen wollen. Er war sich nicht einmal sicher, dass er überhaupt verstand, warum. Und er wusste, Wodka verstand es noch weniger. Ayumi lächelte. „Das kann ich!“ antwortete sie enthusiastisch und blickte wieder zu ihm auf. „Gin-sama!“ Gin trat beinahe wieder auf die Bremse. „Wie hast du mich genannt?“ verlangte er von ihr zu wissen. Wodka sah erst ihn, dann Ayumi fassungslos und schockiert an. Ayumi kicherte und zuckte nur mit den Schultern. „Dieser schrecklich Typ hat gesagt, dein Name ist Gin“, antwortete sie strahlend, „deswegen werde ich dich Gin-sama nennen!“ Sie lehnte sich am Vordersitz zurück. „Du hast mir jetzt schon zum zweiten Mal das Leben gerettet.“ Als der erste Schock langsam nachließ, stellte Wodka fest, dass ihn das ganze doch amüsierte. „Aniki, ich glaub sie mag dich.“, gluckste er und war eindeutig der Meinung, dass dies hier eine der seltsamsten Erfahrungen war, die sie bis jetzt durchgemacht hatten. „Halts Maul!“ grollte Gin. Sie hatten noch nicht bemerkt, dass sie verfolgt wurden. Kapitel 3: The Race Begins - Der Wettlauf beginnt ------------------------------------------------- Als Conan und Ai bei Ayumis Haus ankamen, fanden sie zu ihrem Erstaunen die Haustür weit geöffnet und das Wohnzimmer in Unordnung vor, denn überall lagen umgekippte Möbelstücke und Geräte herum. Schnell rannten sie hinein, wohl wissend, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Vielleicht, so dachten sie besorgt, war ihre Vermutung richtig gewesen und Ayumi war nicht alleine gewesen, als Conan sie angerufen hatte. Conan zeigte auf die Stufen. „Es sieht nicht so aus, als wäre jemand zu Hause, aber wir sollten auf jeden Fall alles absuchen. Du schaust oben nach und ich werde mich hier mal umsehen“, wies er sie an, jedoch verstummte er, als er plötzlich ein Stöhnen hörte, das aus der Küche kam. Während Conan und Ai alarmiert aufblickten stolperte Frau Yoshida aus der Küche und lehnte sich mit einer Hand an den Türrahmen, mit der anderen hielt sie ihren Kopf. „Yoshida-san!“ brachte Conan überrascht hervor. „Was ist passiert?“ Diese blinzelte, während sie versuchte sich auf die beiden scheinbaren Kinder vor ihr zu konzentrieren. „Ich… Ich weiß nicht“, gab sie zögerlich zu. „Ich bin heimgekommen und alles war ein einziges Chaos, und dann hab ich Ayumi gerufen…und dann hat mich etwas am Kopf getroffen.“ Sie schwankte leicht und Conan und Ai kamen ihr zu Hilfe, aber dann fing sie sich wieder. „Ist… Ist Ayumi da?“, fragte sie die beiden besorgt. Conan schluckte hart. „Wir sind uns noch nicht sicher, Yoshida-san“, gab er zu, jedoch befürchtete er zunehmend, dass sie es nicht war, und dass sie von wem auch immer mitgenommen worden war, der hier eingebrochen und Frau Yoshida verletzt hatte. Vorsichtig bemühte er sich ihre Hand zu nehmen und sie zu einem Stuhl zu geleiten, den Ai vom Boden aufgehoben hatte. „Sie sollten sich hinsetzen, Yoshida-san“, wies er sie an. Sie ließ sich auf das Möbelstück nieder und lehnte sich zurück, während sie sich weiterhin den Kopf rieb. „Ich kann mir nicht vorstellen, was passiert ist“, meinte sie verwirrt. Ai ging um einen Arzt zu verständigen und Conan blieb bei Frau Yoshida. „Yoshida-san, ich weiß, es jetzt bestimmt nicht leicht für Sie, aber ich muss wissen, ob Sie sich noch an etwas anderes erinnern können“, sagte er nun. „Haben Sie irgendetwas gehört, bevor sie niedergeschlagen worden sind – ein seltsames Geräusch, eine Stimme?“ Frau Yoshida versuchte sich zu konzentrieren, aber es fiel ihr nicht leicht. „Ich…Ich glaube nicht“, meinte sie zögerlich, und schaute dann besorgt zu ihm herab. „Aber wo ist Ayumi? Ist sie da gewesen als das Haus verwüstet worden ist?“ Obwohl ihre Gedanken noch unklar waren, registrierte sie dennoch, dass sie Ayumi seit ihrer Ankunft zu Hause noch nicht gesehen hatte, geschweige denn irgendein Anzeichen von ihrer Anwesenheit bemerkt hatte. Dieser Gedanke beunruhigte sie sehr, jedoch war sie in ihrem derzeitigen Zustand noch nicht zu demselben Schluss gekommen wie Conan und Ai. Bevor Conan antworten konnte kam Ai zurück in den Raum. Während sie mit dem Doktor telefoniert hatte, war sie im Haus mit dem schnurlosen Telefon herumgewandert, um nach einem Zeichen von Ayumi zu suchen. „Sie ist nicht hier“, meinte sie finsterer Miene. „Und sie hat das hier zurückgelassen.“ Sie hielt Ayumis Detektivabzeichen hoch, welches Conan erschrocken anstarrte. Das bedeutete, dass sie keine Möglichkeit hätten ihrer Spur zu folgen! Aber hatte sie es bewusst zurück gelassen oder war sie dazu gezwungen worden von ihrem Entführer? Oder hatte er es ihr einfach so abgenommen? „Heißt das, jemand hat sie mitgenommen?“ rief Frau Yoshida aufgebracht, der Schock über diese Neuigkeit hatte sie fast gänzlich wieder in die Realität zurückgeholt. Sie schnappte sich das Abzeichen und drehte es in ihren zitternden Händen herum. Conan atmete tief ein. „Ich befürchte, dass es durchaus möglich ist, Yoshida-san“, erwiderte er finster und sah zu Ai herüber. „Du solltest besser auch die Polizei verständigen.“ „Hab ich schon“, antwortete sie, ihre blauen Augen verengten sich leicht dabei. „Sie schicken uns Inspektor Megure vorbei.“ Conan nickte zufrieden. „Alles klar. Währenddessen sollten wir das Haus nach möglichen Hinweisen durchsuchen“, meinte er entschieden. „Yoshida-san, ruhen Sie sich aus bis der Doktor da ist. Haibara-san und ich werden uns darum kümmern.“ Er blickte zu Frau Yoshida auf, die dennoch versuchte aufzustehen. Sanft hielt er sie zurück, denn er wusste, dass sie immer noch zu schwach war, um sich zu bewegen. „Mir geht’s gut.“, antwortete sie. Als sie jedoch versuchte ein weiteres Mal aufzustehen überkam sie wieder ein Schwindel und sie musste sich zurück auf den Stuhl fallen lassen. „Anscheinend… geht’s mir doch nicht so gut“, meinte sie kleinlaut. Nachdem der Arzt und die Polizei angekommen waren und das Haus erneut nach Hinweisen abgesucht worden war, fiel Frau Yoshida plötzlich etwas auf. „Das Bild von Ayumi, das auf dem Bücherregal gestanden hat ist weg.“, keuchte sie, und sie zeigte auf das große breite Bücherregal in der Ecke. Ein dritter Hausdurchsuch bestätigte, dass es in der Tat fehlte und dass es nicht einfach irgendwo herumlag. Diese Tatsache beunruhigte die Polizei genauso sehr wie Conan und Ai. „Ich denke nicht, dass Ayumi hier war als das Haus verwüstet worden ist“, meinte Conan zu der Rothaarigen, während sie Megure´s Männern aus dem Weg gingen. „Ich nehme jedoch an, dass dieser jemand hinter ihr her ist. Er hat das Bild wahrscheinlich mitgenommen, um zu wissen, wie sie aussieht. Wenn er sie bereits hätte, hätte er vermutlich nicht das Bild mitgenommen.“ Ai verengte ihre Augen. „Wenn er sie noch nicht gefunden hat müssen wir verhindern, dass es passiert.“, erwiderte sie grimmig. Conan nickte zustimmend. „Und wir haben einen weiten Radius abzusuchen, vor allem da wir sie nicht mit dem Abzeichen ausfindig machen können. Lass uns also gleich damit anfangen. Er ging zur Tür und Ai folgte ihm. Mach dir keine Sorgen, Ayumi, sagte er sich schweigend. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert! Gin warf gerade seine Zigarette aus dem Fenster, als er zufällig einen Blick in den Außenspiegel warf. „Ist dieses Auto nicht schon eine ganze Weile hinter uns?“, knurrte er und wies auf einen dunklen Chevrolet Convertible. Er war sich fast sicher, dass er ihn schon seit einigen Blocks hinter sich gesehen hatte, und er hatte den langsamen Verdacht, dass das kein Zufall war, vor allem als er bemerkte, dass er nicht in das Fahrzeug blicken konnte. Dessen Fenster waren nämlich getönt. Wodka sah in den Rückspiegel. „Ich glaube schon.“ Er runzelte die Stirn. „Aber ich kann es nicht genau sagen.“ Ayumi versuchte ebenfalls etwas auszumachen, jedoch konnte sie von der Position am Boden aus nichts sehen. „Warum sollte uns jemand folgen?“, rief sie aus, und augenblicklich spürte sie eine neue Unruhe in sich. Was, wenn es Ushio war? Vielleicht hatte er nicht geglaubt, was Gin ihm gesagt hatte und jetzt war er hinter ihr her! Vermutlich würde er Gin und Wodka verletzen und sie mitnehmen! Gin fluchte und beschleunigte, er wollte sehen wie das andere Auto reagieren würde. Und wirklich, das andere Auto tat dasselbe, und als der Porsche auf die nächste Spur wechselte, um abzubiegen tat es ihm der Chevrolet nach. Nun wussten sie, dass das Auto ihnen wirklich folgte. Und Gin hatte das Gefühl, dass der Fahrer wusste, dass sie es wussten. „Was machen wir jetzt?“, fragte Ayumi ängstlich. Sie fing an sich aufzurichten, denn sie wollte wissen, was mit dem Auto, das sie verfolgte, passierte. „Bleib unten!“, befahlt er barsch und bog scharf um die nächste Kurve. „Wir müssen ihn abschütteln, egal wer es ist. Andernfalls werden wir sie direkt zu dir nach Hause führen.“ Auch hatte er den aufkommenden Verdacht, dass Ushio oder jemand, der für ihn arbeitete, ihr Verfolger war. Das würde Sinn machen. Es war ihm von Anfang an seltsam vorgekommen, dass Ushio überhaupt erst ihr Auto angesteuert hatte. Und nun fragte er sich, ob die seltsame Frage des ungebetenen Besuchers über den Verbleib Ayumis, um ihr „den letzten Respekt zu erweisen“ eventuell drei Bedeutungen hatte anstatt nur zwei – die einfache Bedeutung, die wahre Absicht, warum Ushio das Grab besuchen wollte und… wahrscheinlich hatte er schon die ganze Zeit gewusst, dass Gin sie nicht getötet hatte, und dass es gar keine letzte Ruhestätte zu besuchen gab. Aber wie hätte er das rausfinden sollen? Konnte er Ayumi ins Auto steigen sehen? Ayumi versuchte sich wieder zurück auf den Boden zu setzen, aber als der Porsche um eine weitere Ecke bog fiel sie stattdessen auf Gins Schoß. Der blonde Assassine war im Moment jedoch viel zu sehr darauf fokussiert, sich von dem Verfolger loszueisen, was fast unmöglich schien. „Denkst du, sie werden anfangen zu schießen?“, fragte nun Wodka. Vorsichtshalber zog er seine Pistole hervor. Gin fuhr um die nächste Kurve und hielt auf ein Parkhaus zu. „Es ist möglich“, antwortete er, „aber ich denke nicht, dass sie schießen werden, außer es ist ihnen egal, ob sie uns tot oder lebendig kriegen.“ Und er hatte das Gefühl, dass man sie lebend wollte. Ushio würde wissen wollen was Gin mit dem Mädchen vorhatte, wenn er in der Tat wusste, dass er sie bei sich hatte. Außerdem würde er auch das Mädchen lebend haben wollen – jedoch, dachte Gin angewidert, würde es Ushio nicht gerade kümmern, ob sie tot oder am Leben war, solange er sie nur in die Finger bekam. Ayumi hielt sich krampfhaft an Gins Mantel fest. Ihre Gedanken überschlugen sich, und sie spürte wie ihr aus Angst erneut die Tränen in die Augen kamen. Würden sie es überleben? Würde Gin-sama am Ende verletzt werden? Sie kniete auf dem Sitz und umklammerte ihn eisern als sie ein Stockwerk nach dem andern hinauffuhren. Das andere Auto war immer noch hinter ihnen. Es musste so sein, sonst würde Gin-sama nicht so rasend schnell fahren. Sie war schon in so vielen Leben- und Todsituationen gewesen seit sie Conan-kun getroffen hatte, und während jeder einzelnen hatte sie sich gefragt ob es ihre letzte sein würde. Und dieses Mal war keine Ausnahme. Dann hörte sie wie etwas an der Seite ihres Wagens vorbeipfiff. Sie wurden angeschossen! Sie duckte sich und wühlte sich weiter in Gins Mantel. Gin fluchte wieder. „Schieß zurück!“, befahl er und Wodka lehnte sich aus dem Fenster, einige gut gezielte Schüsse auf das andere Auto abfeuernd. Eine traf auf die Windschutzscheibe, die zwar splitterte, aber nicht vollständig brach. Eine andere schoss einen der Seitenspiegel weg. Der Chevrolet wich aus als eine weitere Kugel auf die Reifen zielte, gab die Verfolgung aber nicht auf. „Du solltest besser schnell etwas unternehmen, Aniki!“, rief Wodka als sie das Dach des Parkhauses erreicht hatten. „Wir verlieren an Raum zum Ausweichen!“ Gin knurrte. Als sie sich dem Vorsprung näherten, begann er gedanklich die Distanz zum nächsten Gebäude auszurechnen, und die Geschwindigkeit die dafür nötig war. Dann fuhr er rückwärts, um Anlauf zu nehmen, während der Chevrolet immer noch etwas weiter hinter ihnen war. Wodka riss erstaunt den Mund auf. „Du wirst doch nicht etwa genau das tun was ich denke das du tun wirst, oder?“ rief er daraufhin entsetzt. Ayumi sah alarmiert auf. „Ist zwar klischeehaft, aber im Moment ist das unsere beste Chance“, erwiderte er barsch, und nun realisierte er erst, dass Ayumi auf seinem Schoß saß. Das war äußerst gefährlich. Murmelnd sah er zu Wodka hinüber. „Halte sie fest.“, befahl er und Wodka nahm das Mädchen zu sich und hielt sie fest. Es war keine Zeit mehr sie zurück auf den Rücksitz zu setzen. Das Gaspedal durchgedrückt fuhr er direkt über den Vorsprung und für einen wie es schien der längsten Momente in Ayumis Leben befanden sie sich von nichts weiter als Luft umgeben. Dann landeten sie glücklicherweise auf der anderen Seite, gerade als der Chevrolet das das Dach erreichte, das sie gerade verlassen hatten. Wodka wagte es aufzublicken, er bebte innerlich immer noch von dem was sie eben getan hatten. Er atmete tief aus und ließ sich auf dem Sitz zurückfallen, während er immer noch Ayumi in den Armen hielt. „Denkst du sie werden versuchen uns zu folgen?“, fragte er schließlich. Er war froh, dass Gin am Steuer gesessen hatte und nicht er. Wodka bezweifelte nämlich, dass er solch einen Stunt erfolgreich zustande gebracht hätte. Höchstwahrscheinlich, so dachte er, hätte es bei ihm keine Überlebenden gegeben. Gin war bereits dabei ins Innere des neuen Parkhauses zu fahren. „Wir können kein Risiko eingehen.“, antwortete er. Ayumi schauderte. „Gin-sama“, meinte sie schwach, als sie sich an Wodka anlehnte, „ich fühl mich nicht gut…“ Das war definitiv schlimmer und weitaus beängstigender gewesen als jede Achterbahn in einem Vergnügungspark. Zudem erinnerte es sie daran, als sie und die anderen Detective Boys mit dem Auto von einem explodierenden Gebäude in einen Swimmingpool von einem gegenüberliegenden Haus hatten fahren müssen, und das war nichts gewesen, was sie hatte wiederholen wollen. Gin fühlte den Ärger in sich aufsteigen. „Du wirst dich aber nicht übergeben, oder?“ meinte er gereizt als er das Auto wieder die Stockwerke hinunterfuhr. Er wollte nicht die Verantwortung für sie übernehmen. Es war Jahre her, dass er auf ein Kind aufgepasst hatte und er wollte nicht wieder damit anfangen. Außerdem taugte er nicht für so etwas. Er war schließlich ein rücksichtsloser Killer und nicht jemand, den ein unschuldiges Kind wie Ayumi als Vorbild oder Idol betrachte sollte. Sogar er erkannte das. „Ich hoffe nicht“, kam es leise von Ayumi, die sich wünschte, dass sie endlich anhalten würden. „Damit wären wir schon zu zweit“, knurrte er. „Vielleicht würdest du dich besser fühlen, wenn du versuchen würdest zu schlafen.“ Und wenn sie erst mal schlafen würde, dann wäre es Gin möglich, sich besser darauf zu konzentrieren was zu tun war. es machte ihn nämlich leicht nervös, wenn sie wach war und mit ihm redete, sich an ihn klammerte und ihn „Gin-sama“ nannte. Es gab ihm das Gefühl als erwartete sie das Unmögliche von ihm, dass sie glaubte jemanden in ihm zu sehen, der er niemals würde sein können. Aber warum, dachte er, warum beunruhigte ihn das so sehr? Es war ja nicht so als fürchtete er sich davor nicht das erfüllen zu können was andere Menschen als sein Vorgesetzter von ihm erwarteten. Er war immer der Meinung, wenn sie ihn nicht leiden konnten, dann war das ihr Pech. Er würde sich nicht für jemand anderen ändern. „Ich glaube nicht, dass ich schlafen kann.“, antwortete Ayumi nun. Es fiel ihr immer schwer, einzuschlafen, wenn es ihr schlecht ging, aber wenn sie einfach mal anhalten würden konnte sie es versuchen. „Nun, versuch´s trotzdem“, erwiderte Gin als sie endlich das Parkhaus verließen und um die nächste Ecke bogen. Mit einem Seufzer kuschelte Ayumi sich an Wodka und versuchte einzuschlafen. Dass sich der Wagen weiter bewegte machte es nicht einfach, aber sie versuchte nicht daran zu denken. Nach einer Weile verschwamm die Umgebung zu angenehmen vagen Schemen und sie verfiel in einen dämmernden Zustand, in dem man nicht mehr sagen konnte ob man schlief oder bei Bewusstsein war. Nachdem sie mehrere Blocks hinter sich gelassen hatten, indem Gin in hohem Tempo durch die Straßen gefahren war um sicher zu gehen, dass sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Verfolgerauto gebracht hatten, parkte er schließlich auf der anderen Seite einer verlassenen Lagerhalle. Nachdenklich lehnte er sich im Sitz zurück und sah zu Wodka hinüber. „Wenigstens haben wir sie jetzt für eine Weile vom Hals, denke ich“, befand er schließlich und verengte die Augen. „Aber so kann es nicht weitergehen. Das ist lächerlich!“ Wodka konnte dazu nur nervös nicken. „Denkst du, sie waren hinter uns her oder dem Kind?“, wunderte er sich, während er einen Blick auf Ayumi warf, die nun zwischen ihnen war und wieder weiter zu Gin rüber gerückt war, ihr Kopf auf seinem Schoß. Anscheinend war sie zum Schluss doch noch eingeschlafen, und der Anblick des unschuldigen Kindes, welches auf dem Schoß des kaltherzigen Assassinen döste, gab ihm Anlass kurz innezuhalten. Als Wodka sah, dass Gin seinem Blick gefolgt war und sich auf seinem Gesicht ein Ausdruck von Verwirrung wiederspiegelte, hatte Wodka Mühe ernst zu bleiben. „Ich weiß es nicht“, knurrte der Blonde daraufhin. „Vielleicht hinter uns beiden. Ich nehme an, es war wahrscheinlich Ushio oder jemand den er angeheuert hat. Du weißt, er hasst es angelogen zu werden. Ich frage mich, wen er wohl gerade lieber in die Finger kriegen will, sie oder mich.“ Er griff nach einer Zigarette, aber bevor er eine nahm, schien er noch einmal umzudenken, als er sich daran erinnerte, dass es Aymui gestört hatte. Und so blickte er stattdessen einfach zu Wodka hinüber, nur um verärgert festzustellen, dass sein Partner sich vergeblich bemühte nicht zu Lachen. „Was?“ meinte er nur verärgert. Wodka grinste nur verschmitzt. „Ich finde es nur irgendwie lustig, Aniki“, gab er zu. „Im Moment sitzt du hier mit einem schlafenden Kind auf deinem Schoß, obwohl du eigentlich ein rücksichtloser Killer sein solltest, einer der besten der Organisation.“ Ein Knurren war von Gin zu hören, als er in seine Manteltasche griff, seine Pistole herauszog und auf Wodka richtete. „Sollte?“, wiederholte er finster. Wodka schluckte. „Ich… ich meine, du bist, natürlich“, stammelte er, während er auf den Lauf der Waffe starrte. Er dachte zwar nicht, dass Gin ihn erschießen würde, aber es macht ihn dennoch immer noch nervös, wenn die Waffe auf ihn gerichtet war und Gin ihn zugleich mit eiskalten smaragdgrünen Augen anfunkelte. Wodka wusste, dass diejenigen, auf die der blonde Assassine angesetzt worden war, immer äußerst erschrocken waren, wenn sie erfuhren, dass er es war, den man auf sie angesetzt hatte. Wodka konnte nur zu gut verstehen warum. Gin wirkte sehr einschüchternd auf andere. Manchmal fragte er sich, ob Gin sich überhaupt um ihn kümmerte oder ob es ihm wirklich nichts ausmachen würde, wenn er, Wodka, getötet werden würde. Gin war die meiste Zeit über schwer einzuschätzen. Wodka hatte gedacht, dass er seinen unangepassten Gefährten irgendwann einmal durschaut hatte, aber dann hatte der grünäugige Assassine wieder eine andere Richtung eingeschlagen und ihn überrascht. Wodka wusste, dass Gins Besessenheit die Verräterin Sherry zu beseitigen, darauf zurück zu der engen Beziehung zu führen war, die sie einmal gehabt hatten, und welche Gin nie überwunden hatte. Er liebte sie immer noch und fühlte sich von ihr betrogen. Manchmal machte Wodka sich Sorgen darüber, wie das Ende dieser Fehde wohl aussehen würde, da er oft das Gefühl hatte, dass weder Sherry noch Gin lebend aus dieser Sache herauskommen würden. Und er hoffte, dass dies nicht allzu bald geschehen würde. Gin nahm die Waffe runter und sah wieder zu Ayumi herunter. Nun, da sich die Dinge wieder beruhigt hatten, fragte er sich warum zum Henker er nichts unternommen hatte, als sie sich an ihn geklammert hatte, als er den Wagen gesteuert hatte. Es war ziemlich gefährlich, und er wusste, dass er es niemals erlaubt hätte, wenn er wirklich bewusst bemerkt hätte. Aber er war zu sehr damit beschäftigt gewesen von den Verfolgern loszukommen, um es zu registrieren, und Wodka hatte sich darauf konzentrieren müssen, das Auto im Auge zu behalten und darauf zu feuern. Sie hatten Glück gehabt, dass sie nicht getötet oder schwer verletzt worden waren. Leute wie er und Wodka gingen solche Risiken fast jeden Tag ein, aber Gin wollte nicht, dass das Kind diese einging. Sie sah so friedlich aus in diesem Moment, als wäre sie in kindliche Träume voller Unschuld und Spiele spielend vertieft. Er starrte sie einfach nur an für eine Weile, versunken in seine eigenen Gedanken über seine Vergangenheit. Sie war nicht das erste kleine Mädchen, das zu ihm aufblickte und ihn verehrte. In seinen Gedanken sah und hörte er immer noch den ernsten Rotschopf, mit dem er aufgewachsen war. Er war älter als sie und hatte immer den Drang verspürt sie beschützen zu müssen. Es hatte ihn wütend gemacht, wenn man sie drangsaliert hatte, weil sie anders war. Allein die Tatsache, dass sie anders war, hatte sein Interesse geweckt. Er nahm an, dass er sie anfangs als kleine Schwester gesehen hatte. Aber sie waren in keinster Weise blutsverwandt, und als sie älter geworden war hatten sich seine Gefühle für sie verändert. Aber im Moment wollte er nicht daran denken. Während er das schlafende Kind betrachtete, erinnerte er an die Zeit als der Rotschopf gerade mal sechs Jahre alt war, und er vierzehn. Es war gegen Ende ihrer ersten Schulwoche an der Grundschule gewesen, und sie hasste die Schule bereits. Er war gekommen um sie nach der Schule abzuholen. Er hatte am Tor gewartet und beobachtete die herausströmende Schülerschar. Sie war unter den letzten, die das Schulgebäude verließen, langsam spazierend als ob sie entweder tief in Gedanken versunken oder deprimiert war, oder beides. Er rief ihr zu und sie blickte auf, ein Ausdruck der Erleichterung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie ihn erkannte. Sofort rannte sie zu ihm, erpicht darauf bei jemandem zu sein, der sich um sie sorgte. „Schon wieder ein schlechter Tag?“ fragte er, als sie das Schulgelände verließen. Sie nickte. Beide galten als ruhige Personen, und sie redeten auch nicht notwendigerweise viel miteinander, aber sie standen sich sehr nahe und genossen die Präsenz des jeweils anderen. „Warum werden wir hier nicht gemocht?“ fragte sie schließlich und sah ihn mit traurigen blauen Augen an. „Wir sind doch keine schlechten Menschen, oder?“ Er blinzelte kurz überrascht, obwohl er eigentlich erwartet hatte, dass sie so etwas in der Art irgendwann einmal fragen würde. Seine Gesichtszüge verfinsterten sich, als er es ihr erklärte. „Wir sind keine schlechten Menschen, Shiho“, antwortete er. „Sie hassen uns, weil wir nicht so sind wie sie. Wir sehen anders aus. Wir haben andere Sitten gelernt. Wir interessieren uns nicht für dieselben Dinge wie sie. Wir werden immer Außenseiter für sie sein.“ Er strich sich einige seiner Strähnen aus dem Gesicht. Selbst als Teenager hatte er es vorgezogen seine Haare lang zu tragen, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt nur ein paar Zentimeter über seine Schulter reichten und er sie normalerweise nach hinten gebunden hatte. Sie schmollte und starrte auf den Gehweg. „Das ist nicht fair.“, meinte sie leise. „Wir sind immer noch Menschen genau wie sie.“ Er schaute nach vorne, wo sie sich langsam einem Zebrastreifen näherten. „Es ist so wie es ist.“ antwortete er einfach. „Aber wir brauchen sie nicht. Jeder, der dich grundlos abweist ohne dich jemals richtig kennen zu lernen, ist es nicht wert, dass man sich darüber Gedanken macht.“ Sie sprachen auf Japanisch, wie sie es immer taten, wenn sie außerhalb der Schule waren. Sie bevorzugten es auf diese Weise, denn somit konnten ihre Gespräche nicht so einfach belauscht und verstanden werden. Sie für einen langen Moment still, als sie die Straße überquerten. „Dann… schätze ich mal, dass fast keiner es wert ist“, bemerkte sie daraufhin, während sie einem Riss auf der Straße auswich. Dieser war schon seit Monaten dort, und niemand hatte sich bis jetzt darum bemüht ihn zu entfernen. Sie hatte sich daran gewöhnt, ihn an jedem Wochentag zu sehen. Es war eine Unterbrechung der sonst so glatten Oberfläche, aber niemand störte sich daran. Wie sehr, dachte sie, glich es ihr und ihm in ihren Schulen. Sie waren da, aber unbemerkt und unbeachtet, nichts weiter als ein Ärgernis, genau wie dieser Riss. Oder, wenn sie wollte, so mutmaßte sie, konnte sie den Riss als die unerwünschten Leute sehen. Das Problem war jedoch, dass es sie eben doch kümmerte nicht akzeptiert zu werden. Ihm schien es gleichgültig zu sein, dass er nie beliebt sein würde, aber ihr war es nicht egal. Sie war immer noch zu jung, und sie war in einem Alter, wo sie diese Tatsache noch nicht akzeptiert hatte. Sie wollte von den anderen in der Schule und in der Nachbarschaft gemocht werden. Er knurrte. „Du begreifst schnell.“ Aber es machte ihn wütend, dass sie es erfahren musste. Ihre Kindheit war nicht normal und er fragte sich, ob sie jemals glücklich war. Manchmal ärgerte er sich darüber, dass sie beide hierher gebracht worden waren. Er hatte die meiste Zeit seines jungen Lebens in Japan verbracht, aber ein Jahr bevor sie bei ihm und ihrem Mentor zurückgelassen worden war, waren sie zurück in die USA umgezogen. Er vermutete, dass er eigentlich an gar keinen von beiden Orten passte; er war weder in Japan noch in den USA geboren, und er war sich sicher, dass man oft in beiden Ländern auf ihn herabblickte. Aber er hatte gelernt, damit umzugehen und sich nichts daraus zu machen was andere über ihn dachten. Er lebte seine Leben wie dachte, dass es ihm passte, und das war alles was ihn kümmerte. Dennoch hatte er sich gewünscht, dass sie ein besseres Leben als er führen würde. Ihre Schwester hatte es auch so gewollt. Sie hatte es mit ihm besprochen, als sie gehört hatte, dass Shiho nach Amerika geschickt werden würde um bei ihm zu leben. „Ich frage mich, ob wir in Japan glücklicher wären.“, sagte sie leise. „Es hört sich nach einem großartigen Ort an…“ Er zuckte nur mit den Schultern. „In einigen Dingen würden wir dort besser hin passen“, gab er zu. „Aber in anderen Dingen wäre es wohl dasselbe, oder sogar schlimmer.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Aber… wo gehören wir dann hin?“, flüsterte sie, verloren klingend. „Menschen wie wir… gehören nirgendwo hin“, antwortete er. Vielleicht, dachte er zurückblickend, war es ein zu deprimierendes Thema gewesen, das ihr in so jungem Alter erklärt worden war, aber andererseits hatte sie es ja schon von anderen mitbekommen. Wenn sie die Kindheit gehabt hätte, die er und Akemi für sie gewollt hatten, dann hätte er nicht diese Worte zu ihr sagen müssen. Stattdessen hätte er ihr ihre kindliche Naivität gelassen solange wie sie gedauert hätte. Nun hatte sie aufgehört weiter zu gehen und schaute ihn einfach nur an, und versuchte zu verdauen, was er gesagt hatte. Er hielt ebenfalls an und betrachtete sie, und sah die Emotionen, die sich in ihren Augen widerspiegelten – Fassungslosigkeit, Schock, Traurigkeit, und dann Verständnis und Resignation. Sie wusste, dass es wahr war, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte. Aber dann schien ihr etwas anderes einzufallen, und eine neue Entschlossenheit leuchtete in ihren blauen Augen auf. Langsam bewegte sie sich vorwärts und sah zu ihm auf, und in diesem Blick sah er keine sechsjährige mehr, sondern jemand viel älteren. „Ich glaube nicht, dass das wahr ist“, meinte sie leise und griff nach seiner Hand. Er sah sie überrascht an, als sie seine Hand nahm. „Menschen wie wir… gehören zusammen.“ Ein sanftes Lächeln erschien daraufhin auf ihren Lippen, als hätte sie eben herausgefunden, dass sie die Lösung für dieses Dilemma entdeckt hatte und zufrieden mit ihrer Schlussfolgerung war. Und höchstwahrscheinlich war sie es, dachte er. Er schenkte ihr einen sanften Blick, auch wenn er nicht zurücklächelte. Vielleicht, so dachte er, lag sie ja richtig. Gin fuhr aus seinen Gedanken zurück in die Realität, als Ayumi sich bewegte. Er konzentrierte seinen Blick auf sie und realisierte mit einem Mal, dass er sie einfach nur angestarrt hatte ohne sie wirklich zu sehen. Auch fiel ihm plötzlich auf, dass er irgendwann seine Hand auf ihren Kopf gelegt haben musste, während er in Gedanken versunken gewesen war. Seufzend zog er die Hand zurück und sah zu Wodka hinüber, wahrscheinlich hatte er seine Freude an dieser Szene. Aber der andere Agent sah er so aus als wäre er im Halbschlaf, obwohl er verzweifelt versuchte wach zu bleiben. Gin lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Sich hinlegen und die Augen schließen hörte sich zwar nach keiner schlechten Idee an, aber er wusste, dass es nicht sicher wäre, wenn beide zur selben Zeit schlafen würden. Einer musste Wache schieben. Und da Wodka bereits auf halbem Weg ins Traumland war, entschied Gin, dass es sinnlos wäre ihn die erste Wache schieben zu lassen. Er fragte sich, was um Himmels willen sollten sie mit dem Kind machen. Im Moment schien es zu gefährlich etwas zu unternehmen solange sie nicht wussten wer hinter ihnen her gewesen war und warum. Diese Tatsache ärgerte ihn gewaltig. Ihm gefiel es nicht, wie sie ihn unwissend dazu brachte sich wieder an vergangenen Zeiten zu erinnern, Zeiten die für immer vorbei waren. Er war nicht länger der Teenager, mit dem Shiho an diesem Herbsttag zusammen gewesen war, und sie war nicht mehr dasselbe Mädchen von damals. Sie waren erwachsen geworden, hatten sich voneinander entfernt, zum Guten oder zum Schlechten. Er wurde abrupt aus seiner erneuten Tagträumerei gerissen, als Wodkas Handy klingelte, welches auch ihn aus seinem Schlummer holte. Er suchte das Gerät hervor, öffnete es und murmelte so etwas wie ein „Hallo“. Gin blickte darauf zu Ayumi hinunter und stellte fest, dass sie immer noch schlief. Er schüttelte den Kopf. Es schien, dass sie bei fast allem, was um sie herum geschah, schlafen konnte. Der Anruf dauerte nicht lange. Nach kurzer Zeit nahm Wodka das Handy wieder vom Ohr weg und starrte es an als wären dem Gerät Hörner gewachsen. Gin sah es und blickte ihn fragend an. „Was ist?“, verlangte er zu wissen. Wodka warf ihm einen grimmigen Blick zu. „Es war Ushio“, erklärte er ihm. „Er sagt, er weiß, dass wir das Mädchen haben.“ Kapitel 4: More Disappearances - Weitere Vermisste -------------------------------------------------- Gin war äußerst verärgert über Wodkas Aussage, auch wenn er sie erwartet hatte. „Und er hat dich angerufen, um damit anzugeben?“, knurrte er. „Oder hat er etwa gedacht, dass uns diese Neuigkeit schockieren würde?“ Ushio war ziemlich eingebildet, und Gin hatte das Gefühl, dass dieser Kahlkopf sich wirklich für jemanden hielt, der mächtig genug war ihnen ordentlich Schwierigkeiten zu bereiten. Gin stimmte dem jedoch nicht zu. Er könnte ohne viel Anstrengung Ushio einfach töten, wenn dieser nicht als Informant gebraucht werden würde. „Ich denke beides“, gab Wodka zu und seufzte. „Er hat gesagt, dass er dich dafür bezahlen lassen wird, dass du ihn wegen dem Kind angelogen hast und dass er mit Sicherheit herausfinden wird, was du eigentlich mit ihr vorhattest… bevor er dich umbringt.“ Er war sich zwar sicher, dass Gin diesen Verrückten leicht überwältigen konnte, wenn er eine faire Chance dazu bekommen würde – aber er bezweifelte, dass Gin solch eine bekommen würde. Leute wie Ushio spielten nie fair. „Heh. Da wird er sich dann auf eine lange Wartezeit einstellen müssen“, antwortete Gin. Er sagte nicht warum, aber es gab zwei gute Gründe dafür. Erstens, da er Ushio niemals etwas geben würde, das dieser wollte, wenn es sich irgendwie vermeiden ließe. Und zweitens wusste nicht einmal er selbst, was er eigentlich mit Ayumi vorhatte. „Weiß er, wo wir sind?“, war nun seine nächste Frage. „Anscheinend nicht“, gab Wodka zu, „aber er hat gesagt, dass er uns finden wird. Und bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er schon aufgelegt.“ Nun zögerte er, und Gin bemerkte es sofort. „Was hat er sonst noch gesagt?“, wollte der blonde Assassine wissen, während er sich gegen das Lenkrad lehnte. Wodka wusste, dass es nichts brachte, zu versuchen etwas vor ihm zu verbergen. „Er sagte auch, bevor er dich umbringen würde, wollte er dich noch in Schwierigkeiten mit unserem Boss bringen, weil du ihn nicht mit dem Respekt behandelt hast, der er verdient“, berichtete er und blickte seinen Partner besorgt an. „Aniki, er ist verrückt! Ich glaube, er kann uns wirklich in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, wenn wir das Kind weiter bei uns behalten…“ Gin knurrte. „Es ist offensichtlich, dass er verrückt ist“, erwiderte er. „Jeder könnte das bestätigen, auch unser Boss. Ich hab mir schon länger überlegt, dass es an der Zeit ist, Ushio als Informanten loszuwerden. Es gibt noch genügend andere, die uns dieselben Informationen geben könnten, und zwar ohne so etwas niederträchtigem nachzugehen, wie er es tut.“ „Ja… aber würde Anokata einverstanden sein?“, fragte Wodka nervös. „Ich denke, das werden wir bald herausfinden. Ich werde jedenfalls nicht Ushios Wünschen entgegenkommen.“ Und damit hob er die schlafende Ayumi hoch und übergab sie dem immer noch verunsichert wirkenden Wodka. „Du passt auf sie auf“, befahl er, als er den Motor startete und rückwärts aus ihrem derzeitigen Versteck fuhr. Er würde nicht darauf ankommen lassen, dass Ushio nicht wusste, wo sie waren. Es war Zeit zu verschwinden. Jetzt müsste er nur noch herausfinden, wohin sie sich überhaupt wenden sollten… Wodka starrte eine lange Zeit einfach nur verwirrt das Kind an und versuchte zu ergründen, was genau er eigentlich mit ihr machen sollte. Letzen Endes legte er sie auf seinen Schoß und beobachtete, wie sie sich an ihn schmiegte. Die Tatsache, dass sie in Gegenwart zweier Assassinen so gelassen sein konnte, erstaunte ihn. Sie hatte mit Sicherheit Ushios Bemerkung gehört, dass Gin bereits Leute umgebracht hatte, aber entweder hatte ihr Verstand das noch nicht zur Gänze realisiert oder es war ihr egal, da er sie beschützt hatte. Er schaute wieder zu Gin rüber, der sich gerade eine Zigarette anzündete, jedoch das Fenster teilweise offen ließ, damit der Rauch sich nicht im Auto ausbreitete. Wieder zögerte, bevor er sprach. „Aniki… sorgst du dich um das Kind?“, fragte er schließlich, auch wenn er wusste, dass er bei dieser Frage etwas riskierte. „Ich meine… Ich weiß, du willst nicht, dass Ushio sie in die Finger bekommt, aber ist es nur deswegen, weil du dich ihm widersetzen willst und du nicht möchtest, dass er bekommt was er möchte, oder willst du sie wirklich beschützen, weil… nun ja, weil du sie magst oder irgendwie sowas?“ Gin antwortete lange nicht. Stattdessen starrte er auf die Straße vor sich, und Wodka wunderte sich schon, ob er überhaupt gehört worden war. Aber schließlich sprach der Blonde. „Glaubst du, dass ich überhaupt imstande bin, fürsorglich zu sein oder jemanden zu mögen?“, erwiderte er. Wodka zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass du gesagt hast, dass sie dich an jemanden erinnert“, meinte er langsam, „aber das heißt nicht zwangsläufig, dass du dich wirklich um sie sorgst… man könnte auch einfach nur darauf schließen, dass du eine Art Verpflichtung gegenüber ihr hast… oder vielleicht siehst du nicht wirklich sie, wenn du sie ansiehst… vielleicht siehst du stattdessen eher diese andere Person…“ Gin schnaubte. „Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du Psychologe werden solltest?“, murmelte er, während er auf die Schnellstraße zufuhr. Wodka seufzte und senkte den Blick, er war sich nicht sicher, ob er diesen Kommentar als positiv oder negativ auffassen sollte. „Nein, nicht wirklich“, antwortete er daraufhin verlegen und erkannte, dass er wohl keine weiteren Antworten erhalten würde. Andererseits, so dachte er nach einem Moment des Überlegens, vielleicht konnte Gin ihm keine Antwort geben, weil er diese selbst nicht wusste. ~ Als Conan und Ai zur Tür hinaus rannten, um mit der Suche nach Ayumi zu beginnen, trafen sie auf eine besorgte Nachbarin, die sich fragte, was passiert war. Nachdem sie ihr erklärt hatten, was vorgefallen war, wirkte sie auf einmal erschrocken und sah aus, als ob sie etwas unglaublich schreckliches getan hatte. „Oh!“, keuchte sie, als sie ihr von Ayumis Verschwinden erzählten und ihr sagten, dass sie sie dringend finden mussten. „Seid ihr sicher? Ich… Ich dachte, er war ein Mechaniker, wie er gesagt hatte! Aber er ist in Wirklichkeit ein herzloser Entführer? Oh! Das ist furchtbar…“ Und sie packte das Geländer ihrer Veranda so fest bis ihre Knöchel weiß hervorstanden. Conan runzelte die Stirn. „Yomada-san, wollen Sie damit sagen, dass sie ein Mann angesprochen hat und ihnen gesagt hat, er wäre der Mechaniker, den die Yoshidas gerufen hätten?“, fragte er besorgt. Die ältere Frau nickte. „Ja, das ist richtig“, antwortete sie. „Ich habe im Garten gearbeitet, und als ich gesehen hab, dass er verwirrt schien, hab ich ihn gefragt, ob ich ihm helfen könnte. Und dann hat er mir erzählt, dass er der Fernsehtechniker sei, den die Yoshidas herbestellt hätten, und so hab ich ihn zur gegenüberliegenden Straße hingewiesen!“ Sie ließ sich nicht beruhigen. „Oh, wenn der Kleinen irgendetwas passiert ist wegen mir, werde ich mir das nie verzeihen!“, klagte sie. „Sie können uns helfen, Yomada-san“, antwortete Conan. „Und Ayumi. Wie hat der Mann ausgesehen?“ Sie blickte zum Himmel, als sie versuchte sich zu erinnern. „Er war jung“, sagte sie langsam. „Breit gebaut, und er hatte kurze blonde Haare, die fast weiß waren. Er hatte einen Overall und eine Baseballmütze an und er hat eine Brille getragen.“ Ai schrieb alles auf, während Conan weiter mit ihr sprach. „Erinnern Sie sich an irgendwelche Besonderheiten, die er gehabt haben könnte?“, wollte er wissen. „Ein Tattoo, ein Muttermal, oder irgendeine Gehbehinderung?“ Er war nun in seinem vollen Element als Detektiv, aber Frau Yomada war viel zu aufgewühlt wegen der Sache, als dass sie auf das seltsame Verhalten eines sechsjährigen achtete, der versuchte einen ernsten Fall zu lösen. Sie wusste, dass Conan einer von Ayumis Freunden war, und natürlich wollte er jede Informationen sammeln, um ihr helfen zu können. „Er hatte ein Tattoo“, grübelte sie nun, „auf seinem rechten Handrücken. Ich erinnere mich, weil er rüber kam und die Hand auf das Geländer der Veranda gelegt hat, während wir uns unterhielten. Es sah aus, wie das Symbol einer Schlange die ihren eigenen Schwanz aufisst. Wie heißt das nochmal?“, stirnrunzelnd dachte sie nach. „Der Ouroborus*“, half Ai ruhig nach und ihre Augen verengten sich. „Oh ja!“, Frau Yomada nickte und sah Conan besorgt an. „Wird das denn irgendwie weiterhelfen?“, fragte sie. Conan nickte. „Das wird es definitiv, Yomada-san“, antwortete er. Der nächste Schritt wäre nun, die Bücher und Unterlagen seines Vaters zu durchstöbern, um nach einem Eintrag einer solchen Person zu suchen. Sicherlich würde das Tattoo helfen, die Suche einzugrenzen. „Nur noch eine Sache“, meinte er nun. „Hat er seinen Namen genannt?“ Selbstverständlich würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Pseudonym sein, aber vorsichtshalber konnte er da auch noch nachhaken. Sein Vater hatte eine ziemlich große Liste an Pseudonymen von Verbrechern und wer sie benutzt hatte. Wieder versuchte sie sich zu erinnern. „Es könnte fast sein, dass er das getan hat“, antwortete sie, und dann leuchteten ihre Augen auf, als es ihr wieder einfiel. „Oh ja! Er sagte er hieße Herr Thomas Minekura“, berichtete sie. Conan und Ai dankten ihr für die Auskunft und verabschiedeten sich schnell. „Wir müssen herausfinden, ob mein Vater irgendwelche Aufzeichnungen über diesen Typen hat“, meinte Conan grimmig zu Ai, nachdem sie die Informationen der Polizei weitergereicht hatten. „Er kommt mir irgendwie bekannt vor, also muss ich schon mal etwas über ihn in den Einträgen gelesen haben!“ „Vielleicht“ Ai sah ihn besorgt an, als sie die Straße hinunter rannten. „Aber Kudo… mir kommt er auch bekannt vor.“ Conan stoppte und wandte sich zu ihr, um sie verblüfft anzusehen. „Er kommt dir bekannt vor?“, keuchte er. „Woher solltest du ihn denn kennen?“ Schließlich kam ihm ein beunruhigender Gedanke. „Du denkst doch nicht etwa, dass für die Organisation arbeitet, oder?“, rief er. Ai schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher“, gab sie zu, „aber ich glaube nicht, dass er dazugehört.“ Sie verengte die Augen. „Aber ich verstehe nicht, woher ich mich an ihn erinnern würde.“ Conan ergriff ihre Hand und zog sie mit, die Straße entlang. „Also, beeilen wir uns, damit wir zu meinem alten Zuhause kommen und ein paar Antworten finden!“ rief er. „Währenddessen werde ich Professor Agasa anrufen und ihn eine Suche per Computer machen lassen!“ Ai protestierte nicht, aber sie fragte sich, ob ihnen die Sache nicht über den Kopf wachsen würde. ~ Genta und Mitsuhiko hatten in der ganzen Stadt nach Ayumi gesucht. Sie waren in der Mouri Detektivagentur gewesen, im Geschäftsviertel, und bei Ayumis Haus – wo sie von dem Einbruch erfahren hatten. Jetzt, mit erneuter Entschlossenheit, führten sie ihre Suche fort und versuchten herauszufinden, welche anderen Orte Ayumi noch besucht haben könnte – vorausgesetzt, dass der Verbrecher sie nicht erwischt hatte. „Es ist hoffnungslos!“ rief Genta aber frustriert, nachdem sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit unterwegs zu sein schienen. Er schlug verzweifelt die Hände über den Kopf. Es sah so aus, als ob sie sie nie finden würden! „Wir können nicht aufhören zu suchen!“, stellte Mitsuhiko klar. „Für jedes Problem gibt es eine Lösung und wir werden auch für das hier eine finden.“ Daraufhin runzelte er bedächtig die Stirn. „Kann es sein, dass dieses Auto da hinten uns schon seit einiger Zeit verfolgt?“ Er blickte zurück zu dem Chevrolet als dieser sich auffällig langsam fortbewegte und schließlich direkt hinter ihnen am Bordstein parkte. Genta schaute ebenfalls zurück. „Hey, genau genommen hab ich es schon seit einigen Häuserblocks beobachtet“, stimmte er zu. „Was sollen wir machen?“ Ehe Mitsuhiko antworten konnte, öffnete sich die Tür des Wagens und ein hoch gewachsener Mann mit weißblonden Haaren stieg aus. „Hallo Jungs“, sagte er in einem ausreichend freundlichen Ton, dennoch waren seine Augen hart und kalt. „Ich frage mich, ob ihr mir bei etwas helfen könntet.“ Sofort waren beide auf der Hut. „Was wollen Sie, Sir?“, fragte Mitsuhiko. Der Mann näherte sich ihnen, und sie konnten sehen, dass er ein Bild vor sich hielt. „Ich hab mich gefragt, ob ihr dieses Mädchen irgendwo gesehen habt? Sie wird vermisst und ich hab mich an der Suche nach ihr beteiligt“ Als er neben ihnen zum Stehen kam, starrten sie ihn ungläubig an. Er hatte ein Bild von Ayumi in der Hand! „Hey!“, rief Genta. „Woher haben Sie das Bild? Es sieht genauso aus wie das, was aus dem Haus der Yoshidas gestohlen wurde“ Er runzelte argwöhnisch die Stirn. „Das stimmt!“, fügte Mitsuhiko hinzu. „Sind Sie derjenige, der es gestohlen hat?“ Das Lächeln des Blonden verhärtete sich. „Nun, ich sehe, dass ich es nicht mit Anfängern zu tun habe“, bemerkte er. Mit seiner freien Hand zog er eine Pistole und richtete sie auf die beiden Jungen. „Ich weiß, dass ihr Freunde von ihr seid. Ab ins Auto mit euch, sofort.“ Genta schluckte. „Was machen wir jetzt?“, fragte er in leisem Ton. Mitsuhiko schaute ihn hilflos an. „Wir müssen versuchen zu fliehen!“, antwortete er, denn er wusste, wenn sie in das Auto stiegen, würden sie niemals fliehen können. „Oh, ihr werdet nicht die Chance dazu bekommen.“ Ein anderer Mann tauchte auf der Beifahrerseite auf, und obwohl die Jungen verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit suchten, wurden sie rasch umzingelt und überwältigt. Bevor sie richtig wussten, was passiert war, wurden sie geknebelt und gefesselt auf die Rücksitze des Autos verfrachtet und waren nun bildlich gesprochen auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Die Gesprächsfetzen, die sie von vorne mitbekamen, klangen nicht sehr beruhigend. „Warum haben wir diese Bengel mitgenommen?“, knurrte der zweite Mann verärgert. Der erste seufzte laut, als wäre er genervt von der Frage. „Weil sie geschnallt haben, dass ich es gewesen sein muss, der in das Haus der Yoshidas eingebrochen ist“, antwortete er. „Ich konnte nicht zulassen, dass sie zurückgehen und den Bullen davon erzählen. Ushio hat von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Gin ihn angelogen hat, und als er das Mädchen vor ein paar Tagen gesehen hat, wie sie die Schule verlassen hat, hatte er seine Bestätigung. Er mochte das Kind, und er wollte sie haben, also hat er ein paar Recherchen unternommen, sie verfolgt und mich schließlich in das Haus einbrechen lassen, um sie mitzunehmen. Sie war nicht da, also hab ich das Bild mitgenommen, damit ich sie sofort erkennen kann, wenn ich sie sehe. Er hat auch ihre Freunde erwähnt.“ Es gab ein kurzes Schweigen. „Fühlst du dich nicht manchmal furchtbar, dass du für so einen Widerling arbeitest? Du weißt, was er mit Kindern wie diesen hier macht.“ „Kinder sind nur nervige Bälger. Es geht mich nichts an, was mit ihnen geschieht, solange ich meinen monatlichen Lohn bekomme.“ Genta und Mitsuhiko tauschten verängstigte Blicke. Sie wussten nicht wohin es ging, aber es war offensichtlich, dass diese Leute rücksichtslos waren. Wenn sie keine Fluchtmöglichkeit fanden, wer wusste was dann passieren würde. Aber sie hatten immer noch ihre Detektivabzeichen mit dem Peilsender, somit hatten sie immer noch die Hoffnung, dass Conan sie aufspüren würde, wenn sie nicht entkommen konnten. ~ Mithilfe von Professor Agasa schafften Conan und Ai es, die Liste der Verdächtigen auf zwei zu reduzieren – einen, der wirklich Thomas hieß und einen anderen, der nur als Cobra bekannt war. Es gab keine eindeutigen Bilder von ihnen, und beide hatten ein Ouroborossymbol als Tattoo. „Der mit dem Namen Thomas ist wahrscheinlicher“, meinte Ai, als sie vom Computer aufschaute. „Cobra ist in diesen Teilen Japans schon seit einigen Jahren nicht mehr gewesen, aber Thomas lebt eher in unserer Nähe.“ „Lass uns trotzdem beide Strafregister durchsehen“, ordnete Conan an. Thomas schien nur sehr wenige Verbrechen begangen zu haben – und nichts besonders erwähnenswertes. Aber in Cobras Strafregister fand Ai etwas, das sie beunruhigte, nämlich, dass die Polizei glaubte, er arbeite für einen Mann namens Yusuke Ushio, aber es keine Beweise dafür gäbe. Ihre Augen verengten sich und sie packte die Maus fester. Conan sah besorgt zu ihr herüber. „Was gibt´s, Haibara?“, wollte er wissen. Ai hob ihren Blick und sah ihn mit einem sehr ernsten und finsteren Ausdruck an. „Ich erinnere mich an diesen Ushio“, meinte sie düster, als sie auf seinen Namen auf dem Bildschirm deutete. „Er ist ein Informant der Organisation. Und Kudo, er ist ein sehr gefährlicher Mann – ein Pädophiler.“ Wütend stand sie auf. „Warum bin ich nicht schon früher drauf gekommen? Ich wäre nicht einmal überrascht, wenn er es ist, der für die derzeitigen Morde und Entführungen verantwortlich ist. Er könnte es auch gewesen sein, den Ayumi gesehen hat!“ Conan war schlagartig ebenfalls beunruhigt. „Demnach wäre also unser Hauptverdächtiger Cobra“, schloss Conan, während er die Fäuste ballte. „Dennoch sollten wir Thomas noch nicht ausschließen, aber dieser Teil mit Ushio ist etwas, das wir sofort durchsuchen sollten. Wenn er hinter Ayumi her ist, schwebt sie in großer Gefahr!“ Dann dachte er noch an etwas anderes. „Haibara, welche Art von Beziehungen hat er mit den Mitgliedern der Organisation?“ Ai sammelte das Material, das sie eben gedruckt hatte, ein. „Ich hab ihn nur einmal gesehen, wie er mit Gin gesprochen hat“, gab sie zu. „Gin hat ihn gehasst. Er hat mir einmal erzählt, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Ushio schon vor Jahren getötet. Dann hat er erwähnt, dass er schon mal so jemanden wie Ushio umgebracht hat, einmal, aber er hat mir nichts weiter davon gesagt.“ Conan nickte langsam, diese Information überraschte ihn. Er wusste, dass Ai eine Art Beziehung mit Gin geführt hatte, die sie ihm nie ganz offenbart hatte, und er respektierte es, auch wenn er sich immer noch darüber wunderte. Und er war sich nicht sicher, warum es ihn so überraschte, dass Gin jemanden wie Ushio so sehr hassen konnte. Vielleicht weil Conan davon ausgegangen war, dass Gin ganz und gar kaltherzig war und er sich nicht um solche Schlechtigkeiten scherte, die es um ihn herum gab. In diesem Moment kam Professor Agasa mit einigen weiteren Unterlagen zurück in den Raum. „Ich hab ein paar mehr Möglichkeiten gefunden“, meldete er, und bemerkte erst jetzt Ais und Conans finstere Mienen. „Stimmt etwas nicht?“, fragte er. „Habt ihr was herausgefunden?“ Rasch informierten sie ihn über das, was sie gefunden und welche Schlüsse sie daraus gezogen hatten, und auch der Professor war auf einmal tief besorgt. „Weiß die Polizei davon?“, erkundigte er sich besorgt, denn er wusste, dass dies eine sehr gefährliche Angelegenheit war – und noch mehr wenn ihre Vermutungen über Ushio wahr waren. „Wir haben ihnen die Beschreibung von dem Techniker, die uns Yomada-san gegeben hat, zukommen lassen, und wahrscheinlich werden sie die mit Cobra übereinstimmen können, schlussendlich“, meinte Ai langsam. „Aber wir sollten dafür sorgen, dass sie es sofort erfahren. Wir brauchen jede Person, die uns zur Verfügung steht, um nach Ayumi zu suchen. Wenn dieser Mann sie in die Finger kriegt, nicht auszudenken, was mit ihr geschehen würde.“ Sie fragte sich, warum sich im Stillen darüber nachdachte, ob Gin nach all den Jahren wohl immer noch dieselbe Abneigung gegen Ushio hegte. Er hatte sich über die Jahre so sehr verändert, dass sie sich leicht vorstellen konnte, dass ihn Ushios Taten nicht mehr kümmern würden. Conan nickte. „Ich werde ihnen sofort Bescheid geben“, sagte er, und war gerade dabei genau das zu tun, als Professor Agasa plötzlich etwas anderes auffiel. „Wo sind Genta und Mitsuhiko?“, fragte er. „Wissen sie, was mit Ayumi passiert ist?“ Ai runzelte die Stirn. „Ich hab sie nicht gesehen, seit die Schule aus ist“, kam es nachdenklich von ihr. Conan runzelte ebenfalls die Stirn. „Das ist nicht gut. Ich frage mich, wo sie sind.“ Er beschloss das herauszufinden und versuchte über ihre Abzeichen ihre Spur ausfindig zu machen. Er hoffte, dass sie sie derzeit bei sich trugen. Als er es versuchte, blinzelte er auf einmal verwirrt. „Es scheint, dass sie sich auf der Schnellstraße entlang bewegen“, entfuhr es ihm, während er sie auf dem Radarschirm seiner Brille betrachtete. „Sie sind in einem Auto?“ Ai fand es seltsam. „Wir sollten versuchen sie zu finden. Sie könnten ebenfalls in Schwierigkeiten stecken.“ „Wir können die Polizei unterwegs anrufen!“, stellte Conan fest, während er zur Tür rannte. „Kommen Sie schon, Professor Agasa!“ Er konnte die anderen beiden hinter sich her rennen hören, bis er schließlich draußen bei dem gelben Volkswagen Käfer angelangt war. Er hoffte, dass sie nicht zu spät kamen, um sie zu retten. Das durfte nicht passieren. Er würde gewährleisten, dass jeder von ihnen in Sicherheit war und außer Reichweite vor diesem entsetzlichen Yusuke Ushio. ~ Er war seit über zehn Jahren nicht mehr in Japan gewesen, doch als er zurückkehrte, schien sich nicht viel geändert zu haben. Es gab mehr Häuser, mehr Verkehr und mehr Technik, aber das Gefühl, das dieses Land vermittelte, hatte sich nicht verändert. Die Menschen waren immer noch größtenteils dieselben, und so war es auch bei der Organisation, welche schon seit vielen Jahren auf der ganzen Welt im Geheimen operierte. Wie lange genau wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht. Alles, um was er sich sorgte war das Hier und Jetzt, und was er hier auszuführen hatte. Akemi war bekümmert, als sie erfuhr, dass er zurückkehrte. Sie wusste, was es bedeutete, und sie hatte schon viele nette junge Männer getroffen, die durch die hinterlistigen Trainingsmethoden der Organisation zu rücksichtslosen Assassinen geworden waren. Sie wollte nicht erleben, dass er genauso endete. Sie betrachtete ihn als Bruder. So ging sie in der ersten Nacht, in der er zurück war, zu ihm. Sie war nur zwei Jahre jünger als er, und während er als Kind in Japan gelebt hatte, war sie oft mit ihm zusammen gewesen. Es war seltsam, dachte sie, dass er es war, der auf ihre Schwester aufpasste, wenn er in Amerika war. Oder vielleicht war es doch nicht so seltsam. Möglicherweise hatten die höher gestellten Mitglieder es so gewollt, dass sie zusammen aufwuchsen, aus welchem Grund auch immer. Sie fragte sich, was wohl der Grund dafür war, und kam zu dem Schluss, dass es kein guter sein konnte. Als er die Tür zu seiner Unterkunft geöffnet hatte, war sie überrascht zu sehen wie sehr er sich äußerlich verändert hatte. Er war nicht länger dieses dünne düster dreinblickende Kind, welches sie in mehr als nur ein paar geringe Schwierigkeiten gebracht hatte, sondern er war hochgewachsen und gut aussehend, seine grünen Augen ließen die Bitterkeit erkennen, die er gegenüber dem Leben verspürte. Seine wirren blonden Strähnen überschatteten diese stechenden Augen größtenteils, dennoch sah sie sie immer noch durchscheinen, wie scharfgeschliffene tödliche Smaragde. Sie stand eine kurze Zeit lang einfach nur da und starrte ihn an, bevor sie die Arme um seinen Hals legte und ihn zu sich zog, um ihn zu umarmen,. „Ich wünschte, du wärst nicht zurück gekommen“, flüsterte sie, und er wusste, was sie meinte. Er ließ zu, dass sie ihn für einen Moment lang umarmte, ehe er ihre Arme packte und sie von sich wegschob, während er einen Schritt zurück machte, um sie zu mustern. Einen Finger unter ihr Kinn gelegt hob er Ihr Gesicht, sodass er in ihre dunklen tiefgründigen Augen sehen konnte. „Ich bin hier um das zu tun, was sie von mir erwarten“ antwortete er ruhig, und aus seinem Ton konnte sie heraushören, dass er genauso sehr hasste, wie sie es tat. Sie strich die Strähnen, die seine Augen bedeckten beiseite. „Oh, wann hast jemals das getan, was man von dir erwartet hat?“, murmelte sie mit einem schiefen Grinsen auf ihren Lippen. Sie hatte es nur halb spöttisch gemeint, denn sie erinnerte sich, dass er sich eigentlich schon immer den Regeln und Vorschriften widersetzt hatte. Als Junge war er ein ziemlicher Unruhestifter gewesen. Er knurrte nur und wandte sich halb von ihr ab, während er zurück in sein Zimmer ging und ihr schweigend zu verstehen gab, dass sie bleiben konnte, wenn sie wollte. Sein langes Haar, das seinen Rücken hinab fiel, wehte leicht hinter ihm her. „Du hast dich kaum verändert“, meinte er dann, und blickte zurück. Er wollte nicht darüber reden, warum er hier war. Schließlich hatte er schon den ganzen Flug von Amerika aus darüber nachgedacht. Im Moment wollte er einfach nur vergessen, auch wenn er wusste, dass es unmöglich war. Sie lachte leise, während sie die Enden seiner Haare aufnahm. „Du hast dich auch kaum verändert“, bemerkte sie. „Du widersetzt dich immer noch den Regeln. Schau dir diese Haare an!“ Sie schüttelte sie leicht, ehe sie sie los ließ und sich ihm gegenüber stellte. „Wie geht´s Shiho?“, fragte sie nun. Ihre kleine Schwester hatte sie schon seit Jahren nicht mehr persönlich getroffen. Sie hatten sich Briefe geschickt, und sie hatten so oft es ging immer miteinander telefoniert, und das war mit Sicherheit besser als gar nicht, aber dennoch sehnte sie sich danach ihre Schwester zu sehen, sie in den Armen zu halten und zu sehen, wie sie aufwuchs. Sie konnte nur hoffen, dass Shiho eine angenehmere Lebensweise zuteil werden würde, wenn sie hier war. „Ihr geht´s gut“, antwortete er. „So gut wie es ihr eben gehen kann, denke ich. Sie wollte auch nicht, dass ich gehe.“ „Nun, natürlich wollte sie das nicht. Sie weiß, dass du für mindestens zwei Jahre fort sein wirst“ Sie runzelte die Stirn als sie ihn beobachtete. „Aber sie weiß nicht, was mit dir passieren wird, oder?“ Sie hatte sich so sehr für Shiho eine normale Kindheit gewünscht solange es möglich war, um nicht von der Brutalität der Organisation, für die sie arbeiteten, zu erfahren, aber sie wusste es war unmöglich. Womöglich hatte sie bereits davon gehört und gesehen von den Agenten, die in Amerika waren. Ihr war klar, dass sein und Shihos Schutzpatron sich oft mit anderen Mitgliedern in seinem Haus getroffen hatte. „Ich denke, sie versteht mehr von all dem, als sie vorgibt zu wissen“, gab er ehrlich zu. „Aber ich werde mich nicht ändern“ Sie seufzte. „Du weißt nicht, was dieser Ort aus einer Person macht“, erklärte sie. „So viele Leute kommen hierher… gute Leute, wie du… und sie verändern sich auf eine Weise, die für unmöglich halten würdest. Es endet damit, dass sie sich nicht einmal mehr um Menschlichkeit scheren werden, sondern darum bereitwillig der Organisation zu dienen. Ich glaube, die meisten von ihnen funktionieren nur noch auf Autopilot. Sie haben ihre Seelen verloren.“ Sie sah weg und wischte die Tränen weg, die sich in ihren Augen gesammelt hatten. „Ich hab es zu oft gesehen… und ich kann es nicht ertragen zu sehen, wie dasselbe auch mit dir passiert. Du hast eine wunderbare Seele.“ „Ich will nicht darüber reden“, war die knappe Antwort. „Wir müssen darüber reden!“, rief sie, und ihre Stimme wurde lauter, als sie zu ihm zurückblickte. „Sie werden dich dazu ausbilden, Menschen zu töten! Sie werden jedes bisschen Mitgefühl und Menschenliebe aus dir herausquetschen, bis zu dem Punkt an dem nichts weiter mehr von dir übrigbleiben wird, als das wofür sie dich brauchen – als Tötungsmaschine!“ „Glaubst du nicht, ich hätte nicht darüber nachgedacht?“, antwortete er bissig. „Jeden Tag hab ich damit verschwendet, daran zu denken, seit man mir vor fünf Jahren den Codenamen gegeben hat! Ich weiß, was ich sein soll. Ich weiß, was sie von mir erwarten.“ Er packte sie an den Schultern und schaute ihr in die Augen. „Es ist wie ich es schon seit Jahren immer gesagt habe – Menschen wie wir gehören zu niemandem. Wir existieren nur als Spielfiguren für die Spiele der Organisation. Du weißt, dass es wahr ist. Aber das heißt nicht, dass wir alles werden müssen, zu was sie uns machen wollen! Du bist immer noch du, selbst nach allem was du gesehen hast. Und ich bin immer noch ich.“ Sie sah zu ihm auf, während sie die nächsten Tränen wegblinzelte. „Ich hab mich mehr verändert als du wahrscheinlich bemerkt hast“, sagte sie leise. „Selbst wenn du nicht willst, selbst wenn du dagegen ankämpfst, es verändert dich. Und… ich… ich fühle mich so taub innerlich! Alles, worauf ich hoffen kann, ist, dass Shiho niemals dazu kommen wird…“ Sie senkte den Blick. Selbst wenn sie nun aus der Organisation ausbrechen könnten, wusste sie, dass sie niemals wieder dieselbe Person sein würde. Sie hatte versucht vor ihm und Shiho mutig aufzutreten, aber das war nicht ihr wahres Ich. Sie war entmutigt, sie war allein, und sie hatte Angst. Manchmal wünschte sie sich einfach nur alles wäre vorbei, aber sie wusste, sie musste am Leben bleiben – wenn nicht aus einem anderen Grund, dann wegen Shiho. Und das war der wichtigste Grund für sie. „Sie ist eine ausgezeichnete Schülerin“, antwortete er sachlich. „Wenn sie den Abschluss hinter sich hat, werden sie sie haben wollen“ Sie funkelte ihn an. „Sag das nicht!“, meinte sie finster, auch wenn sie wusste, dass es der Wahrheit entsprach. Leise seufzend blickte sie wieder zu ihm auf, und auf ihrem Gesicht zeichneten sich Bedauern und Trauer ab. „Tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Ich wollte nicht laut werden. Es ist nicht deine Schuld… ich fühle mich nur so hilflos…“ „Ich weiß. Aber du musst dich daran gewöhnen. Wir sind hilflos gegenüber ihnen.“ Er sah zu ihr runter und wieder in die dunkel grünen Augen. Sie wich seinem Blick aus. „Es muss einen Weg geben“, flüsterte sie, „und ich werde ihn finden“ ~ Gin nahm einen Zug aus seiner Zigarette und lehnte dann seinen Arm halb aus dem Fenster, als er von der Schnellstraße runterfuhr. War es tatsächlich erst acht Jahre her gewesen? Was ihn anging, fühlte es sich wie zu anderen Lebzeiten an. Er hatte sich selbst und anderen geschworen, dass er sich von der Organisation nicht verderben lassen würde. Jedoch war es ein aussichtloser Kampf gewesen. So oft gezwungen worden zu sein, Menschen zu töten hatte bewirkt, dass er sich verändert hatte, genau wie Akemi es gesagt hatte. Er hatte verschiedene Methoden ausprobiert, um sich davon zu distanzieren. Die Zielobjekte als Verräter anzusehen, was etwas war, das er bereits verabscheute, half in gewisser Weise. Und die meisten von ihnen waren in der Tat Verräter. Dennoch war er unempfindlich geworden, denn er dachte bereits nicht mehr darüber nach, was er tat. Und er musste zugeben, er hatte angefangen, es zu genießen. Ihm gefiel der Nervenkitzel bei der Jagd, die Macht eine Waffe in der Hand zu halten und die Verräter wissen zu lassen, dass man nicht für ihre Taten gerade stehen würde, und ihm gefiel es den Schrecken und Furcht in ihren Augen zu sehen, wenn sie realisierten, dass sie zu tief hineingeraten waren. Und trotzdem wusste er, dass er letzen Endes doch nicht so viel Macht besaß, wie er es sich wünschte. Er war immer noch seinen Vorgesetzen ausgeliefert. Bah! Er hatte er schon wieder in Erinnerungen geschwelgt! Das Kind sah sogar aus wie Akemi, als sie in Ayumis Alter gewesen war. Aber Gin sah etwas von beiden Geschwistern in ihrem Charakter und ihrer Entschlossenheit. Egal, lassen wir es lieber bleiben. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken im Moment. Er sah zu Wodka und dem Mädchen hinüber, und es war nun an ihm sich einigermaßen darüber zu amüsieren, als er sah, dass Wodka sich nicht gerade wohl fühlte. Wenigstens hatte Gin bereits auf Kinder aufgepasst, auch wenn es schon Jahre her war. Wodka jedoch noch nie. Momentan war er einfach nur ratlos, und er verhielt sich gegenüber den meisten Frauen sowieso schon schüchtern. Gin fragte sich, ob sich das auch auf das Mädchen bezog. Er glaubte zu spüren, dass es irgendwie so war. Ayumi rührte sich endlich, als sie langsam aufwachte. Sie sah sich um und blinzelte als sie versuchte sich endgültig aus der Traumwelt zu lösen. Sie hatte einen schönen Traum gehabt, in dem sie fröhlich gespielt hatte ohne Angst davor haben zu müssen, dass Ushio auftauchte, um sie und ihre Freunde zu verletzen. Aber jetzt erinnerte sie sich, dass die Gefahr immer noch gegenwärtig war. „Wodka-san“, murmelte sie verschlafen, als sie bemerkte, dass sie nicht länger auf Gins Schoß lag. Langsam setzte sie sich auf und sah zu dem blonden Assassinen herüber. „Gin-sama, kann ich dich etwas fragen?“, wollte Ayumi in ihrer kindlichen Stimme wissen. Er grollte leicht, während er sich auf die Straße konzentrierte. „Was gibt´s?“, fragte er, und nahm die Zigarette wieder in den Mund. Sie biss sich auf die Lippe. „Dieser schreckliche Typ hat gesagt, dass du Leute umgebracht hast“, bemerkte sie leise, und Wodka sah sie schockiert an. „Stimmt das?“ „Was, wenn es so wäre?“, erwiderte er. Er schien nicht überrascht. Sie seufzte leise. „Naja… es ist nicht richtig zu töten“, wandte sie ein, während sie sich leicht gegen Wodka lehnte. Er fragte sich, wie Gin plante damit umzugehen. „Ich habe meine Gründe“, antwortete er kurz angebunden. So wie es aussah, hatte er vor nicht viel darüber fallen zu lassen. Wodka konnte den Drang etwas zu sagen nicht länger unterdrücken. „Wenn du das über ihn weißt, warum vertraust du ihm dann und nennst ihn ´Gin-sama´?“, wollte er wissen. Ayumi brauchte nicht lange darüber nachzudenken. „Weil ich nicht glaube, dass er ein schlechter Mensch ist“, meinte sie dann lächelnd, „und ich finde, du bist auch kein schlechter Mensch, Wodka-san. Ihr tut beide schlechte Dinge, aber in eurem Innern seid ihr beide immer noch gut.“ Gin schmiss den Zigarettenstummel aus dem Fenster. „Das ist ein nettes Hirngespinst von dir“, bemerkte er. „Zu schade, dass es überhaupt nicht der Wahrheit entspricht.“ Ayumi schmollte und sah zu Wodka. „Du glaubst doch nicht, dass er ein schlechter Mensch ist, oder, Wodka-san?“, fragte Ayumi unschuldig. Wodka starrte sie an und wusste nicht, was er sagen sollte. Er stammelte hoffnungslos irgendetwas, wurde aber davon verschont eine Antwort zu geben, als Gin den Radio anmachte und eine aktuelle Durchsage durchgegeben wurde. Allerdings machte die Durchsage die Sache noch viel ungemütlicher als sie eh schon war. „Die Polizei ist weiterhin auf der Suche nach der siebenjährigen Ayumi Yoshida, die seit heute Morgen aus ihrem Haus verschwunden ist. Sie hat schwarze Haare, blaue Augen und hatte einen pinken Overall und ein weißes T-Shirt an als sie zuletzt gesehen wurde. Falls Sie Informationen haben, wo sie sich derzeit befindet, kontaktieren Sie bitte die Polizei unter…“ Gin stellte den Radio aus und fluchte. Ayumi betrachtete den Radio und sah dann zu ihm auf. „Glauben die etwa, dass mir etwas zugestoßen ist?“, wunderte sie sich. „Sie glauben höchstwahrscheinlich, dass du entführt worden bist!“, grollte er. „Sie werden möglicherweise sogar jedes verdächtig aussehende Fahrzeug anhalten.“ Und diese Tatsache würde die derzeitige Angelegenheit mit Sicherheit verkomplizieren. Er war sich zuvor nicht sicher gewesen, was er mit ihr machen sollte, und jetzt war er sich noch weniger sicher. Er hatte keine Lust etwas zu unternehmen, das ihn und Wodka in Gefahr bringen würde. Wenn sie nicht aufpassten, würden sie noch gefangen genommen werden – und zwar für etwas, das sie nicht einmal getan hatten. „Aber ich würde ihnen doch sagen, dass ihr versucht habt mir zu helfen!“, protestiert Ayumi, und Sorge stieg wieder in ihr auf. Alle ihre Freunde würden sicherlich nach ihr suchen und denken, dass etwas Schlimmes passiert war. Sie wollte zu ihnen nach Hause, aber sie konnte auch nicht zulassen, dass Gin und Wodka in Schwierigkeiten gerieten. Wodka sah unruhig zu Gin. „Was machen wir jetzt, Aniki?“, fragte er zögerlich. Gin raunte etwas, während er um die Kurve bog. „Wer weiß“, murmelte er. Auf einmal erregte etwas seine Aufmerksamkeit vor ihm. Es war der Convertible! Seine Augen verengten sich. Der Fahrer hatte sie offensichtlich nicht bemerkt, oder zumindest jetzt noch nicht, und die Straße, die sie entlangfuhren lag im Dunkeln und war nur spärlich beleuchtet. Gin grinste leichte, und Wodka konnte einen vertrauten Schimmer in dessen Augen erkennen. Der blonde Assassine wollte wissen, was vor sich ging, und er war entschlossen es herauszufinden. Er würde vorsichtig sein, da sie das Mädchen bei sich hatten. Aber vielleicht konnten sie wenigstens schon mal ein Problem aus dem Weg schaffen, wenn dies hier gut lief. Schweigend verfolgte er dem Convertible. „Halt das Mädchen unten“, befahl er. Ayumi guckte ihn an. „Ich heiße Ayumi“, stellte sie klar, und duckte sich. Gin antwortete nicht. Kapitel 5: Inferno - Hölle -------------------------- Als der Chevrolet endlich vor einer alten und scheinbar verlassenen Villa hielt, kam es Genta und Mitsuhiko vor als wären sie stundenlang unterwegs gewesen. Aber nun da es schien, dass ihre Reise endlich zu Ende war, fürchteten sie sich davor, was als nächstes passieren würde. Sie fragten sich, ob sie es wagen konnten zu fliehen, wenn sie aus dem Auto geholt wurden. Auch wenn die beiden beschlossen hätten einen solchen Versuch zu unternehmen, wären sie nicht in der Lage gewesen es umzusetzen. Als die Türen geöffnet wurden, zog jeder der Männer einen von ihnen aus dem Auto und hielten sie fest, während sie zum Haus marschierten. Die beiden Jungen schlugen um sich, versuchten verzweifelt loszukommen und durch die Knebel Schreie loszulassen, aber es war vergeblich. Sie konnten sich nicht befreien. Und ihre Panik wuchs, als sie sich an die unheilverkündenden Worte der beiden Männer erinnerten, als diese über den Boss geredet hatten. In was für eine entsetzliche Lage hatten sie sich nur wieder gebracht? Würde Conan sie überhaupt rechtzeitig finden? Als sie die Veranda erreichten, stand ein großer glatzköpfiger Mann in der offenen Eingangstür und beobachtete seine Untergebenen. Seine Augen blitzten auf, als er die beiden Jungen sah. „Ah, Ayumis Freunde“, meinte er entzückt und trat zur Seite, damit die Neunankömmlinge ins Innere der Villa gelangen konnten. „Willkommen, Jungs.“ Die beiden Lakaien warfen die Kinder kurzerhand auf den Teppich. „Wir haben immer noch nicht das Mädchen gefunden, Boss“, teilte der Blonde mit, „aber diese beiden hier haben herausgefunden, dass ich in ihr Haus eingebrochen bin, also hab ich sie vorsichthalber lieber mitgenommen.“ Der glatzköpfige Mann runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf über das Verhalten seiner beiden Untergebenen. „Also wirklich, ihr solltet nicht so grob zu ihnen sein“, meinte er und kniete sich nieder, um ihre Knebel zu entfernen. „Natürlich werdet ihr verstehen, dass ihr uns nicht mehr verlassen könnt.“ Er sah Genta und Mitsuhiko in die Augen, die beide in sich zusammenschrumpften, als sie die Boshaftigkeit in seinem Blick sahen. „Ach ja?“, rief Genta trotz seiner Angst. „Warte nur! Sie werden merken, dass wir verschwunden sind, genau wie Ayumi-chan, und sie werden auch nach uns suchen!“ Er grinste, als er daran dachte, wie schockiert dieser Mann sein würde, wenn Conan hier auftauchte. Falls Conan auftauchte… Aber selbstverständlich würde er! Er würde in der Lage sein, sie zu verfolgen. Er war wahrscheinlich gerade auf dem Weg! „Genau!“, stimmte Mitsuhiko mit ein. „Wir sind berühmte Detektive! Sie werden sich fragen, wo wir sind!“ Der unheimliche Mann grinste amüsiert. „Detektive, was?“, meinte er, während er sich aufrichtete. „Wie süß.“ Er sah wieder zu seinen beiden Untergebenen, und diese traten unwillkürlich zurück, anscheinend fürchteten sie, dass ihr Boss sauer auf sie war, weil sie Ayumi nicht gefunden hatten. Aber stattdessen lachte er. Es war ein grausames kaltes Lachen. „Macht euch keine Sorgen um das Mädchen“, grinste er. „Wir werden sie bald haben, und noch wichtiger, auch den Mann, der mich belogen hat, um sie zu beschützen!“ Er entfernte sich schließlich, wahrscheinlich, um noch weitere Pläne für das verhängnisvolle Treffen zu schmieden. „Ah, ich werde es genießen, ihn leiden und sterben zu sehen.“ Noch einmal blickte er zurück auf seine Untergebenen. „Zeigt unseren Gästen ihr Zimmer, werdet ihr wohl?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stieg er die Treppe hinauf und verschwand in einem der Räume. Genta und Mitsuhiko hatten bei den Worten des Mannes einen verwirrten Blick ausgetauscht. „Welcher Mann?“, rief Genta aus, während sie in ein Schlafzimmer im ersten Stock gestoßen wurden. „Wer wird sterben?“ „Das braucht euch nicht zu kümmern“, antwortete der Blonde, als er die Tür hinter ihnen zuschlug und absperrte. Mitsuhiko starrte wütend darauf. „Es muss einen Weg hier raus geben!“, ließ er frustriert verlauten. „Es hat keinen Sinn“, murmelte Genta, nachdem er wieder und wieder an den Fesseln gezogen hatte. „Wir sitzen hier fest, bis Conan uns finden wird!“ Resigniert ließ er sich auf den Boden sinken. „Und wo nur könnte Ayumi stecken?“ „Wo immer sie ist, es muss ein besserer Ort sein als dieser hier“, meinte Mitsuhiko leise. Er wusste nicht, was mit diesem Mann nicht stimmte, in dessen Versteck sie sich nun befanden, aber in seiner Gegenwart hatte der Junge etwas Unheimliches gespürt, das er nie zuvor bei jemand anderem bemerkt hatte. Mehr als alles andere wollte er von hier wegkommen. Und er wollte auch nicht, dass Ayumi jemals hierher kam. ~ Gin war nicht erfreut über den Anblick der beiden Männer, die die beiden Kinder zur Veranda und in das Haus schleppten. Anscheinende hatte Ushio seine Untergebenen ausgeschickt, um weitere Opfer einzufangen. Er fragte sich, wer wohl dieses Mal ermordet worden war. Als er ein leises Keuchen neben sich hörte, drehte er sich um und sah, wie Ayumi aus dem Fenster schaute, während sie zur selben Zeit versuchte unentdeckt zu bleiben. „Das sind Genta-kun und Mitsuhiko-kun!“, rief sie ehe Gin sie zurückhalten konnte. Wodka starrte sie an. „Du kennst die beiden?“, entfuhr es ihm und ihm wurde bang ums Herz. Das Ganze nahm einfach kein Ende! Ayumi nickte bestimmt. „Sie sind zwei meiner besten Freunde!“, sagte sie. Zwar konnte sie den Mann, der auf der Veranda wartete, nicht sehen, aber als ihre beiden Freunde in das Innere geschleppt wurden, war sie sich sicher, dass es nur der schreckliche Mann aus dem Park sein konnte. Ihre Finger umklammerten den Türgriff so stark, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Gin knurrte, als er sich eine weitere Zigarette anzündete. „Was könnte Ushio mit ihnen vorhaben?“, murmelte er. „Versucht er, uns damit herauszulocken?“ Diese ganze Sache wurde langsam zu einem Desaster, welches immer verzwickter wurde. Und natürlich würde Ayumi nicht eher ruhen, bis ihre Freunde gerettet waren. Aber obwohl Gin Ushios Taten verabscheute, sah er sich selbst auch nicht gerade als eine Art Verteidiger der Gerechtigkeit. Das war etwas, das er nie sein würde und auch nie sein könnte, das war ihm klar. Dennoch war er sich dessen bewusst, dass er die Konsequenzen für die Aktion vor zwei Wochen zu tragen hatte. Und er hatte das Gefühl, dass Ushio in der Tat vorhatte, sie zu ihm zu locken. Auf der anderen Seite natürlich könnte Gin ihn überschätzen und er war nur auf weitere „Gesellschaft“ aus, was dann der Grund für die Verschleppung der beiden Jungen wäre, egal ob er von deren Verbindung zu Ayumi wusste oder nicht. Wodka runzelte die Stirn. „Würde er erwarten, dass wir kommen?“ Gin zuckte die Achseln. „Er könnte denken, dass wir nachgiebig geworden sind“, grollte er. „Oder vielleicht würde er einfach darauf schließen, dass wir kommen würden, weil wir noch nicht fertig miteinander sind.“ Ayumi wandte sich wieder den beiden zu. „Wir können sie nicht bei diesem schrecklichen Typen zurücklassen!“, rief sie aufgebracht. „Gin-sama, wir müssen ihnen helfen!“ Gin verengte die Augen. „Du sollst mich nicht so nennen“, meinte er dann, während sein Blick zurück zu dem Haus glitt, in dem die Jungen sich befanden. „Ich bin es nicht wert auf diese Art und Weise bewundert zu werden.“ Er lehnte sich gegen das Lenkrad und versuchte zu ergründen, was genau sie überhaupt tun sollten. Falls Ushio sie hierher zu locken versuchte, war es höchstwahrscheinlich irgendeine Falle. Gin wusste nicht, ob mehr als nur die beiden Männer, die die Jungen rein geschleppt hatten, und Ushio selbst in dem Haus waren, aber er wusste, dass Ushio eine viel zu überbewertete Meinung von sich selbst hatte. Gin war sich sicher, dass diese Ushios Untergang sein würde. Ayumi blinzelte zu ihm herüber. Entschlossen erhob sie sich von Wodkas Schoß und überbrückte die Entfernung zu Gin, indem sie sich neben seinem Sitz hochzog. „Ich finde schon“, antwortete sie und umarmte ihn. Er starrte sie einfach nur ungläubig an, ebenso wie Wodka. Es schien, als ob ihnen immer öfter die Worte fehlen würden wegen ihr. „Es ist mir egal, was für furchtbare Dinge du getan hast“, redete sie weiter. „Wenn du wirklich keinen Funken Gutes in dir hättest, hättest du mir nicht geholfen.“ Für sie war es eine einfache logische Schlussfolgerung. Gin starrte sie weiterhin einfach nur an, kein Wort kam über seine Lippen. Er war sich sicher, sie würde nicht so denken, wenn sie tatsächlich wissen würde, was genau er während seiner Zeit bei der Organisation bereits getan hatte, aber er würde sie nicht ihrer Ahnungslosigkeit berauben, indem er ihr davon erzählte. Gin wandte seinen Blick ab, und Wodka fragte sich, ob er gerade wirklich den Anflug eines sanften Gesichtsausdrucks auf dessen Zügen entdeckt hatte. Jedoch klingelte das Telefon erneut und er hatte keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken. Rasch zog er es hervor und klappte es auf, während ihn eine ungute Vorahnung befiel. „Hallo?“, antwortete er, und Gin und Ayumi, die wohl dieselbe Ahnung befiel, wandten sich zu ihm um. Wodka war nicht erfreut Ushios Stimme wieder zu hören, aber überrascht war er auch nicht. „Was wollen Sie nun schon wieder?“, fragte er ungeduldig, er wurde sichtlich wütend auf Ushio, genau wie Gin es immer wurde. Ushio hatte ihnen den ganzen Tag über nur Probleme beschert, und Wodka wäre glücklich gewesen, wenn er dieses Monster niemals wieder gehört oder gesehen hätte. „Aber, aber, Sie klingen ja schon genauso angespannt wie Ihr Freund“, erwiderte Ushio, und Wodka wusste, dass er dabei grinste. „Ich wollte nur noch mal anrufen und über bestimmte Dinge reden.“ Bevor Wodka antworten konnte, hatte Gin ihm das Handy bereits aus der Hand genommen. „Hör auf Spielchen zu spielen!“, entgegnete er wütend. „Mir reicht´s. Wir wissen bereits, dass du die beiden Freunde des Mädchens entführt hast. Was hast du mit ihnen vor? Ist dir etwa langweilig geworden und du hast beschlossen, dass du mehr „Gesellschaft“ brauchst? Oder willst du nur herausfinden, wie weit du mich treiben kannst?“ Ushio lachte. „Also wirklich, ich wusste gar nicht, dass es dich so sehr beunruhigt“, erwiderte er ruhig. „Außerdem geht es dich nichts an. Es war nie dein Problem, aber du hast es zu einem gemacht, und jetzt hast du die Chance, die Situation wieder ins Reine zu bringen.“ Gin hörte einen Knall im Hintergrund, welcher wahrscheinlich von einem eben entfernten Korken aus einer Champagnerflasche stammte. „Ich will mich mit dir unterhalten, und Wodka, und dem Kind. Und wenn du nicht kommst, kannst du dir sicher sein, dass den beiden Jungen etwas passiert, was nicht sehr angenehm ist… für sie“ Gin verfluchte ihn. „Glaubst du wirklich, dass wir das Mädchen mitnehmen werden?“, verlangte er zu wissen. „Oh ja, das glaube ich allerdings“, meinte Ushio lächelnd, „denn du würdest es nicht wagen sie im Auto zurückzulassen, wo meine Männer sie leicht finden könnten. Im Moment wäre sie sicherer an deiner Seite, selbst wenn du in mein Spinnennetz tappst.“ Wieder lachte er und eine kurze Pause trat ein, als würde er etwas von dem Champagner trinken. „Und du kannst nicht annehmen, dass ich dich nur täuschen will, oder? Du sagst, du weißt bereits, dass ich die Jungs habe, und ich muss zugeben, das überrascht mich. Ich wollte es dir gerade sagen.“ Gin grollte. „Dein Plan von einer Unterhaltung wird darauf hinaus laufen, dass einer getötet wird, aber das werde nicht ich sein“, meinte er kalt. „Du hast dir dein eigenes Grab geschaufelt.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, legte er auf und gab Wodka das Handy zurück. Dieser konnte leicht erkennen, dass Gin regelrecht vor Wut kochte. „Was hast du jetzt vor, Aniki?“, fragte er, obwohl er sich bereits denken konnte, was Gin plante. Gin schnallte sich ab und öffnete die Tür. „Wir gehen rein“, erwiderte er, „und ich glaube nicht, dass Ushio wieder rauskommen wird.“ Er sah zu Ayumi. „Es passt mir überhaupt nicht zuzugeben, dass er hat Recht hat, aber du kannst nicht hier bleiben. Du wirst mit uns kommen müssen, aber begib dich unter keinen Umständen aus unserer Nähe. Ist das klar?“ Während er sprach, zog er seine Pistole hervor und stellte sicher, dass das Magazin voll war. Sie biss sich auf die Lippe, als sie besorgt die Pistole betrachtete, aber dann schluckte sie und nickte entschlossen. „Okay, Gin-sama“, stimmte sie ihm zu, als auch Wodka aus dem Wagen stieg. Sie musste zugeben, dass sie etwas Angst hatte hineinzugehen, vor allem als sie verstanden hatte, dass jemand sterben konnte. Jedoch wollte sie unbedingt Genta und Mitsuhiko helfen, und dieser Wille war stärker als ihre Furcht. Und sie vertraute Gin. Er würde nicht zulassen, dass sie Zeugin solch schrecklicher Gewaltszenen werden würde, wenn er es denn vermeiden konnte. ~ Es dauerte nicht lange bis Conan, Ai und Professor Agasa herausgefunden hatten, wo die Jungen steckten. Sie erreichten das Haus von der anderen Seite, sodass zuerst keiner von ihnen den schwarzen Porsche bemerkte. Der Chevrolet blockierte die Sicht von ihrem Standpunkt aus. Aber das Haus, in all seiner unheilvollen Ausstrahlung, erhob sich sehr deutlich vor ihnen. Es war alt, und war einmal ein schönes Haus gewesen, doch nun war es dem Verfall preisgegeben. Es war drei Stockwerke hoch, und an einer Seite befand sich ein großer Turm, der dringend wieder gestrichen werden musste. Dachschindeln fielen vom Dach und ein Stück von einem langen Brett baumelte vor der Veranda. Wären nicht einige Lichter im Haus an gewesen, hätte man denken können, es wäre unbewohnt. Noch bevor Professor Agasa das Auto zum Stehen gebracht hatte, war Conan schon bereit hinauszustürmen. Aber ehe er dies tun konnte, sprach der Professor noch einmal zu ihm. Eine Sorge beschäftigte ihn schon seit geraumer Zeit, und nun, da sie hier waren, war es wichtig diese auch auszusprechen. „Vergiss nicht, Shinichi, du und Haibara seht aus wie Kinder“, meinte er sehr ernst, als er den Motor abstellte. „Wenn ihr nicht aufpasst, könnte dieser Ushio ebenfalls versuchen euch zu schnappen.“ Er öffnete die Autotür und stieg aus, sein Blick verfinsterte sich beim Anblick des Hauses. „Es wäre wohl besser, wenn wir auf die Polizei warten…“ „Bis dahin könnte es aber auch schon zu spät sein“, antwortete Ai als sie und Conan ausstiegen. „Wir werden vorsichtig sein!“ Conan rannte bereits den Gehweg entlang. Als er am Chevrolet vorbeikam, hielt er unvermittelt an und starrte mit geweiteten Augen auf etwas. Das konnte nicht sein… aber das war es! Es war der schwarze Porsche… Gins Auto. Die Organisation war hier. „Was gibt´s?“, wollte Ai wissen, als sie ihn einholte. Aber dann sah sie das Auto auch. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Warum sollte Gin hier sein? Hatte er etwa etwas mit dem zu tun, was mit den anderen passiert war? Konnte sie sich geirrt haben, und Gins Abscheu gegenüber Ushios Taten hatte sich verändert? Alles andere hatte sich schließlich auch geändert, es wäre also nicht weit her geholt so etwas zu vermuten. Auf der anderen Seite war er aber vielleicht nur da, um mit ihm über etwas zu verhandeln. Aber wie dem auch war, sie wusste, dass sie auf jeden Fall in das Haus gehen mussten. Jedoch war das Gefühl der Angst, ihn wieder zu treffen, im Moment sehr groß. Er würde jeden töten, der mit ihr in Verbindung stand. Da war sie sich sicher! Und trotz des Versuchs sich aus der Starre zu lösen, stand sie wie festgefroren da. „Haibara!“ Allmählich wurde ihr bewusst, dass Conan sie angesprochen hatte. Sie sah ihn an und bemerkte seinen sorgenvollen Blick. Aber es lag auch Entschlossenheit darin. „Wir müssen da rein gehen“, erklärte er ihr, und sie wusste, er hatte Recht. „Wir werden uns vor Gin verstecken.“ Er fasste sie an den Schultern. „Die anderen sind momentan in großer Gefahr, wenn nicht wegen Gin oder jemand anderem, dann bestimmt wegen diesem Ushio, sollte er hier sein.“ Sie schluckte schwer. „Ich weiß“, antwortete sie leise. „Lass es uns von hinten rum versuchen“, schlug Conan vor und eilte dann durch den Garten, wobei er versuchte unentdeckt zu bleiben, sollte zufällig jemand durch die Fenster nach draußen schauen. Ai und Professor Agasa folgten ihm bedächtig und hofften, dass die Polizei bald eintreffen würde. „Riecht ihr auch den Rauch?“, fragte Ai plötzlich, nachdem sie die Hinterseite des Hauses erreicht und ein zerbrochenes Fenster entdeckt hatten. Auf Conans Gesicht zeichnete sich Schrecken ab. „Das Haus brennt!“, rief er, als er auch schon durch das offene Fenster kletterte. In diesem Moment war seine Mission um einiges komplizierter geworden. Er musste die anderen finden und sie da raus holen, bevor es keine Möglichkeit zur Flucht nach draußen mehr gab! ~ Nachdem er seit knapp über einem Jahr im Training war, wurde er einem Mann vorgestellt, der sein Partner in der Organisation sein würde. Ihm war nichts über den anderen gesagt worden vor ihrem Treffen, außer dass dessen Codename Wodka lautete und dass er einen niedrigen Rang als Agent bekleidete. Während des letzten Jahres hatte Gin sich in den Rängen nach oben gearbeitet und war einer der meist geschätzten Assassinen in der Organisation geworden. Er wollte von so wenigen Leuten wie möglich kontrolliert werden. Er zündete sich eine Zigarette an, als er den Raum betrat. Er hatte nie geraucht, bevor er nach Japan zurückgekehrt war, aber nachdem sein Training in die Wege geleitet worden war, hatte er schon nach den ersten paar Morden damit angefangen. Es hatte als eine Art Methode zur Bewältigung angefangen, um wieder zur Ruhe zu kommen, aber inzwischen war es Gewohnheit. Er war süchtig nach den verdammten Dingern. Er sah sich um, und nachdem er nur eine andere weitere Person ausgemacht hatte, ging er auf diese zu. „Bist du Wodka?“, fragte er, wobei er ihn von oben bis unten musterte. Der Mann war kleiner als er, und etwas umfangreicher. Er trug einen Anzug und einen Filzhut, seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Als Gin herantrat und ihn ansprach, hatte er das Gefühl einen Anflug von Unbehagen in den Gesichtszügen seines zukünftigen Partners entdeckt zu haben. Aber dann war es auf einmal verschwunden, ersetzt durch – und das überraschte Gin – Erkennen. „J-ja“, stotterte er, und Gin spürte sofort, dass Wodka sich unwohl in der Nähe von anderen Menschen fühlte. Nach einem kurzen Moment erinnerte sich Wodka daran, dass Gin der Ranghöhere war und fügte ein „Aniki“ hinzu. Es war ein Ausdruck von Respekt, den die rangniederen Agenten ihren höher gestellten Mitgliedern entgegenbrachten. Nun war es an Wodka, Gin anzustarren. „Wir haben uns schon einmal getroffen“, sagte er langsam, und verlagerte unbehaglich das Gewicht, als er Gins kalten Gesichtsausdruck sah. Er fragte sich, ob der blonde Assassine überhaupt etwas sehen konnte, wenn ihm die Haare so ins Gesicht fielen. So konnte Wodka jedenfalls nicht einmal die Augen sehen. Gin zog an seiner Zigarette. „Oh?“, war die Antwort und er hob fragend eine Augenbraue. Wenigstens dachte Wodka, dass er es tat. Es war schwer zu erkennen. „Wo war das? Ich erinnere mich nicht daran.“ „Es war vor ein paar Jahren“, erwiderte Wodka nervös. „Also… es ist schon über zehn Jahre her, glaub ich, als du in Japan warst. Du und das Miyano-Mädchen habt Ärger bekommen, weil ihr irgendwo im Quartier wart, wo ihr nicht rein durftet, und ich hab mich eine Weile mit dir unterhalten, während die anderen sich überlegt hatten, was sie mit dir machen sollten.“ Gin war schon immer für seinen Ruf als Nonkonformist bekannt gewesen, und Wodka hatte das Gefühl, dass dem immer noch so war – wahrscheinlich sogar noch mehr, befand er, als er Gins langen schwarzen Mantel und Rollkragenpullover und die langen Haare betrachtete. „Ich kann mir Gesichter schlecht merken“, gab Gin zu, „wenn ich die Person nur einmal kurz getroffen habe.“ Und es störte ihn nicht. Schließlich machte es ihm das Töten einfacher. Er musste nicht immer und immer wieder die Gesichter seiner Opfer in Gedanken vor sich sehen. Sie alle verblassten zu unbekannten Schemen. Er betrachtete Wodka nun eingehender, und ein Teil eines seiner smaragdgrünen Augen wurde sichtbar. „Ich denke nicht, dass ich mich überhaupt an dich erinnern würde“, meinte er frei heraus. „Du hast damals bestimmt nicht das da getragen.“ Er zeigte auf die Sonnenbrille. „Äh, nein“, gab Wodka zu. Er war sich keineswegs sicher, ob sie miteinander klar kommen würden. Er konnte nicht gut mit anderen Leuten umgehen, genau wie Gin vermutet hatte, und der blonde Agent war ziemlich einschüchternd. Beinahe schon wollte er fragen, ob Gin sich wirklich wohl fühlte mit so langen Haaren rumzurennen, aber er wagte es nicht. Gin zuckte die Achseln. „Mach was du willst“, meinte er nur, sich halb abwendend. „Es geht mich nichts an. Wir werden noch lange zusammen arbeiten, also werden wir uns wohl oder übel an die Macken des jeweils anderen gewöhnen müssen.“ In der Organisation waren zwei Personen solange Partner, bis der eine oder der andere entweder zum Verräter wurde oder starb. Der mysteriöse Boss schien es wohl für nötig zu halten, dass wenn zwei Agenten eine Verbindung zueinander herstellten, diese auch nicht unterbrochen werden sollte, da sie so am besten zusammen arbeiten würden. Wodka nickte langsam. „Richtig… Aniki.“ Er folgte Gin, als dieser zustimmend nickte und ging. Damit begann ihre sonderbare und verwirrende Beziehung. Wodka hatte selbst Jahre später oft das Gefühl, dass er nicht viel mehr über Gin wusste, als am ersten Tag. Und Gin… nun, Wodka war sich immer noch nicht sicher, ob Gin sich überhaupt um ihn kümmerte. Wodka wusste auch nicht, ob er den blonden Assassinen einen Freund nennen konnte, aber er hatte sich an dessen Anwesenheit gewöhnt, und er konnte es sich fast nicht vorstellen jemals mit einem anderen zusammen zu arbeiten. Eigentlich war er sich sogar sicher, dass er nie einen anderen Partner bekommen würde. Gin würde niemals zu einem Verräter werden, da er solche ja selbst verachtete. Seine Loyalität galt der Organisation. Und Wodka konnte sich auch nicht vorstellen, dass der blonde Agent so bald sterben würde. Gin konnte ehrlicherweise auch nicht sagen, wie er zu Wodka stand. Er war an seine Präsenz gewöhnt, aber er selbst glaubte nicht, dass er noch fähig war, sich um jemanden zu sorgen. Wenn man ihn fragen würde, ob er Shiho immer noch liebte, er würde es bestreiten. Und sogar Wodka konnte erkennen, dass es wahr war. Falls Gin sich um Wodka sorgte, würde er auch das bestreiten. Gin betrachtete misstrauisch die Kerzen, die bestimmte Teile des Haues beleuchteten. Die meisten von ihnen waren ungeschützt und konnten leicht ein Feuer entfachen, wenn man nicht aufpasste. Außerdem warfen sie unheimliche Schatten durch die Räume, aber Gin kümmerte das herzlich wenig. Ayumi jedoch verunsicherte es durchaus, und so klammerte sie sich mit ihren kleinen Händen an den Mantel des grünäugigen Assassinen, während sie durch den ersten, zweiten und schließlich zum dritten Stock geführt wurden. Wodka folgte, ebenfalls leicht nervös, und achtete darauf, seine Schusswaffe bereit zu halten. Als sie oben angekommen waren, deuteten Ushios Untergebene an, dass sie einen langen Flur entlang gehen sollten. Gin konnte das Ächzen des Bodens hören, als sie darüber hinweg gingen, und er fragte sich wie lange dieser wohl noch imstande war das Gewicht zu tragen. Als sie ihr Ziel erreichten – es war ein Raum, der ungefähr auf der Mitte des Ganges lag – sah er auf. „Der Boss ist da drinnen“, erklärte ihnen der Ruhigere der beiden. Wodka fragte sich, ob Gin es ebenso ironisch fand wie er, dass die beiden Untergebenen gewisse Parallelen zu ihnen selbst aufwiesen. Der Blonde war größer und schien der Anführer zu sein, während der andere etwas kleiner war und allgemein einfach nur den Befehlen des anderen folgte. Gin knurrte und bewegte sich, um die Tür zu öffnen. Nachdem er den Knauf der Tür umgedreht hatte, wurde Wodka plötzlich zurück gehalten. „Wir wollen mit dir reden“, meinte der blonde Mann mit dem Tattoo und grinste. „Der Boss will nur Gin und das Kind sehen.“ Wodka starrte ihn daraufhin wütend an, Gin ebenfalls. „Über was wollt ihr denn mit mir reden?“, fragte er misstrauisch. „Oh, nur über ein paar Dinge“, war die Antwort, wobei Wodkas Gegenstück mit seiner Waffe spielte. „Er wird euch beide umlegen“, entgegnete Gin daraufhin, ihm gefiel diese Regelung gar nicht. Aber es war egal. Er würde mit Ushio in kürzester Zeit fertig sein und dann würden sie verschwinden. Zu Gins weiterer Verärgerung hörte er ein Schloss klicken. Ushio saß an der Ecke eines alten Schreibtisches in einem Raum, der eindeutig schon mal bessere Tage gesehen hatte. „Willkommen, willkommen“, höhnte er. „Ich wusste, dass du kommen würdest, obwohl ich dich nicht so früh erwartet habe.“ Er sah zu Ayumi. „Hallo, meine Liebe. Erinnerst du dich an mich?“ Seine blitzten auf und Ayumi versteckte sich vor Angst entsetzt hinter Gin. „Lass sie in Ruhe“, erwiderte Gin kalt, und richtete seine Waffe auf Ushios Kopf. „Gib mir nur einen guten Grund, warum ich dir nicht gleich jetzt den Rest geben soll.“ „Das ist einfach“, grinste Ushio. „Du willst doch nicht wirklich, dass das Mädchen solch einen Anblick ertragen muss.“ Er erhob sich von dem Möbelstück. „Du hast dich ja bis jetzt so gut um sie gekümmert. Das hätte ich nie von dir erwartet. Du hast mich belogen und du hast sie nicht getötet.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Und was hast du stattdessen mit ihr gemacht? Hast du sie einfach laufen lassen oder… hattest du noch ein wenig Spaß mit ihr? Bist du dir sicher, dass wir wirklich so unterschiedlich voneinander sind?“ Gins Augen blitzen vor Wut und Empörung auf und der Griff um seine Waffe verstärkte sich so stark, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er würde ihn nicht einmal einer Antwort würdigen. Ushio wusste, dass Gin kein Kinderschänder war. Er versuchte lediglich den Assassinen wütend zu machen, aber Gin war darauf trainiert worden, seiner Wut nicht nachzugeben. Dennoch kostete es ihn seine gesamte Willenskraft, nicht den Abzug zu betätigen…bis jetzt. „Ich hab keine Zeit für sowas“, erwiderte Gin schließlich, als er sich wieder unter Kontrolle hatte. „Ich hab dir gesagt, dass du aufhören sollst deine Spielchen zu spielen. Also mach weiter mit dem, weswegen du mich hergerufen hast.“ „Also wirklich. Das hier ist mein Haus, Gin“, meinte Ushio, während er sich gegen den Schreibtisch lehnte. „Du kannst nicht erwarten, dass ich alles mache, was du sagst. Aber… wenn du zum Geschäftlichen kommen willst, bitte!“ Unvermittelt hob er seine Hand und in ihr befand sich eine Pistole. Ohne Vorwarnung drückte er ab und Gin konnte gerade noch ausweichen. Die Kugel traf stattdessen eine Kerze, die in der Nähe gestanden hatte und nun auf den Boden rollte. Auf der Stelle stiegen Flammen empor, die auf dem Holzboden und dem abgewetzten Teppich Feuer fingen. Gin fluchte, als er das neckisch knisterende Geräusch der Flammen hörte, gefolgt von Ayumis Schrei. Seine Augen weiteten sich, als er sah, wie Ushio das Mädchen fest an sich klammerte, und sie scheinbar als Schild gegen eine Kugel oder vor Verbrennungen vor sich hielt. Hass blitzte in Gins Augen auf, und Erinnerungen brachen über ihn herein, die sich mit der Gegenwart vermischten, während der hinterlistige Mann anfing zu lachen. „Lass mich los! Lass mich LOS!“, schrie sie, als sie von einem Untergebenen durch den Flur getragen wurde. Aber so sehr sie sich auch wehrte und gegen ihn ankämpfte, mit ihren acht Jahren konnte sie nicht gegen einen so starken und muskelbepackten Mann ankommen, der nicht daran dachte, sie loszulassen. Gin hörte ihre Schreie von draußen und verschwendete keine Zeit damit ihnen zu folgen. Als er sie auf dem weitestgehend verlassenen Flur entdeckt hatte, rasten seine Gedanken förmlich. Er rannte auf sie zu, zog sein Taschenmesser und schlitzte den Arm seines Gegners auf. Daraufhin hatte sich Ayumi freiwinden können und nun starrte sie entsetzt auf die beiden, die zu Boden gegangen waren und energisch versuchten die Oberhand über den jeweils anderen zu erlangen. Das Messer in seiner Hand hatte sich gedreht und sein Gegner versuchte, es in Gins Kehle zu rammen. Aber Gin stieß ihn abrupt weg, wodurch sein Gegner zurückprallte. Und bevor dieser auch nur Zeit hatte sich zu wehren, war Gin bereits über ihm und rammte ihm die Waffe ins Herz. Seine Augen glühten förmlich. Er würde nicht dulden, dass Shiho irgendetwas zustieß. Es war das erste Mal, dass er getötet hatte und er hatte es nie bereut. Was ihn betraf, hatte es der Mann verdient gehabt zu sterben. Leises Weinen brach durch die Wand aus Wut, die sich um ihn herum aufgetürmt hatte. Als er sich langsam erhob, rannte Shiho zu ihm und warf ihre Arme um ihn, während sie weinte. Ihre Tränen waren Tränen der Angst, für das, was sie hatte durchmachen müssen und weil sie wusste, dass Gin hätte verlieren können. Er hielt sie fest, seine langen Haarsträhnen fielen ihm in die Augen und verbargen die Emotionen von Hass und Wut, die immer noch in seiner Seele kochten. Sie hatte nie genau gewusst, was dieser Mann mit ihr vorgehabt hatte, obwohl sie erkannt hatte, dass es nichts erfreuliches sein würde, und in späteren Jahren schien sie die Erinnerung an diesen Vorfall komplett verdrängt zu haben. Und so ließ er es gut sein. Es war nichts woran sie sich erinnern sollte. Er würde es ihr jedenfalls nicht erzählen. Weinen erfüllte auch die Gegenwart, als Ayumi vergeblich gegen Ushios eisernen Griff ankämpfte. Er grinste zu Gin, als die Flammen im Raum höher schlugen und immer mehr Raum einnahmen. „Du kannst nichts ausrichten“, verspottete er ihn. „Das Mädchen gehört mir!“ Er machte sich daran, sie zu einem Fenster zu tragen, denn er wollte nach draußen springen. Gin würde drinnen zurückbleiben und qualvoll in den Flammen umkommen. Ushio feuerte ein weiteres Mal auf ihn, und grinste verschlagen, als die Kugel sich in Gins Schulter bohrte. Ayumi schrie. Gin ließ einen schmerzerfüllten Laut hören, und legte eine Hand auf seine Wunde. Er war in die linke Schulter getroffen worden, aber das würde ihn nicht aufhalten. Während er gegen den brennenden Schmerz ankämpfte, hob er seine Waffe mit der linken Hand und sein Blick verhärtete zu einer eisigen Kälte. „Dieses Feuer ist wirklich angemessen für dich“, zischt er. „Fahr zur Hölle, wo du hin gehörst.“ Er betätigte den Abzug und Ushio wurde direkt in den Kopf getroffen. Sein Körper fiel zurück, direkt in die Flammen, und Ayumi befreite sich aus seinem Griff, um schließlich zu Gin zu rennen und ihn zu umarmen, während die Tränen weiterhin aus ihren unschuldigen blauen Augen rannen. Gin legte zögerlich eine Hand auf ihren Kopf und sah sich im Raum nach einem Fluchtweg um. Das Feuer war überall und fraß sich durch die alten Wände, Böden und die Decke des alten Anwesens. Die Tür war verschlossen und es war unmöglich, durch sie hindurch zu kommen. Er würde es nicht lebend nach draußen schaffen. So wie es aussah, war das Fenster auch keine Option mehr. Das Feuer hatte es eingekreist und kletterte immer weiter daran hoch. Er fluchte und fragte sich, ob es einen geheimen Ausgang aus diesem Zimmer gab, während er gleichzeitig darum besorgt war, Ayumi mit seinem Mantel gegen die Flammen zu schützen, die immer näher kamen. Er hatte nie die Gelegenheit diese Gedanken zu Ende zu führen. Der Boden, der durch all die Jahre des Zerfalls und wegen eines durchlässigen Daches morsch geworden war, brach unter der Last des Flammenmeers durch. Ayumi kreischte, als sie nach unten krachten und Gin konnte sie gerade noch festhalten. Dadurch schlugen sie auf dem unteren Stockwerk auf, bevor Gin sich jedoch mit ihr aufrappeln konnte, traf ihn etwas Hartes am Kopf und alles um ihn herum wurde schwarz. Kapitel 6: Escape - Flucht -------------------------- Währenddessen versuchten Genta und Mitsuhiko verzweifelt sich zu befreien. Nachdem sie den Raum sorgfältig nach einigen scharfen Gegenständen abgesucht hatten, mit denen sie versuchten die Fesseln zu durchtrennen, mussten sie sich am Ende dennoch geschlagen geben, denn das einzige, was sie erreichten, war, dass sie sich damit selber schnitten. „Was machen wir jetzt?“, rief Genta. „Wir werden es nicht schaffen von hier wegzukommen!“ „Lass uns mal überlegen!“, beschloss Mitsuhiko, der sich Mühe gab ruhig zu bleiben und eine praktische Lösung zu finden. „Wir sind in einem alten Haus. Vielleicht ist die Tür nicht so schwer aufzukriegen. Wir sollten versuchen sie aufzubrechen!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, rannte er zur Tür, dankbar dafür, dass seine Beine nicht zusammengebunden waren, und warf sich gegen die Holztür. Ein Knarren war zu hören, aber es sah nicht so aus als würde sie nachgeben, und so blickte Mitsuhiko zu Genta zurück. „Komm schon!“ Der größere Junge eilte an seine Seite und so mühten sich die beiden mit aller Kraft ab die Tür aufzubrechen, aber es nützte nichts. Nach fünf Minuten in denen sich nichts getan hatte, mussten sie aufgeben. „Wir werden hier nie rauskommen!“, beklagte sich Genta, als er an der Tür hinab auf den Boden sank. „Natürlich werden wir es nicht schaffen, wenn wir nicht positiv denken!“, gab Mitsuhiko zurück, während er anfing auf und ab zu gehen. Eine andere Idee kam ihm. „Vielleicht gibt es hier einen geheimen Gang hinter einer Wandverkleidung oder so etwas!“ Genta jedoch fühlte sich immer noch entmutigt. „Ja, aber dafür musst du Hebel und so Zeugs berühren, und unsere Hände sind leider gefesselt!“ Er beobachtete wie Mitsuhiko weiter durch den Raum wanderte und es trotzdem versuchte, sodass Genta sich schließlich doch zusammenriss, sich aufsetzte und mit ihm den Raum absuchte. Es dauerte wesentlich länger, da sie nicht ihre Hände frei hatten, aber sie versuchten ihr bestes, und am Ende hatten sie sogar Erfolg, als ein Teil der Wand zur Seite glitt und ein dunkler Tunnel sich vor ihnen auftat. „Es gibt keinen Anhaltspunkt, wohin uns das führt“, meinte Mitsuhiko. Er hatte gehofft, dass es ihn einfach in das nächste Zimmer führen würde. Aber der Tunnel vor ihnen konnte gefährlich sein. Sie würden nicht in der Lage sein irgendetwas in der Hand zu halten, das ihnen Licht spendete, so wie beispielsweise die Kerzen auf den Bücherregalen, und sie konnten leicht in ein Loch im Boden fallen oder etwas anderes das genauso schlimm war. „Wenn wir die Wand offen lassen, können wir vielleicht das Ende des Tunnels sehen“, erwiderte Genta. „Wie lang kann der schon sein?“ Dann runzelte er die Stirn, denn er meinte etwas von der Schlafzimmertür aus zu riechen. „Hey, ist das Rauch?“, keuchte er dann auf. Mitsuhiko roch es ebenfalls und schaute zur Tür hinüber. „Ja, natürlich!“, rief er. „Und er kommt hier durch!“ Seine Augen verengten sich. „Wir müssen es durch den Tunnel versuchen, auch wenn wir kein Licht haben. Vielleicht haben wir Glück und es ist ein Weg, der uns aus diesem Gebäude führt!“ Er wusste, es würde nicht lange dauern, bis der Rauch sich im ganzen Zimmer ausgebreitet hatte, vor allem da sie nichts unter den Türschlitz klemmen konnten. Und er wollte keinesfalls ersticken! Der Tunnel war ihre einzige Chance. „Dann lass uns gehen!“, rief Genta und rannte ohne weiteres hinein. Mitsuhiko folgte ihm eilig, wobei er inständig hoffte, dass sie keinen Fehler damit begingen. Der Durchgang war lang und schmal, zumindest schien es den beiden Jungen so. Die Wände waren mit Spinnennetzen behangen, der Boden war aufgerissen und uneben, und beide mussten sehr auf ihre Schritte achten, um nicht unglücklich zu stürzen, sollten die Bretter nicht zusammenhalten. Bald bogen sie um eine Ecke, aber anstatt in absoluter Dunkelheit zu stehen, sahen sie ein Licht vor sich. Hoffnung schöpfend rannten sie darauf zu so schnell sie konnten und kamen schließlich vor einer Tür zum Stehen. „Sollen wir es wagen?“, fragte Genta. Mitsuhiko nickte. „Wir zählen bis drei! Eins… zwei… drei!“ Sie warfen sich gegen die Tür, um sie aufzubekommen. Aber, genau wie bei der anderen Tür, wollte sie einfach nicht nachgeben. Doch dann hörten sie zu ihrer Überraschung vertraute Stimmen auf der anderen Seite. „Wer ist da?“ „Es ist Conan!“, riefen beide gleichzeitig, und während Ai schließlich das Schloss von der anderen Seite knackte, erzählten sie von ihrem Unglück. Als sie fertig waren, schwang die Tür auf und entließ die beiden erleichterten Jungen in den anderen Raum. Nachdem ihnen auch die Fesseln abgenommen worden waren, sahen sie sich erstaunt im Zimmer um. Mindestens zehn weitere Kinder in ihrem Alter waren um sie versammelt. Sie sahen zutiefst erschrocken aus und blieben eng zusammengedrängt, während sie beobachteten, was um sie herum geschah. Genta und Mitsuhiko begrüßten sie, aber die anderen Kinder sahen sie nur mit weit aufgerissenen Augen an. „Sie haben einige schlimme Dinge durchgemacht“, meinte Conan ruhig. „Wir müssen sofort von hier verschwinden!“ Während er sprach gelangten die Flammen und der Rauch immer schneller zu dem Raum durch den Tunnel, durch den Genta und Mitsuhiko gekommen waren. „Habt ihr Ayumi überhaupt gesehen?“, fragte Ai, als sie auf den Hinterausgang zu rannten, den sie hatten öffnen können, nachdem sie durch das offene Fenster gestiegen waren. „Nein, haben wir nicht!“, rief Genta. „Wir haben gehofft, dass sie nicht da ist, weil der Typ, der hier lebt echt unheimlich ist!“ Conan starrte geradeaus. „Ich hoffe auch, dass sie nicht hier ist, aber ich befürchte, sie ist es“, meinte er mehr zu sich selbst. Nachdem alle anderen draußen in Sicherheit waren, wollte er die Suche nach ihr weiterführen. Er hoffte nur, dass die oberen Stockwerke bis jetzt nicht unzugänglich geworden waren. Die Flammen waren nahe daran gewesen, die Treppen von oben bis unten zu verschlingen, als sie sich beeilt hatten Genta und Mitsuhiko zu finden. Und er war sich fast sicher gewesen, dass er Schüsse gehört hatte, auch wenn es hätte sein können, dass nur die Decke langsam runter krachte. ~ Er war sprachlos gewesen, als er den Befehl erhalten hatte Akemi zu töten. Lange Zeit hatte er einfach nur seinen Gedanken nachhängend und rauchend im Wagen gesessen. Akemi war eine Freundin aus Kindertagen gewesen. Sie vertraute ihm, auch wenn sie sich auseinander gelebt hatten, seit er als Assassine arbeitete. Trotzdem sorgte er sich noch um sie, und um Shiho – jetziger Codename Sherry. Wie konnte er Akemi gegenüber treten und abdrücken? Wodka war bei ihm gewesen, und auch wenn er nicht gänzlich Gins inneren Aufruhr verstand. So wusste er doch um Gins Gefühle für Sherry. Ihre Schwester zu töten würde unweigerlich einen Keil zwischen sie trieben. Er hielt sich schweigend zurück und wartete darauf, was Gin tun würde. Es war immer am besten ihn nicht zu unterbrechen, wenn er gerade tief in Gedanken war, wie im Moment. Schließlich startete der blonde Assassine den Motor. Er sagte nicht, was sie tun würden und so musste Wodka ihn fragen. „Aniki, was machen wir jetzt?“ Gin knurrte. „Wir werden den 1-Milliarde-Yen-Raub verüben“, antwortete er, „und eine gefangene Seele erlösen.“ Er konnte nie die Enttäuschung über den Verrat in Akemis Augen vergessen, als Gin und Wodka sie im Lagerhaus angetroffen hatten. Er hatte sie angeschossen, ihr gesagt, dass Verräter sterben mussten und er hatte dabei gegrinst, aber seine Augen hatten so viel mehr ausgesagt, so viele Dinge, die er nicht in Worte hatte fassen können. ´Ich hab dir versprochen dich aus der Organisation zu befreien… und das ist der einzige Weg auf dem ich es dir gestatten kann.´ Er wusste nicht, ob Akemi ihn jemals verstanden hatte. Sie hatte zu ihm zurückgeblickt, mit Augen die Verwirrung, Verrat und Schmerz widerspiegelten, und er hatte sich umgedreht und sie sterbend zurückgelassen. Sherry hatte nie nachvollziehen können, wie er es hatte tun können. Nicht, dass es nicht verständlich war für sie sich so zu fühlen, aber beide waren am Ende betrogen worden. Alles war auseinander gebrochen, ihr aller Leben hatte sich unwiderruflich verändert durch die Organisation, die jeden von ihnen als Schachfigur benutzt und manipuliert hatte. Jede ihrer Geschichten endete in einer Tragödie, und es gab ähnliche Geschehnisse auch bei fast jedem anderen Mitglied der Organisation. ~ Als sie auf den Boden gekracht waren, hatte Ayumi erst nach einer Weile die Benommenheit abgeschüttelt, in der sie noch nicht richtig registriert hatte was um sie herum geschah, aber die Flammen brachten sie wieder zu vollem Bewusstsein. Als sie näher kamen, die Hitze immer unerträglicher wurde und Funken an ihre Hand kamen schrie Ayumi schmerzerfüllt auf. Sie versuchte sich aufzusetzen und bemerkte schließlich, dass ihr Hosenbein aufgerissen war und Blut aus einer üblen Schnittwunde floss, die sie sich wohl während des Falls zugezogen hatte. Ayumi biss sich auf die Lippe, während sie dagegen ankämpfte in Tränen auszubrechen und sah stattdessen zur Seite um zu sehen wie es Gin ging. Sie fand ihn auf dem Bauch liegend, seine langen Haare um ihn herum ausgebreitet und teilweise sein Gesicht verdeckend. Seine Schulterwunde blutete immer noch und er rührte sich nicht. Ayumi tat das was jedes siebenjährige Kind in solch einer Situation tun würde – sie geriet in Panik. Ein Schreckenslaut entfuhr ihr, sie versuchte ihn wachzurütteln, obwohl ihre verbrannte Hand schmerzte. Schließlich konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten und Schluchzer entfuhren ihr, während sie mit bebendem Körper ihn anflehte aufzuwachen. Er konnte nicht tot sein! Er musste aufwachen. Jedoch schien es als wäre jeglicher Versuch zwecklos egal wie sehr sie es versuchte ihn aufzuwecken. In ihrer Verzweiflung umarmte sie ihn und vergrub ihr Gesicht in seinen langen blonden Haaren. „Gin-sama… warum wachst du nicht auf?“, weinte sie. Die Flammen waren bereits näher gerückt und sie klammerte sich panisch an ihn. „Ich brauche dich! Ich will nicht, dass du…dass du stirbst!“ Weiterhin Tränen vergießend, kamen ihr noch andere Gedanken. „Es ist meine Schuld! Wenn ich nicht versucht hätte dich zu finden wärst du nicht verletzt worden! Ich bin schuld…“ Sie verstummte, ihr schauderte und sie fühlte sich als ob alle Hoffnung verloren wäre. Höchstwahrscheinlich war er schon tot, und sie würde es bald auch sein. Der Rauch füllte langsam ihre Lungen und sie hustete. Ihre Augen brannten, sie fing an sich müde zu fühlen. Aber ehe sie dem vollkommen nachgeben konnte hörte sie eine Stimme aus der Nähe. „Versuche es nochmal.“ Ayumi blickte überrascht auf um zu sehen wer gesprochen hatte. Erstaunt keuchte sie auf. Inmitten des Feuers stand eine schöne Frau Anfang zwanzig, mit schwarzen Haaren und blauen Augen, genau wie Ayumi. Sie lächelte dem Kind freundlich zu, und obwohl überall Flammen um sie herum waren schienen diese sie nicht im Geringsten zu belästigen. „Wer bist du?“, fragte Ayumi verwundert. „Das ist nicht so wichtig“, war die Antwort. „Versuche nur ihn wieder aufzuwecken. Er ist noch am Leben, Ayumi. Er wird dir helfen nach draußen zu kommen.“ Ayumi richtet sich auf und versuchte auf dem Boden kniend nicht ihr verletztes Bein zu sehr zu belasten. „Aber…was ist mit dir?“, wollte Ayumi wissen. „Mir geht es gut“, meinte sie lächelnd. Ihr vertrauend versuchte sie erneut Gin wachzurütteln. „Gin-sama! Wach auf… bitte wach auf! Wir müssen hier weg!“, rief sie ihm zu. Ein Teil der Decke krachte in ihrer Nähe runter und sie schrie ängstlich auf, Gin wieder umarmend und ihn flehend endlich zu sich zu kommen. Und er hörte sie. Er hatte ihre Aufweckversuche durch den Schleier der Bewusstlosigkeit hindurch wahrgenommen, aber er hatte es nicht geschafft sich zurück zum Bewusstsein zu kämpfen. Als Ayumi jedoch aufschrie konnte er sich schließlich doch aufraffen der Ohnmacht zu entfliehen. Nachdem er aufgewacht war, bemerkte er die pochenden Kopfschmerzen, welche ihn allerdings wenig überraschten als er sich daran erinnerte, dass ein Teil der Decke ihn erwischt haben musste. Ein Schmerzenslaut entfuhr ihm, er hustete und hatte Mühe sich auf Hände und Knie aufzustützen als er versuchte seine Benommenheit abzuschütteln. Dann sah er sich nach Ayumi, die ebenfalls auf dem Boden kniete und wegen des Rauches stark hustete. Er griff nach ihr und zog sie zu sich heran, während er sich im Raum umsah. Das Zimmer schien genauso auszusehen wie das über ihnen, und das Fenster war die einzige Fluchtmöglichkeit. Aber das Feuer versperrte ihnen den Weg. Gin starrte in die Flammen. Er hatte nur eine Chance zu hoffen Ayumi von hier rauszuholen, indem er sie in seinen Mantel hüllte, durch das Feuer rannte und die Scheiben durchbrach, um zwei Stockwerke tief fallend am Boden anzukommen. Unter normalen Umständen konnte er sowas schaffen, aber im Moment fühlte er sich immer noch leicht benommen. Und dennoch wusste er, dass ihm nichts anderes übrigblieb als es zu probieren. Seine Balance zu halten versuchend, taumelte er leicht, als er das Mädchen nah bei sich hielt und seine Haare mit der freien Hand unter den Mantel schob. Er fragte sich wo Wodka war und stellte fest, dass er hoffte sein Partner hatte es lebend hier raus geschafft. „Gin-sama, wir müssen auch die Frau hier rausholen“, murmelte Ayumi, während sie sich in den Mantelfalten verbarg. Sie war so froh, dass er am Leben war, aber der Rauch machte ihr immer mehr zu schaffen und so konnte sie nicht wirklich zum Ausdruck wie glücklich sie darüber war. So schmiegte sie sich eng an ihn und hörte seinem Herzschlag zu. Er starrte zu ihr runter. „Welche Frau?“, wollte er wissen. „Die hübsche Frau mit den dunklen Haaren, die mir gesagt hat ich soll weiter versuchen dich aufzuwecken“, erzählte Ayumi ihm mit gedämpfter Stimme. „Sie ist im Feuer gestanden, aber sie hat gesagt es würde ihr nichts ausmachen…“ Gin erbleichte. „Hier ist niemand“, meinte er schroff. „Und jetzt sag nichts mehr. Du hast genug Rauch eingeatmet“ Nicht weiter darüber nachdenkend atmete er einmal tief ein und stürzte sich in die Flammen die an das Fenster grenzten. Das Glas zersplitterte in alle Richtungen und er fühlte wie ihn einige Scherben schnitten, aber er ignorierte sie als der Boden immer näher kam. Er kam mit den Füßen auf und nach vorne fallend rollte er sich ab, um auch eventuelle Flammen, die seine Kleidung erwischt haben konnten zu ersticken. Schließlich richtete er sich wieder auf und hustete. Er hatte mehr Rauch eingeatmet als er dachte. Murmelnd setzte er Ayumi behutsam auf einer nahen Rasenfläche ab und trat zurück. Sie würde in Sicherheit sein. Er konnte Stimmen in der Nähe hören. Ihre Freunde suchten nach ihr. Sie würden sie finden. Ayumi hustete und griff hastig nach ihm. „Gin-sama, verlass mich nicht“, flüsterte sie, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Er wusste nicht was ihn dazu verleitete als er ihre Hand nahm. Wahrscheinlich dachte er, dass sie so mitleiderregend aussah, als sie so dalag und versuchte ihn zu erreichen. Er sah ihr ernst in die Augen. „Ich kann nicht bleiben“, erklärte er ihr, seine Stimme klang ruhig und gleichzeitig kratzig. „Du bist jetzt in Sicherheit… Ayumi.“ Sie lächelte matt. „Du hast mich bei meinem Namen genannt“, meinte sie leise und schloss ihre Augen. Als er sah, dass sie nun endlich zur Ruhe gekommen war, stand Gin wieder auf und verschwand hinter einer Hecke des Anwesens. Er fragte sich was er nun tun sollte. Zurück ins Haus gehen und nach Wodka suchen kam nicht infrage. Wenn er es bis jetzt noch nicht nach draußen geschafft hatte, dann gab es keine weiteren Möglichkeiten mehr. Und so entschied sich Gin sich zu seinem Auto zu begeben, während er hustet und versuchte wieder einen klareren Kopf zu bekommen. Auf halben Weg traf er seinen besorgten Partner, der scheinbar einigermaßen glimpflich davongekommen war, bis auf seine zerrissene Kleidung und einer Wunde an seinem rechten Arm, die er sich während des Kampfes mit Ushios Männern zugezogen hatte – aus dem er übrigens als Sieger hervorgegangen war. Als Wodka Gin kommen sah, starrte er ihn an als würde er seinen Augen nicht ganz trauen und trat dann neben ihn um ihn zu stützen, als Gin beinahe über eine kleine Anhöhe gestolpert wäre. „Aniki, was ist passiert?“, rief Wodka. „Ich… ich dachte es wäre aus mit dir…“ Nachdem Wodka ihn näher betrachtet hatte stellte er fest, dass Gin in der Tat eher halbtot erschien in seinem verwirrten Zustand. Wenn sie zurück ins Quartier kämen würde Gin wohl erst einmal die Krankenstation aufsuchen müssen, egal ob er wollte oder nicht. Und natürlich wusste Wodka, dass er nicht wollen würde. „Damit wären wir schon zu zweit“, schnaubte Gin. Er würde es nie zugeben, aber er war erleichtert Wodka zu sehen. Er war in Sicherheit, Ayumi war in Sicherheit, er war in Sicherheit… Sie alle waren aus diesem Alptraum herausgekommen, außer Ushio und seine Männer, und Gin war sich sicher, dass sie genau das bekommen hatten was sie verdient hatten. „Wo ist das Mädchen?“, fragte Wodka als sie sich auf den Weg zum Auto machten. „Ihr geht es gut“, antwortete Gin, und kurz hielt er inne als er Rufe aus der Richtung hörte aus der er gekommen war. Sie hatten sie gefunden. Er lächelte vage, und dieses Mal war Wodka sich sicher, dass er es gesehen hatte. „Sie ist hier! Ich hab sie gefunden!“, rief Genta und rannte zu Ayumi, die im Gras lag. Für einen Moment befiel ihn Panik, aber dann öffneten sich ihre Augen und sie lächelte ihm entgegen. Erleichtert lehnte er sich zurück und grinste sie an. „Sie ist verletzt aber sie wird es überstehen!“ Die anderen versammelten sich um sie herum und Professor Agasa fing an ihre Schnittwunde am Bein zu behandeln. „Sie kann unmöglich alleine hierhergekommen sein in ihrem Zustand“, bemerkte er zu Conan blickend, der es nicht geschafft hatte noch einmal in das Haus zu gelangen nachdem sie es bereits verlassen hatten – alle möglichen Durchgänge im ersten Stock waren unpassierbar gewesen. Der Ausgang aus dem sie gekommen waren war fast unmittelbar danach vom Feuer verschlungen worden. „Jemand muss ihr geholfen haben“, stellte Professor Agasa fest. „Es gibt keine andere logische Erklärung.“ „Was ist passiert, Ayumi?“, wollte Genta wissen. Sie lächelte weiterhin. „Es war Gin-sama“, antwortete sie, nicht ahnend welche Wirkung diese Aussage auf Conan und Ai hatte. Beide betrachteten sie mit vollständigem Unglauben. „Gin-sama?“, rief Conan, sicher, dass er sich verhört haben musste. „Ayumi-chan, wer ist das?“ Er wusste, er hatte den Porsche vorne gesehen, aber… das war nicht möglich! Gin hätte er niemals geholfen! Conan hielt ihn nicht für fähig so etwas zu tun, nach allem was er Gin hatte tun sehen. „Er hat mich vor diesem schrecklichen Mann im Park gerettet“, meinte Ayumi leise, „und heute wieder. …Er hatte Leute getötet, aber er ist kein schlechter Mensch. Er ist immer noch gut und freundlich, tief im Innern… Gin-sama… ohne ihn wäre ich nicht in Sicherheit…“ , ihre Stimme verstummte. Sie war erschöpft von alledem, was sie durchgemacht hatte, und sie musste ärztlich behandelt werden, aber ihre Wunden würden heilen. In etwa einer Woche würde sie wieder in Ordnung sein. Conan schluckte schwer und sah Ai an. „Was…was denkst du?“, stammelte er. Sie schüttelte den Kopf. „Es kann nicht sein“, erwiderte sie angespannt. „Es ist nicht möglich…“ Sie wandte sich ab. „Er würde nicht…“ Aber ein letzter Zweifel blieb. Ayumi war sich dessen so sicher und jemand musste ihr geholfen haben. Und woher würde Ayumi sonst Gins Namen kennen wenn sie ihm nicht begegnet wäre? Sie sah in die Ferne, wo sie die Sonne aufgehen sehen konnte. Ein Mann, den sie vor langer Zeit einmal gekannt hatte, könnte Ayumi geholfen haben, aber sie hatte geglaubt, dass dieser schon längst tot war, begraben in Hass und Grausamkeit. Aber… hatte sie sich geirrt? Existierte etwas von ihm immer noch? Würde sie es je erfahren? … Oder war der Beweis dafür das kleine Mädchen, das vor ihr lag, und ohne ihn wohl tot wäre? Epilog: One week anda half later - Eineinhalb Wochen später ----------------------------------------------------------- Ran Mouri sah zu wie die Kinder, bekannt auch als die Detective Boys, fröhlich im Park spielten. Ayumi ging es schon besser, auch wenn ihre verbrannte Hand immer noch heilen musste und ihr Bein noch nicht voll belasten durfte. Sie war auf einer der Schaukeln und schien es zu genießen als sie lachend immer höher und höher schwang. Sie vermisste Gin dennoch, und sie fragte sich, ob sie ihn je wieder sehen würde. Ihr Gefühl sagte ihr zwar, dass sie ihm wahrscheinlich nicht mehr begegnen würde, aber natürlich hoffte sie darauf. Ihm ging es bestimmt gut, wo auch immer er war, trotzdem wollte sie sich dessen versichern. Sie würde ihn jedenfalls nie vergessen. Er würde immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen haben. Ran schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht glauben, dass sie das alles durchgemacht haben. Obwohl ich überall nach ihnen gesucht habe konnte ich sie nicht finden! Ich hab erst erfahren wo sie sind, als Professor Agasa mich vom Krankenhaus aus angerufen hat.“ Sie runzelte die Stirn. „Ehrlich, die Kinder begeben sich viel zu oft in Gefahr! Es ist als würde es sie regelrecht verfolgen!“ Sie wusste wie sehr es ihnen gefiel Detektive zu spielen, aber fast immer gingen sie zu weit damit und brachten sich in ernsthafte Schwierigkeiten. Sie wusste wirklich nicht wie sie davon abhalten sollte. Sonoko grinste nur, bevor sie einen Schluck aus ihrer Limodaenflasche nahm. „Tja, wenn ich mit dabei gewesen wäre, hätte ich das Problem schneller gelöst“ Ihre Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an. „Und dann hätte ich diesem Gin begegnen können, den Ayumi ständig erwähnt! Oh, er muss gut aussehen!“ Sie stellte ihre Flasche beiseite und faltet die Hände vor sich während ihr Blick in die Ferne schweifte. Ran sah sie ungläubig an. „Unabhängig davon, ob er sie nun gerettet hat oder nicht, er ist immer noch ein Krimineller“, stellte sie klar. Sonoko runzelte die Stirn. „Nun, das heißt ja nicht automatisch, dass er nicht gutaussehend sein kann“, schmollte sie. „Und so wie Ayumi ihn beschreibt kann er das sehr wohl sein!“ Ran seufzte, sie wusste es brachte nichts dagegen anzureden. ~ Wieder einmal saß Gin in einem Straßencafé, während er die Zeitung las. Kaito Kid hatte die Polizei wieder mal hinters Licht geführt. Es gab einen Autounfall auf der Autobahn. Ein bekanntes Glücksspielunternehmen entwickelte eine neue Technologie zu einem beliebten Tauschkartenspiel. Ein renommierter Politiker war ermordet worden. Aber es gab keine weiteren Nachrichten über Entführungen und darauffolgende Morde. Zufrieden lehnte sich Gin zurück. „Aniki… glaubst du, der Boss hat dir deine Geschichte abgekauft?“ Gin sah wandte sich in aller Ruhe zu Wodka. „Ich sehe keinen Grund, warum nicht. Es war keine Lüge. Ich hab Ushio in Notwehr getötet.“ Er rieb sich über die Schulter. Die Wunde war noch immer am verheilen und schmerzte wenn er sich zu sehr bewegte. Es nervte ihn ziemlich, vor allem, da er nicht sehr viel unternehmen konnte bis es vollständig geheilt war. Er konnte zwar mit seiner rechten Hand schießen, aber es war gewöhnungsbedürftig. Deswegen hatte er angefangen mit der Rechten schießen zu üben. „Ja, schon…aber was hast du ihm für einen Grund genannt, dass Ushio wütend auf uns geworden ist?“ Wodka spürte immer noch seine Nervosität, während er sich zurücklehnte. Er war sich nicht sicher was mit ihnen passieren würde, wenn die ganze Wahrheit hinter den ganzen Ereignissen jemals zu Anokata durchdringen würde. Wodka hatte bereits den Verdacht, dass Vermouth irgendwie etwas davon wusste, nachdem sie einige Andeutungen gemacht hatte im Quartier, und da sie ja dem Boss sehr nahe stand, war es nur wahrscheinlich dass sie Anokata etwas erzählen konnte. Gin schnaubte. „Ushio war bekannt dafür, dass er paranoid war“, antwortete er. „Es macht Sinn zu behaupten, dass er angenommen hat, wir hätten ihm nicht die volle Summe des Geldes gezahlt, die er verlangt hat, und das war genug Grund für ihn gegen uns vorzugehen.“ Er zündete sich eine Zigarette an. „Anokata scheint es jedenfalls geglaubt zu haben.“ „ich bezweifle, dass Vermouth das geglaubt hat“, wagte Wodka einzuwenden. „Sie kann nichts beweisen“, antwortete Gin. „Und überhaupt, du kennst ja ihren Spruch – a secret makes a woman beautiful.“ Dabei verzog er angewidert seine Miene. „Sie spielt mit uns, aber ich denke nicht, dass sie etwas verraten wird, vor allem, wenn sie keine Beweise hat.“ „Ja, könnte sein…“ Wodka musterte ihn. „Was ist mit dem Mädchen?“ Gin schenkte ihm nur einen gelangweilten Blick. „Was ist mit ihr?“ „Nun… sie hat bestimmt über uns erzählt“, wies Wodka darauf hin. „Sie ist verrückt nach dir.“ „Da gibt es nicht viel was sie dagegen tun können“, erwiderte Gin achselzuckend. „Sie können uns auf diesem Weg nicht aufspüren, da Ushio tot ist. Er hat seine Spuren immer gut verwischt. Sie werden es schwer haben jemanden zu finden, der für Ushio gearbeitet hat.“ Er blätterte weiter in der Zeitung. „Und ich werde das Mädchen bestimmt nicht wieder sehen. Das ist auch besser für jeden von uns. Ich kann nicht auf sie aufpassen, und sie sollte sich lieber jemand anderen suchen den sie bewundern kann.“ Als er von seiner Zeitung aufsah, fiel sein Blick plötzlich auf ein rothaariges Mädchen gegenüber der Straße. Eine Weile lang betrachtete er sie, fasziniert davon wie bekannt sie ihm vorkam, mit ihrem Haarschnitt und der Art ihrer Kleidung, die sie trug. Zuerst schien sie ihn nicht zu bemerken, aber als sie fühlte, dass sie beobachtet wurde, wandte sie sich um in seine Richtung. Ihre Augen trafen sich – Saphirblau und Smaragdgrün. Einen Augenblick lang passierte nichts, beide zu verblüfft über die Begegnung um zu reagieren. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein in diesem Moment. Unerwartet stand Gin auf, der Stuhl kippte nach hinten, landete auf dem Boden und er wäre beinahe darüber gestolpert. Er hielt sich an der Tischecke fest um seine Balance wieder zu erlangen, aber in der Sekunde, die er dazu brauchte, war das Bild schon wieder verschwunden. Er starrte weiterhin auf die Stelle, wo sie gewesen war und atmete schwer. Das konnte nur ein Irrtum gewesen sein. Er musste bereits Dinge sehen, die es nicht gab! Und doch hatte das Mädchen genauso ausgesehen wie sie… es waren ihre Augen! Er würde sie nie vergessen. Wodka stand ebenfalls auf und sah Gin verwirrt an. „Was ist?“, fragte er. Als er dem Blick des blonden Assassinen folgte konnte er nichts entdecken. Aber Gin hatte offensichtlich etwas gesehen, das ihn aufgeschreckt hatte. Es gab nur sehr wenige Dinge, die ihn die Kontrolle auf diese Weise verlieren ließen, aber gerade eben sah er aus als hätte es ihn ziemlich mitgenommen. Gin hörte die Stimme seines Partners erst nicht. Er erinnerte sich daran, dass Ayumi gesagt hatte, sie habe eine Frau in den Flammen stehen sehen. Sie hatte ihm nur eine vage Beschreibung gegeben, aber es hätte zu Akemi gepasst. Und das, was er eben gesehen hatte sah genauso aus wie Shiho als Kind. Aber das war unmöglich. Er fragte sich, ob er nicht doch lieber eine komplette Auszeit nehmen sollte für ein paar Tage. Der Stress musste ihm ganz schön auf die Nerven gehen, entschied er. „Aniki?“ Schließlich kam er wieder zu sich als Wodka ihn am Arm packte. „Was hast du gesehen?“, rief er. „Spioniert uns jemand hinterher?“ Er war bereit seine Pistole zu ziehen aber Gin schüttelte nur den Kopf, während er sich wieder fing. „Ich hab nichts gesehen“, knurrte er und ging zum Wagen. „Nur… ein Geist aus der Vergangenheit.“ Verwirrt folgte ihm Wodka. ~ Ai versteckte sich hinter einer Ecke des Gebäudes und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Gin da war. Sie hätte es auch nie, wenn sie nicht seinen stechenden Blick gespürt hätte. Als sie sich zu ihm umgedreht hatte waren so viele Emotionen in ihr hochgekommen – Angst, Panik, Entsetzen, und etwas worüber sie selbst nicht sicher war. Sie hatte in diese grünen Augen gesehen, einen abgebrühten kalten Killer, der zu ihr zurückstarrte, derselbe den sie auf dem Dach des Hotelgebäudes begegnet war. Aber sie hatte auch etwas in ihm aufflackern sehen, etwas positives, eine Spur von dem Mann, den sie geliebt hatte. Sie blickte hinauf zum Himmel, der langsam wieder von Wolken überzogen wurde und neuen Schnee ankündigte. Warum hast du Ayumi gerettet? Fragte sich im Stillen. Ich verstehe nicht, wie du darauf kommst, so etwas zu tun. Was nützt es dir? Hast du es nur getan um einmal etwas Gutes zu tun? Ich habe gedacht, dieser Teil von dir wer gestorben. Sie wollte zu ihm gehen, ihn damit konfrontieren was mit Ayumi geschehen war, aber sich wusste, dass sie das nicht tun konnte. Sie konnte nicht riskieren ihre Identität auffliegen zu lassen. Das Treffen zwischen ihr und Gin würde warten müssen bis sie einen Weg gefunden hatte das dauerhafte Gegenmittel zu entwickeln. Aber… sie würden sich eines Tages wieder sehen, das schwor sie sich. Nur war sie sich nun weniger sicher, was passieren würde, wenn es passierte. Sie stieß sich vom Gebäude ab und Tränen füllten ihre Augen. Sie wollte nicht an ihn denken, oder an das was sie einst hatten, aber seit Ayumis Erlebnis war sie nicht in der Lage gewesen ihn aus ihren Gedanken zu verdrängen. Sie hatte sich an ihre Kindheit erinnert, wie sie mit ihm aufgewachsen war… wie sehr sie ihn geliebt hatte… und wie sie gedacht hatte er würde sie lieben. Und sie erinnerte sich daran, wie ihre Welt zusammengebrochen war, als er Akemi getötet hatte. Wie hatte er das ihrer Schwester antun können? Wie hatte er sie nur auf diese Weise verraten können? Sie verschränkte die Arme als sie langsam nach Hause trottete, inmitten des Schnees, der leise zur Erde fiel. Sie wusste, sie würde es nie verstehen. Wie konnte er solche Dinge tun und dennoch hatte Ayumi beschützt? Es ergab keinen Sinn für sie. Jedoch wollte sie nicht weiter darüber nachdenken. Sie wollte nach Hause gehen, zurück zu ihrem neuen Leben und vergessen was in ihrem alten Leben passiert war. Und doch… sie wusste auch, dass sie es nie vergessen würde, oder konnte. Sie würde Akemi immer vermissen…und den Gin, den sie dachte gekannt zu haben. Ihre Gedanken gingen über zu der Frau, die Ayumi beschrieben hatte, die, die sie ermutigt hatte. Sie war sichtlich blass geworden, als Ayumi das erste Mal davon erzählt hatte. Es klang als ob es Akemi gewesen war, und Ai fragte sich ob das möglich war. Sie war eine Wissenschaftlerin. Sie konnte nicht sagen, ob sie daran glaubte, dass die Seelen der Menschen weiterhin auf der Erde lebten oder ob es überhaupt so etwas wie Geister gab. Aber wenn dem so war konnte sie sich immerhin vorstellen, dass ihre Schwester kommen und ein Mädchen wie Ayumi ermutigen würde. Sie lächelte leicht als sie weiter durch das Schneegestöber stapfte. Es war wenigstens ein angenehmer Gedanke und es gab ihr etwas Hoffnung. Und das war etwas, dass sie brauchen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)