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Die Klingen des Kaisers

von

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Kaiserliche Familie

Anawiga half dem Kaiser in sein Wams, ehe er sich umdrehte: „Danke, meine Liebe.“ Sie standen im Schlafzimmer der Kaiserin, einen der wenigen Orte des Reiches, in dem sie sich sicher fühlten.

„So nervös, weil Dankward nach Hause kommt?“ lächelte sie.

Er zuckte die Schultern: „Dankward oder das, was aus ihm geworden ist, ja. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir gefällt, was aus ihm wurde.“

„Der kurze Brief klang erwachsen.“

„Ja, das meinte auch Uther. Aber muss einem Vater alles gefallen, was ein Sohn macht, nur, weil er erwachsen ist? Ich habe Markward die Bergwerke übertragen, zum einen, damit er sich einarbeiten kann, zum zweiten, weil er sich dann für wichtig hält – und zum dritten, damit ich sehen kann, ob er mich hintergeht. Das Leben eines Kaisers besteht hauptsächlich aus diesen drei Dingen, Familie hin oder her.“

„Ich weiß. Auch mein Vater beklagte sich manchmal darüber.“

„Euer Vater sah mir sehr stolz auf Euch, Eure Schwestern und Euren Bruder aus.“

„Mein Bruder ist der einzige Erbe und das stand nie zur Debatte,“ murmelte Anawiga: „Vielleicht steigt die...die Machtsucht mit dem Wissen, dass es auch andere gibt.“

„Möglich. Ich würde dennoch gern einen meiner Söhne zum Nachfolger machen – und nicht die letzte Option.“

„Dieser Neffe von Euch, der Bischof irgendwo im Süden ist? Konstantin? Ich würde nicht denken, dass er Euch den Tod seines Vaters nicht verziehen hat. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit.“

„Natürlich, Anawiga,“ erwiderte Dagobert, höflich aber die Kaiserin sah durchaus die Alarmzeichen, die Schranke.

So lächelte sie nur: „Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass Ihr mit Dankward nun so zufrieden sein könnt, wie Ihr es mit ihm vor einem halben Jahr nicht ward.“

„Danke. Wobei mir noch etwas einfällt, Teuerste. Falls Ihr wieder meint schwanger zu sein, sagt es mir so früh wie möglich. Ich werde Euch dann eine neue Hofdame senden.“

„Danke, Dagobert, aber ich benötige.....Was meint Ihr?“

„Sagen wir, die junge Dame bürgt mir dann mit ihrem Leben für das Eure.“

„Einen weiblichen Leibwächter?“ Sie suchte nach Worten: „Wie ungewöhnlich. Und wie freundlich, dass Ihr so an mich denkt, aber....“

„Keine Sorge. Sie weiß sich zu benehmen. - Und,“ fügte Dagobert mit einem nahezu fröhlichen Lächeln hinzu: „Ich glaube fast, Ihr werdet sie mögen.“

Anawigas Blick verlor von ihrer Besorgnis und ihrer Strenge: „Wenn Ihr dieser Meinung seid, werde ich sie mir gut ansehen.“ Erleichtert entdeckte sie das fast jungenhafte Grinsen ihres Gemahls. Nein. Das sollte wirklich Schutz für sie werden, keine Überwachung oder gar Attentäterin, da war sie nun sicher. Sie hatte durchaus schon gehört, dass eine Königin im Beisein ihres Gemahls erwürgt worden war. Gleich ob Gerücht oder Wahrheit, sie war froh, dass Dagobert so ehrlich schien. Und noch hatte er keine Andere. Sie lauschte dem Hoftratsch sehr genau, aber keine der Schönen hatte seine Aufmerksamkeit mehr als gewöhnlich erregt, keine besuchte er – nur sie.
 

Michel, der nach dem anstrengenden Kampf von Elkhelellu verarztet worden war und ein wenig geschlafen hatte, sah sich noch nicht in der Lage aufzustehen und im Dorf herumzulaufen. Seine rechte Wade war glatt durchstoßen worden, das würde heilen, aber je mehr Ruhe er wohl hatte, desto besser wäre es. So saß er im Schatten vor dem Haus der Familie und beobachtete das Leben auf dem Dorfplatz, die Kinder spielten, Frauen, die Ziegenmilch oder Käse verarbeiteten. Ein Mann mit einem Esel kam über den Platz und lud den Korb vor dem Haus des Anführers ab...

Es wirkte alles so ruhig und friedlich und es schien ihm fast eine Illusion, dass er noch vor wenigen Stunden hier um sein Leben gekämpft hatte. Ein Mädchen, vielleicht knapp unter zwanzig, kam zu ihm und ließ sich neben ihm nieder.

„Mein Name ist Gadi,“ sagte sie: „Sarifas Partner. Darf ich dich etwas fragen?“

„Ja,“ erwiderte Michel: „Ich muss ja nicht antworten, oder?“

Sie lächelte ein wenig: „Hast du eine Ehefrau im Norden?“

„Nein,“ meinte er etwas verwundert.

„Würdest du mich in Betracht ziehen? Ich bin aus guter Familie und meine Brüder sind in der Leibwache König Elymians.“

Womit sie wohl andeuten wollte, dass ihre Blutlinie gut wäre. Michel war etwas perplex. Solch ein Thema, so offen und beiläufig angeschnitten....Er musste sich rasch etwas einfallen lassen, schließlich wollte er sie weder heiraten noch beleidigen. Was nun? „Wie viele Brüder hast du denn?“ fragte er daher erst einmal.

„Zwei. Und ich bin das einzige Mädchen.“

„Also die Erbin.“

„Ah, man hat es dir erklärt, Sarifas Partner. Ja, ich wäre eine gute Partie.“

„Gibt es denn keinen Assassinen, auf den dein Auge fällt?“

„Hm,“ meinte sie: „Glaubst du, du würdest mit einem weiteren Kampf nicht fertig werden?“

„Vermutlich schon. Aber es gibt also jemanden, der dich schätzt?“

„Ja, Shahin, der Bruder deiner Partnerin.“

„Er ist mein Freund,“ erklärte Michel: „Und ich schulde ihm einiges. Nach dem Brauch meiner Heimat wäre es undenkbar zwischen ihn und seine Auserwählte zu treten. Ich weiß, dass Assassinenmädchen frei wählen, aber ehrlich gesagt finde ich, du würdest mit ihm besser fahren als mit mir. Schon, weil er aus deinem Volk stammt und ich aus dem Norden.“ Das war wohl auch das, was Gadi angelockt hatte. Er hatte gesiegt, war blond und seine Haut deutlich heller als die der Männer um sie.

Sie schien auch nicht beleidigt: „Du hättest mir nur frisches Blut in die Familie gebracht. - Oh, Shahin.“

Denn der war gerade aus dem Tor getreten, um nach dem Verletzten zu sehen, und betrachtete ein wenig erstaunt das Bild, das sich ihm bot.

Michel wollte gerade etwas verlegen das Ganze erklären, aber Gadi erhob sich: „Shahin, wenn du nicht zu müde bist – meine Brüder sind ja nicht da, aber du könntest meinen Eltern und mir helfen die Ziegen einzufangen.“

Der junge Assassine erstarrte für einen Moment, dann lächelte er und machte sich neben ihr auf den Weg.

Puh, dachte Michel. Hatte er wirklich soeben eine Ehe gestiftet? Er sah auf, als Elkhelellu aus dem Haus des Anführers kam, Sarifa bei sich. Letztere trug etwas in der Hand, das er erst im Näherkommen erkannte: die kleine Patrone einer Brieftaubennachricht.

Seufzend streckte er die Hand aus und seine Partnerin ließ sie hineinfallen. Wie er schon vermutet hatte, zeigte sie das Privatsiegel Graf Uthers. „Keine Ruh bei Tag und Nacht,“ sagte er prompt: „Das war wohl ein kurzer Urlaub. Wie kommt eigentlich die Post hierher?“ Er öffnete.

Sarifa setzte sich neben ihn: „Der Brief war an die nächste kaiserliche Brieftaubenstation adressiert, mit dem Vermerk, in unser Dorf....nun ja, es heißt hier in der Gegend das „Dorf auf den Felsen“. Einmal in der Woche geht ein Mann hinunter und holt die Post. Schließlich bekommen wir alle Nachrichten, Steuern müssen bezahlt werden und so weiter. Auch die Angehörigen, die auswärts leben, wie ich, schreiben. Nicht immer Brieftauben, aber das läuft genauso. - Sollst du zurück?“

„Wir beide, mein Engel. Und es wird gut und gern drei Wochen dauern, bis wir in Paradisa sind. Mit meinem Bein wäre mir zumindest in den nächsten Tagen eine Eilkutsche doch zu anstrengend. Und es heißt nicht, dass wir uns beeilen sollten.“
 

Kaiser Dagobert war nervös, das verriet die Tatsache, dass er seinen jüngeren Sohn nicht offiziell in der Halle empfangen wollte sondern in seinem Arbeitszimmer. Das hatte durchaus seinen Grund. Dankward hatte ihm eine weitere Nachricht geschickt, in der er darum bat, nicht einzeln anreisen zu sollen, sondern mit Kapitän Polo, wenn dieser Bericht erstattete. Dagobert hatte es bewilligt, fragte sich allerdings nach dem Grund für diese Bitte. War Dankward so eingeschüchtert von ihrem letzten Zusammentreffen, dass er sich nicht allein hertraute und lieber mit dem Kapitän kam, den er wohl schätzen gelernt hatte? Schön, er hatte ihn zu dieser Reise befohlen und mit unangenehmen Konsequenzen gedroht, aber deswegen konnte ihn sein Jüngster doch nicht fürchten? Oder doch? Dagobert gab zu, dass er keine Ahnung hatte, was aus dem geworden war in diesen Wochen. Nun, man musste abwarten.

Uther hatte ihm gesagt, dass er Michel und Sarifa mit einer Taube zurück an den Hof befohlen hatte, das beruhigte ihn bezüglich Anawiga. Eigentlich hoffte er nicht, dass sich auch nur einer seiner Söhne als so verrückt erweisen würde ihre Stiefmutter umbringen zu lassen, weil sie erneut schwanger würde, aber Vorsicht hatte sich in seinem Leben oft genug als der bessere Begleiter herausgestellt. Und, was wusste er von beiden Söhnen? Markward war nicht dumm, aber bislang auch nicht raffiniert genug, Intrigen zu basteln. Dennoch hatte er jemanden bei der Kaiserin bestochen, jemanden an Uther gehängt, sich mit dem Herzog der Westmark und wusste der Himmel mit wem noch getroffen – Dinge, die er noch vor wenigen Jahren sicher nie beachtet hätte. Was Dankward tat, und was beide Jungen im Kampf um die Macht fertigbringen würden, musste sich zeigen.

Er sah auf, als der Kanzler den Raum betrat: „Ah, Godomar. Nachricht von Kapitän Polo?“

„Ja. Er bittet Eure Hoheit um Audienz. Er und seine beiden Offiziere sind soeben im Gasthof Zum Schwan abgestiegen und würden sich Euch gern vorstellen.“

„Dankward?“

„Von ihm stand nichts in der Nachricht,“ musste Godomar zugeben: „Vielleicht hielt Polo das für selbstverständlich, dass er mitkommt. Er ist Kapitän der Marine – kein Höfling.“

„Einer der Besten, wenn es darum geht in ungekannte Gewässer zu gelangen, ja. Ich bin wirklich neugierig, was diese Reise auch für den Handel bringt.“

„Wenn es eine gute Nachricht ist, Hoheit, würde ich vorschlagen, dass er anschließend direkt den Vertretern der Stände der Kernlande berichtet. Immerhin zahlen die Kaufleute und Handwerker solche Reisen, da sollen sie auch gerade erfahren, dass sie nicht nur teuer sondern auch sinnvoll sind.“

„Ja. Und neue Waren, neue Absatzmärkte interessieren nun einmal. Ja, eine gute Idee. Wenn sie direkt erfahren, wie nützlich ihre Steuern verwendet werden....danach soll er das vor den Botschaftern der Königreiche und Städte wiederholen, aus genau dem gleichen Grund.“

Godomar nickte und erlaubte sich als jahrelanger Vertrauter die Anmerkung: „Sobald er Euch berichtet hat, und wenn Ihr nichts dagegen habt, werde ich unverzüglich alle Einladungen rausgeben. Das mit Dankward bleibt hier unter uns.“

„Erst einmal, ja. Ich möchte nach dem offiziellen Treffen mit ihm allein reden, vielleicht Uther und Anawiga mit hinzuziehen...eine Familienangelegenheit. Weiß Markward, dass sein Bruder zurückkommt?“

„Er bekam keine offizielle Mitteilung, nicht wahr? Aber soweit mich Graf Uther informierte, hat der Junge einige Spione am Hof.“

„Also, ja. Und mich beunruhigt ein wenig, dass er das hat. Früher hätte er es mir mehr oder weniger erzählt, eigentlich wäre er damit herausgeplatzt. Er wird auch in diesem Sinn erwachsener.“ Leider oder Gottseidank?
 

In der Tat wusste Markward Bescheid. Er saß in seinem derzeitigen Arbeitszimmer in den Bergen und prüfte Minenberichte. Chilperich, sein Kämmerer, hatte ihm die Neuigkeit mitgeteilt.

„Dankward ist zurück. Nun, damit ist das Spiel wieder offen. Vorläufig. Bedauerlicherweise hat mich mein Vater noch nicht zum Thronfolger ernannt.....“

„Dankward war auf dem Meer, hat dort Erfahrungen gesammelt. Aber Ihr sitzt hier an der Quelle des kaiserlichen Reichtums. Es scheint so, als ob Euer Vater durchaus Euch bevorzugt.“

„Noch. Sollte sich das ändern.....Du hast doch sicher einen Mann an der Hand, der einen Dolch darin hat?“

Der Kämmerer zuckte nicht mit der Wimper: „Hätte ich. Aber ein offenes Vorgehen gegen Euren Bruder wäre meines Erachtens zu auffällig und auch verfrüht. Wartet ab, was der Kaiser über ihn entscheidet. Es gab bereits Gerüchte, er wolle ihn zu einem Bischof machen.“

„Oh, das wäre eine geniale Lösung....damit wäre Dankward aus dem Spiel und ich der Thronfolger, ohne dass man zu...unschönen Mitteln greifen muss. Denn trotz allem, er ist mein Bruder. Ja, du hast recht. Warten wir ab.“ Markward verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah aus dem Fenster in die Wälder, in denen aufsteigender Rauch die Meiler der Köhler verriet. „Irgendetwas von Onkel Uther?“

„Seit seiner Rückkehr scheint er sich nur mehr in seinem Zimmer aufzuhalten. Ab und an besuchen ihn der Kaiser, Graf Lothar oder auch Charibert, er nimmt an einigen Versammlungen teil, aber er scheint nichts weiter zu tun. Und er hat wohl auch noch nicht bemerkt, dass er einen zweiten Schatten hat. Ich habe meinen Mann angewiesen, dass er Briefe und ähnliches aus dem Papierkorb fischt, aber bislang war nichts Weltbewegendes dabei. Nicht einmal ein Liebesbriefchen, obwohl manche Dame des Hofes sonst etwas drum gäbe würde er sie heiraten.“

„Da können sie viel hoffen. - Und die Kleine aus dem Süden? Diese...mir fällt der Name nicht ein?“

„Prinzessin Sarifa? Ich hörte, aber das war wirklich nur ein Hörensagen, dass sie zu ihrer Familie in den Süden gereist ist, aber wieder an den Hof zurückkehren soll, vermutlich um hier einen passenden, reichen Ehepartner zu finden.“

„Falls sie zurück ist, sage es mir. Dann werde ich die Jagd eröffnen. Mal eine nette kleine Abwechslung....“

„Wie Ihr wünscht.“ Chilperich hütete sich zu erwähnen, dass sein Spionagenetz nur in zweiter Linie Markward diente – sein wahrer Herr hatte vollkommen andere Pläne, darunter auch solche, die dem Kaisersohn nicht gefallen würden, auf den Tod nicht, nein.
 

Dagobert setzte sich unwillkürlich aufrechter, als ihm der Diener Kapitän Polo und Dankward meldete, sowie den ersten Offizier, Romano Fourrier.

Die Drei betraten sein Arbeitszimmer und verneigten sich. Dem aufmerksamen Blick des Kaisers entging nicht, dass sich sein Sohn, ebenso wie der erste Offizier, hinter dem Kapitän hielt, und dort auch stehen blieb, ein wenig seitwärts. Er sah gut aus, der Junge, dachte der Vater unwillkürlich. Braungebrannt von der südlichen Sonne und auch eindeutig erwachsener, ja, muskulöser. Das harte Bordleben schien ihm gut getan zu haben. Er verschränkte seine Hände hinter dem Rücken, ebenso wie der erste Offizier, während sich Kapitän Polo noch einmal ein wenig verneigte. Der Kapitän war bereits Ende Vierzig, Falten um die Augen verrieten, dass er viel in Wind und Wetter unterwegs war. Erste graue Strähnen durchzogen sein schulterlanges blondes Haar. Der erste Offizier war deutlich jünger, fast zu jung für diese Arbeit, Mitte Zwanzig, dessen dunkler Teint und schwarze Haare Dagobert an Sarifa erinnerten.

„Ich freue mich, Euch alle hier gesund wieder begrüßen zu dürfen,“ meinte der Kaiser: „Ich hoffe, Ihr habt Erfolg gehabt?“

„In der Tat, Durchlauchtigste Hoheit. Wenn Hoheit mir nur einen kleinen Hinweis gestatten würden – Dankward ist mein zweiter Offizier. Und ich habe ihn nicht dazu ernannt,“ ergänzte der Kapitän eilig: „Weil er Euer Sohn ist, sondern da er nach dem unglücklichen Tod des bisherigen der Brauchbarste in der Mannschaft mit gewisser Ausbildung war. Er hat sich in der kurzen Zeit sehr viel seemännisches Wissen angeeignet und ich bin stolz auf ihn.“

Hoppla, dachte Dagobert, lächelte jedoch froh seinem Sohn zu: „Das freut mich zu hören.“ Er war erleichtert, dass dieser ein wenig zurücklächelte, sich aber offenbar weiterhin an die strenge Borddiziplin hielt. „Nun, erstattet mir einen kurzen Bericht, Kapitän, dann würde ich jedoch gern mit Eurem zweiten Offizier allein sprechen.“

„Selbstverständlich, Durchlauchtigste Hoheit. - Wir reisten wie es unser Befehl war, über das Westmeer in Richtung Süden. Das Land dort lag somit stets auf der linken Seite. Wir kreuzten das Südmeer und gelangten so in die wilderen Gegenden, dann dorthin, wo nie zuvor ein Schiff Eurer Hoheit gewesen war. Eine Stadt an der Mündung eines großen Flusses erregte unsere Aufmerksamkeit und wir legten dort mit gebotener Vorsicht an. Die Aufnahme war durchaus nicht schlecht, jedoch auch von Vorsicht geprägt. Man sagte uns, der Fluss käme aus dem Landesinneren und dort würde auch der König leben. Da mir der Fluss breit genug erschien, bezahlte ich einen einheimischen Führer und wir gelangten nach fast vierzehn Tagen gegen die Strömung in die Hauptstadt. Wir mussten die ganze Zeit rudern, aber da der Fluss ruhig blieb, gelang es ganz gut. Weiter im Süden soll es dann Stromschnellen geben, aber der Unterlauf ist breit und mit sumpfigen Ufern versehen. Der König empfing uns und wir erfuhren, wenn auch nur mit Hilfe zweier Dolmetscher, dass er durchaus an Handel interessiert wäre. Wir boten ihm die mitgebrachten Auswahlstücke als Geschenk an – auch, wenn wir es wohl hätten verkaufen sollen, aber es machte einen besseren Eindruck, soweit ich das sagen kann. Gerade der Bernstein und der Wein erregten die Aufmerksamkeit, dass sie selbiges nicht kannten. Als Gegenleistung boten sie uns Gold an, das sie angeblich abbauen. Auf dem Markt sah ich viele Stoffe, aber keine Seide, keinen Brokat und keine Leinenwebereien unserer Güte, so dass man diese dort anbieten könnte. Die Früchte waren mir großteils unbekannt. Unsere Händler könnten dort jedoch Güter aus dem Landesinneren kaufen, die bislang hauptsächlich durch die Wüste und über das Südmeer gebracht werden.“

„Ein goldreiches Land ohne Luxusgüter unserer Breiten, ja, das könnte die Kaufleute interessieren. Kanzler Godomar wird Euch sagen, wann Ihr vor diesen noch einen entsprechenden Vortrag halten sollt. Euer schriftlicher Bericht wird umfassend sein?“

„Selbstverständlich, Hoheit.“

„Der dortige König war an Handel interessiert?“

„So schien es mir. Selbstverständlich würde man dann auch bessere Dolmetscher benötigen, aber ich vermute, dass man am Südufer des Südmeeres solche finden kann. Allerdings....es sind andere Sitten, die uns oft fremd vorkommen. Zunächst zumindest sollten nur erfahrene Leute dorthin, die bereits südlich des Meeres Handel betrieben, wenn mir die Bemerkung gestattet ist.“

„Das erscheint mir ein kluger Rat, Kapitän. - Ein schriftlicher Vertrag...?“

„Ich befürchte, dass dies dort nicht sinnvoll ist.“

„Gut. Danke, Kapitän. - Dann geht. Und erlaubt mir noch mit Eurem zweiten Offizier zu sprechen.“

Ein wenig überrascht über diese Höflichkeit verneigte sich Kapitän Polo erneut: „Dankward!“ befahl er nur.

Dieser trat vor. Als Vater und Sohn allein waren, verneigte letzterer sich höfisch.

„Du siehst gesund aus,“ konstatierte der Kaiser. „Eine Weile weg von den Feiern und Drogen hat dir gut getan.“

„Danke, Vater....“

„Nun?“ Seit wann redete Dankward denn nicht einfach drauflos? Das Leben an Bord war strikt geregelt. Hatte er das da gelernt oder gab es einen anderen Grund?

„Ich...ich möchte mit Eurer Hoheit gern über meine Zukunft reden,“ erklärte Dankward: „Möchte Euch allerdings bitten, auch Onkel Uther hinzuzuziehen. es....es könnte besser sein.“

Dagobert stutzte. „Meinst du, ich bräuchte seelischen Beistand?“

„Ich wollte Euch keine Schwäche unterstellen, vergebt, Herr Vater. Ich dachte nur....“

„Dass er dich besser verstehen könnte als ich? Weil er auch der jüngere Bruder ist? - Nun gut. Ich werde Uther rufen lassen. Allerdings wäre es nett, wenn du mir inzwischen zumindest einen Hinweis darauf gibst, was du willst.“ Er klingelte nach einem Diener und befahl seinen Bruder zu holen.

Dankward wartete, bis dieser den Raum verlassen hatte, froh, seinen Vater im Gegensatz zu ihrem letzten Gespräch so aufgeschlossen zu sehen. War es wirklich nur an ihm gelegen? Er hatte inzwischen durchaus den Verdacht. Allerdings war nicht gesagt, dass der Kaiser verstehen würde was er wollte, ja, gar seinen Wunsch gewähren würde. Er begann daher vorsichtig: „Auf der Reise mit Kapitän Polo habe ich sehr viel gelernt. Über mich selbst, aber auch über das Wesen dieser Erforschungsfahrten. Es gibt meines Wissens keinen Ort im gesamten Reich, wo zusammengefasst wird, was die Kapitäne herausgefunden haben, Seekarten, aber auch neue Entwicklungen an technischen Hilfsmitteln.“

„Nun, hier im Palast werden alle derartigen Berichte gesammelt, aber ich verstehe, was du meinst. Du willst eine Art Schule, Akademie oder Universität, schaffen, in der eine Bibliothek lagert, die Abschriften aller derartigen Berichte und Karten enthält, wo neue Kapitäne ausgebildet werden können, nicht nur im Rahmen der Marine, sondern speziell für solche Fahrten ins Unbekannte?“

Erleichtert nickte Dankward: „Und auch Techniker, die neue Geräte entwickeln, genauere, um die Position zu bestimmen, oder auch wieder zu einem bestimmten Ort zu finden.“

„Eine durchaus interessante Idee....Aber kaum das, wofür du Uther haben willst.“ Dagobert bemerkte, dass sein Jüngster erstarrte: „Schon gut. Wir warten auf ihn.“

„Danke, mein Herr und Vater.“ Denn, wenn er sagte, was er eigentlich mitteilen wollte, würde der Kaiser seine Toleranz beweisen müssen – oder seine Bitte ignorieren. Auf jeden Fall wäre es besser, wenn der ruhige Onkel dann bei ihnen wäre.
 

**
 

Das folgende Kapitel heißt denn auch: Dankward....



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2012-08-31T14:31:13+00:00 31.08.2012 16:31
Dankward will zur See gehen? Das wäre meine Vermutung.

Hm. Er scheint sich wirklich sehr geändert zu haben. Ob man diesem Frieden trauen kann? Ich wünschte es mir. Das Reich hätte das verdient, wenngleich ich Markward als Kronanwärter für sehr ungeeignet halte. Ihm fehlt Einsicht. Er ist viel zu selbstverliebt.

Anagiwa wird Sarifa sicher mögen, das glaube ich auch. Ach, wie schön, zu sehen, dass er in ihr eine Unterstützung hat.
Von:  00schnepel8
2012-08-29T18:02:37+00:00 29.08.2012 20:02
Na auf die Bitte bin ich wirklich gespannt...
Dankward ist eindeutig reifer geworden, soweit man das jetzt schon beurteilen kann.Und er scheint ebenfalls einsichtig geworden zu sein, eigene Fehler immerhin nicht völlig zu verdrängen sondern sogar fast einzusehen.Das nenne ich Fortschritt.

Michel als Heiratsvermittler, wenn auch eher unbeabsichtigt.Besonders schwer hatte er es allerdings nicht, nun für den Anfang hat es wohl gereicht ^^.

Ein weiterer König taucht auf und dann im Süden und fremede Sitten... Vielleicht ähneln sie ja denen aus Sarifas Dorf.Es würde mich irgendwie nicht wundern.Aber gut, warten wir ab.

Wenn Sarifa Anawiga zugeteilt wird verliert Michhel seine Partnerin, denn sie kann ja als "Hofdame" schlecht für ein paar Wochen mit Michel verschwinden.Das würde auffallen.Ich bin gespannt wie das ausgeht...
Und der ach-so-liebe-Markward sollte sich vielleicht mit der Jagd etwas zurückhalten.Obwohl vielleicht auch nicht, das wird bestimmt noch sehr unterhaltsam ^^.

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel...
Von:  Krylia
2012-08-29T08:54:00+00:00 29.08.2012 10:54
Hm, das klingt doch schon mal interessant. Dankward scheint tatsächlich an Reife gewonnen zu haben, aber ich bin neugierig, was er vom Kaiser möchte?

Und Sarifa soll Anawiga als Leibwächterin dienen, sollte diese nochmal schwanger werden? Ich glaube auch, dass sich die beiden gut verstehen werden.

Michel als Verkuppler. *g*
Dort geht man mit der Angelegenheit wohl ganz anders um. Die Frauen denken äußerst praktisch.

Ich freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel. :)


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