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Die Klingen des Kaisers

von

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Pavero

Als Michel in der befestigten Bischofsstadt hoch über dem Meer ankam, deren vier Tore nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet waren, war er mehr als müde. Markward war mit einer Eilkutsche unterwegs und hatte eine Woche Vorsprung, den er möglichst hatte aufholen wollen. Jetzt konnten es nur mehr drei Tage sein – aber auch in diesen mochte bereits viel passiert sein.

So ignorierte er seine Müdigkeit und ging unverzüglich in den Bischofspalast um sich Konstantin vorzustellen. Uther hatte Recht, es war höflich und würde nicht weiter auffallen. Der Palast war zusätzlich von einer hohen Mauer umgeben und es gab eine Menge Wachen – der gute Bischof schien nicht gerade der beliebteste Mann seines Städtchens zu sein, das scheinbar so ruhig um den Dom und den Bischofssitz herum lag. Nur der Wind, der vom unten an den Klippen liegenden Meer kam, bewies die südliche Milde der Landschaft.

Bischof Konstantin war ein dunkelhaariger Mann Mitte bis Ende der Vierzig, in der schwarzen, hochgeschlossenen Robe eines Bischofs, mit dessen dunklen Umhang – obwohl er ja eigentlich nur ein Titularbischof war und kein Mann der Kirche. Aber anscheinend sah er sich eher so als als Adeliger. Er saß in seinem Arbeitszimmer und hörte sich die Vorstellung an.

„Michel de la Montagne, ich erinnere mich. Es muss aber schon eine Weile her sein, dass ich Euch sah. Ich komme ja nur mehr selten nach Paradisa. Allerdings,“ fügte er mit einem Lächeln hinzu: „Würde keiner, der Euch je sah, Euch vergessen.“ Eine freundliche Umschreibung für diese aufgedonnerte Kleidung und das unvermeidliche Taschentuch. „Meine Neugier treibt mich dennoch zu der Frage, was ein Mann wie Ihr in meinem bescheidenen Ort sucht.“

„Einige Tage der Ruhe, ehe ich weiterreise, wenn Ihr es mir gestattet, verehrter Bischof. Eigentlich möchte ich nach Mania in Cinquanta. Wie Euch sicher bekannt ist, landen dort viele Schiffe von jenseits des Meeres und die Stadt ist berühmt für ihre Parfümeure. Ich kaufe stets lieber vor Ort. Das ist zwar schrecklich anstrengend so zu reisen, aber man bekommt die beste Ware.“

„Das mag sein. Und ja, Ihr seid einer der Männer, die dieser neumodischen Sitte des Parfümierens folgen. Das ist nicht so meine Sache.“ Der Bischof hob ein wenig die weißen Hände, die anzeigten, dass sie selten der Sonne ausgesetzt waren: „In den Kirchen gibt es genug Weihrauch, so dass ich auf weitere Düfte gut verzichten kann.“

Das war verständlich, zumal in manchen Gegenden mit dem Weihrauch mehr als üppig umgegangen wurde. War es hier auch so? Michel gab zu schon länger in keiner Kirche gewesen zu sein, nun, eigentlich seit der Hochzeit des Kaisers nicht mehr: „Natürlich, ehrenwerter Bischof, überdies ist es nur am Hofe notwendig...um, sagen wir ein wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Vor allem bei den Damen.“

„Also werdet Ihr ein paar Tage bleiben? Dann kommt doch morgen Abend zu meinem Empfang. Einige Leute aus der Umgebung werden auch kommen, und natürlich mein Gast.“

Michel hütete sich in jahrelanger Erfahrung zu zeigen, dass er wusste, wer das war: „Oh, ein Amtskollege? - Danke, für die freundliche Einladung.“

„Nein, nicht wirklich. - Natürlich. Kommt dann übermorgen um acht Uhr. Wo seid Ihr abgestiegen?“ Konstantin schien nachzudenken, welches Gasthaus in seiner Stadt einem solchen Besucher ansprechen könnte.

„Dem Goldenen Hirschen.“ Der teuerste Gasthof der Stadt. Schließlich hatte er einen Ruf zu verlieren, aber dieser lag auch gegenüber dem Bischofspalast und war ihm daher mehrfach günstig erschienen.

„Gut. Dann werde ich Euch eine Einladungskarte dorthin zukommen lassen.“ Natürlich, eigentlich hätte er kaum fragen müssen. Er neigte ein wenig den Kopf und bewegte kaum sichtbar die Rechte. Als Höfling würde de la Montagne Bescheid wissen.

„Danke.“ Michel verneigte sich auch sofort, denn die Audienz war beendet.
 

Er richtete sich in seinem Zimmer ein, weniger, weil er annahm hier wirklich mehrere Tage zu verbringen, als um es so aussehen zu lassen. Eine Rolle musste stets perfekt gespielt werden. Dieser Empfang sollte zeigen, ob Markward noch hier war – und wie der sich dazu stellte einen Bekannten zu treffen. Er würde kaum wollen, dass seine kleine Reise zu den Ohren seines Vaters gebracht wurde. Entweder er tat als ob alles in Ordnung sei, damit nichts ungewöhnlich oder erwähnenswert schien, oder er versuchte ihn zu bestechen. Chilperich war nicht hier, also müsste der Kaisersohn allein denken – ein Widerspruch in sich. Aber Uther hatte schon Recht: vorsichtig sein und mit allem rechnen. Allerdings würde Markward kaum etwas öffentlich unternehmen können, nicht, solange ihm ein rechtlicher Vorwand dafür fehlte. Und Michel beschloss, dass er sich auf keine Duellforderung des Kaisersohns einlassen würde.
 

Dann schlief er erst einmal aus, ehe er ein wenig durch Pavero schlenderte, ganz in der Rolle eines neugierigen Reisenden. Dabei entging ihm nicht, dass er beschattet wurde. Konstantin schien vorsichtig zu sein. Konstantin? Oder Markward? Hatte der seinem entfernten Cousin schon gesagt, dass niemand aus Paradisa wissen sollte, dass er hier sei?

Ein wenig vermisste er selbst seine Partnerin. Er hatte sich in den vergangenen Monaten daran gewöhnt, seine Gedanken mit ihr besprechen zu können, sie einfach an seiner Seite zu haben. Solche Alleingänge hatte er früher stets gemacht, aber irgendwie war eine zahme Bulldogge doch etwas Beruhigendes.

Markwards Anwesenheit würde jedenfalls auch erklären, warum sich der gute Bischof nicht die Mühe gemacht hatte, nach dem Wohlbefinden des Kaisers und seiner Familie zu fragen, wie es doch üblich war, kam man aus Paradisa. Und Konstantin gehörte ja, wenn auch entfernt, zur kaiserlichen Familie.

Nun, gleich. Er sah sich um. Das Städtchen lebte von Fischerei und Handel, aus beiden Bereichen gab es genug Geschäfte und auch Gasthöfe. Es wirkte eigentlich relativ ordentlich – sah man von den Straßen ab. Aber außerhalb der Kernlande wurde der Müll und sonstige Abfall nie entfernt oder nur selten. Dagobert hatte da ein sehr gutes System eingeführt, nahm Michel zumindest an. In Paradisa wurde auch der Abfall auf die Straße geworfen, allerdings gab es eine Vorschrift, dies nur nach einer bestimmten Nachtzeit zu tun. Dann trieben im ersten Morgengrauen Leute ihre Schweine durch die Straßen, die alles fraßen, was sie vertrugen – und so für ihre Besitzer schlachtreif wurden. Es war eine Möglichkeit auch ärmeren Menschen zu einem Zubrot zu verhelfen. Danach gingen dann die Sammler durch, die in den Überresten nach Verwertbarem suchten und es an einen Alteisenhändler oder ähnliches verkauften. Dann kamen die Ärmsten, die sich selbst diese Lizenzen noch nicht hatten leisten könnten und fegten die Überreste zusammen, um sie auf einem Karren, den ihnen der Stadtrat von Paradisa stellte, hinaus vor die Stadt zu fahren, wo jemand in kaiserlichen Diensten sie verbrannte. Es war auch für die Stadt eine relativ teure Angelegenheit, aber Michel musste zugeben, dass Paradisa seit Jahrzehnten vor großen Cholera-Epidemien und Typhus verschont geblieben war. Hier sah das wohl anders aus, dachte er unwillkürlich, als er am Friedhof vorbeiging und sehr viele Namen aus dem Winter vor vier Jahren las. Dagobert hatte manchmal schon verrückte Ideen – und die Macht sie zumindest im Kernland durchzusetzen. Anscheinend dachte er sich wirklich etwas dabei und Michel entschuldigte sich in Gedanken bei ihm – schließlich hatte es ihn zunächst amüsiert, dass sich der Kaiser Sorgen um den Müll machte. Aber so hatten Menschen sogar Gelegenheit von der Müllabfuhr irgendwie zu existieren und wurden weniger leicht kriminell. Wie sagte man so schön, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Ob seinem Beschatter nicht langweilig wurde?

Er sollte sowieso in den Gasthof zurückgehen und sich Garderobe für den heutigen Abendempfang aussuchen. Auch hier fiel ihm wieder auf, dass es ungewöhnlich viel Wachen waren. Entweder Konstantin hatte ein überaus hohes Schutzbedürfnis – oder nutzte die eigentliche Stadtwache auch zur Repräsentation. Immerhin würden allen Besuchern die Bewaffneten auffallen – Zeichen eines gewissen Reichtums.
 

Im großen, von breiten Granitsteinsäulen gestützten, Saal erwartete der Bischof seine Gäste, auf einer dreistufigen Empore am anderen Ende des Raumes sitzend. Nun ja, eindeutig gab er gern an, das zeigten auch die sicher teuren Teppiche an den Wänden, die Ständer an den Mauern und Säulen mit je bis zu dreißig Wachskerzen. Michel beschloss jedoch den Mund zu halten. Das ging ihn nichts an und in Pavero war Konstantin nun einmal der Herr. Solange er dem Kaiser die notwendigen Abgaben zahlte, konnte er mit dem Rest seiner Steuern machen was er wollte.

Fast direkt neben dem Bischof stand Markward. Als er den Agenten entdeckte, funkelte etwas in seinen Augen und er bückte sich zu Konstantin, um dem etwas zuzuflüstern.

Aus langjähriger Erfahrung und gesundem Instinkt hatte Michel das Gefühl es wäre besser zu gehen. Aber er konnte jetzt unmöglich zurück. Etwas betonter als je sein Taschentuch wedelnd ging er durch den Raum und verneigte sich ein wenig, jedoch höflich genug, vor dem Stadtherrn und einmal extra vor dem Kaisersohn. Er zeigte ein gewisses Erstaunen, den hier zu sehen, aber das schien ihm nur zu seiner Rolle zu passen. Offiziell wusste niemand, dass Markward abgereist war, gar in den Süden.

Der Kaisersohn lächelte und Michel erkannte in diesem Moment, dass er sich in diesem einen Feind fürs Leben geschaffen hatte, warum auch immer. „Der edle don de la Montagne, welche Überraschung. Nun, werter Cousin Konstantin, ich bin wirklich erfreut, ihn hier und heute Euch sozusagen vorstellen zu können.“

Obwohl das Gesicht des Agenten mit einem fragenden Lächeln verziert wurde, überschlugen sich seine Gedanken. Was war hier los? Was plante Markward?

„Oh, natürlich, werter Markward,“ erwiderte Konstantin ruhig: „Aber zunächst würde ich doch vorschlagen, dass wir alle ein wenig von den vorzüglichen Happen meiner Küche zu uns nehmen, die soeben herumgereicht werden. Don de la Montagne, ich bin sicher, selbst Euer verwöhnter Gaumen wird Spaß daran haben. Meine neuen Köche stammen aus dem nördlichen Pisan und haben auch im Süden gelernt. Sie sind wahre Meister ihrer Kunst.“

Falle oder nicht? Hörte er schon das Gras wachsen? War er so nervös, weil seine Partnerin nicht hier war? Michel neigte jedoch nur höflich den Kopf und suchte sich einige der wirklich nett anzusehenden Häppchen von einem vorbei getragenen Tablett. Hier konnte nichts vergiftet worden sein, außer der Bischof wollte alle Besucher umbringen – und dieser selbst nahm auch von einem Diener. Nein. Konstantin war wohl weniger das Problem als Markward. Der hatte irgendetwas vor – nur was? Gegen ihn als Person? Gegen ihn als Agenten? Nein, davon konnte der doch nichts wissen. Sie waren immer so vorsichtig gewesen.

Er hätte wirklich nicht geglaubt, dass ein Partner so beruhigend wäre Aber ihm war klar, dass er seine Rolle spielen musste. Aufgeflogen oder nicht, es war seine einzige Chance, und so streifte er umher, machte den Damen Komplimente – und hütete sich davor etwas Verdächtiges zu unternehmen.
 

Es war bereits gegen Mitternacht und die ersten Gäste brachen auf. Michel sah seine Option und wollte sich unauffällig ebenfalls zurückziehen. Als er sich etwas vor dem Bischof verneigte, durchaus Abschied nehmend, meinte Konstantin:

„Oh, werter don de la Montagne, kommt doch noch.....Markward, der uns allen Teure, wollte mir noch etwas zeigen und erwähnte, dass er Eure Gegenwart dabei schätzen würde.“

Markward. Aber was blieb ihm schon übrig? So folgte er dem Bischof in einen Seitenraum, von dem aus drei weitere Türen abgingen. Ansonsten war dieser unmöbliert, die Wände unverziert. Eindeutig ein Raum für Diener oder Wachen. Der Kaisersohn stand dort und lächelte ihn an.

„Ja, werter Cousin Konstantin, ich habe mich nicht getäuscht. Da Ihr so freundlich wart mir Eure Unterstützung zuzusagen, könnt Ihr dies auch gleich durch Taten beweisen.“

Michel spannte sich instinktiv an. Er war unbewaffnet und sehnte sich mehr denn je nach Sarifa. Hatte ihm das Emsby-Abenteuer nicht bewiesen, wie wichtig es war, eine verborgene Waffe bei sich zu haben? Er blickte jedoch zum Hausherrn.

Konstantin streichelte ein wenig sein Kinn: „Nun, gewiss, teurer Cousin. Allerdings muss ich zugeben, dass ich es fast nicht glauben kann.....“

„Genau das ist es ja. Er ist perfekt. Niemand kommt auf den Einfall und ich bin sicher, Ihr wisst, wie mein Vater und Onkel denken.“

Der Bischof nickte ein wenig, ehe er vollkommen gelassen sagte: „Gut. - Nehmt ihn fest.“

Michel wollte herumfahren, fand sich aber in dem Griff von vier Geharnischten, die ihm geübt die Hände auf den Rücken banden: „Was...soll das?“ fragte er daher den Hausherrn. „Ihr seid nicht berechtigt...“ Da sah er Markwards Lächeln und ihm wurde kalt. Was hatte dieser Mistkerl ausgebrütet?

Konstantin nickte: „Oh, Ihr versteht nicht? Dann möchte ich Eure Unwissenheit erleuchten, schon aus reinem Mitleid. Mein verehrter Cousin gab mir nur zu deutlich zu verstehen, lieber don, dass Euer gesamtes Verhalten nur Tarnung ist und Ihr in Wahrheit einer der besten Männer des Geheimdienstes seid. Und auf ihn angesetzt.“

Michel starrte Markward zutiefst geschockt an, dann den Bischof. Das war unmöglich, nein, das konnte nicht sein? Wie hätte dieser dämliche Markward davon Wind bekommen sollen? Und, noch schlimmer, was hatten sie nun vor?

Darüber sollte er nicht lange im Unklaren bleiben: „Ich gehe dann mal lieber, Cousin Konstantin“ Der Kaisersohn verließ den kleinen Raum, nicht, ohne dem Gefangenen noch einen zufriedenen Blick zuzuwerfen, sich doch das „Viel Spaß...“ sparend.

Der Bischof dagegen sagte: „Ich versprach ihm meine gewisse Unterstützung. Falls er sich irrt und Ihr nicht für den Geheimdienst des Kaisers arbeitet, tut es mir Leid um Euch. Denn mein...Verhörleiter wird Euch sicher kein Wort glauben, ehe Ihr nicht zusammengebrochen seid und über alles redet. Bringt ihn in den Kerker.“

Michel rang noch immer nach Worten, aber ihm war bewusst, dass diese verschwendet gewesen wären. Auch Konstantin kehrte nun zu seinen Gästen zurück. Und die Männer hier würden ihrem Befehl folgen. Um Hilfe rufen? Wer sollte ihn auch nur hören oder gar ihm helfen?

Markward!

Ihm wurde langsam klar, dass dieser nichts von ihm und seinem Verhältnis zu Uther wusste – aber er hatte es behauptet, um einen Mann loszuwerden, den er nicht leiden konnte. Einfach so, obwohl er wissen musste, was das bedeutete.

Und leider wusste es Michel auch. Als ihn die Geharnischten durch Seitengänge hinunterführten, konnte er nicht verhindern, dass sich sein Magen verkrampfte. Der Verhörleiter....Er hatte solche Typen schon kennengelernt, wenn auch noch nie am eigenen Leib, aber es ihm war klar, was das für ihn selbst hieß. Der würde ihn unbarmherzig in die Mangel nehmen, wortwörtlich, und es wäre dem vollkommen gleich, wie viele Schmerzen er ertragen konnte. Er würde ihm erst glauben, wenn er nicht mehr wusste, was er sagte.
 

Eine schwere Tür wurde geöffnet und der Gefangene schrak fast vor der dumpfen Luft zurück die aus der Dämmerung eines Treppenhauses aufstieg. Jemand kam mit einer Fackel herauf, ein in bürgerliche Tracht gekleideter Mann, sicher nicht der Henker, aber wohl dieser Verhörleiter.

Dieser betrachtete den Gefesselten vor ihm, suchte seine Angst zu finden, seine schwache Stelle. Der Bischof hatte ihm gesagt dass es um hohe Politik ging und dieser Mann nicht leicht zu brechen wäre. Das mochte sein, aber erhöhte den Reiz. Natürlich nur für ihn selbst. „Hinunter mit ihm.“ Die meisten Delinquenten, die das erste Mal eine Folterkammer betraten, verrieten unbeabsichtigt vor was sie am meisten Furcht verspürten. So wich er beiseite, als er in seinem kleinen Reich angekommen war, und musterte den Gefangenen.

Michel presste unwillkürlich die Zähne zusammen, als er die wartenden Henkersknechte und die Geräte sah. Er war schon einige Male in solchen Räumen gewesen – aber nie gefesselt und als Opfer. Er spürte, wie eine eisige Faust seinen Magen umkrampfte, während ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Solche Angst hatte er schon lange nicht mehr empfunden. Bei manchen Dingen wusste er nicht, was sie bewirkten, und irgendwie wollte er es auch gar nicht wissen.

„Macht ihm die Fesseln auf,“ befahl der Verhörleiter: „Und du solltest dich lieber allein ausziehen. Nur die Oberbekleidung, selbstverständlich, keine Angst....“

Michel gehorchte. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er spürte, wie er zitterte, und bemühte sich nicht das zu verbergen. Er hatte Angst, ja, aber diese Kerle wussten, dass jeder Delinquent hier Panik schob – wozu Kraft damit verschwenden das zu tarnen. Er würde noch alles brauchen, was er besaß.

Der Verhörleiter nickte, als er die große Narbe an der Schulter entdeckte, andere, die von Duellen und Kämpfen erzählten. Ja, der Bischof hatte wohl Recht. Dieser Mann war schon durch Schmerzen gegangen. Er würde versuchen zu widerstehen. Das konnte eine interessante Sitzung werden.
 

Michel stöhnte auf, als er gegen ein Brett voller alter Blutflecken gezogen und gedrückt wurde, dessen scharfe, verfärbte Spitzen sich tief in seinen Rücken bohrten. Noch während er aufschreiend dort oben und unten an zwei Walzen angekettet wurde, wusste er, dass er jedes Mal, wenn er sich vor Schmerzen in seinen Fesseln wand, sich an den Dornen nur noch mehr verletzen würde.

Mistkerle!

Und am Schlimmsten war Markward. Ohne es zu ahnen hatte der zwar auf den Richtigen gezeigt, aber das machte es nicht besser. Der älteste Sohn des Kaisers war bereit gewesen, jeden harmlosen Mann als Agenten zu bezeichnen, nur um eine ihm unsympathische Person loszuwerden.

Und leider war er hier allein. Nichts und niemand würde ihm helfen können. Natürlich würde Graf Uther ihn irgendwann vermissen, nachforschen lassen, aber er wusste nur zu gut, dass nichts dabei herauskommen würde. Und er wusste auch, dass er am Ende doch alles erzählen würde, weil ihm gar nichts anderes übrig blieb. Danach war er nutzlos und würde beseitigt werden.

Sarifa....

Nie zuvor hatte er einen Namen so intensiv gedacht wie in diesem Moment, als der Verhörleiter auf ihn zukam: „Nun, junger Freund, dann wollen wir doch einmal über die Tätigkeiten des Geheimdienstes reden, nicht wahr?“ Er nickte etwas und die Henkersknechte gehorchten dem stummen Befehl, drehten an der Walze.

Michel keuchte auf. Es fühlte sich jetzt schon an, als ob glühendes Eisen durch seine Achseln jagte – und es würde noch schlimmer werden. Irgendwann würden sie ihm die Gelenke ausreißen.

„Ich weiß nicht, was Ihr Euch davon versprecht...“ gab er jedoch zurück. Seine einzige Chance war es Zeit zu gewinnen, damit Graf Uther alles ändern konnte, was er wusste. Es würde ein sehr schmerzhafter Versuch bleiben, das war ihm klar.

Und vielleicht hatte er nie zuvor seinen Mut so bewiesen wie jetzt.
 

There's a man who leads a life of danger

To everyone he meets he stays a stranger

With every move he makes, another chance he takes

Odds are he won't live to see tomorrow.
 

Secret agent man, Johnny Rivers
 


 

**
 

Michel wird Markward kaum für den Friedensnobelpreis vorschlagen – falls er überhaupt je wieder lebendig da rauskommt.

Es kann sein, dass das nächste Kapitel nicht nächsten Mittwoch kommt, da mein Computer...erneuert werden muss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  fiZi
2012-11-10T21:54:40+00:00 10.11.2012 22:54
Oh, eine spannende Stelle hast du dir da ausgesucht um das Kapitel zu beenden.
Macht sich denn keiner der hohen Herren Gedanken darüber, dass man Michel vermissen könnte und er genügend Leuten bei dem Empfang aufgefallen ist? Sicherlich weiß keiner, was tatsächlich passiert ist, aber sollte er zum Geheimdienst gehören, wie ja zumindest Konstantin annimmt, dann wäre das Verschwinden auf dem Empfang doch schon recht verdächtig, zumal Michels Auftauchen dann ja auch zeigen würde, dass Konstantin für den kaiser verdächtig sein könnte ...

Ich spekuliere ja auf einen der Assassinen, der Michel raus holt, ob es Sarifa persönlich ist, wage ich zu bezweifeln, da sie doch recht lange brauchen würde bis sie vor Ort wäre und vor allem rausfinden würde, wo ihr Partner steckt.
Ich hoffe, du lässt uns keine 2 Wochen auf das Kapitel warten (das is ja auch schon Folter^^) sondern postest es an einem anderen Tag - die Stelle ist zu spannend ;-)

Liebe Grüße

Anne
Von:  Krylia
2012-11-08T14:48:30+00:00 08.11.2012 15:48
Wie kannst du nur! Ein Cliffhänger und dann noch längere Wartezeit!?!?!? Du bist fast so gemein wie der Verhörleiter! -.-+

Aber die mittelalterliche Version der Müllabfuhr gefällt mir gut. :)

Und ich drücke Michel ganz feste die Daumen, dass er da bald rauskommt. Und zwar möglichst ohne bleibende Schäden! ;___;
Von:  Teilchenzoo
2012-11-07T15:00:08+00:00 07.11.2012 16:00
Was bist du gemein! So ein Kapitel hochladen und dann andeuten, dass wir noch länger auf die Fortsetzung warten müssen. Ist das gemein!

Ich mache mir ernste Sorgen um Michel.Klar, du liebst Happy Ends, aber das hier sieht übel aus. Furchtbar übel. Da kommt er nicht ohne schwere Blessuren raus, und das macht mir Sorgen. Und vor allem hoffe ich, dass du bei den Happy Ends bleibst. Für alles andere haben wir Michel zu gern.

Markward macht wirklich kein Federlesens, wenn er jemanden nicht mag, hm? Klar, aus rein praktischen Gründen wie der Tarnung vor dem Vater wäre es schon angezeigt, Michel nichtlebend davonkommen zu lassen, aber das hier hat ja eher einen anderen Grund... ojemine. Es macht mir Sorgen. Sag mir wenigstens, ob du bei deinem Schreibstil bleibst oder nicht, wenn ich schon so lange warten muss ;__; ...
Von:  Salix
2012-11-07T10:26:01+00:00 07.11.2012 11:26
Oje, armer Michel. Ich hoffe ja er kommt da irgendwie lebend raus und einigermaßen Gesund an Leib und Seele. Vieeleicht hat ja auch noch einer von Sarifas Brüdern ihn beschattet und kann ihn retten...
Ich hoffe es, sehr!

Mir hat das Abfallsystem gefallen, wie du es beschrieben hast.
Übrigens fällt mir dabei ein, dass es im Mittelalter unter anderem in Städten auch Latrinenschächte gab, die aber oft leider nicht tief genug und zu nah an den Brunnen angelegt waren. Und sehr üblich war es auch, den Müll in die Flüsse und Bäche der Städte und Dörfer zu kippen. Dafür wurden z.T. Verordnungen erlassen wann dies oder ob es überhaupt erlaupt war. Gerberei und Färbereien sowie ähnliche Gewerbe, die Wasser sichtbar verschmutzten und stanken wurde in Außenbezirken angesiedelt und so, dass der Fluss ihren Schmutz von der Stadt fortspülte.

Ich wünsch dir, dass du gut mit dem neuen Computer zurecht kommst.

LG


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