Access Ghost von ayami ================================================================================ Kapitel 1: - Eins - ------------------- Nagi öffnete leise die Tür zu Crawfords Zimmer und sah vorsichtig hinein. Der andere Schwarz lag im Bett und schien zu schlafen. Leise tapste Nagi auf Socken zu Crawfords Schreibtisch und legte eine Akte darauf. Warum der Ältere die Unterlagen unbedingt sofort gebrachte haben wollte, wenn Nagi sie aufgetrieben hatte, wusste er nicht. Natürlich hatte er einen Blick darauf geworfen, um herauszufinden, was Crawford so daran interessierte, aber er hatte nichts interessantes gefunden. Nur ein paar Daten über ein paar Männer, die ein paar Verbrechen begangen hatten und jetzt ein paar Jahre im Gefängnis verbrachten. Langweilig. Aber der kleine Telekinet hatte natürlich trotzdem getan, was der Amerikaner verlangt hatte. Nagi sah vom Schreibtisch zum Bett. Er war bis auf die Haut durchnässt und spürte, wie ihm kalte Wassertropfen den Nacken herunterliefen. Warum musste er auch mitten in der Nacht, bei strömendem Regen durch die halbe Stadt laufen? Er zitterte. Es war November und nicht gerade sehr warm draußen. Leise seufzte der Junge und blieb einen Moment reglos stehen, den Blick auf das Bett gerichtet. Zu gerne würde er jetzt zu Crawford krabbeln und sich zu ihm unter die Decke kuscheln. Aber daraus würde nichts werden. Erstens wagte er es nicht, den älteren Schwarz vielleicht zu wecken und zweitens würde Crawfords Reaktion auf einen durchnässten Nagi in seinem Bett nach dem Streit am Abend wohl nicht sehr freudig ausfallen. Crawford drehte sich herum und seufzte leise. Nagi machte einen kleinen Schritt auf ihn zu und sah dem Mann ins Gesicht, das jetzt zu ihm gedreht war. Crawford lächelte. Nagi seufzte noch einmal. Mit hängenden Schultern drehte er sich weg und schlich zur Tür. Tropfen liefen ihm in die Augen und Nagi wischte sie weg. Er sah so aus, wie er sich fühlte. Total bedröppelt. Gerade wollte Nagi nach der Türklinke greifen und sich aus dem Staub machen, da stieß sein Fuß gegen den Mülleimer. Nicht gut. Viel zu laut., dachte Nagi noch, da hörte er auch schon, wie Crawford sich im Bett aufrichtete. Schuldbewusst drehte Nagi sich zu ihm und sah ihn an. "Entschuldige...ich war zu laut.", flüsterte er und hoffte, Crawford würde nicht zu sauer werden. Der Ältere gähnte hörbar und rieb sich die Augen. "Nagi...?" Der Angesprochene nickte und lächelte entschuldigend. Crawford legte sich wieder hin und gähnte noch einmal. Er sah Nagi an und schwieg einen Moment. Ahr, jetzt mecker schon los..., dachte Nagi und machte sich auf Crawfords Tirade gefasst. Aber sie blieb aus. "Du bist nass.", stellte Crawford nur nüchtern fest und deutete auf die Tropfenspur, die Nagi auf dem Boden hinterlassen hatte. Nagi folgte seinem ausgestreckten Finger und schluckte. "Ja, entschuldige. Es regnet draußen. Ich wischs sofort weg.", erwiderte er eilig, bemüht, die Standpauke nicht doch noch zu provozieren. "Vergiss es. Ich will schlafen.", gab Crawford barsch zurück und zog die Decke bis zum Kinn. Nagi seufzte, dann drehte er sich wieder zur Tür. "Wolltest du dich nicht zu mir legen?", fragte Crawford und gähnte. Nagi blieb stehen und hielt inne. Crawford grinste ein unsichtbares Grinsen und sah Nagi wieder an. "Du hast gerade so dagestanden, als ob du dich zu mir legen wolltest...", meinte er und ließ ein kleines Lächeln über seine Lippen huschen. Nagi senkte den Blick. War ja klar, dass der Ältere das mitbekommen hatte. Nagis Pech, immer das gleiche. "Also?" Nagi hob den Blick wieder und schaute Crawford vorsichtig an. "Bist du noch böse?", fragte er leise zurück und brachte ebenfalls ein winziges Lächeln zustande. Crawford schüttelte leicht den Kopf. "Nicht mehr so sehr.", antwortete er und diesmal war sein Lächeln etwas breiter. Nagi schloss die Tür wieder, die er gerade geöffnet hatte und trat an das Bett heran. Gerade wollte er sich darauf setzen, als Crawford ihn mit erschrockenem Gesichtsausdruck zurückhielt. "So nass kommst du nicht in mein Bett!", rief er aus und runzelte die Stirn. Nagi zuckte zurück und richtete sich wieder auf. Dann senkte er erneut den Blick. "Entschuldige...", flüsterte er und schaute beschämt. Das war aber auch eine komplizierte Sache. Crawford war nicht dieser Ansicht. "Zieh die nassen Sachen aus und häng sie über die Heizung.", verlangte er und legte sich bequemer hin. Nagi zögerte. Dann tapste er zur Heizung und zog sich langsam aus. Was machte das schon? Crawford hatte ihn schon mehr als einmal so gesehen. Und die Hauptsache war doch, dass er Nagi erlaubte, bei ihm zu schlafen. Nur in Hemd und Boxershorts schlurfte Nagi zurück zum Bett und setzte sich darauf. Zufrieden rückte Crawford zur Seite und hob einladend die Decke. Jetzt gewann das Lächeln doch die Oberhand und Nagi schlüpfte strahlend unter die Bettdecke. Crawford deckte ihn zu, kuschelte sich selbst in die Decke und schloss die Augen. Nagi lag still und beobachtete das Gesicht des Anderen. "Was denn, kommst du nicht her?", fragte Crawford nach einer Weile des Schweigens leise und blinzelte Richtung Nagi. Der blinzelte ebenfalls und wurde rot. Verdammt noch mal. Immer das gleiche. "Doch.", gab er leise zurück und rückte näher. Wieder lächelte Crawford zufrieden. Dann legte er einen Arm um Nagi und erlaubte dem Jüngeren, sich gemütlich anzukuscheln. i]Dass er jedes Mal so eine komplizierte Sache daraus macht..., dachte Crawford amüsiert und grinste in sich hinein. Schließlich war der Schwarz schon daran gewöhnt, dass ihr Jüngster gerne bei ihm schlief. Er tat das, seit er hergekommen war und damals war es schließlich auch mehr als nötig gewesen. Und der Ältere hatte auch nichts dagegen. Verbesserte das Klima. Nagi schlummerte schon nach wenigen Augenblicken wohlig in Crawfords Armen und lächelte im Schlaf. Crawford fiel wieder ein, dass er eigentlich noch hätte sauer sein sollen. Immerhin war Nagis Verhalten heute abend mehr als respektlos gewesen. Was soll's. Ich bin zu müde dazu., entschied Crawford dann aber und schloss gähnend die Augen. "Morgen!", empfing Nagi den verschlafen blinzelnden Crawford am nächsten Tag. Der Schwarz brachte nur ein missmutiges Brummeln zustande und drehte sich auf die andere Seite. Aber das ließ Nagi nicht auf sich sitzen. Er war extra schon aufgestanden, hatte sich angezogen und Frühstück gemacht, damit Crawford ihm den Streit vom Vortag verzieh. "Morgen hab ich gesagt!", rief er deshalb und pustete in Crawfords Ohr. Er bekam nur ein gedämpftes "Hmpf!" zur Antwort, weil der Ältere sich sofort das Kissen schnappte und seine sämtlichen Ohren darunter versteckte. Nagi grinste. Ja, das hasste Crawford wirklich. "Wach auf und steh auf. Ich hab extra Frühstück gemacht, klar?" Nagi zupfte an dem Kissenbezug und Crawford ließ das Kissen los. Gähnend und murrend setzte er sich auf und sah Nagi strafend an. "Ich schlafe.", zischte er, musste ob Nagis gespieltem Schmollmund dann aber doch grinsen. Für Nagi Zeichen genug, dass er gewonnen und Crawford für den Moment aufgegeben hatte. Nagi kletterte vom Bett und lief in die Küche. Schuldig saß am Tisch und hielt einen Toast in der Hand. Crawfords Toast. Nagi verschränkte die Arme und trat auf Schuldig zu. Dann schnappte er ihm den Toast aus der Hand und legte ihn zurück auf den Teller, den er für Crawford hergerichtet hatte. "Das ist nicht für dich.", schnappte er und funkelte Schuldig an. Der lachte leise und hob abwehrend die Hände. "Schon wieder so gereizt...", gab er grinsend zurück und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Nagi schnaubte. Wenn man ihn fragte, war Schuldig Schuld daran, dass Nagi sich gestern mit Crawford gestritten hatte. Immerhin hatte er gesagt- "Falsch. Du hast es gesagt. Wenn auch nicht laut. Ich hab's nur für dich ausgesprochen, Kleiner.", unterbrach Schuldig Nagis Gedankengang und zwinkerte ihm über den Tassenrand belustigt zu. Nagi warf ihm einen vernichtenden Blick zu und setzte sich dann, demonstrativ schweigend, Schuldig gegenüber an den Tisch. Wenigstens hatte er schon was gegessen und musste nicht mit diesem arroganten- "Das willst du nicht wirklich denken...", kicherte Schuldig und trank aus. Arschloch frühstücken, brachte Nagi seinen Gedanken diesmal bewusst zuende und streckte Schuldig die Zunge heraus, der jetzt laut lachte. Gerade wollte Nagi den Älteren noch mal mit Blicken aufspießen, als Crawford die Küche betrat. "Morgen.", sagte er knapp, als er Nagi und Schuldig sah und setzte sich vor seinen gedeckten Platz. "Aufmerksam, aufmerksam...", sagte er grinsend und schenkte Nagi ein kleines Lächeln. Der blitzte kurz zu Schuldig und lächelte Crawford dann an. Als er dann zum Sprechen ansetzte, klang seine Stimme leicht verlegen. Ach Scheiße, er entschuldigte sich eben nicht gerne, wenn Schuldig dabei war. "Nya...tut mir leid wegen gestern...", brachte er dann aber doch hervor, obwohl er spürte, wie Schuldig ihn mit triumphierenden Blicken bombardierte. Crawford grinste. Er sah kurz zu dem Telepathen und runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Dann begann er, zu essen und damit war der Streit vom Vortag beigelegt. "Hast du wenigstens besorgt, was du zu besorgen hattest?", verlangte Schuldig jetzt zu wissen und grinste Nagi an. "Ja, hab ich.", gab Nagi knapp zurück und erwiderte Schuldigs Blick missmutig. Der musste aber auch immer versuchen, es auf die Spitze zu treiben. Crawford regte sich und trank seinen Kaffee aus. "Er hat seine Arbeit gut gemacht, im Gegenteil zu dir. Wo sind die Ergebnisse, die du mir versprochen hattest, hm, Mastermind?", mischte er sich, mit süffisant funkelnden Augen, in das Gespräch ein und lächelte Schuldig amüsiert an. Nagi grinste triumphierend. Autsch!, dachte Schuldig und grinste ebenfalls. Dann zuckte er die Schultern. "Bin schon still.", erwiderte er und hielt sich für den Rest des Frühstücks geschlossen. Steht Crawford eigentlich immer auf Nagis Seite, oder ist das tatsächlich meine Schuld?, dachte Schuldig und warf dem Jüngeren genervte Blicke zu. Nagi überging sie geflissentlich und sprach stattdessen lieber mit Crawford. Natürlich nur geschäftlich, aber besser, als gar nicht, fand Nagi. Schuldig erhob sich nach einer Weile und streckte sich. "Willst du dich nicht mal um unser Hündchen kümmern?", fragte er Nagi und sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an. "Nenn ihn nicht so.", gab Nagi grummelnd zurück und verschränkte die Arme. Schuldig lachte leise, zuckte die Schultern und verschwand ohne ein weiteres Wort. "Warum nicht?", fragte Crawford und goss sich noch eine Tasse Kaffee ein. Nagi sah ihn an und zog fragend eine Augenbraue hoch. ",Hündchen'.", gab Crawford kurz zurück und nahm einen Schluck. Nagi zuckte die Schultern. "Ich mags eben nicht, wenn er ihn so nennt.", antwortete er und hielt es nicht für nötig, einen weiteren Grund dafür anzugeben. Crawford schaute kurz auf und wand seinen Blick dann wieder ab, als Nagi aufstand. "Bis später.", sagte er noch und verschwand dann in den Keller, um Farfarello sein Frühstück zu bringen. Crawford fragte sich, was der Junge daran fand, mit dem Iren zu essen. Aber anscheinend fand er es angenehm, oder so was. Crawford trank aus und seufzte. Nicht viel zu tun heute. Er stand auf und ging in sein Zimmer. Sehen wir uns diese Akte doch mal an., dachte er und lächelte, als er sich an seinen Schreibtisch setzte und aufschlug, was Nagi ihm gebracht hatte. Eine Stunde später saß Nagi in seinem Zimmer und bearbeitete wütend die Tastatur seines PCs. Dieses verdammte System gab einfach nicht nach. Nagi versuchte es noch einmal. Schon wieder, so ein Müll! Nagi war sauer und genervt. Er versuchte schon seit zwei Tagen, in dieses System zu kommen. Aber immer dasselbe. Zum Verrücktwerden. Sämtliche Tricks, die ihm eingefallen waren, hatte er ausprobiert, bis er zum Schluss alles noch einmal hatte durchlaufen lassen. Nichts. Er war keinen Schritt weitergekommen. Dann eben noch einmal. Warum nicht? Ich hab ja sonst nichts zu tun... Huh? Nagi runzelte die Stirn. Das war nicht möglich. Er hatte sämtliche Wege abgeriegelt. Zugang unmöglich. Das ist hundertprozentig sicher, verdammt! Nagi zog die Augenbrauen hoch. Na schön. Das musste sein Fehler sein, auch, wenn er sich sicher war, dass er keinen Fehler gemacht hatte. Er machte nie welche. Der Schwarz checkte sämtliche Zugänge und stellte sicher, ob sein System gesichert war. Aber er konnte nichts entdecken, was irgendwem den Zugang zu seinem PC erlaubt hätte. Was zum... OK, das ist zuviel. Nagi rückte seinen Stuhl zurecht und setzte sich wieder aufrecht hin. Wenn schon, denn schon. Ein bisschen Spaß muss sein, was? «wer bist du?» «ich lache...» «wozu?» Nagi schluckte, dann weiteten sich seine Augen. Das war unmöglich. «ich glaub dir kein wort» Wieder musste Nagi schlucken. Das konnte nicht wahr sein, versicherte er sich und schüttelte den Kopf. Nagi starrte auf die Schrift auf seinem Bildschirm und wurde sauer. Das konnte, nein durfte, sich niemand erlauben. «wer bist du??» Nagi beugte sich vor und wartete gebannt auf eine Antwort. Er wartete vergebens. Wohl fünf Minuten saß er vor dem PC und tippte ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Als er dann immer noch keine Antwort bekam, war er es leid. Für wen hält der sich??, dachte er und stand ruckartig auf, der Schreibtischstuhl rollte zurück und machte erst am Bett Halt. Wütend stapfte Nagi aus dem Zimmer und lief in die Küche. Unmöglich!, dachte er vor sich hin und suchte sich aus dem Kühlschrank eine Packung Saft. ~Warum regst du dich so auf?~ Nagi fuhr herum und sah direkt in Schuldigs grinsendes Gesicht. Das konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. "Ach halts Maul!", fuhr er den Älteren barsch an und nahm sich ein Glas. Schuldig zog ob des schroffen Tons seines Gegenübers eine Augenbraue hoch. Nagi zog geräuschvoll einen Stuhl vom Tisch und ließ sich entnervt darauf fallen. "Was ist los?", verlangte Schuldig zu wissen und lehnte sich gegen den Tisch. "Geht dich nichts an.", gab Nagi zischend zurück und goss sich Saft ein. "Probleme?" Schuldig nahm sich ebenfalls einen Stuhl und setzte sich Nagi gegenüber. "Ich glaube, ich sagte so was wie ,Geht dich nichts an.', oder?", fauchte Nagi und sah Schuldig nicht einmal an. Der grinste und hob leicht die Hände. "Wollte nur behilflich sein.", meinte er und kicherte. Nagi schnaubte. "Klar.", grummelte er und trank sein Glas auf einen Zug leer. Schuldig nickte. "Wollte ich.", wiederholte er, diesmal etwas ernster und verlagerte sein Grinsen zu einem schiefen Lächeln. Nagi musste schmunzeln. Das funktionierte doch nie, warum versuchte Schuldig es immer wieder? "Ich hab zuviel Arbeit und komm nicht weiter.", entgegnete er und seufzte. "Das ist alles?", fragte Schuldig und schüttelte verwirrt den Kopf. Nagi sah in an und sah ihm in die Augen. Dann lächelte er. ~Warum lässt du mich keinen Blick riskieren?~ Nagi grinste amüsiert und freute sich, dass es offensichtlich klappte. Weil es dich nichts angeht. Schuldig grummelte leise und verschränkte die Arme. Nagi grinste noch breiter und stand auf. Dann verflog sein Grinsen wieder. Er schüttelte leicht den Kopf und ließ Schuldig dann einfach sitzen. Was ist los mit dem?, fragte Schuldig sich und wunderte sich im Stillen, warum es Nagi immer öfter gelang, seinen tastenden, geistigen Fingern zu entschlüpfen. Wahrscheinlich wird er langsam immun, oder so was..., dachte Schuldig resigniert und gelangweilt. Sollte Nagi diese Fähigkeit noch weiter ausbauen, würde Schuldig bald niemanden mehr haben, den er nerven konnte und das wäre doch wirklich schade. Crawford konnte er nicht lesen, wenn der es nicht wollte und Farfarellos Gedanken waren alles andere als interessant - wenn der überhaupt mal so klar dachte, dass man da durchstieg, was selten der Fall war. Nagi öffnete die Tür zu seinem Zimmer und ging wieder hinein. Was mach ich, wenn dieser Typ es wirklich geschafft hat, einzubrechen??, fragte er sich und sein Blick wurde düster. Das konnte eventuell ein wirkliches Problem werden. Nagi schloss die Tür sorgfältig und setzte sich wieder an seinen PC. Es dauerte eine Sekunde, bis er erkannte, dass er eine Antwort bekommen hatte. Nagi musste lachen. Sehr kreativ. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. Der Situation entsprechend sollte er sich jetzt wirklich besser darauf konzentrieren, so viele Informationen über den unbekannten Eindringling zu bekommen, wie möglich. Wer weiß, wozu das mal gut sein konnte. Jedenfalls dazu, ihn zu erwischen und auszuschalten..., dachte Nagi und lächelte kalt. Darauf würde es zwangsläufig hinauslaufen, wenn er herausbekommen konnte, wer dieser Mistkerl war. «was willst du?» Nagi runzelte die Stirn. «ich dachte die hast du schon» «was willst du dann noch?» Nagi lachte auf und lehnte sich einen Moment im Stuhl zurück. Das war ja unfassbar. Da tauchte ein Typ in seinem System auf, behauptete, die Kontrolle übernommen zu haben und wollte sich jetzt noch nett mit ihm unterhalten. «keine zeit» «was weißt du schon?» Nagi schluckte. Verdammter Bastard! Das konnte doch nicht wahr sein. Na schön, würde er sich eben unterhalten müssen. «verstehe» «wozu reden?» Nagis Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch mehr, wenn das möglich war. Nicht genug damit, dass Access Ghost sich offensichtlich in seinen PC gehackt hatte, jetzt war das ganze für diesen Kerl auch noch nur ein kleiner Zeitvertreib. Nagi kochte. «hör auf damit!» «weil ich dich sonst kalt mache» Nagi schnaubte. Das war unglaublich. Aber was sollte er schon machen? Dann würde er eben wenigstens versuchen, diesen Bastard zu lokalisieren, während ihr Kanal offen war. «huh?» Nagi schlug mit der Faust auf den Tisch, als sich ein Fenster öffnete dann ein zweites Verdammt noch mal! «verschwinde aus meinem system du bastard!» «ich mich aber nicht!» «wenn du mein system entern willst tus endlich, dann kann ich gleich anfangen, es wieder aufzubauen arschloch!» Nagi schüttelte fassungslos den Kopf. Wozu hackte dieser Idiot seinen PC, wenn er gar nichts wollte? «wozu zum teufel bist du dann hier?» Das war lächerlich. Das tat niemand. Nicht einmal ein drittklassiger Hacker enterte ein System, um danach mit dem User zu plaudern. Nagi runzelte verwirrt die Stirn. «wozu einen namen?» «lass den scheiß» «hmpf» «schön für dich» Nagi beeindruckte das wenig. Er hatte nichts auf seiner Festplatte, dessen Entdeckung für ihn und Schwarz gefährlich werden könnte. So dumm war er nun doch nicht. Aber anscheinend bin ich zu dumm, um mein System ordentlich zu schützen, verdammt! «leck mich» «von wegen» Nagi konnte und wollte sich nicht zurückhalten. Ja, er riskierte den totalen Ausfall seines Systems, aber verdammt, dieser Bastard hatte es gewagt, sich bei ihm einzuschleusen! «natürlich nicht» «nope» «danke» Was denn? War da etwa so was, wie ein amüsierter Unterton in der letzten Nachricht von Access Ghost zu lesen? Nagi spürte, dass jetzt irgendwer vor seinem Bildschirm saß und breit grinste. Und das machte ihn wütend. «lösch mich und leck mich» «du hättest mich zerstört und ich meine ruhe» «huh?» «sag dus mir, du bist besser als ich» Nagi grummelte über der Tastatur. Mal sehen, ob dieser Typ wirklich so gut war, wie er angab. Nagi fiel nichts ein, womit er bei einem System Shut-down von einem anderen PC seine Daten hätte retten können. Nagis Augen wurden groß. Das hatte er ganz vergessen. Peinlich, peinlich. «ich gebs zu, du bist gut» Nagi tippte mit einem Seufzen. Warum auch nicht? Vielleicht ließ der andere ihn dann endlich in Ruhe. Das ganze Spielchen nervte Nagi völlig. «ich mag dich nicht» «system control...jaja ich weiß» «du gehst?» «von wegen» «schön» «huh?» Nagi musste einfach lachen. Dann grinste er. Wie unglaublich passend, wenn auch für den Anderen aus einem anderen Grund, als für Nagi. «point taken» Nagi gab keine Antwort mehr. Ein Fenster zeigte den Outlock des Anderen an. Nagi gähnte lange und ausgiebig. Das war anstrengend gewesen und er hatte sich stärker konzentrieren müssen, als er bemerkt hatte. Diese Arroganz und Überheblichkeit des fremden Hackers machten Nagi zu schaffen. Und weil er eben Nagi war, konnte er nicht anders und überprüfte noch einmal sein gesamtes System auf irgendeine Möglichkeit, wie der Fremde eingedrungen sein konnte. Aber auch diesmal fand er nichts. Es war ein Rätsel. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, dass irgendjemand, egal, was für ein genialer Hacker er war, Zugang zu Nagis System bekam. Aber es war passiert. Und er findet es amüsant..., dachte Nagi nüchtern, als er sich geschafft auf sein Bett fallen ließ. Der PC blieb für den Rest des Tages ausgeschaltet, Nagi hatte erst mal genug, von unliebsamen Besuchern. Während Nagi in seinem Zimmer ein wenig wegdämmerte, saß Crawford noch an seinem Schreibtisch und studierte die Akte. Sein Gesicht war ernst und besorgt. Das sah gar nicht gut aus. Es schien, als hatte er die falsche Auswahl getroffen, denn keiner der drei Männer, deren Polizeiakten Crawford in den Händen hielt, kam in Frage. Dabei war die Vision eigentlich deutlich gewesen. Könnte ich etwas übersehen haben?, fragte Crawford sich und ging in Gedanken die Bilder noch einmal durch, die er gestern morgen gesehen hatte. Aber ihm fiel nichts auf. Crawford seufzte. Er brauchte diesen Mann. Und wenn er ihn nicht bald fand, würde er nicht erreichen, was er zu erreichen gedachte. Müde und abgespannt rieb Crawford sich die Schläfen. Zu viel nachdenken machte ihm in letzter Zeit immer Kopfschmerzen. Dann werde ich doch Schuldig bitten müssen..., dachte Crawford und seufzte wieder. Das war ihm gar nicht recht, aber anscheinend blieb ihm keine andere Wahl. Mühsam stand der Amerikaner auf und verließ sein Zimmer. Er ging in die Küche und fand Schuldig noch am Tisch. "Du kriegst Arbeit.", sagte er und nahm Schuldig die Tasse aus der Hand, die der Rotschopf sich gerade genommen hatte. "Krieg ich auch meinen Kaffee?", gab Schuldig grummelnd zurück, als Crawford trank, was eigentlich zu Schuldigs Beruhigung gedacht gewesen war. "Nein, nur Arbeit diesmal.", erwiderte Crawford grinsend und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Er hielt die Akte in der Hand und schob sie Schuldig zu. "Ich will, dass du sie besuchst und herausfindest, ob einer von ihnen Eijiro Tokieda kennt, verstanden?" Schuldig gähnte. "Wozu willst du das wissen? Der hat doch nichts mit unserem Auftrag zu tun...", antwortete der Deutsche gelangweilt und betrachtete stirnrunzelnd die Fotos, die den Akten beilagen. "Ich will es wissen. Sollte einer von ihnen etwas wissen, ruf mich an." Crawford trank den Kaffee aus und stellte Schuldig die leere Tasse vor die Nase. "Und wenn du wenigstens diesen Job ein wenig schneller erledigst, bekommst du auch deine Tasse Kaffee...", meinte er und grinste Schuldig ins Gesicht. Schuldig murmelte etwas, achtete aber behutsam darauf, dass Crawford es nicht verstand. Dann stand er auf, deutete eine Verbeugung an und verschwand grinsend aus der Küche. Einige Augenblicke später heulte ein Automotor auf und Crawford lächelte zufrieden. Es wurde auch Zeit, dass Schuldig sich mal wieder ein wenig anstrengte. Er schuldete ihm immer noch einige Informationen für ihren derzeitigen Auftrag und langsam wurde Crawford ungeduldig. Und wenn Schuldig seine Arbeit aufschob und meinte, damit käme er durch, bekam er eben noch eine schöne, neue Aufgabe zusätzlich. Das würde ihn hoffentlich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Warum war der Deutsche überhaupt so langsam? Genervt stand Crawford wieder auf und schlurfte Richtung Nagis Zimmer. Vielleicht konnte der Kleine ihn etwas aufheitern. Oder sie konnten einfach nur still nebeneinander sitzen und sich zusammen langweilen. Crawford grinste ein wenig, als er daran dachte, dass sie das mal einen Abend gemacht hatten. Beide waren genervt gewesen und hatten keine Lust zu gar nichts gehabt. Also hatten sie in Nagis Zimmer gesessen und sich zwei Stunden lang nicht bewegt. Dann hatte Nagi sich auf dem Bett zusammengerollt und gesagt, dass er jetzt schlafen würde und Crawford hatte zum ersten Mal in Nagis Bett geschlafen. Er hatte einfach keine Lust gehabt, in sein Zimmer zu laufen und so hatte er sich zu Nagi gelegt und sich ein wenig an ihn gekuschelt. Aber nur ein wenig. Ja sicher. Nur ein wenig. Du hättest ihn fast geküsst... Crawford runzelte die Stirn und vertrieb den Gedanken wieder. Dann klopfte er an Nagis Tür und steckte den Kopf in sein Zimmer. "Nagi?", fragte er und entdeckte die kleine, zusammengerollte Gestalt auf Nagis Bett mit einem Lächeln. Da lag er. Genau, wie an diesem Abend... Wieder schüttelte Crawford den Kopf. Dann trat er ins Zimmer und setzte sich zu Nagi ans Bett. Der Jüngere richtete sich auf und blinzelte. Dann lächelte er ein wenig. "Hallo Brad...", sagte er leise und gähnte. Crawfords Lächeln wurde breiter. Wärmer. Er mochte es, wenn Nagi ihn Brad nannte. Bei ihrem Jüngsten hatte das einen angenehmen Klang, fand Crawford. "Kommst du voran?", wollte er wissen und schaute Nagi in die Augen. Der schüttelte schwach den Kopf und sein Gesichtsausdruck wurde düster. Natürlich, ganz toll gemacht., schalt Crawford sich, als er sah, dass Nagis Blick trüb und seine Stimmung mies wurde. "Ich hab damit ein Problem.", gab der Junge zu und seufzte. Crawford runzelte die Stirn. "Du wirst nicht fertig.", stellte er fest und sah Nagi kopfschüttelnd an. Das war das erste Mal. Nagi nickte bedrückt. "Ja, ich fürchte, ich werde nicht fertig.", sah er ein und seine Gedanken glitten zu Access Ghost. Dieser Penner verdarb ihm seinen Auftrag. Und es war gar nicht gut, dass er Crawford sagen musste, dass er so nicht fertig werden würde. "Wo liegt das Problem?", wollte Crawford jetzt wissen und sah sich in Nagis Zimmer um. Nagi seufzte noch einmal. Er überlegte einen Moment, ob er Crawford von Access erzählen sollte, beschloss dann aber, es nicht zu tun. Aus Rücksicht auf seine eigene Gesundheit. Crawford wäre sicherlich nicht begeistert, wenn Nagi zugab, sein System nicht ordentlich absichern zu können. "Das System ist schwierig. Es dauert zu lange.", gab Nagi deshalb nur zurück und sah Crawford nicht an. "Das System ist schwierig? Es dauert zu lange? Das ist eine lahme Ausrede Nagi. Du hast bis morgen Abend Zeit, dann müssen wir die Daten haben." Crawford sah Nagi prüfend an. Dann schüttelte er den Kopf, als Nagi zum sprechen ansetzen wollte. "Morgen Abend.", sagte er noch einmal und erhob sich wieder. Jetzt wurde nichts mehr aus der trauten Zweisamkeit. "Setz dich dran und bring es zuende.", verlangte Crawford und schenkte Nagi einen undurchdringlichen Blick. Nagi nickte schwach und ließ dann den Kopf hängen. Ganz toll gemacht Nagi., dachte er und seufzte tief. Aber obwohl er sich sofort an seinen PC hätte setzen sollen, blieb Nagi noch liegen und starrte an die Decke. Und seine Gedanken kreisten um die Frage, wie er Access Ghost in die Finger bekommen konnte. Crawford ging unverrichteter Dinge wieder in sein Zimmer. Er hatte keine Lust, sich jetzt noch mit ihrem Auftrag zu beschäftigen. Nagi und Schuldig waren mit ihrer Arbeit noch nicht fertig, also konnte Crawford sich auch mal eine Pause gönnen, fand er. Allerdings wurde es langsam knapp. Der Hit sollte in zwei Tagen stattfinden und bis dahin mussten alle Informationen beisammen sein. Crawford beschloss aber, trotz der entgegengesetzt sprechenden Umstände, seiner Vision zu trauen, laut der alles zum richtigen Zeitpunkt bereit sein würde. Nagi würde seine Schwierigkeiten schon überwinden, Crawford hatte ihm die Notwendigkeit dessen jetzt jawohl deutlich gemacht. Und Schuldig würde sich auch noch zusammenreißen, glaubte Crawford. Immerhin war er bis jetzt immer zuverlässig fertig geworden, oder nicht? Nachdem er noch lange einfach nur an seinem Schreibtisch gesessen und die Luft angestarrt hatte, legte Crawford sich aufs Bett. Er war immer noch müde. Kein Wunder, bei dem Stress der letzten Tage. Ihr Auftrag war kompliziert, die Masse an nötigen Informationen schwer zu überblicken und jetzt auch noch diese dämliche Verzögerung, das machte einem zu schaffen. Wieso war Schuldig übrigens noch nicht zurück? Die drei Männer auszuquetschen konnte doch nicht so lange dauern. Crawford fand es ätzend, dass er sich jetzt wieder so viele Gedanken machen musste. Er gähnte, dann schloss er die Augen. Während Crawford langsam ins Land der Träume entschwand, setzte Nagi sich um Mitternacht wieder vor den PC. Ob er wollte oder nicht, die Informationen mussten her. Und wenn er sich mit Access Ghost herumschlagen musste, durfte ihn das nicht stören. Und dass er mich daran hindert, eben diese Informationen zu bekommen, stört mich natürlich auch überhaupt nicht..., dachte Nagi grummelnd und wartete, bis das System geladen hatte. Also, mal sehen... Wieso entwickle ich nur so eine Abneigung gegen diese Bitte?? Nagi schnaubte und grinste sarkastisch. Dann tippte er «God» ein und lachte, als die Antwort kam Ach nee... Nagi runzelte die Stirn. Wunderbar, wenn man Freunde traf, nicht wahr? «ja, dank dir» «exakt» «hät ich mir fast gedacht» Nagis Augen weiteten sich, dann zog er den Stuhl näher an den Schreibtisch und beugte sich leicht vor. Er würde fast alles tun, um Crawford die nötigen Ergebnisse zu präsentieren, immerhin konnte er auf eine Bestrafung gut verzichten. «was??» Nagi nickte, dann tippte er wieder. «natürlich» Nagi runzelte wieder die Stirn. Das war doch nicht zu fassen. «warum zum Teufel willst du dauernd mit mir reden?» «...» Nagi legte den Kopf schief. Dann lehnte er sich im Stuhl zurück und überlegte sich eine Minute lang, was er antworten sollte. Access Ghosts Nachricht blinkte unbeantwortet auf dem Bildschirm. «du hast mir meinen namen gegeben» antwortete Nagi dann und seufzte. «vielleicht...» «einverstanden» Nagi lächelte ein kleines Lächeln und setzte sich bequemer hin. Warum auch nicht? Redete er eben ein bisschen, schaden konnte es zum derzeitigen Zeitpunkt nicht. Er bekam die Informationen sowieso nicht, ohne Access Ghosts Zustimmung und anhaben konnte Access ihm auch nichts, was Nagi hätte verhindern können. Nagi machte sich bewusst, dass er darauf achten musste, was er antwortete. Nicht zuviel ausplaudern. Und darauf achten, dass Access ihn nicht zu einer Dummheit trieb. «ich habe niemanden zum reden» tippte er lächelnd ein und hoffte, die Antwort zu bekommen, mit der er rechnete. Wunderbar. Jetzt hatte Nagi wieder die Kontrolle. «ich kenne dich nicht» «du willst wiederkommen?» «was soll das heißen?» «wozu soll das gut sein? ich hab wirklich keine zeit dafür...» «die daten?» «erklär» «das ist alles?» «was weißt du über die daten, die du mir anbietest?» «dann würdest du sie mir nicht geben» Nagi schüttelte leicht den Kopf. Da steckte also doch mehr dahinter. Sein Gegenüber musste wissen, worum es sich bei den Daten handelte, dessen war Nagi sich sicher. Warum also sollte er sie einem Fremden überlassen, wenn er damit genauso gut selber etwas anfangen konnte? Die Antwort war, dass Access wissen, oder zumindest ahnen musste, was Nagi mit den Daten vorhatte. Und das bedeutete wohl, dass Access kein einfacher Hacker war, der sich nur einen Spaß daraus machte, in fremde Systeme einzudringen und ein wenig Chaos anzurichten. Hätte Access das gewollt, würde Nagi jetzt nicht hier sitzen und mit ihm reden, sondern einen Crash Overwrite installieren und sein System wiederherstellen müssen. Nagi grinste. Er hatte zu lang geschwiegen. Und Access war nicht dumm. «darüber, wer du wirklich bist» «system control» Nagi konnte das Grinsen des anderen fast vor sich sehen. «nope» Was war das jetzt wieder für ein Schwachsinn? Nagi gähnte. Er war müde und Access gab ihm Rätsel auf. Konnte er nicht morgen früh wiederkommen und dann weiterlabern? «darum geht es nicht...ich will die daten» «natürlich...» «nope» Nagi lächelte. Diesmal ein ehrliches Lächeln. Access stand ganz offensichtlich auf seinem Niveau und irgendwie freute Nagi sich darüber. «OK» «haben wir lange genug geredet?» «bekomme ich, was ich brauche?» Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. Access wollte sich auf ein Versprechen verlassen, dessen Geber er nicht einmal kannte? Und wenn schon, Nagi konnte es jedenfalls nicht schaden. «was?» Nagi zögerte einen Moment, dann zuckte er kichernd die Schultern. Warum nicht? «ich bin da» Spinner «ich verspreche es» Und irgendwie wurde Nagi klar, dass er wirklich kommen würde. Warum? Nun, er hatte es versprochen. Einem Penner, der sich Access Ghost nennt und meint er sei besser, als du... Aber trotzdem. Versprechen ist Versprechen, fand Nagi. Außerdem hatte er morgen Abend eh nichts vor, wenn er wirklich die versprochenen Informationen von Access bekam. «werd ich» «du öffnest den zugang?» Nagi holte tief Luft und öffnete das Fenster. Na schön... «loneliness» Nagi schluckte und schloss kurz die Augen. Dann öffnete sich ein nächstes Fenster und eine Reihe von codierten Mustern lief über den Bildschirm. Nagi lächelte, als er sah, dass Access Wort gehalten hatte. Dann machte er seine Arbeit und lud sich die Daten herunter. Als er fertig war, blinkte eine neue Nachricht auf seinem Bildschirm. «ja» Und dann... «danke» «werd ich» Und Outlock. Was war das denn, er hatte sich ja bedankt. Eigentlich hatte Nagi das zurückhalten wollen, aber irgendwie fand er dann, dass er sich wirklich bedanken musste. Er hätte das System nicht geknackt, auch, wenn er das nicht gerne zugab. Lächelnd druckte Nagi aus, was Crawford hatte haben wollen. Er packte alles in eine neue Akte und legte sie auf seinen Nachttisch, damit er sie Crawford gleich morgen früh geben konnte. Nach dem Blick, den Crawford ihm heute Abend zugeworfen hatte, war er sich sicher, dass er Nagi jetzt nicht in seinem Bett haben wollte. Also wollte er auch nicht mehr stören. Er zog sich um, machte sich fertig und legte sich ins Bett. Dann sah er die Akte an, kuschelte sich wohlig ein und schloss die Augen. Ein junger Mann saß vor seinem PC und kicherte leise vor sich hin. Shattered war wirklich amüsant. Jetzt hatte er, was er hatte haben wollen, Access war ja kein Unmensch. Du wirst trotzdem wiederkommen..., dachte Access und lächelte vergnügt. Als ein weiterer junger Mann ins Zimmer kam und das Lächeln des Anderen sah, musste er schmunzeln. "Du beschäftigst dich sehr ausgiebig mit dieser ,kleinen Spielerei'...", meinte der junge Mann und lehnte sich gegen den Schreibtisch, an dem Access saß. "Es wird alles werden, wie es werden soll.", gab Access zurück und grinste leicht. "Wenigstens etwas...Aber jetzt mach Schluss, ich hab Hunger und alleine will ich nicht essen.", erwiderte der junge Mann und grinste Access lieb an. Access nickte und erhob sich. "Schon erledigt...", sagte er noch, dann schaltete er den PC aus. "Machs gut??", fragte der junge Mann erstaunt, als er einen Blick auf die letzten Zeilen auf Access' Bildschirm erhaschte. Access lächelte und nickte. Der junge Mann musste lachen. Dann verließ er das Zimmer, Access folgte ihm und schaltete das Licht aus. "Reden wir lieber übers Essen...was hast du gekocht?", wollte er von dem jungen Mann wissen und bekam ein Grinsen zur Antwort. "Wirst du gleich sehen...", erwiderte er und zog Access in die Küche. Nicht nur Shattered, auch Access hatte heute bekommen, was er hatte haben wollen. Kapitel 2: - Zwei - ------------------- Nagi wachte auf, weil die Sonne in sein Zimmer schien und ihn an der Nase kitzelte. Blinzelnd drehte er sich herum und rieb sich die Augen. Das war definitiv viel zu hell. Der junge Schwarz gähnte ausgiebig und setzte sich dann auf. Er warf einen Blick auf die Uhr: halb zehn. Hatte er wirklich achteinhalb Stunden geschlafen? Nagi gähnte erneut. Nein, das konnte nicht sein, dazu war er noch viel zu müde. Ohne Umschweife schnappte er sich, trotz anhaltender Müdigkeit, die Akte von seinem Nachttisch und stand auf. Leise tapste er zu Crawfords Zimmer und klopfte ebenso leise an. "Ja?", ertönte es von drinnen und Nagi öffnete die Tür. Crawford saß im Bett und las die Akte, die Nagi ihm vorgestern gebracht hatte. "Guten Morgen.", sagte Nagi leise und schloss die Tür hinter sich. Dann trat er zu Crawford und hielt ihm die neue Akte hin. "Hier sind die Daten. Alles, was du brauchtest.", fügte er ebenso leise hinzu und sah Crawford nicht an. Der Ältere legte die Akte beiseite und nahm die von Nagi an. "Dann hast dus doch noch geschafft...", entgegnete er ruhig und schaute Nagi an. Der nickte. "Gut gemacht. Schneller, als ich verlangt hatte.", lobte Crawford Nagi ein wenig und rutschte ein Stück zur Seite. "Setzt du dich zu mir?", fragte er und lächelte. Nagi sah auf und schaute erstaunt. Crawford war schon merkwürdig. Dann zuckte er die Schultern, lächelte ebenfalls und setzte sich zu Crawford ins Bett. Das war ohnehin schöner. Im Pyjama war es doch etwas kalt, wenn man so im Zimmer herumstand. Crawford breitete die Bettdecke auch über Nagi und sah sich die Daten an, die Nagi ausgedruckt hatte. "Sehr gut. Das ist alles, was ich brauche.", murmelte er, während er feststellte, ob alles dabei war, was nötig war. Nagi lächelte zufrieden und war erleichtert. Beide schwiegen eine Weile, während Crawford sich alles durchlas. Nagi saß still neben ihm und schaute auf die Bettdecke. Er fühlte sich immer komisch, wenn er so bei Crawford war. Einerseits fühlte er sich wohl, fand es behaglich, sich bei ihm einzukuscheln und neben ihm einzuschlafen. Andererseits war ihm irgendwie immer etwas unwohl, wenn Crawford seinen Arm um ihn legte, oder ihn so anlächelte, wie gerade eben. Aber Nagi konnte sich dieses Gefühl nicht erklären. Vielleicht war es diese seltsame Mischung aus Ernst und Gelassenheit, aus geschäftlichem und privatem. "Hast du schon gefrühstückt?", fragte Crawford unvermittelt und griff an Nagi vorbei, als er die Akte zu der anderen auf den Nachttisch legte. Nagi schüttelte den Kopf. "Hast du großen Hunger?", fragte Crawford weiter und lehnte sich wieder zurück. Nagi schüttelte wieder den Kopf und sah Crawford an. "Dann bleibst du noch und leistest mir Gesellschaft?", wollte Crawford wissen und lächelte wieder dieses merkwürdige Lächeln. Nagi nickte leicht und lächelte zurück. Crawford seufzte wohlig und ließ sich tiefer in die Kissen rutschen. Offensichtlich dachte er nicht daran, aufzustehen. Und da Nagi sowieso noch müde war, legte er sich ebenfalls hin und seufzte ruhig. Crawford drehte sich auf die Seite, sodass er Nagi anschauen konnte. Der junge Schwarz spürte den Blick des Älteren, rührte sich aber nicht, sondern starrte nur still an die Decke. "Weißt du, worüber ich in letzter Zeit oft nachdenke, Nagi?", fragte Crawford leise und betrachtete Nagis Gesicht. Der Jüngere schüttelte den Kopf. "Sagst dus mir?", fragte er zurück und lächelte leicht. "Ich habe mir überlegt, wie es wohl wäre, wenn ich dich küsse, Kleiner...", gab Crawford leise zurück und grinste. Nagis Blick zuckte zu dem Mann neben ihm und überrumpelt starrte er Crawford an. "Überrascht?", fragte der und grinste noch breiter. Nagi schluckte. Was war denn das jetzt schon wieder. Nagi spürte, dass er rot wurde. Nein, nicht auch noch das..., dachte er und wand den Blick schnell wieder zur Decke. Crawford schmunzelte, amüsiert über Nagis Reaktion. "Was denn? Du wirst rot?", lachte er leise und rückte etwas näher. Nagi war verwirrt und glaubte kaum, dass Crawford das wirklich ernst meinte. Aber seine Zweifel an Crawfords Glaubwürdigkeit wurden jäh zerstört, als der Schwarz sich endgültig zu Nagi beugte und ihm seine Lippen auf den Mund drückte. Nagi zuckte zusammen und riss die Augen auf. Was zum... Aber Crawford war noch da. Und er küsste ihn noch immer. Erschrocken zog Nagi den Kopf zurück und schupste Crawford von sich. "W-was machst du denn??", fragte er verdattert und starrte den Älteren baff an. Crawford kicherte einen Moment und sah Nagi an. Dann grinste er wieder. "Du bist süß, wenn du rot wirst. Und lecker...", grinste er und leckte sich die Lippen. Nagi hob langsam eine Hand zu seinem Mund und strich darüber. Crawford hatte ihn geküsst und er spürte noch seinen Geschmack auf den Lippen. "Gefällt dir das, hm?", flüsterte Crawford und beugte sich wieder näher. Nagi blinzelte kurz, dann sah er den anderen Schwarz wieder an. Und bevor er sich versah, spürte er wieder den sanften Druck der starken Lippen seine Gegenübers. Nagis Augen wurden groß, er starrte ungläubig auf den Mann neben ihm, der langsam die Augen schloss und den Kuss genoss. Aber Nagi wollte das nicht. Er fühlte sich plötzlich ganz und gar fehl am Platz. Er wollte nicht, dass Crawford ihn so berührte. "D-das...das geht doch nicht...", stotterte er mühsam und schob Crawford von sich. Der Ältere öffnete die Augen langsam wieder und sah Nagi an. Er schien enttäuscht. "Was soll das heißen?", fragte er leise und runzelte die Stirn. Nagi senkte den Blick, aber er konnte nicht antworten. Es gefiel ihm nicht, wie Crawford ihn ansah. "Sag bloß, du willst nicht?", fragte Crawford weiter und lachte leise. Aber es klang nicht amüsiert, sondern eher ungläubig. Nagi schüttelte schwach den Kopf. Nein, er wollte das nicht. "Ich glaubs nicht.", zischte Crawford leise, dann setzte er sich ruckartig auf und sah auf Nagi herab. "Du hast doch sonst nichts dagegen, mit mir zusammenzusein, oder seh ich das falsch?", fragte der Ältere barsch und Nagi sah auf. Jetzt ist er sauer..., stellte er traurig fest und seufzte leise. Crawford grummelte vor sich hin, während Nagi sich langsam aufsetzte und an die Bettkante rutschte. "Du lässt mich echt abblitzen??" Crawford sah wütend aus und Nagi traute sich nicht mehr, ihn anzusehen. Aber er nickte. Das war zuviel. Crawford rutschte aus dem Bett, stand auf und packte Nagi unsanft am Arm. Dann zog er ihn auf die Füße und schlug ihm ins Gesicht. "Aber zum neben dir schlafen bin ich gut genug??", fauchte Crawford und hielt Nagis Arm fest. Der Jüngere sah auf und hatte Tränen in den Augen. Er schluchzte und schluckte sie herunter. Lieber wollte er Crawford nicht noch wütender machen. Betroffen wandte er den Blick ab und starrte auf seine Füße. "Huh?? Dazu reichts?? Rede schon!", verlangte Crawford und schüttelte Nagi leicht. Aber Nagi sagte nichts. Crawford sah ihn eine Weile zornfunkelnd an, dann stieß er ihn zur Tür und warf ihn aus seinem Zimmer. "Bastard...", zischte er kalt und knallte die Tür zu. Nagi zuckte zusammen und wich ein paar Schritte zurück. Dann drehte er sich um und rannte zu seinem Zimmer. Er wollte gerade die Tür öffnen und sich verkriechen, als Schuldig vorbeilief und ihn aufhielt. "Morgen Nagi!", rief er und grinste fröhlich. Nagi sah ihn an und runzelte die Stirn. Ach ja, das ist Schuldig..., dachte er verwirrt und starrte den Anderen an. Schuldig kicherte, als er Nagis irritierten Gesichtsausdruck bemerkte und seinen Gedanken mitbekam. "Schon gefrühstückt?", wollte er wissen und lehnte sich neben Nagi an die Wand. Nagi schüttelte lasch den Kopf. Schuldig runzelte die Stirn, dann sah er Nagis rote Wange. "Was hast du diesmal wieder verbockt, Kleiner?", fragte er grinsend und betrachtete Nagi sarkastisch. Der Kleine zuckte schwach die Schultern. "Lass mich einfach in Ruhe, OK?", verlangte er leise und griff nach seiner Türklinke. Aber Schuldig hielt ihn zurück. Keine zynischen Wiederworte?, fragte er sich still und sah Nagi an. "Du frühstückst jetzt mit mir. Ich langweile mich.", entschied er und zog Nagi in die Küche. Nagi war zu verwirrt und überrumpelt, um sich zu wehren und so setzte er sich auf den Stuhl, den Schuldig ihm zuwies. Er hing seinen Gedanken nach und kümmerte sich nicht um Schuldig, der Toast machte und Kaffee aufsetzte. Plötzlich wurde Nagi aber aus seinen Gedanken gerissen, als Schuldig sich zu ihm beugte und ihn überrascht ansah. "Was soll das heißen, er hat dich geküsst??", fragte er und stieß Nagi an. Der zuckte wieder zusammen und schielte zu dem fragenden Gesicht neben ihm, aber er sagte nichts, sondern sah Schuldig nur an. Da streckte der Telepath seine unsichtbaren Finger aus und forschte ein bisschen nach. Und er fand die Antwort, die er suchte. Nagi präsentierte sie ihm ohne große Umschweife. "Ich glaubs nicht...", murmelte Schuldig vor sich hin. Dann setzte er sich verdutzt neben Nagi an den Tisch. Der Jüngere störte sich nicht an Schuldigs verwirrtem Gebrabbel, starrte nur vor sich hin. Es war ihm egal. Sollte Schuldig doch wissen, worum es ging, dann würde er wenigstens nicht mehr so dämlich fragen. Nagi seufzte leise. "Du hast ihn echt abblitzen lassen?", fragte Schuldig nach einer Weile und grinste schon wieder. Nagi nickte und schaute auf. Er sah in Schuldigs Gesicht und runzelte die Stirn über sein verschmitztes Grinsen. "Das ist nicht lustig...", sagte er leise und faltete die Hände in seinem Schoß. Schuldig grinste kurz noch ein wenig breiter, dann fand er irgendwie, dass Nagi recht hatte und vertrieb das Grinsen von seinem Gesicht. "Er ist stinksauer, oder?", fragte der Schwarz dann leise und sah Nagi fast mitleidig an. Der Kleine nickte leicht und seufzte wieder. Schuldig schwieg. Das würde kein schöner Tag werden. Für Nagi sicherlich nicht und wie er Crawford kannte würde sich seine schlechte Laune auch auf Schuldig auswirken. Und irgendwie hatten sowohl Schuldig, als auch Nagi das Gefühl, dass es damit noch nicht vorbei war. Gegen halb zwölf kam Crawford nach unten in die Küche und setzte sich zu Schuldig. Nagi hatte sich geschickter weise gleich nach dem Frühstück wieder verdrückt, er wollte Crawford jetzt auf keinen Fall gleich wieder über den Weg laufen. "Hast du, worum ich dich gebeten hatte?", fragte Crawford anstatt Schuldig zu begrüßen und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Schuldig merkte sofort, dass er recht hatte mit der Annahme, dass Crawford jetzt sauer war und behielt die schnippische Bemerkung, die er gerne losgeworden wäre, lieber für sich. Stattdessen nickte er nur. "Ich habe alle drei überprüft. Keiner von ihnen hat auch nur die geringste Ahnung von diesem Eijiro Tokieda.", antwortete er und sah Crawford an. "Aber ich habe wenigstens die anderen Informationen besorgt, die du haben wolltest.", fügte er schnell hinzu, bevor Crawford etwas erwidern konnte. Das schien den Amerikaner etwas zu besänftigen. Deshalb war er also so lange weg..., dachte Crawford. "Hättest du die Güte, sie mir zu bringen?", fragte er ruhig, während er sich Kaffee einschenkte. Schuldig stand rasch auf und holte, was Crawford verlangte. Er kehrte in die Küche zurück und hielt dem Anderen einen Umschlag hin. Crawford öffnete ihn und zog einen Stapel Papiere heraus. Er sah sie sich an und nickte zufrieden. "Dann haben wir jetzt zusammen, was wir brauchen.", meinte er und trank gemächlich seinen Kaffee. Schuldig hielt sich geschlossen und setzte sich wieder an seinen Platz. "Ich denke, dann können wir den Auftrag in Ruhe abschließend vorbereiten. In einer Stunde.", sagte Crawford und streckte sich. Dann gähnte er. Schuldig nickte. Crawford wollte aufstehen und Schuldig wusste, er würde zu Nagi gehen, um ihm zu sagen, wann er zur Auftragsbesprechung zu kommen hatte, deshalb stand er ebenfalls rasch auf und eilte an Crawford vorbei. "Ich sag Nagi Bescheid!", rief er noch, dann verschwand er schon Richtung Nagis Zimmer. War ja klar, dass er sich das von Nagi geholt hat..., dachte Crawford grummelnd, hielt Schuldig aber nicht zurück, sondern ging in sein Zimmer. Er sammelte die Akten zusammen, die sie zur Vorbereitung des Auftrages brauchen würden und legte sie ordentlich zusammen. Dann setzte er sich ins Wohnzimmer und schaltete entnervt den Fernseher ein. Eine Stunde war hoffentlich genug Zeit, um sich soweit zu beruhigen, dass er normal mit Nagi sprechen konnte. "Nagi?" Schuldig klopfte an Nagis geschlossene Zimmertür und rief den Jungen leise beim Namen. Er hörte, dass Nagi drinnen aufschloss, dann öffnete sich die Tür. "Was?", fragte der Jüngere unwirsch und blitzte Schuldig an. Der runzelte leicht die Stirn, sagte aber nichts dazu. "Lass mich mal rein.", bat er und Nagi trat grummelnd beiseite. Als Schuldig im Zimmer war, schloss Nagi die Tür wieder und schloss ab. "Er soll wohl nicht reinkommen, huh?", fragte Schuldig grinsend und setzte sich auf Nagis Schreibtischstuhl. Nagi knurrte irgendwas, antwortete aber nicht direkt und setzte sich im Schneidersitz aufs Bett. "Also, was willst du?", verlangte er zu wissen und sah Schuldig mies gelaunt an. "Zum einen, dir sagen, dass wir uns in einer Stunde besprechen. Crawford hat jetzt alle Informationen, die er braucht.", begann der Deutsche und studierte Nagis Gesicht. Grimmig. "Und zum anderen?", fragte Nagi nach und klang genervt. Schuldig lächelte, dann schüttelte er tadelnd den Kopf. "Ich bin nicht schuld daran, dass er dich geküsst hat, klar?", sagte er leise und sah Nagi stirnrunzelnd in die Augen. Nagi seufzte und nahm sich zusammen. Schuldig hatte ja recht. Was nützte es, wenn er den Älteren jetzt auch noch in seine schlechte Laune mit einschloss? "Gut.", sagte Schuldig knapp, als er sah, dass Nagi sich etwas beruhigte. Dann fuhr er fort. "Zum anderen...würde ich mich gerne mal näher mit dir unterhalten. Ich hab so das Gefühl, die Situation rechtfertigt das im Moment...", sagte er und lehnte sich im Stuhl zurück. Nagi seufzte leise. Ja, das war Schuldig. Warum musste er ihn jetzt nerven, wo er genau wusste, dass Nagi jetzt alles andere, aber nicht reden wollte? "Hör zu Schuldig. Ist ja rührend von dir, dass du dich um mich sorgst, aber ich hab jetzt wirklich keinen Nerv, über irgendwas zu reden, OK?", erwiderte Nagi daher, legte sich mit einem Seufzen auf den Rücken und starrte die Decke an. "Nein, nicht OK.", gab Schuldig zurück, nun seinerseits seufzend. "OK, also ich will nur, dass dus mir sagst, wenn irgendwas ist, ja?" Nagi sah auf und stützte sich auf die Ellbogen. "Was sollte sein?", gab er kurz zurück und schaute uninteressiert. Aber Schuldig ließ sich nun mal nicht so leicht abwimmeln. "Ich meins ausnahmsweise mal ernst.", sagte er und sah Nagi weiter an. "Ich hab so das Gefühl, dass Crawford sich mit einem einfachen ,Nein' nicht zufrieden geben wird, denkst du nicht auch?", wollte er wissen und Nagi setzte sich seufzend wieder hin. "Was soll schon passieren? Er wird ne Weile sauer sein und sich dann wieder beruhigen. Ist doch immer das Gleiche.", meinte der junge Schwarz und legte den Kopf schief. "Gut, wenn es so ist. Aber wenn nicht, sagst dus mir, OK?", bat Schuldig und klang ausnahmsweise mal ehrlich. Aber Nagi begriff nicht, was das Theater sollte. Was sollte Crawford schon groß machen? "Na meinetwegen...", entgegnete er daher und hoffte, Schuldig würde jetzt endlich Ruhe geben. Der Deutsche sah, dass Nagi nicht verstand, was er meinte, aber wenigstens hatte er zugestimmt. Also ließ er ihn damit zufrieden und erhob sich wieder. "Denk dran Nagi.", sagte er noch und sah Nagi einen Moment lang ernst in die Augen. Dann verschwand er und schloss die Tür hinter sich. Nagi stand auf, drehte den Schlüssel langsam wieder herum und setzte sich dann wieder aufs Bett. Eine Stunde später erhob er sich mühsam und tapste ins Wohnzimmer. Schuldig und Crawford saßen schon auf der Couch und besonders Crawford schien auf ihn zu warten. "Setz dich.", sagte er nur barsch, als Nagi den Raum betrat und folgte ihm mit seinem Blick, während Nagi sich der Couch gegenüber auf den Boden setzte. Crawford breitete aus, was sie an Informationen zusammengetragen hatten. "Viel gibt es nicht mehr zu sagen, aber ein paar Dinge wären da noch.", begann er und schob ein paar Blätter herum, um die richtige Abfolge zu verdeutlichen. "Wie Schuldig jetzt netterweise doch noch herausgefunden hat, ist eine Zielperson abgesprungen. Isoshi Hirozuma hat wohl Angst bekommen. Er hat sich lieber selbst das Leben genommen." Crawford zog Isoshis Foto hervor und legte es auf den Tisch. "Also sind es nur noch sechs. Ihr habt die Bilder im Kopf?" Schuldig und Nagi nickten. Natürlich hatten sie das. "Gut. Weiß irgendwer noch nicht, was er wann zu tun hat?", wollte Crawford wissen und sah nacheinander Schuldig und Nagi an, wobei sein Blick an Nagi etwa zwei Sekunden länger hängen blieb. Nagi rutschte kurz herum, dann seufzte er. "Es geht um den Code. Du konntest mir noch nicht sagen, wie viel Zeit ich haben werde, um ihn zu knacken...weißt dus jetzt?", fragte er leise und schielte Crawford an. Der nickte und zog eine Kopie eines codierten Computerprogramms aus einer Akte. "Das hat Schuldig erfreulicherweise auch noch gefunden. Du hast drei Minuten. Schaffst du das?" Nagi sah sich die Kopie an und lächelte dann. Schuldig grummelte leise ob des doch sehr ironischen Tons, mit dem Crawford ,erfreulicherweise' gesagt hatte, aber er hielt sich lieber geschlossen. "Natürlich.", gab Nagi zurück und Crawford nickte zufrieden. "Gut. Sonst noch Fragen?" Crawford sah in die Runde, aber Schuldig und Nagi schüttelten den Kopf. "Wunderbar. Wir fahren morgen Abend um 19.30, sind dann um 19.45 am Zielort und beginnen pünktlich um genau 20.05, wenn die Wachen wechseln. Ich will keine Verzögerung, sonst badet ihr das aus, verstanden?" Das hatten sie natürlich und Nagi und Schuldig nickten. Dann hatte Schuldig doch noch eine Frage. "Was ist mit Farfi?" Crawford sah von seinen Blättern auf, die er gerade wieder einpackte und auch Nagi hielt inne. Richtig, dass hatte er ganz vergessen. Ob der Ire an der Mission teilnehmen würde, war die ganze Zeit unklar geblieben. Crawford schüttelte den Kopf. "Er bleibt hier.", antwortete er knapp und gab keine Erklärung dazu ab. Nagi und Schuldig konnte das auch gleichgültig sein. Wenn Crawford sagte, Farfarello bleibt hier, dann blieb er auch hier. Die drei Schwarz standen auf und trollten sich. Crawford verschwand aus dem Haus, Schuldig verschwand im Keller um sich ,mit dem Hündchen zu amüsieren' und Nagi trottete in sein Zimmer und schaltete den PC an. Insgeheim hoffte er, Access Ghost zu treffen. Irgendwie hatte er das Gefühl, er müsste mit jemandem über Crawford reden und es war vielleicht besser, wenn derjenige Brad nicht kannte, das wäre vielleicht leichter. Aber Access war nicht da und so beschloss Nagi, einfach ein wenig zu zocken, um sich abzulenken. Als Crawford zurückkam, war es halb sieben. Draußen war es bereits dunkel und es hatte gerade wieder angefangen, zu regnen. Der Schwarz Leader stieg die Treppen nach oben und horchte an Nagis Zimmertür. Er hörte nur das Klappern von Nagis Tastatur und seufzte leise. Dann ging er in sein Zimmer und kramte ein paar Sachen aus seinem abschließbaren Safe im unteren Teil seines Kleiderschrankes. Nagi würde nicht so einfach davonkommen, hatte er beschlossen. Nagi saß noch immer an seinem PC und wartete fast ungeduldig darauf, dass es acht Uhr wurde. Als es soweit war, wartete er gespannt auf die erste Nachricht von Access. Als sie aufblinkte, antwortete er sofort, was er im nächsten Augenblick schon wieder bereute. Es sollte doch nicht so aussehen, als ob er gewartet hatte. So sieht es jetzt aber aus..., dachte Nagi und grummelte leise. So ist es ja auch, nicht wahr? <> Na Klasse. Jetzt war es zu spät. <> <> Nagi runzelte überrascht die Stirn. <> Nagi lächelte ein wenig. OK, Schluss mit den Spielchen. <> <> <> Nagi überlegte einen Moment. Dann beschloss er, es zu erzählen. Er konnte nur eine brauchbare Antwort bekommen, wenn Access wusste, worum es wirklich ging. Und schaden konnte es nichts. <> <> Jetzt zögerte Access mit der Antwort. Offensichtlich überlegte er, wie er das verstehen sollte. <> Wieder ein Zögern. <> <> <> <> Nagi seufzte. Es tat wirklich gut, einfach darüber reden zu können, ohne sich Gedanken machen zu müssen, was der Andere jetzt von einem dachte. <> Nagi überlegte eine Minute. Diese Frage hatte er sich selbst noch gar nicht gestellt. Warum hatte Crawford ihn geküsst? Aus Liebe, oder nur aus Spaß? Oder warum sonst? <> <> Nagi runzelte die Stirn. <> Nagi dachte einen Moment über diese Antwort nach. Dann fand er, dass Access tatsächlich recht hatte. <> Und ein kleines, ehrlich erfreutes Lächeln huschte über Nagis Lippen. <> Hups, wie war das denn rausgerutscht? Aber Nagi fand, dass es nicht schön war, sich mit jemandem so privat zu unterhalten und dafür nur Nicknames zu benutzen. <> Nagi musste wieder lächeln. Er war ein wenig enttäuscht, immerhin hatte Access damit angefangen, reden zu wollen. Aber im nachhinein wollte Nagi trotzdem, dass Access seinen Namen wusste. Obwohl er ihn wahrscheinlich nicht sagen durfte. <> <> Noch einen Moment schwebten Nagis Finger über der Tastatur und er überlegte fieberhaft, ob er das durfte. Aber dann schob er Schwarz für einen Moment beiseite. <> <> <> <> <> Nagi lächelte, als er das eintippte. Es war wirklich schön, mit jemandem zu reden. Einfach nur so. Und schade, wenn derjenige dann verschwinden musste. Aber es ließ sich nicht ändern. Nagi schreckte plötzlich auf und mit einem Mal war Schwarz wieder präsent. <> <> <> <> <> Nagi seufzte. Anscheinend fand auch Access es angenehm, mit ihm zu reden. Konnte natürlich auch gelogen sein, aber Nagi hatte nicht das Gefühl. <> <> <> Fast schmerzlich lächelte Nagi, als das Fenster wieder den Outlock des Anderen anzeigte. Jetzt würde er vielleicht zwei Tage warten müssen, bis er wieder reden konnte. Nicht, wenn ich morgen Glück habe..., dachte Nagi und beschloss, alles zu tun, damit der Hit schnell und ohne Komplikationen ablief. Um zehn ging Crawford wieder zu Nagis Tür und klopfte an. "Hey Nagi, ich bins, mach auf, OK?!", rief er und hörte, das Nagi aufgehört hatte, zu tippen. "Was willst du?", kam brüsk die Antwort und Crawford grinste. Nicht so grob..., dachte er amüsiert und klopfte noch einmal. "Ich muss...ach, mach einfach auf und lass mich rein.", verlangte er und Nagi öffnete ihm seufzend. "Also, was willst du?", wiederholte er seine Frage, aber Crawford antwortete noch nicht, sondern trat erst ein und schloss die Tür. Dann setzte er sich auf Nagis Bett und stellte zwei Gläser auf den Nachttisch. Verwirrt sah Nagi die Gläser an, dann Crawford. "Ich hab mich falsch verhalten. Tut mir leid.", sagte Crawford und sah Nagi an. Er lächelte. Irgendetwas störte Nagi an diesem Lächeln, aber im Moment der ersten Freude darüber, dass Crawford seinen Fehler einsah und sich entschuldigte, sah Nagi darüber hinweg. Er setzte sich zu dem Älteren, der ihm eins der zwei Gläser hinhielt. "Baileys...ausnahmsweise...", sagte er leise und grinste Nagi an. Der Jüngere schnupperte genüsslich an dem Getränk. Er hatte erst einmal mit Crawford Baileys getrunken und wusste ganz genau, warum der gerade diesen Drink gewählt hatte. "Schon verstanden...", entgegnete Nagi deshalb und bot Crawford sein Glas zum anstoßen. Crawford lächelte wieder und hob ebenfalls sein Glas. Sie prosteten sich zu und tranken. Dann schwiegen sie eine Weile, denn das gehörte jetzt dazu. Nagi hatte es nicht vergessen. "Also sind wir jetzt beide nicht mehr sauer?", fragte er dann und grinste Crawford an. "Nicht mehr sauer.", versprach Crawford lächelnd und nickte Nagi zu. Dann saßen sie noch eine Weile zusammen, bis Nagi fast die Augen zufielen. "Bist du mir sehr böse, wenn ich jetzt schlafen will?", fragte er leise und sah Crawford durch die Wimpern an. Der lachte leise und schüttelte den Kopf. "Du musst morgen fit sein. Also gute Nacht!", rief er noch, dann stand er auch schon auf, schnappte sich die Gläser und verschwand aus Nagis Zimmer. Der junge Schwarz stand auf, zog sich rasch aus und legte sich gleich ins Bett. Er war hundemüde und dämmerte sofort weg. Um elf klopfte es wieder an Nagis Tür. Diesmal öffnete Nagi nicht, aber das wurde auch nicht erwartet. Crawford wartete zufrieden vergebens auf eine Antwort, dann öffnete er leise die Tür und schlüpfte in Nagis Zimmer. Er schloss die Tür wieder und schloss ab. Grinsend trat er dann an das Bett des Jungen und sah ihn an. Ja, er schlief tief und fest. Kein Wunder, das Betäubungsmittel war ziemlich stark gewesen. Crawford war nicht dumm. Schuldig war im Haus und er konnte auf keinen Fall riskieren, dass er etwas mitbekam. Aber Nagi würde schlafen, keinen lauten Ton von sich geben und auch nichts verräterisches an den Telepathen schicken können. Keine Gefahr also. Langsam beugte Crawford sich über den zusammengerollten kleinen Körper und schnupperte an Nagis Hals. Dann zog er den Jungen ohne Umschweife aus und legte sich neben ihn. Wie schön Nagi war. Crawford hatte ihn noch nie zuvor ganz nackt gesehen und immer nur erahnen können, was sich unter den Boxershorts verbergen mochte. Umso aufregender war jetzt dieser erste Blick. Beinahe schüchtern glitten Crawfords Blicke über den Körper seines Schützlings, aber lange blieb es nicht dabei. Nach den ersten stillen Momenten folgten Crawfords Hände, die Zentimeter für Zentimeter Nagis nackte Haut erkundeten. Ja, es erregte Crawford. Allein der Gedanke, dass Nagi ihm jetzt allein gehörte und dass niemand etwas dagegen unternehmen würde reichte, ihn erregt zittern zu lassen. So groß war die Vorfreude, dass Crawford mehr als zehn Minuten nur über Nagis Körper strich und ihn küsste, um dieses Gefühl voll auszukosten. Nagi spürte kaum etwas. Er wurde nicht wach. Nur unterschwellig spürte er in seinen Träumen, dass er lieber aufwachen sollte. Spürte, dass irgendetwas geschah, dass er lieber verhindern sollte. Aber es gelang ihm nicht, sich durch diesen dichten Nebel zu kämpfen, den das Betäubungsmittel in seinem Kopf hervorrief. Er blinzelte gar ein paar mal, erkannte Schemen, sich bewegende Schatten, aber jedes Mal verschwand das Bild wieder. Als Crawford endlich von ihm abließ, sank Nagi nur in die Kissen zurück und schlief weiter. Crawford war zufrieden. Mehr als zufrieden. Und er wollte es wissen. Wollte wissen, wie gut er war, wie gut er alles unter Kontrolle hatte. Er säuberte, was zu säubern war, zog sich und Nagi wieder an und legte sich dann lächelnd zu dem Kleinen. Er kuschelte sich an den Jungen und wurde unterbewusst gleich als Kuscheltier akzeptiert. Nagi drückte sich an Crawford und lächelte im Schlaf. Als Nagi wieder aufwachte, waren die Bilder in seinem Kopf verschwunden. Kapitel 3: - Drei - ------------------- Als Nagi am nächsten Morgen aufwachte, entdeckte er nach dem zweiten Blinzeln irritiert einen schlafenden Brad Crawford neben sich im Bett. "Brad?", fragte er flüsternd und sah dem Anderen stirnrunzelnd ins Gesicht. Crawford bewegte sich und gähnte. "Huh?", gab er grummelnd zurück und zog die Decke wieder hoch, die Nagi weggezogen hatte. Nagi legte den Kopf schief. "Warum liegst du in meinem Bett?", fragte er und sein Blick glitt einmal an Crawfords Körper runter und wieder rauf, der sich unter der Bettdecke abzeichnete. Crawford drehte seinen Kopf zu Nagi und öffnete langsam die Augen. Dann lächelte er. "Hab mich später zu dir gelegt. Ich hab mich so einsam gefühlt und nach dem Baileys fand ich es irgendwie schöner, bei dir zu schlafen...", erklärte der Ältere lächelnd und stupste Nagi auf die Nasenspitze. Der runzelte die Stirn und schüttelte benommen den Kopf. "Ach ja...Baileys...wie viel hab ich denn getrunken, ich fühl mich ganz belämmert...", erwiderte Nagi und grinste Crawford an. Der lachte leise. "Nur ein Glas, aber du warst ohnehin todmüde.", meinte er und grinste zurück. Nagi schüttelte noch einmal verwirrt den Kopf und schwieg einen Moment. Crawford machte sich schon leichte Sorgen, ob der Junge nachgrübelte, was passiert war, aber seine Bedenken waren unbegründet. Nagi lächelte schon wieder. Er konnte sich nicht mehr an gestern Abend erinnern, also musste es wohl stimmen, was Crawford sagte. "Ich bin jedenfalls immer noch hundemüde...", sagte Nagi lachend und kletterte aus dem Bett. Er streckte sich und lachte Crawford an. "Und ich hab Hunger!", fügte er grinsend hinzu und Crawford verstand die Aufforderung sofort. Lächelnd stieg auch er aus dem Bett und schlurfte gähnend hinter Nagi her, in die Küche. Kein Wunder, dass du müde bist Kleiner... Kaum eine Minute später kam auch Schuldig und setzte sich an den Tisch. Nagi lächelte ihn kurz an. Er hatte beschlossen, zu vergessen, wie nervig er den Deutschen fand. Heute war der Tag des Hits und er wollte die Stimmung gut halten, damit alles schnell zuende ging und er bald wieder bei Access sein konnte. Schuldig erwiderte das Lächeln mit einem typischen Grinsen und gähnte. Dann sah er kurz zu Crawford, der sich den üblichen Kaffee kochte und dann wieder zu Nagi. ~Dir geht's besser?~ Nagi lächelte erneut und sah Schuldig an. Er wusste, warum der Telepath nicht laut sprach. Crawford sollte nichts mitbekommen und das aus gutem Grund. Ja, viel besser. Schuldig lächelte ebenfalls kurz, dann sah er Crawford beim Kaffeekochen zu. ~Ihr habt euch vertragen?~ Er hat sich entschuldigt. Schuldigs Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Nagi musste sich anstrengen, um sich ein Lachen zu verkneifen. Der Deutsche beruhigte sich schnell wieder und zwang den teilnahmslosen Ausdruck zurück auf sein Gesicht. ~Verrückt.~ Nagi grinste, verschränkte die Arme auf dem Tisch und verbarg sein Gesicht dahinter. Man wollte ja nicht, dass Crawford etwas mitbekam. Wir haben Baileys getrunken. Den konnte Nagi sich einfach nicht verkneifen. Schuldig hatte die längst vergangene Baileys-Szene mitbekommen und erinnerte sich noch zu gut daran. Gerade schickte er Nagi ein Bild davon, um sich zu vergewissern, dass Nagi meinte, was Schuldig verstand. Nagi grinste noch breiter. In Schuldigs Erinnerung sah das ganze noch viel lustiger aus, als Nagi es empfand. Er nickte leicht. Crawford drehte sich herum und sah die beiden jungen Männer vor ihm stirnrunzelnd an. "Ihr seid still. Redet ihr über mich?", fragte er und grinste breit. Nagi wurde rot. Ach verdammt, immer das gleiche..., schickte er Schuldig und der Telepath grinste amüsiert. "Nö...", gab er, an Crawford gewand, zurück, schickte Nagi aber ein grinsendes Nicken. Nagi war zufrieden. Heute war ein angenehmer Tag und genau die richtige Stimmung für einen ordentlichen Hit. Das würde gut laufen. Nach dem Frühstück ging Nagi zurück in sein Zimmer. Er setzte sich an den PC und starrte auf den Bildschirm. Access war nicht da. Natürlich nicht. Aber Nagi blieb trotzdem noch eine Weile dort sitzen und ließ die Finger über der Tastatur, immer bereit für eine Antwort. Nagi saß so da, bis Schuldig an seine Tür klopfte und ihn bat, sich fertig zu machen. Nagi schreckte hoch und sah auf die Uhr. Was, schon so spät??, fragte er sich überrascht und starrte ungläubig auf die grün schimmernde Anzeige seines digitalen Weckers. Er konnte unmöglich den ganzen Tag hier gesessen haben, das wüsste er doch. Aber es war tatsächlich schon 19.20. Rasch stand Nagi auf und zog sich um. Gut, dass Schuldig ihn aus seinen Tagträumen geweckt hatte, sonst wäre er garantiert zu spät gekommen. Pünktlich um 19.30 stand Nagi dann unten, bereit zur Abfahrt. Schuldig und Crawford warteten schon im Auto. Ihr Ziel war ein etwas abgelegenes Fabrikgebäude. Um Punkt 19.45 kamen sie an und Crawford parkte den Wagen in einer Seitenstraße. Nagi ging die Informationen noch einmal durch, um auch ja keine Fehler zu machen. Die Fotos der Zielpersonen hatte er im Kopf. Gut. Den Plan des Geländes hatte er auch abrufbereit. Gut. Das Systemprogramm des PCs war abgespeichert. Gut. Den Ablauf des Hits sah er auch vor sich. Sehr gut. Alles war in Ordnung. Das Ziel war folgendes: Die Zielpersonen ausschalten und die bestellten Daten sichern. In dem Fabrikgebäude hatte sich eine Gruppe niedergelassen, die in Verbindung mit Drogenhandel und Geldwäsche stand. Schwarz' Auftraggeber war ein Konkurrent, konnte man sagen. Die Gruppe, die sich in dem Gebäude aufhielt, versuchte, die Konkurrenz mit einer Liste von Namen, Daten und noch einigem anderen Zeug, dass nur für Schwarz' Auftraggeber interessant und gefährlich war, zu erpressen. Das konnte man als Boss einer weit größeren Organisation natürlich nicht auf sich sitzen lassen und prompt hatte Schwarz einen neuen Job. Sie sollten die Gruppe ausschalten und deren Daten über Geldverbindungen und Hintermänner für ihren Auftraggeber sichern. Der erste Teil war Arbeit für Crawford und Schuldig, die Nagi die nötige Zeit und den nötigen Spielraum verschaffen würden, um die Daten zu holen. Das Problem für Nagi, auch, wenn er es nicht als Problem ansah, war, dass er nur drei Minuten hatte, um den Zugang zum System zu bekommen, die Daten zu kopieren und die Festplatte zu löschen. Ganz dumm war der Leader der Gruppe wohl doch nicht, denn er hatte, wie Nagi dank Access herausgefunden hatte, sein System mit einem Code gesichert. Wurde das System gehackt, schaltete sich innerhalb von drei Minuten automatisch ein Senderprogramm ein, das die verräterischen Daten an die Polizei sendete. Für den Fall, dass jemand auf die Idee kam, den PC einfach zu zerstören, wenn er nicht mehr genug Zeit hatte, gab es ein zweites System. Der Leader war jahrelang als Hacker tätig gewesen und hatte offensichtlich auch als einer gearbeitet, bevor er der Leiter dieser kleinen Gruppe wurde. Nagi hatte überlegt, warum das Senderprogramm nicht einfach sofort ansprang, wenn ein unbefugter Eingriff stattfand, aber die Antwort hatte er dann in den Informationen von Access auch noch entdeckt. Bei einem seiner früheren Aufträge hatte der Leader es mit einem ähnlichen System zu tun gehabt. Leider stellte sich kurz vor Ausführung des Auftrages heraus, dass der Leader den falschen PC erwischt hatte, was aufgrund von Fehlinformationen seitens seines Auftraggebers geschehen war. So hackte der Leader das System eines befreundeten Bosses und der, obwohl er noch vor Ort war, hatte keine Zeit mehr, seine Daten zu sichern. Eine Liste ging an die Polizei und zwei wichtige Organisationen gingen verloren. Der Leader bekam dadurch natürlich jede Menge Probleme und musste sich von da an alleine durchschlagen. Er wollte nicht den gleichen Fehler machen, wie vorher und hatte deshalb eine Sicherung in sein System eingebaut. Nagi hatte erstaunt festgestellt, dass seine Zielperson den PC so konfiguriert hatte, dass bei unbefugtem Eingriff ein Signal an den Pager des Leaders geschickt wurde. Der hatte dann drei Minuten Zeit, um einen Code an seinen PC zu schicken, um seine Daten zu retten. Schlau, fand Nagi. Aber nicht schlau genug für mich... Nagi warf einen Blick zu Schuldig und Crawford. Die nickten ihm zu, verschwanden um eine Ecke und Nagi bog in die andere Richtung. Der Rechner befand sich im hinteren Teil des Gebäudes und Nagi eilte rasch die Gänge entlang, die dank Schuldig und Crawford fast leer waren. Nur eine Wache musste Nagi ausschalten, alle anderen waren in den Vorderteil der Fabrik geeilt, wo Crawford und Schuldig einen nach dem anderen erledigten. Nagi öffnete die codierte Tür zum Computerraum mit einem einfachen Trick und sah sich um. Gut, alles stand dort, wo er es erwartet hatte. Nagi zog die Tür hinter sich zu und trat an den PC. Er zog seinen Laptop hervor und schloss ihn an den PC an. Dann stellte er die Verbindung her und hackte sich problemlos ins System des Leaders. So gut ist er wohl doch nicht..., dachte er und grinste. Schnell suchte Nagi zusammen, was er brauchte und kopierte die Dateien. Soweit alles kein Problem. Nagi sah auf die Uhr. Gut, noch knapp zwei Minuten. Das würde reichen. Als er fertig war, lief Nagi in den Vorderteil des Gebäudes, um sich zu Schuldig und Crawford zu gesellen. Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr: 20.18. Gut, dann hatten sie noch genug Zeit. Nagi sah Crawford, der gerade die dritte ihrer Zielpersonen erledigte. Schuldig tat das gleiche mit der vierten. Nagi nahm sich die fünfte vor, die versuchte, durch einen Nebenraum zu fliehen. Schade, dass Farf nicht da ist...soviel Blut..., dachte Nagi grinsend. Gerade wand er sich der sechsten und letzten Zielperson zu, als er von Crawford zurückgerissen wurde. Der ältere Schwarz zog Nagi auf den Boden und legte sich halb über ihn. Einen Moment später hörte Nagi Schüsse und irgendwo krachte etwas Schweres zu Boden. Er drehte sich halb herum und wollte sich gerade wieder aufrappeln, als er Crawford ins Gesicht sah. Und plötzlich weiteten sich Nagis Augen und er erstarrte. Es war, als würde er zurückgeschleudert, einige Stunden in die Vergangenheit und plötzlich, ohne Vorwarnung, sah Nagi die Szenen der letzten Nacht vor sich. Er sah Crawford. Und plötzlich wusste Nagi, warum der Ältere an diesem Morgen wirklich neben ihm gelegen hatte. Crawford wollte aufstehen, dann bemerkte er Nagis Blick. Er runzelte die Stirn, dann zog er den jüngeren Schwarz auf die Füße. "Was ist los? Willst du ihn davonkommen lassen?!", rief er barsch und schüttelte Nagi. Schuldig stieg über eine Leiche hinweg und sah zu ihnen. Die sechste Zielperson verschwand in einem der abzweigenden Gänge. Der Deutsche eilte verständnislos an Nagi und Crawford vorbei, um den Auftrag zuende zu bringen, dann sah auch er Nagis Blick. Crawford schüttelte Nagi erneut, aber der Kleine reagierte nicht. Er starrte Crawford nur fassungslos und entsetzt an. "Scheiße Nagi!", fauchte der und schlug Nagi mit der flachen Hand ins Gesicht. Nagi hielt eine Hand in Crawfords Ärmel verkrallt, sodass der Schwarz sich nicht losreißen und selbst dem sechsten Mann nachlaufen konnte. Schuldig stand auch unbeweglich und starrte nur auf Nagi. Etwas stimmt nicht..., dachte er, wusste aber nicht was. Dann brach Crawford ab. Fluchend musste er einsehen, dass sie verschwinden mussten, sie hatten zuviel Zeit verloren mit Nagis dämlichen Gestarre. Wütend zerrte Crawford Nagi zum Wagen, Schuldig folgte ihnen nach einem Augenblick. Das konnte nicht wahr sein. ~Du hast es versaut, Kleiner!~, zischte Schuldig Nagi zu, aber er musste irritiert feststellen, dass der Junge ihn nicht hörte. Irgendetwas... Unsanft stieß Crawford Nagi ins Auto und ließ sofort den Motor an, als Schuldig sich gesetzt hatte. Mit quietschenden Reifen schoss er in den dunkler werdenden Abend, einen verzerrten, wütenden Ausdruck auf dem Gesicht. Nagi auf dem Rücksitz begann, leise zu schluchzen. Schuldig hörte es und sah fragend zu Crawford, aber der beachtete ihn nicht. Er hörte auch Nagis Wimmern nicht, konzentrierte sich nur auf die Straße und fuhr auf dem schnellsten Weg zurück zu ihrem Domizil. Er war stinksauer. Kaum angehalten, packte Crawford Nagis Arm und zerrte ihn brüsk in die Wohnung. Schuldig trabte hinterher und hatte Mühe, mit Crawford Schritt zu halten, als er Nagi ins Wohnzimmer schleifte. "Was zum Teufel ist los mit dir?!", brüllte er ihn zornfunkelnd an und warf ihn vor sich auf den Boden. "Verdammter Idiot!" Crawford holte aus und schlug Nagi erneut ins Gesicht. Diesmal mit der Faust und heftiger, sodass Nagi ein erschrockenes Quieken von sich gab und erstaunt blinzelte. Langsam hob er den Blick und sah Crawford verwirrt an. Dann stiegen ihm wieder Tränen in die Augen und er weinte. Ein paar kleine Tropfen Blut quollen aus Nagis Unterlippe und tropften auf den Boden. Schuldig stand in der Tür und wagte nicht, näher zu kommen. "Was hast du dir dabei gedacht?! Huh?!" Crawford kochte vor Wut. Das war ein gutbezahlter Auftrag gewesen und Nagi hatte es versaut. Noch immer sagte Nagi nichts, er senkte nur wieder den Blick und starrte fassungslos auf seine Hände. "Antworte gefälligst!", schrie Crawford und zerrte Nagi am Kragen auf die Füße. Der Junge zuckte zusammen und versuchte dann, zurückzuweichen, aber es gelang ihm nicht. Er bekam Crawfords Faust noch einmal schmerzlich zu spüren, dann sah Nagi Crawford wieder an. "Du..." Nagis Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Crawford und Schuldig hörten sie trotzdem und beide blinzelten irritiert. "Du hast das..." Nagi schüttelte verzweifelt den Kopf. Dann wischte er sich über die Augen. Und dann sah er Crawford endlich klar an. Er bemühte sich, trotzdem versagte seine Stimme fast und zitterte hörbar. "Du hast...mich wirklich...letzte Nacht...", stotterte er und schluckte hart. Schuldig runzelte die Stirn. Er versuchte, sich die Antwort auf seine übliche Art und Weise zu holen, aber er sah nur Bildfetzen und Nebel und konnte sich nichts zusammenreimen. Crawford dagegen verstand sofort. Regelrecht erschrocken ließ er Nagi los und der Junge sackte auf dem Boden zusammen. Dann machte Crawford einen Schritt rückwärts und starrte Nagi an. Grade wollte Schuldig etwas sagen, da sprang Nagi auf die Füße und stürmte an den beiden vorbei, rannte in sein Zimmer und knallte mehr als laut die Tür zu. Crawford schluckte. Dann schluckte er noch einmal. Dann ging er in die Küche und trank ein Glas Wasser. Das war genug. Schuldig ging ihm langsam nach und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. "Was zum Teufel ist hier los?", wagte er nach einer Weile zu fragen und blickte zu Crawford, der angespannt am Kühlschrank lehnte. Offensichtlich aufgeschreckt drehte der Schwarz den Kopf zu Schuldig und starrte ihn an. Dann fing er sich wieder. "Das hat dich nicht zu interessieren. Nagi hat den Hit versaut, das ist passiert.", zischte er, gefährlich leise und Schuldig tat lieber einen Schritt rückwärts. Crawford drehte sich wieder weg und Schuldig machte, dass er sich verzog. Nagi lag auf seinem Bett und weinte, wie er noch nie geweint hatte. Als erstes war er ins Bad gelaufen und hatte sich übergeben, dann hatte er sich eingeschlossen. Und ihm war immer noch schlecht. Zusammengerollt und mit dem Kissen über dem Kopf lag er da und konnte nicht fassen, was er gesehen hatte. Was in seinem Kopf gewesen war. Aber gleichzeitig wusste Nagi, dass es wahr war. Es passte alles zusammen. Crawfords Kuss, der Streit, dann der Drink und dann Crawford in seinem Bett am nächsten Morgen und Nagis Müdigkeit, trotz des langen Schlafes. Nagi zitterte und schluchzte haltlos. Warum zum Teufel konnte Crawford ihm so was antun? Und warum wollte er Nagi so etwas antun? Er hasst mich wirklich..., schoss es Nagi durch den Kopf und einen Moment lang gab er sich die Schuld an dem, was passiert war. Hätte er Crawford nur nicht weggestoßen, wäre er freundlicher gewesen...aber nein. Das war nicht richtig. Selbst Crawford durfte Nagi so etwas nicht antun. Niemand durfte ihm so etwas antun. Nagi wischte sich mit einer Hand über die Augen. Dann stand er auf. Es war gerade 20.50. Nagi schaltete den PC ein und schob sich den Stuhl zurecht. Dann öffnete er das Fenster zu dem System, in dem er Access getroffen hatte und wartete auf das Fenster. Nagi schniefte und musste sich wieder ein paar Tränen wegwischen, dann tippte er <> und wartete. <> <> Nagi seufzte einmal tief, dann verbannte er die Tränen für eine Weile und konzentrierte sich darauf, was er Access erzählen wollte. <> <> <> <> <> Nagi schluckte, dann spürte er wieder Tränen auf seinen Wangen. Seine Augen brannten, als er sie zurückzwang und auf den Bildschirm starrte. Er konzentrierte sich aufs Schreiben und mit der Zeit huschten seine Finger immer schneller über die Tastatur. <> <> Nagi schluckte und hielt kurz inne. Dass Access so direkt fragte verwirrte ihn irgendwie. Er brauchte einen Moment, dann erzählte er. <> <> <> <> <> <> Nagi drehte den Kopf weg und atmete tief durch. Es war schwerer, als er gedacht hatte. Auch, wenn er Access nicht sehen konnte, fiel es ihm schwer, diesem noch immer Fremden alles zu erzählen. Es auszusprechen. Aber er tat es. <> Dann nahm Nagi seine Hände zurück und legte sie in seinen Schoß. Sie zitterten. Er musste eine Weile auf Access' Antwort warten, aber damit hatte er gerechnet. Nagi befürchtete schon, dass Access das zuviel wurde, da blinkte eine neue Nachricht auf. <> Nagi senkte den Blick. Nein, er konnte nicht weglaufen. Das hier war der einzige Ort, an dem er sich wenigstens etwas daheim gefühlt hatte und noch immer fühlte. Crawford hatte ihn betrogen, aber da war immer noch Schuldig. Also war die Antwort doch klar, oder nicht? <> Nagis Augen wurden groß, als er las, was Access geschrieben hatte. Das war so spontan gekommen, dass Nagi fast erschrocken auf die Schrift blickte. <> <> Wie sollte Access ihm bitte helfen? OK, vielleicht konnten sie sich treffen, aber was konnte er tun? Und wieso glaubte er, Nagi würde ihm vertrauen und mit ihm gehen? Besonders, nachdem die Person, der er bis jetzt vertraut hatte ihn so hintergangen hatte. Nagi zögerte zu lange mit einer Antwort. <> <> <> Die Schrift blinkte und Nagis Finger hingen über den Tasten, aber er wusste nicht, was er antworten sollte. Aber dann beschloss er, es wenigstens zu versuchen. <> <> <> <> Das brachte Nagi zum lächeln. Also hatte er sich nicht in Access getäuscht. Er war mehr, als ein einfacher Hacker. Und er verstand Nagi, jedenfalls so gut, wie er ihn bis jetzt verstehen konnte. <> <> <> <> Nagi tippte es ein, aber er wusste nicht, ob er daran glauben konnte. Als der Outlock von Access angezeigt wurde, schaltete Nagi den PC nicht gleich aus, sondern las sich sein Gespräch von heute Abend noch einmal durch. Access war der erste, dem Nagi von Crawford erzählt hatte. Warum hatte er es nicht Schuldig erzählt? Der Deutsche hatte ihn doch sogar darum gebeten, verstand Nagi plötzlich. Aber er hatte es gleich Access erzählen wollen. Weil er mir nicht so nahe steht..., glaubte Nagi und schaltete aus. Dann legte er sich angezogen aufs Bett und zog die Decke hoch. Nachdem er ein paar Minuten so dagelegen hatte, stand er wieder auf. Er ging zur Tür und sah nach, ob er auch wirklich abgeschlossen hatte. Dann ging er eine halbe Stunde lang duschen und zog sich einen frischen Pyjama an. Noch einmal glitt sein Blick zur Tür, dann ging Nagi langsam wieder zum Bett und legte sich hinein. Access Ghost lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück und atmete ein paar Mal tief durch. Er hätte nicht erwartet, dass Nagi so schlecht dran war. Aber jetzt wusste er es, hatte Gewissheit. Jetzt galt es nur noch, zu prüfen, ob Nagi ihm auch die Wahrheit erzählt hatte. Access würde nicht riskieren, sich hinters Licht führen zu lassen. OK, aber wie kriege ich raus, ob er lügt, oder nicht?, fragte Access sich, als der junge Mann vom Vorabend wieder hereinschaute. "Und, was gibt's neues?", fragte er fröhlich und setzte sich auf den Schreibtisch. Access sah ihn einen Moment an, dann seufzte er. "Es gibt Probleme. Wir müssen was unternehmen.", antwortete er und stand auf. Der junge Mann stieß sich vom Tisch ab und trat neben Access aus dem Zimmer, auf den Flur. "Was soll das heißen?", wollte er wissen und sah Access mit gerunzelter Stirn an. "Shattered Mind hat Probleme.", gab Access zurück und ließ den jungen Mann mit dem Versprechen zurück, ihm alles zu erzählen, sobald er genug wusste. Und vor allem, wenn er wusste, was er tun wollte. Schuldig, der bis eben vor Nagis Tür gestanden hatte, tapste in sein Zimmer, als er die Dusche hörte. Er wusste jetzt, was Nagi Crawford da an den Kopf geworfen hatte. Kannte die Bedeutung. Er hatte es geahnt und trotzdem hatte er Nagi nicht davor beschützen können. Warum nicht?, fragte Schuldig sich immer wieder, während er sich umzog und auf sein Bett legte. Warum hatte er nicht gehört, wie Nagi schrie? Er muss geschrieben haben..., dachte der Deutsche und runzelte verwirrt die Stirn. Es war ihm ein Rätsel. Und Nagis Kopf war noch zu angefüllt von verwirrten Bildern, als dass Schuldig hätte hineinsehen und sich die Antworten holen können. Er würde wohl oder übel mit dem Kleinen reden müssen. Aber der Deutsche ahnte, dass Nagi ihm nicht erzählen würde, was er wusste. Und das verstand Schuldig nur zu gut. Um halb elf verzog Crawford sich in sein Zimmer und beschwor eine Vision herauf. Er musste wissen, wie er diesen Schlamassel geradebiegen konnte, bevor ihr Auftraggeber anrief. Und eine Minute, bevor Crawfords Telefon klingelte, hatte er die rettenden Bilder im Kopf. Er atmete einmal tief durch und nahm ab. "Ja?" "Sie haben es versaut." Crawford schluckte. Das war ja ein vielversprechender Anfang. "Hören sie erst zu, dann urteilen sie.", bat er und bekam ein abwartendes Schweigen als Antwort. OK, kurz und bündig... "Die Daten sind gesichert und fünf der sechs Zielpersonen erledigt. Ich habe eben erfahren, dass sichere Möglichkeit besteht, die letzte Zielperson auszuschalten, bevor sie morgen Abend das Land verlässt. Der Auftrag kann noch ausgeführt werden." Crawford schloss die Augen. Das war ihm doch gut über die Lippen gekommen. Der Mann am anderen Ende der Leitung zögerte einen Moment. "Ist diese Information sicher?" "Hundertprozentig." "Einverstanden. Bei erneutem Versagen sind die Konsequenzen unwiderruflich." Das war akzeptabel, sogar mehr, als zufriedenstellend. Trotzdem brodelte in Crawford Wut über Nagi, der ihm diese Demütigung eingetragen hatte. "Verstanden." Der Mann legte auf und Crawford ließ langsam den Hörer sinken. Das war gerade noch mal gut gegangen. Und morgen würde nichts schief gehen. Dafür würde Nagi sorgen müssen. Er hatte den Auftrag verbockt, er würde die Sache geradebiegen. Crawford würde Schuldig nicht mitnehmen, das konnte nur Probleme geben. Aber Nagi würde er da nicht rauslassen. Schon, um ihm zu zeigen, dass Crawford immer noch das Sagen hatte, auch, wenn er jetzt enttarnt war. Zufrieden setzte Crawford sich an seinen Schreibtisch und betrachtete das Foto der letzten Zielperson. Offenbar versteckte der junge Mann sich mittlerweile in einer verlassenen Wohnung, am Rande der Stadt. Er würde versuchen, einen Flug zu buchen, aber keinen Platz mehr bekommen. Dann würde er für morgen Abend einen Flieger buchen, um das Land zu verlassen, worauf er bis zum Abend in der Wohnung warten würde. Aber zu seinem Ausflug würde es dann nicht mehr kommen. Verrückt nur, dass er die Stadt nicht gleich verlässt..., fand Crawford, aber anscheinend war der junge Mann einfach noch zu naiv für seinen Job. Er schien tatsächlich zu glauben, er sei davongekommen und habe einfach Glück gehabt. Naja, umso besser für uns, wenn er so dämlich ist..., dachte Crawford und grinste ausdruckslos. Und Nagi werd ich schon zurechtstutzen... Kapitel 4: - Vier - ------------------- Als Crawford am nächsten Tag zum Frühstück nach unten ging, war niemand in der Küche. Dass Nagi nicht da war, wunderte ihn nicht, Schuldig allerdings vermisste er, bis der Deutsche auch hereinkam und sich zu Crawford an den Tisch setzte. Anscheinend war dessen Laune heute wieder besser. "Du bist gut gelaunt?", fragte Schuldig und erlaubte sich ein Grinsen. Crawford nickte, während er langsam aß. "Der Auftrag wird beendet werden." Schuldig schaute erstaunt, grinste dann wieder. "Na wunderbar. Wann und wo?", wollte er wissen und schenkte sich Kaffee ein. Crawford winkte ab. "Heute Abend, aber du wirst nicht mitkommen. Es reicht, wenn Nagi dabei ist. Er hat's verbockt, nicht wahr?" Schuldig zuckte die Schultern und nickte. Ihm war es nur recht, wenn er nicht mitkommen musste, dann hatte er wenigstens mal eine Pause von Crawford. Mit Schuldigs Zustimmung (wahrscheinlich auch ohne sie, aber das lassen wir mal außen vor), war die Sache gegessen und die beiden Schwarz wandten sich wieder ihrem Frühstück zu. Als Nagi immer noch nicht nach unten kam, bis Crawford und Schuldig fertig waren, stand letzterer auf und machte einen Teller mit Toast fertig, sowie ein Glas Saft und stellte alles auf ein Tablett, das er zu Nagis Zimmer trug. Da Schuldig nicht anklopfen konnte, bat er eben mündlich um Einlass. "Nagi, mach bitte die Tür auf, ja? Ich hab dir Frühstück gebracht..." Schuldig lauschte einen Moment, aber es war kein Laut aus dem Zimmer des jungen Schwarz zu hören. Seufzend stellte Schuldig das Tablett auf den Boden und klopfte nun doch. "Komm schon Nagi, bitte mach auf.", bat er wiederholt, aber es kam keine Antwort. Dann rüttelte Schuldig ein wenig an der Klinke und stellte überrascht fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Langsam öffnete er sie und sah ins Zimmer. Nagi lag auf dem Bett, eingerollt und die Decke über den Kopf gezogen. Der Deutsche nahm das Tablett wieder auf, trug es zum Schreibtisch und stellte es darauf. Dann schloss er die Tür wieder und drehte den Schlüssel herum. "Schläfst du noch, Nagi?", fragte er leise, während er langsam zum Bett ging und sich darauf setzte. Der Umriss, der sich unter der Decke abzeichnete, rührte sich nicht. Wieder seufzte Schuldig, diesmal traurig. "Ich weiß, was passiert ist...", sagte er dann leise und sah Nagi bedrückt an. Der Körper bewegte sich kurz, rollte sich noch etwas mehr zusammen und verharrte dann wieder still. "Es tut mir wirklich leid...Das hätte er nicht tun dürfen...", flüsterte Schuldig und sah dorthin, wo er Nagis Kopf vermutete. Er hätte gerne eine Hand ausgestreckt, um sie Nagi beruhigend auf die Schulter zu legen, aber er wusste, dass das keine gute Reaktion hervorbringen würde. "Nagi, ich..." Schuldig schwieg einen Moment und suchte nach den richtigen Worten. Die richtigen Worte zu finden, war wichtig in diesem Moment, aber ihm fiel nichts ein. "Nagi, bitte sieh mich an, OK?", bat Schuldig daher nur leise und rutschte etwas auf der Bettkante hin und her. Nagi regte sich. Dann schob er langsam die Decke zurück und steckte seinen Kopf darunter hervor. "Schu...", wisperte er, kaum hörbar und Schuldig sah Tränen Nagis Wangen herunterlaufen. Er blieb still sitzen und sah Nagi nur an. Dann versuchte er, zu lächeln. Nagi schniefte, dann rutschte er an Schuldig heran und legte seinen Kopf auf dessen Schoß. "Das durfte er nicht tun...", wimmerte Nagi leise, wie, um noch einmal eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass Nagi und nicht Crawford im Recht war. Schuldig schüttelte den Kopf. "Nein, das durfte er nicht tun.", entgegnete er sanft und legte behutsam eine Hand auf Nagis Wange. Und er musste sich zusammenreißen, um nicht einen Blick in Nagis Innerstes zu werfen. Er wusste, was er sehen würde und er wusste, dass es ihm nicht gefallen würde. Und er wusste, dass er es nicht aushalten würde, deshalb ließ Schuldig es bleiben. Ein paar Minuten saßen die beiden jungen Männer still auf Nagis Bett. Schuldig streichelte ruhig Nagis Wange und strich ihm durchs Haar. Nagi schluchzte leise und weinte noch ein wenig. "Ich hasse ihn...", flüsterte er dann und schaffte es, seine Stimme so kalt klingen zu lassen, wie er sich fühlte. Schuldig blinzelte und sah Nagi dann an. "Ja, ich weiß...", gab er leise zurück und lächelte ein wenig. Das verstand er nur zu gut, nicht wahr? Nagi schwieg wieder eine Weile und auch Schuldig sagte nichts. Für weitere Minuten versanken beide in ihren eigenen Gedanken, bis Nagi eine Frage aussprach, die ihm im Kopf herumschwirrte. "Hast du...dich auch so gefühlt...?", fragte er kaum hörbar und schloss die Augen. Schuldig sah ihn kurz an, dann glitt sein Blick zum Fenster und er starrte darauf. Nagi wartete geduldig auf Schuldigs Antwort. Sie hatten noch nie wirklich darüber gesprochen, was dem Deutschen passiert war und Nagi wunderte sich, dass Schuldig so ruhig blieb. "Ja...", war alles, was Schuldig dann antwortete, aber Nagi reichte das im Moment. Schuldig konnte doch wohl am besten verstehen, wie es ihm jetzt ging. Im gleichen Moment fiel Schuldig der Auftrag wieder ein und er schluckte. Wenn er nicht wollte, dass Crawford Nagi offenbarte, was er heute noch zu tun gedachte und mit wem, würde Schuldig es Nagi erzählen müssen. "Nagi, kannst du bitte etwas essen?", bat Schuldig und strich Nagi ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Vielleicht konnte er den Jungen so besser darauf vorbereiten, dass er heute Abend schon wieder würde arbeiten müssen. Das war auf jeden Fall besser, als ihn jetzt gleich darauf zu stoßen. Nagi richtete sich ein wenig auf und sah Schuldig an. Dann lächelte er tapfer und nickte. Schuldig erwiderte das Lächeln erfreut und stand auf. Er holte das Tablett an Nagis Bett und wartete, bis Nagi sich hingesetzt hatte. Dann stellte Schuldig das Tablett auf Nagis Oberschenkel und setzte sich wieder zu ihm. "Du musst nicht alles essen...", meinte Schuldig, der wusste, wie wenig Appetit Nagi jetzt hatte. Nagi nickte dankbar und aß, soviel er herunterbekam, ohne, dass ihm wieder übel wurde. "Wie fühlst du dich...?", fragte Schuldig dann vorsichtig, als er das Tablett wieder auf Nagis Schreibtisch stellte. Nagi legte sich wieder hin und kuschelte sich in die Kissen. "Besser...", entgegnete er leise, aber Schuldig wusste, dass das meiste davon nur ein Versuch war, sich bei Schuldig für seine Hilfe zu bedanken. Seufzend setzte der Schwarz sich wieder aufs Bett. "Nagi...", begann er dann und sah den Jungen vorsichtig an. Nagi öffnete die Augen wieder, die er gerade geschlossen hatte und erwiderte Schuldigs Blick. "Crawford will, dass du den Hit heute Abend zuende bringst...", vollendete Schuldig langsam und hielt an Nagis Blick fest. Nagi aber senkte den Blick und musste sich zusammenreißen, um nicht wieder zu weinen. Wie konnte Crawford ihm das antun? Nagi schluckte wieder und wieder, bis er die Tränen erfolgreich zurückgedrängt hatte, dann sah er Schuldig wieder an. Aber er konnte nichts antworten. "Ich weiß...es tut mir leid...Und du wirst mit ihm alleine gehen müssen...", fügte der Deutsche die zweite schlechte Nachricht gleich mit an. Nagis Augen wurden groß, dann schlossen sie sich krampfhaft. "Bitte mach was...", wisperte er tonlos, aber Schuldig konnte nur hilflos die Schultern zucken. "Du weißt, dass ich das nicht kann...", sagte er nur niedergeschlagen und wendete den Blick von Nagi, wieder zum Fenster. Nagi nickte schwach, aber er wünschte sich trotzdem, Schuldig würde doch mitkommen. Bestimmt wird er's wieder tun, wenn der Auftrag erledigt ist..., dachte Nagi und Schuldig fing den Gedanken mehr zufällig, als absichtlich auf. Er runzelte hart die Stirn und legte Nagi eine Hand auf die Schulter. Nagi sah auf, aber Schuldig sprach lautlos. ~Dann wirst du mich rufen, Nagi...~ Nagi lächelte vorsichtig, dann nickte er. Ja, es würde dann nicht mehr ablaufen, wie das erste Mal. Wenn Crawford es noch einmal versuchen wollte, würde Nagi sich wehren. Schuldig nickte zufrieden und lächelte ein kleines Lächeln. Nagi wischte sich einmal über die Augen, dann rückte er zu Schuldig und ließ sich von dem Deutschen in den Arm nehmen. Egal, wie ungern er manchmal mit dem Älteren zusammenwar, er konnte diese Umarmung jetzt wirklich gebrauchen. Gegen Mittag ging Schuldig wieder nach unten. Er kümmerte sich um Farfarello und brachte danach auch Nagi noch etwas zu essen. Crawford registrierte missmutig, dass der Kleine offenbar nicht daran dachte, vor heute Abend aus seinem Zimmer zu kommen. Aber er sagte nichts dagegen, denn er wusste, dass er diesmal keine Chance haben würde, etwas zu erreichen. Dann allerdings passierte etwas, das Crawford zwang, zu Schuldig und Nagi zu laufen und an Nagis Tür zu klopfen. "Was willst du?", kam sofort barsch die Frage von Schuldig und Crawford lehnte sich genervt gegen die Tür. "Mach auf. Es ist wichtig.", gab er nur zurück und klopfte erneut. Schuldig sah zu Nagi, der sich sofort ängstlich an ihn gedrückt hatte. "Ich werde nicht rausgehen.", sagte er und Nagi schaute aus ängstlichen Augen zu ihm auf. Aber er nickte, denn er wusste, genau wie Schuldig, dass Crawford sich nicht davon abbringen lassen würde, mit ihnen zu reden. Nagi öffnete die Tür telekinetisch, um nur Schuldig ja nicht von seiner Seite weichen lassen zu müssen. Crawford kam herein und trat an das Bett heran. Als er sah, wie ängstlich Nagi sich an Schuldig klammerte, musste er einfach grinsen. "Genug gejammert, es gibt Neuigkeiten.", sagte er knapp und verschränkte die Arme. Weder Nagi, noch Schuldig erwiderten irgendetwas, so fuhr Crawford fort. "Irgendetwas ist passiert und die Dinge haben sich geändert. Weiß wird unseren Klienten heute Abend ebenfalls besuchen.", erklärte Crawford seinen Besuch und sah Nagi prüfend an. Der schickte Schuldig einen verwirrten Blick und starrte dann vor sich ins Leere. "Was heißt das?", fragte Schuldig deshalb für Nagi und sah Crawford kalt an. "Das heißt, wir werden aufpassen müssen, nicht wahr, Nagi?", entgegnete Crawford und schenkte Nagi einen amüsierten Blick. Der Kleine sah auf und sah für einen Moment in Crawfords Augen, dann aber gleich wieder weg. "Gut. Alles andere bleibt, wie geplant. Du bist um 19.50 unten.", sagte Crawford noch knapp zu Nagi, dann verschwand er wieder aus dem Zimmer. Nagi schluckte. Dann wurden seine Augen groß und er richtete sich gerade auf. Schuldig sah ihn verwirrt an. Nagi bemerkte den Blick des Deutschen und ließ sich wieder zurücksinken. Dass er dann heute wieder seine Verabredung mit Access verpassen würde, sollte der andere Schwarz nicht wissen. "Entschuldige bitte...kannst du mich etwas alleine lassen?", bat Nagi daher nur leise und sah Schuldig bittend an. Der nickte und erhob sich gleich. Nagi wartete im Bett, bis Schuldig die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann sprang er auf, schloss schnell die Tür ab und schaltete den PC ein. Er ist sowieso nicht da..., dachte er noch, als er sich, wie gewohnt, versuchte, in Access' System zu hacken. Access war nicht da. Nagi überlegte, wie er ihm sagen konnte, dass er heute Abend nicht würde kommen können, dann programmierte er ein kleines Programm. Pünktlich um 20.00 würde seine Nachricht abgeschickt werden. <> Nagi betrachtete den Text und fand, dass er reichlich unzulänglich klang. Aber mehr konnte er nicht sagen. Also stellte er alles ein und setzte sich dann wieder aufs Bett. Nagi verbrachte den Rest des Tages damit, zu duschen und auf seinem Bett zu liegen und nachzudenken. Kein schöner Tag. Um 19.45 stiefelte Nagi die Treppen nach unten und wartete an der Haustür auf Crawford. Der kam zwei Minuten später und verließ mit Nagi das Haus. Schuldig stand am Fenster und lächelte Nagi noch mal aufmunternd zu, dann stieg der Junge ins Auto und Crawford fuhr los. "Diesmal ist es ganz leicht.", meinte der Ältere, als er an einer Ampel hielt. Nagi sah ihn nicht an. Er wäre lieber hinten eingestiegen, aber Crawford hatte darauf bestanden, dass Nagi vorne saß. "Du musst ihn nur töten. Ganz einfach.", grinste Crawford und warf Nagi einen Blick zu. Der junge Schwarz erwiderte nichts, saß nur an die Tür gedrückt da und starrte aus dem Fenster. Crawford parkte in einer Seitenstraße und stieg aus. Er öffnete Nagi die Tür und zog ihn am Arm heraus, als Nagi sich nicht freiwillig erhob. "Hör auf mit den Spielchen.", befahl Crawford und sah Nagi undurchdringlich an. Nagi war sofort klar, was dieser Blick sagen wollte. Wenn ich das noch einmal versaue, kann ich mir denken, was du mit mir tust, nicht wahr?, dachte er und schluckte. Dann riss er sich aus Crawfords Umklammerung und ging los. Crawford folgte ihm grummelnd, beließ es aber dabei. Wenn er den Hit nicht noch einmal versaut haben wollte, musste er sich eben etwas zurückhalten. Nagi bog in die Straße, in der die Wohnung lag, in der ihr Opfer sich versteckte. Ohne Umwege gingen er und Crawford darauf zu, betraten das Gebäude und stiegen die Treppen nach oben. Die gesuchte Wohnung lag im dritten Stock, ganz hinten links. Nagi ging bis zur Wohnungstür und sah Crawford dann an. Der nickte grinsend und trat einen Schritt zurück. Nagi öffnete die Tür, so leise er konnte und betrat vorsichtig die Wohnung. Crawford hatte gesagt, die Zielperson würde schlafen und so war es auch. Der Mann lag auf einer Matratze auf dem Boden und schlief, schreckte aber hoch, als Nagi ihn mit dem Fuß anstupste. Crawford hielt sich im Hintergrund und sah Nagi zu. "Wach auf, ich muss dich umbringen.", sagte Nagi leise und der Mann blinzelte erschrocken. Er hatte seine Pistole in einem Halfter über den Stuhl gehängt und musste jetzt geschockt feststellen, dass sie in Crawfords Hand lag. "Warum bist du denn weggelaufen?", wollte Nagi wissen und der Mann erkannte in ihm und Crawford die Männer, die er schon die Nacht zuvor gesehen hatte. Er sprang auf die Füße und sah dann zögernd zwischen Nagi und Crawford hin und her. Nagi trat ruhig einen Schritt zurück, dann hob er langsam seinen ausgestreckten Arm. Die Augen des Mannes wurden groß. Irritiert starrte er auf Nagi, während er an die Wand gedrängt wurde. Nagi schloss langsam die geöffnete Hand und der Mann musste verwirrt feststellen, dass er keine Luft mehr bekam. Von Crawford mit einem Lächeln beobachtet, erledigte Nagi seine Arbeit sauber und presste mühelos auch noch den letzten Rest Luft aus den Lungen des Mannes. Als Nagi den Arm wieder sinken ließ und die Hand öffnete, sackte der Mann leblos zu Boden und blieb liegen. Das war's. "Wunderbar. Gehen wir.", sagte Crawford ruhig und drehte sich um. Die Pistole warf er achtlos in den Mülleimer, der neben der Wohnungstür stand. Nagi folgte dem Älteren, blieb aber vor der Wohnungstür stehen. "Was ist mit Weiß?", fragte er ruhig und Crawford drehte sich zu ihm um. "Warten wir ab...", gab er zurück und ging weiter. Sie verließen das Wohnhaus unbehelligt und traten auf die Straße. Crawford sah sich um, Nagi tat es ihm gleich, aber es war kein Zeichnen von Weiß zu sehen. Crawford runzelte die Stirn. "Halt die Augen offen.", mahnte er Nagi, obwohl er wusste, dass diese Mahnung unnötig war. Crawford ging voraus zum Auto, Nagi folgte ihm in ein- zwei Metern Abstand. Dann plötzlich sah er, was Crawford nicht bemerkte, weil der Ältere sich nicht mehr umsah. Auf dem Dach des Hauses, aus dem sie eben gekommen waren, standen zwei Gestalten. Nagi runzelte die Stirn und versuchte, sie zu erkennen. Es waren zwei Weiß. Bombay und Abyssinian also..., dachte Nagi und ein kleines Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Nagi ging weiter, holte Crawford ein und hielt ihn zurück. Er deutete mit einem Nicken auf das Dach und hörte, wie Crawford scharf die Luft einzog. "Dann kriegen wir wohl doch noch etwas mehr Arbeit...", zischte der Schwarz und stellte sich neben Nagi. Aber Aya und Omi standen nur bewegungslos auf dem Dach und schauten zu ihnen herunter. Nagi sah kurz zu Crawford und stellte fest, dass der genauso irritiert war, wie er selber. Passierte jetzt gar nichts, oder was? Eine Minute später, in denen sich keiner der vier wirklich bewegt hatte, verschwanden Aya und Omi plötzlich von dem Dach und waren nicht mehr zu sehen. Nagi drehte sich erneut zu Crawford und sah ihn fragend an. "Was war das?", wollte wissen, aber der Schwarz drehte sich nur herum und ging zum Auto. Nagi lief ihm hinterher. "Hey!" Crawford konnte doch nicht einfach verschwinden. Da stimmte doch was nicht. Der Ältere öffnete die Beifahrertür und wartete, dass Nagi einstieg. Der junge Schwarz tat dies, warf Crawford aber weiter fragende Blicke zu. Crawford stieg ebenfalls ein und fuhr los. Nagi wusste, dass er sowieso keine Antwort bekommen würde, wenn Crawford nicht antworten wollte, also schwieg er und wartete ab. "Ich wusste es, aber ich habe es nicht geglaubt.", sagte Crawford nach einer Weile und bog ab. Nagi runzelte die Stirn, fragte aber nicht nach. Crawford würde ihm schon erzählen, was er erzählen wollte. "Ich habe genau das gesehen. Kein Angriff, kein gar nichts." Crawford seufzte. "Irgendetwas geht hier vor, aber ich habe noch keine Erklärung dafür.", schloss der Schwarz und schwieg für den Rest der Fahrt. Als Nagi ausstieg und wieder in sein Zimmer ging, grübelte er noch immer darüber nach, warum Weiß sie nicht angegriffen hatten. Sie hatten bloß dagestanden und zu ihnen heruntergeschaut. Wozu?? Nagi schloss die Tür hinter sich und setzte sich gleich an seinen PC. Anstatt es mit einem Passwort zu versuchen, fragte Nagi gleich nach Access. <> Es dauerte keine Sekunde, da blinkte schon die Antwort. <> <> Nagi lächelte. Jetzt würde er sich ablenken können. <> <> <> <> <> Nagi runzelte die Stirn, dann fiel es ihm wieder ein. <> Nagi seufzte. Nachdem Schuldig sich heute so um ihn gekümmert hatte, hatte Nagi eingesehen, dass er den Deutschen nicht einfach hier bei Crawford zurücklassen konnte. <> <> <> <> <> <> <> Nagi stützte das Kinn auf seiner Hand auf und starrte auf den Bildschirm. Dann überlegte er sich etwas. <> <> <> <> <> Nagi grinste. OK, so würden sie nicht weiterkommen. Dann musste er das eben anders machen. Nagi sammelte in seinem Kopf zusammen, was er bisher über Access wusste. Er war ein Hacker, in dessen System Nagi nicht eindringen konnte. Das heißt, er war mindestens so gut, wie Nagi. Er hatte Daten, die Schwarz für einen Auftrag brauchte und wusste auch, wozu diese Daten benutzt wurden, da war Nagi sich sicher. Er hatte Nagi einen überaus passenden Namen gegeben. Er hatte sofort verstanden, worum es ging, als Nagi ihm von Crawford erzählt hatte. Und er war genau dann gekommen, als Nagi von seinem Auftrag zurückgekehrt war, bei dem er halb Weiß getroffen hatte, ohne, dass es zu einem Kampf gekommen war. Wer also war Access? Nagi lachte leise, aber er schob die Gedanken beiseite. Das war einfach zu absurd. <> <> <> <> <> <> <> Und Outlock. OK, Nagi hatte nicht sehr viel über Access erfahren, aber man konnte eine Menge zwischen den Zeilen lesen. Und irgendwie hatte Nagi das Gefühl, dass Access es darauf anlegte, dass Nagi sich Dinge über ihn zusammenreimte. Gähnend schaltete der Schwarz seinen PC aus und verließ sein Zimmer. Er tapste zu Schuldig und klopfte vorsichtig an dessen Tür. "Herein, wenn's kein Crawford ist!", kam die fröhliche Antwort von drinnen und Nagi grinste etwas. Dann öffnete er die Tür und betrat Schuldigs Zimmer. "Hey Nagi...alles in Ordnung?", fragte Schuldig als erstes, während Nagi die Tür schloss und sich einen Stuhl nahm, der im Zimmer herumstand. "Es geht schon.", gab er lächelnd zurück. Schuldig saß auf seinem Bett und las ein Buch. Er legte es weg und rutschte an die Bettkante, um Nagi besser ansehen zu können. "Das freut mich.", erwiderte er und lächelte ebenfalls. Nagi stellte fest, dass dieses Lächeln ein echtes war und beschloss, sich darüber zu freuen. Dann kam er mit seinem Anliegen heraus. "Hm Schu...gehen wir was trinken?" Schuldig blinzelte sehr überrascht und legte den Kopf schief. "Was trinken?" Nagi nickte. "Was trinken." Schuldig grinste ein wenig ungläubig. "Wie, was trinken?", wollte Schuldig wissen und Nagi grinste zurück. "Wir fahren in die Stadt, gehen in irgendeinen Club, von denen du mir sicher einen empfehlen kannst und trinken was. Was ist daran unverständlich?", fragte er und lächelte Schuldig an. Der Deutsche runzelte die Stirn, lächelte dann aber auch. "So gut geht's dir wohl noch nicht, hm?", fragte er und sah Nagi verständnisvoll an. "Du hast es erfasst...", gab der leise zurück und grinste etwas verlegen. Natürlich begriff Schuldig die Idee, die für Nagi hinter einem Clubbesuch stand. "OK, ich nehme dich mit.", sagte Schuldig lächelnd und stand auf. Nagi lächelte dankbar zurück und erhob sich ebenfalls. Wirklich gut, dass Schuldig ihm jetzt nicht mit der bekannten Alkohol-ist-keine-Lösung-Nummer kam. Die beiden jungen Männer verließen das Haus sofort und Schuldig fuhr Nagi in die Stadt. Der Deutsche brachte Nagi in seinen Lieblingsclub und der Jüngere fühlte sich gleich wohl. Die Musik war gut, die Stimmung angenehm und die Drinks mehr als lecker, wie Nagi schnell feststellte. Natürlich bezahlte Schuldig nicht und auch Nagi bekam ,freundlicherweise' Drink für Drink umsonst vor die Nase gesetzt. Schuldig trank nur wenig, achtete darauf, dass er Nagis Schmerzgrenze nicht verpasste und errichtete dann grinsend eine Kellner-undurchdringliche-Barriere um den Tisch, an dem er und Nagi saßen. Der junge Schwarz war schon zu benebelt, um das noch mitzubekommen und hatte plötzlich die wundervolle Idee, mit Schuldig zu tanzen. Aber der Schwarz lehnte nur leise lachend ab und hob Nagi auf die Füße. Dann trug er ihn förmlich aus dem Club und lud ihn ins Auto. OK, das war jetzt Nagis erste Volltrunkenheit, mal sehen, wir er damit klarkam. Dreißig Minuten und fünf Stops am Straßenrand später, hielt Schuldig den Wagen vor ihrem Haus und brachte einen halbschlafenden Nagi zurück in sein Zimmer. Als er den Jungen auf sein Bett legte, schlug Nagi die Augen auf und sah Schuldig an. "Schu...warn toller Abend...", murmelte er und lächelte dankbar. Schuldig grinste ein wenig und zog die Bettdecke über Nagi. "Mal sehen, was du morgen früh darüber denkst, Kleiner...", erwiderte er lachend und strich Nagi übers Haar. Der junge Schwarz lächelte nur versonnen und schloss die Augen wieder. Wenige Augenblicke später schlief er schon und Schuldig erhob sich langsam und ging in sein Zimmer. Nicht, ohne Nagis Tür gut zuzuziehen. Auf dem Flur begegnete er Crawford, der ihn missmutig ansah. "Wo wart ihr?", verlangte er brüsk zu wissen und Schuldig hob leicht abwehrend die Hände. "In der Stadt...", erwiderte er und beschloss im selben Moment, dass er heute im Stuhl vor Nagis Bett schlafen würde. Crawford sah nämlich grinsend zu Nagis Zimmertür und dann wieder zu Schuldig. "Ihr habt getrunken..." Schuldig nickte und Crawford verschwand. Dann ging der Deutsche in sein Zimmer und holte sich seine Decke. Er lief zurück zu Nagi und setzte sich in dessen Schreibtischstuhl. Das wurde für Schuldig die unbequemste Nacht seit langem und der Schreibtischstuhl hinterließ besonders an seinem Rücken schmerzliche Erinnerungen, aber wenigstens schlief er bei Nagi und kein Crawford betrat in dieser Nacht das Zimmer des Jungen. Als Aya und Omi in dieser Nacht nach Hause kamen, achteten sie sorgfältig darauf, leise zu sein und Ken und Yoji nicht zu wecken. "Was denkst du?", fragte Omi leise und schloss seine Tür auf. Aya schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. "Ich bin mir nicht sicher.", sagte er und seufzte leise. "Du meinst, wir müssen es uns noch einmal ansehen?", wollte Omi wissen und legte den Kopf schief. Aya nickte zögernd. "Auch, wenn es nicht das ist, was ich mir davon versprochen hatte.", gab er zu und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Omi schaute nachdenklich. "Auf jeden Fall ist unsere Mission damit erfolgreich beendet, oder nicht?", fragte er lächelnd und Aya nickte. Omi grinste. "Was Ken und Yoji wohl sagen, wenn sich herausstellt, dass die Mission beendet ist, bevor wir sie überhaupt begonnen haben...", lachte er leise und ein Lächeln stahl sich auf Ayas Lippen. "Du kannst dir schon mal überlegen, wie wir ihnen das erklären...", meinte er und Omi sah ihn an. "Willst du ihnen nicht einfach die Wahrheit sagen?", wollte der junge Weiß wissen und runzelte fragend die Stirn. Aya zögerte, dann nickte er doch. "Einverstanden, aber erst müssen wir uns noch mal genauer umsehen.", entgegnete er und Omi nickte. "Das dürfte wohl kein Problem sein. Wir wollten sowieso erst übermorgen anfangen, richtig?" Aya nickte erneut. "Richtig." Damit war wenigstens diese Frage geklärt, auch, wenn sie eine der weniger wichtigen im Moment war. Omi verabschiedete sich von Aya und ging schlafen. Aya ging ebenfalls in sein Zimmer. Er erledigte noch, was zu erledigen war, dann legte er sich aufs Bett. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er besser schlafen sollte: 23.30 und er musste morgen früh aufstehen, immerhin hatte er Dienst im Laden. Diese ganze Sache hat Formen angenommen, mit denen wohl keiner von uns gerechnet hätte..., dachte Aya und gähnte. Dann tat er, was vernünftig war, zog sich um und ging ins Bett. Als Aya am nächsten Morgen in den Laden kam, war Yoji schon da und fegte zusammen, was er gerade hatte fallen lassen. "Morgen!", rief er, dennoch gut gelaunt, als er Aya bemerkte. Der nickte ihm nur leicht zu und machte sich dann daran, Yoji zu helfen. "Sag mal, wo wart ihr denn gestern noch so spät, huh?", fragte Yoji, verschmitzt grinsend und hielt mit fegen inne. Aya sah auf und runzelte die Stirn. "Was heißt ,wo wart ihr'?", fragte er zurück und schaute unberührt. Aber Yoji ließ nicht locker. "Du und Omi. Ihr seid erst um elf wiedergekommen.", entgegnete er und grinste weiter. Aya schüttelte den Kopf. "Nicht wichtig.", antwortete er dann knapp und warf ein paar Scherben in dem Mülleimer. Yoji lachte leise. "Habt ihr euch etwa ohne uns amüsiert?", fragte er leicht tadelnd und wedelte Aya schimpfend mit einem Finger vor dem Gesicht herum. Aya griff sich den Finger, hielt ihn fest und lächelte Yoji süffisant ins Gesicht. "Vielleicht...", gab er zurück, ließ den Finger wieder los und drehte Yoji demonstrativ den Rücken zu. Eigentlich hätte der gerne noch weitergebohrt, aber da kam Omi hereingestürmt und wirbelte den Laden durcheinander und für ein Gespräch war dann auch keine Zeit mehr, als die ersten Kunden kamen. Yoji begnügte sich also vorerst damit, sich auszumalen, was Aya und Omi getan haben konnten. Das war wahrscheinlich eh interessanter, als die Wahrheit. Als Crawford am Morgen aufwachte, erhielt er als erstes einen beruhigenden Anruf. Der Auftrag war zur Zufriedenheit des Kunden ausgeführt worden, der Bezahlung stand also nichts mehr im Wege. Glück für Nagi, fand Crawford, während er in die Küche tapste und sich einen Kaffee einschenkte. Nagi schlief den halben Tag durch, sodass Schuldig ihn gegen Mittag alleine ließ, um sich zu Crawford zu gesellen, der im Wohnzimmer auf der Couch saß und sich einen uninteressanten Film ansah. Als Nagi gegen Nachmittag aufwachte und sich blinzelnd im Zimmer umsah, musste er feststellen, dass er kein sehr begnadeter Trinker war. Sein Kopf dröhnte furchtbar und Nagi konnte sich kaum aus dem Bett und unter die Dusche bewegen. Folglich verzog er sich aus der Dusche auch gleich wieder ins Bett und verzichtete darauf, sich in die Küche zu quälen, um etwas gegen seinen knurrenden Magen zu tun. Ihm wurde ohnehin schon schlecht, wenn er nur daran dachte, irgendetwas in den Mund zu stecken und zu essen. Kapitel 5: - Fünf - ------------------- Am Abend dieses dreizehnten Novembers, stand Nagi langsam wieder auf. Er beschloss, sich jetzt, wo hoffentlich keiner mehr in der Küche war, doch noch etwas zu essen zu machen. Sein Magen knurrte schmerzlich und Nagi fühlte sich schwach und ausgepowert. Außerdem wollte er etwas essen, bevor er mit Access redete, worauf er sich besonders heute Abend mehr als freute. Es ging Nagi wirklich dreckig und er brauchte unbedingt jemanden zum reden. Er hätte Schuldig fragen können, aber erstens war der nicht zu Hause und zweitens wollte er dem Schwarz das nicht antun. Nagi hatte gesehen, wie Schuldig am Mittag reagiert hatte und das war mehr als Beweis genug, dass er besser daran tat, Schuldig mit seinem Problem nicht zu sehr zu belasten. Also verließ Nagi sein Zimmer und tapste langsam den Flur entlang. Gerade wollte er die Treppe hinuntersteigen, da hörte er Schritte hinter sich. Erschrocken fuhr er herum, als Crawford ihn ansprach. "Na, Kleiner...du lebst ja doch noch...", wisperte der Ältere kichernd und trat an Nagi heran. "Eigentlich wollte ich dich in deinem Zimmer besuchen, aber jetzt erübrigt sich das wohl...", fuhr der Schwarz fort und griff Nagis Handgelenke. Der Jüngere zuckte zusammen, als er den kalten Blick in Crawfords Augen registrierte. Schuldig..., dachte er, aber er konnte nicht schreien. Crawford zog Nagi ohne große Gegenwehr in sein Zimmer. Der junge Schwarz war wie gelähmt, nicht fähig, die Hand gegen Crawford zu erheben. "Du heulst dich also bei Schuldig aus...", flüsterte Crawford und schupste Nagi unsanft zu seinem Bett. Dann schloss er die Tür und sperrte ab. "Dazu bekommst du gleich noch eine Gelegenheit, Kleiner...", zischte er grinsend und trat an Nagi heran. SCHU!!!, dachte Nagi mit ganzer Kraft, aber er bekam keine Reaktion von dem Deutschen. Crawford hatte Schuldig weggeschickt. Lächelnd betrachtete der Amerikaner Nagis verkniffenes Gesicht. "Ja, ruf ihn nur...", sagte er leise und streckte eine Hand nach Nagi aus. Crawford hatte Schuldig einen Auftrag gegeben, der ihn eine ganze Weile aus dem Haus halten würde. "Er hört dich nicht...", wisperte er weiter und drückte Nagi mit dem Rücken aufs Bett. Nagi schluckte und starrte Crawford stumm an. Der hielt seine Handgelenke fest und setzte sich, fröhlich grinsend, auf Nagis Bauch. "Na, wie hättest dus denn heute gerne?" Nagi drehte den Kopf zur Seite und versuchte verzweifelt, seine Angst beiseite zu schaffen und endlich zu handeln. Aber er bekam keinen klaren Kopf, er hatte immer noch ziemliche Kopfschmerzen und er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Alles, was Nagi sah, war dieses eklige Grinsen in Crawfords Gesicht. "Das letzte Mal hast du ja nicht viel davon gehabt, aber heute wird das Vergnügen auch ganz deinerseits sein, Nagi.", grinste Crawford kalt und drückte Nagi einen Kuss auf die Lippen. "Willst du, dass es weh tut? Stehst du auf Schmerzen, huh, Nagi?" Crawford lachte leise, als er Nagis flehenden Blick sah. "Was denn? Wehrst du dich gar nicht? Ich wusste doch, dass es dir gefällt..." Nagi schluckte hart und zwang ein paar Tränen zurück. Crawford nahm Nagis Handgelenke in eine Hand und glitt mit der anderen zu Nagis Hose. Er öffnete sie, ohne zu zögern, und fuhr mit seiner Hand hinein. "Ja, das gefällt dir, nicht wahr, Kleiner?" Verhangen nahm Nagi wahr, wie Crawfords Stimme vor Erregung zitterte und wie der Schwarz sich gegen seinen Bauch presste. Dann spürte Nagi, dass Crawford seine Handgelenke losließ, sicher, dass Nagi sich sowieso nicht wehren konnte und beide Hände benutzte, um dem zitternden Nagi ein Stöhnen zu entlocken. Nagi schloss die Augen, kniff sie panisch zusammen...und hatte plötzlich Crawfords Pistole in der Hand. Crawfords Hände fuhren bereits in harten Strichen auf und ab, als er benebelt ein wohlbekanntes Klicken vernahm. Er sah auf, blinzelte kurz und runzelte dann die Stirn. Dann musste er lachen. Während Crawford lachte, hob Nagi die Pistole mit beiden Händen und hielt sie mit ausgestreckten Armen auf Crawford gerichtet. Er keuchte schwer und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Langsam beruhigte Crawford sich und sah, dass Nagi noch immer seine Pistole auf ihn gerichtet hielt. "Hoho, willst du spielen?", fragte er amüsiert und legte fest eine Hand an Nagis Glied. Aber die zweite konnte er nicht mehr dazulegen. Langsam zwang Nagi Crawfords Hände nach oben, weg von seinem Körper. Crawford schüttelte irritiert den Kopf. Nagi setzte doch nicht ernsthaft seine Kräfte gegen ihn ein, oder etwa doch? Aber noch machte Crawford sich keine Sorgen. Er hatte gesehen, dass er Nagi besitzen würde. Er hatte gesehen, dass er gewinnen würde. Aber Nagi hielt die Pistole fest und seine Hände wurden ruhiger. Langsam versiegten die Tränen und Nagi sah Crawford an. "Das darfst du nicht.", sagte er langsam und Crawford musste schlucken. Dann lachte er unsicher. "Komm schon Nagi, das kannst du nicht.", entgegnete er und seine Stimme klang fest, auch, wenn Crawfords Blick leichte Besorgnis verriet. Aber Nagi schüttelte den Kopf. "Das darfst du nicht.", wiederholte er und zwang das Zittern zurück, dass vorher noch in seiner Stimme gelegen hatte. Nagis Blick wurde kalt und er zielte auf Crawfords Stirn. Der ältere Schwarz beschloss, lieber zu verschwinden, konnte sich aber nicht bewegen. Nagi hielt ihn fest, wo er war. Ein letztes Mal versuchte Crawford es mit Taktik. "Nagi, dafür bist du doch viel zu schwach.", sagte er kühl und funkelte den Jungen an. Aber Nagi schüttelte nur wieder den Kopf. Und plötzlich musste Crawford einsehen, dass er sich geirrt hatte. Er hatte etwas falsches gesehen. Er würde dieses Mal nicht gewinnen. Und als er das einsah und sein Blick sich langsam von überlegen, über verwirrt, bis hin zu ängstlich veränderte, konzentrierte Nagi sich noch ein bischen mehr und drückte ab. Er hatte gut gezielt, perfekt gezielt, und Crawfords Augen wurden groß und größer, als die Kugel seine Stirn traf, hindurchdrang und ein Loch in seinen Hinterkopf schlug. "Das darfst du nicht.", flüsterte Nagi noch einmal, dann starrte er, erschrocken von dem Knall und dem Blut, das plötzlich über die Bettdecke spritzte, auf die Waffe in seinen Händen. Langsam setzte Nagi sich auf, Crawfords schlaffer Körper rutschte von ihm herunter und prallte mit einem dumpfen Geräusch auf den Fußboden. Der junge Schwarz kletterte aus dem Bett und sah auf die Leiche herab. Dann rutschte die Pistole langsam aus seinen Händen und glitt ebenfalls zu Boden. Nagi schüttelte benommen den Kopf und blinzelte. Warum steht er nicht auf und schlägt mich? Ich war viel zu laut..., dachte Nagi verwirrt und stupste Crawford mit dem Fuß an. Dann plötzlich bemerkte er das Blut, dass jetzt auch an seiner Schuhspitze klebte. Er sah das Loch in Crawfords Schädel und die Waffe auf dem Boden. Einen Moment lang war Nagi nur erschrocken. Er hat sich umgebracht! Schuldig, Crawford hat sich umgebracht!, dachte er noch, aber im selben Moment wandelte sich Erschrecken in Entsetzen und Nagi stolperte rückwärts gegen die noch immer abgeschlossene Tür. ICH habe ihn umgebracht!, schoss es Nagi durch den Kopf und er schlug die Hände vors Gesicht. Nagi drehte sich herum und starrte auf die Tür. Warum geht sie nicht auf??, fragte er sich hektisch, sah dann aber den Schlüssel, der im Schloss steckte und drehte ihn ruhig herum. Alles OK, ist nur abgeschlossen...du musst nur aufschließen... Nagi brabbelte in Gedanken vor sich hin und öffnete die Tür. Er trat auf den Flur, sah sich noch einmal um und schaute auf Crawford und die sich ausbreitende Blutlache unter seinem Kopf. Dann schaltete er jeden Gedanken ab und rannte die Treppen hinunter, Richtung Haustür. Als er sie aufriss und nach draußen stolperte, stieß er gegen Schuldig. Der Deutsche hatte Nagis Schreie sehr wohl gehört, hatte darauf geachtet, dass er einen Kanal für Nagi freihielt, während er am anderen Ende der Stadt zu tun hatte. Aber er hatte es nicht schneller geschafft. Es war gerade 19.00 und der Verkehr noch lange nicht zum Erliegen gekommen. "Nagi!", rief Schuldig aus, als er den Jungen erkannte. Nagi musste sich an Schuldig festhalten, sonst wäre er gestürzt. Der Ältere packte Nagis Arm und zog ihn wieder auf die Füße. "Nagi...", wiederholte Schuldig leise und sah den Jungen an. Nagi starrte einen Moment lang nur zurück, dann riss er sich los und rannte, so schnell er konnte. Schuldig blieb zurück. Er sah Nagi nach, unfähig, sich zu rühren. Macht er das?, fragte er sich noch, da war Nagi schon um die nächste Ecke verschwunden. Und dann spürte Schuldig plötzlich, dass ihm etwas fehlte. Seine Augen weiteten sich, wie sich Nagis geweitet hatten und der Deutsche stürmte ins Haus und in Crawfords Zimmer. Als er sah, was Nagi zurückgelassen hatte, sackte er keuchend auf den Boden und starrte mit aufgeklapptem Mund auf Crawfords Leiche. Oh mein...er hat es wirklich getan... Schuldig war nicht einmal mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Das war unglaublich. Nagi lief, rannte, hetzte durch die Straßen. Sein Gesicht war verzweifelt und er atmete schwer. Er lief weiter, bis er absolut keine Luft mehr bekam. Das war das Ende. Was mach ich jetzt?, war der erste klare Gedanke, den Nagi wieder fassen konnte. Erschöpft ließ er sich in einen dunklen Hauseingang sinken und starrte auf die Straße vor sich. Was mach ich jetzt... Er hatte es wirklich getan. Er hatte Schuldig gesagt, er würde sich wehren und er hatte sich gewehrt. Er hatte Crawford erschossen. Mit seiner eigenen Waffe... Nagi konnte sich nicht erklären, woher er plötzlich die Pistole gehabt hatte. Er hatte nicht einmal daran gedacht, sie sich zu nehmen. Aber sie war da gewesen, nicht wahr? Und ich habe ihn UMGEBRACHT! Nagis Schluchzen drang durch die leere Straße und er verbarg das Gesicht hinter seinen Händen. Jetzt war er wirklich ein Mörder, nicht wahr? Notwehr? Pah! Er hätte Crawford einfach festnageln und stillhalten können, bis Schuldig kam. Er hätte ihn nicht töten müssen. Der junge Schwarz lehnte sich benommen gegen das kühle Holz der Haustür und schloss die Augen. Sofort sah er Crawford vor sich. Sah das Blut und die Waffe. Aber Nagi öffnete die Augen nicht wieder. Es war seine Schuld, dass er das sehen musste, also würde er es ertragen. Erst fast zehn Minuten später raffte Schuldig sich auf und stand wieder auf. Langsam ging er zu Crawford und kniete sich neben ihm wieder auf den Boden. Er streckte die Hand aus und fühlte seinen Puls. Natürlich spürte er nichts. Aber er wollte sichergehen. Tja, jetzt bist du also tot, nicht wahr? Schuldigs Gedanken waren lange nicht so betroffen und bedrückt, wie die von Nagi. Er sah in Crawfords Tod nur ausgleichende Gerechtigkeit. Ja, er hatte Nagi verletzt, ihm wehgetan und ihn gedemütigt. Er hatte nichts anderes verdient, als den Tod durch den, dem er das angetan hatte. Das haben sie alle verdient..., dachte Schuldig kühl, als er die Decke vom Bett zog und über Crawfords Leiche warf. Fast hätte er vor Crawford ausgespuckt, hielt sich dann aber doch zurück. Schuldig hatte Nagis Schrei gehört und sich trotz Bedenken bei ihm eingeklinkt. Er hatte gespürt, was Nagi gespürt hatte, hatte gesehen, was Nagi gesehen hatte. Und dann hatte er ihm geholfen. Es war Nagi gewesen, der es aus eigener Kraft geschafft hatte, sich gegen Crawford aufzulehnen. Ihn festzuhalten und von sich abzubringen. Aber es war Schuldig gewesen, der ihm die Pistole in die Hand gelegt hatte. Er wusste, dass Crawford sie gerne in der untersten Schublade des Nachttisches aufbewahrte, Nagi hatte sich dafür nie interessiert. Also hatte Schuldig Nagi nach der Waffe greifen lassen, hatte ihn sie heben und ihn damit auf Crawford zielen lassen. Mehr, als diesen kleine Schubs in die richtige Richtung, hatte Nagi nicht gebraucht. Schuldig hatte sich nicht mehr eingemischt, hatte Nagi nur ein wenig mehr Kraft geliehen, damit er durchziehen konnte, was er sich so sehr wünschte. Und als Schuldig dann gesehen hatte, wie Nagi abdrückte, war er losgefahren. Er hatte gewusst, was er sehen würde, aber als er dann vor Crawfords Leiche stand, war es trotzdem unglaublich. Aber wahr. Und Schuldig tat es kein bischen leid, dass er Nagi hierbei geholfen hatte. Nagi verbrachte die Nacht auf der Straße. Er wusste nicht, was er tun sollte, wohin er gehen sollte, oder mit wem er reden konnte. Ein paar Mal dachte er an Access, aber er verdrängte den Gedanken gleich wieder, denn das half ihm jetzt auch nicht weiter. Da Nagi ohnehin nicht schlafen konnte, lief er in den Straßen herum und machte sich immer und immer wieder seine Situation bewusst. Als er dann vor Erschöpfung nicht mehr laufen konnte, ließ er sich wieder in einen Hauseingang sinken und fiel, an eine morsche Tür gelehnt, in einen unruhigen Schlaf. Am nächsten Morgen wurde Nagi unsanft geweckt, als ihm eine ältere Frau die Tür in den Rücken stieß, als sie aus dem Haus trat, in dessen Eingang Nagi saß. Der junge Schwarz schreckte auf und blinzelte verwirrt, da scheuchte die Frau ihn schon mit ein paar gezielten Schlägen mit einer zusammengerollten Zeitung beiseite. "Ist es hier jetzt auch schon soweit?! Das war immer eine so saubere Gegend!", zeterte die Frau und starrte Nagi so böse an, dass der es vorzog, zu verschwinden. Er stolperte die Straße hinunter und bog um die nächste Ecke. Jetzt sah er erst, wo er war. Er musste lange gelaufen sein, denn er befand sich in einer Gegend, die er bisher nur selten gesehen hatte. Es war Donnerstag, wie Nagi feststellte, denn als er ein Stück weitergegangen war, befand er sich auf einem Marktplatz, auf dem gerade die Stände aufgebaut wurden. Kaum sah Nagi Früchte, Obst und Fleisch, als sich sein Magen bemerkbar machte. Nagi seufzte und besah sich dann seine Taschen. Er war nicht gerade gut ausgerüstet, hatte kaum Geld bei sich und trug noch nicht einmal eine Jacke. Kaum wurde Nagi sich dessen bewusst, als er auch schon zu frieren begann. Der Novembermorgen war eisig und Nagi schlotterte vor Kälte und Hunger. Aber gerade, als er sein Geld für irgendetwas zu essen augeben wollte, fiel sein Blick auf ein Eckgebäude, dessen untere Fenster mit weißer Folie fast vollständig beklebt waren. ,Internetcafé' stand dort in hellroten Blockbuchstaben und Nagi lächelte ein wenig. Access. Es war nicht 20.00, aber Nagi musste einfach versuchen, ob er den anderen Hacker erreichen konnte. Nichts konnte er jetzt so gut gebrauchen, wie jemanden zum reden. Nagi betrat das Café und sah sich um. Er hatte bis jetzt nur selten auf derlei Einrichtungen zurückgreifen müssen, würde aber klarkommen. Er zahlte für eine Stunde und setzte sich an einen PC, ganz hinten in der Ecke, der von allen wohl am ungestörtesten lag. Nagi versuchte es erst gar nicht über sein System, sondern loggte sich gleich bei Access ein. Zwanzig Minuten passierte gar nichts, dann, es war gerade 10.00, entdeckte Nagi erfreulicherweise ein kleines wohlbekanntes, blinkendes Fenster auf dem Bildschirm. <> Nagi lächelte und rückte sich den Stuhl zurecht. <> gab er sofort zu und seufzte. Hoffentlich galt Access' Angebot noch, denn Hilfe konnte Nagi jetzt wirklich gebrauchen. Fast hätte Nagi es einfach erzählt, da besann er sich gerade noch rechtzeitig. <> <> <> Nagi atmete tief durch. Das war die Frage, die er niemals hatte stellen wollen. Die er niemals hätte stellen dürfen. Er konnte sich doch nicht einfach von Access helfen lassen. Wenn Nagis Verdacht bestätigt wurde, was Access' Identität anging, war sowieso jeder freundliche Kontakt falsch. Aber Access schien sich nicht im Geringsten darüber Gedanken zu machen, denn er antwortete sofort. Dann gab er Nagi eine Adresse, Nagi schieb sie automatisch auf ein Stück Papier und steckte es in seine Hosentasche. Aber er wusste sofort, dass er nicht hingehen würde. Das konnte er nicht. Noch nicht. Dachte er jedenfalls. <> <> <> <> Access machte eine kurze Pause und Nagi gähnte verhalten. Dann schlang er seine Arme um seinen Oberkörper, um endlich warm zu werden, während er auf Access' Antwort wartete. <> <überleg es dir, es ist mir ernst> Nagi nickte. Damit konnte er leben. <> Und dann redete er noch die ganze restliche Zeit mit Access, der heute Morgen wohl mehr Zeit hatte, als sonst immer. Vielleicht auch, weil er jetzt über Nagis Situation Bescheid wusste. Als Nagi gegen viertel vor elf das Internetcafé wieder verließ, schien die Sonne und der Himmel war strahlend blau. Nagi spürte schon beim ersten Schritt auf der Straße, dass es wärmer geworden war. Trotzdem zitterte er immer noch, nur ein Pulli war einfach zu wenig. Aber da Nagi kein Geld mehr hatte und auch nicht beabsichtigte, sich anderweitig etwas zum überziehen zu besorgen, fror er eben noch ein wenig. Er lief durch die Gegend, um sich wenigstens etwas warm zu halten und beschloss gegen halb zwei widerspenstig, doch zu der Adresse zu gehen, die Access ihm gegeben hatte. Zwar hatte Nagi nun wirklich kein gutes Gefühl dabei, ahnte, dass etwas nicht stimmte, aber ihm war eisig, er hatte noch immer Hunger und er fühlte sich wirklich hundeelend. Also friemelte er den Zettel wieder aus seiner Hosentasche und starrte darauf. Dann runzelte er die Stirn. Irgendetwas an der Adresse kam ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, was. Nagi ging langsam. Sein ungutes Gefühl wurde stärker, mit jedem Schritt, den er Richtung Access tat. Würde er den Hacker dort überhaupt wirklich treffen, oder war das alles nur ein Spiel? Nagi glaubte mittlerweile zu wissen, wer Access war. Und wenn er Recht behalten sollte, würde er in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, wenn er Access folgte und sich dorthin begab, wo der ihn haben wollte. Trotzdem ging Nagi weiter. Er hatte doch sowieso nichts mehr zu verlieren, oder? Er hatte Crawford getötet, damit war seine Rolle bei Schwarz wohl ausgespielt. Er würde höchstens noch ein Opfer für den nächsten Auftrag sein. Und was dachte Schuldig jetzt wohl von ihm? Nagi fragte sich, ob der Deutsche ihn jetzt verachtete, oder gar hasste. Immerhin hatte Nagi Schwarz zerstört, mit seiner unüberlegten Aktion. Ob Schuldig wohl weitermachen würde? Alleine mit Farfarello? Oder würde er sich jemanden holen, der zuverlässiger und überlegter war, als Nagi? Wenn Schuldig jetzt Schwarz verlor, musste Nagi sich noch größere Vorwürfe machen, als er es ohnehin schon tat. Nicht, dass er Crawford getötet hatte, war das eigentlich schlimme. Er hatte Schuldig und Farfarello einfach mit diesem Problem sitzen lassen und sich aus dem Staub gemacht. Und Nagi wusste sicher, dass er nicht würde zurückkehren können. Nicht nach allem, was passiert war. Also hatte er die im Stich gelassen, die ihm wenigstens ein wenig Halt gegeben hatten, nicht wahr? Nagis Gesichtsausdruck wurde bitter, während er die letzte Straße entlangging. Gut, sollte sich sein Verdacht doch bestätigen, dann war vielleicht endlich Schluss. Und wenn er Unrecht hatte, konnte er sich darüber freuen. Warum sich also Sorgen machen? Nagi sah auf das Straßenschild, vor dem er jetzt stand. Ja, hier war er richtig. Er sah die Straße herauf und hinunter, konnte nichts bekanntes entdecken, aber das ungute Gefühl blieb. Nagi kannte die Gegend, aber immer noch fiel ihm nicht ein, woher. Er glaubte nicht, dass er schon hier gewesen war, glaubte höchstens daran, einmal auftragstechnisch etwas mit dieser Gegend zu tun gehabt zu haben. Aber dann sah er es. Als Nagi die Straße entlangging, die Access ihm genannt hatte und zu dem Haus kam, dass Access angegeben hatte, konnte er durch eine schmale Seitengasse auf die gegenüberliegende Straße schauen. Kuso!, durchfuhr es Nagi, als er mit erstarrtem Blick zwischen den Häusern hindurchsah. In der Straße gegenüber des Hauses, zu dem Access Nagi geführt hatte, sodass Nagi es nur sehen konnte, wenn er durch die Seitengasse schaute, oder, wenn er direkt in die andere Straße einbog, lag ein Gebäude, dessen Anblick Nagi sofort bekannt war. Dieser..., Nagi verfluchte Access mit allem, was ihm einfiel und konnte seinen Blick einfach nicht von dem Haus lassen, vor und in dem reger Betrieb herrschte. Es war das ,Koneko no Sumu Ie', das Nagi entgegenstrahlte. Als Nagi sich bewusst wurde, dass er den Laden anstarrte, zog er sich zurück und besah sich das Haus näher, dessen Adresse auf seinem Zettel stand. Einen Moment zögerte Nagi, es zu betreten. Sein Verdacht war zur Gewissheit geworden, als er den Laden erkannt hatte und Nagi war sich fast sicher, dass Weiß, oder zumindest Bombay auf ihn warten würden, wenn er das Haus betrat. Aber Nagi tat es dennoch. Access hatte ihn reingelegt, verarscht, betrogen. Und er hatte allen Ernstes geglaubt, er könnte Access wenigstens annähernd vertrauen. Wenn ,Access' jetzt da drinnen auf ihn wartete, konnte Nagi ihm wenigstens seine verdiente Strafe dafür zuteil werden lassen. Na warte..., dachte er und sein Gesicht verhärtete sich, als Nagi die Haustür öffnete und den Hausflur betrat. Das Treppenhaus war schummrig, das Gebäude eher baufällig, als wohnlich. Nagi sah sich um, nahm zuerst das Erdgeschoss, dann das Obergeschoss unter die Lupe. Aber schon nach den ersten paar Zimmern wusste er, dass niemand hier war. Weder Bombay, noch sonst wer. Nagi trat an ein Fenster in einem der Zimmer im ersten Stock und sah zum Koneko herunter. Warum hatte Access Warum nenne ich ihn überhaupt noch Access??, fragte Nagi sich, für den jetzt feststand, dass Bombay sich hinter diesem Namen verbergen musste. Komisch, dass er diesen Verdacht nicht eher gehabt hatte. Nur Bombay konnte es schaffen, Nagi derart zu nerven und hinters Licht zu führen. Der Schwarz war wütend, um nicht zu sagen, er kochte. Er hatte sich von einem Weiß zulabern lassen und es nicht einmal bemerkt. Wenigstens wusste er es jetzt. Es gab keine andere Möglichkeit mehr. Knurrend und fluchend blieb Nagi an dem Fenster stehen und starrte nach unten. Er konnte erkennen, dass Leute im und vor dem Blumenladen standen, sah aber nicht, wer von Weiß auch dort war. Dann fiel Nagi etwas ein. Wenn Bombay hinter der ganzen Sache steckte, warum hatte er ihn dann hergeführt? War das Koneko nicht ihre Tarnung gewesen? Nagi hatte das ganze schon vor einiger Zeit herausgefunden, aber eigentlich konnte Weiß nicht wissen, dass Schwarz wusste, wo ihr Feind sich aufhielt. Und wenn Weiß es doch wusste, was jawohl nur Bombay zu verdanken sein konnte, wieso waren sie dann immer noch hier? Klar, Schwarz benutzte Weiß gerne, legte keinen Wert mehr darauf, sich mit ihnen zu messen, oder sie auszuschalten. Das konnte Weiß aufgefallen sein, aber wie konnten sie so sicher sein, dass sie nicht mehr auf der Abschussliste von Schwarz standen? Woher hatten sie diese Information, wenn doch selbst Schwarz nur durch Crawford wusste, dass man von Weiß lieber die Finger lassen sollte, wenn man die Zukunft nicht sehr negativ beeinflussen wollte? Lauter Fragen schwirrten durch Nagis Kopf und er fand keine plausiblen Antworten. Alles, was er wusste war, dass Weiß es eben wissen musste. Sie mussten wissen, dass sie nicht in unmittelbarer Gefahr durch Schwarz waren. Woher auch immer. Nagi sah sich in dem Zimmer um, in dem er stand. Dann zog er sich einen halbzerfallenen Stuhl ans Fenster und setzte sich darauf. Und er beobachtete weiter, was im Laden vor sich ging, so gut er es eben sehen konnte. Für ihn stand jetzt fest, dass Bombay Access war und Nagi versuchte aus dieser Information seine Schlüssel zu ziehen. Bombay hatte mit ihm geredet und ihm geholfen, dass musste Nagi wohl oder übel zugeben. Aber diese Hilfe war nur vorgegaukelt gewesen, um ihn hierher zu locken. Halt... Das konnte nicht stimmen. Wenn Bombay Nagi hierher locken wollte, um ihm eine Falle zu stellen, wieso war dann weder er, noch sonst ein Weiß hier, um Nagi zu empfangen? Nagi hatte noch vor kurzem mit Access geredet, also musste Bombay wissen, wann er ungefähr hier ankommen konnte, wäre er sofort losgegangen. Und nur, weil Nagi später kam, würde Bombay sicher nicht einfach aufgeben und verschwinden, nur, weil er keine Lust hatte, zu warten. Der Schluss, den Nagi daraus zog, war unlogisch: Bombay wollte ihn nicht töten. Na schön...was will er dann? Oder Weiß? Nagi fiel nichts ein, was man von ihm wollen könnte. Es wäre plausibel gewesen, hätten die Killer ihn hergelockt, um ihn alleine zu erwischen, ohne Hilfe von den anderen Mitgliedern von Schwarz. Aber jetzt war nichts passiert. Er saß hier und schaute in aller Seelenruhe zu, wie Weiß Blumen verkaufte. Idiotisch..., war das nächste, was Nagi dann zu der Situation einfiel. Das ewig gleiche Bild, ohne wirklich etwas zu erkennen, begann, Nagi zu nerven. Also stand er auf und betrachtete sich die anderen Zimmer im Stockwerk. Vielleicht gab es doch noch einen Hinweis darauf, dass Weiß hier gewesen war. Aber Nagi fand nichts dergleichen. Was er dann allerdings fand, beunruhigte ihn fast noch mehr. Als Nagi das Zimmer betrat, das genau gegenüber des Koneko lag, musste er feststellen, dass vor ihm jemand hier gewesen war. Der Boden war sauber, der Müll, der sich in den anderen Zimmern fand, weggeräumt, ein Stuhl und eine umgedrehte Kiste als Tisch standen in einer Ecke und vor dem Fenster lag eine saubere Matratze. Und auf der umgekippten Kiste lag ein Zettel. Irritiert und mit gerunzelter Stirn trat Nagi an die Kiste und griff sich das Stück Papier. Er las und seine Augen wurden groß. Dann trat er rasch ans Fenster und sah zum Laden. Das kann nicht wahr sein., stand für ihn definitiv fest. ,Nagi, danke, dass du gekommen bist. Weißt du jetzt, wer ich bin? Vertrau mir und bleib, dann helfe ich dir. Oder geh und folge der Logik, Shattered. Deine Entscheidung.' Keine Unterschrift, aber die war auch nicht nötig. Trotz der Ironie, die in der Situation lag, musste Nagi grinsen, als er Access' Nachricht las. Access hatte genau an der richtigen Stelle Nagis Nicknamen benutzt, nicht wahr? Nichts hier war mehr logisch. Weder Nagis, noch Access' Verhalten. Bombays Verhalten..., berichtigte Nagi sich still. Aber er blieb. Verrückterweise blieb er und fand, dass er keine Sorge hatte, dass er am nächsten Tag tot hier liegen würde, wenn er Access traute. Ja natürlich, er war vollkommen verrückt, aber er war noch mehr. Nagi war hungrig und er fror noch immer. Und Bombay hatte dafür gesorgt, dass das nicht so blieb. Auf der Matratze lag eine Decke, darauf ein Karton. Als Nagi ihn öffnete, stieg ihm Toastgeruch in die Nase. Der junge Schwarz konnte einfach nicht wiederstehen. Er kauerte sich auf die Matratze, schlang die Decke um sich und verputzte, was der kleine Karton hergab. Es gab auch keinen Grund, warum er nicht ausnutzen sollte, was Bombay ihm so freundlich darbot. Es sein denn, er hat es vergiftet., schoss es Nagi durch den Kopf und für ein paar Schrecksekunden weiteten sich seine Augen ängstlich. Das wäre immerhin eine logische Erklärung dafür gewesen, warum keiner der Weiß anwesend war. Aber Nagi bekam weder Krämpfe, noch wurde ihm übel. Er fühlte sich nur endlich wieder etwas besser. Er kniete sich auf und legte die Unterarme verschränkt auf die niedrige Fensterbank. So konnte er gut zum Laden schauen. Ungläubig fand Nagi dann ein Fernglas neben der Matratze und hielt es unschlüssig in den Händen. OK, was sollte das jetzt bedeuten? Wollte Bombay etwa, dass Nagi Weiß beobachtete? Der Schwarz erkannte keinen Sinn darin, nutzte das Angebot aber trotzdem. Und dann entdeckte er auch sämtliche Mitglieder von Weiß, eifrig arbeitend, im Laden. Amüsant..., fand Nagi und beschloss, sich mit diesem kleinen Spielchen zu vergnügen. Solange er alle vier im Auge hatte, konnte sich ihm immerhin auch keiner unbemerkt nähern und vielleicht doch noch abstechen, oder? Leise begann Nagi zu summen und schaute Omi und Co. zu. Im Laden herrschte reger Betrieb und Omi, Aya, Ken und Yoji hatten alle Hände voll zu tun. Omi band ein paar Gestecke, Aya fegte schon wieder grummelnd und missmutig hinter Yoji her, der sich seit mindestens zwei Stunden ausschließlich mit der weiblichen Kundschaft beschäftigte und Ken stand an der Kasse. Der Tag war schön und würde es auch bleiben, also rechneten alle vier mit einem erfolgreichen Arbeitstag. Unbemerkt von den anderen, waren es Aya und Omi, die ab und zu verstohlen zum Haus gegenüber schielten. Sie wagten es nicht, richtig hinzusehen, zu schauen, ob Nagi an einem der Fenster stand und zu ihnen sah, aber dennoch schlichen sich ihre Blicke immer wieder dorthin. Sie hatten lange darüber geredet, was sie wegen Nagi tun sollten und letztendlich war es Omis Sanftmut, der Aya dazu gebracht hatte, Nagi zu ihnen zu holen. Aber die beiden Weiß wussten, dass Nagi sich nicht einfach so bei Weiß einquartieren würde. Er war misstrauisch, kein Wunder, bei dem, was er gerade durchgemacht hatte und noch immer durchmachte. Dann war es Ayas Idee gewesen, ihn gegenüber einzuschleusen, bis er vielleicht von alleine zu ihnen kam, oder, bis Aya und Omi wenigstens zu ihm gehen konnten. Sie war durchaus verrückt, diese Idee. Aber Omi hatte es nicht ausgehalten, Nagi in dieser schrecklichen Situation zu wissen und nichts zu tun. Auch Aya hatte ihm zugestimmt, obwohl er wesentlich lieber etwas anderes gesagt hätte. Omi hatte in seinen Gesprächen über Nagi schnell herausgehört, dass Aya sich sehr viel mehr Sorgen um den jungen Schwarz-Killer machte, als er zugab und zugeben wollte. Trotzdem wunderte es Omi noch immer, dass gerade Aya sich auf diese Aktion einließ. Und irgendwie hätte er sich auch wohler gefühlt, wenn nicht Aya, sondern Ken eingeweiht wäre. Aber das war nicht möglich, dass wusste Omi. Es würde schon schwer genug werden, den beiden anderen Weiß heute Abend zu erklären, dass ihre Mission schon erledigt war, ohne komische Sachen zu reden und Verdacht zu erwecken. Aya und Omi hatten sich geeinigt, soweit es ging bei der Wahrheit zu bleiben. Das war immer leichter, als seine Freunde zu belügen und konnte bis zu einem gewissen Grad nicht schaden. Dieses Argument hatte schließlich auch Aya eingesehen, der aber weiter darauf bestand, die ganze Access-Sache raus zu halten. "Omi?!" Der Blondschopf sah aufgeschreckt auf und starrte in Yojis fragendes Gesicht. "Was ist schon wieder los mit dir? Du wirst schon fast so merkwürdig, wie Aya!", sagte Yoji tadelnd und schüttelte den Kopf. Omi lächelte entschuldigend und grinste dann. So merkwürdig wie Aya, das musste ihm zu denken geben. "Bist du jetzt wieder wach?", wollte Yoji wissen und grinste zurück. Omi nickte. "Gut, dann erledige das.", meinte Yoji und drückte Omi einen Zettel in die Hand. "Du kannst Aya mitnehmen, dann wacht der vielleicht auch wieder auf...", grummelte Yoji, gespielt resigniert und Omi nickte grinsend. Ein Lieferauftrag würde ihn vielleicht wirklich endlich ablenken. Er tapste zu Aya und nahm ihm den Besen aus der Hand. "Wir sollen was liefern.", erklärte er auf Ayas fragenden Blick hin und zeigte Aya den Zettel. Aya nickte und zuckte die Schultern. "Na dann..." Zusammen verließen sie den Laden, um auszufahren, was Yoji schon eingeladen hatte. Als sie weg waren, trat Yoji zu Ken und stellte sich neben ihn. "Die beiden sind wirklich reichlich komisch in letzter Zeit ne?", fragte er und wimmelte nebenbei eine junge Frau ab, die schon seit geraumer Zeit an seinem Schürzenzipfel hing. Ken nickte und grinste dann. "Ist dir aufgefallen, dass sie ausgehen?", fragte er zurück und lächelte kurz einer Kundin zu, während er ihr ihr Wechselgeld zurückgab. Yoji nickte und grinste von einem Ohr zum andern. "Du denkst doch nicht dasselbe, wie ich?", wollte Yoji dann wissen und musste schmunzeln, als Ken nickte. Wer war denn hier versaut? "Ich kann's nicht glauben, aber irgendwie kommt es mir so vor...", sagte Ken leise und runzelte die Stirn. Yoji tat es ihm gleich, als er darüber nachdachte. Das war absurd. Er schüttelte den Kopf. "Es muss was anderes sein.", beschloss er grinsend und Ken nickte lachend. "Auf jeden Fall.", stimmte er zu und zwinkerte Yoji zu. Dann kümmerte Yoji sich wieder um die Blumen, während Ken weiter an der Kasse blieb und das Thema war vorerst gegessen. Eine gute halbe Stunde später kamen Aya und Omi zurück und machten sich gleich wieder an die Arbeit. Nagi ließ sich erleichtert zurückfallen und legte sich rücklings auf die Matratze. Als Abyssinian und Bombay den Laden verlassen hatten, war Nagi sehr nervös geworden und hatte sich erst wieder beruhigt, als die beiden zusammen wieder zurück waren und ihm nichts passiert war. Es war definitiv nicht entspannend, hier zu bleiben, war Nagi sich jetzt sicher. Aber er hatte auch nichts besseres, oder? Er konnte natürlich auf der Straße schlafen, daran könnte er sich leicht wieder gewöhnen, aber eigentlich wollte er viel lieber hier bleiben, Weiß beobachten und sich der Gefahr aussetzen, getötet zu werden. Und außerdem war er nicht völlig wehrlos. Diese Feststellung erübrigte sich allerdings, als Nagi vor Müdigkeit die Augen zufielen. Er schaffte es noch zwei Stunden lang, die Augen krampfhaft offen und die Sinne angestrengt geschärft zu halten, dann dämmerte er weg. Nagi fiel in unruhigen Schlaf, drehte seinen Kopf auf der Matratze hin und her und stöhnte leise. Nein, es war wirklich nichts angenehmes, was er träumen musste. Aber wenigstens störte niemand seinen Schlaf. Als der Blumenladen für heute die Türen schloss, zog Weiß sich direkt in ihr Quartier zurück. Aya und Omi hatten Ken und Yoji in den Keller gebeten, um ihnen vom Gang der Mission zu berichten. Davon ahnten die beiden allerdings noch nichts, als sie die schmale Wendeltreppe nach unten stapften und sich erschöpft auf das Sofa fallen ließen. Aya gönnte ihnen einen kurzen Moment Ruhe nach diesem anstrengenden Tag, dann begann er. "Wie ihr wisst ist eine Gruppe von Dealern und Geldwäschern unser Ziel." Ken und Yoji nickten zustimmend, Omi schaute Aya nur schweigend an. "Omi war so glücklich herauszufinden, dass nicht nur wir Interesse daran hatten, diese Gruppe auszuschalten." Ken runzelte die Stirn, Yoji schaltete schneller, aber er nickte nur und ließ Aya fortfahren. "Omi stellte fest, dass unser Auftrag sich mit dem von Schwarz deckte." Ken grummelte leise und Yoji seufzte. Lieber hätte er gesagt bekommen, dass er Unrecht hatte, als zu erfahren, dass sie sich jetzt mit Schwarz herumschlagen mussten. "Um es kurz zu machen...Omi?" Aya sah zu Omi und nickte ihm knapp zu, dann setzte er sich zu Ken und Yoji, während Omi den Faden aufnahm und weitersponn. "Wir haben Nagi meine gesammelten Informationen zugespielt, da Schwarz ihren Hit eher geplant hatte, als wir. Schwarz hat ihren und somit unseren Auftrag erledigt, die Zielpersonen sind ausgeschaltet.", erklärte Omi so knapp wie möglich und erntete leicht verständnislose Blicke von Ken und Yoji. Als weder Omi, noch Aya weiteres sagten, meldete Ken sich zu Wort. "Warum habt ihr uns nicht informiert?", verlangte er zu wissen und sah Omi mit gerunzelter Stirn an. Aber anstatt Omi, antwortete Aya. "Es war nicht nötig. Hätte einer von uns alleine Kontakt zu Nagi bekommen, hätte er das ganze auch alleine durchziehen können. Omi und ich waren nur zufällig zusammen. Es war unnötig, noch jemanden einzuweihen. Das hätte nur Diskussionen verursacht, wir hätten vielleicht zuviel Zeit verloren und Schwarz hätte vielleicht irgendetwas versaut.", entgegnete er und sah Ken ohne großartige Regung an. Ken sah zur Seite, dann zu Yoji. Aber den Blonden schien es nicht zu stören, dass Aya und Omi alleine gearbeitet hatten, ohne etwas zu sagen. Yoji war von Anfang an nicht begeistert von dem Auftrag gewesen. Seiner Meinung nach war das zuviel Arbeit, für zu wenig Erfolg und er hatte nichts interessantes an der Mission gefunden. So gesehen, war Yoji jetzt eher erfreut darüber, das andere die Arbeit für ihn erledigt hatten, auch, wenn es störte, dass diese anderen Schwarz gewesen waren. Da er von keinem der drei im Raum Unterstützung bekam, hielt Ken sich geschlossen und grummelte nur leise vor sich hin. Ihm gefiel es nicht, dass die beiden anderen sich selbstständig gemacht hatten, auch, wenn es ja gut ausgegangen war. Omi wusste, was Ken dachte und auch Aya schien es zu wissen, so, wie er Ken von der Seite ansah. Aber sie verloren kein Wort mehr darüber. "Das heißt, unsere Mission ist erfolgreich erfüllt und wir können ins Bett gehen.", beschloss Aya knapp und stapfte die Treppe wieder nach oben. Er verschwand in seinem Zimmer und ward bis zum nächsten Morgen nicht mehr gesehen. Ken zuckte die Schultern und verschwand ebenfalls. Wenn Aya das sagte, würde er es eben dabei belassen. Er konnte eh keine weitere Erklärung, oder gar Einsicht erwarten. Omi blieb noch einen Moment stehen, dann setzte er sich auf den leer gewordenen Platz neben Yoji. "War es deshalb?", fragte der Ältere, kaum hatte Omi sich gesetzt. Der junge Weiß blickte Yoji an und runzelte fragend die Stirn. "War was deshalb?", fragte er zurück und Yoji lächelte schmunzelnd. "Wart ihr deswegen immer verschwunden? Wegen der Mission?", erklärte Yoji seine Frage und Omi sah wieder weg und starrte den Fußboden an. Das war die Möglichkeit, um Nagi aus dem Spiel zu bringen, also nickte Omi und lächelte. "Ja, wir hatten einiges zu erledigen.", gab er zurück und Yoji grinste. "Hätte mich auch gewundert...", sagte er leise und kicherte. Omi runzelte erneut die Stirn und legte den Kopf schief. Yojis Grinsen wurde breiter. "Oh...wir hatten da so einen Verdacht, Kenken und ich...", kicherte er und zwinkerte Omi zu. Der Junge brauchte einen Moment, bis er begriff, was Yoji sagen wollte, dann wurde er rot. "Yoji-kun!", rief er ehrlich entrüstet, musste dann aber lachen. Das war ja absurd. Yoji stimmte in das Lachen mit ein und schlug Omi freundschaftlich auf die Schulter. Dann stahl er sich davon und verschwand in sein Zimmer. Ausnahmsweise kein Clubbesuch heute Nacht, er war todmüde. Omi blieb noch einen Moment sitzen und grinste vor sich hin, dann verschwand auch er in sein Zimmer und legte sich schlafen. Allerdings nicht, ohne noch einen kleinen Gedanken an Nagi zu schicken. Ich hoffe, du schläfst gut... Kapitel 6: - Sechs - -------------------- Als Nagi am nächsten Morgen aufwachte, war es schon hell. Irritiert setzte er sich auf und brauchte einen Moment, bis er wieder wusste, wo er war und was passiert war. Dann gähnte er, streckte sich und rieb sich verschlafen die Augen. Überrascht stellte er dann fest, dass er in der Nacht offensichtlich doch Besuch bekommen hatte. Vor der Matratze stand ein neuer Karton, der leere war verschwunden. Außerdem sah Nagi eine Thermosflasche. Als er neugierig den Deckel abschraubte, dampfte ihm Tee entgegen. Ein Lächeln erhellte Nagis Gesicht und er dachte keinen Moment daran, dass es wohl Access alias Bombay gewesen war, der ihm die Sachen hatte zukommen lassen. Er dachte auch nicht daran, dass er schon wieder nicht getötet worden war. Nagi dachte nur daran, dass er jetzt etwas zu essen und etwas warmes zu trinken hatte. Er lehnte sich gegen die Wand, die Decke noch fest um sich gewickelt und aß und trank, bis er sich richtig wach fühlte. Als er die Hälfte des Tees getrunken hatte, wurde Nagi auch langsam wärmer. Er richtete sich wieder auf, kniete sich vors Fenster und schaute zum Laden. Tatsächlich, er war schon geöffnet. Nagi schwenkte das Fernglas ein wenig und erkannte Bombay. Jetzt am Morgen waren noch kaum Kunden im Koneko, daher konnte Nagi Bombay mit dem Fernglas folgen und ihn ein wenig beobachten. Omi trug ein paar der robusten Blumen vor den Laden und streckte sich in der aufkommenden Morgensonne. Heute würde wieder so ein schöner Tag werden, wie gestern. Wahrscheinlich wärmer. Lächelnd sah Omi zu dem Haus gegenüber auf und erkannte Nagi am Fenster. Gleich darauf war dessen Kopf aber wieder verschwunden, als er sich schnell zurückzog. Omi musste kichern. Er war noch alleine im Laden und musste erst später zur Schule, deshalb konnte er in Ruhe das tun, was auch Nagi tat: beobachten. Grinsend stellte Omi fest, dass Nagis Kopf wieder am Fenster auftauchte und er das Fernglas wieder hob. Omi erlaubte es sich und winkte Nagi grinsend zu. Der verschwand erschrocken wieder vom Fenster. Omi wunderte sich, wieso Nagi so tat, als dürfte Omi nicht wissen, dass er zu ihm runtersah. Immerhin war doch klar, von wem er das Fernglas bekommen hatte und das Zimmer eingerichtet worden war, oder etwa nicht? Omi ging wieder in den Laden und setzte sich auf einen Zuschneidetisch. Er hatte seine Schultasche schon mitgenommen, damit er nicht erst wieder in sein Zimmer laufen musste. Außerdem hatte er einen von Ayas Pullovern in die Tasche gestopft. Als er Nagi am frühen Morgen sein Essen gebracht hatte, hatte Omi gesehen, dass der junge Killer nur einen dünnen Pullover trug. Und bei der Kälte draußen, die in dem zugigen Haus wohl kaum nachließ, konnte Nagi, nur mit einem Pullover bekleidet, sich wohl nicht wohlfühlen. Also war Omi, nachdem er seine Schulsachen aus seinem Zimmer geholt hatte, in Ayas Zimmer geschlüpft und hatte sich einen dicken Rollkragenpullover aus dessen Schrank stibitzt. Aya hätte es wahrscheinlich auch erlaubt, hätte Omi ihn gefragt, aber er wollte ihn nicht wecken und außerdem hätte er immer noch ,Nein' sagen können. Deshalb hatte Omi sich davongestohlen, den Pulli in seine Schultasche gestopft und beschlossen, Nagi am Mittag zu besuchen. Er hatte heute nur wenig Schule und würde zur Mittagspause des Koneko gerade wieder zurück sein. Omi hatte mit Aya besprochen, dass auf jeden Fall Omi als erstes zu Nagi gehen sollte. Omis warmherzige Art konnte nur besser sein, als Ayas ablehnende Kälte, das war beiden klar. Omi sah noch einmal zu Nagi hoch, als Ken den Laden betrat und Omi ablöste. Der jüngste Weiß winkte Ken zu und verschwand Richtung Schule. Heute würde er sogar ausnahmsweise mal pünktlich kommen. Als Aya gegen elf in den Laden kam, waren Ken und Yoji gerade dabei, ein komplizierteres Gesteck zu binden. "Morgen...", nuschelte Aya vor sich hin und machte sich gleich an seine Arbeit. Er hatte gleich beim aufstehen bemerkt, dass Omi in seinem Zimmer gewesen war und hatte nach einer Weile auch festgestellt, was er dort gesucht hatte. Aber Aya war ihm nicht böse. Er hatte schließlich gewollt, dass sie Nagi halfen, genau, wie Omi. Also konnte er auch mal einen Pullover entbehren. "Guten Morgen!", erwiderte Yoji fröhlich und stopfte eine unbändige Rose an ihren Platz. Ken machte ein missmutiges Gesicht und zog die Rose wieder heraus. "Du machst das schon wieder falsch!", schollt er Yoji und schüttelte gespielt ärgerlich den Kopf. Yoji hob abwehrend die Hände und ließ dann Ken machen, wie er es für richtig hielt. Auch, wenn Kens Ärger jetzt nur gespielt war, Yoji wusste, dass er wegen der Mission noch immer mies gelaunt war und deshalb ärgerte er ihn lieber nicht weiter. "Ist Omi schon in der Schule?", wollte Aya wissen und sah Ken und Yoji fragend an, die sich gegenseitig die Blumen wieder aus dem Gesteck zupften. Aya zog eine Augenbraue hoch. Spielkinder. Ken nickte beiläufig, sah aber nicht auf. "Er ist weg, hat gesagt, er kommt zur Mittagspause wieder.", sagte er und piekste Yoji triumphierend mit einem Stängel in die Hand. Yoji quiekte kurz, schnappte Ken dann die Blume aus der Hand und steckte sie schwungvoll wieder in das Gesteck. Die beiden kabbelten noch eine Weile, während Aya vor den Laden trat und unbemerkt einen Blick auf das gegenüberliegende Haus warf. Diesmal verschwand Nagi nicht wieder, als er sich entdeckt sah. Aya lächelte kurz, dann drehte er sich um und nahm Ken und Yoji das Gesteck aus den Händen. Wortlos brachte er zuende, was die beiden angefangen hatten und verpackte das Gesteck, das sie später ausliefern sollten. Yoji und Ken sahen nur grummelnd zu. Sie konnten es beide nicht haben, wenn Aya so demonstrativ etwas besser konnte, als sie und sie dastehen ließ, wie zwei Idioten. Um halb zwei machten die drei den Laden dicht und setzten sich in die gemeinsame Küche. Zwei Minuten später kam auch Omi herein und winkte freudig. "Tag!", rief er und stürzte gleich an den Kühlschrank. "Verdammt Ken, musst du immer den letzten Saft trinken?", fragte er entrüstet und schloss die Kühlschranktür wieder. Ken zuckte grinsend die Schultern. Er hatte die letzte Packung Saft mit zum Fußballspielen genommen. Omi schnaubte, aber wirklich wütend war er natürlich nicht. Er lief zum Vorratsraum und grabschte sich eine neue Packung. Dann stapfte er zurück zur Küche, nahm sich ein Glas und ließ sich neben Aya auf einen Stuhl fallen. Der Rotschopf sah nur kurz auf und lächelte Omi süffisant zu. Omi begriff aus irgendeinem Grund sofort, dass Aya seinen fehlenden Pulli bemerkt hatte. Er warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und grinste, dann goss er sich Saft ein und trank das Glas auf einen Zug leer. "Ich muss noch mal weg.", sagte Omi dann und stand schon wieder auf. Ohne ein weiteres Wort schnappte er sich die Schultasche, die er auf dem Küchenfußboden abgeladen hatte und verschwand aus der Küche. Ken und Yoji sahen ihm verwirrt hinterher. Sonst blieb Omi doch immer so lange sitzen, bis mindestens einer von seiner Anwesenheit angenehm genervt war. Aya grinste leicht und Ken und Yoji sahen ihn fragend an. "Du weißt doch was, was wir nicht wissen.", vermutete Yoji und zog die Augenbrauen hoch. Aya grinste noch breiter. "Das weiß ich doch immer, oder, Yotan?", gab er amüsiert zurück und trank seinen Kaffee. Yoji grummelte. Humor stand Aya nicht gut, besonders nicht, wenn er sich dabei über Yoji lustig machte, fand zumindest Yoji. Ken dagegen musste grinsen. Immerhin hatte Aya Recht. Der Rothaarige erhob sich und räumte Omis Glas und die Saftpackung beiseite. Dann sah er Yoji an. "Und du bist heute dran mit liefern.", bestimmte er noch, dann verschwand auch Aya aus der Küche. Er ging in den Laden, öffnete ihn aber noch nicht wieder, sondern setzte sich nur und wartete auf Omi. Er war neugierig, da er genau wusste, wohin Omi noch so dringend wollte. Nagi hatte sich vom Fenster abgewandt, als der Laden geschlossen wurde. Jetzt saß er zusammengekauert dort, wo er die ganze Zeit schon saß und schniefte. Es war wieder verdammt kalt geworden und die Decke nützte nicht besonders viel. Seufzend trank Nagi den Rest Tee und wärmte sich noch etwas an der Flasche. Als er dann plötzlich aus dem Treppenhaus Geräusche hörte, fuhr er auf und starrte zur Zimmertür. Omi hob vorsichtig eine Hand und klopfte. Nagi hatte die Tür geschlossen, damit der Wind nicht so hindurchzog. "Nagi, hier ist Omi. Ich komm mal rein, ja?", fragte Omi ruhig, obwohl seine Hand nervös zitterte. Nagi drinnen runzelte die Stirn. OK, jetzt war es also soweit. Jetzt konnte er Bombay dafür bezahlen lassen, dass er ihn verarscht hatte. Nagi nickte. "Wenn du dich traust...", zischte er kühl und beobachtete, wie die Tür sich langsam öffnete und Omi seinen Kopf hereinsteckte. "Hey! Hast du gut geschlafen?" Nagis Augen weiteten sich und Omi lächelte ihn fröhlich an. Innerlich allerdings war Omi genau so unwohl, wie Nagi. Er rechnete jeden Moment damit, sich verteidigen zu müssen. Aber Nagi tat nichts. Er starrte Omi nur verwundert an. Warum ist er so fröhlich?, fragte er sich und legte den Kopf schief. Als Omi weder gegen die nächstbeste Wand geschleudert, noch sonst wie verletzt wurde, wurde er mutiger. Er trat ganz ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. "Also? Hast du nun gut geschlafen, oder nicht?", wiederholte er seine Frage und sah Nagi weiter an. Der Schwarz schüttelte misstrauisch den Kopf, dann nickte er doch. "Nya einigermaßen...", grummelte er leise und beäugte, wie Omi sich ihm gegenüber auf den Stuhl setzte. Warum kam es Nagi nur nicht in den Sinn, jetzt einfach Schluss zu machen? Bombay war offensichtlich nicht bewaffnet, also konnte er doch... Aber Nagi hatte plötzlich gar kein Interesse mehr daran, Omi anzugreifen. Omi hatte ihm Essen gebracht und ihm bis hierher geholfen. Er hatte ihn nicht umgebracht, als er die Chance dazu hatte und jetzt kam er her und redete einfach mit Nagi, als wären sie seit Jahren Freunde. Also würde Nagi seinem ,Gastgeber' eben etwas von dieser Freundlichkeit zurückgeben. Es konnte sowieso nichts schaden. Außerdem fühlte er sich für einen ordentlichen Angriff eh zu schlapp. "Hm...danke fürs Essen...", nuschelte Nagi daher, etwas unbeholfen und schielte Omi vorsichtig an. Dessen Gesicht hellte sich gleich auf und er nickte strahlend. "Ich hab dir noch was mitgebracht, weil du wohl frierst...", gab Omi zurück und zerrte den Pulli aus seiner Schultasche. Nagi starrte ihn an, als würde er ihn gleich beißen und Omi runzelte die Stirn. "Willst du ihn nicht?", fragte er leise und lächelte vorsichtig. Aber Nagi schüttelte den Kopf und lächelte zurück. "Doch, danke...", sagte er leise und streckte langsam die Hand aus. Omi kam ihm entgegen und drückte dem jungen Killer Ayas Pullover in die Hand. Der zog schnell die Hand samt Pullover wieder zurück, breitete den Pulli aus und sah ihn sich an. "Das ist aber nicht deiner ne?", fragte er Omi und hielt den Pullover etwas von sich, sodass man deutlich sehen konnte, dass er für Omi ein paar Nummern zu groß war. Omi schüttelte den Kopf. "Nein, der ist von Aya.", erklärte er und musste grinsen, als er Nagis angeekelten Gesichtsausdruck sah. "Warm ist er trotzdem. Und ich dachte, wenn er größer ist, kannst du ihn über den ziehen, den du jetzt anhast.", meinte Omi und lächelte wieder. Als Nagi dieses Lächeln sah, zog er den Pullover über und lächelte Omi dankbar an. Sämtliche Gefühle, die er dem anderen Killer hatte gegenüberbringen wollen, verschwanden ob Omis Hilfsbereitschaft und freundlicher, natürlicher Fürsorge. Nagi drückte seine Nase an den Pulli und roch daran. "So riecht Abyssinian also?", fragte er und grinste Omi an. Der lachte leise. Eine Weile saßen sie einfach schweigend beisammen, dann nahm Nagi die Thermosflasche, goss den letzten Rest Tee in die Verschlusskappe und hielt sie Omi hin. "Willst du Tee?", fragte er und wurde verlegen. Aber er zwang die Röte, die sich auf seinen Wangen breit machte, zurück und lächelte nur etwas unbehaglich. Omi nahm den Tee sofort und trank ihn freudig. Er hatte sehr gehofft, dass Nagi ihm einigermaßen freundlich gesinnt war, nachdem er hoffentlich gemerkt hatte, dass Omi sich wirklich nur um ihn kümmern und ihn nicht umbringen wollte. "Ich muss jetzt wieder gehen, ich muss in den Laden. Aber ich komme heute Abend wieder, wenn du magst.", sagte Omi und lächelte Nagi lieb an. Nach einigen Momenten des Zögerns, nickte Nagi und lächelte ebenfalls. "Ach, das hätte ich fast vergessen!", rief Omi aus und zog noch einen der kleinen Kartons aus der Schultasche. "Hier ist noch was zu essen, heute Abend bring ich dir was neues.", sagte er und drückte Nagi den Karton in die Hand. Dann stand Omi auf, nickte Nagi noch einmal zu und verschwand. Nagi blieb zurück, drehte sich schnell wieder zum Fenster und hob das Fernglas an die Augen, um Omi zuzusehen, wie er über die Straße und zum Blumenladen lief. Dann stellte er den Karton aufs Fensterbrett, öffnete ihn vorsichtig und begann, zu essen. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, während er beobachtete, wie Omi in den Laden lief. "Wie ist es gelaufen?", wurde Omi gleich von Aya empfangen. Etwas überrascht, den Älteren schon hier zu finden, lehnte Omi sich erst mal gegen den Tisch, an dem Aya saß und verschnaufte. Dann strahlte er über das ganze Gesicht. "Er hat deinen Pullover angezogen!", rief er fröhlich und blinzelte Aya an. Der grinste und verschränkte die Arme. "Dann bleibt er?", wollte er wissen und sah Omi weiter an. Omi nickte. "Ich glaub schon.", entgegnete er und stieß sich vom Tisch ab. Dann öffnete er den Laden und lief freudig darin umher, goss Blumen und summte vor sich hin. Aya schmunzelte ob Omis Freude über die Reaktion des Schwarz. Er war sich noch nicht sicher, wann er mal zu Nagi gehen würde. Sicher, das alles war mehr oder weniger seine Idee, aber Omi war für solche Sachen besser geeignet, als Aya, wie der sich eingestand. Der Nachmittag verlief ruhig, nicht so viele Kunden, wie den Tag davor. Ken war beim Fußballspielen und Yoji brachte die paar Lieferungen zu den Kunden. Aya und Omi waren die meiste Zeit alleine im Laden und redeten ein wenig über Nagi. Aya redete überhaupt viel mehr, wenn er mit Omi alleine war, das war dem Jüngsten schon aufgefallen. Er war dann längst nicht mehr so kurz angebunden und schroff, wie in Gegenwart von Ken oder Yoji. Omi glaubte, dass musste an Nagi liegen. Aya machte sich wirklich Gedanken darum und irgendwie freute Omi sich ehrlich darüber. Als Yoji von der letzten Lieferung zurückkam, schloss Aya den Laden für heute und er, Omi und Yoji aßen gemeinsam zu Abend. Ken war noch nicht zurück. Yoji verdrückte sich dann auf eine seiner Clubtouren, was Aya und Omi nur recht war. Omi winkte Aya noch zu, dann verschwand er, um sich noch etwas um Nagi zu kümmern. Aya kam diesmal mit, blieb allerdings vor dem Haus stehen und verbot Omi auch, Nagi zu erzählen, dass er hier war. Als Ken später zurück kam, wunderte er sich nur, warum außer ihm keiner da war. Dass Yoji auf Streife war, war ihm klar, aber dass Aya und Omi schon wieder verschwunden waren, fand er komisch. Immerhin war die Sache mit der Mission jetzt gegessen, warum also, verschwanden sie immer noch? "Hey Nagi!", rief Omi schon, als er gerade erst oben angekommen war. Nagi steckte den Kopf aus seinem Zimmer und lächelte dem Weiß entgegen. Sie setzten sich nebeneinander auf die Matratze und schauten ein wenig auf die Straße. Omi hatte sofort gemerkt, dass Nagi ihm gegenüber jetzt wesentlich lockerer war, als noch am Morgen. "Wie geht's dir?", wollte Omi dann wissen und stellte Nagi das versprochene Essen auf die Matratze. Nagis Gesichtsausdruck schwankte kurz. Dann hatte er sich wieder im Griff. Bombay konnte noch nichts von Crawfords Tod wissen und Nagi überlegte einen Moment, ob er ihm davon erzählen sollte. Dann fiel ihm kein Grund ein, warum er es nicht tun sollte. "Ich hab Crawford erschossen.", antwortete Nagi dann knapp und kühl, sodass Omi sich überrumpelt zu ihm drehte und ihn anstarrte. "Du hast was??", fragte er geschockt und zog beide Augenbrauen hoch. Nagi lächelte abwesend. "Ich hab ihn erschossen.", wiederholte er und sah Omi nicht an. Omi schwieg eine Weile und versuchte, diese Information zu verdauen. "Weil er dir...das angetan hat...?", fragte er dann äußerst vorsichtig, darauf gefasst, dass Nagi bei dieser Art von Frage nicht sehr freundlich reagieren würde. Aber Nagi blieb nur unbeweglich sitzen. Dass Bombay ja von der Vergewaltigung wusste, hatte er ganz vergessen. "Er...hat es noch mal versucht...", erklärte er dann und lächelte Omi an. Omi schluckte. Warum kamen ihm jetzt die Tränen? Nagi bemerkte nichts von Omis innerem Kampf, der die Tränen erfolgreich zurückdrängte und Nagi ansah. Und dann plötzlich legte er dem jungen Killer neben ihm einen Arm um die Schulter. Nagi zuckte zusammen und starrte Omi entgeistert an. Als er Nagis Reaktion sah, zog Omi seinen Arm wieder zurück. "Tschuldige...", murmelte er zerknirscht und schollt sich selber, dass er so ungestüm war. Nagi schüttelte schwach den Kopf. "Schon gut...", sagte er leise und starrte wieder aus dem Fenster. Damit war die Sache Trostversuch für Omi beendet und er hielt lieber etwas Abstand von Nagi. Nagi war nicht sehr gesprächig und antwortete nur, wenn Omi ihn etwas fragte. Aber Omi verstand, was Nagi durchmachte und bedrängte ihn nicht weiter. Er fand, dass es schon genug war, dass sie hier so nebeneinander saßen und sich nicht gegenseitig umbringen wollten. Omi wusste jedenfalls, dass er den Anderen nicht töten wollte. Wie Nagi darüber dachte, konnte Omi anhand von Nagis Reaktionen nur ahnen. Jedenfalls lächelte Nagi die meiste Zeit, wenn auch nicht sehr fröhlich. Als es dann dunkel wurde, versprach Omi, morgen wiederzukommen und ging dann. Aya wartete noch immer unten, lehnte im Hauseingang und sah Omi gleich fragend an, als der das Haus verließ. "Es geht ihm wirklich schlecht.", sagte Omi knapp und ging vor zu ihrem Quartier. Aya nickte verständnisvoll und seufzte. Ja, er würde auch zu Nagi gehen. Vielleicht morgen. Oder übermorgen. Nicht heute. Omi tapste die Treppe nach oben und brachte Aya in sein Zimmer. "Dein Pulli gefällt ihm aber.", sagte er noch lächelnd, bevor er sich von Aya verabschiedete. Nagi hatte sich die ganze Zeit wohlig in den warmen Pullover gekuschelt und Omi fand, Aya sollte das wissen. Aya nickte und lächelte ein wenig. "Gute Nacht.", sagte er noch, dann schloss er seine Tür. Omi ging in sein Zimmer und legte sich aufs Bett. Aya würde sich bestimmt nicht so leicht mit Nagi anfreunden, wie Omi, dachte Omi. In seinem Zimmer zog Aya sich aus und schlüpfte in Boxershorts und T-Shirt. Er schlief immer in kurzen Sachen, auch im Winter. Er kuschelte sich unter seine Decke und dachte an Nagi. Omi hatte ihm auf dem Herweg erzählt, was mit Crawford passiert war und Aya dachte darüber nach. Als er erfahren hatte, dass Nagi vergewaltigt worden war, hatte er plötzlich einen verdammt dicken Kloß im Hals gehabt. Jetzt, da Crawford tot und Nagi gerächt war, spürte Aya, dass es ihm wesentlich besser ging. Natürlich, Crawford war ein Schwarz und durfte deshalb sowieso gerne sterben, aber es war noch anders. Nagi war auch einer von Schwarz, aber mittlerweile wollte Aya nicht mehr, dass der junge Killer starb. Mit seiner Zustimmung zu Omis Bitte, sich um Nagi zu kümmern, hatte Aya für sich auch die Verantwortung für den Jungen auf sich genommen. Er war nicht mehr einfach nur ein Schwarz. Und schon gar keiner, der schwach und verletzlich war, sodass man ihn leicht manipulieren und ausschalten konnte. Aya machte sich noch viel mehr Gedanken um Nagi, als Omi es sich vorstellen konnte. Und er beschloss, morgen früh anstatt Omi das Frühstück zu Nagi zu bringen. Und er würde sich bemühen, ehrlich bemühen, freundlich zu sein. Aya war vor allen anderen auf. Omi hatte samstags keine Schule und würde heute wahrscheinlich noch ewig schlafen. Aya hatte ihm eine kurze Nachricht hinterlassen, damit Omi wusste, dass Aya sich um Nagis Versorgung kümmerte. Yoji und Ken schliefen auch noch, sie würden den Laden heute nicht öffnen. Langsam ging Aya über die Straße, durch die Seitengasse und zum Vordereingang in das Haus gegenüber dem Koneko. Er stieg die Treppen hinauf, in der einen Hand Nagis Essen im wohlbekannten Karton, in der anderen einen weiteren seiner alten Pullover. Vor der Tür, hinter der Nagis Zimmer lag, zögerte Aya und blieb eine Weile stehen. Als er dann klopfen wollte, öffnete die Tür sich schon und Nagi stand vor Aya. "Abyssinian!", zischte der Schwarz und wich einen Schritt zurück. Aya runzelte die Stirn, dann überging er Nagis abwertenden Tonfall und lächelte. Es kostete ihn einige Mühe, aber er blieb ruhig und hielt Nagi Karton und Pullover hin. "Guten Morgen. Hier ist dein Essen und ich dachte, ich bringe dir noch einen meiner Pullover...", sagte Aya und zwang sich offen und nicht durch zusammengebissene Zähne zu sprechen. Er hatte Omi versprochen, dass er auf Nagi Rücksicht nehmen würde und freundlich war. Also gab er sich Mühe. Nagi wich mit gerunzelter Stirn bis zum Fenster zurück und ließ sich dann auf die Matratze plumpsen. "Danke. Kannst es dahin stellen.", sagte er knapp und deutete auf die zum Tisch umfunktionierte Kiste. Aya stellte den Karton mit Essen darauf und trat dann langsam an Nagi heran. Er streckte den Arm aus und hielt Nagi den Pullover hin. "Nimm schon...", bat er leise und Nagi grabschte widerwillig nach dem Pulli. Er nahm ihn und legte ihn neben sich auf die Matratze. Dass er ihn nicht anzog, war für Aya Zeichen genug. Trotzdem lächelte er weiter und hockte sich vor Nagi auf den Boden. "Was passiert ist, tut mir wirklich leid...", sagte er nach einer Minute des Schweigens und sah Nagi vorsichtig an. Der Junge hob den Blick und sah in Ayas Augen. Als er feststellte, dass das Lächeln des anderen Killers echt war, nickte er und zog sich den Pullover über. Er fühlte gleich, wie ihm wärmer wurde. Jetzt konnte er es hier aushalten. Ayas Lächeln wurde ein wenig wärmer, als er sah, dass Nagi Zugeständnisse machte. Wie du mir, so ich dir. Wenn der sonst so kühle Aya lächeln konnte, konnte Nagi auch seinen Pullover anziehen. "Also wissen du und Bombay von mir...was ist mit den andern beiden?", fragte Nagi nach einer weiteren Pause leise und schielte Aya an. "Ken und Yoji wissen nichts...", erwiderte der Rotschopf und lächelte wieder. Nagi nickte. Das hatte er sich gedacht. Nur Abyssinian und Bombay hatten sich für das Haus gegenüber ihres Ladens interessiert, Sibirian und Balinese hatten keinen Blick darauf verschwendet. Außerdem hatten Abyssinian und Bombay ja immer peinlichst darauf geachtet, dass die anderen beiden nichts von ihrem Interesse mitbekamen. Wieder schwiegen Aya und Nagi eine Weile. Dann wollte Nagi endlich wissen, warum er eigentlich hier war. "Warum hab ich die Daten bekommen? War das Teil einer eurer Missionen?", fragte er ruhig und betrachtete Ayas Gesichtszüge. Der Weiß nickte. Dann erklärte er Nagi kurz, worin ihre Mission im Vergleich zu Schwarz' bestanden hatte. Nagi nickte und verstand. Dann war alles logisch und passte zusammen. Nach dieser Erklärung hatte Nagi keine Lust mehr, mit Aya zu reden. Also schwieg er beharrlich und Aya entging das nicht. Also erhob er sich und verabschiedete sich von Nagi. Omi hatte Recht, es geht ihm wirklich scheiße..., dachte Aya, als er das Haus verließ und zurück zum Weiß-Quartier lief. Er fand sich in der Küche ein, wo jetzt auch die anderen drei saßen und frühstückten. Aya setzte sich dazu und aß ebenfalls. Nur Omi warf ihm ein paar fragende Blicke zu, auf die Aya aber nicht einging. Er würde Omi später erzählen, wie sein erstes Treffen mit Nagi verlaufen war. Nagi legte sich bäuchlings auf die Matratze und wickelte sich fest in Ayas Pullover. Der rothaarige Weiß gab ihm noch mehr Rätsel auf, als Bombay. Bei dem war das freundliche Lächeln und die aufgeweckte Art ja Standardprogramm, wenn Nagi auch nicht bezweifelte, dass Omi es ernst meinte mit seiner Fürsorge. Bei Abyssinian aber lagen die Dinge doch ganz anders. Nagi hatte sich schon gewundert, als er gesehen hatte, wie Aya zu ihm gesehen hatte, am Vortag, aber sein Verhalten jetzt war noch merkwürdiger. Nagi konnte kaum glauben, dass der sonst so kalte Killer lächeln konnte. Und außerdem musste er feststellen, dass ihm Ayas Lächeln nicht in geringsten unangenehm war. Wahrscheinlich, weil es so selten war, war es glaubhaft. Und irgendwie begann Nagi, sich in diesem kleinen, windigen Zimmer wohl zu fühlen. Weg von Schwarz und anscheinend in Sicherheit. Vorläufig jedenfalls. Nagi war sich sicher, dass Schuldig ihn suchen würde, deswegen achtete er die ganze Zeit peinlich genau darauf, seinen Kopf dicht zu halten. Er wollte nicht, dass Schuldig ihn fand und hier aufsuchte und ihn vielleicht zurückbrachte. Er wollte hier bleiben. Bei Weiß?, fragte Nagi sich etwas ungläubig, musste dann aber feststellen, dass er genau das wollte. Weiß waren doch die Guten, oder nicht? Und Nagi war ausnahmsweise mal das Opfer. Und Weiß würde ein Opfer doch beschützen, oder? Nagi sehnte sich so sehr nach Ruhe und Geborgenheit, dass er mittlerweile wirklich bereit war, sogar bei seinem Feind danach zu suchen. Kapitel 7: - Sieben - --------------------- Als Nagi eine Woche in Ayas und Omis Obhut war, suchte er noch immer, was er sein Leben lang vermisst hatte. Es war so unwirklich, was er erlebte. Nagi konnte sich einfach nicht richtig an den Gedanken gewöhnen: kein Schwarz mehr sein und gleichzeitig mit seinen ehemaligen Feinden Kaffeetrinken. Natürlich fühlte sich Nagi mit der Zeit, fast Tag für Tag, immer sicherer in Gesellschaft von Omi und Aya. Er hatte beinahe jeden Zweifel daran abgelegt, dass die beiden es ernst meinten und ihm wirklich helfen wollten. Trotzdem war es schwer. Nagi hielt es kaum aus, jeden Tag aufs Neue, morgens aufstehen, Frühstück am Bett stehen haben, Mittagessen gebracht bekommen, Abendessen, etwas zum anziehen, hier eine zweite Decke, da ein neuer Pullover. Nach neun Tagen wurde es fast unerträglich. Nagi war noch immer mitgenommen, sowohl körperlich, als auch psychisch. Er hatte versucht, sich einzureden, dass er diese Crawford-Sache schon verarbeiten würde, dass er stark war und schon anderes überstanden hatte. Aber eigentlich wusste Nagi genau, dass es ihm im Grunde genommen noch genauso mies ging, wie vor neun Tagen. Omi und Aya gaben sich alle erdenkliche Mühe. Sie versuchten, Nagi darauf vorzubereiten, bei Weiß zu leben. Mit Weiß. Endgültig. Aber sie bemerkten selber, dass der junge Schwarz einfach nicht Fußfassen konnte. Omi bemühte sich, mit Nagi über das zu sprechen, was passiert war. Auch über die Vergewaltigung. Sogar Aya versuchte ein paar Mal, das Thema anzusprechen. Aber Nagi ließ sich nicht darauf ein. Er war umgänglich und freundlich, redete, lachte sogar mit den beiden Weiß, aber er sprach nicht wirklich. Nicht über die Dinge, die eigentlich am dringendsten zu besprechen waren. Er traute der ganzen Sache noch nicht. Aya und Omi redeten darüber, wenn sie alleine waren. Es schien, als würde es noch lange dauern, bis sie die größten Probleme mit Nagi geklärt hatten und er alles soweit verarbeitet hatte, dass sie den nächsten Schritt machen konnten. Und weder Aya, noch Omi, wollten Nagi drängen. Von Anfang an wollten sie ihm die Zeit geben, die er eben brauchte. Aber vielleicht wurde es langsam knapp. Noch gelang es den beiden Weiß, ihr kleines Geheimnis vor Ken und Yoji zu verbergen. Noch waren Ausreden und gelegentliche Erklärungen genug. Aber irgendwann würden sie misstrauisch werden. Irgendwann würde Yoji anfangen, Omi oder Aya nachzuspionieren. Es war sowieso ein Wunder, dass er es noch nicht tat. Und wenn es soweit war, war der richtige Zeitpunkt, um die beiden einzuweihen schon vorbei. Aya wusste, dass es nicht wieder gutzumachen sein würde, würden Ken und Yoji es selbst herausfinden. Aya konnte sich die Szenen lebhaft vorstellen: Misstrauen, Wut, vielleicht gar Hass. Es würde auf jeden Fall nicht gut ausgehen. Neun Tage waren eigentlich schon länger, als sie geplant hatten. Und deshalb hatten Omi und Aya beschlossen, Nagi heute einen kleinen Schubs zu verpassen. Dann ging es eben nicht anders. Omi brachte das Abendessen zum Haus gegenüber des Koneko. Als er die Tür zu Nagis Unterschlupf aufstieß, wusste er gleich, dass Nagi nicht da war. Die Bettdecke war ordentlich zusammengelegt, eine Decke fehlte und auch die zwei Pullover, die Nagi von Aya bekommen hatten, waren verschwunden. "Er ist abgehauen...", murmelte Omi leise vor sich hin und tapste zu der Matratze, die einsam auf dem staubigen Boden lag. Langsam ließ er sich darauf sinken und schaute im Zimmer umher. Dann stellte er das Essen an den gleichen Platz, wie immer und wartete. Natürlich kam Nagi nicht, aber das konnte man nicht wissen, wenn man nicht wenigstens mal wartete, oder? Also blieb Omi eine Weile sitzen, solange, bis sein linkes Bein eingeschlafen war. Dann stand er auf und lief eine Zeit im Zimmer herum, bis das Kribbeln aus seinem Bein verschwunden war. Eigentlich wollte er sich dann wieder hinsetzen und weiter warten, aber Omi fand, dass es wohl doch besser war, wenn er Aya fragte, was sie jetzt tun sollten. Verrückt. Er hatte doch heute Morgen noch mit Nagi gesprochen, da hatte er doch noch ganz zufrieden ausgesehen. OK, die Stimmung war seit vielleicht ein, zwei Tagen nicht mehr die beste. Auch der immer fröhliche Omi hatte mitbekommen, dass Nagi innerlich sehr bedrückt sein musste. Aber dass er weglief? Wo er sich doch scheinbar gerade etwas eingelebt hatte? Omi trabte seufzend die Treppe hinunter und lief in den Laden. Aya trug einige Blumentöpfe herum und sah Omi verwirrt an, als der viel früher zurück war, als Aya es eigentlich gewöhnt war, wenn ihr Jüngster Nagi besuchte. Omi ging gleich ins Gewächshaus und Aya folgte ihm ohne ein Wort. Ken und Yoji tauschten zwei irritierte Blicke und arbeiteten dann weiter. Yoji nahm sich nur insgeheim noch ein wenig fester vor, bald mal nachzuschauen, was ihre zwei Süßen da immer so trieben. "Er ist abgehauen.", sagte Omi knapp, als Aya die Tür hinter sich geschlossen und sich ihm gegenüber an einen Setztisch gelehnt hatte. Die Augenbrauen des Rothaarigen wanderten kurz nach oben, senkten sich aber gleich wieder auf ausdruckslose Höhe. "Einfach so? Bist du sicher?", fragte er nur ruhig und sah Omi fragend an. Der nickte und seufzte leise. Aya senkte den Blick und schwieg einen Moment. Omi wurde zappelig und schüttelte nervös den Kopf. "Was machen wir denn jetzt? Wir können ihn doch nicht einfach auf der Straße rumlaufen lassen...", sagte er zögerlich und versuchte, Ayas Blick zu ergattern und den Älteren endlich dazu zu bringen, ihm zu sagen, was er tun sollte. Aya schüttelte ebenfalls den Kopf. "Was sollen wir schon machen? Ihn suchen? Ich denke, das können wir wohl vergessen. Wenn er weglaufen will, wird er das wohl gründlich tun.", gab Aya zurück und lächelte ein wenig. Omi machte sich offensichtlich Sorgen. Und Aya ging es genauso. Aber es half nichts, sich den Kopf zu zerbrechen und sich verrückt zu machen, also blieb Aya eben ruhig, wie immer. Aber Omi sah nicht ein, wie Aya diese Mir-ist-das-egal-Haltung durchhalten konnte. "Erzähl mir nicht, dass du dir keine Sorgen machst. Du fühlst dich doch noch viel mehr verantwortlich, als ich!", behauptete er deshalb schroff und schenkte Aya einen relativ bösen Blick. Manchmal war es einfach unerträglich, wie Aya ihm vorzuspielen versuchte, dass der ehemalige Schwarz ihm so egal war, wie eh und je. Omis kleiner Ausbruch entlockte Aya erneut ein Lächeln. Diesmal ein ehrliches. Natürlich hatte der Junge recht. Niemandem konnte entgangen sein, dass Omi Aya mit seiner Fürsorge und seinem Verantwortungsgefühl angesteckt hatte. Immerhin war es mittlerweile fast Aya, der Nagi öfter besuchte, als Omi. "Das erzähle ich auch gar nicht.", entgegnete Aya daher entschuldigend und sah Omi wieder an. "Aber trotzdem können wir nichts tun.", beharrte er auf seinem Standpunkt und zuckte leicht die Schultern. Omi seufzte tief. Was machte es schon, dass Aya rechthatte? Es ging doch nur darum, dass er sich wenigstens Sorgen machen sollte. Er sollte Omi wenigstens das Gefühl geben, dass er mit seiner Sorge nicht übertrieb, oder gar fehl am Platz war. Omi sah ein, dass Aya das ihm zuliebe wohl nicht tun würde und schwieg. Vielleicht sah Aya ja in zwanzig Jahren mal irgendwann ein, dass man manchmal ruhig ein kleines Gefühlchen zeigen durfte. Wäre doch mal was neues. Aya ließ Omi alleine und ging zurück an die Arbeit. Er machte sich Sorgen. Mehr als das, er hatte Angst. Um Nagi. Tatsächlich. Immerhin hatte er die Verantwortung für ihn übernommen. Aber Aya war nun mal Aya und er ließ sich das eben nicht anmerken. Trotzdem gelang es ihm auch nicht mehr, sich selbst einzureden, dass es ihm nichts ausmachte. Dafür hatte er sich zu sehr mit Omi und seiner Art, mit Nagi umzugehen, mitreißen lassen. Omi ging auch zurück an die Arbeit. Er war konzentriert und verhielt sich wunderbar normal und unauffällig. Aber Aya bemerkte trotzdem die grummelnden, verständnislosen, vielleicht sogar vorwurfsvollen Blicke, mit denen Omi ihn von Zeit zu Zeit bedachte. Wahrscheinlich würde er nach der Arbeit noch mal mit Omi sprechen müssen, ob er wollte, oder nicht. Eigentlich wollte er nicht. Das würde nur wieder kompliziert werden. Oder wie sollte er einem Omi erklären, dass er nur so unbeteiligt tat, damit nicht alles durcheinander kam? In Ayas Arbeit mischten sich einige kleine, unhörbare Seufzer und mehr, als ein nervöses Schlucken. Omi und Aya taten nichts. Besser gesagt: Aya hatte Omi überredet, nichts zu tun. Sie waren nicht um ein paar Gespräche herumgekommen, aber letztendlich hatte Omi eingesehen, dass sie nichts tun konnten. Das einzige, was ihnen übrig blieb, war, zu warten, bis Nagi sich meldete, oder zurückkam. Omi hoffte auf letzteres, Ayas Hoffnungen blieben wie immer im Dunklen. Was Aya dann am dritten Tag seit Nagis Verschwinden tat, tat er, ohne dass Omi davon wusste. Er besorgte eine neue Decke und räumte seinen Schrank um. Dann brachte er die Decke und die letzten zwei Pullover, die er entbehren konnte in Nagis Zimmer. Und wenn Nagi dann zurückkommen würde, würde er gleich sehen, dass Omi und Aya ihn erwarteten. Aya fand, dass das schon eine gute Idee war. Sonst würde Nagi vielleicht gleich wieder verschwinden, wenn er sah, dass seine Decke weggenommen war und das Zimmer wieder dreckig oder so etwas. Also machte Aya auch gleich noch sauber. Er dachte nicht einmal darüber nach, es erschien ihm einfach sinnvoll. Als er dann wieder zurück zum Laden ging, war der Boden gefegt, die Matratze bezogen, eine Decke ordentlich darüber gebreitet und der Pullover lag zusammengelegt am Kopfende. Einen Moment überlegte Aya sogar, ob er nicht vielleicht noch eine Nachricht schreiben sollte. Etwas in der Art wie ,Geh bloß nicht gleich wieder weg. Wir sind froh, dass du wieder da bist.', oder so. Aber dann ließ er es. Das war dann doch etwas zu viel. Am vierten Tag kam Nagi zurück. Aya fand ihn, als er am Montagmorgen vor dem Öffnen des Ladens im Haus gegenüber vorbeischaute. Etwas kribbelte jeden Morgen in seiner Brust und er ging kurz vorbei, nur, um gleich wieder enttäuscht zu verschwinden. Selbst Omi war nicht so aufgedreht. Aber an diesem Morgen ließ Aya die Tür nicht gleich wieder zufallen, die er gerade geöffnet hatte. Es war Montag, es regnete wieder und es war kalt. Aya sah Nagi auf seiner Matratze liegen, eingemümmelt in zwei Decken. Als Aya näher ging, sah er, dass Nagi leicht zitterte. Kein Wunder, wenn er bei dem Wetter draußen war..., dachte Aya betroffen und kniete sich zu Nagi auf den Boden. "Hey...", sagte er leise und stupste Nagi sacht an die Schulter. Der junge Schwarz wachte sofort auf, riss die Augen auf und setzte sich erschrocken gerade auf. Aya lächelte beruhigend und grinste dann leicht. "Da bist du ja wieder...", sagte er genauso leise und blieb ruhig sitzen. Der Impuls, Nagi in die Arme zu nehmen und zu drücken, war so stark gewesen, dass Aya mehr als eine Sekunde gezögert hatte, bevor er den zweiten Satz hervorbrachte. Aber er konnte Nagi nicht umarmen. Noch nicht. Wahrscheinlich würde der Junge ihn reflexartig aus dem Fenster werfen, oder sowas. "Aya...", wisperte Nagi tonlos und fiel dem Älteren um den Hals. Mehr als verdutzt runzelte Aya die Stirn und schielte auf den kleinen, noch immer zitternden Körper, der sich da an ihn drückte. Dann langsam hob er die Arme und legte sie um Nagi. Wie dünn er geworden war. Und das in nur vier Tagen. Aya seufzte. "Schön, dass du wieder da bist...", flüsterte er leise und wusste, dass er auch für Omi sprach. Das würde eine Freude geben, wenn der erfuhr, wer wieder da war. Nagi ließ langsam von Aya ab und sah ihn nur still an. Du hast mich ja Aya genannt..., schoss es Aya durch den Kopf und er machte wohl ein nachdenkliches Gesicht, denn Nagi runzelte ein wenig die Stirn und stupste Aya dann leicht an. "Danke...", sagte er und lächelte ein winziges Lächeln. Aya blinzelte und lächelte dann zurück. Dann nach und nach sah er, wie Nagi aussah. Nicht nur dünn. Ausgezerrt, dreckig und verschrammt. Wenn Aya bisher nur vermutet hatte, dass es für den Jungen schwer werden würde, sich auf der Straße durchzuschlagen, noch dazu bei dieser Jahreszeit, so wurde diese Vermutung jetzt zur Gewissheit. "Du siehst schrecklich aus...", sagte Aya und schenkte Nagi ein schiefes Grinsen. Wahrscheinlich war ein bischen schräger Humor jetzt nützlicher, als Mitleid. Bei Nagi ganz bestimmt. Der Jüngere grinste mehr als schief zurück und lächelte dann. "Ich bin OK.", gab er tapfer zurück und ließ sich wieder auf die Matratze fallen. "Tut mir leid, dass ich einfach weggelaufen bin.", schickte er dann reumütig hinterher und sah Aya vorsichtig an. Dass Omi sauer sein würde, hatte er nicht befürchtet, bei Aya war das aber etwas ganz anderes. Ich bin wirklich kaputt, dass ich sie schon Aya und Omi nenne..., dachte Nagi amüsiert und seufzte erleichtert, als er in Ayas Blick nichts grummelndes entdecken konnte. "War's schlimm?", wollte Aya wissen und setzte sich zurecht. Nagi schüttelte leicht den Kopf. "Ich bin OK.", wiederholte er nur und Aya verstand, dass Nagi nicht reden wollte. Jedenfalls noch nicht, denn spätestens, wenn Omi auch da war, würde Aya reden wollen. Reden müssen. Sie mussten endlich weiterkommen. Und dass Nagi zurückgekommen war, zeigte doch wohl, dass er sich hier nicht so unwohl fühlte, wie er sie hatte glauben lassen. "Hm Aya..." Nagi sah wieder zu dem Älteren und er wirkte verlegen. Aya musste lächeln. Er sah Nagi an, was er wollte. Genauso hatte er vorhin geschaut. "Natürlich...", sagte Aya ruhig, als Nagi nicht weitersprach, sondern ihn nur bittend ansah. Nagi rückte wieder etwas näher und Aya nahm ihn wieder in den Arm. Von wegen Nagi war OK... "Macht es dir was, wenn ich Aya sage?", fragte Nagi leise und schloss die Augen. Aya schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht. Und ich glaube, Omi würde sich freuen, wenn du nicht mehr Bombay sagst...", antwortete er lächelnd und blinzelte Nagi fröhlich zu. Er war wirklich froh, dass Nagi zurück war. Und er war auch froh, dass er Omi heute endlich mal wieder eine gute Nachricht überbringen konnte. Nagi nickte leicht. "OK...", sagte er noch leise, dann stellte Aya etwas überrascht fest, dass der Jüngere eingeschlafen war. Schmunzelnd legte Aya Nagi zurück auf die Matratze und deckte ihn zu. Er blieb bei ihm sitzen, weil er nicht wollte, dass Nagi alleine aufwachte. Jetzt waren sie doch noch einen Schritt weiter gekommen. Was auch immer Nagi draußen erlebt hatte, es hatte immerhin bewirkt, dass er zurückgekommen war und, dass er endlich eingestand, dass Aya und Omi nicht mehr seine Feinde waren. Sie hatten lange warten müssen, bis Nagi ihre Vornamen benutzte. Als Omi an diesem Tag aus der Schule kam, stand Aya vor seiner Wohnung und wartete auf ihn. Omi wusste sofort, warum. Er brachte nicht einmal seine Schulsachen weg, sondern lief gleich mit Aya zurück zu Nagi. Diesmal fiel die Begrüßung weit stürmischer aus, als die von Aya. Omi fing beinahe an zu weinen, als er Nagi sah und drückte ihn sofort fest an sich. Nagis Gesicht blieb ausdruckslos, aber seine Augen sprachen eine nur allzu deutliche Sprache. Er war mehr als froh, wieder hier zu sein. Omi bestätigte immer wieder, wie froh er war, dass Nagi wieder da war und dass ihm nichts passiert war. Aya bemerkte, dass sich Nagis Ausdruck veränderte, wenn Omi das sagte, aber er sagte nichts dazu. Jetzt würden sie sich erst mal freuen, dass alles gut gegangen war. Über das, was tatsächlich passiert war, konnten sie auch noch später sprechen. Und Aya beschloss, dass Nagi spätestens am Abend des nächsten Tages bei einem von ihnen wohnen würde. Das bedeutete, dass er sich würde überlegen müssen, wie er es Ken und Yoji beibringen sollte. Omi dachte nicht an diese Dinge. Nicht im Moment. Er stopfte Nagi mit Essen und heißem Tee voll, bis dieser grinsend meinte, er müsste jetzt aufhören, er bekäme schon Bauchschmerzen. Omi war froh, als er sah, dass Nagi sich auch freute, wieder dazusein. Einseitige Freude war einfach nicht das, was Omi zufrieden stimmte. Aya und Omi blieben bis zum Abend, was ausnahmsweise kein Problem war, da sowohl Ken, als auch Yoji außer Haus waren. Das wird bald sowieso egal sein..., dachte Aya, als sie Nagi eine gute Nacht gewünscht und ihn für eben diese alleine gelassen hatten. Omi und Aya verzogen sich anschließend gleich in ihre Betten. Freude war zwar schön und gut, aber auch anstrengend, wenn dazu noch die abfallende Anspannung und die ganze aufgestaute Sorge um Nagi dazukam. Omi schlief schnell ein, glücklich und zufrieden und mit dem breitesten Lächeln auf den Lippen, an das er sich bis dato erinnern konnte. Aya dagegen lag noch lange wach und grübelte darüber nach, wie die ganze Sache weiter- und ausgehen sollte. Denn damit, dass sie Ken und Yoji von Nagi erzählten würde es noch nicht vorbeisein. Auch, wenn Nagi bei Weiß einzog, war es noch nicht vorbei. Wie würde es danach weitergehen, wenn sie diesen Schritt überhaupt schafften? Wahrscheinlich hätte Aya gerne jemanden gehabt, der ihm ausnahmsweise mal alle Entscheidungen abnahm. Aber wenn er gewusst hätte, wie dieses ,abnehmen' aussehen konnte, hätte er diese Nacht wahrscheinlich gar nicht geschlafen. "Aya, mach schon! Steh endlich auf!", krakeelte Omi vor Ayas Tür und klopfte wie wild dagegen. Er musste zwar ausnahmsweise nicht zur Schule, aber in den Laden und wollte unbedingt noch bei Nagi vorbei, bevor die ersten Kunden kamen. Und Aya sollte mitkommen. Omi fand, dass waren sie Nagi schuldig, nach den ganzen Strapazen. Außerdem hatten sie es ihm gestern beide versprochen. Aya schlug die Augen auf und wollte schon eine patzige Antwort geben, als ihm wieder einfiel, was er Nagi gestern vor dem Zubettgehen versprochen hatte. Also gähnte er ausgiebig, raffte sich auf und machte sich fertig. Er war noch so lange wach gewesen, bis er Yoji hatte nach Hause kommen hören. Dementsprechend müde war er jetzt. "Bin da...", murmelte er und steckte den Kopf zur Tür heraus. Omi nickte zufrieden. "Dann komm endlich.", verlangte er und zog Aya mit sich. Auch wenn Aya nichts von Omis Übermut hielt, konnte er ihn dennoch verstehen. Er wollte Nagi genauso sehen. Aber zuerst mussten sie in den Laden. Ken und Yoji beruhigen, sozusagen. Aya war immer noch nichts eingefallen, wie er sich und Omi diese unvermeidliche Situation erleichtern konnte und er hatte noch nicht mit Omi darüber geredet. "Hast du ihm schon was zu essen gemacht?", fragte Aya gähnend und Omi nickte. "Jajajaja alles fertig, jetzt komm halt!", grummelte er leise, als Aya sich immer noch nicht schneller bewegte. Gemütlichen Schrittes taperte Aya hinter Omi her zum Koneko. Ken und Yoji waren schon da und Yoji öffnete ihnen grinsend die Tür. "Habt ihr schon wieder die ganze Nacht rumgezaubert?", wollte er wissen und betrachtete Aya genauestens. Der ging nicht auf die üblichen Bemerkungen ein, sondern sah sich gleich die Lieferungen an, die er und Omi heute würden ausfahren müssen. Zum Glück waren es nicht besonders viele, da konnten sie am Mittag wahrscheinlich noch mal zu Nagi. "Pff Yoji, du hast wirklich überhaupt keine Ahnung, wovon du redest...", gab Omi zurück und zuckte gelangweilt die Schultern. Was interessierte ihn schon Yojis Gerede, er wollte zu Nagi. "Ach und du hast mehr Ahnung davon, als ich?", fragte Yoji amüsiert und grinste noch breiter. Omi zog eine Augenbraue hoch und drehte sich wieder zu Yoji um. "Tja wer weiß das schon...", entgegnete er und zwinkerte Yoji grinsend zu. Der schluckte und grummelte dann vor sich hin. Omi wurde immer dreister in letzter Zeit. Erst wurde er merkwürdig, dann wurde er dreist. Was kam als nächstes? Wird wirklich Zeit, dass ich die zwei mal auf einem ihrer Streifzüge begleite..., fand Yoji und summte bei diesem doch freudigen Gedanken leise vor sich hin. Einer Antwort befand er Omi nicht mehr für würdig. Den interessierte das herzlich wenig. Der junge Weiß scharwenzelte um Aya herum und war nervös. Warum ließ Aya sich immer soviel Zeit? Wo er doch genau wusste, dass Omi fast platzte vor Aufregung. Typisch..., dachte Omi und grummelte innerlich eine Weile vor sich hin. Ken kam herein und stapelte ein paar Tüten Blumenerde in einer Ecke. "Räum das mal weg, Yotan. Dann hast du wenigstens was sinnvolles zu tun...", meinte er und schenkte Yoji ein sehr strahlendes, wenn auch vollkommen falsches Lächeln. Yoji runzelte nur kurz die Stirn, beschloss aber, es dabei zu belassen. Aya und Omi waren sowieso auf einer Seite und Ken verstand nicht, dass es Yoji noch verrückt machte, wenn die beiden die ganze Zeit irgendetwas ausheckten, also stand Yoji alleine da. Dann konnte er seinen Kommentar auch gleich für sich behalten, fand er. Aya zog Omi zu sich und band ihn konsequent in die Besprechung ihrer Lieferungen mit ein, um ihn endlich mal wieder auf den Teppich zu holen. Omi ließ sich nur sehr wiederwillig darauf ein, aber wenigstens sah er ein, dass es nun mal unmöglich war, Ken und Yoji die ganze Zeit alleine im Laden sitzen zu lassen. Die vier arbeiteten ein paar Minuten vor sich hin, bis Omi bemerkte, dass etwas mit Yoji nicht stimmte. Der Blonde hatte die ganze Zeit vor sich hin gebrabbelt, jetzt war er verstummt. Omi brauchte eine Zeit, um zu bemerken, dass Yoji zur Ladentür sah. Und als er dann auch dorthin sah, wurde er mit einem Schlag genauso stumm, wie Yoji. Omi stieß Aya an und deutete mit einem Nicken zur Tür. Aya sah hin und zog mit einem Mal beide Augenbrauen hoch. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, Omi hätte sich über diesen, für den kühlen Weiß Leader so ungewöhnlichen Gesichtsausdruck, königlich amüsiert. Yoji konnte den Blick noch immer nicht von der Tür abwenden und besonders nicht von der kleinen Gestalt, die dort mit hängenden Schultern und in die Stirn hängenden Haaren stand und angestrengt zu Boden starrte. Es war Nagi. Er stand einfach da und hielt den Türgriff umklammert. Seine Hand zitterte, wie Omi auf den zweiten Blick erkannte und überhaupt sah er erbärmlich aus. War das Regen? Regnete es draußen, oder warum war Nagi so nass? Aya tat als erstes etwas. Ken war im Gewächshaus beschäftigt und hatte nicht einmal bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Yoji stand mitten im Raum und starrte Nagi an. Omi stand vor dem Stapel mit Bestellzetteln und starrte ebenfalls auf Nagi. Aya ging zu dem Jungen und beugte sich zu ihm herunter. "Was ist los?", fragte er leise und versuchte, Nagis Blick aufzufangen. Als hätte er mit dem Klang seiner Stimme zwei Schläfer geweckt, blinzelten Omi und Yoji ein paar Mal und dachten dann konkret. Yoji runzelte langsam die Stirn. Dieser Ton, in dem Aya Nagi angesprochen hatte, war falsch. Die Art, wie er auf den jungen Killer zugegangen war, war falsch. Das alles hier war falsch und Yoji schien im Moment derjenige zu sein, der hier überhaupt am aller falschesten war. "Aya...?", fragte er verwirrt, aber niemand hörte ihn, er flüsterte zu leise. Aya bekam von Nagi keine Antwort, aber der junge Schwarz hob langsam die Arme und machte einen winzigen Schritt auf Aya zu. Der Ältere seufzte leise. Tja, jetzt würde es wohl herauskommen. Dann lächelte er sacht und nahm Nagi in seine Arme. Und wieder fiel ihm auf, wie dünn der Junge geworden war. Und es kam Aya vor, als sei dieses Dünne mehr etwas, was sich auf Nagis Psyche bezog. Als ob er eben psychisch am Ende war und sein Körper Aya nur zeigte, was er sonst vielleicht nicht gesehen hätte. Ganz langsam machte auch Omi einen Schritt auf die beiden zu. Dann aber blieb er auf halbem Wege stehen und sah zu Yoji. Und letztendlich ging er zu ihm und legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Yoji drehte sich zu Omi und sah ihn so verwirrt an, dass Omi beinahe zurückgezuckt wäre. "Ist OK...", war das einzige, was er dann herausbrachte, ohne den Blick von Yojis Augen zu nehmen. Aber es war nicht OK. Nicht für Yoji. Absolut überfordert mit einem Aya, der einen Nagi umarmte und einem Omi, der einem unwissenden Yoji sagte, es wäre ,OK', schüttelte Yoji leicht benommen den Kopf. Dann wurde sein Kopfschütteln heftiger und endlich wischte er Omis Hand von seiner Schulter und starrte ihn wütend an. "Das war es?! Nagi?! Was zum Teufel passiert hier?!", rief er und ballte hilflos die Fäuste. Ken hörte, dass Yoji schrie und kam in den Laden gelaufen. "Was zum...", setzte er an, blieb aber an dem gleichen Bild hängen, dass auch Yoji so schockierte. "Was...", versuchte er es noch mal, schüttelte aber dann doch nur benommen den Kopf, wie Yoji es getan hatte. Irgendwie hatte Aya mit einer anderen Reaktion gerechnet. Er stand jetzt bestimmt schon fünf Minuten mit Nagi im Arm in der Ladentür und es war noch niemand gestorben. Ken und Yoji hatten sich auf die Theke gesetzt und Nagi und Aya einfach nur angesehen. Aya glaubte, dass sie es vielleicht noch gar nicht aufgenommen hatten und dass der Ausbruch einfach etwas später kommen würde. Aber es kam nichts. Ken und Yoji waren so konfus und überfordert, dass sie einfach nur stumm und ruhig da sitzen blieben und sich anschauten, was geschah. Das war Aya und auch Omi natürlich wesentlich lieber, als ein großes Theater, aber es war auch unheimlich. Nagi hatte noch nichts gesagt. Er stand einfach nur weiter so da und klammerte seine Finger in Ayas Pulli. Omi hatte sich dazugestellt, aber er wollte nichts falsch machen, also hatte er sich zurückgehalten. Dann war es Aya, der den nächsten Schritt tat. "Was ist los, Nagi?", fragte er leise und bemühte sich, die Nervosität, die er ganz deutlich spürte, aus seiner Stimme zu vertreiben. Es gelang. Nagi sah auf und blinzelte Tränen weg. Aya schaute kurz erschrocken. Er hatte nicht bemerkt, dass Nagi geweint hatte. Hatte Omi es gesehen? Aya warf Omi einen Blick zu, aber der sah gerade auch sehr überrascht aus. Was war passiert, dass Nagi von alleine den Schritt hierher gemacht hatte? Nagi wischte sich einmal über die Augen, dann noch einmal und noch einmal. Endlich hatte er keine Tränen mehr zu weinen und konnte Aya ansehen. Aber er sagte nichts. Aya bemerkte nur, dass Nagi ihm folgte, sobald Aya sich auch nur ein winziges Stück bewegte. Es war offensichtlich, dass er Angst hatte. Vielleicht Angst, dass Aya ihn einfach hier stehen lassen würde, alleine, mit Ken und Yoji. Und weil Aya glaubte, dass diese Angst durchaus berechtigt war und weil er wusste, dass etwas passiert sein musste, blieb er, wo er war. Er versuchte auch nicht, Nagi dazu zu bewegen, wenigstens in den Laden zu kommen. Das hatte noch einen Moment Zeit. Jetzt war er erst mal hier. "Du magst nicht reden, hm?", fragte Aya leise weiter, als er auch weiterhin keine Antwort bekam. Als Nagi sehr vorsichtig den Kopf schüttelte, lächelte Aya und sah wieder zu Omi. "Schon gut...", sagte Omi leise und lächelte auch ein wenig. Nagi sah zu ihm und dann wieder zu Aya. Er hatte schlecht geträumt. Die ganze Nacht lang hatte er kein Auge zugemacht, jedenfalls nicht, um zu schlafen. Kaum war er eingenickt, hatte er diesen schrecklichen Traum und war gleich wieder aufgewacht. Und wenn er wach war, war es auch nicht besser. Nagi ging die ganze Zeit durch den Kopf, was er die vier Tage lang erlebt hatte. Er war so erschöpft und ausgelaugt, dass er nichts lieber getan hätte, als endlich zu schlafen, aber er konnte nicht. Und dann hatte er Panik bekommen. Nicht eingebildete Angst, sondern richtige Panik. Sein Herz hatte geklopft, als wäre er mindestens zehn Kilometer gelaufen und er hatte kaum Luft bekommen. Und als ihm dann das erste Mal schwarz vor Augen wurde, da ging gerade die Sonne auf. Nagi hatte es noch ausgehalten, aber als er dann gesehen hatte, dass Omi und Aya in den Laden kamen, konnte er nicht mehr anders. Er musste jemanden umarmen. Nein, er musste umarmt werden. Und zwar sofort. Nagi war die Treppe heruntergestolpert und zum Koneko gerannt, so schnell er konnte. Dann, an der Tür, konnte er plötzlich nicht mehr weiter. Er hatte Yoji gesehen und Yoji hatte vor Omi und Aya gestanden. Da hätte er an Yoji vorbeilaufen müssen, wenn er bis zu Aya und Omi hätte kommen wollen und Nagi wusste genau, dass er das nicht konnte. Deshalb war er einfach da stehen geblieben und hatte gewartet, bis einer ihn bemerkte. Dass derjenige Yoji gewesen war, war egal. Hauptsache Aya hatte ihn umarmt. Nagi brauchte weit mehr, als fünf Minuten, um wieder zu Atem zu kommen. Er zwang sich, flach zu atmen, um sein Herz wieder zu beruhigen. Endlich fühlte er sich ruhiger. Aya war da und Omi auch. Und wenn ihm jetzt etwas passierte, würden die beiden sich um ihn kümmern, das wusste er. Also konnte Nagi sich jetzt langsam wieder entspannen. Als Nagi nach weiteren fünf Minuten immer noch nichts sagte und auch sonst keinerlei Anstalten machte, hob Aya ihn einfach hoch und trug ihn in die Küche. Er setzte ihn auf einen Stuhl und kochte als erstes Tee. Omi setzte sich zu Nagi und drückte lächelnd seine Hand. Ja, er war ruhiger. Ken und Yoji waren hinter den dreien hergelaufen und ließen Nagi keine Sekunde aus den Augen. Hätte man sie gefragt, was sie gerade dachten, hätten sie beide keine Antwort geben können. Sie waren nur noch verwirrt. Nicht einmal für Wut, oder Angriffslust war in dieser Verwirrtheit noch Platz. "Trink das erstmal." Aya hielt Nagi eine dampfende Tasse hin und Nagi nahm sie. Er trank vorsichtig ein paar Schlucke, dann sah er Aya wieder an. "Also, was ist passiert?", versuchte Aya es noch einmal. Er nahm sich ebenfalls einen Stuhl und setzte sich auf Nagis andere Seite. Omi hielt noch immer Nagis Hand, ließ sie jetzt aber los, weil Nagi sich wortlos wieder an Aya drückte, sobald der sich gesetzt hatte. Aya schüttelte verwirrt den Kopf. Vor vier Tagen hatte Nagi ihm nicht einmal die Hand gegeben und jetzt ließ er nicht mehr von ihm ab. Zum hundersten Mal fragte Aya sich, was denn nun passiert war. Aber Nagi redete nicht. "Vielleicht sollten Ken und Yoji rausgehen...", überlegte Omi laut und Aya hätte sich fast eine Hand vor die Stirn geschlagen. Natürlich, warum war er da nicht selber drauf gekommen? Es war jawohl verständlich, dass Nagi nicht vor den beiden reden wollte. Also stand Aya auf und trat zu Ken und Yoji, die beide neben der Küchentür an der Wand lehnten. "Also lasst uns bitte alleine, bis wir wissen, was los ist.", bat er ruhig und sah zwischen Ken und Yoji hin und her. Ohne ein Wort drehte Yoji sich um und verließ die Küche, Ken aber blieb stehen. "Ich würde auch gerne mal wissen, was hier los ist.", begann er leise und erwiderte Ayas Blick. "Warum zum Beispiel sitzt ein Schwarz in unserer Küche und trinkt Tee, hm?", fragte er genauso leise und lächelte ruhig. Aber Aya wusste, dass Ken nicht wirklich ruhig war. Nur verwirrt. Aya schüttelte den Kopf. "Das ist eine komplizierte Geschichte und es dauert lange, sie richtig zu erzählen. Also geh jetzt und lass uns für den Moment alleine mit ihm. Omi und ich werden es euch später schon erklären.", sagte er ruhig und sah Ken weiter mit diesem Blick an, der keine Wiederrede duldete. Ken runzelte die Stirn. Dann sah er einmal zu Nagi und wieder zurück zu Aya. "Das will ich hoffen...", meinte er noch, dann verschwand er kopfschüttelnd aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu. Aya atmete durch. Das war einfacher gegangen, als er sich das vorgestellt hatte. Ken und Yoji mussten wirklich verwirrt sein. "Also Nagi. Jetzt erzähl erst mal. Was ist los?", begann Aya dann von neuem, als er sich wieder zu Nagi und Omi an den Tisch gesetzt hatte. Nagi rückte seinen Stuhl als erstes wieder etwas an Ayas heran und griff nach dessen Hand. Aya nahm sie und hielt sie fest, aber er fühlte sich nicht wirklich gut dabei. Wie konnte Nagi auf einmal so zutraulich sein? Omi seufzte leise und dann begann Nagi leise, zu erzählen. Als erstes erzählte er von der letzten Nacht und warum er dann heute Morgen in den Laden gelaufen war. Und dann erzählte er von den letzten vier Tagen und warum er zu Weiß zurückgekehrt war. Nagi hielt es einfach nicht mehr aus. Neunt Tage hatte er versucht, diese schreckliche, drückende Stimmung loszuwerden. Neun Tage hatte er versucht, sich endlich einzuleben. Er hatte sich wohl gefühlt. Sicher. Ja, das alles war richtig, aber trotzdem konnte er nicht bleiben. Er hasste es, schwach zu sein. Er war vor Crawford schwach gewesen und er war vor Schuldig schwach gewesen. Jetzt war er auch noch vor seinem Feind schwach und letztendlich wurde es ihm zuviel. Nagi wusste, dass Omi und Aya sich um ihn kümmerten, weil sie sahen, wie schlecht es ihm ging. Weil sie alles wussten, was er durchgemacht hatte. Mit Crawford und mit sich selber. Sie wussten Bescheid über Nagis Situation und sie versuchten, ihm da raus zu helfen. Nagi glaubte nicht, dass sie das taten, um für sich selber etwas herauszuschlagen, aber er kam trotzdem nicht damit klar. Es war schrecklich, um genau zu sein. Jeden Tag sah er Aya und Omi an, dass sie reden wollten. Immerhin versuchten sie es ja immer mal wieder. Besonders Omi. Sahen sie denn nicht, dass Nagi nicht reden konnte? Nagi ertrug ja schon kaum den Gedanken an das, was passiert war. Wie sollte er es dann ertragen, darüber zu reden? Nein, Nagi wollte nicht reden, er wollte vergessen. Und deshalb lief er weg. Er hielt es nicht mehr aus, immer diese mitleidigen Blicke und dieser mitfühlende Tonfall. Vielleicht war es Aya und Omi nicht einmal bewusst, aber Nagi spürte es, jeden Tag. Wie sie ihn manchmal ansahen, oder wie sie manchmal die Hand auf seine Schulter legten. Ekelhaft, sie quollen vor Mitleid ja schon fast über. Nagi konnte diese Fürsorge und das ganze Mitgefühl nicht länger ertragen. Er konnte nicht begreifen, dass er vielleicht genau das brauchte. Er redete sich noch immer ein, dass er stark sein musste. Er hatte sein Leben lang stark sein müssen, dann konnte er doch jetzt nicht damit aufhören. Er würde weitermachen. Und deshalb musste er weg von Omi und Aya und ihrem Mitgefühl. Nach dem Mittagessen, als Omi wieder verschwunden und alles aufgegessen war, packte Nagi sich die Decke und zog Ayas Pullover über. Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er das Haus und das Viertel und lief ein Stück, bis er sich besser fühlte. Ja, er fühlte sich besser, aber das hielt nicht lange an. Nicht, dass Nagi es auf der Straße nicht aushielt. Er suchte sich einen Platz zum schlafen, einen, wo es nicht ganz so kalt war und wo er den Regen nicht so abbekam, der fast jeden Tag auf die Hauptstadt fiel. Aber schon am zweiten Tag auf der Straße, bemerkte Nagi, dass es anders war, als früher. Er bekam viel schneller Hunger und er hielt ihn viel schlechter aus. Und die Gedanken an Crawford und an alles andere, die er eigentlich mit seiner ,Flucht' hatte verdrängen wollen, wurden nur stärker, quälender, erdrückender. Nagi tat, was er früher getan hatte. Schlug sich durch, wie er es früher getan hatte. Er hatte eigentlich keine großen Schwierigkeiten, an etwas zu essen zu kommen und so schaffte er es bis zum Abend des zweiten Tages. Aber dann war es vorbei. Fast schlagartig. Vielleicht war es ein Nervenzusammenbruch, vielleicht auch nur selbstverursachte Panik, Nagi wusste es nicht. Aber er brach zusammen. Erst psychisch, dann körperlich. Als Nagi am Mittag des dritten Tages wieder aufwachte, beschloss er, etwas zu tun. Crawford hatte ihn zerstört, also machte nichts mehr etwas, oder? Dieses Gefühl von Schmutz, Kälte und Ekel wurde unerträglich. Und Nagi war so mitgenommen und verwirrt, dass er beschloss, sich selbst zu betrafen. Er hätte Crawford nicht töten dürfen, er hätte Schuldig und Farfarello nicht alleine lassen dürfen, er hätte nicht zu seinem Feind rennen dürfen und er hätte seinem Feind erst recht nicht vertrauen dürfen. Er hatte sich so falsch verhalten, wie er sich nur hatte falsch verhalten können. Glaubte Nagi. Und deshalb versuchte er es mit einem Mann. Einem, der ihm etwas dafür bezahlen wollte, wenn er es mit ihm treiben durfte. Nagi gab sich wirklich Mühe. Immerhin hatte er es verdient. An diesem Tag, in der Kälte und in all diesem Schmutz hatte er es verdient, glaubte er. Aber er konnte es nicht. Er lief wieder weg. Er lief wieder weg und war enttäuscht von sich selber, dass er nicht einmal die Strafe auf sich nehmen konnte für all das, was er falsch gemacht hatte. Und dann gab er auf. Er hatte alles versucht, um dem zu entkommen, was ihn so fertig machte, aber er hatte es nicht geschafft. Er war schwach geblieben, anstatt wieder stark zu werden. Enttäuscht hatte Nagi eingesehen, dass er es nicht schaffte. Und dann war er wieder zurückgekehrt. Es war ihm mehr als peinlich gewesen und er hasste sich jetzt schon dafür, dass er Abyssinians und Bombays Gesicht würde sehen müssen, wenn sie ihn fanden. Sie würden triumphieren, das wusste Nagi. Sie hatten ihn kleingekriegt. Aber dann war alles ganz anders gekommen. Nagi war vier Tage lang weg gewesen und als er dann wiederkam, war es ganz anders, als er geglaubt hatte, dass es sein würde. Als Nagi Aya gesehen hatte, hatte es ihn nicht mehr interessiert, ob Aya sauer sein, oder sich lustig machen würde. Er hatte Aya nicht zeigen wollen, wie froh er war, dass er wieder zurück war, aber er konnte sich nicht zusammennehmen. Nagi umarmte Aya, ließ ihn gar nicht mehr los und er fühlte sich so gut dabei. Und dann spürte er, dass Aya ihn auch drückte, dass er ihn nicht wegstieß, oder ihn schlug, oder ihn wieder davonjagte. Es war einfach richtig, fand Nagi. Und in diesem Moment beschloss er, dass er bleiben würde. Und er würde versuchen, Aya und Omi nicht mehr solchen Ärger zu machen. Denn wenn er das tat, würde alles wieder von vorne anfangen, nicht wahr? Das war auch der Grund, warum Nagi es schaffte, in den Laden zu laufen. Wäre er noch immer unsicher gewesen, hätte er sich niemals getraut, oder zugestanden, den nächsten Schritt zu machen. Aber er hatte ein Stück weit aufgegeben, was ausnahmsweise mal keine negative Sache war. Deshalb war er in den Laden gelaufen und hatte sich wieder an Aya gedrückt und er hatte es sogar geschafft, zu weinen. Das tat vielleicht gut. Nagi wollte nur endlich irgendwo sein, wo er sich wohlfühlen konnte und er glaubte, dass er das konnte, wenn er sich auf Weiß einließ. Immerhin waren sie die Guten, fand Nagi noch immer. Omi und Aya hörten Nagi schweigend zu. Sie sagten nichts dazu, warteten, bis Nagi nichts mehr sagte, aber so ruhig, wie sie taten, waren sie beide nicht. Keine Frage: Nagi würde jetzt hier bleiben. Aber damit war es nicht erledigt. Nachdem sie gehört hatten, was Nagi erzählte, wussten sowohl Aya, als auch Omi, dass Nagi noch weit mehr mit sich herumtrug, als sie bisher geahnt hatten. Omi war noch immer geschockt davon, dass Nagi versucht hatte, sich zu verkaufen. Wie hatte er das tun können, nachdem er das mit Crawford durchgemacht hatte? Aya wirkte ruhig und teilnahmslos wie immer, aber die Hand, die Nagis umklammert hielt, war eiskalt und schwitzte. Nur Nagi spürte, wie sehr seine Erzählung den Weiß Leader mitnahm. Und wieder bekam Nagi Angst. Was war, wenn sie ihm nicht glaubten? Vielleicht dachten sie, er würde ihnen etwas erzählen, um davon abzulenken, dass er weggelaufen und sie einfach mit ihrer Sorge zurückgelassen hatte. "Du solltest dich hinlegen, schlafen und dich ausruhen.", sagte Aya nach einer Weile des Schweigens leise und ruhig. Seine Stimme klang heiser und Omi runzelte irritiert die Stirn, als er glaubte zu hören, dass sie zitterte. Aya sah auf und lächelte Nagi kurz an, der jetzt etwas entspannter auf seinem Stuhl saß. "Ja, das solltest du wirklich.", bekräftigte Aya sich selbst und stellte Nagi auf die Füße. Der junge Schwarz sah zu Boden. Er war verlegen und teilweise beschämt über das, was er erzählt hatte. Omi nickte, ungeachtet dessen und hielt Nagi eine Hand hin. "Du kannst in meinem Bett schlafen, wenn du willst.", bot er lächelnd an und schob seine Hand etwas näher zu Nagi. Aber der schüttelte langsam den Kopf. "Möchtest du lieber auf der Couch schlafen?", fragte Omi dann verständnisvoll, zog seine Hand aber nicht zurück. Aya nickte. Das war wahrscheinlich besser, nachdem, was Nagi ihnen erzählt hatte. Im Zimmer von einem von ihnen würde er sich jetzt wohl kaum wohlfühlen können. Aber Nagi schüttelte nur wieder leicht den Kopf. Dann hob er den Blick ein wenig und sah Aya vorsichtig an. Der legte den Kopf schief und sah zurück. "Wo dann? Vielleicht wieder drüben?", wollte er wissen und lächelte wieder. Nagi schüttelte ein drittes Mal den Kopf und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. "Kann ich bei dir schlafen...?", fragte er dann leise und hielt Ayas Blick angestrengt stand. Aya zog verwundert eine Augenbraue hoch, aber er nickte. "Wenn du das willst, natürlich.", meinte er und zuckte die Schultern. Omi nickte zufrieden und nahm seine Hand zurück. Hauptsache, Nagi war zufrieden. "Gut, ich bring dich hoch.", sagte Aya dann und stand ebenfalls auf. Omi erhob sich auch und folgte den beiden aus der Küche. "Ich bring dir morgen Frühstück, bevor ich zur Schule geh.", bot Omi lächelnd an und summte ein wenig vor sich hin. Er war mehr als glücklich, dass Nagi gesund wieder da war. Es hätte ihm ohne Zweifel auch wesentlich mehr passieren können, wusste Omi. Nagi lächelte Omi kurz dankbar an. Er war weit davon entfernt, abzulehnen und Omi anzukündigen, dass er eh keinen Hunger haben würde. Dazu war er viel zu erleichtert, dass jetzt anscheinend doch noch alles gut ging. Omi verabschiedete sich von Aya und Nagi, die in Ayas Zimmer gingen. Dann verschwand er in sein eigenes und erledigte summend seine Schularbeiten für den nächsten Tag. Wenn er jetzt schon so erleichtert war, konnte er das auch gleich ausnutzen und hinter sich bringen, was nun mal sein musste. Dann konnte er mit seinen guten Hausaufgaben vielleicht über sein erneutes Zuspätkommen hinwegdeuten. Aya setzte Nagi auf sein Bett und kniete sich vor ihn. "Brauchst du noch irgendetwas?", fragte er und sah Nagi von unten an. Der Jüngere hielt seinen Blick wieder gesenkt. Etwas unangenehm war es ihm immer noch, sich so offensichtlich schwach zu benehmen. Er schüttelte den Kopf. Aya lächelte wieder, dann erhob er sich wieder und streckte sich kurz. "Gut, dann lass ich dich jetzt alleine. Wenn du allzu lange schläfst, weck ich dich schon, also ruh dich einfach aus, OK?" Nagi sah auf und hatte plötzlich wieder diesen ängstlichen Ausdruck in seinen Augen, den Aya schon vorher bemerkt hatte. "Warum gehst du weg?", fragte er schnell und griff nach Ayas Hand. Ohje..., dachte Aya. Das wird wohl komplizierter, als ich dachte... Er setzte sich neben Nagi aufs Bett und hielt seine Hand fest. "Schon gut, ich bin ja nicht weit weg. Aber ich muss noch mit Ken und Yoji reden, das verstehst du doch, oder?", fragte er und sah Nagi an. Der senkte den Blick wieder zu Boden und wurde rot. Dass er auch nicht seinen Mund halten konnte. Er wollte doch keinen Ärger mehr machen. "Ja, klar.", gab er daher kurz zurück und zwang sich, zu lächeln. Aya grinste ein wenig. Zu offensichtlich, dass Nagi das nicht so OK fand, wie er Aya glauben lassen wollte. "Ich werde später noch mal nach dir sehen, einverstanden?", fragte er deshalb und stupste Nagi lächelnd an die Schulter. Ein wenig beruhigt nickte Nagi und lächelte ebenfalls. Wenigstens schien Aya zu verstehen, dass Nagi jetzt nicht gerne alleine sein wollte. "Danke...", murmelte er leise und sah wieder zu Boden. Aya stand wieder auf und ließ Nagis Hand los. "Wenn du solange schläfst, bis ich wiederkomme, merkst du gar nicht, dass ich wegbin.", meinte er und schenkte Nagi ein wirklich freundliches Grinsen. Nagi nickte noch einmal und lächelte. Dann schaute er Aya nach, der das Zimmer wieder verließ und die Tür schloss. Nagi seufzte. Er sah im Zimmer umher, dann zog er die zwei Pullover aus, die er noch immer trug und schlüpfte, etwas unangenehm berührt, auch aus seiner Hose. Sofort rutschte er unter die Bettdecke und deckte sich fest zu. Das war ja unmöglich, wie er aussah. Nagi würde Aya bitten, sich duschen zu dürfen, immerhin hatte er sich schon zweimal mit Omi hergeschlichen, um eben das zu tun. Nagi gähnte. Das war ein merkwürdiges Gefühl, wenn man gleichzeitig endlos müde und vollkommen aufgedreht war. Nagi drehte sich auf die Seite und rollte sich zusammen. Seit er von Schwarz weggelaufen war, hatte er sich wieder angewöhnt, so zu schlafen. Das hatte er früher immer getan, aber in dem schönen, bequemen Bett bei Schwarz, war diese Angewohnheit irgendwie verflogen. Jetzt kam sie wieder hoch und Nagi seufzte noch mal leise. Dann schloss er die Augen, zwang sich, sie trotz allem, was er sah, geschlossen zu halten und schlief langsam ein, obwohl er die ganze Zeit glaubte, dazu viel zu unruhig zu sein. Aya lief nervös den Flur entlang zu Kens Tür. Er würde es hinter sich bringen, es blieb ihm sowieso nichts anderes übrig. Und er hatte beschlossen, dass er das auch ohne Omi tun konnte. Außerdem wollte er es lieber gleich tun, bevor er es sich doch noch anders überlegte. Tja dann mal los..., dachte er und verdrehte, verärgert über seine innere Unruhe, die Augen. Seufzend klopfte er an die Tür und hörte gleich, dass Ken ihm entgegen stapfte. Offensichtlich war er wütend, kein Wunder. "Tja dann leg los...", empfing Ken ihn und trat zur Seite. Aya betrat Kens Zimmer und entdeckte, nicht überrascht, Yoji, der auf Kens Bett saß und wohl mit ihm auf Aya gewartet hatte. "Bin ja mal gespannt, was jetzt so herauskommt...", murmelte Yoji vor sich hin und sah Aya nicht an. Die feindselige Atmosphäre, die Aya vorher so ,vermisst' hatte, schien sich langsam aber sicher jetzt aufzubauen. Ungeachtete dessen schluckte Aya sein Unbehagen herunter und begann zu erzählen, was Ken und Yoji wissen wollten. "Das ist mir scheißegal! Er kann auf keinen Fall hier bleiben!" Omi, der vor Kens Tür stand und gerade klopfen wollte, hielt inne. War das Yoji gewesen? "Hast du ne Ahnung, dass damit alles durcheinander gerät?! Wie soll das funktionieren?!" Ja, ganz sicher Yoji. Dann war wohl Aya auch da und hatte bereits getan, wozu Omi jetzt eigentlich hergekommen war. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Omi die Tür und trat ins Zimmer. Ken und Yoji hatten sich vor Aya aufgebaut, der auf einem Stuhl saß und versuchte, die beiden zu beruhigen, was ihm seit mehr als einer halben Stunde kaum gelang. Alle drei drehten sich zu Omi, der die Tür lautstark zufallen ließ, um die Aufmerksamkeit erst mal auf sich zu lenken. Aber lange hielt die entstandene Stille nicht an. "Omi, was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?!", fuhr Yoji Omi an, der sich ruhig aufs Bett setzte. "Hat Aya euch alles erzählt?", wollte Omi wissen und sah zwischen Ken und Yoji hin und her. Die beiden nickten stumm und sahen mit grimmig verzerrten Gesichtern jetzt Omi an. "Auch, dass Crawford Nagi vergewaltigt hat?", fragte Omi weiter und entlockte sowohl Yoji, als auch Ken ein kurzes, irritiertes Schlucken. "Na?" Omi sah erst Ken an, dann Yoji und wartete auf eine Antwort. Verdammt, das hat er echt drauf..., dachte Aya erstaunt, als er bemerkte, wie sich Wut und Aggression aus den Blicken der beiden Weiß stahlen und langsam so etwas wie Schuldbewusstsein aufflammte. Yoji wurde langsam unwohl. Er hatte nur an sich gedacht und nicht einmal an Nagi. Der Junge hatte schreckliche Sachen durchgemacht und jetzt endlich schien es, als gäbe es für ihn die Möglichkeit, dem allen zu entkommen. Und er und Ken dachten nur daran, was alles schlimmes für sie daraus resultieren könnte und nicht daran, dass sie das ganze vielleicht auch lösen konnten. Ken sah Yoji an und Yoji erkannte, dass Ken wohl gerade genau das gleiche dachte, wie er selber. Omi hatte es raus, den beiden innerhalb von nur wenigen Sekunden das schlechteste Gewissen ihres Lebens zu bereiten. "Wie könnt ihr da wollen, dass Nagi einfach wieder verschwindet und sonst wo landet, huh?" Omis Tonfall war mehr als vorwurfsvoll und die Blicke, mit denen er die Uneinsichtigen bedachte, wurden von Mal zu Mal dunkler. Ken schüttelte als erster den Kopf und gab nach. "Wir denken doch bloß an unsere Sicherheit. Das müsst ihr doch wohl verstehen. Was glaubt ihr denn, was passiert, wenn Persia erfährt, dass sich ein Schwarz bei uns einquartiert hat?", wollte er wissen und bemühte sich offensichtlich, seine Stimme so vorwurfsvoll klingen zu lassen, wie Omi. Aber Ken versagte kläglich und setzte sich mit einem Seufzen neben Omi aufs Bett. "Es wird schon glatt gehen.", beschloss Omi nur knapp und Yoji schluckte ob des aggressiven Tons, den Omi jetzt angeschlagen hatte, seinen bissigen Kommentar herunter. Verrückt. Kaum war Omi einmal ernst, war keiner mehr fähig, ihm zu wiedersprechen. Sehr gut..., fand Aya und grinste Omi fröhlich zu. Der fing Ayas Blick kurz auf und grinste zurück. Dass das erst mal geschafft war, stand wohl fest. "Omi und ich nehmen alle Schuld auf uns und wir werden schon dafür sorgen, dass Persia sich nicht aufregt.", meinte Aya und streckte sich, bevor er aufstand. "Wie wollt ihr das machen? Soll Nagi bei uns einsteigen?" Yoji schüttelte jetzt doch den Kopf. Aber Omi sah ihn an und nickte erfreut. "Warum eigentlich nicht? Keine üble Idee, Yotan.", gab er fröhlich lächelnd zurück und klopfte Yoji kurz auf die Schulter. Der runzelte ungläubig die Stirn. Das war jetzt nicht Omis Ernst. Aber Omi sagte nichts mehr dazu und folgte Aya aus dem Zimmer, der Richtung Laden lief. "Ich kann's nicht glauben...", murmelte Yoji verwirrt und schaute zu Ken. "Wir lassen uns ganz schön leicht aus der Bahn werfen, findest du nicht?", fragte der und grinste Yoji an. Der musste auch grinsen. Omi war ganz schön durchtrieben, wenn es drauf ankam. "Glaubst du, dass es wirklich so einfach wird?", wollte Aya von Omi wissen, als die beiden vor der Ladentür standen. Omi schüttelte den Kopf. "Wohl eher nicht, aber dass muss man keinem auf die Nase binden.", gab er zurück und lächelte Aya an. Der nickte und öffnete die Tür. Die beiden Weiß kümmerten sich um die Lieferungen, die noch immer ausstanden und schlossen dann am Nachmittag den Laden. Aya hatte nicht vergessen, dass er Nagi versprochen hatte, noch mal nach ihm zu sehen und da Omi sowieso bei ihm war, konnte er auch mitkommen. Davon hätte Omi sich ohnehin nicht abhalten lassen und so beeilten die zwei sich, wieder zurück zu Ayas Wohnung zu kommen. Aya öffnete leise die Tür und sah hinein. "Schläft er?", fragte Omi leise und schob sich hinter Aya ins Zimmer. Aya trat leise ans Bett und Omi tapste ihm nach. Nagi hatte die Augen geschlossen und atmete relativ ruhig. "Ob er wieder schlecht träumt?" Omi kniete sich vor das Bett und sah Nagi an. Der bewegte unruhig die Augen unter den geschlossenen Lidern und drehte den Kopf hin und her. Aya sah zu Omi und musste lächeln. Beinahe schon süß, wie ihr Jüngster sich um Nagi sorgte. Süß? Aya runzelte die Stirn. Das hatte er doch wohl nicht gerade gedacht, oder? Kopfschüttelnd schob er den Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf die zwei vor ihm. Nein, Omi war ganz sicher nicht süß. Nur kindisch. Ja, das war es. Er war kindisch und unbeherrscht, wie sonst auch. "Ist es besser, wenn ich ihn wecke?" Aya blinzelte und sah Omi fragend an. "Wenn ich ihn wecke, träumt er danach vielleicht was besseres...", murmelte Omi zur Erklärung und grinste Aya leicht verlegen an. Aya nickte. "Ja vielleicht...Weck ihn ruhig.", sagte er und lächelte. Er glaubte nicht, dass das helfen würde, aber er wollte Omi nicht vor den Kopf stoßen. Immerhin waren dessen Angst und Fürsorge ehrlich gemeint und konnten nichts schaden. Omi stieß Nagi leicht an die Schulter und der schlug fast augenblicklich die Augen auf. Für eine Sekunde glaubte Aya, Angst in Nagis Blick zu erkennen, aber das verräterische Blinken verschwand sofort wieder, sodass er seiner Sache nicht sicher sein konnte. Nagi lächelte. "Ich hab dich geweckt.", gab Omi gleich zu und sah Nagi etwas verlegen an. "Du sahst aus, als würdest du schlecht träumen, deshalb.", fügte er noch hinzu, als er Nagis leicht verwirrten Blick bemerkte. Aya grinste etwas und setzte sich zu Nagi aufs Bett. "Was er sagen will ist, dass er sich Sorgen gemacht hat.", sagte er und zwinkerte Nagi kurz zu. Nagi sah Omi an und runzelte leicht die Stirn. "Hm...danke...", brachte er heraus und musste dann auch grinsen. Omi wurde rot. Na super, jetzt ließ Aya ihn doch wie einen Dummkopf dastehen. Als ob er nicht auch wusste, dass es eigentlich Blödsinn gewesen war, was er gemacht hatte. "Naja, jetzt kannst du ja wieder weiterschlafen...", sagte Omi mit gesenktem Blick und drehte sich weg. Toll, jetzt wurde er auch noch rot. Also musste er wohl oder übel verschwinden. "Also gute Nacht und schlaf gut.", brachte er noch hervor, dann ließ er Nagi und Aya alleine. Mit etwas hastigeren Schritten, als er eigentlich vorhatte. Aya grinste vor sich hin. "Ich hol nur kurz meine Sachen, dann lass ich dir auch wieder deine Ruhe.", sagte er und stand schon wieder auf. Nagi sah Aya zu, wie er sich aus dem Schrank eine Decke suchte und sich seinen Pyjama schnappte. "Omi muss morgen früh zur Schule, also werde ich dich wecken.", entschied er noch, dann nickte Aya Nagi knapp zu und ließ ihn in seinem Zimmer alleine. Aya schlief diese Nacht bei Omi, um Nagi nicht zu stören und nicht irgendwelche missverständlichen Szenen zu provozieren. Außerdem wollte er sowieso noch mit Omi sprechen, sie mussten sich endlich klar darüber werden, wie sie weiter vorgehen wollten. Also verschwand Aya nach Omi in dessen Zimmer und bereitete sich auf eine lange Nacht vor. Er war gespannt, ob sie überhaupt eine Lösung für ihr kleines Problem finden würden. Vielleicht hatten sie sich mit der Einquartierung von Nagi bei Weiß doch etwas zuviel vorgenommen. Omi kam relativ schnell auf den Punkt. Er und Aya überlegten, wie sie Nagi wohl am besten unterbrachten und nachdem er Omi eine Weile zugehört hatte, fand auch Aya, dass er wohl am besten bei Omi wohnte. Zum einen waren die beiden im selben Alter und außerdem fiel es Omi wesentlich leichter, sich offen und herzlich genug um Nagi zu kümmern. Aya wollte Nagi anbieten, bei ihnen einzusteigen, wenn sich das irgendwie regeln ließ. Er wäre sicherlich eine Bereicherung und weder Aya noch Omi fiel etwas besseres ein, um Nagi gut unterzubringen. Außerdem war das ja genau der Job, den Nagi bisher auch gemacht hatte, das war also nicht das Problem. Nagi konnte, wie die anderen von Weiß, tagsüber im Blumenladen mithelfen und nachts bei ihren Missionen. Er würde sich schon eingewöhnen. Blieb nur das Problem, Persia zu überzeugen. Aber Omi traute es sich zu, das erste Gespräch mit Manx zu führen und er glaubte, dass, wenn sie erst mal Ken und Yoji überzeugt hatten, sie es zu viert wohl schaffen würden, den Nutzen für Weiß größer darzustellen, als die eventuellen Probleme. Alles in allem verliefen die mehr als zwei Stunden Gespräch zwischen Omi und Aya diese Nacht doch sehr zufriedenstellend und die beiden konnten relativ beruhigt und ruhig schlafen. Kapitel 8: - Acht - ------------------- "Und, hast du schon darüber nachgedacht?" Es war die Nacht zum ersten Dezember und Omi und Nagi lagen bäuchlings ausgestreckt auf Omis Bett. Nagi hatte sich sofort damit einverstanden erklärt, bei Omi zu wohnen, er verstand sich ja auch wirklich gut mit ihm und Omi hatte sich riesig darüber gefreut. Seit Nagi bei Weiß eingezogen war, waren fünf Tage vergangen und er hatte sich erstaunlich gut eingelebt. Seine Scheu gegenüber Ken und Yoji hatte er zwar noch nicht ganz abgelegt, dafür kam er mit Aya und Omi, und besonders mit dem jüngsten Weiß, bestens aus. Aya hatte es Omi überlassen, mit Nagi über seine Zukunft zu sprechen und dem war es gelungen, Nagi nicht zu überrumpeln, sodass Nagi sich in Ruhe ernsthafte Gedanken darüber machen konnte, was er wollte. Vor zwei Tagen hatte Omi Nagi darauf angesprochen, dass er und Aya ihn gerne bei Weiß dabeihätten. Nagi hatte gleich eingesehen, dass das die logischste und wohl auch beste Lösung war, hatte sich aber Bedenkzeit ausgebeten, die ihm auch ohne weiteres zugestanden worden war. Jetzt waren Ken, Yoji und Aya unterwegs auf Mission und Omi hielt die Gelegenheit für äußerst günstig, um Nagi noch einmal darauf anzusprechen. "Hab ich.", antwortete Nagi, rückte aber nicht mit der Sprache heraus. Omi kannte ihn mittlerweile ziemlich gut und wusste, dass er würde nachfragen müssen, wenn er Nagi etwas entlocken wollte. "Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?", fragte er deshalb und sah Nagi von der Seite her an. Sie hatten beide einen Laptop vor sich und spielten gegeneinander ein Strategiespiel. Nagi machte seinen nächsten Zug und sah danach noch etwas auf den Bildschirm, bevor er seinen Blick zu Omi wandte. Dann hatte er sich still versichert, dass seine Entscheidung wirklich feststand. "Also ich schätze, wenn's glatt geht, mach ich mit.", sagte er dann und lächelte. Omis Gesicht hellte sich auf und er atmete erleichtert aus. Nagi grinste. Er wusste, wie nervös Omi wegen dieser Sache gewesen war und auch, dass er sich gewünscht hatte, dass Nagi bei ihnen einstieg. "Danke, danke, danke.", sagte Omi und grinste zurück. Er wusste nicht, wie knapp die Entscheidung für Weiß ausgefallen war, aber eigentlich konnte er sich gar keine andere Lösung vorstellen. Nagi ging es genauso, auch, wenn er das Omi nicht sagte. Er mochte Omi und mit Aya kam er auch gut aus. Obwohl das Zusammenleben mit Ken und Yoji noch nicht ganz reibungslos verlief, hatte Nagi keine Zweifel mehr, dass sich diese Differenzen auch noch geben würden. Und wenn er bei Weiß einstieg, hatte er damit doch die beste Möglichkeit, den beiden Zweiflern zu beweisen, dass er es ernst meinte. Also hatte er sich eben dafür entschieden. "Ha! Schon wieder gewonnen!", holte Omi Nagi aus seinen Gedanken und grinste ihn triumphierend an. "Tja ich bin einfach zu gut für dich...", schob Omi hinterher und grinste noch breiter. Nagi nahm es ihm nicht übel. Er wusste genau, dass Omi nur Spaß machte, auch, wenn er sich zu Anfang noch nicht so leicht darüber hinwegsetzen konnte. Er war nun mal Profi und es fiel ihm nicht leicht zu sehen, wenn jemand ihn schlug. Aber bei Omi war das schon OK. "Noch. Los, nächstes Spiel, ich muss trainieren.", befahl Nagi daher und startete einen neuen Battle. Omi nickte und summte leise vor sich hin, während er das neue Spiel vorbereitete. "Sag mal, hast du schon mal so richtig Weihnachten gefeiert?", fragte Omi plötzlich und hielt im Tippen inne. Nagi sah auf und zog fragend die Augenbrauen hoch. "Wie kommst du jetzt da drauf?", wollte er wissen und legte den Kopf schief. Omi lächelte und zuckte leicht die Schultern. "Immerhin ist jetzt schon Dezember...Also, hast du?" Nagi schüttelte den Kopf. "Feiert ihr immer zusammen?", fragte er interessiert und schob den Laptop etwas von sich. Omi tat es ihm gleich und verschränkte die Arme auf dem Bett. Dann legte er den Kopf darauf und sah Nagi weiter an. "Ja, eigentlich schon.", antwortete er und lächelte wieder. Nagi legte sich auf den Rücken und sah zur Decke. "So richtig mit Weihnachtsbaum und so?", fragte er weiter und Omi lachte. "Na klar, sonst ist's doch kein richtiges Weihnachten!", meinte er und grinste fröhlich. Er freute sich jetzt schon darauf. "Und wenn du jetzt eh zu uns gehörst, musst du mitfeiern.", sagte er dann noch, bevor Nagi die nächste Frage stellen konnte. Nagi drehte den Kopf zur Seite und sah Omi leicht irritiert an. "Naja...", murmelte er und grinste verlegen. Er hatte doch keine Ahnung davon, wie man richtig Weihnachten feiert. Omi schüttelte den Kopf und stützte sich auf die Ellbogen. "Nichts naja. Wirst schon sehen, das macht irre Spaß.", meinte er und strahlte Nagi an. "Muss ich euch dann auch was schenken?", fragte Nagi und klang irgendwie ängstlich. Omi kicherte, dann zuckte er die Schultern und setzte sich auf. "Das gehört natürlich dazu. Du kriegst auch was.", erwiderte er und lächelte. Nagi seufzte. "Ich glaub kaum, dass Ken und Yoji was von mir geschenkt bekommen wollen. Ganz davon abgesehen, dass sie garantiert nicht vorhaben, mir was zu schenken.", gab er zurück und betrachtete wieder die Decke. Omi zuckte erneut die Schultern. "Bis dahin kriegen die sich schon ein. Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe, da werden sie sich schon zusammenreißen.", prophezeite er grinsend und zwinkerte Nagi gut gelaunt zu. Nagi drehte sich wieder auf den Bauch und drückte Enter. "Also ich weiß nicht...", meinte er und rückte seinen Laptop zurecht. Aber Omi ließ sich nicht davon abbringen, dass Nagi mit ihnen feiern würde. "Das wird bestimmt lustig. Außerdem hat Ken vorher noch Geburtstag. Vielleicht schieben wir das irgendwie zusammen." Nagi seufzte. Das war ja wunderbar, dann musste er sich dafür auch noch was einfallen lassen. Ihm war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, Ken etwas schenken zu müssen. Nicht, dass er ihn nicht mittlerweile sympathisch fand, aber wie sollte ihm denn etwas einfallen, wo er ihn kaum kannte? "Wie soll das lustig werden? Du musst mir helfen, ich hab doch keine Ahnung, was ich schenken soll.", sprach Nagi seinen Gedanken aus und sah Omi wieder an. Aber der winkte nur ab. "Denk nicht soviel drüber nach. Ich bin sicher, dir wird was einfallen bis dahin und sonst helfe ich dir schon.", meinte er und startete das Spiel. Nagi seufzte noch einmal, sagte aber nichts mehr. Ihm blieb eh nichts anderes übrig. Wenn er bei Weiß leben wollte, musste er sich früher oder später ohnehin an die Geburtstage der vier gewöhnen und daran, dass sie eben nun mal feierten. Also konnte er auch gleich damit anfangen und sich jetzt schon mal überlegen, was er Ken schenken konnte. Sie spielten noch zwei Spiele und endlich gelang es Nagi, zu gewinnen. Er schaffte es, sich vorläufig von seinen trüben Gedanken abzulenken und wurde wieder fröhlicher. Gespielt schmollend, wegen seiner zwei Niederlagen, beschloss Omi dann, dass jetzt Schluss war mit spielen und sie stellten die Laptops beiseite. "Wollten die drei nicht um zwei zurücksein?", fragte Nagi, nachdem sie eine Weile schweigend und halb dösend auf dem Bett gelegen hatten. Omi blinzelte und nickte dann. Er grabschte sich den Wecker vom Nachttisch und schaute darauf. "Sieben vor...", sagte er und sah Nagi an. "Weißt du eigentlich, dass wir uns heute über zwei Stunden lang unterhalten haben?", fragte er und lächelte. Nagi nickte. "Ja und wir haben ganz schönen Schwachsinn gelabert.", grinste er und lächelte dann ebenfalls. Als Ken, Yoji und Aya zur Mission losgezogen waren, hatten Omi und Nagi sich auf Omis Zimmer begeben und irgendwie angefangen, sich über alles mögliche zu unterhalten. Nicht, dass das eigentlich etwas besonderes war, aber bis dahin waren sie nie weiter als ein paar Sätze gekommen, weil entweder Omi, oder Nagi nichts mehr eingefallen war. Das lag wahrscheinlich daran, dass Nagi immer noch relativ verschlossen war, sobald es darum ging, zu reden. Daher war der Abend heute wohl das beste Zeichen dafür, dass er sich langsam sicherer fühlte. Nagi gab sich Mühe, sich zu öffnen. Besonders, weil er mittlerweile eingesehen und verstanden hatte, dass alles, was von Aya und Omi kam, nur ehrlich gemeinte Sorge und Interesse war. Bei Yoji und Ken verhielt es sich noch anders. Mit Ken verstand Nagi sich inzwischen auch relativ gut, brachte es aber noch nicht bis zu einem ordentlichen Gespräch. Und seine Kontaktversuche mit Yoji beschränkten sich weitestgehend auf das nötigste, um sich zu verstehen. Der älteste Weiß machte keinen Hehl daraus, dass er mit Nagi immer noch nicht einverstanden war. Er brachte ihm keine Feindseligkeit entgegen, so empfand er auch nicht, aber er ließ ihn oft genug wissen, dass er es immer noch für falsch hielt, dass Nagi zu ihnen gehören sollte. Das ließ sich einfach nicht mit seinem Empfinden von richtig und falsch vereinbaren. Nagi konnte ruhig bei ihnen wohnen, dagegen hatte Yoji mittlerweile nichts mehr. Immerhin hatte er eingesehen, dass auch er Nagi nicht wieder auf die Straße setzen wollte. Aber mit dem Gedanken, dass Nagi zu Weiß gehören sollte, konnte und wollte er sich nicht anfreunden. Daher beließ er es lieber bei einer wohlgewählten Distanz, die es Nagi schwer machte, sich Yoji auf die gleiche Art und Weise zu nähern, wie Ken. Omi wusste, dass es für Nagi hart war, immer wieder abgewiesen zu werden. Besonders, wenn es nur darum ging, sich mal normal mit Yoji zu unterhalten. Deshalb war Omi umso erfreuter gewesen, als Nagi am Abend von sich aus begonnen hatte, mit Omi zu sprechen. Und als Omi dann merkte, dass sie nach einer Stunde immer noch redeten und redeten, ohne, dass ihnen langweilig wurde, war er innerlich schon fast euphorisch vor Freude. Und als sie dann nach zwei Stunden doch nichts mehr zum reden hatten, entstand kein peinliches Schweigen, wie die Male davor. Nagi schlug einfach vor, Omis neues Spiel auszuprobieren und Omi ging gleich darauf ein. Das war das Gute: sie teilten die meisten ihrer Interessen. Außerdem hatte Omi jetzt endlich mal einen würdigen Gegner, ein praktischer Nebeneffekt, den auch Nagi unbewusst wahrnahm. "Ich wüsste zu gerne, ob wir so ein Spiel auch selbst hinbekommen...", überlegte Nagi laut und sah zu Omis PC. Und weil sie nichts mehr zu tun hatten und die drei Weiß noch nicht zurückwaren, begannen Nagi und Omi eben gerade mal damit, sich ein neues Spiel zu entwickeln. Hätte Nagi einmal darüber nachgedacht, was er die ganze Zeit von sich wegschob, wäre ihm aufgefallen, dass er sich merkwürdig verhielt. Seit er im Haus gegenüber des Koneko eingezogen war, hatte er geglaubt, Omi sei Access Ghost. Aber er hatte nie danach gefragt. Dabei war es doch eigentlich genau das, was er endlich mal gerne gewusst hätte. Noch merkwürdiger war, dass Nagi den Drang, diese Frage endlich zu klären, mit der Zeit gar nicht mehr verspürte. Nach den letzten Tagen hatte er es sogar völlig vergessen. Er lebte einfach mit Weiß zusammen und irgendwie genoss er jeden Tag. Nicht bewusst, dafür gab es zu viele Unannehmlichkeiten im Zusammensein, aber unbewusst genoss Nagi sein neues Leben. Bewusst war ihm nur, dass er sich so, wie es jetzt war, wohl fühlte. Und dann war es doch egal, ob Omi nun Access war, oder nicht. Vielleicht dachte Nagi unbewusst so und vergaß deshalb, Omi danach zu fragen, vielleicht entschied er sich aber auch bewusst dagegen. Access war immerhin eine Figur aus der Vergangenheit, die unweigerlich auch mit Nagis unangenehmen Erinnerungen zusammenhing. Und wenn er Omi, oder Aya auf Access ansprach, würde er nicht umhin kommen, über mehr, als nur Access zu reden. Vielleicht tat er es auch deshalb nicht. Aus welchem Grund auch immer Nagi nicht mehr an Access dachte, es schadete jedenfalls nicht und Access Ghost war erst einmal vergessen. Auch Aya und Omi dachten nicht mehr an ihn. Wahrscheinlich aus einem der Gründe, aus denen Nagi vielleicht nicht mehr an ihn dachte. Was machte das noch für einen Unterschied. Selbst, wenn Access Ghost jemand ganz anderes wäre, wäre es jetzt egal. Um Punkt zwei Uhr stiefelten drei Paar Stiefel die Treppe zu Omis Zimmer nach oben. Aya, Ken und Yoji waren gut gelaunt, die Mission war reibungslos gelaufen und alles erledigt, was zu erledigen war. Ken klopfte bei Omi an und Nagi öffnete ihnen die Tür. "Alles klar?", rief Omi zur Begrüßung und drehte sich mitsamt Schreibtischstuhl zu den drei Heimkehrern um. Nagi setzte sich zurück an seinen Platz und wartete, dass die drei berichteten. "Es gab keinerlei Probleme, folglich ist alles bestens gelaufen.", fasste Aya kurz zusammen und setzte sich auf Omis Bett. Ken setzte sich ebenfalls und Yoji schloss die Tür und lehnte sich gegen die Wand. "Und bei euch?", wollte Ken wissen und schaute auf das Programm, das gerade über Omis Bildschirm lief. "Wir entwickeln ein Spiel.", erklärte Omi grinsend und tippte kurz einige Befehle ein. "Habt ihr euch amüsiert?", fragte Ken weiter und sah Nagi an. Erfreut, endlich mal direkt angesprochen zu werden, nickte Nagi und lächelte. "Ich hab endlich den Weg gefunden, Omi beim Battle zu schlagen.", antwortete er und grinste genauso fröhlich, wie Omi. Aya lächelte still. Es war erleichternd zu sehen, wie gut es Nagi inzwischen ging. "Und weil euch das dann zu langweilig wurde, habt ihr euch entschlossen, mal eben ein neues Spiel zu entwickeln?", fragte Ken weiter und erhob sich, um einen Blick auf das zu werfen, was Omi und Nagi auf dem PC veranstalteten. Die beiden nickten und grinsten sich an. "Wir sind eben Genies.", kicherte Nagi und versuchte grinsend, Ken zu erklären, was das Programm tat, das gerade ablief. Ken winkte nach wenigen Momenten grinsend ab. Gelegenheit für Yoji, sich zu verdrücken. "Also, es ist nach zwei. Findet ihr nicht auch, dass Omi und Nagi jetzt wirklich ins Bett sollten?", fragte er an Ken und Aya gewandt und grinste süffisant. Omi streckte ihm die Zunge heraus, nahm es Yoji aber natürlich nicht wirklich übel. So war er nun mal. Aya nickte. Zwar war der nächste Tag ein Sonntag und sie mussten nicht früh raus, trotzdem fand er, Omi und Nagi waren lange genug aufgewesen. "Ach Nagi, bleibt es dabei, dass ich dir morgen den Laden erkläre?", wollte Aya noch wissen, während Ken und Yoji schon in ihre Zimmer verschwanden. Aya hatte Nagi angeboten, falls er sich zum mitmachen entschied, ihm zu zeigen, wie im Koneko alles lief. Da Nagi sich jetzt ja entschlossen hatte, nickte er und lächelte. Omi schaltete den PC auf stand by, damit das Programm die Nacht über durchlaufen konnte und er und Nagi morgen weiterarbeiten konnten. "Gut, dann hol ich dich um halb elf ab und wecke euch beide, falls ihr dann noch nicht wach seid.", schloss Aya und verließ ebenfalls das Zimmer. Nagi schloss die Tür hinter ihm und setzte sich dann zu Omi, der es sich auf dem Bett bequem gemacht hatte. Erst hatte Nagi in Omis Bett geschlafen und der auf einem Futton auf dem Boden. Dann hatte Aya gemeint, Nagi bräuchte ein eigenes Bett, aber da hatten Nagi und Omi beschlossen, dass sie genauso gut in einem Bett schlafen konnten. Das war viel lustiger, wie sie festgestellt hatten. Und Nagi hatte wieder jemanden, neben dem er schlafen konnte. "Bist du müde?", fragte er Omi jetzt und sah zu ihm. Omi schüttelte den Kopf. "Spielen wir noch mal?", fragte Nagi weiter, während Omi sich aus seinen Klamotten schälte und sich seinen Pyjama anzog. "Klar. Ich bau auf, während du dich umziehst, OK?", gab Omi lächelnd zurück und schnappte sich schon die Laptops und Kabel, um alles spielbereit zu machen. Nagi nickte und verschwand kurz im Bad. Er hatte sich von Anfang an lieber da umgezogen und Omi hatte Verständnis dafür. Nagi war ihm im Stillen dankbar, dass Omi es einfach akzeptiert und keine Fragen gestellt hatte. Als Nagi wiederkam, stand bereits alles fertig auf dem Bett und Omi saß am Kopfende, gemütlich in die Kissen gekuschelt und einen der Laptops auf dem Schoß. "Wenn ich dich noch einmal schlagen kann, kann ich ruhig schlafen.", sagte er und grinste Nagi fröhlich zu, der sich neben Omi ins Bett kuschelte und sich den zweiten Laptop nahm. "Na dann fröhliche Alpträume.", grinste Nagi verschmitzt zurück und rutschte in eine bequemere Position. Omi lachte leise und streckte Nagi ungesehen die Zunge heraus. Sie spielten nur ein Spiel, weil Omi dieses gewann und danach nicht riskieren wollte, das nächste zu verlieren. Nagi schimpfte ihn lachend einen Feigling, aber Omi ließ sich nicht beirren und räumte die Sachen beiseite. Dann krabbelte er wieder zu Nagi ins Bett und der löschte das Licht. "Ich finds echt cool, dass du ja gesagt hast.", flüsterte Omi nach einer Weile leise und sah zu Nagi, der schon mit geschlossenen Augen dalag. Nagi blinzelte und lächelte Omi kurz zu. "Danke.", gab er, ebenfalls flüsternd, zurück und zog die Bettdecke etwas höher. Omi lächelte zufrieden und legte sich, wohlig seufzend, auf die Seite, auf der er immer schlief. Nagi betrachtete noch einen Augenblick lang Omis Rücken, dann drehte er sich auf die andere Seite und schloss die Augen wieder. Am nächsten Morgen um Punkt halb elf klopfte Aya gegen Omis Tür. Nagi öffnete fast augenblicklich und strahlte Aya entgegen. "Kann losgehen!", rief er, gut gelaunt und trat aus dem Zimmer. Aya lächelte und sah an Nagi vorbei, ins Zimmer. Omi saß angezogen vor dem PC und arbeitete wohl weiter an seinem und Nagis Spiel. "Gut, dann gehen wir.", sagte Aya dann und ging mit Nagi zum Koneko. Ein freier Sonntag war wohl am besten geeignet, um Nagi den Ablauf ihrer täglichen Arbeit zu erklären. Im Laden angekommen, zeigte Aya Nagi zunächst noch einmal, wo sich in der Regel was befand. Nagi war zwar schon des öfteren mit hergekommen und hatte etwas ausgeholfen, aber wirklich eingewiesen worden war er noch nicht. Daher konnte es nicht schaden, wenn Aya das jetzt tat. Nachdem sie sich das Gewächshaus angesehen hatten, kam Aya zu den Lieferungen. "Übrigens freu ich mich auch, dass du dich entschlossen hast, einzusteigen.", sagte er möglichst beiläufig, während er Nagi erklärte, nach welchem Plan die Lieferungen ausgefahren wurden. Nagi sah von einem Stapel Lieferscheine auf, die er sich durchsah und legte leicht den Kopf schief. "Danke...", murmelte er und lächelte. Aya nickte und kam dann wieder zurück zu seinen Erklärungen. Nagi schmunzelte, ließ Aya aber nicht merken, dass er sich ehrlich darüber gefreut hatte, eine derart offene Sympathiebekundung von dem Weiß Leader zu hören. Aya war Nagi gegenüber zwar weit freundlicher, als er es mit den anderen Mitgliedern von Weiß hielt, dennoch war es selten, dass er mal wirklich etwas sagte. Meistens sah Nagi nur an Ayas Gesten, dass der Rotschopf sich bei Nagi mehr Mühe gab. Immerhin lächelte er Nagi an, das hieß schon etwas. Nagi bekam von Aya einige Hilfestellungen im Binden von Gestecken und was er sonst noch wissen musste, um gut einsteigen zu können. Dann unterbrach Aya die Lehrstunde, um mit Nagi zum Frühstück zu gehen. Danach wollten sie weitermachen. Nagi war sehr interessiert bei der Sache und begriff schnell, wie Aya es nicht anders erwartet hatte. Sie kamen gut zurecht und Aya war sich sicher, dass dieser eine Tag ausreichen würde, um Nagi beizubringen, was er wissen musste. Die Kleinigkeiten ergaben sich dann schon, wenn er erst mal im Laden angefangen hatte. "...es echt nett von dir, dass du dir solche Mühe mit mir gibst." Aya runzelte die Stirn und sah Nagi an. Er hatte nicht wirklich mitbekommen, was der Jüngere gesagt hatte, aber auch aus dem halben Satz ließ sich die Bedeutung noch ableiten. Aya schüttelte den Kopf. "Das ist selbstverständlich.", spielte er sein Engagement herunter und lächelte leicht. Aber Nagi fand das nicht. "Für Omi vielleicht, aber nicht für Ken und Yoji.", meinte er und Aya musste einsehen, dass Nagi rechthatte. Aber das sagte er nicht laut. Er nahm nur den Weg zur Küche wieder auf, den er kurzzeitig unterbrochen hatte und setzte sich dort an den noch gedeckten Tisch. Nagi lächelte vor sich hin und setzte sich Aya gegenüber. Yoji schlief noch, Ken war schon lange weg zum Fußballspielen und Omi war auch nicht mehr in der Küche. Das war das erste Mal, dass Nagi mit Aya alleine aß. Er fand die Situation etwas gewöhnungsbedürftig, hauptsächlich, weil Aya kein Wort sagte. "Wann wird mein Einstieg bei euch offiziell?", fragte Nagi daher, weil er einerseits die merkwürdige Stille durchbrechen und andererseits sowieso wissen wollte, wann er sich auf den Stress gefasst machen sollte. Aya sah von seiner Tasse Kaffee auf und stellte sie beiseite. "Ich denke wir klären das, sobald du bereit dazu bist...", antwortete er nachdenklich und sah Nagi an. Der nickte langsam und schwieg. "Bist du's?", fragte Aya und lächelte wieder ein wenig. Nagi sah ihn an und grinste schief. "Wenn ich das mal wüsste...", erwiderte er und seufzte leise. Aya zuckte die Schultern. "Je schneller, desto besser, schätze ich. Wenn herauskommt, dass du schon zwei Monate bei uns lebst, ohne, dass wir was davon gesagt haben, wird das ganze wohl nur schlimmer." Nagi nickte. Das sah er ein. "Also so bald wie möglich.", stimmte er zu, klang aber nicht sehr begeistert. Aya nahm seine Tasse wieder und trank ein paar Schlucke. Dann stellte er sie wieder weg und sah Nagi an. "Ich werde das arrangieren und dir Bescheid sagen, sobald ich weiß, wann, einverstanden?", wollte er wissen und sah zufrieden, dass Nagi nickte. Anscheinend stand Nagis Entschluss so sicher, dass er sich schon jetzt ein wohl ziemlich strapaziöses Gespräch zutraute und das war in Ayas Augen ein gutes Zeichen. "Aber nicht erst im letzten Augenblick bitte.", bat Nagi und grinste ein wenig. Aya nickte und griff das Grinsen auf. Dann kehrte wieder Stille ein und die beiden jungen Männer aßen schweigend zuende. Als Omi am späten Mittag in sein Zimmer kam, hatte Aya die Lehrstunde mit Nagi beendet und Nagi lag bäuchlings auf dem Bett und hatte die Augen geschlossen. Verwirrt stellte Omi fest, dass er wohl geweint hatte, seine Wangen waren nass und die Augen, die ihm jetzt ertappt entgegenstarrten waren gerötet. Nagi wischte sich über das Gesicht und wurde rot. "Was ist passiert?", fragte Omi sofort, schloss die Tür und setzte sich zu Nagi aufs Bett. Aber der schüttelte nur den Kopf, anstatt zu reden und setzte sich auf. "Schon gut.", winkte er ab und lächelte. Diesmal schüttelte Omi den Kopf und legte Nagi eine Hand auf die Schulter. "Sag schon.", verlangte er mit fester Stimme und neigte den Kopf, um Nagi in die Augen sehen zu können. Mehr als ein Seufzen bekam er nicht zur Antwort und Nagi schob Omis Hand beiseite. "Lass schon...", bat Nagi leise und ließ den Kopf hängen. Aber Omi ließ nicht locker. Nagi war sein Freund und wenn es ihm schlecht ging, half nur reden. "Nein. Du kennst mich, ich lauf dir solange hinterher, bis ich weiß, was los ist. Also sag's mir gleich.", gab Omi zurück und stupste an Nagis Schulter. Der seufzte wieder und sah dann auf. Ja, so gut kannte er Omi wirklich. "Es ist nichts. Ich hab bloß an Schu gedacht.", sagte er dann, immer noch kaum hörbar und senkte seinen Blick wieder zu Boden. Omi lächelte. Er hatte schon gedacht, es wäre irgendetwas passiert, aber ein wenig Heimweh konnte man ja heilen. "Ist doch normal, dass du ihn vermisst. Das geht wieder vorbei.", gab Omi zurück und nahm seinen Freund in den Arm. Nagi seufzte und ließ sich gegen Omi fallen. Gut, dass er sich inzwischen daran gewöhnt hatte, sich von Omi drücken zu lassen. Immer, wenn es Nagi mal wieder mies ging, kam Omi gleich daher und drückte Nagi solange, bis es ihm besser ging. Darauf war Verlass. "Soll ich ihn denn einfach vergessen?", fragte Nagi fast verzweifelt und musste doch wieder schluchzen. Schuldig war ihm nach dem Frühstück mal wieder eingefallen und Nagi hatte es einfach nicht geschafft, sich davon wieder abzulenken. Er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte, dass er den Deutschen wahrscheinlich nicht würde wiedersehen können. Omi schüttelte auf Nagis Frage den Kopf und strich beruhigend über seinen Rücken. Das half immer und auch jetzt gelang es Nagi, wenigstens die Schluchzer unter Kontrolle zu bekommen. "Natürlich sollst du ihn nicht vergessen...", antwortete Omi und überlegte, was Nagi denn dann tun sollte. "Ich kann verstehen, dass er dir fehlt...Und ich glaub es ist auch gut so, dass du an ihn denkst mein ich...Du solltest dir nicht zu viele Gedanken machen, das wird schon wieder.", wiederholte Omi, was er schon einmal gesagt hatte und sah Nagi an. Die Frage nach Schuldig hatte Omi sich zwar gestellt, aber bis jetzt war Nagi noch nicht damit herausgerückt. Omi hatte sich schon gewundert, ob Nagi denn gar nicht mehr an den Deutschen dachte und auch Aya hatte Omi einmal gefragt, ob Nagi nie ein Wort über Schwarz verlor. Nagi beruhigte sich selber und lehnte seinen Kopf an Omis Schulter. "Er hat wegen mir sicher großen Ärger bekommen.", sagte er dann leise und schloss die Augen. Omi wand seinen Blick von Nagi und sah auf den Boden. Daran hatte er auch schon gedacht. Wenn man sich die Situation überlegte, in der Nagi Schuldig zurückgelassen hatte, konnte einem als Resultat doch nichts anderes einfallen, als großer Ärger. Das musste man sich mal überlegen: Crawford war tot und Nagi war weggelaufen. Der Einzige, der noch da war, war Schuldig und woher sollte man wissen, ob er nicht Schuld an allem hatte? OK, da war noch Farfarello, aber wirklich zählen konnte man den dabei wohl nicht. "Vielleicht ist er schon tot!" Nagi klang erschrocken, so, als ob er gerade eben erst daran gedacht hätte, was mit Schuldig alles passiert sein konnte. "Vielleicht ist er schon längst tot und Farfi auch und ich weiß es nicht!" Omi runzelte die Stirn und schob Nagi etwas von sich. Er wurde ja schon hysterisch. "Hör auf damit, das ist doch Spinnerei.", sagte Omi daher fest und sah Nagi ernst an. Der beruhigte sich auch gleich wieder. Er sah ja selber ein, dass es verrückt war, sich so etwas einzureden. "Entschuldige...", murmelte er daher und lächelte Omi bittend an. Der nickte und lächelte auch schon wieder. "Jetzt beruhig dich mal wieder, OK?", sagte Omi leise und zog Nagi wieder an sich. Nagi nickte leicht und schmiegte sich an Omi. Weiß' Jüngster war manchmal doch etwas erstaunt, dass Nagi sich ihm so öffnete. Wo doch gerade sie sich bisher immer am meisten überhaupt verabscheut hatten. Aber Omi nahm es hin und freute sich, dass Nagi anscheinend endlich Feind gegen Freund getauscht hatte. "Weißt du was? Wir legen uns jetzt ins Bett und sehen uns den Film noch mal an, was meinst du?", fragte Omi lächelnd und stand auf. Nagi sah auf und nickte. Er wischte sich ein letztes Mal über das Gesicht, dann rutschte er zum Kopfende des Bettes und krabbelte unter die Decke. Omi schaltete den Fernseher an, das Videoband war noch im Rekorder, weil Omi und Nagi sich diesen Film ohnehin mindestens einmal die Woche ansahen und ihnen nichts anderes unter die Finger kam. Es war ein älterer Film, viel Action, schlecht gemachte Tricks und ein paar schleimige Monster, bei denen man sich nicht wundern würde, wenn man hinten den Reißverschluss des Kostüms entdecken würde. Omi hatte das Band entdeckt, als er mit Nagi seinen Schrank durchwühlt hatte, auf der Suche nach ein paar Klamotten, die Nagi vielleicht von Omi bekommen konnte. Zuerst war es reine Neugierde gewesen, sich den alten Film anzuschauen, dann entwickelte sich zwischen Omi und Nagi eine Art Ritual daraus. Sie kannten den Film beide schon auswendig und konnten mehr als nur eine Szene des Textes wortgetreu mitsprechen. Trotzdem gab es jedes Mal gleich viel zu lachen und es wurde ihnen nicht langweilig, dasselbe immer und immer wieder zu sehen. Eigentlich hasste Nagi solche Billigfilme, aber irgendwie hatte er bei diesem immer riesig viel Spaß, wenn er ihn mit Omi anschaute. Es war verrückt und wahrscheinlich ziemlich kindisch, aber das machte Nagi und Omi wenig aus. Also kuschelten sie sich, vorfreudig grinsend, ins Bett und starrten gebannt auf das Fernsehbild. Das wird ihn wieder aufheitern..., dachte Omi und sah zufrieden, dass Nagis Gedanken schon mehr bei dem Film, als bei Schuldig und Farfarello waren. Drei Tage später stand das erste Treffen von Nagi und Manx kurz bevor. Der ehemalige Schwarz saß mit Omi im Blumenladen und versuchte, sich zu beruhigen. Aya, Yoji und Ken waren ebenfalls da, arbeiteten jedoch weiter, wie immer. Nur Aya warf ab und zu einen kurzen Blick zu den zwei Jüngsten. Es war Mittwoch Nachmittag und der größte Kundenansturm war bereits vorüber, sodass genug Zeit war, um sich zu unterhalten. Nagi war nervös. "Und wenn ich doch was falsches sage? Was, wenn sie's uns nicht abkauft?", fragte er Omi gerade und seufzte tief. Omi sah Nagi nicht oft so aufgeregt und das half nicht gerade, um sich selbst zu beruhigen. Er war mindestens so aufgewühlt, wie Nagi. "Du machst mich ganz verrückt.", grummelte er deshalb leise und knuffte Nagi in die Seite. "Du wirst schon das Richtige sagen, immerhin musst du nur die Wahrheit erzählen, das wirst du schon schaffen.", meinte er dann halbwegs beruhigend und lächelte Nagi zu. Der ließ sich aber nicht wirklich darauf ein und seufzte nur wieder. Er hatte Angst davor, was passieren würde, wenn er sich nicht überzeugend genug geben konnte. "Omi hat recht. Mach dich nicht verrückt, dann geht wirklich noch was schief.", sagte jetzt Aya, der an Omi und Nagi herangetreten war. Er stellte den Blumentopf beiseite, den er gerade bestückte und setzte sich neben Nagi auf die Theke. "Du machst das schon. Und ich bin auch noch da.", fuhr Aya fort und lächelte. Nagi nickte schwach und bemühte sich, ebenfalls zuversichtlich zu lächeln. Es gelang ihm nicht wirklich, aber wenigstens brachte es ihn schon weiter, sich darauf zu konzentrieren. "Vielleicht gehst du jetzt lieber noch rüber, Omi wird dich dann holen, OK?", fragte Aya und sah Nagi an. Der nickte, stand auf und schlich mit hängenden Schultern ins Haus gegenüber. Omi und Aya hatten beschlossen, dass es wohl besser war, wenn Manx Nagi nicht gleich zu Gesicht bekam, wenn sie den Laden betrat. Omi sah Aya an und verschränkte die Arme, um zu vergessen, dass seine Hände zitterten. Als Aya den Blick des Jüngeren bemerkte, lächelte er auch Omi aufmunternd zu. "Wird schon.", meinte er und nahm den Blumentopf wieder zur Hand. "Ich dachte immer, ich wäre der Optimist hier...", murmelte Omi und Aya grinste. Ja, er hatte sich in letzter Zeit anscheinend angewöhnt, jeden hier aufzumuntern. Das war doch sonst nicht seine Art. Aya topfte eine Blume um und strich die Erde glatt, Omi sah ihm gedankenversunken zu und seufzte leise vor sich hin. Ken und Yoji unterhielten sich, während sie im Gewächshaus die neugelieferten Blumen einsortierten. Obwohl man wohl eher sagen sollte, dass sie stritten. Ken konnte und wollte Yojis Standpunkt nicht begreifen. "Du wärst doch froh, wenn Manx ausrastet und Nagi abschlachten lässt, oder etwa nicht?!", warf Ken dem ältesten Weiß Mitglied gerade vor und sah von ein paar Töpfen auf. Yoji schüttelte leicht den Kopf und erwiderte den Blick etwas genervt. "Das hab ich dir jetzt hundertmal erklärt. Es geht doch nicht darum, dass ich Nagi nicht hier haben will, sondern darum, dass er nicht zu Weiß passt. Siehst du das immer noch nicht ein?", gab er ruhig zurück und sah Ken an. Der schüttelte seinerseits den Kopf und schaute wütend. "Nein, es geht doch nur darum, dass du ihn nicht dabeihaben willst!", feuerte er zurück und verschränkte die Arme. Yoji kicherte kurz, dann schaute er wieder ernst. "Schwachsinn.", entschied er knapp und arbeitete weiter. "Warum willst du ihm dann einfach keine Chance geben, huh?", wollte Ken wissen und schob ein paar Töpfe hin und her, um Yoji nicht ansehen zu müssen. "Weil er einer von Schwarz ist. Und nur, weil er jetzt hier lebt, heißt das noch lange nicht, dass er sich vollkommen geändert hat!", gab Yoji jetzt etwas gereizt zurück und lehnte sich aufseufzend gegen einen der Tische voller Blumen. Ken sah nun doch auf und schob seine Arbeit ebenfalls einen Moment beiseite. "Du bist so verbohrt! Woher willst du wissen, ob er sich geändert hat, wenn es dich überhaupt nicht interessiert?", verlangte er zu wissen und sah Yoji herausfordernd an. "Was soll das heißen, es interessiert mich nicht?", fragte Yoji zurück und runzelte die Stirn. Ken schüttelte verständnislos den Kopf. "Hast du überhaupt schon einmal mehr als zwei Worte mit ihm gewechselt? Du hast doch noch nicht einmal ernsthaft mit ihm gesprochen. Woher willst du dann wissen, dass er nicht wirklich meint, was er sagt?" Kens Wangen waren vor Aufregung gerötet. Er war ja genauso gewesen, wie Yoji, aber mittlerweile hatte er eingesehen, dass Nagi es ernst meinte. Und deshalb konnte er es nicht ertragen, dass Yoji alles nur aus seiner Sicht sah. Ihm schien es ja vollkommen egal zu sein, was Nagi deshalb durchmachte. Yoji schwieg und sah Ken nur etwas fragend an. Er verstand nicht, warum Ken so einen Aufstand deswegen machte. Sollte er Yoji doch denken lassen, was er wollte, Ken konnte doch trotzdem Nagis bester Freund werden, fand Yoji. Aber Ken war noch nicht fertig. "Bevor du ihn fertig machst und ihm vorwirfst, dass er sich nur einschleichen will, sich alles nur ausgedacht hat, was er erzählt hat und uns hinterlistig abstechen will, solltest du ihm mal zuhören! Oder vielleicht reicht es schon, wenn du ihn nur mal ansiehst! Hast du ihn schon mal richtig angesehen? Huh?" Ken schaffte es, nicht zu schreien. Er wusste, dass Yoji sich dann sowieso gleich vollkommen taub stellen würde und dann würde er gar nichts erreichen. Yoji schwieg immer noch und sah Ken nur leicht verwirrt an. "Du glaubst wohl, wir alle spinnen und nur du hast den Durchblick, huh?" Ken schüttelte fassungslos den Kopf, als er von Yoji immer noch keine Reaktion bekam. "Denk doch mal nicht nur an dich!" Kaum hatte Ken das ausgesprochen, tat es ihm schon wieder leid. So hart hatte er nun doch nicht sein wollen. Aber wenigstens kam jetzt endlich eine Reaktion. "Nur an mich? Nur an mich?!", fragte Yoji und runzelte wütend die Stirn. Jetzt hatte Ken es geschafft, Yoji fühlte sich persönlich angegriffen. "Ich denke überhaupt nicht nur an mich, du Spinner!", fuhr er Ken an, der reflexartig zurückzuckte, als Yoji ihn so anfauchte. "Es geht um uns, verstanden? Was, wenn es schief geht, huh? Dann hängen wir alle drinnen und kommen nicht mehr so leicht raus, das weißt du genau!" Yoji atmete einmal tief durch und zwang sich, nicht mehr zu schreien. Genau wie Ken wusste er, dass man damit nur negative Reaktionen provozierte. "Wenn wegen Nagi alles zerstört wird, was sagst du dann? Sagst du dann immer noch ,Hey, alles cool, immerhin haben wir ihm ne Chance gegeben.' ?" Yoji sah Ken an und wartete auf eine Antwort. Aber er bekam keine. Ken schluckte nur einmal und blieb still. Dann drehte er sich weg, sah kurz zur Seite und nahm dann seine Arbeit wieder auf. Yoji runzelte irritiert die Stirn, blieb noch einen Moment wo er war, drehte sich dann schulternzuckend ebenfalls weg und trat an einen anderen Tisch, um Ken nicht mehr in die Quere zu kommen. Hatten sie sich schon jemals so heftig gestritten, dass sie hinterher nicht mehr miteinander redeten? Yoji konnte sich an kein Mal erinnern und irgendwie beunruhigte ihn das. Aber es bestätigte ihn auch in seiner Theorie. Nagi säte nur Misstrauen und Streit, das sah man doch wohl. Jetzt hatte Yoji sich mit Ken gestritten und keiner sagte mehr ein Wort. Und alles nur, wegen Nagi. Ken starrte krampfhaft auf seine Blumentöpfe und hatte irgendwo tief in sich das Gefühl, gleich zu heulen. Er hatte Yoji doch nur erklären wollen, dass Nagi auch eine Chance verdient hatte. Nicht mit dem, was er bisher getan hatte, nicht mit dem, was Schwarz getan hatte. Aber Nagi war freiwillig zu ihnen gekommen, oder nicht? Er hatte Crawford erschossen und seine Freunde zurückgelassen, um neu anzufangen, oder nicht? Irgendwie tat es Ken fast weh, dass Yoji das alles nicht zu sehen schien. Aber was er gesagt hatte, tat Ken nicht leid und deshalb entschuldigte er sich nicht. Und weil auch Yoji sich nicht entschuldigte, war für Ken das Thema Gespräch erst einmal beendet. Yoji wollte nicht, dass ,Manx ausrastete und Nagi abschlachten lässt', wie Ken es ausgedrückt hatte. Warum verstand nur keiner, dass er doch nur wollte, dass eine andere Lösung gefunden wurde, als Nagis Einstieg bei Weiß? Das konnte doch nicht so schwer sein. Er konnte doch ganz einfach mit Omi zur Schule gehen, ihnen im Blumenladen helfen, oder sonst wo arbeiten, oder meinetwegen auch Freizeit haben und wenn sie auf Missionen gingen, blieb Nagi zu Hause. Das war doch wohl machbar, oder etwa nicht? Nur, weil er Telekinese beherrschte und ein ebensolches Genie am PC war, wie Omi, musste er sich doch nicht gleich bei ihnen einmischen, oder etwa doch? Und warum waren die anderen überhaupt so heiß darauf, Nagi in ihrem Team zu haben? Nur der Wille, ihm eine Chance zu geben, konnte es doch wohl nicht sein. Yoji sah den Fehler in seinen Ansichten nicht ein. Warum Ken, Aya und Omi Nagi bei Weiß dabeihaben wollten, war allerdings eine gute Frage. Omi wollte es, weil Nagi sein Freund war, ganz einfach. Er wusste, was Nagi konnte und sie waren eindeutig auf derselben Wellenlänge. Deshalb wusste Omi auch, dass es Nagi mehr als schwer fallen würde, seine alte Tätigkeit aufzugeben, um etwas vollkommen anderes anzufangen. Außerdem hatte er mit Nagi auch über dessen Gründe gesprochen, warum er bei Schwarz gewesen war. Von daher hatte Omi wohl am meisten Hintergrundwissen und auf jeden Fall genug davon, um sagen zu können, dass für Nagi der Einstieg bei Weiß am sinnvollsten war. Als angenehmen Nebeneffekt sah Omi natürlich auch, dass er dann wesentlich weniger Arbeit haben würde und sie weit schneller vorankommen würden, wenn Nagi als Hacker für sie arbeitete. Aber für Omi war der wesentliche Grund, dass es Nagi gut gehen würde, wenn er bei Weiß war. Aya wollte es, weil er wusste, was Omi wusste und, weil auch er Nagi mochte. Für ihn spielte der praktische Teil und der Gewinn, den Weiß mit Nagi machen würde zwar eine größere Rolle, als für Omi, aber auch bei Aya überwiegte das Gefühl, dass es einfach gut für Nagi war. Und, das kam für Aya noch hinzu, wenn Nagi sich wohlfühlte, konnte sich das nur gut auf das Team auswirken. Ken wollte es, weil er glaubte, den zweiten Grund zu kennen, warum Nagi selbst gesagt hatte, er wolle mitmachen. Ken wusste nicht alles über Nagis Vergangenheit, Nagi hatte ihm selbst ein wenig erzählt und etwas wusste er von Omi, aber für ihn war etwas anderes aussagekräftiger. Ken hatte verstanden, dass Nagi sich Mühe gab, sich gut einzugliedern. Nagi wusste, dass er würde kämpfen müssen, um das Vertrauen, aber auch die Anerkennung von Ken und Yoji zu bekommen, damit es möglich wurde, dass sie als Team harmonierten. Und Ken hatte begriffen, dass es für Nagi die beste Chance war, sich und seine Glaubwürdigkeit zu beweisen, wenn er Weiß half. Seinen ehemaligen Feinden. Und Ken fand, dass Nagi damit rechthatte. Wenn er gut und vertrauensvoll für Weiß arbeitete, bewies er damit, dass er wirklich die Seiten wechseln wollte. Ken wollte Nagi also wirklich einfach die Chance geben, neu anzufangen und alles noch übriggebliebene Misstrauen zu zerstreuen. Tja und Yoji wollte es nicht, weil er Angst hatte, dass etwas schief ging. Er hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass er nichts dagegen hatte, wenn Nagi bei ihnen lebte, mit ihnen lebte. Er verstand, dass es für Nagi schwer war, nach dem, was er erlebt hatte, wieder Fußzufassen. Aber Yoji wollte für Nagis Neuanfang nicht den Fortbestand von Weiß, oder gar ihre Leben aufs Spiel setzen. Aya und Omi waren verantwortlich dafür, dass Nagi jetzt hier war, aber Ken und Yoji steckten schon längst mit drin. Wenn jemand zur Verantwortung gezogen werden würde, würden sie es alle sein und nicht nur Omi und Aya. Ken und Yoji hatten stillschweigend zugesehen und es zugelassen und Yoji wusste, dass Persia davon ausgehen würden, dass sie es folglich auch gebilligt hatten. Yoji glaubte, dass sie vielleicht sogar noch Verständnis dafür erwarten konnten, dass sie Nagi aufgenommen hatten. Vielleicht. Möglicherweise. Eventuell. Aber Persia würde auf keinen Fall gutheißen, dass ein ehemaliger Schwarz sich in sein Team schlich. Und die Konsequenzen würde Weiß zu tragen haben und nicht in erster Linie Nagi. Yoji wollte für Nagi nicht riskieren, dass er, oder einer der anderen drei Schaden nahm. Chance hin, neues Leben her. Als Manx dann kam, half Ken Aya und Omi gerade beim Sträußebinden und Yoji war noch immer im Gewächshaus. Omi holte ihn, als Ken sich auf seine Bitte hin nicht zu Yoji bewegen wollte. Sie gingen in den Keller und Manx übergab ihnen ihre neue Mission. Aya wartete, bis klar war, dass sie alle mitmachen würden, dann bat er Manx, die gehen wollte, zu warten. "Ich muss noch etwas anderes besprechen...", begann er und nickte Ken, Yoji und Omi zu. Letzterer erhob sich nur langsam, während Ken und Yoji schon nach oben verschwunden waren. Omi sah Aya an, der nickte ihm zu und Omi verschwand seufzend, um Nagi zu holen. "Worum geht es denn?" Manx hatte sich etwas erstaunt zu Aya gedreht, einen Fuß schon auf der Treppe. Aya bat sie, sich doch noch zu setzen, das würde wahrscheinlich etwas länger dauern. Manx runzelte die Stirn, setzte sich aber und sah Aya erwartungsvoll an. "Ich hoffe, es ist wichtig...", forderte sie, lächelte aber. Aya nickte und lehnte sich Manx gegenüber an die Wand. "Es geht um Schwarz.", begann er und verfolgte Manx' Reaktion. Sie sah nur weiter interessiert zu ihm, also fuhr Aya fort. "Habt ihr in letzter Zeit etwas von ihnen gehört?", fragte er, um Manx in das Gespräch einzubinden. Er hatte das Gefühl, dass es besser war, wenn er Manx nicht einfach unbeteiligt alles erzählte. Manx schüttelte den Kopf. "Nicht, seit sie eure Mission erledigt haben.", antwortete sie und für einen Moment huschte ein kleines amüsiertes Lächeln über ihre Lippen. Aya lächelte ebenfalls, aber auch nicht länger, als einen Augenblick. "Nun das liegt daran, dass sie wohl nicht mehr aktiv sind.", rückte er heraus und sah Manx weiter, äußerlich ungerührt an. Manx runzelte die Stirn, ließ sich ihre Verwunderung aber nicht wirklich anmerken. "Was soll das heißen?", fragte sie nach und setzte sich zurecht. Das wurde ja wirklich interessant. Niemand hatte etwas davon mitbekommen, was mit Schwarz war. Woher wusste also Aya etwas? "Es gibt mehrere deutliche Umstände, die darauf hinweisen. Ich fasse zusammen.", leitete Aya das alles entscheidende ein und verschränkte die Arme, um sich selbst etwas Standfestigkeit und Ruhe zu verschaffen. Manx nickte und lächelte abwartend. "Nun zum einen ist Brad Crawford verschieden, er wurde erschossen. Und zum zweiten ist Nagi Naoe weggelaufen und ward nicht mehr bei Schwarz gesehen. Übrig sind noch Schuldig und Farfarello, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie zu zweit weitermachen.", schloss Aya und sah mit gemischten Gefühlen, wie sich Manx' Gesichtsausdruck veränderte. "Woher willst du das wissen? Wissen die anderen auch davon?", wollte Manx wissen und wechselte ihren Ausdruck wieder zu sachlich interessiert. Aya nickte. "Ja sie wissen es." Er sah zur Treppe. "Und zu der Frage, woher...nun, da muss ich wohl etwas hervorholen, um meine Glaubwürdigkeit zu unterstützen.", sagte er und musste trotz der ernsten Situation leicht grinsen. Rasch drehte er sich weg und ging zur Treppe. Manx drehte den Kopf und sah Aya hinterher. "Omi?", fragte Aya und gleich darauf kam Omi die Treppe herunter, dicht gefolgt von Nagi, der mehr als unangenehm berührt dreinsah. Manx blieb beim Anblick des jungen Schwarz die Frage, die sie hatte stellen wollen, im Halse stecken und sie schnappte einen Moment erschrocken nach Luft. Im nächsten Moment sprang sie auf die Füße und wich einen Schritt zurück, taumelte gegen die Wand und sackt ein Stück daran herunter. Omi seufzte bedrückt und Nagi sah zu Boden. Nur Aya hatte sich noch im Griff. Er ging zu Manx, hielt ihr seine Hand hin und lächelte. "Auch wenn das jetzt sehr unlogisch klingt, es ist alles in Ordnung.", sagte er ruhig, aber Manx ging nicht einmal ansatzweise darauf ein. "Was zum Teufel denkt ihr euch dabei?!", fuhr sie Aya an und ihr schockierter Gesichtsausdruck wurde von zornfunkelnden Augen und verkniffenen Lippen vertrieben. Und damit begann das längste und zermürbendste Gespräch, Gezanke, Geschrei, oder wie auch immer man dazu sagen wollte, dass Manx jemals hatte führen müssen. Ken und Yoji saßen vor der Kellertür auf dem Boden und warteten. Ken hatte sich gleich dorthin gesetzt, Yoji dagegen hatte sich erst eingeredet, dass ihn nicht interessierte, was dabei herauskam und hatte sich wieder in den Laden begeben. Dann war er doch zu Ken getapert und hatte sich neben ihn gesetzt. Jetzt starrten sie gemeinsam auf den Fußboden und waren nervös. Sie konnten nicht verstehen, was unten gesagt wurde, aber dass es die meiste Zeit nicht sehr freundlich und verständnisvoll klang, war herauszuhören. "Klingt nicht gut, hm?", fragte Ken nach ein paar Minuten leise und schielte zu Yoji. Er war noch immer nicht über ihren Streit hinweg, aber er hielt auch das Anschweigen nicht aus. Yoji grummelte erst etwas, dann seufzte er und schüttelte den Kopf. "Klingt ziemlich übel.", meinte er und Ken nickte. Dann schwiegen sie wieder. Nach einer Weile brachte Yoji heraus, was er sich die ganze Zeit verkniffen hatte. "Tut mir leid, dass ich dich so angemacht hab, war eigentlich gar nicht meine Absicht.", murmelte er leise und sah Ken nicht an. Aber Ken sah auf und lächelte sofort. "Schon gut, mir tut's auch leid. Das wir uns drüber streiten hilft sowieso nicht weiter.", entgegnete er sofort und knuffte Yoji in die Schuler. Der sah auch auf und grinste. "Nya...ich schätze, ich werde mich einfach damit abfinden, was kommt.", sagte er dann und verkündete damit das, was dabei herausgekommen war, dass er den ganzen Morgen über die Situation nachgedacht hatte. Ken zog die Augenbrauen hoch und legte den Kopf schief. "Meinst du, du wirst es ihm nicht zur Hölle machen, wenn alles glatt geht?", wollte er wissen und war kurz davor, Yoji dankbar um den Hals zu fallen. Der Blonde nickte und lächelte leicht. "Entweder, oder. Es kommt, wie es kommt, ich werd's schon überleben.", sagte er und lächelte jetzt ehrlich. Ken nickte und war mehr als erleichtert. In dem Moment ging die Tür auf und Omi steckte seinen hochroten Kopf in den Flur. "Ken, Yoji? Ihr sollt runterkommen...", sagte er leise und verschwand gleich wieder. Ken und Yoji warfen sich einen Blick zu, seufzten fast gleichzeitig und taten dann, was Omi gesagt hatte. Unten angekommen, bot sich ihnen ein nicht sehr aufmunterndes Bild. Nagi, Omi und Aya saßen auf dem Sofa. Manx hatte sich vor ihnen aufgebaut, hielt die Arme verschränkt und schaute drein wie ein Löwe, der kurz davor ist, seine Zähne in ein Lamm zu schlagen. Und die drei auf der Couch gaben hervorragende, unschuldig schauende, knuffige Lämmchen ab, fand Ken. "Setzt euch hin.", befahl Manx kühl und wartete, bis Ken und Yoji sich auch noch vor sie auf die Couch gezwängt hatten. Dann atmete sie tief durch und sah alle der Reihe nach an, wobei sie Nagi bewusst ausließ. "Also, Ken, Yoji, ihr habt das gewusst, ist das richtig?", fragte sie und sah Ken und Yoji an. Die beiden nickten zögerlich, nicht wissend, was jetzt über sie hereinbrechen würde. "Und wollt ihr Nagi auch bei euch aufnehmen?", fragte Manx weiter und verschärfte ihren prüfenden Blick. "Ja.", sagte Ken sofort und nickte. Yoji schwieg und schielte zur Seite. "Yoji?", fragte Manx und blieb erstaunlich ruhig. Yoji sah auf. Dann seufzte er kurz und nickte dann ebenfalls. Ken stieß ihn dankbar an und lächelte, Yoji sah nur auf seine Hände. "Das war's. Ich werde wohl oder übel mit Persia sprechen. Was euch dann erwartet, werdet ihr dann erfahren.", schloss Manx und drehte sich weg. "Eure Mission habt ihr. Nur, damit ihr das nicht vergesst.", sagte sie noch und wartete, bis alle vier zustimmend genickt hatten. Dann rauschte sie davon und hinterließ eine Atmosphäre, wie nach einem Bombeneinschlag. Nagi rührte sich als erstes. Er stand langsam auf und stellte sich vor die Couch, so, wie Manx es getan hatte. Dann sah er zu Boden, obwohl er eigentlich Yoji hatte anschauen wollen. "Danke...", murmelte er, mehr als undeutlich und spielte nervös und unruhig mit seinen Fingern. Die vier auf der Couch hoben die, noch immer gesenkten, Köpfe und sahen Nagi an. Omi lächelte sofort, als er verstand, was Nagi gesagt hatte. Auch Aya entschied sich für ein Lächeln. Ken nickte und zwinkerte Nagi zu, obwohl der das nicht sehen konnte. Yoji runzelte die Stirn und senkte den Blick wieder. "Danke Yoji...", schob Nagi hinterher und räusperte sich. War es verwunderlich, dass er sich unwohl fühlte, vor den vieren zu stehen, die sich gerade für ihn eingesetzt und ziemlich viel für ihn riskiert hatten? Yoji sah wieder auf und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er wischte es mit einem miesgelaunten Grummeln weg und setzte einen Ausdruck kühler Gleichgültigkeit auf. "Das ist das mindeste.", sagte er kalt und stand auf. Nagi sah beschämt wieder zu Boden. Yoji drehte sich kopfschüttelnd zur Seite und verschwand. Ken sah ihm nach, blieb aber sitzen. "Er ist nicht wirklich sauer. Er hat nur seinen Stolz verloren.", meinte er dann grinsend, als er sah, dass Nagi noch immer bedrückt dastand und nicht wusste, was er tun sollte. Omi nickte und tapste zu Nagi. Dann nahm er ihn in den Arm und lächelte. "Er hat gesagt, dass er dich auch hier haben will, du solltest dich freuen und nicht bedrückt sein.", sagte er dann und wusste, dass Nagi einsehen würde, dass Omi rechthatte. Und das tat Nagi auch. Er hob den Blick und lächelte Omi an, dann nickte er und sah zu Ken und Aya, die sich jetzt auch erhoben. An Aya blieb sein Blick hängen und er schaute ihn still an. Der Weiß Leader hatte noch nichts gesagt. Aya bemerkte Nagis Blick, aber er wich ihm bewusst aus. Er war sehr erleichtert und zufrieden mit dem Ausgang des Gesprächs. Aya wusste nicht, ob die anderen es bemerkt hatten, aber Manx war eindeutig ruhiger aus dem Keller gestürmt, als sie das Gespräch begonnen hatte. Aya glaubte, dass sie mehr Verständnis für Nagis Situation hatte, als sie zugeben wollte und er hatte sogar Hoffnung, dass sie sich bei Persia für Nagi einsetzen würde. Sie war nicht so abgebrüht, wie sie sie hatte glauben lassen wollen. Und obwohl das gute Nachrichten waren, wollte Aya nicht, dass Nagi ihm ansah, wie sehr er sich mit der ganzen Geschichte auseinander setzte. Nagi war ihm mehr ans Herz gewachsen, als Aya für gut befand und deshalb würde er ihm jetzt lieber einen kleinen Dämpfer verpassen, bevor das zu weit ging. Und zu weit hieß, dass Aya nicht wollte, dass er mehr, als einmal am Tag für Nagi lächelte. Das war ohnehin schon zuviel, fand Aya. Also verhielt er sich ruhig und distanziert, während Nagis Blick, sichtlich enttäuscht, sich wieder von Aya löste. "Also, ich geh dann mal nach oben...", murmelte Nagi leise und verschwand auch schon, bevor der verwirrte Omi ihn zurückhalten und fragen konnte, was denn plötzlich los war. Nagi lief in Omis Zimmer und schloss die Tür ab. Das Aya auf einmal so abweisend war, war ihm unverständlich. Er hatte sich doch sonst immer gefreut, wenn es Nagi gut ging und gerade war doch wohl ein großer Grund gewesen, sich zu freuen. Nagi setzte sich aufs Bett und schloss die Augen. Was hab ich gesagt?, überlegte er und grübelte, ob er Aya etwas getan hatte, ohne es zu merken. Aber da war nichts. Aber er war irgendwie sauer..., dachte Nagi und seufzte leise. Er mochte Aya und es fiel ihm sowieso schon nicht leicht, mit Ayas kalter Art umzugehen. Wie sollte er da verstehen, warum Aya sich so benahm, vor allem, wenn der ihm nie etwas erzählte? Nagi beschloss, Omi danach zu fragen. Der kannte Aya ja schon viel länger und musste einfach wissen, was auf einmal mit ihm loswar. Kaum zwei Minuten später wurde die Türklinke heruntergedrückt und danach geklopft, als die Tür verschlossen vorgefunden wurde. Nagi sah auf und lächelte. Ja, Omi wird es schon wissen und dann kann ich mich vielleicht irgendwie danach richten..., dachte er noch, dann öffnete er die Tür...und war mehr als überrascht, als er Aya vor sich stehen sah. "Hey...", sagte der Rotschopf und zwang das aufsteigende Lächeln zurück. Nagi legte den Kopf schief und trat einen Schritt zurück. "Hey...", gab er schlicht zurück und sah Aya fragend an. Der machte einen Schritt auf Nagi zu, sodass der automatisch zurückwich und Aya Platzmachte, der das Zimmer betrat. Nagi schloss langsam die Tür und drehte sich dann zu Aya um. "Hab ich grad was falsches gesagt?", fragte er geradeheraus und machte einen Schritt auf das Bett zu, blieb aber doch stehen, weil Aya sich darauf setzte und Nagi nicht das Gefühl hatte, dass er ihn neben sich haben wollte. Aya schüttelte den Kopf und rutschte ein Stück zur Seite. "Vielleicht unterhalten wir uns mal kurz, Nagi.", schlug er vor und sah Nagi ruhig an. Der runzelte wieder leicht die Stirn, folgte aber der Aufforderung und setzte sich neben Aya aufs Bett. "Bist du sauer, oder so was?", fragte Nagi weiter und sah Aya vorsichtig an. Wieder folgte ein Kopfschütteln als Antwort. "Du hast überhaupt nichts damit zu tun.", meinte Aya, aber Nagi konnte das nicht glauben. Immerhin war Aya nur so merkwürdig wechseldeutig, wenn er mit Nagi zu tun hatte. Bei den anderen war er immer gleich abweisend. "Hör zu, ich bin eben einfach nicht der fröhliche Typ, OK?", versuchte Aya zu erklären, versagte aber ziemlich, weil er Nagi nicht erzählen konnte, dass er nur zwischendurch die ganze Zeit gelächelt hatte, weil er seine Gesichtsmuskeln trainieren wollte. Seufzend sah Aya ein, dass er wohl etwas deutlicher werden musste. "Freundlichkeit ist nicht mein Ding, aber ich gebe mir trotzdem Mühe, wie du vielleicht gemerkt hast. Das kann nun mal manchmal schief gehen. Tut mir leid, dass ich grade unten so dämlich war, einverstanden?" Nagi musste fast kichern, schaffte es dann aber, zu lächeln. Verrückt, wenn Aya sich entschuldigte. Aber nett. "Klar. Schon vergessen.", antwortete Nagi deshalb, griff sich Ayas Hand und schüttelte sie grinsend. Aya lächelte ein wenig und atmete durch. Das war doch einfacher gegangen, als er gedacht hatte. Auch, wenn er sich jetzt vor Nagi die Blöße gegeben hatte, die er sich eigentlich genau nicht hatte geben wollen. Aber Hauptsache, Nagi glaubte nicht, dass es seine Schuld war. "Also, ich geh dann mal wieder runter...muss noch die Lieferungen fertig machen.", murmelte Aya zum Abschluss und verschwand schnell wieder. Nagi ließ sich rücklings aufs Bett zurückfallen und sah an die Decke. Aya war wirklich nicht übel. Eigentlich war er wie Crawford. Immer kühl und reserviert und nur manchmal konnte man ihm eine Gefühlsregung entlocken. Nur war Aya nicht so unheimlich, wie sein ehemaliger Boss, fand Nagi. Auf Aya muss ich bestimmt niemals schießen..., dachte Nagi und anstatt vor diesem Gedanken Angst zu bekommen, stimmte er ihn nur fröhlich. Als Omi kurze Zeit später hereinkam, lag Nagi bäuchlings auf dem Bett und hörte Walkman. Omi sah ihn an, legte sich zu ihm und schnappte sich einen der Ohrstecker. Nagi sah ihn kurz an und lächelte, dann legte er sich wieder bequem hin und sie hörten einige Minuten still Musik. Bis Omi die Augen zufielen, sein Kopf seitlich wegkippte und auf Nagis Schulter landete. Nagi hob die Augenbrauen und musste lachen, als er Omi ansah. Omi zuckte zusammen und fuhr hoch. "Was ist los, ist was passiert?", fragte er verwirrt und sah Nagi an. Nagi lachte noch immer und piekste Omi grinsend in die Seite. "Du bist eingeschlafen!", brachte er lachend heraus und Omi wurde doch tatsächlich rot. So was war ihm ja noch nie passiert und irgendwie fand er es peinlich. Nagi allerdings fand es lustig und zog Omi noch ein wenig auf. "Sag mal, kam Aya grade aus unserem Zimmer?", fragte Omi dann, als sie sich beide wieder beruhigt hatten. Nagi nickte und grinste trotzdem weiter. Omi legte sich auf den Rücken und sah Nagi an. "Was wollte er denn?", wollte er wissen und Nagi zuckte die Schultern. "Er hat sich entschuldigt...na ja weil er vorhin so komisch zu mir war...", erklärte Nagi und Omi schaute erstaunt. "Hab ich nicht mitbekommen...", murmelte er und drehte sich wieder auf den Bauch. "Naja, es war auch eigentlich nichts schlimmes. Aber ich fand es trotzdem nett von ihm...", gab Nagi zurück und lächelte Omi an. Der nickte zustimmend. "Ja, besonders, weil er sich sonst nie entschuldigt.", erwiderte er breit grinsend und Nagi musste lachen. "Das passt auch nicht zu ihm.", gab er zurück und grinste. Omi nickte. "Kann ich dich mal was dazu fragen?", wollte er wissen und sah Nagi ein wenig unsicher an. Nagi nickte und schaute abwartend. "Also...findest du auch, dass er irgendwie anders ist, wenn er mit dir redet?" Omi wandte den Blick von Nagi ab und sah auf die Bettdecke. Nagi runzelte die Stirn und überlegte einen Moment, dann nickte er. "Irgendwie, ja.", meinte er dann und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Omi sah wieder zu ihm und war ein paar Augenblicke lang still. Nagi runzelte wieder die Stirn und wartete ab. Wozu wollte Omi das überhaupt wissen? "Er ist viel freundlicher zu dir...", sagte Omi dann leise und senkte den Blick wieder zur Bettdecke. Nagi machte große Augen und richtete sich etwas auf. "Stimmt doch gar nicht!", rief er aus, ohne groß darüber nachzudenken. Er fühlte sich irgendwie beunruhigt, weil Omi glaubte, Aya wäre Nagi gegenüber offener, als gegenüber denen, die er schon viel länger kannte. Dass das wahr war, schien Nagi entweder zu verdrängen, oder wirklich nicht wahrzunehmen. "Und ob.", gab Omi zurück und sah Nagi mit gerunzelter Stirn an. "Wenn er mit mir redet, wenn er dann mal redet, ist er immer bloß so abwesend und uninteressiert. Bei Ken und Yoji noch viel mehr. Aber wenn er mit dir redet, scheint ihm das ja fast Spaß zu machen!" Omi klang vorwurfsvoll. Nagi verstand die Wendung des Gesprächs nicht und schaute verdutzt. "Bist du etwa wütend, weil du glaubst, ich versteh mich besser mit Aya, als du?", stellte er die Frage, die sich ihm aufdrängte. Omi schluckte, wurde rot und sah zur Seite. Nagi glaubte, den Punkt getroffen zu haben und sah ebenfalls beiseite. "Das hättest du mir doch mal sagen können...Ich wollte mich bestimmt nicht zwischen euch drängen...", murmelte er leise und seufzte. Omi schüttelte schwach den Kopf und schwieg. "Ich mein, ich kann das verstehen. Ich wäre auch sauer, wenn du dich besser mit Schu verstehen würdest, als ich, glaub ich...", redete Nagi leise weiter und schielte zu Omi. Der lag noch immer mit roten Wangen da und schaute Nagi nicht an. "Das muss dir doch nicht peinlich sein, oder so...", sagte Nagi dann lächelnd, als Omi nach einer Minute immer noch nichts sagte. Er sah viel mehr so aus, als wollte er am liebsten aufspringen und aus dem Zimmer laufen. Jetzt schüttelte Omi wieder den Kopf und seufzte. "Das ist es nicht...", meinte er kaum hörbar und schnappte sich ein Kissen, um seinen roten Kopf darunter zu verstecken. Nagi lächelte wieder und zog am Kissenbezug. "Dann tu das weg und schau mich an.", verlangte er, aber Omi behielt den Kopf verborgen. Nagi grinste, zog fester und piekste Omi in die Rippen. "Los, tu es weg...", verlangte er erneut und verlieh seiner Stimme den dämonischsten Klang, den er hinbekam. Unter dem Kissen musste Omi ob Nagis Drohung grinsen, hielt es aber aus, lachte nicht und blieb still liegen. Nagi zuckte die Schultern, piekste noch ein paar Mal und als Omi immer noch nicht aufgab, begann er, Omi zu kitzeln. "Na, wie ist das, huh?", fragte er, breit grinsend und stellte zufrieden fest, dass Omi kicherte. "Tut gut, hm?" Nagi machte sich über Omis Bauch her und kitzelte ihn ordentlich durch. Bis Omi sich plötzlich zur Seite drehte, mit dem Kissen ausholte und es nach Nagi warf. Der wich grinsend aus und streckte Omi die Zunge heraus. "So leicht kriegst du mich nicht!", rief er und startete eine neue Attacke. Aber Omi sprang vom Bett, tauchte unter Nagis Armen hindurch und schnappte sich erneut das Kissen. Nagi sah, was Omi vorhatte, griff sich das zweite Kissen und beantwortete Omis Wurf mit einem gezielten Kissenschlag auf den Kopf. Omi verzog gespielt schmerzlich das Gesicht und ging zu Boden. Na los, lach schon..., dachte Nagi und kniete sich zu Omi herunter. Der lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden und bewegte sich nicht. Nagi wusste, wenn er nah genug bei ihm war, würde Omi aufspringen und seine misslungene Attacke noch mal probieren. Trotzdem quiekte Nagi erschrocken auf, als es tatsächlich dazu kam. Er sprang auf die Füße und versuchte, sich über das Bett in Sicherheit zu bringen, aber Omi war schneller. Er bekam Nagis Shirt zu fassen und hielt fest. Nagi kippte vornüber und landete mit einem überraschten "Uff" auf dem Bett. Omi stürzte sich auf ihn, setzte sich auf Nagis Rücken und kitzelte ihn nun seinerseits ordentlich durch. Nagi schnappte nach Luft, versuchte, sich herumzudrehen, musste aber so lachen, dass er es nicht schaffte. Als Omi selbst vor lachen keine Luft mehr bekam, hörte er auf, blieb aber trotzdem triumphierend und nach Luft japsend auf Nagi sitzen. "Na, wie war das?", fragte er grinsend und piekste Nagi noch einmal in die Seite. "Tat's gut?" Nagi kicherte und versuchte, den Kopf so zu drehen, dass er Omi ansehen konnte. "Ja wunderbar, jetzt, wo du schon mal dasitzt, könntest du mich noch massieren?", bat er, verschmitzt grinsend und musste wieder lachen. Omi kicherte und piekste Nagi zur Antwort noch mal. Dann rutschte er von Nagis Rücken und legte sich neben ihn. Nagi legte erschöpft den Kopf an Omis Schulter und seufzte tief. "Oh man, ist das anstrengend, dich aufzumuntern.", meinte und grinste schon wieder. Omi tat empört und versuchte, Nagi mit einem Schubs seiner Hüfte aus dem Bett zu befördern, was ihm nicht gelang und Nagi nur wieder zum kichern brachte. "Na wenigstens hat's geholfen.", meinte Omi dazu und lehnte nun seinerseits den Kopf an Nagis Schulter. "Hmhm...", machte Nagi zustimmend und seufzte noch mal wohlig. Sie lagen ein paar Minuten nebeneinander auf dem Bett, Nagi hatte die Augen geschlossen und Omi zupfte Fusseln vom Kopfkissen. Dann regte Omi sich und hob seinen Kopf von Nagis Schulter. "Sollen wir was essen?", fragte er unvermittelt und stupste Nagi an. Der blinzelte ein paar Mal und nickte dann lächelnd. Ja, rumtoben machte hungrig und es war ohnehin Zeit fürs Abendessen. "Machen wir Nudelsuppe?", fragte Omi und strahlte Nagi vorfreudig an. Nagi nickte sofort und strahlte mit. Omi kroch aus dem Bett und suchte seine Schuhe, die bei ihrem kleinen Kampf anscheinend irgendwie verloren gegangen waren. Nagi tauchte unter dem Bett auf, als Omi sich gerade darunter gebeugt hatte. Er hielt Omis einen Schuh in der Hand und grinste. "Suchst du den?", fragte er und wedelte mit dem Schuh vor Omis Nase herum. "Yaaaaah...", grinste Omi und schnappte Nagi den Schuh aus der Hand. Er zog ihn an und fand auch den zweiten. Zusammen verließen sie Omis Zimmer und liefen zur Küche. "Wer macht die Nudeln?", fragte Nagi und begann, die Zutaten zusammenzusuchen, die sie brauchten. Omi bot an, die Nudeln zu machen, während Nagi sich um das Gemüse kümmerte. Kaum waren sie zwei Minuten still und konzentriert bei der Sache, als Nagi die verrückte Idee hatte, es doch mal mit Schokostreuseln in der Suppe zu versuchen. Omi erklärte ihn kurzerhand für übergeschnappt und grabschte Nagi die Tüte aus der Hand, die dieser schon bereithielt, um seine neueste Kreation zu verwirklichen. Entrüstet stemmte Nagi die Fäuste in die Hüften. "Du hast wirklich keinen guten Geschmack!", schalt er Omi und streckte ihm lachend die Zunge heraus. Omi gab ihm die Tüte zurück und zuckte die Schultern. "Du kannst bei dir ja welche reintun. Ich verzichte." Omi grinste. Nagi nahm zufrieden die Tüte an sich und meinte, dass er auf jeden Fall Schokolade in seiner Nudelsuppe haben wollte. Omi musste lachen, als er sah, welch ernsten Gesichtsausdruck Nagi hinlegte. "Du spinnst ja!", rief er prustend und schüttelte lachend den Kopf. Nagi schüttelte seinen aus Protest und schnippelte weiter Gemüse. Als die Suppe fertig war (nur halbfertig, wie Nagi fand), machte Omi für sich und Nagi je eine Schale voll fertig und stellte Nagi, der schon am Tisch saß, seine lächelnd hin. "Da bitte, serviert zur persönlichen Vollendung.", meinte er und sah kichernd zu, wie Nagi doch tatsächlich die Schokostreusel über seine Suppe streute. Omi war gespannt, ob Nagi es schaffen würde, den Geschmack, der ja nur absolut scheußlich sein konnte, mit einem coolen Gesicht zu überspielen. Nagi nahm den Löffel, probierte und lächelte vor sich hin. Dann stand er auf und spuckte was auf dem Löffel gewesen war in die Spüle. Omi hätte sich fast an seiner Suppe verschluckt und musste lauthals lachen, während Nagi sich den Mund ausspülte und sich ganz ruhig wieder an seinen Platz setzte. Omi atmete durch, beruhigte sich und setzte ein ebenso ruhiges Gesicht auf, wie Nagi. "Schmecken wohl doch nicht so toll, deine Schokostreusel...", sagte Omi und seine Stimme troff vor fröhlichem Sarkasmus. Nagi sah überrascht auf und legte den Kopf schief. "Nein nein...", meinte er dann und langsam stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen. "Nicht die Schokostreusel. Die Nudeln sind jawohl total versalzen.", sagte er und es gelang ihm, bis zum letzten Wort die Beherrschung zu behalten. Als er dann Omis verdutztes Gesicht sah, musste Nagi mindestens genauso laut lachen, wie Omi zuvor. "Bätsch drangekriegt!", rief Nagi lachend aus und streckte Omi die Zunge heraus. Omi riss sich zusammen und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht zu lachen. Dann hatte er sich beruhigt und schaute tief betroffen. "Wie konntest du nur so etwas gemeines sagen?", fragte er, mehr als übertrieben dramatisch. Nagi grinste und fischte die Schokostreusel aus seiner Suppe. "Das nächste Mal versuchen wir Sushi mit Caramelsoße, was meinst du?", fragte er schmunzelnd und Omi lachte schon wieder. "Wenn du als erstes probierst, immer.", gab er zurück und grinste. Nagi erwiderte das Grinsen und begann, endlich ernsthaft zu essen. Diese Art Humor hatte er auch erst hier entwickelt. Bei Schwarz hatte er nie den Drang verspürt, über etwas lachen zu wollen. Hier war das ganz anders, wohl auch, weil sein Zimmergenosse ein absolut verrückter, spinnender, liebenswürdiger Lachsack war. Nagi grinste vor sich hin und gab Omi noch ein paar mehr solcher Namen. Natürlich nur im Stillen, sonst verstand Omi das noch falsch. Als Omi sich seinen ersten Nachschlag holte, kam Aya in die Küche. Die zwei Köche hatten bei ihrer Aktion nicht sehr viel Wert darauf gelegt, alles sauber zu hinterlassen und so rümpfte Aya die Nase über festklebende Nudeln auf dem Herd und Gemüsereste auf der Arbeitsplatte. Aber Nagi, der Ayas missmutigen Blick sah, beruhigte den Weiß Leader gleich wieder. "Wir machen nachher schon sauber, keine Angst.", sagte er und grinste Aya an. Der drehte sich zu Nagi und zog eine Augenbraue hoch. "Willst du was mitessen? Ist noch genug da.", bot Nagi an und lächelte. Omi nickte zustimmend. "Du kannst auch die Schokostreusel probieren, frag mal Nagi, das schmeckt köstlich.", fügte er hinzu und grinste Nagi zu. Der nickte und kicherte leise. Aya schaute fragend und Nagi erklärte es ihm, auch, wenn er nicht das Gefühl hatte, dass Aya wirklich eine Erklärung gewollt hatte. Obwohl er es nicht wollte, musste Aya bei der sehr lebhaften und gestenreichen Erklärung von Nagi schmunzeln und er und Omi schafften es, Aya ein ehrlich amüsiertes Grinsen zu entlocken. "Also, wenn du jetzt noch mit uns essen magst, setz dich doch!", rief Nagi dann lachend und schob Aya einen Stuhl hin. Omi stand auf und holte eine Schale, Nagi schöpfte sie voll Suppe und Aya setzte sich bereitwillig an den Tisch und probierte. Zufrieden nickte er. Omi und Nagi hatten immer ziemlichen Spaß beim kochen und so, wie Aya das bis jetzt mitbekommen hatte, waren sie keine sehr disziplinierten Köche. Daher wunderte es ihn immer wieder, dass das, was die beiden kochten meistens noch wirklich gut schmeckte. Abgesehen von Schokolade in der Nudelsuppe, oder Caramelsoße überm Sushi. Omi und Nagi räumten auf und machten die Küche wieder sauber, während Aya am Tisch sitzen blieb und ihnen dabei zusah. Dann kramte Omi noch eine Packung Eis hervor und zufrieden grinsend hatte Nagi damit doch noch etwas gefunden, um seinen Schokostreuselfimmel auszuleben. Aya blieb noch und erklärte sich bereit, eine Schüssel von Nagis Schoko-Eis-Gepansche zu probieren, worüber Nagi sich offensichtlich sehr freute. Immerhin wusste er jetzt, dass Aya seine Entschuldigung wirklich ernst gemeint hatte. Nach dem Essen verschwanden Omi und Nagi aufs Zimmer, um ihr Spiel zu vollenden. Kapitel 9: - Neun - ------------------- Als Nagi knapp drei Wochen später mit großen Augen vor dem Weihnachtsbaum saß, war er bereits festes Mitglied von Weiß. Nach dem Gespräch mit Manx, hatten sie drei Tage lang in banger Hoffnung auf eine Reaktion gewartet und diese dann am Abend des siebten Dezembers bekommen. Manx hatte Nagi die frohe Botschaft überbracht und dabei gelächelt, wie ein verfrühter Weihnachtsengel. Das ganze war ziemlich kurz ausgefallen und irgendwie zu normal, so kam es Nagi vor. Manx hatte ihnen einfach mitgeteilt, dass Nagi aufgenommen war und dass sie ihre nächste Mission erwarten konnten, bei der Nagi dann eben einsteigen würde. Bis dahin würde er, wie die anderen vier, im Laden arbeiten. Mehr war nicht passiert und Nagi hatte das Gefühl gehabt, es wäre unwirklich und kaum glaubhaft abgelaufen. Aber er hatte die nächste Mission zusammen mit Omi, Aya, Ken und Yoji empfangen und ausgeführt. Er und Omi hatten perfekt zusammengearbeitet und selbst Yoji hatte zugegeben, dass sie, besonders für die Vorbereitung, weit weniger Zeit benötigt hatten. Nagi war akzeptiert. Jetzt saß er mit untergeschlagenen Beinen auf dem Fußboden in Omis Zimmer und starrte den Baum an. Omi hatte darum gebeten, dass der Weihnachtsbaum bei ihm stehen sollte, damit Nagi mehr davon hatte. Nagi war dabei gewesen, als Omi Aya gefragt hatte und es war ihm mehr als peinlich gewesen. Besonders der verwunderte und leicht amüsierte Blick, den Aya Nagi zugeworfen hatte, als er zustimmte, hatte Nagi Schamesröte ins Gesicht getrieben. Aber letztendlich war es doch gut so, wie es war. Nagis Augen strahlten, er war begeistert. Es war schon spät, die Bescherung eigentlich schon vorüber und alles war gut gelaufen. Eigentlich sogar mehr als gut, weil sogar Yoji sich über das Geschenk gefreut hatte, das er von Nagi bekommen hatte. Jedenfalls seinem Gesichtsausdruck nach. Nagi hatte Zweifel, ob Yoji seine Freude nicht vielleicht nur spielte, aber er war zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. Drei Wochen waren keine allzu lange Zeit und dafür vertrug Yoji sich doch schon gut mit ihm. Nur Nagis Geschenk für Aya stand noch offen. Nagi hatte es sich bis ganz zum Schluss aufgespart und auch nicht nachgegeben, als Omi um ihn herumgehopst war, mit der ständigen Bitte auf den Lippen, Aya doch endlich sein Geschenk zu geben. Nagi hatte das Gefühl, dass Omi es weit spannender fand, zu sehen, was jemand anders bekam, als selbst etwas auszupacken. Aber Nagi war dabei geblieben, bis als letztes damit zu warten. Aya sah Nagi an und lächelte still vor sich hin. Das Geschenk, das er bekommen würde, schien Nagi ja ziemlich viel zu bedeuten, wenn er es solange aufsparte und solch einen Aufwand darum machte. Nagi regte sich und drehte sich vom Baum weg, hin zu vier gespannten Gesichtern. "Jetzt kriegt Aya sein Geschenk.", kündigte Nagi strahlend an und krabbelte zu Omis Nachttisch. Omi legte den Kopf schief und schaute zu, was Nagi trieb. Er zog ein etwa buchgroßes, eingepacktes Paket heraus und krabbelte zurück zu ihnen. Ken und Yoji wechselten einen fragenden Blick, wussten aber beide nichts damit anzufangen, was Nagi da wohl in der Hand hielt. Auch Aya sah Nagi an und spürte, dass er sich langsam nicht mehr wirklich wohl fühlte. Ob das daran lag, dass er jetzt, sozusagen als Finalakt, das großartigste Geschenk des Abends aufmachen würde und ihm alle dabei zusahen? Gebannte Blicke hingen an Ayas Fingern, die langsam einmal über das Paket strichen, kurz innehielten, als Aya Nagi dankend zulächelte und dann die Verpackung öffneten. Zum Vorschein kam eine schwarze, unbeschriftete Hülle, in der sich wohl ein Videoband befand. Nagi kaute nervös auf seiner Unterlippe herum und sah Aya an. "Das ist nicht alles. Du musst es anschauen...", murmelte er und schaltete Omis Fernseher ein. Aya zog fragend die Augenbrauen hoch, tat aber, wie ihm geheißen wurde und schob das Band in den Videorekorder. Das war wohl so gut wie das einzige Mal, dass ein anderes Band lief, als Omis und Nagis Film, aber dieses eine Mal würden alle Zuschauer noch lange in Erinnerung behalten. Es war nicht einmal Aya, der als erstes überrascht und verwirrt schaute, sondern Omi. Er erkannte zuerst, was und vor allem wer auf dem Band zu sehen war. "Aya?", fragte er leise und starrte auf den Bildschirm. Der Rotschopf wusste, dass nicht er angesprochen war und sah Omi nicht an. Aber er wandte seinen Blick zu Nagi und brauchte die Frage nicht auszusprechen, die ihm auf der Zunge lag. Nagi erklärte schon. "Ich hab Schuldig gerufen und ihn darum gebeten. Freust du dich?" Aya blinzelte verwirrt und sah wieder zum Fernseher. Das Bild war etwas unscharf und verwackelt, offensichtlich hatte jemand es mit einer dieser kleinen Camcorder aufgenommen, die man nur schwer ruhig halten konnte. Trotz der qualitativen Minderwertigkeit der Aufnahme, war eins deutlich zu erkennen: Die Szene hatte sich in einem Krankenhauszimmer abgespielt und sie alle wussten, in welchem. Denn es war nicht irgendein Krankenzimmer und auch nicht irgendeine Patientin, die da fröhlich lächelnd auf ihrem Bett saß und in die Kamera strahlte. Es war Aya. Sie war wach und wie es aussah putzmunter. "Ich versteh das nicht...", war das einzige, was Aya herausbrachte, als er seinen Blick mit Mühe wieder vom Fernsehbild nahm. Nagi lächelte. "Bist du verwirrt?", fragte er und sah Aya an. "Naja, weil du sie doch so lieb hast, dachte ich, dass ich Schu rufe und ihn für dich bitte, sie aufzuwecken...Ich weiß nicht, ob du sie sehen willst, oder nicht, aber jedenfalls ist sie jetzt wieder wach und es geht ihr wirklich gut." Nagi runzelte leicht die Stirn, als Aya immer noch nichts entgegnete. Er befürchtete schon, etwas falsches getan zu haben, etwas, dass Aya ihm nicht verzeihen würde, denn er sah nicht so aus, als würde er gleich vor Freude weinen. "Du weißt bestimmt nicht, was du machen sollst, oder?", fragte Nagi leise und senkte seinen Blick zu Boden. "Ich dachte, ich überrasch dich damit, aber vielleicht hätte ich das lieber irgendwie anders machen sollen..." Nagis Stimme wurde zu einem bedrückten Flüstern und versagte dann ganz. Er seufzte. "Du hast sie wirklich aufgeweckt?", wisperte Aya ungläubig und schüttelte fassungslos den Kopf. Nagi nickte leicht. "Das hast du echt für mich getan, oder?", fragte Aya weiter und sah Nagi blinzelnd an. Nagi sah auf und lächelte schwach. "Hmja...", antwortete er leise und blinzelte unsicher. Aya lächelte, dann streckte er eine Hand nach Nagi aus. "Danke...", brachte er heraus und griff Nagis Hand, die dieser Aya hinhielt. Nagi rutschte ein Stück näher und ließ sich in den Arm nehmen. "Was besseres hättest du mir nicht schenken können.", sagte Aya leise und drückte Nagi dankbar. Erleichtert atmete Nagi durch und drückte sich einen Moment glücklich in Ayas Arme. "Und ihr...", fügte Aya kaum hörbar hinzu und drückte Nagi noch einmal an sich. Dann ließ er ihn frei und fuhr sich durchs Haar. Er war ehrlich gerührt von dem, was Nagi für ihn getan hatte, das sahen auch Omi, Ken und Yoji. "Das ist echt toll!", rief Omi und strahlte Nagi stolz an. Er hatte doch gewusst, dass Nagi sich etwas einfallen lassen würde und jetzt hatte er den endgültigen Beweis. Das war das genialste Weihnachtsgeschenk, das Omi jemals gesehen hatte. Nagi schaute ein wenig verlegen, als auch Ken und Yoji ihm ehrlich beeindruckt bestätigten, dass Nagi einfach das genau Richtige erwischt hatte. Aya stand langsam auf und sah der Reihe nach Ken, Yoji und Omi an. "Könntet ihr uns ein paar Minuten alleine lassen?", bat er, noch immer mit unsicherer Stimme und lächelte leicht. Die drei nickten sofort und verschwanden. Diese Art Geschenk verlangte nach ein wenig mehr Zeit und Ruhe. "Also...", begann Aya dann, als sie alleine waren und sah Nagi an. Nagi lächelte leicht und setzte sich aufs Bett. Aya nahm das Videoband aus dem Rekorder, schob es zurück in die Hülle und setzte sich neben Nagi. "Du hast dir was dabei gedacht, mir ein Band zu schenken, oder?", fragte Aya und lächelte wissend. Er hatte schon verstanden, warum Nagi ihn nicht gleich mit zu seiner Schwester genommen hatte. Wie erwartet, nickte Nagi. "Du musst entscheiden, was am besten für sie ist. Soll sie dich wiedersehen, oder soll sie alleine neu anfangen..." Nagi sprach leise, aber nicht mehr beunruhigt. Aya schaute auf das Band in seinen Händen und schwieg eine Weile. Dann sah er wieder auf und lächelte schmunzelnd. "Du weißt, wofür ich mich entscheiden werde, oder?", fragte er Nagi und der Jüngere nickte lächelnd. "Da ist diese europäische Schule, auf die sie gehen wollte, weißt du noch?", gab er zurück und sah Aya an. "Das wäre nicht schwer zu arrangieren. Du musst nur sagen, was du willst, das sie über dich denkt.", fügte er hinzu und schaute abwartend. Wieder zeigte Ayas Blick, dass er wusste, dass Nagi ohnehin schon seine Antwort kannte. "Sie kann ihren Bruder nicht wiedersehen, weil Ran Fujimiya nicht mehr existiert. Der Bruder, den sie kannte, ist tot. Also wird sie eine Weile trauern und dann ein neues Leben anfangen.", sagte Aya leise und lächelte vor sich hin. Nagi nickte. Ja, mit dieser Antwort hatte er gerechnet. "Dann werde ich mich darum kümmern.", erwiderte er und lächelte Aya an, obwohl dieser es nicht bemerkte und zu Boden sah. "Hast du mir das Band geschenkt, damit ich dir glaube, was du sagst, oder, damit ich mich daran halten kann, wie glücklich sie darauf aussieht?", wollte Aya noch wissen und hob, leicht lächelnd, den Kopf, um Nagi anzusehen. Der ehemalige Schwarz lächelte ebenfalls. "Von beidem ein bischen, glaube ich...", antwortete er und Aya gab sich damit zufrieden. Eine Sache wollte er aber noch wissen. "Sag mal...Du hast gesagt, du hättest ,Schuldig gerufen'...Wie hast du das gemeint?", fragte er und sah Nagi fragend an. Nagi runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. "Das erzähl ich dir mal später...Jetzt ist Weihnachten und die drei da draußen wollen bestimmt wieder reinkommen.", gab er schnell zurück und lächelte, leicht verlegen. Aya sah ein, dass Nagi im Moment nicht über sein Zusammentreffen mit Schuldig reden wollte, denn das musste es zweifellos gegeben haben. Und obwohl Aya neugierig war, wie Nagi es geschafft hatte, den Schwarz ohne sein, oder das Wissen eines der anderen drei, zu treffen, beließ er es bei Nagis Versprechen und sagte nichts mehr. Nagi schwieg und sah Aya nur still an. Es freute ihn, dass der Weiß Leader endlich mal glücklich aussah. Und, dass er sich nicht bemühte, es zu verstecken. Aya legte die Videokassette auf seinen Schoß und seine Hände darauf. Nagi betrachtete Ayas Gesicht, dann seine Hände, dann wieder sein Gesicht. Und zum Schluss seine halb geschlossenen Augen. Es freut ihn wirklich..., dachte er dann zufrieden und sein Lächeln hellte sich auf, als Aya seinen Blick fand und lächelnd erwiderte. "Ich werde die anderen mal wieder reinholen...", murmelte Nagi dann vor sich hin, stand auf und ging zur Tür. "Fröhliche Weihnachten, Aya!", sagte er dann noch, fröhlich grinsend, bevor er die Tür öffnete und Ken, Yoji und Omi hereinbat, die auf dem Flur warteten. Aya lächelte in Nagis Richtung und machte sich nichts daraus, dass der Junge sein Gesicht nicht sehen konnte, weil er mit dem Rücken zu ihm stand. "Alles klar?!", fragte Omi als erstes, als er Aya auf dem Bett sitzen sah und seufzte erleichtert, als Nagi strahlend nickte. "Was ist, wollen wir jetzt essen, oder was?", fragte dann Ken, der in der Tür lehnte und ebenfalls Aya ansah. Da auch Yoji Aya ansah und Nagi spürte, dass diese Art Situation Aya missfiel, nickte er schnell und lächelte Aya zu, damit der sich erhob und ihnen in die Küche folgte. Nagi stand noch einen Moment alleine im Zimmer, dann trabte er hinter den anderen her und lächelte noch immer zufrieden vor sich hin. Omi und Nagi hatten das Weihnachtsessen gekocht, Ken und Yoji hatten geholfen und Aya hatte sich rausgehalten. Jetzt saßen sie zu fünft am Tisch, aßen und redeten fröhlich und sogar Aya lachte ziemlich ausgelassen mit. Die Stimmung war locker und freundlich, sodass Nagi sich endlich vollkommen wohlfühlte, mit dieser Weihnachts-Sache. Ob er wohl morgen wieder genauso ist, wie immer?, ging es Nagi durch den Kopf, als er Aya ansah, der gerade wirklich fröhlich zu lachen schien. Nagi wünschte sich irgendwie, dass Weihnachten noch länger dauerte. Nicht nur diesen einen Abend. Nagi wollte, dass Aya noch länger so glücklich aussah und so herzlich lachte. Aber er befürchtete, dass mit dem Fest auch Ayas Fröhlichkeit zuende gehen würde und er zurückfallen würde in seine alte, kalte Art. "Wie kommt Nagi nur immer auf so schwachsinnige Rezepte?!", fragte Yoji gerade grinsend, als Omi ihm von Nagis Caramel-Sushi erzählte. Nagi legte den Kopf schief und musste dann auch grinsen. Yoji zwinkerte ihm freundlich zu und lächelte. Ja, Omi hatte Recht behalten: Yoji gab sich wirklich Mühe, Nagi ein fröhliches Weihnachtsfest zu schenken und es gelang ihm vortrefflich. Nagi lachte Yoji an, obwohl das Gesprächsthema schon längst ein anderes war. Yoji war verwirrt und verstand nicht, warum Nagi auf einmal lachte, aber er ließ sich davon anstecken und lachte mit. Omi hatte die Szene beobachtet und strahlte glücklich über das ganze Gesicht. Wenn diese Stimmung anhielt, waren sie wirklich ein fröhlicher Haufen. Knapp zwei Stunden später, es war schon mitten in der Nacht, fanden Ken und Omi, dass es genug war mit feiern. Alle stimmten zu, immerhin hatten sie schon mehr als einmal gegähnt und um halb drei Uhr nachts konnte man nach all der Freude und Aufregung wohl langsam müde sein. Omi, Ken und Nagi räumten den Tisch ab, Aya half Yoji sogar beim spülen und dann wollte Nagi eigentlich schon in sein und Omis Zimmer gehen, als ihm etwas einfiel. Aya hatte sich wieder an den Tisch gesetzt, ebenso Yoji. Die beiden tranken noch eine Tasse Kaffee. Ken stand mit Omi an der Spüle und wischte sich gerade den Schaum vom Gesicht, mit dem Omi ihn kichernd bespritzt hatte. Aya sah auf, als Nagi im Türrahmen stehen blieb und sich langsam wieder umdrehte. "Etwas...muss ich noch sagen...", sagte Nagi leise, brach dann aber ab und suchte nach den richtigen Worten. Da er sie nicht fand, blieb er einfach nur still in der Tür stehen und starrte vor sich auf den Boden. Ken und Omi unterbrachen überrascht ihren kleinen Kampf und sahen Nagi abwartend an. Auch Yoji und Aya sahen zu dem Jüngeren und beide zogen fragend die Augenbrauen zusammen. "Also...", brachte Nagi dann zögerlich heraus und versuchte, den Blick zu heben, um die anderen anzusehen. Aber er schaffte es nicht. "Also...Das war wirklich ein toller Abend, finde ich...", fuhr er stockend fort und Omi nickte strahlend. Ken legte den Kopf schief und lächelte ebenfalls. Yoji und Aya wechselten einen Blick und warteten. Nagi sah aus, als wollte er noch etwas sagen. "Und..." Nagi räusperte sich und seufzte dann. Jetzt wollte er sich zusammenreißen und schaffte es doch nicht. "Also...Aya...", versuchte Nagi es noch einmal, setzte aber wieder aus. Aya zog eine Augenbraue hoch, blieb aber still. Omi runzelte die Stirn, gefolgt von Ken und Yoji, die es ihm gleichtaten. Endlich sah Nagi auf. Er lächelte ein kleines, unruhiges Lächeln und sah Aya an. "Also, ich wollte dir was sagen...", sagte er mit zittriger Stimme und ballte die Hände zu Fäusten. Omi machte große Augen. Nagi schüttelte verzweifelt den Kopf. Er bekam es einfach nicht heraus, also tat er das letzte, was ihm einfiel. Er machte die zwei Schritte auf Aya zu, beugte sich zu ihm und drückte ihm kurz einen Kuss auf die Wange. Dann richtete er sich wieder auf, ging drei Schritte rückwärts, drehte sich um und rannte in sein Zimmer. Aya saß auf seinem Stuhl und starrte auf die Tür. Omis Augen wurden größer und größer, bis er fast erschrocken nach Luft schnappte und Aya ansah. "Er hat dich geküsst!", rief er aus und seine Stimme überschlug sich fast, vor lauter Überraschung und Verwirrung. Ken und Yoji starrten ebenfalls Aya an, der sich noch immer nicht gerührt hatte. Omi tapste zu ihm, sah ihn an und stieß ihn dann leicht an die Schulter. Der Weiß Leader richtete langsam seinen Blick auf Omi, der vor ihm stand und ihn erklärungsheischend ansah. "Nagi hat dich geküsst!", rief Omi noch mal und bekam seinen Mund nicht mehr zu. Ayas erste Reaktion war eine dieser unbewussten, die man nicht kontrollieren, sondern nur verfluchen konnte. Er wurde rot. Die Röte stieg ihm in beide Wangen und färbte sie in diesem schönen Peinlich-Rosa, dass Ken, Yoji und Omi zeigte, dass ihr Leader von Nagis Aktion mindestens genauso überrumpelt war, wie sie selber. Als nächstes stand Aya auf. Langsam und bedächtig erhob er sich von seinem Stuhl, schob ihn danach an den Tisch heran und sah die drei vor ihm nacheinander an. Omi starrte, verwirrt von Ayas Ruhe weiter auf ihren Leader, Yoji und Ken sahen sich an, dann Aya und dann die Tür, durch die Nagi verschwunden war. Dann drehte Aya sich um und ging ruhig aus der Küche. "Ich rede mit ihm. Lass dir Zeit, Omi.", sagte er noch leise, dann war er verschwunden. Omi sah ihm mir gerunzelter Stirn nach, dann wand er seinen Blick zu Ken und Yoji, die wie versteinert noch immer in Ayas Richtung starrten. "Glaubt ihr das?", brachte Omi erstickt hervor und Ken und Yoji schafften es, die Köpfe zu schütteln. Das verstand nun wirklich keiner von ihnen und das mit dem glauben war auch so eine Sache. "Hey Nagi...", sagte Aya leise und klopfte vorsichtig bei Omi und Nagi an. Die Tür öffnete sich einen Spalt und Aya drückte sie ganz auf. Nagi saß auf dem Bett, an die Kopflehne gedrückt, die Beine an den Körper gezogen und die Arme darum gewickelt. Seine Stirn lag auf seinen Knien und Aya sah ihn einen Moment an, um festzustellen, ob der Junge weinte. Aber Nagis Körper bewegte sich nicht, keine Schluchzer. "Hey...", sagte Aya noch einmal, schloss die Tür hinter sich und trat einen Schritt an das Bett heran. Nagi sah langsam auf, ließ seinen Blick zwar über Ayas Gesicht streifen, aber nicht in seine Augen fallen. Er konnte dem Weiß Leader jetzt unmöglich in die Augen schauen. Aya kam ganz heran und setzte sich ans Fußende des Bettes. Nagi wandte den Blick wieder ab und legte den Kopf zurück auf seine Knie. "Tut mir leid...", sagte er leise und zog die Arme fester um seine Beine. Aya runzelte die Stirn und schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Das ist Quatsch. Du musst dich nicht entschuldigen.", meinte er ruhig und bemühte sich sehr, Nagi nicht zu zeigen, wie verwirrt er eigentlich gerade war. "Oh doch. Das war sehr dumm von mir.", wiedersprach Nagi und Aya fand, dass seine Stimme merkwürdig klang. Irgendwie kalt und abweisend. Aber er ließ sich nicht davon abschrecken, sah Nagi nur weiter an und lächelte. "Glaubst du, ich bin dir böse?", fragte er leise und setzte sich bequemer hin. Nagi zuckte leicht die Schultern, regte sich aber ansonsten nicht. "Das kannst du ruhig.", sagte er dann und schniefte. Aya runzelte die Stirn. Wenn Nagi jetzt anfing zu weinen, würde er ein Problem bekommen. Er wusste nämlich nicht, ob er es wagen würde, den Jungen zu trösten, oder ob er überfordert aus dem Zimmer laufen und Nagi einfach alleine lassen würde. Aber Nagi weinte nicht. "Es ist nie dumm, etwas zu tun, wenn man einen Grund dazu hat.", sagte Aya nach einer Weile und ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Nagi runzelte hinter verschränkten Armen die Stirn, fragte aber nicht nach. "Hattest du einen Grund, Nagi?", fragte Aya, als Nagi nichts erwiderte und ließ seinen Blick wieder zu Nagi wandern. Nagi schluckte leise und seufzte. "Du hattest bestimmt einen. Du tust so etwas nicht, ohne einen Grund.", antwortete Aya dann selber und lächelte. "Oder, Nagi?" Nagis Kopf verschwand für einen Moment vollkommen hinter seinen Armen, dann richtete der Junge sich langsam auf und sein Blick glitt zu Aya. "Ja...", gab er flüsternd zurück und kämpfte, um seinen Blick in Ayas Augen aufrecht zu erhalten. Aya nickte, froh, dass Nagi endlich etwas dazu sagte und lächelte weiter. "Sagst du mir deinen Grund, Nagi?", fragte Aya weiter und Nagis Blick glitt wieder davon. Er blieb am Fenster hängen und starrte hinaus in die Nacht. Aya hatte Geduld. Er blieb still sitzen und wartete darauf, dass Nagi sich entschloss, zu reden. Er musste lange warten, aber schließlich gab Nagi mit einem kleinen Seufzer auf. "Weil ich dich mag...", flüsterte er und schaute weiter aus dem Fenster. Aya schluckte, blieb aber still. So, jetzt hatte er das ins Rollen gebracht, jetzt musste er damit klarkommen. "Weil du mich magst?", fragte Aya nach und sah Nagi an, versuchte, ihn dazu zu bringen, ihm wieder in die Augen zu sehen, blieb aber erfolglos. "Sehr...mag...", entgegnete Nagi kaum hörbar und seufzte. Dann schüttelte er schwach den Kopf und verbarg sein Gesicht wieder hinter seinen Armen. Aya hing fest. Er war so überrascht und verwirrt, wollte einerseits wissen, was Nagi wirklich empfand, andererseits wollte er einfach nur schnell vergessen, was geschehen war, damit er am nächsten Tag sein gewohntes Leben weiterleben konnte. Aya mochte keine Veränderungen. Und Nagi wusste, was Aya dachte. Jedenfalls den Teil mit den Veränderungen. Deshalb zierte er sich so, wirklich mit Aya zu reden. Aber er ahnte auch, dass die Erklärung jetzt wohl unausweichlich war. Und das war sie. "So sehr, dass du mich küsst?", hakte Aya leise nach und zwang seine Stimme, ruhig zu bleiben. Wollte er die Antwort auf diese Frage nun eigentlich hören, oder nicht? Nagi nickte. "Ja..." Aya senkte den Blick und starrte die Bettdecke an. Was sollte er jetzt machen? Was sollte er Nagi sagen? Dass er ihn auch mochte? Natürlich, das tat er, aber so? Aya fragte sich, was er in der Zeit, in der Nagi bei ihnen war, für den Jungen gefühlt hatte. Sicherlich Verantwortungsgefühl, Sorge, etwas Mitgefühl und so etwas wie Freundschaft, Vertrautheit vielleicht. Was Nagi da sagte, bedeutete, dass er Aya liebte, oder nicht? Mich?, fragte Aya sich irritiert und zog nachdenklich die Brauen zusammen. Nagi sah nicht auf, blieb nur still und wartete, was jetzt kam. ~Du musst dir keine Sorgen machen...~, war dann plötzlich Schuldigs Stimme in Nagis Kopf und der Junge zuckte vor Schreck zusammen. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Aya bemerkte nicht, was mit Nagi vorging, dazu war er zu sehr in seinen Gedanken versunken. Was soll das heißen, keine Sorgen machen? Ich hab ihn gerade geküsst!, gab Nagi fassungslos zurück und setzte sich wieder zurecht. Schuldig kicherte in seinem Kopf, dann wurde es kurz still. ~Aber das war richtig...~, hörte Nagi dann und schüttelte sowohl mental, als auch wirklich den Kopf. Schuldig schickte ihm ein Grinsen, dann ~Vertrau mir.~ Nagi runzelte erneut die Stirn, fragte Schuldig um eine Erklärung, aber die Stimme des Deutschen war aus Nagis Kopf verschwunden, ebenso, wie seine Präsenz. Nagi stand wieder alleine da. Es gab ihm zu denken, was Schuldig gesagt hatte, aber er konnte nicht ganz begreifen, was der Schwarz hatte sagen wollen. Nun, eigentlich begriff er es schon, aber Nagi glaubte es nicht. Es klopfte an der Tür und sichtlich erleichtert, über die Unterbrechung, stand Aya sofort auf und öffnete. Omi stand im Flur und spähte an Aya vorbei ins Zimmer. "Kann ich reinkommen?", fragte er dann an Aya gewandt. Der Weiß Leader nickte und trat an Omi vorbei auf den Flur. "Ich wollte sowieso gerade gehen.", meinte er und nutzte die Gelegenheit um sich vorerst zu verdrücken. Omi trat ins Zimmer, schloss die Tür und sah dann Nagi an. Der saß auf dem Bett und lächelte leicht, als er Omis Blick bemerkte. Aber Omi wusste, dass Nagis Lächeln nicht mehr als eine unbewusste Reaktion war. Wenn er Nagi in die Augen sah, sah Omi nur Verwirrung und so etwas wie Angst, was Nagis Lächeln lügen strafte. "Hey Omi...", sagte Nagi leise und wand seinen Blick wieder ab. Seine Hände glitten zu seinen Knien und seine Finger klammerten sich in den Stoff seiner Hose. Omi lächelte und setzte sich neben Nagi. "Jetzt versteh ich, warum dir Ayas Geschenk so wichtig war.", kam Omi dann gleich auf den Punkt und Nagi senkte den Blick noch ein wenig mehr. Jetzt musste er sich vor dem nächsten rechtfertigen. "Liebst du ihn also?", wollte Omi wissen und schickte einen unsicheren, fragenden Blick zu Nagi, der langsam aufsah. Und wenn nicht Omi, wem sonst sollte Nagi diese Frage ehrlich beantworten? "Ja, ich glaub schon...", murmelte er deshalb vorsichtig und blinzelte Omi verlegen an. "Hm...", machte Omi nur und nickte langsam. Dann war doch alles klar. "Und was hat er gesagt?", fragte Omi dann interessiert und drehte sich etwas zu Nagi, um ihn besser ansehen zu können. "Gar nichts...", gab Nagi leise zurück und sah wieder zu Boden. Dann schickte er seinen Blick auf Wanderschaft, um nur nicht Omi ansehen zu müssen. "Wie gar nichts?", hakte Omi verwundert nach und runzelte die Stirn. Nagi zuckte lasch die Schultern und seufzte dann. "Na eben gar nichts.", sagte er nur und verzichtete darauf, Omi die genaue Bedeutung von ,gar nichts' zu erläutern. "Du meinst, er ist einfach gegangen, ohne dir zu sagen, was er darüber denkt?", fragte Omi noch einmal nach und bekam ein leises Nicken zur Antwort. "Typisch...", murmelte Omi mit grimmig gerunzelter Stirn und schüttelte den Kopf. Dass Aya seinen Freund einfach so damit alleine gelassen hatte, passte Omi gar nicht. "Weißt du, ich glaube das ist schon OK so...", sagte Nagi dann seufzend und sah Omi wieder an. Diesmal war sein Blick neutral und wirkte desinteressiert. Omi schüttelte wieder den Kopf, diesmal fassungslos über Nagis Reaktion. "Na hör mal! Du willst doch wohl wissen, ob er dich auch liebt, oder?!", rief Omi fast tadelnd aus und starrte bohrend in Nagis Augen. Nagi zuckte wieder die Schultern. "Ich fand seinen Abgang deutlich genug.", entgegnete er dann kühl und fuhr sich durch die Haare. Dann stand er auf und trat an Omis PC. Er schaltete ihn ein und ließ eine Demoversion ihres Spiels durchlaufen. Omi sah ihm fassungslos zu und trat dann neben Nagi. "Du müsstest Aya mittlerweile besser kennen. Nur weil er wegläuft, heißt das nicht, dass alles geklärt ist.", sagte Omi ruhig und lächelte Nagis Spiegelbild auf dem Bildschirm an. Nagi sah einen Moment in Omis gespiegelte Augen, dann drehte er sich zu ihm und sah ihn richtig an. "Glaubst du, er könnte mich lieben?", fragte er leise und verflocht nervös seine Finger miteinander. Omi lächelte breit und nickte dann. "Klar, es gibt keinen Grund, warum nicht.", gab er spontan zurück und legte Nagi aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Es war komisch, aber dass Omi Nagis Vergangenheit und seine frühere ,Beziehung' zu Weiß einfach so außen vor ließ, kam Nagi ganz und gar nicht unlogisch vor. Aya hatte ja auch nie ein Wort darüber verloren, dass Nagi mal sein Feind gewesen war. Und als er davon erfahren hatte, dass Schuldig seine Schwester aufgeweckt hatte, hatte Aya nicht einmal wütend die Augenbrauen verzogen. Warum also sollte er Nagi nicht lieben können? Weil Aya so was eben nicht macht..., dachte Nagi und wurde fast schlagartig traurig. "Ich glaub zwar nicht, dass er schwul ist, aber das kriegst du schon hin...", grübelte Omi laut nach und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Unterlippe. Nagi sah auf, zog eine Augenbraue hoch und musste dann erst grinsen und schließlich lachen. Omi verstand einen Augenblick nicht, was so komisch gewesen war, dann fand auch er, dass es verrückt klang, was er gesagt hatte. Grinsend sah er Nagi beim lachen zu und verschränkte die Arme. "Schon besser. Mit deinem trüben Gesicht hättest du unseren Eisblock wohl kaum erweichen können.", meinte er dann und lächelte fröhlich. Omi fand, dass selbst Aya jawohl nicht würde wiederstehen können, wenn Nagi sich ordentlich Mühe mit ihm gab. Nagi hörte auf zu lachen und grinste nur noch. "Danke fürs Hoffnung machen...", sagte er dann und seine Stimme kehrte zu ihrer normalen Lautstärke zurück; keine Spur mehr von Nervosität oder Unbehagen. "Im Ernst: er hat dich nicht getötet, als du ihn geküsst hast, das muss was heißen.", fuhr Omi mit Mutmachen fort und lächelte schmunzelnd. "Außerdem werde ich dir helfen, wenn's nötig ist, dann kannst du schon mal ganz siegessicher sein.", fügte Omi noch krönend hinzu und entlockte Nagi noch ein Kichern. "So schlimm ist das alles nicht. Jetzt weiß er wenigstens endlich, wie viel er dir bedeutet und dass du ihm nicht egal bist, müsstest du auch schon mitbekommen haben." Omi strahlte noch immer und Nagi schöpfte Hoffnung. Schuldig hatte das gleiche gesagt, wenn man es in Omis Sprache übertrug. Also würde er sich eben trauen, zu Aya gehen und mit ihm reden. Oder ihn vielleicht einfach noch mal küssen... Kaum eine Minute später stand Nagi nervös vor Ayas Zimmertür und klopfte. Omi war stolz gewesen, als Nagi verkündet hatte, dass er noch mal mit ihrem Leader sprechen wollte. Aya öffnete, sah Nagi entgegen und trat mit gesenktem Blick beiseite. Es nützte ohnehin nichts, wenn er sein cooles Gesicht aufsetzte, es war mehr als offensichtlich, dass das nur eine seiner Masken sein würde, also ließ Aya es bleiben. "Du bist so plötzlich verschwunden...ich wollte noch mal mit dir reden...", erklärte Nagi leise sein Kommen und trat ein, als Aya eine einladende Geste machte. Der Rotschopf schloss die Tür und setzte sich aufs Bett. "Ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen, tut mir leid...", murmelte er dann und sah Nagi vorsichtig an. Nagi lächelte und setzte sich ebenfalls. Er rutschte ans Kopfende des Bettes, schlug die Beine übereinander und sah Aya an, wie dieser ihn ansah. "Schon gut...", nahm er Ayas Entschuldigung an und schwieg dann wieder. Auch Aya sagte nichts, wand nur seinen Blick von Nagi ab und sah zu Boden. "Ich liebe dich...", sprach Nagi dann endlich aus, was ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag und fühlte fast im selben Augenblick, wie der Druck auf seiner Brust ein ganzes Stück leichter wurde. Aya lächelte leicht. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, aber Nagi hatte Zeit und wartete ruhig. "Es ist nicht so, dass du mir nichts bedeutest...", sagte Aya dann und drehte sich zu Nagi um. Er hob seine Beine aufs Bett, setzte sich im Schneidersitz Nagi gegenüber und sah ihn offen an. Wenn er diese Aussprache schon haben musste, dann wollte er auch sagen, was er wirklich dachte. Und dass er Nagi dabei ins Gesicht sah, war er dem Jüngeren schuldig. Nagi schwieg noch immer, sah Aya an, dass dieser noch viel mehr zu sagen hatte und wollte einfach erst mal zuhören. Aya machte eine kurze Pause, dachte darüber nach, was genau er sagen wollte, um keinen falschen Eindruck, aber auch keine falschen Hoffnungen zu wecken. Dann atmete er einmal lächelnd durch und fuhr fort. "Seit du hier bist, bist du mir immer wichtiger geworden. Ich denke, das hast du auch schon bemerkt." Nagi nickte und lächelte leicht. Aya seufzte leise, sah kurz zur Seite, um sich zu beruhigen und schaute dann wieder Nagi an. "Das alles ist nur so ungewohnt für mich...", versuchte Aya seine Verwirrung über die Situation auszudrücken und runzelte die Stirn, weil er gleich wusste, dass Nagi nicht verstand. "Ich bin mir nicht sicher...was ich tun soll...", sprach Aya langsam weiter, stockte und lächelte dann, ehrlich verlegen. Nagi hatte ihn noch nie so gesehen. Er hatte noch niemals mit Aya über Gefühle gesprochen, außer, über seine eigenen. Dass Aya jetzt so offen mit ihm sprach, war für Nagi schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er machte sich bewusst, dass er nicht zu viel erwarten durfte. "Ich weiß nicht, ob...ob ich...na ja, verliebt bin...", murmelte Aya und man sah ihm an, wie verlegen er war. Offenbar fiel es ihm schwer. Nichts anderes hatte Nagi erwartet, aber als er den Rotschopf jetzt so verlegen und peinlich berührt vor sich sitzen sah, fragte er sich langsam, ob das der richtige Weg war. Wenn es Aya unangenehm war, mit ihm darüber zu sprechen, konnte Nagi dann erwarten, dass sich das änderte? "Also versteh mich nicht falsch..." Aya schloss kurz die Augen, schüttelte den Kopf und ordnete seine verwirrten Gedanken. "Du bist wirklich wichtig für mich und ich...glaube...dass du mir näher stehst, als sonst jemand..." Nagi legte den Kopf schief und lächelte weiter. Wahrscheinlich wollte er Aya Mut machen, ihm zeigen, dass er ehrlich interessiert war an dem, was Aya sagte und dass er sich nicht darüber lustig machte, dass es ihm schwer fiel. "Wahrscheinlich wäre ich sogar gerne mit dir zusammen...", murmelte Aya dann plötzlich und zog die Augenbrauen hoch, als ob er sich gerade selbst gefragt hätte und jetzt auf eine Antwort wartete. Nagi zog ebenfalls die Augenbrauen hoch und war dann doch etwas überrascht. Aber dann blieb er doch einfach still sitzen und sah Aya nur an, lächelte, um ihn dazu zu bewegen, weiterzureden. Aya schmunzelte einen Moment und sah zur Seite. Dann seufzte er noch einmal und sah wieder Nagi an. "Ich weiß nur nicht, ob ich das kann.", schloss er dann vorerst und wartete offensichtlich auf eine Reaktion von Nagis Seite. Der Junge setzte sich gerader hin, zog die Knie an den Körper und schwieg einen Augenblick. Dann zuckte er leicht die Schultern und lächelte wieder. "Wenn du nichts plausibles dagegen einzuwenden hast, mit mir zusammenzusein, dann kannst du's doch einfach versuchen.", beschloss er dann und grinste verschmitzt. Er war auf einmal gar nicht mehr nervös, sondern merkwürdig ruhig. Aya runzelte die Stirn und schaute verwirrt. "Wie, ,versuchen'?", fragte er dann stockend und sah zur Seite. Nagi zuckte erneut die Schultern und tippte sich mit einem Finger ans Ohr. "Naja...wenn du nicht weißt, ob du mich lieben kannst, musst du's eben herausfinden.", meinte er dann und sah Aya an, der noch immer irgendein Mysterium in den Weiten des Teppichs zu suchen schien. "Du könntest damit anfangen, mich zu küssen...", bot Nagi dann einfach freiheraus an und krabbelte zu Aya. Der sah erschrocken auf und hatte schon Nagis Gesicht direkt vor seinem. "Bitte was?", brachte er stotternd heraus und wich etwas zurück. Nagi runzelte die Stirn und sah kurz zur Seite. Na das war ja wieder klar...hör auf, dich einzumischen..., schalt er Schuldig, bewusst, dass dieser ihm gerade einen kleinen Schubs gegeben hatte. ~Alleine schafft ihr das ja nie...~, antwortete Schuldig kichernd und streckte Nagi mental die Zunge heraus. Aber Nagi fand das gar nicht. Trotzdem war Schuldigs Einmischung vielleicht gar keine schlechte Idee gewesen. ~Natürlich nicht...~, grinste Schuldig und Nagi musste lächeln. Warum nicht, das war der beste Anfang, den es geben konnte. Und wenn Aya schon nach einem Kuss genug hatte, konnte Nagi gleich einpacken. "Du könntest mich küssen...", wiederholte Nagi deshalb lächelnd und rückte etwas näher. Aya wurde leicht rot, aber nur so minimal, dass selbst Nagi zweifelte, ob er es wirklich sah. "Das...", begann Aya zu wiedersprechen, brach aber selber ab. Wenn ich ihn küsse, wird mir vielleicht endlich klar, worüber ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbreche..., dachte der Weiß Leader dann und zuckte leicht die Schultern. Nagi lächelte ein wenig breiter, hob langsam eine Hand und legte sie, etwas unbeholfen, an Ayas Wange. Aya spürte, wie nervös Nagi war. Keine Spur mehr von seinem Enthusiasmus, von vor einer Minute. Ebenfalls lächelnd hob auch Aya eine Hand, legte sie auf Nagis und drückte sie leicht. So ermutigt, traute Nagi sich näher, schloss die Augen, neigte leicht den Kopf und näherte sich Ayas Lippen. Kaum sah Aya, wie Nagi die Augen schloss, um den Kuss zu genießen, bekam er Angst. Angst davor, was passieren würde, wenn er nicht auf der Stelle damit aufhörte. Wenn er Nagi jetzt küsste, würde er nicht mehr einfach ,nein' sagen können, das wusste er genau. Wenn er sich auf diesen einen, ersten Kuss einließ, würde er sich auch auf Nagi einlassen. Bevor Aya sich doch noch zurückziehen konnte, berührten Nagis Lippen die seinen. Augenblicklich fielen Aya die Augen zu und diesmal nahmen seine Wangen einen knallroten Farbton an. Aber es war schön. Aya stellte fest, dass es wirklich schön war. Hatte er überhaupt schon jemals etwas so schönes gefühlt? Er küsste gerade seinen ehemaligen Feind, noch dazu einen Jungen und er genoss es auch noch. Was macht das schon?, dachte er dann, lächelte leicht an Nagis Lippen und hob dann seinen anderen Arm, legte ihn um Nagis Nacken und zog den Jungen näher zu sich. Und wenn es bei diesem einen Kuss blieb, konnte Aya ihn doch trotzdem genießen, daran war doch nichts verbotenes. Langsam, um Aya nicht zu verschrecken, vertiefte Nagi ihren Kuss, schob seine Zungenspitze eine Winzigkeit vor und berührte sanft Ayas Lippen. Sofort wurde Nagis Zunge von Ayas empfangen, noch stockend und schüchtern, aber deutlich aufmunternd und bejahend. Nagi lächelte jetzt ebenfalls leicht, spürte, dass Aya das Gleiche tat und beschloss, ein kleines Risiko einzugehen. Er schlüpfte mit seiner Zunge in Ayas Mund, spürte, wie Aya erst zurückwich und glaubte schon, jetzt wäre er zu weit gegangen, dann bekam er doch noch eine positive Reaktion. Aya lehnte sich leicht gegen Nagis Lippen und stupste vorsichtig gegen seine Zungenspitze. Es fiel ihm leichter, als er gedacht hatte. Aber trotzdem verharrte er vor jeder noch so minimalen Bewegung einen kurzen Augenblick, um nachzufühlen, ob er sich irgendwie unwohl dabei fühlte. Doch Nagi küsste ihn so unglaublich sanft und zartfühlend, dass Aya sich entspannen und diesen ersten, freiwilligen Kuss genießen konnte. Und es war wirklich ein genießenswerter Kuss. Nagi spürte Ayas rotglühende Wange an seiner Hand und wurde so unwahrscheinlich glücklich, dass er gar nicht aufhören wollte, diesem sonst so kühlen Mann nahe zu sein. Aber er spürte auch, dass Aya unsicher war, obwohl er Nagis Annäherung so gut aufnahm. So zog Nagi sich langsam zurück, öffnete die Augen wieder, um einen tiefen Blick in Ayas zu werfen. ~Was für ein Kuss!~, hauchte Schuldig beeindruckt und Nagi schickte ihm ein überbreites telepatisches Grinsen. Aya bekam von der stillen Zwiesprache nichts mit. Er saß da, die Hand noch immer auf Nagis und den Arm noch immer um den Nacken des Jungen gelegt und wagte nicht, sich zu rühren. Als Nagi dann seine Hand von Ayas Wange nahm, um Ayas Hand in seine zu nehmen und fest zu drücken, musste Aya blinzeln, um wieder ganz da zu sein. Nagi hatte keine Angst mehr, etwas falsch zu machen. Irgendwie spürte er, was Aya zulassen würde und was nicht. Vielleicht öffnete Schuldig einen Kanal zwischen ihnen, vielleicht war es auch einfach die Magie des ersten Kusses, aber Nagi wusste sicher, dass Aya jetzt nichts dagegen hatte, wenn er blieb. Er sah Aya kurz prüfend an, um sich ganz sicher zu sein, dann legte er seinen Kopf an die Schulter des Älteren und hielt seine Hand fest in der eigenen. Aya lächelte kurz, dann schob er seinen Arm etwas enger um Nagi und hielt ihn fest. Vielleicht wusste er noch nicht, was genau er für den Jüngeren fühlte, ob er ihn nun liebte, lieben konnte, oder nicht, aber Aya wusste, dass es ihm alles andere als schlecht tat, wenn er mit Nagi zusammen war. Und er hatte rein gar nichts gegen seine Nähe. "Das war ein schöner Kuss...", flüsterte Nagi nach einer Weile und lächelte verliebt. Aya hatte die Augen geschlossen und seinen Kopf an Nagis gelehnt. Er lächelte leicht und strich Nagi einmal übers Haar. "Hmhm...", machte er dann zustimmend und drückte Nagi wieder an sich. Nagi jedenfalls war sich jetzt vollkommen sicher: er war verliebt. Und wenn er nur bei Aya sein durfte, wenn er nicht weggestoßen wurde, wenn er ihm seine Zuneigung und Liebe zeigen durfte, so wie jetzt, dann war es doch schon gut. Und selbst wenn Aya auf sein Liebesbekenntnis niemals ,Ich dich auch' antworten würde, hatte Nagi doch noch immer die Nähe dieses Kusses. Wenn Nagi darüber nachdachte, stellte er fest, dass er so leben konnte. Vielleicht nicht für immer, aber für eine lange, lange Zeit, wenn es sein musste. Zehn Minuten später war Nagi fast eingeschlafen, so gemütlich und wohlig an Aya gelehnt. Und weil er sich hier, bei ihm, so wohl fühlte, beschloss er, noch eins diese lieblichen Wagnisse einzugehen. "Du Aya...", begann er leise flüsternd und wartete auf eine Reaktion. "Hm?", machte Aya nur und hob leicht seinen Kopf, um Nagi zu zeigen, dass er zuhörte. "Kann ich heut Nacht bei dir schlafen?", fragte Nagi dann wispernd und Aya brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Nagi gesagt hatte, so leise hatte er gesprochen. Er setzte sich leicht auf und sah Nagi in die Augen, der ebenfalls den Kopf gehoben hatte. Für einen Augenblick durchfuhr Aya das ungute Gefühl von tatschenden Händen, heißem Atem, nackten Körpern, dann war es wieder verschwunden. Nagi hatte nicht so etwas im Sinn und Aya schämte sich irgendwie, dass er daran gedacht hatte. Aber dann schob es das beiseite und nickte lächelnd. "Kannst du.", stimmte er zu und musste verdutzt mit ansehen, wie Nagi aufsprang und aus dem Zimmer stürzte. Er rannte zu Omi, der schon im Bett lag, allerdings noch wach war, weil er wusste, wo Nagi war und es kaum noch aushielt, dass sein Freund endlich zurückkam, um ihm zu berichten. Nagi polterte ins Zimmer, ließ Omi erschrocken auffahren, verharrte eine Sekunde bewegungslos und starrte Omi an, strahlte dann mit einem Mal über das ganze Gesicht und suchte seinen Pyjama. "Ich schlaf bei Aya!", rief er überglücklich und vollkommen in Freude und Enthusiasmus versunken. Omi grinste so breit er nur konnte und wurde rot, vor lauter Freude über Nagis ersten Erfolg. "Ich bin so verliebt!", giggelte Nagi dann, krabbelte zu Omi aufs Bett und drückte ihn fest an sich. Omi lachte und erwiderte diese fröhliche Umarmung, ohne zu zögern. "Bis morgen!", rief Nagi noch, winkte Omi strahlend zu und verschwand schon wieder. Omi blieb grinsend zurück, löschte das Licht und kuschelte sich wohlig seufzend in sein Bett. Heute würde er seit langer Zeit wieder alleine schlafen, aber es machte ihm ganz und gar nichts aus. Nagi schlüpfte kichernd wieder in Ayas Zimmer, zog die Tür zu und zog sich gleich um. Er ging dafür nicht einmal ins Bad, so glücklich war er in diesen Sekunden. Aya sah diesem Schauspiel von Glück und Übermut schmunzelnd und auch irgendwie berührt zu, war doch er der Grund, warum dieser süße Junge so glücklich war. Dann tat Aya es Nagi nach, schlüpfte in seinen Pyjama und kroch ins Bett. Nagi stand am Fußende und war auf einmal still. Er starrte auf das Bett, auf Aya und dann zur Seite. "Darf ich wirklich...?", fragte er, plötzlich schüchtern und tapste auf der Stelle. Aya musste lachen, als er Nagi so sah. Dann streckte er ihm eine Hand entgegen und stieß sein unwohl kribbelndes Gefühl im Bauch beiseite. "Komm schon her...", sagte er gnädig und lächelte. Nagi trat langsam näher, nahm dann zögerlich Ayas Hand und krabbelte ins Bett. Aya hob die Decke, Nagi kroch darunter und kuschelte sich gleich ein. Dann lagen sie eine Minute vollkommen bewegungslos, bis Aya über die Situation lachen musste. Es war doch wohl klar, was Nagi wollte, oder nicht? "Komm her, ich beiß nicht...", forderte er Nagi deshalb auf, näher zu rücken und der Jüngere tat es auch gleich. Er hatte ja nur auf eine deutliche Aufforderung gewartet, wollte doch nichts falsch machen. Überglücklich lächelnd rückte er an Aya heran, kuschelte sich in den Arm, den Aya für ihn ausstreckte und schmiegte seinen Kopf an Ayas Brust. Innerlich war Aya etwas zerrissen. Einerseits hatten sie sich gerade erst zum ersten Mal geküsst und er war sich unsicher über seine Gefühle, andererseits lag Nagi jetzt schon in seinem Bett und schmiegte sich an ihn. Aber unangenehm war Aya die Art von kindlich, fröhlich verliebter Nähe, die Nagi ihm geben wollte nicht. Er strich Nagi übers Haar und lächelte liebevoll. Ja, Nagi bedeutete ihm viel. Und wenn Nagi ihm seine Liebe zeigen konnte, dann durfte auch Aya Nagi zeigen, was er empfand. "Gute Nacht!", sagte Nagi fröhlich und küsste Aya kurz auf die Wange. Es war offensichtlich, dass er noch nicht recht wusste, ob Aya etwas dagegen hatte, oder nicht. Aber Aya lächelte nur lieb und schloss die Augen. "Gute Nacht.", entgegnete er und drückte Nagi an sich. Glücklich seufzte der Junge und schloss ebenfalls die Augen. "Ich liebe dich...", flüsterte er noch, mit leicht zitternder Stimme, dann verstummte er völlig und kuschelte sich nur überwältigt von all den Geschehnissen an seinen Aya, lauschte seinem Herzschlag und seinem ruhigen Atem. Aya lächelte vor sich hin. Schon verrückt, dass sich ein so fröhlicher junger Mann einen gefühlskalten Eisberg wie ihn aussuchte, um glücklich zu werden. Aber vielleicht...ganz vielleicht...konnte Aya das ja wirklich: Nagi glücklich machen. Und auch sich selbst. Kapitel 10: -Zehn- ------------------ //1 Am Morgen des fünfundzwanzigsten Dezember wachte Nagi als Erster auf. Er lag noch immer neben Aya, der sich im Schlaf kaum bewegt hatte. Auch Ayas Arm lag noch immer um Nagis Nacken und der Junge lächelte still. Also war es tatsächlich passiert. Er hatte Aya geküsst, hatte alles auf eine Karte gesetzt und gewonnen. Jedenfalls vorerst. Nagi machte sich bewusst, dass Ayas Entscheidung für ihn noch nicht entgültig gefallen war. Abgesehen davon, dass er ohnehin nur seltenst seine Gefühle zuließ, standen zwischen Nagi und dem Weiß-Leader ja auch noch andere Probleme. Erstens war Aya nicht schwul, wie Omi so treffend festgestellt hatte. Nagi grinste bei dem Gedanken. Abgesehen davon, dass Nagi das von sich eigentlich auch nie gedacht hätte, konnte das für Aya natürlich ein Problem sein. Zweitens war Nagi fast noch ein Kind, während Aya bereits mehr als erwachsen war. Aber Nagi hoffte darauf, dass diese Hindernisse sich nicht als unüberwindbar herausstellen würden. Immerhin hatte auch er sich seine Liebe zu Aya eingestanden, obwohl er auch niemals zuvor etwas mit einem Kerl gehabt hatte. Und außerdem hielt Nagi sich durchaus für erwachsen und wenn auch nicht vom Alter, dann doch vom geistigen Niveau durchaus für ebenbürtig mit seinem Auserwählten. Nagi kicherte leise. Er streichelte sacht Ayas Ohr entlang, während er sich so seine Gedanken machte. Er wollte, dass Aya aufwachte, ihn noch einmal küsste, oder wenigstens anlächelte. Andererseits wollte er ihn nicht wecken, wollte ihm noch ein wenig beim Schlafen zusehen. Letztendlich nahm Ayas Wecker Nagi diese Entscheidung ab, als er durchdringend zu piepsen begann. „Oh man…“, nuschelte Aya verschlafen und rollte sich halb über Nagi, um den nervenden Lärm auszuschalten. Nagi verharrte bewegungslos und spürte, wie sein Herz begann, rascher zu schlagen. Was, wenn Aya die Augen aufschlug, ihn sah und ihn schockiert aus dem Zimmer verwies? Plötzlich hatte Nagi das ungute Gefühl, Aya würde alles bereuen. „Nagi…?!“, murmelte Aya irritiert, als er schließlich die Augen öffnete und den Jüngeren ansah. Nagi antwortete nicht und wagte noch immer keine Bewegung. „Hey, was ist los?“, fragte Aya daraufhin und strich kurz über Nagis Wange. Und sofort fiel die Starre von Nagi und ein breites Lächeln eroberte seine Lippen. Er schnappte sich Ayas Hand und ließ sie nicht mehr los. „Alles klar?“, hakte Aya nach und Nagi nickte seelig. „Guten Morgen.“, brachte er endlich hervor und Aya lachte kurz auf, als er Nagis Erleichterung spürte. Beim Anblick des ehemaligen Schwarz war dem Weiß-Leader sofort klar gewesen, was Nagis angespannter Blick bedeutete. „Hattest wohl Angst, dass ich meine Entscheidung revidiere, hm?“, fragte er deshalb keck und drückte Nagis Hand. Prombt wurde Nagi rot und sah auf die Bettdecke, die Ayas Oberkörper umschmiegte. „Wie kommst du denn dadrauf?“, gab er ertappt zurück und musste grinsen. „Und, tust dus?“, setzte er dann nach und schielte von unten zu Aya hinauf. Der schüttelte den Kopf. „Nope.“, sagte er nur knapp, ließ Nagis Hand los und drehte sich gähnend auf den Rücken. Nagi atmete erleichtert aus und tat es Aya nach. Nachdem sie einige Sekunden stumm an die Decke gestarrt hatten, war es Nagi, der zuerst wieder etwas sagte. „Also darf ich bei dir bleiben?“, fragte er vorsichtig und sah Aya nicht an. „Darfst du.“, bestätigte Aya knapp und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um bequemer zu liegen. Nagi nickte still, war aber noch nicht zufrieden. „Und darf ich auch ab und zu bei dir schlafen?“, fragte er daher weiter und Aya schmunzelte ein wenig, bevor er antwortete. „Ab und zu…“ Nagi nickte erneut und kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. „Und dürfen die andern das wissen?“, stellte er die für ihn beinahe wichtigste Frage und hielt gebannt den Atem an. Aya runzelte die Stirn und drehte den Kopf zu Nagi. Der sah ihn aber noch immer nicht an. „Meinst du nicht, dass sie es ohnehin schon wissen?“, meinte der Ältere dann und grinste ein wenig. Aber er verstand Nagis Frage trotzdem. Er hasste es, seine Gefühle vor den Mitgliedern von Weiß zu zeigen. Nagi dagegen hatte damit überhaupt kein Problem. Es tat ihm sogar gut. Was also, wenn Nagi beispielsweise Lust bekam, Aya einen Kuss aufzudrücken, während sie gerade mit Omi, Ken und Yoji am Frühstückstisch saßen? Aya dachte gründlich über die Ausmaße seiner Antwort auf Nagis Frage nach, bevor er zum Sprechen ansetzte. „Ich bin ich. Dazu gehört es nicht gerade, vor den anderen fröhlich herumzuturteln. Das ist nicht meine Art. Und du bist du. Dir macht so was nichts aus, im Gegenteil. Also finden wir einen Mittelweg. Ich brauch Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Wie klingt das?“ Nagi drehte sich auf den Bauch und schenkte Aya ein herzerwärmendes, breites Lächeln. „Gut.“, antwortete er nur fröhlich und drückte Aya einen raschen Kuss auf die Wange. Der Rotschopf lächelte und schmunzelte dann über sich selbst. Er fragte sich, was es mit ihm anstellen würde, so von kindlichem Charme und gänzlich offener, unbefangener Liebe umgeben zu sein. Weil es aber noch früh war und Aya nicht wirklich ausgeschlafen, hatte er keine Lust, sich Gedanken zu machen. Schon gar nicht über derlei komplizierte Dinge. Es war, wie er Nagi gesagt hatte. Er war er und das würde sich nicht ändern. Wieso auch? Immerhin hatte Nagi ihn so kennengelernt und mochte ihn scheinbar trotzdem. Auch, wenn Aya sich noch immer fragte, wie jemand so Kaltes, wie er es war, jemand so Warmes, wie Nagi es war, verdient hatte. „Sag mal, du wolltest mir doch noch erzählen, wie du das mit Schuldig angestellt hast.“, warf Aya daher nach einigen Sekunden des Schweigens in den Raum und war froh, als Nagi darauf einging. „Ja, richtig! Hatte ich fast vergessen!“, sagte er lachend und legte den Kopf auf die verschränkten Arme. „Soll ich’s dir jetzt erzählen?“, fragte er dann und Aya nickte zustimmend. „Naja, also…“, begann Nagi und rückte unter der Decke in eine bequeme Erzählposition. Und dann erfuhr Aya als erstes von Nagis erstem Treffen mit Schuldig, seit Nagi Schwarz verlassen hatte. Nagi hatte sich lange Gedanken darüber gemacht, was er den Mitgliedern von Weiß schenken sollte. Und Omi hatte ihm dabei tatkräftige Hilfe geleistet. Bei den Geschenken für Ken und Yoji hatte Nagi sich auch gern helfen lassen, für Omi war ihm auch so etwas eingefallen, aber Ayas Geschenk lag ihm am meisten am Herzen. Und so hatte er täglich, abends vor dem Einschlafen, da gesessen und gegrübelt. Bis ihm plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung Ayas Schwester eingefallen war. Er erinnerte sich daran, wie er vor einigen Jahren von ihrem Schicksal erfahren hatte und ihm wurde bewusst, dass die Gesundheit seiner Schwester wohl das war, was Aya am meisten bedeuten würde. Das große Geschenk, nach dem Nagi gesucht hatte, war gefunden. Und er hatte auch sofort gewusst, wie er dieses Geschenk verwirklichen konnte. Er hatte sofort an Schuldig gedacht, an dessen Kräfte und an deren Macht. Aber so einfach war das Ganze dann doch nicht gewesen. Nagi wusste, er würde Schuldig rufen müssen, um ihn um diesen Gefallen zu bitten. Und wie sollte er das anstellen? Er konnte doch nicht als Erstes, kaum dass sie sich wieder sehen, eine Bitte an seinen ehemaligen Teamkollegen richten. Nicht nach alldem, was geschehen war. Und doch wollte Nagi unbedingt genau das für Aya tun. Also entschied er sich zwei Tage vor Heiligabend dafür, Schuldig zu rufen und ihn um Hilfe zu bitten. Er hatte große Angst davor, den Deutschen wiederzusehen. Er malte sich seit seiner Flucht alles Mögliche aus, was Schuldig vielleicht passiert sein mochte, was der Blonde wohl über ihn dachte, was er wohl tun würde, würde Nagi ihn rufen. Nagi befürchtete schon, Schuldig würde vielleicth gar nicht antworten, ihn einfach hängen lassen, so, wie Nagi ihn hatte hängen lassen. Aber da täuschte er sich gewaltig. Am zweiundzwanzigsten Dezember ging Nagi nach dem Abenbrot nicht mit Omi auf sein Zimmer, sondern in den Keller. Er sagte Omi, dass er noch ein wenig Zeit brauchte, um sich über Weihnachtsgeschenke Gedanken zu machen. Und Omi akzeptierte das ohne weiteres. Den anderen Mitgliedern von Weiß erzählte Nagi erst gar nichts, denn er wusste, sie würden einfach davon ausgehen, dass er mit Omi oben war und schlief. Und es gab keinen Grund, zu befürchten, dass Omi ihn verriet, denn angeblich bereitete er ja Weihnachten vor. Omi würde ihn decken. Also schloss Nagi die Kellertür hinter sich, ging leise die Wendeltreppe hinunter und setzte sich auf das Sofa. Er schloss die Augen und versuchte seine nervösen Hände zu beruhigen. Dann nahm er allen Mut zusammen und rief nach Schuldig. Er tat es gleich laut, so laut er konnte und zwang sich dazu, seine ganzen Gedanken nur auf den Deutschen zu konzentrieren. ~Schrei nicht so!~ drang es kaum fünf Sekunden später in Nagis Kopf und er riss beinahe erschrocken die Augen auf. Mit einer derart schnellen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Nagi setzte sich auf dem Sofa zurecht und schloss erneut die Augen. Dann bat er. -Schu…kannst du zu mir kommen?- und wartete ein wenig ängstlich auf eine Antwort. ~Natürlich, du Idiot! Warum hat das so lange gedauert?~ kam die vorwurfsvolle Antwort und Nagi seufzte erleichtert. All seine Zweifel und Ängst waren mit einem Mal wie zerschlagen und er wusste, dass Schuldig sich ein Wiedersehen genauso sehr herbegesehnt hatte, wie er selber. Wenn auch vielleicht aus anderen Gründen, aber da spielte keine Rolle. -Kannst du sofort kommen?-, überging Nagi Schuldigs Vorwurf und wartete gespannt. ~Sag mir, wo du bist und ich bin in einer Stunde da.~ antwortete Schuldig und Nagi erklärte es ihm. Schuldig schien überrascht, aber keineswegs allzu sehr und gab zurück, dass er in einer Stunde im Hinterhof auf Nagi warten würde. Nagi lächelte und schickte auch Schuldig ein liebevolles Lächeln, dann brach er den Kontakt ab und eilte nach oben zu Omi. Der wartete bereits ungeduldig, lag bereits im Schlafanzug im Bett und verdrehte gespielt genervt die Augen, als Nagi hereinkam. „Na endlich, man ich will schlafen.“, brummelte er grinsend und Nagi verbarg seine Aufgedrehtheit und Vorfreude mit einem Lächeln. „Schon gut, ging nicht schneller!“, gab er grinsend zurück und beeilte sich mit dem Umziehen. Dann schlüpfte er zu Omi ins Bett, rollte sich zusammen und schloss die Augen. Während er darauf wartete, dass Omi einschlief, dachte er an Schuldig und daran, was er tun würde, wenn er seinen Freund nun endlich nach all den Wochen wieder sehen würde. Als der Wecker auf Omis Nachttisch genau 23:00 Uhr anzeigte, stieß Nagi seinen Freund sacht an. Omi grunzte nur leise und Nagi wusste, dass er fest schlief. Er stand auf, zog sich einen alten Trainingsanzug von Aya über seinen Pyjama und schlich sich nach draußen. Er kletterte am Balkon hinunter in den Hinterhof, um nicht durch auf- und zugehende Türen unnötigen Lärm zu machen. Das Haus war dunkel, es regte sich nichts und niemand. Nagi sah sich im Hinterhof um und fuhr erst erschrocken zurück, als er einen sich bewegenden Schatten sah. -Schu?-, fragte Nagi lautlos und er bekam ein grinsendes, telepathisches Nicken als Antwort. Dann trat Schuldig aus dem Schatten der Hauswand und trat auf Nagi zu. Der konnte sich nicht bewegen, so sehr freute er sich, dieses Gesicht wiederzusehen. Schuldig machte vor Nagi Halt und lächelte ihn an. ~Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Kleiner.~, teilte er ihm mit und Nagi stiegen die Tränen in die Augen. Wie hatte er nur denken können, dass Schuldig sauer auf ihn war, oder ihn gar hasste? Nagi schämte sich. Und vor lauter Scham konnte er weder etwas antworten, noch Schuldig drücken, was er mehr als alles im Moment wollte. ~Ist schon gut…~ Schuldig kniete sich zu Nagi hinunter und nahm das zitternde, kleine Etwas in den Arm. ~Ich bin dir nicht böse.~ beruhigte er Nagi und endlich schaffte auch Nagi es, seinen Freund zu umarmen. Das tat so gut, dass er einige Minuten so verharrte, bis Schuldig sich langsam wieder von Nagi löste. ~Hat es dir die Sprache verschlagen?~ wollte er wissen und grinste Nagi frech an. Der konnte nur nicken, grinste schließlich aber auch und dann war der Bann gebrochen. -Ich will reden.-, bat Nagi lautlos und Schuldig deutete nickend auf eine im Schatten liegende Ecke. ~Dann tu’s doch.~, forderte er Nagi auf und sie verbargen sich im Schatten, wo Nagi als erstes mit all dem heraussprudelte, was ihm in den letzten Wochen passiert war. Er ließ nichts aus, erzählte Schuldig auch alles Unangenehme und als er fertig war, stellte er erschrocken fest, dass er weinend in Schuldigs Arm lag. „Ich hab dich auch vermisst.“, war das Erste, was Nagi wieder hörte und er musste sich eingestehen, dass er nicht bemerkt hatte, dass er das gedacht hatte. Der Deutsche sah Nagi lächelnd an und der Junge war sich plötzlich sicher, dass Schuldig alles für ihn tun würde. Er hatte schon immer einen guten Freund bei Schwarz gehabt, hatte es nur nie bemerkt und hatte es bis gerade eben auch nie glauben können. Jetzt wusste er es. Schu war ein wenig wie Aya. Nein, ganz doll sogar. Er hielt viel von Nagi und hielt zu ihm. Nur gezeigt hatte er es nie. Nagi lächelte. „Ich hab dich so lieb, Schu.!“, brachte er heraus und Schuldig lachte leise. „Das weiß ich doch.“, antwortete er, ebenfalls lächelnd und Nagi seufzte erleichtert. Dann erzählte Schuldig, wie es ihm und Farfarello in Nagis Abwesenheit ergangen war. Schuldig war es gewesen, der Farfarello aus dem Keller geholt und ihm Crawfords Leiche unter die Nase gehalten hatte. Der Ire hatte laut Schuldigs Aussage typisch reagiert. Er hat sich Crawford angesehen, ihn für tot erklärt und die Schultern gezuckt. ‚So ein Pech’, hatte er gesagt und hatte sich mit Schuldig um die Entsorgung der Leiche gekümmert. Schuldig hatte ihm nichts davon erzählt, was zwischen Nagi und Crawford geschehen war. Farfarello hätte es ohnehin nicht verstanden, dessen war er sich sicher. Außerdem hatte Schuldig nicht das Gefühl gehabt, dass es den Schwarz überhaupt interessierte. Natürlich gab es Schwarz daraufhin nicht mehr, diese Vermutung von Nagi konnte Schuldig bestätigen. Dennoch hatten er und Farfarello ihrem alten Job nicht abgeschworen. Farfarello konnte ohnehin nichts anderes, wollte auch nichts anderes und Schuldig tat es, um Geld zu verdienen, um Spaß zu haben und, um sich von Nagi abzulenken. Trotzdem stand nach einiger Zeit für Schuldig fest, dass er Nagi suchen würde. Und, dass er mit Farfarello nichts mehr zu tun haben wollte. Ohne Nagis Kontrolle wurde der Ire zu so etwas, wie einer absolut weggetretenen Bestie, die sich um nichts und niemanden mehr scheerte. Es tat Nagi weh, das zu hören. Trotz allem war Farfarello ein Mitglied ihres Teams gewesen. Nagi hatte sich immer verantwortlich für ihn gefühlt, in gleichem Maße, wie für Crawford und Schuldig. Aber er wusste auch, dass er wegen Farfarello allein nicht zurückgehen konnte. Er war kein Freund für ihn gewesen. Nicht einmal so etwas, wie ein Bekannter. Er war letztendlich nur ein Mörder, mehr nicht. Und er wollte auch nie mehr sein. Und trotzdem schmerzte Nagi die Erkentnis, dass seine Zuwendung bei Farfarello offenbar eine Spur hinterlassen hatte. Sonst würde er ohne ihn nicht so durchdrehen. Aber Schuldig hatte Nagi beruhigt und ihn davon überzeugt, dass Farfarello nicht wirklich wusste, was ihm fehlte. Und dass ihm überhaupt etwas fehlte. Laut Schuldig schien Farfarello so ganz ohne Kontrolle durchaus glücklich. Nagi hoffte, dass niemand Farfarello finden und einsperren würde. Das würde er sich nicht verzeihen können. Schuldig hatte seinen Bericht mit der Aussage geschlossen, dass er sich mit kleinen Aufträgen über Wasser gehalten hatte, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Und, um die Suche nach Nagi fortsetzen zu können. Natürlich hatte er auch Nagis Computer durchforstet und war auf Access Ghost gestoßen. Aber über Nagis Aufenthaltsort hatten ihm die gespeicherten Gesprächsfetzen nichts gesagt. Und so war er herumgeirrt, hatte nachgeforscht, war aber nicht weit gekommen. Und als Nagi sich nicht gemeldet hatte, hatte Schuldig begonnen, zu befürchten, dass ihm etwas zugestoßen war. Umso erleichterter war er gewesen, als endlich, endlich Nagis Ruf zu ihm durchgedrungen war und er ihn nun wohlbehalten vor sich sah. Wenn auch in absolut unerwarteter Gesellschaft. „Man, Schu…“, hatte Nagi nach diesem Bericht nur gemurmelt und hatte Schuldig verlegen angesehen. Aber der hatte ihm keine Zeit für Schuldgefühle gegeben. „Also, was ist das, weswegen du mich hergebeten hast?“, wollte er stattdessen wissen und so kam es, dass Nagi ihm von Aya erzählte, der richtigen Aya und von seiner Idee, ihre Gesundheit als Weihnachtsgeschenk zu vergeben. Schuldig war zuerst nicht begeistert gewesen. Die Tatsache, das Weiß seine Feinde waren und auch die Umstände, die für das Koma von Ayas Schwester überhaupt gesorgt hatten, ließen ihn grübeln. Aber schließlich ließ er sich breitschlagen. Hauptsächlich, weil Schwarz nicht mehr existierte, Weiß daher auch nicht mehr wirklich seine Feinde waren und besonders, weil Nagi ihn so eindringlich um diesen Gefallen bat. Und so wurde es in die Tat umgesetzt. Schuldig ging zu Aya, weckte sie auf, zeichnete das Geschehen auf Video auf und legte Nagi das Band in der Nacht vor Heiligabend unters Kopfkissen, wo dieser es am nächsten Morgen fand. Glücklicherweise war Omi in diesem Augenblick im Bad, aber Nagi vermutete, dass Schuldig da seine Finger im Spiel gehabt hatte. „Puh. Fertig.“, schloss Nagi und schloss erschöpft die Augen. Von seinem Wiedersehen mit Schuldig zu erzählen war anstrengend gewesen. Die ganzen Gefühle der letzten Tage kamen wieder hoch und überwältigten ihn fast. Auch, weil Aya die ganze Zeit schweigend und regungslos zugehört hatte. Nur eins verschwieg Nagi Aya. Und zwar, dass er Schuldig auch von seinen Gefühlen für Aya erzählt hatte und dass es Schuldig gewesen war, der ihm mit einem breiten Grinsen geraten hatte, doch einfach den ersten Schritt zu machen. Schuldig hatte gewusst, dass Ayas Reaktion auf das Weihnachtsgeschenk viel von seinen Gefühlen preisgeben würde. Und er hatte Nagi den Tip gegeben, es einfach zu riskieren. Auch, wenn er von der Idee einer Beziehung zwischen Nagi und Aya nicht gerade begeistert war. Und Nagi behielt auch Schuldigs Einmischung bei ihrem ersten Kuss für sich. Das spielte nun wirklich keine Rolle, denn er wusste, dass er das auch allein gewollt und geschafft hätte. „Na holla.“, sagte Aya nun und grinste. „Da hast du ja was für mich auf dich genommen, hm?“, meinte er und Nagi lächelte sanft. „Hat sich aber gelohnt. In jeglicher Hinsicht.“, gab Nagi zurück und schmiegte seinen Kopf an Ayas Brust. Der Ältere ließ ihn gewähren und schloss noch für ein paar Minuten die Augen. Da am ersten Weihnachtstag der Laden geschlossen blieb und Omi und Nagi auch keine Schule hatten, hatten sie noch Zeit und mussten sich nicht beeilen. „Kann ich reinkommen?!“, schallte es kaum fünf Minuten später an der Zimmertür und Omi stürmte herein, ohne auf Erlaubnis zu warten. Aya setzte sich ruckartig im Bett auf, Nagi rutschte unsanft von seiner Brust und spürte augenblicklich, wie seine Wangen eine mehr als gesunde rote Farbe annahmen. „Man Omi!“, keifte Aya mehr als missmutig und der junge Weiß blieb augenblicklich stehen. Dann grinste er gespielt verlegen und zwinkerte Nagi siegessicher zu. Dem war Omis Gehabe allerdings mehr als peinlich und er warf ihm einen dementsprechenden Blick zu. Omi allerdings ließ sich dadurch nicht einschüchtern und tapste fröhlich zu seinen beiden Freunden ans Bett. „Uuuund…wie war die Nacht?“, verlangte er zu wissen und Nagi musste kichern. Omis erwartungsvolles Gesicht war zu niedlich. „Omi. Verzieh dich.“, befahl Aya knapp und tippte Omi mit dem Zeigefinger bedeutsam gegen die Brust. „Entschuldige.“, sagte Omi kleinlaut, als er Ayas in der Tat sehr wütenden Gesichtsausdruck bemerkte. Sein Enthusiasmus schien vorerst gebremst. Seine Neugier allerdings nicht und das wurde ihm zum Verhängnis. „Sag trotzdem…“, bat er und setzte sein liebstes Lächeln auf. Aya stand elegant auf, schnappte sich ebenso elegant den verteidigend keifenden Omi und setzte ihn kurzerhand vor die Tür. Nagi verkroch sich, peinlich berührt, unter der Decke. Aya setzte sich auf die Bettkante und fuhr sich grummelnd durch die Haare. „Na wenn das so weitergeht…“, murmelte er ärgerlich und Nagi setzte sich erschrocken auf. „Bist du jetzt sauer?“, fragte er vorsichtig und spähte über die Bettdecke, die er sich bis über den Mund gezogen hatte, vorsichtig zu Aya. „Was denkst du denn?“, fuhr Aya wütend auf und Nagi zuckte zurück. Nein, das hatte er wirklich nicht gewollt. Der Bericht über Ayas Schwester und Schuldig schien vergessen. Aya fuhr sich nochmals durch die strubbeligen Haare, dann stand er auf und verschwand im Bad. Schweigend und ohne einen Blick zurück. Jetzt bereut er’s , dachte Nagi und sah traurig auf seine Zehenspitzen, die unter der hochgezogegenen Decke hervorschauten. Mist, warum musste Omi ihm alles versauen? Dieser Idiot. Dabei musste Omi doch wissen, dass Aya es hasste, derart bloßgestellt zu werden. Wieso musste er so gedankenlos einfach das tun, wonach ihm gerade war? Nagi runzelte wütend die Stirn und musste gleichzeitig die Tränen zurückhalten. Was mach ich denn jetzt? , fragte er sich traurig und wütend zugleich und rollte sich wieder auf dem Bett zusammen. //2 Aya saß im Bad, nackt unter der eiskalt aufgedrehten Dusche. Er hielt die Augen geschlossen und spürte den kühlenden Wassertropfen nach, die über sein Gesicht liefen. Wie er es hasste. Wie er Gefühle hasste. Man konnte sich nicht dagegen wehren, man konnte sie nicht kontrollieren. Omi war ein Idiot. Er hatte nichts in Ayas Zimmer zu suchen, besonders nicht, wenn Nagi bei ihm war. Und eigentlich wusste er das. Sollte es wissen. Aya strich sich mit der Hand übers Gesicht. Er war noch immer wütend. Aber er wollte seine Wut nicht an Nagi auslassen, also kühlte er sich hier ab. Nein, das alles war nicht Nagis Schuld. Eigentlich war es noch nicht einmal Omis Schuld. Aya schnaubte verächtlich. Es war seine eigene Schuld, wenn er es genau nahm. Es war sein Problem und niemandes sonst, wenn er ein Problem mit seinen Gefühlen hatte, oder etwa nicht? Aya stand mühsam auf und stützte sich dabei an den Wänden der Dusche ab. Dann drehte er das Wasser ab, griff sich ein Handtuch vom Handtuchhalter neben der Kabine und trocknete sich ab. Er trat aus der Dusche, wickelte sich das Handtuch um die Hüfte und stellte genervt fest, dass er vergessen hatte, etwas zum anziehen mitzunehmen. Er wusste noch nicht einmal, welcher Art das Gefühl war, das er für Nagi empfand. Da konnte Omi nicht einfach hereinplatzen und ihn anfeixen, als hätte er gerade seine Jungfräulichkeit verloren. Dann beschloss Aya, zu Nagi zu gehen, ihn zu drücken und ihn zu fragen, ob sie zusammen frühstücken sollten. Schließlich konnte Nagi nichts für Omis Anwandlungen und Aya wollte das zarte Band, das sich gerade zwischen ihnen aufbaute nicht gleich wieder zerschneiden. Er trat aus dem Bad und wollte eben etwas sagen, als er feststellen musste, dass sein Bett leer und Nagi verschwunden war. „Scheiße.“, zischte er, zog sich Hose und Shirt über und lief barfuß auf den Flur, um Nagi zu suchen. Aya fielen viele Dinge ein, die Nagi jetzt vielleicht tun würde, doch was dann kam, damit hatte er nicht gerechnet. Er ging über den Flur und sah gerade suchend in Omis Zimmer, als er von unten laute Stimmen hörte. Aya zog eine Augenbraue hoch und eilte die Treppe herunter. Er wand sich in Richtung Küche und sah Nagi durch die halb geschlossene Tür. „Das ist nicht komisch, verdammt, Omi!“, rief Nagi gerade, als Aya zur Tür hereinplatzte. Omi stand vor Nagi, sah ihn entgeistert an und schluckte scheinbar ein paar Tränen herunter. Yoji saß neben Ken am Tisch. Beide hatten eine Tasse Kaffee vor sich. Beide Tassen dampften still und unberührt vor sich hin. Ken und Yoji starrten beide irritiert auf die zwei Streithähne. Sie hatten ja keine Ahnung, was passiert war und verstanden nicht, wieso Nagi seinen Freund zusammenstauchte. „Man Nagi…“, wisperte Omi gerade und sah seinen Freund mit entgeistertem Blick an. Doch Nagi unterbrach ihn. „Nein! Man OMI! Es war so schwer für mich, Ayas Vertrauen zu gewinnen. Interessiert dich das gar nicht?“ Nagi weinte, das sah Aya an seinen zuckenden Schultern. Aber er kochte auch vor Wut. Omi sah Aya und sein Blick bat um Hilfe. Aya lächelte sacht und nickte Omi zu. Nagi war wütend. Das erste Mal, seit er von Schwarz weg war, war er wütend. Das erste Mal kümmerte er sich nicht um Freund oder Feind und sagte einfach offen heraus, was er dachte. Aya musste trotz der befangenen Situation lächeln. Nagis Gefühlsausbruch gefiel ihm. Endlich zeigte er mal alles von sich. Kümmerte sich nicht um Gefahr, oder darum, dass er jemanden verletzte. Omi sah Aya noch immer an, Nagi dagegen hatte den Rothaarigen noch gar nicht bemerkt, so aufgeregt war er. Aya trat von einem Fuß auf den anderen. Der Fliesenboden in der Küche war kalt und Aya ärgerte sich kurz darüber, dass er keine Socken angezogen hatte. „Nagi…“, sagte Aya dann leise und beruhigend, aber Nagi nahm ihn gar nicht wahr. Alles was er spürte, war die Angst, Aya wieder zu verlieren. Die Angst, dass Aya sich wieder zurückzog, dass er alle Gefühle wieder so verschloss, wie eh und je und dass Nagi dann allein da stand. Und alles nur wegen Omis Unachtsamkeit. „Wenn er mich jetzt hasst, bring ich dich um.“, zischte Nagi Omi plötzlich kalt an und der wich erschrocken einen Schritt zurück. Nagi ballte die Hände zu Fäusten und machte einen Schritt auf Omi zu. „Ich mein’s ernst.“, sagte er nur noch, dann starrte er Omi feindselig an. Aya schüttelte den Kopf. „Nagi!“, wiederholte Aya lauter und trat neben den Kleinen. Nagi zuckte zusammen, als er Ayas Stimme hörte und seinen Namen. „Aya.“, stellte er nüchtern fest und sah zu Boden. Seine Angriffslust war mit einem Mal wie weggeblasen, Omi aber hielt lieber Sicherheitsabstand. „Hör mal, was machst du denn hier?“, fragte Aya ruhig und legte Nagi eine Hand auf die Schulter. „Keine Ahnung.“, zischte Nagi leise. Aya sah, dass das angriffslustige Blinken in seinen Augen noch nicht verloschen war. „Lass Omi in Ruhe, er ist nun mal so.“, bat Aya und Nagi sah fassungslos zu ihm auf. „Was soll das heißen? Das es meine Schuld ist?“, fragte er erschrocken und Aya spürte den kleinen schmerzhaften Stich, den ihm dieser Blick versetzte. „Nein!“, antwortete er deshalb sofort und vielleicht etwas zu heftig, denn Nagi zuckte wegen der Schärfe in Ayas Stimme zusammen. „Nein.“, setzte Aya noch mal ruhiger nach und zwang sich zu einem Lächeln. Nagi seufzte. „Es ist nicht Omis und nicht deine, sondern meine Schuld. Und jetzt reichts mir damit für heute, OK?“ Nagi sah Aya fassungslos an, dann musste er auf einmal grinsen. Aya wusste, dass Nagi verstanden hatte, dass ihn dieses Gefühlschaos gerade überforderte. Omi verhielt sich ruhig und lächelte schon wieder zaghaft. „Heißt das, wir sind noch zusammen?“, fragte Nagi und sah Aya hoffnungsvoll in die Augen. „Yap.“, gab Aya zurück und bereute es beinahe schon wieder, als Yoji und Ken gleichzeitig aufsprangen, beide Kaffeetassen auf dem Boden zersprangen und der Kaffee sich über den vorher sauberen Boden ergoss. „WAS?!“, riefen Ken und Yoji gleichzeitig aus und starrten Aya fassungslos an. Aya schloss einen Augenblick die Augen und atmete einmal tief durch. Nagi wurde rot und sah bereits wieder beschämt zu Boden. Er spürte, dass Ayas Griff um seine Schulter fester wurde. Omi sah Yoji und Ken an und die beiden verstummten. ‚Das hättet ihr euch jetzt echt sparen können!’, sagte Omis Blick und Ken sah Yoji an. Ja, auch er hatte bereits verstanden, dass sie sich besser zurückgehalten hätten. „Das ist doch wunderbar.“, setzte Ken deshalb schnell hinterher und lachte unbeholfen. Aya schüttelte langsam den Kopf und öffnete dann wieder die Augen. „Wenn ich noch ein Wort von irgendjemandem hier darüber höre, vergesse ich mich.“, presste er zwischen den Zähnen hervor und Ken, Yoji, Omi und Nagi nickten einstimmig und schwiegen. „Ich geh jetzt joggen. Bis später, Nagi.“ Aya beugte sich zu seinem Freund hinunter und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Gleichzeitig warf er den drei anderen Mitgliedern von Weiß einen warnenden Blick zu, sodass diese weiterhin schwiegen und taten, als hätten sie nichts gesehen. Dann verließ Aya die Küche und warf die Tür hinter sich ins Schloss. //3 „Wow.“, sagte schließlich Ken mit einem Seufzer der Erleichterung. „Oh man.“, gab Yoji ihm Recht und dann sahen alle auf Nagi, der stumm und unbeweglich da stand und sich die von Aya geküsste Wange hielt. Nagi bemerkte das abwartende Schweigen und sah auf. „Was?“, fragte er und zog fragend die Augenbrauen hoch. Ken und Yoji verdrehten die Augen und Omi lachte leise. „Na, seid ihr nun zusammen, oder nicht?!“, erklärte er dann Kens und Yojis Gesichtsausdrücke und Nagi lachte nervös auf. „Ach so…“, sagte er und seine Stimme zitterte leicht. „Naja, irgendwie schon.“, gab er dann zu und grinste verlegen. Er wusste nicth Recht, wie er seine und Ayas Situation zusammenfassen sollte. „Aya hat gesagt, er will es mit mir probieren.“, sagte er dann und grinste beschämt. Yoji ließ sich mit einem irritierten Seufzen auf seinen Stuhl fallen. Ken lehnte sich mit einem überraschten Aufatmen gegen den Tisch. Nur Omi trat zu Nagi und strich ihm sanft über die geküsste Wange. „Wie schön.“, sagte er und schenkte Nagi einen liebevollen Blick. Nagi lächelte zurück und erschrak dann. „Oh man Omi, tut mir leid, was ich grad gesagt hab. Ich würd dir nie wehtun!“, sprudelte es aus ihm heraus, aber Omi winkte bereits ab. „Schon gut!“, sagte er nur und knuffte Nagi sacht in die Seite. Der lächelte erleichtert und ließ sich dann ebenfalls auf einen Stuhl sinken. „Puh.“, seufzte er und grinste Omi an. Ken und Yoji tauschten ungläubige Blicke. Sie konnten nicht glauben, dass Aya sich verliebte. Noch dazu in einen Jungen. Das war einfach nicht Ayas Ding. Nagi sah die beiden an. „Er hat nicht gesagt, dass er mich liebt.“, versuchte er zu erklären. „Aber ich…na ja…ich schon.“, fuhr er etwas leiser fort und spürte, dass er wieder rot wurde. „Und er hat ja nur gesagt, er will es mit mir versuchen…na ja…“ Nagi lächelte sanft und Ken und Yoji mussten es ihm gleichtun. Dieser kleine Kerl war einfach zu süß. „Glückwunsch.“, wünschte Ken mit einem leichten Grinsen und Yoji nickte Nagi aufmunternd zu. Omi legte einen Arm um Nagis Schultern und knuddelte ihn. „Ich möchte jetzt gern duschen, glaub ich.“, sagte Nagi nur und grinste verschämt. Soviel Aufmerksamkeit war er nicht gewohnt. Omi lachte und Ken stimmte mit ein. „Sollen wir danach was zocken, bis Aya wiederkommt?“, fragte Omi lächelnd und freute sich, als Nagi zustimmend nickte. Dann ließ Nagi die drei in der Küche zurück und verschwand auf sein und Omis Zimmer. //4 Nagi schloss die Zimmertür hinter sich und lehnte sich dagegen. Mit geschlossenen Augen atmete er ein paar Mal tief durch. Dann stieß er sich von der Tür ab und ging ins Bad. Das war wirklich ein wenig viel Aufregung, fand er und stimmte somit Aya zu. Er war sehr glücklich, aber er hatte das Gefühl, dafür überhaupt keine Zeit zu haben. Erst die Nacht mit Aya, dann Omi, der Streit, Ayas Ausbruch, Ayas Flucht, Vertragen, Erklären und immer reden, reden, reden. Nagi zog sich aus, er trug ohnehin noch immer seinen Pyjama, und ging duschen. Danach fühlte er sich wesentlich besser und freute sich auf Ayas Rückkehr. Er wusste jetzt, dass er nicht sauer auf ihn war, sonst hätte er ihm nicht diesen liebevollen kleinen Kuss zum Abschied gegeben. Aber Nagi beschloss auch etwas. Er würde von Aya nicht zuviel erwarten. Das bedeutete, dass solch kleine Gesten wie vorhin für Nagi eine große Bedeutung bekamen. Ein kleiner Kuss, egal wie flüchtig. Eine kurze Umarmung. Das reichte schon. Nagi hatte ohnehin sein Leben lang Verzichten gelernt. Und er brauchte nicht viel, um glücklich zu sein. Und zufrieden. Nagi lächelte. Er bändigte seine kurzen, wuscheligen Haare nach dem Trocknen und zog sich an. Dann verließ er das Badezimmer wieder und sah Omi bereits wartend auf dem Bett sitzen. Sein und Omis Laptop waren bereits aufgebaut und Omi strahlte ihm entgegen. „Hey Nagi.“, begrüßte er ihn und Nagi lächelte zurück. „Na, bereit, zu verlieren?“, fragte er Omi keck, aber der schüttelte energisch den Kopf. „Vergiss es, keine Chance!“, antwortete er und grinste Nagi entgegen. Nagi machte es sich auf dem Bett bequem und spielte mit Omi vier Runden. Er gewann sie alle und Omi murrte leise vor sich hin. Aber trotzdem hatte er Spaß und es freute ihn, dass Nagi so fröhlich war. Omi dachte im Stillen ununterbrochen daran, was jetzt zwischen Nagi und Aya passierte. Er konnte es noch gar nicht glauben. Ausgerechnet Aya. Aber er freute sich sehr für Nagi, hatte der doch scheinbar endlich jemanden zum lieb haben gefunden, der ihm nicht wehtat. „Sag mal, wie hast du das mit dem Video gemacht?“, fragte Omi nach einigen Minuten plötzlich in die Stille hinein. Nagi sah von seinem Bildschirm auf und lächelte dann. Ach ja, das hatte er ja ganz vergessen. Bisher hatte er nur Aya davon erzählt. Und er wusste einen Moment lang nicht, ob er Omi überhaupt davon erzählen wollte. Nagi zögerte zu lange. Omi setzte sich in den Schneidersitz und griff nach vorn, um Nagis Bildschirm nach unten zu klappen. „Hey!“, rief Nagi gespielt entrüstet und lächelte Omi dann entschuldigend an. „Also, erzählst du’s mir, oder nicht?“, verlangte Omi grinsend zu wissen und Nagi nickte. Omi war sein Freund, also konnte er es ihm ruhig erzählen. Er würde schon nichts ausplaudern. Denn Nagi machte sich ein wenig Sorgen, dass Ken und Yoji auf sein Treffen mit seinem ehemaligen Teamkollegen nicht gerade mit Freude reagieren würden. Nagi befürchtete sogar, dass Yoji ihm im Stillen so etwas, wie Verrat vorwerfen könnte. Oder Rückkehr zu den Wurzeln, je nachdem, wie man es nahm. Omi tippte bereits ungeduldig mit dem Finger auf Nagis Laptop herum und holte Nagi aus seinen Gedanken. Dann klappte Nagi mit einem Seufzen den Bildschirm ganz hinunter, setzte sich bequemer und erzählte Omi alles. Der junge Weiß hörte aufmerksam zu. Er bemerkte sehr wohl, wie Nagis Augen leuchteten, als er von der Umarmung mit Schuldig erzählte. Scheinbar hing Nagi doch noch weit mehr an dem Deutschen, als er zugab. Auch, wenn er im alltäglichen Leben mit Weiß funktionierte, sie als Team sogar harmonierten, Nagi schien im Stillen doch nachdenklich. Omi ahnte, dass er Schuldig nicht einfach würde vergessen können. Und er verstand das nur zu gut. Ihm würde es mit Aya, Ken und Yoji genauso gehen. Als Nagi mit seinem Bericht fertig war, sah er Omi an. Er suchte in dessen Gesicht nach Spuren des Missgefallens, oder gar der Verachtung. Aber er fand nur Verständnis. Scheinbar war Schuldig für Omi schon gar kein Mitlied von Schwarz mehr, sondern nur noch Nagis Freund. Und somit konnte der Blondschopf es vielleicht verstehen, wenn Nagi seinen Freund vermisste. Nagi beschloss, mal nachzufragen. „Und, was denkst du jetzt?“, fragte Nagi und sah Omi mit schiefgelegtem Kopf an. „Was soll ich schon denken?“, fragte der lachend zurück, als hätte Nagi die dümmste Frage der Welt gestellt. „Ich denke, Schuldig ist dein Freund, du vermisst ihn viel zu sehr und deshalb sollte er auch bei uns einsteigen.“, kicherte Omi drauflos und Nagi sah ihn irritiert an. Er wusste nicht so recht, ob Omi nur Spaß machte, oder ob das eine ernste Idee war. Omi lächelte und stupste Nagi auf die Nase. Der zuckte erschrocken zurück und war somit aus seiner Überraschungsstarre befreit. „Sag mal, ist das dein Ernst?“, hakte Nagi dann nach und sah erstaunt, wie Omi nickte. „Klaro. Vorausgesetzt, er will das und verzichtet drauf, uns umzubringen.“, stellte er nüchtern fest und Nagi grinste über Omis professionellen Gesichtsausdruck. „Er hätte das schon lange getan, wenn er Wert drauf legen würde.“, meinte Nagi und dachte daran, was Schuldig über Weiß gesagt hatte. Dass sie ohnehin nicht mehr seine Feinde waren, weil es Schwarz nicht mehr gab. Weil sich alles verändert hatte. Und Nagi wusste, selbst, wenn Schuldig den Hass auf Weiß beibehalten hatte - solange Nagi hier lebte, würde er niemals die Hand gegen einen von Nagis neuen Teamkollegen erheben. Trotzdem war die Idee, das Schuldig zu Weiß kommen sollte mehr als absurd. Für Nagi klang das eher nach einem dummen Kitschfilm, als nach der Realität. Die Tatsache, dass Nagi hier war, war schon absurd genug. Aber Schuldig? Niemals. Nagi wusste, kaum hatte Omi seine Idee ausgesprochen, hatte Nagi bereits begonnen, sich genau das zu wünschen. Aber er war sich sicher, dass Schuldig da niemals mitspielen würde. Omi wurde wieder unruhig, als Nagi so still vor sich hin brütete. „Du findest meine Idee doof, hm?“, fragte er nach ein paar Momenten des Schweigens leise und sah Nagi vorsichtig an. Der sah fragend auf und grinste dann. „Naja, nicht gerade doof, aber komisch, ne?“, gab er zurück und nun grinste Omi seinerweits. „Aber das wäre die logische Schlussfolgerung. Du konntest nicht mehr bei Schwarz bleiben, also kamst du hierher – grob gesagt. Schuldig kann jetzt auch nicht mehr bei Schwarz bleiben, also kann er genauso gut hierher kommen. Noch dazu ist er dein Freund. Du wirst ihn nur andauernd vermissen, wenn er nicht hier ist und deine Arbeit wird drunter leiden. Also, wir hätten ohnehin alle etwas davon, wenn Schuldig bei uns einsteigt.“ Nagi hörte Omi ruhig zu und gab zu, dass dieser natürlich auf der einen Seite Recht hatte. Er räumte aber auch ein, dass die Frage nach der Umsetzung dieser Idee noch im Raum stand. „Was meinst du, wie wird Persia das wohl gefallen?“, warf Nagi daher ein und Omis Enthusiasmus wurde schlagartig gebremst. Nein, daran hatte er nun wirklich gerade nicht gedacht. „Oh…“, sagte er auch nur und schaute ein wenig betroffen. Nagi kicherte und schmunzelte dann über Omis traurigen Blick. Aber kaum zwei Sekunden später hellte Omis Gesicht sich bereits wieder auf. „Na, wir müssen es ihm nur gut genug verkaufen.“, meinte er entschlossen und Nagi zuckte mit den Schultern. „Aber wie, hm? Bei mir hatte er ja vielleicht noch Verständnis für meine Situation, aber bei Schuldig? Der kommt doch eigentlich gut allein klar und das wird Persia wohl wissen.“, gab Nagi zu bedenken, aber Omi schüttelte den Kopf. „Es geht ja auch nicht darum, was das Ganze für Schuldig bringen würde. Wir müssen Persia nur deutlich machen, was es für Weiß bedeutet. Zum einen haben wir dann keine Feinde mehr. Zum anderen ein neues Teammitglied, das zweifellos über Kräfte verfügt, die wir mehr als gut gebrauchen können. Da musst du mir zustimmen.“ Nagi nickte. Da hatte Omi natürlich Recht. Aber. Selbst, wenn Persia zustimmte. Selbst, wenn Aya, Ken und Yoji zustimmten. Da war immer noch ein Problem. „Du, Omi. Ich glaube nicht, dass Schu da überhaupt mitmacht.“, warf Nagi ein und schaute zerknirscht. Das hatten Omi bisher überhaupt noch nicht bedacht. Er hielt inne und runzelte die Stirn. Ja, daran hatte er tatsächlich noch gar nicht gedacht. Irgendwie war nach Nagis Einstieg bei ihm diese Frage gar nicht mehr aufgekommen. Aber Nagi hatte natürlich Recht. Schuldig war kein Kind mehr, so wie Nagi. Er stand allein im Leben und hatte mit seiner Einsamkeit wohl kaum ein Problem. Er hasste es ohnehin, Befehle entgegenzunehmen, würde er das von einem Weiß können? Und er hatte eigentlich keinerlei Probleme. Ihm ging es gut, er kam alleine klar und wie Nagi berichtet hatte mehr gut, als schlecht. Welchen Grund sollte es also für Schuldig geben, bei Weiß einzusteigen? Nagi schüttelte den Kopf. Er kannte Schuldig. Der Deutsche war lieber Einzelgänger, als sonst irgendetwas. Er würde einem Beitritt bei Weiß niemals zustimmen. „Aber fragen kann man doch mal.“, warf dann seinerseits Omi ein, dem dieselben Gedanken durch den Kopf gegangen waren. Nagi überlegte kurz, dann nickte er. „Ich fänd’s schon toll, wenn er auch hier wäre.“, gab er mit einem kleinen Lächeln zu und Omi zwinkerte ihm zu. „Fragen schadet nicht.“, meinte Omi und Nagi zuckte mit den Schultern. Er sagte nichts, aber er dachte bei sich …wenn einem ein Nein nicht zu sehr wehtut. „Lass mal über was anderes reden.“, bat Nagi dann und klappte seinen Laptop wieder auf. Omi nickte, baute sich wieder vor seinem Bildschirm auf und startete einen neuen Battle mit ihrem eigenen Spiel. Es war nicht so ausgereift, wie das Original, aber dennoch sehenswert. Nagi rieb sich die Augen, dann widmete auch er sich wieder seinem Bildschirm. //5 Eine halbe Stunde später klopfte es an Nagis und Omis Zimmertür. Nagi war es, der öffnete und vor ihm stand Aya. Frisch geduscht, mit noch leicht nassen Haaren. „Hey.“, begrüßte Nagi ihn ein wenig verlegen und Aya grinste entspannt. Das Laufen schien ihm gut getan zu haben, er wirkte locker. „Hey. Lässt du mich rein?“, verlangte er Eintritt und Nagi trat nickend beiseite. „Moin Aya, wir zocken noch ne Runde.“, begrüßte nun auch Omi seinen Freund und deutete auf den leeren Schreibtischstuhl. Aya nahm darauf Platz und beobachtete das Spiel der beiden Jüngeren. Omi und Nagi verloren beide kein Wort mehr über heute Morgen, immerhin hatte Aya deutlich genug gemacht, dass er es so wollte. Als Nagi wieder einmal gewonnen und Omi grummelnd die Laptops weggeräumt hatte, setzten sich die beiden Weiß ihrem Anführer gegenüber auf das Bett. „Nagi hat mir von dem Video erzählt.“, begann Omi und Nagi warf ihm einen warnenden Blick zu. Omi wollte Aya jetzt doch wohl nicht von seiner Schnapsidee erzählen, oder etwa doch? Omi sah Nagi kurz strinrunzelnd an, dann seufzte er. Nagi nahm es als ein ‚Na schön, dann eben nicht.’ Und atmete zufrieden aus. „Und?“, fragte Aya, der ahnte, dass Omi noch mehr hatte sagen wollen. „Und – ich find’s toll, was er für dich gemacht hat.“, schloss Omi und knirschte innerlich mit den Zähnen. So ein Mist. Nagi lächelte dankbar und Omi lächelte Aya unschuldig an. „Aha.“, machte der und sah Nagi mit hochgezogener Augenbraue an. Er ahnte, dass die beiden etwas ausheckten. Omis Verhalten und sein Rückzieher eben waren kein normales Gebehren. Aber er beschloss, es dabei zu belassen. Nagi grinste verlegen, als Omi seinen Einsatz lobte und sah Aya nicht an. Dessen Unsicherheit, was das Zulassen von Gefühlen anging, übertrug sich bereits auf Nagi. Der überlegte nämlich bei allem, was er tat und sagte, ob es Aya missfallen könnte. Gleichzeitig mahnte er sich, genau das nicht zu tun, weil immerhin Aya selbst gesagt hatte, er sollte er selbst bleiben. Nagi grummelte plötzlich leise, sodass Aya und Omi ihn beide fragend ansahen. Nagi sah auf, entdeckte die irritierten Blicke und schnaufte kurz, dann kletterte er vom Bett, trat zu Aya und setzte sich auf dessen Schoß. Er lächelte entschuldigend und hoffte auf eine positive Reaktion. Aya zog fragend eine Augenbraue hoch. Dann runzelte er die Stirn. Dann zuckte er mit den Schultern und legte seine Arme um dessen Hüfte. „Hab mich schon gefragt, wann das kommt.“, schmunzelte er und warf Omi einen warnenden Blick zu. Der hatte nämlich bereits Luft geholt, um irgendetwas über seine zwei süßen Turteltauben zu sagen. Omi schluckte seinen Kommentar herunter und lächelte nur genießerisch. Ja, so ein Anblick war wirklich sehenswert. Sein kalter Eisblock in den warmen Armen des puren Lebens. Omi grinste in sich hinein, hielt sich aber zurück. Aya wusste natürlich, was der Kleine dachte, sagte aber auch seinerseits nichts. Es würde eben eine ganze Zeit lang dauern, bis die drei Weiß seine Beziehung zu Nagi als alltäglich empfinden würden. Und sie hatten damit ja auch nicht Unrecht. Wenn es überhaupt eine Beziehung war. Aya stellte überrascht fest, dass er es gewesen war, der für sich diese Bezeichnung gewählt hatte. Er grinste ein unsichtbares Grinsen über sich selbst. „Also, was machen wir heute?“, fragte Omi dann in die scheinbar ewige Stille und sah von Nagi zu Aya und wieder zurück. Beide zuckten mit den Schultern, aber Aya war es, der antwortete. „Ich werde trainieren. Nagi, hattest du nicht noch Hausaufgaben? Und Omi, du könntest im Laden Ordnung für morgen machen.“ Nagi und Omi warfen sich einen entgeisterten Blick zu. Na prima. So hatten sie sich ihren freien Tag eigentlich nicht vorgestellt. Aber dann dachten sie wohl beide das Gleiche, denn sie grinsten schon wieder. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, nicht wahr? Und so rutschte Nagi von Ayas Schoß, Omi erhob sich vom Bett und streckte sich und beide stimmten Aya zu. „Schön. Dann an die Arbeit.“, befahl der und Omi winkte Nagi fröhlich zu, ehe er das Zimmer verließ und nach unten stapfte. Nun waren Aya und Nagi allein. Aya sah Nagi an und schloss die Zimmertür. „Viel Hausaufgaben?“, fragte er Nagi und der schüttelte stumm den Kopf. Er ahnte, was Aya vorhatte und blieb wie angewurzelt stehen. Aya nahm Nagis Befangenheit mit einem Schmunzeln auf und trat an ihn heran. Dann beugte er sich zu Nagi herunter und umfing ihn sacht mit seinen Armen. Nagi ließ sich in die Umarmung fallen und schloss die Augen. Das tat so gut. Besonders, wenn es von Aya ausging und nicht immer er derjenige war, der den ersten Schritt machte. Aya ließ Nagi wieder frei und setzte sich aufs Bett. „Kommst du her…?“, fragte er sacht und Nagi tapste vorsichtig lächelnd zu ihm, um sich neben ihn zu setzen. Dann legte Aya ihm einen starken Arm um die Schulter und zog ihn zu sich heran. Nagi legte seinen Kopf an Ayas Brust und lauschte dessen Herzschlag. Plötzlich hatte er große Lust, einmal unter diesen dicken Pullover zu sehen. Und weil er nicht länger darüber nachdenken wollte, tat er das dann auch. Aya wurde stocksteif, als er plötzlich Nagis Hand auf seiner nackten Haut spürte. Nagi bemerkte Ayas leises Zucken sofort und hielt inne. Dann sah er zu ihm auf und hob fragend die Augenbrauen. „Lieber nicht?“, fragte er vorsichtig, aber Aya schüttelte den Kopf. „Ist OK.“, gab der zurück und lächelte ebenso vorsichtig. Meine Güte, war das merkwürdig. Nicht, dass Aya noch nie so berührt worden war. Aber von einem Kerl? Nun, eben genau das war das Merkwürdige daran. Und noch merkwürdiger machte es die Tatsache, dass dieser Kerl mal ein Schwarz gewesen war, bereits versucht hatte, ihn zu töten – und die Tatsache, dass er hier lebte. Ein Teil von Ayas Leben war. Und trotzdem war die Berührung eigentlich recht angenehm. Also ließ Aya es geschehen. Probieren ging bekanntlich über studieren und wenn er es nicht versuchte, wie wollte er dann herausfinden, was er für Nagi empfand? Nagi strich mit der Hand vorsichtig und langsam über Ayas Bauch. Er spürte dessen Muskeln sich bewegen und biss sich vor Spannung auf die Lippe. Dann zog er seine Hand zurück, sah Aya kurz sacht lächelnd ins Gesicht und zog ihm dann den Pullover über den Kopf. Aya hob eine Augenbraue, aber er wehrte sich nicht und als er mit nacktem Oberkörper vor Nagi saß, stahl ein kleines Lächeln sich auf seine Lippen. Nagi lächelte zurück und krabbelte hinter Aya auf das Bett. Er legte seinen Kopf auf Ayas Rücken und spürte dessen Atembewegungen nach. Aya schloss die Augen. Nein, nicht die körperliche Nähe war so ungewohnt. Es war das, was an Gefühl daran hing. Er genoss Nagis Sanftheit, seine Vorsicht und seine liebevolle Art. Der Jüngere wollte auf keinen Fall etwas falsch machen, das merkte Aya seinen Bewegungen an. Und er konnte es genießen. Es war nicht unangenehm. Nur warm. Wohlig. Langsam strichen Nagis Finger Ayas Rückrat entlang. Er fühlte, spürte, jeden Wirbel. Er konnte jede Muskelbewegung fühlen, wenn Aya sich auch nur ein kleines bisschen bewegte. Nagi lächelte. Dann strich er zuerst mit seiner Wange, dann mit seiner Nase über Ayas Rücken und sog dessen warmen Duft tief ein. Er roch so gut. Aya seufzte leise. Nagi lächelte. Er wusste, dass es dem Weiß-Leader gefiel. Und das verursachte in seinem Magen ein angenehmes Kribbeln. Trotzdem war Nagi nervös. Er wollte nichts Falsches tun. Wollte Aya nicht zu sehr auf die Pelle rücken, wenn man es so wollte. Aber Aya legte den Kopf in den Nacken und Nagi sah, dass seine Augen geschlossen waren. Er genoss es. Nagi lächelte erneut. Dann küsste er sachte Ayas Nacken und sah mit einem liebevollen Grinsen die Gänsehaut, die sich daraufhin über Ayas Rücken zog. „Hmm…“, machte der Rotschopf leise und ein Lächeln kräuselte seine Lippen. Nagi, einmal damit begonnen, konnte nicht mehr von Aya lassen. Endlich dessen warme, nackte Haut zu spüren – sie küssen zu dürfen – war das Schönste, was er je erlebt hatte. Diese Nähe. Langsam setzte Nagi Küsschen für Küsschen, bis er Ayas Wirbelsäule entlang bis zu dessen Hosenbund gewandert war. Dann küsste er sich wieder hinauf und blieb an Ayas Ohr hängen. Langsam reckte er sich vor, tastete mit der Zunge, bis er Ayas Ohrläppchen fühlte. Denn auch Nagi hatte inzwischen die Augen geschlossen und genoss. Aya zuckte leicht zusammen, als er spürte, dass Nagi seine Zunge benutzte. Aber er wehrte sich nicht, entzog dem Jungen auch nicht sein Ohr und so machte Nagi weiter. Er ließ seine Zunge Ayas Ohr entlangstreichen und beknabberte dann sanft das Ohrläppchen. Aya seufzte auf und spürte, dass er rot wurde. Nicht, weil er peinlich berührt gewesen wäre. Nein, er fühlte sich wie in einem Ofen. Diese Sanftheit war kaum zu ertragen. „Leg dich hin…“, wisperte Nagi plötzlich und Aya brauchte einen Moment, bis er es verstand. Ein Nebel aus Entspannung hatte sich über seinen Geist gelegt. Als Aya nicht reagierte, krabbelte Nagi an dessen Seite und drückte ihn sacht auf die Matratze. Und Aya ließ sich einfach fallen, folgte Nagis Bewegungen und öffnete die Augen nicht. Nagi sah Aya an, folgte den Linien seines Oberkörpers und fuhr sie dann mit dem Zeigefinger nach. Er war so schön. Zart und doch unendlich kräftig. Jeder Muskel, jede Sehne war an ihrem Platz. Nichts war zu viel, nichts zu wenig. Nagi legte einen Augenblick lang seinen Kopf auf Ayas Bauch und ließ sich von dessen Atem tragen. Dann neigte er den Kopf ein wenig und drückte einen leichten Kuss unter Ayas Bauchnabel. Der Weiß-Leader zuckte zusammen. Und als Nagi leicht erschrocken nach oben sah, bemerkte er, dass Aya auf seiner Unterlippe herumkaute. Nagi kicherte still und die Freude über ihn und Aya färbte seinen Wangen rot. So glücklich war er noch nie gewesen. Gerade rutschte Nagi zu Aya hinauf und küsste dessen Hals, da setzte Aya sich urplötzlich auf und starrte zur Tür. Nagi zuckte zurück, glaubte schon, einen empfindlichen Punkt getroffen zu haben, als er Ayas Blick bemerkte. „Was ist los?“, fragte er irritiert und Aya sah ihn an. Sein Blick wirkte erschrocken, als hätte er etwas gesehen, oder gehört. Doch dann veränderte sich sein Ausdruck und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Aya atmete tief durch. „Entschuldige. Ich musste nur an heute Morgen denken und…lass uns die Tür abschließen.“, bat Aya und Nagi musste laut lachen, so erleichtert war er. „OK, OK…“, sagte er nur sanft und hob leicht die rechte Hand. Mit einer kurzen Drehung seines Zeigefingers, ließ Nagi den Schlüssel im Schloss sich herumdrehen. Dann sah er Aya lächelnd an. Der grinste. „Praktisch, praktisch…“, murmelte er und ließ sich wieder auf die Matratze fallen. „Hm hm…“, machte Nagi nur und legte sich wieder neben Aya zurecht. Dann schlossen beide die Augen und küssten sich lange und ausgiebig. Aya entspannte sich, ließ sich fallen und ließ einfach alles mit sich geschehen. Nagi hatte den Körper eines Kindes, aber Aya musste bald feststellen, dass er kein Kind mehr war. Er ließ Aya keine Sekunde zur Ruhe kommen, schien genau zu wissen, wo er ihn berühren, wo küssen musste. Aya schämte sich ein wenig für die Gefühle, die in ihm aufstiegen, aber Nagi ignorierte seine Scham und schenkte ihm stattdessen eine sachte Lust, die rein und unschuldig war. Aya überließ Nagi seinen Körper. Als der Jüngere jedoch nach Ayas Hose greifen wollte, schüttelte Aya den Kopf. Nagi nahm seine Hand wieder weg und lächelte entschuldigend. Nein, das hatte für Aya nichts mit Probieren zu tun. Aber Nagi schien nicht wirklich ein Problem mit dieser Abfuhr zu haben. Er beschäftigte sich eben einfach weiter mit Ayas Bauch und Rücken und huschte ab und zu zu ihm hoch, um ihn liebevoll zu küssen. Kapitel 11: -Elf- ----------------- //1 Aya saß in Nagis und Omis Bett und rauchte. Nagis Kopf lag auf seinem Bauch. Ayas Oberkörper war nackt. Noch immer nackt. Und auch Nagis Shirt lag inzwischen irgendwo auf dem Fußboden. Aya ließ seinen Blick über Nagis kindlichen Körper streichen und fühlte sich wohl. Er hob eine Hand und legte sie auf Nagis Schulter. Der Kleinere zuckte hoch und sah Aya direkt in die Augen. Dann lächelte er. Wahrscheinlich war er eingeschlafen und Aya hatte ihn aufgeschreckt. Nagi sah die Zigarette in Ayas Hand und lächelte. Dann rutschte er zu ihm hoch und bat um einen Zug. Aya gab ihm die Zigarette und sie teilten sich den Rest. „War das schön?“, fragte Nagi nach einer Weile und sein Blick wurde vorsichtig, vielleicht ein bisschen argwöhnisch. Aya lächelte. „Ja, war es.“, sagte er und Nagi sah ihn lange an, bevor er zufrieden nickte. Nagi hob eine Hand und strich kurz über Ayas Bauchmuskeln. Dann hielt er inne und zog die Hand zurück. Aya sagte nichts. Aber er glaubte, dass Nagi vielleicht in diesem Moment an Crawford dachte. Und daran, was der mit ihm getan hatte. Nagi hatte daran gedacht, mit Aya zu schlafen, das war dem Weiß-Leader bewusst. Nicht umsonst hatte er Ayas Hose öffnen wollen. Und jetzt schien es in dem Kleinen einen Zweispalt der Gefühle zu geben. Nagi schwieg. Aya beförderte die Zigarettenkippe in den Mülleimer, nachdem sie ausgeglüht war und legte beide Arme um Nagi. Der sah auf und lächelte liebevoll. „Ich liebe dich…“, sagte er leise und Aya nickte. „Das hab ich gemerkt…“, flüsterte er zurück und küsste sacht Nagis Stirn. Nagi lächelte. Ja, er hätte gerne ein ‚Ich dich auch’ gehört, aber er hatte es nicht erwartet. Gefühle brauchten nun einmal Zeit und die wollte er Aya geben. Besser eine späte Antwort und eine ehrliche, als eine schnelle, die sich dann doch als Lüge erwies. Nagi gähnte. „Ich muss noch Hausaufgaben machen.“, murmelte er. Aya grinste. „Erst das Vergnügen, dann die Arbeit. Also hop, raus aus dem Bett.“, befahl er und Nagi wand sich grummelnd herum. „Ich mag nicht.“, murrte er, aber Aya piekste ihn in die Rippen und Nagi quiekte verärgert auf. „Manno.“, sagte er und fuhr sich durch die verstrubbelten Haare. Aya lächelte. Er lächelte überhaupt viel, wenn er bei Nagi war, nicht wahr? Nagi gähnte noch mal, dann nickte er seufzend. „OK, OK. Ich geh schon.“, gab er dann nach und Aya zog ihn nochmals zu sich, um ihn zu küssen. Nagi zog den Kuss etwas länger hin, als es nötig gewesen wäre, aber Aya ließ das nicht zu. „Na los. Je schneller du fertig bist, desto besser.“, meinte er und zwinkerte Nagi zu. Der wurde ob soviel Sexappael schon wieder rot und konnte nur verlegen grinsen. Aya freute sich über seine Wirkung auf Nagi und grinste frech. Dann schob er sich mühsam aus dem Bett und streckte sich. Nagi betrachtete Ayas nackten Rücken und grinste in sich hinein. Der Weiß-Leader hatte wirklich einen perfekten Körper. Und der sah verdammt gut aus. Aya wand den Kopf zu Nagi und bemerkte dessen grinsenden Blick. Grummelnd grapschte er sich seine Sachen und zog sich wieder an. Nagi schmollte. Aya grinste ihn an und Nagi grinste zurück, dann zog auch er sich wieder vollständig an. „Kann ich bei dir Hausaufgaben machen?“, fragte Nagi dann und Aya zuckte mit den Schultern. „Wieso das?“, wollte er wissen und Nagi seufzte. „Ich brauch den PC und Omi will nachher bestimmt an seinen, wenn er aus dem Laden kommt.“, erklärte er und Aya nickte daraufhin. „Na schön. Sei dir gestattet.“, erlaubte er mit einem Zwinkern und Nagi drückte ihm als Dankeschön einen Kuss auf die Lippen. „Hm. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu oft ‚Ja’ sage, nur um noch so einen zu bekommen.“, meinte Aya und lächelte sanft. Nagi grinste. Dann stupste er Aya auf die Nasenspitze und verschwand aus dem Zimmer. Aya blieb noch einen Moment stehen, wo er war und strich über seine Nase, dann verließ auch er mit einem Lächeln Nagis und Omis Zimmer. Er holte sein Katana aus dem Keller und begab sich in einen der anderen Kellerräume, um sich beim Training mal wieder auf andere Gedanken zu bringen. Die Arbeit beispielsweise. //2 Nagi betrat Ayas Zimmer. Die Jalousien waren heruntergelassen und es war beinahe stockfinster. Nagi zog die Rolladen hoch und schloss die Tür. Dann setzte er sich an Ayas PC und schaltete ihn ein. Für Geschichte musste er einen Report über die historische Entwicklung von Tokio verfassen. Dafür würde er einige Zeit im Internet verbringen müssen. Nagi hatte keinerlei Lust. Er sah sich noch immer neben Aya liegen. Er roch noch immer dessen Haut und spürte die wachsende Hitze, die von him ausging. „Oh man!“, grummelte Nagi in sich hinein und fuhr sich durch die Haare. Dann nahm er sich zusammen und konzentrierte sich. Er surfte eine halbe Stunde, dann hatte er sich eine Basis erarbeitet. Aber wirkliche Lust, diese Basis selber auszuarbeiten, hatte Nagi nicht. Er war nicht dumm. Aber wozu sollte er diese dämliche Hausaufgabe machen? Er musste derlei Dinge für sein späteres Leben nicht wissen. Er hatte bereits einen Beruf, nicht wahr? Na schön, dachte Nagi und grinste. Dann schleuste er sich in die Universitätsdatenbank ein und durchforstete sie nach Studien über das historische Tokio. Er wurde schnell fündig und bearbeitete die Daten, damit sie zum Abgeben taugten. „Tjaja…“, schmunzelte Nagi in sich hinein. So machte das doch schon viel mehr Spaß. Als er dann nichts mehr zu tun hatte, beschloss er, das Spiel, dass er und Omi prgrammiert hatten auf Ayas PC zu ziehen und dort noch ein wenig daran zu feilen. Er hatte Aya noch nicht zurückkommen hören und auch Omi schien noch zu arbeiten. Also klinkte Nagi sich aus dem Internet aus, öffnete die Intranetverbindungen und orderte Omis PC, der unter dem Codenamen ‚Bombay’ lief. Nagi lächelte, als er den Decknamen von Omi las. Schon merkwürdig, jetzt nach so langer Zeit wieder einen Blick in ihre Vergangenheit zu werfen. Nagi erinnerte sich noch gut daran, wie es sich angefühlt hatte, Omi ‚Bombay’ zu nennen. Und dann das erste Mal, als er Omis richtigen Namen genannt hatte. Nagi wusste, dass es eine Zeit gegeben hatte, als er die Mitglieder selbst in Gedanken mit Codenamen angesprochen hatte. Das war lange vorbei. Nagi hatte das Gefühl, dass seine Zeit bei Schwarz schon Jahre zurücklag. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Er lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück und legte die Finger entspannt auf die Tastatur. Endlich konnte er wieder tun, was er am Besten konnte. Er öffnete Ayas Datenbank und wollte gerade die Programmdatei von Omis Rechner kopieren, als sein Blick auf einen Ordner fiel, der im Arbeitsplatz lag. Nagi stutze. Dann sah er genauer hin. Tatsächlich. Auf dem Ordner stand sein Name als Dateibezeichnung. Hm..? , dachte Nagi überrascht und grinste dann. Er warf einen Blick auf die geschlossene Tür und biss sich dann vor Spannung auf die Unterlippe. Dann zuckte er mit den Schultern und machte einen Doppelklick auf den Ordner. Das musste er sich näher ansehen. Was konnte Aya wohl von ihm auf seinem Rechner haben? Nagi vermutete, dass es sich eventuell um Informationen aus seiner Zeit bei Schwarz handelte, dann wunderte er sich allerdings, dass nicht auch von Crawford, Schuldig und Farfarello Ordner existierten. Der Ordner öffnete sich und Nagis Augen weiteten sich. Es befanden sich mehrere Word-Dokumente in dem Ordner. Und alle trugen dieselbe Aufschrift. «Access» Nummeriert von eins bis sieben. Nagi runzelte die Stirn. Das konnte nicht sein, oder? Auf Omis Rechner hatte er keine Spur von Access Ghost gefunden. Dabei war er die ganze Zeit davon ausgegangen, dass der jüngste Weiß sich hinter dem ominösen Hacker verbarg. Kann das sein, dass es Aya war? Die ganze Zeit…Nagi schüttelte verwirrt den Kopf, als er merkte, was er dachte. Dann öffnete er die Dateien und sah sich mit den Gesprächen zwischen ihm und Access Ghost konfrontiert. Aya hatte an manchen Stellen etwas dazu notiert. Nagi war baff. Offenbar hatte Aya von Anfang an gewusst, dass sich Nagi hinter dem Hacker namens Shattered Mind verbarg. Davon war Nagi allerdings bereits ausgegangen, seit er wusste, dass ein Mitglied von Weiß Access war. Was ihn überraschte, waren die Notizen. Aya hatte sich notiert, was er aus den kurzen Gesprächen schloss und hatte nicht ein einziges Mal daneben gelegen. Er hatte sofort gewusst, dass es bei dem Freund, von dem Nagi gesprochen hatte um Crawford ging. Und er hatte nach dem ersten Streit, von dem Nagi Access berichtet hatte, notiert, dass er mit Omi darüber gesprochen hatte und dass beide beschlossen hatten, sich Nagis Situation anzusehen. Und das haben sie ja schließlich auch… , dachte Nagi, als er sich erinnerte, wie Omi und Aya auf dem Hausdach standen, als er mit Crawford seine letzte Mission hatte zuende bringen müssen. Nagi lehnte sich zurück und starrte auf den Bildschirm. Es war Aya gewesen. Kein Zweifel. Mein Gott… Nagi war völlig durcheinander. Das hätte er von Aya nie erwartet. Wieso war er bei Nagi eingestiegen und wie hatte er das geschafft? Omi musste ihm gesagt haben, was er tun musste. Dann hatten die beiden also unter einer Decke gesteckt. Aber Aya war Access. Aya war es, der die ganze Zeit mit Nagi gesprochen hatte. Und – das fiel Nagi jetzt erst ein – Aya war es folglich auch, der ihn zum Reden gezwungen hatte, weil er einsam gewesen war. Nagi war von diesen neuen Erkenntnissen wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte ja alles, aber wirklich alles, falsch angefangen. Hatte ja unter ganz falschen Vorraussetzungen bei Weiß angefangen. Er hatte Omi als seinen Retter gesehen, nicht Aya. Im Gegenteil, Aya gegenüber war er misstrauisch gewesen, Omi hatte er vertraut. Nagi biss sich auf die Zunge vor Ärger über seine Naivität. Man, da war er ja absolut auf seine Vorurteile hereingefallen. Nagi grinste vor sich hin. Wow. Aya also. Anstatt sich von Aya bedroht zu fühlen, hätte Nagi ihm gegenüber von Anfang an ganz entspannt sein können. Da war also noch mehr an Gefühl in Aya, als Nagi bisher zu sehen bekommen hatte. Er war immer davon ausgegangen, dass der Weiß-Leader Crawford am ähnlichsten war. Ein Einzelgänger, der sich Weiß nur angeschlossen hatte, um Rache zu nehmen. Aber Aya war nicht so. Nicht wirklich. Er war einsam gewesen und er war sogar zu seinem Feind gegangen, um dieser Einsamkeit zu entfliehen. Genau, wie ich , dachte Nagi und lächelte. Endlich wusste er, wer Access war. Er hatte schon nicht mehr daran gedacht und jetzt, durch einen dummen Zufall, war ihm die Antwort in den Schoß gefallen. „Puh…“, murmelte Nagi und schaltete Ayas PC aus. Er war jetzt nicht mehr in der Stimmung, sich um sein und Omis Spiel zu kümmern. Er wollte diese Überraschung verdauen. Und er wollte Aya sagen, was er herausgefunden hatte. Nagi runzelte irritiert die Stirn. Er wollte dem Weiß-Leader davon erzählen? Ja. Nagi fühlte sich irgendwie nicht gut, mit dem Geheimnis, das er nun hatte. Er fühlte sich, wie ein Spion. Er hatte in Ayas privaten Sachen herumgeschnüffelt. Wenn auch ohne böse Absicht. Und er hatte etwas herausgefunden, was Aya ihm offensichtlich nicht hatte erzählen wollen. Nagi wurde nervös. Was, wenn Aya sauer darüber war, dass er sein Geheimnis jetzt kannte. Aber Nagi wusste, dass er Aya von seiner Entdeckung würde erzählen müssen. Aya würde ohnehin merken, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Und Aya bedeutete Nagi zu viel, als dass er ein Geheimnis vor ihm haben könnte. Also beschloss Nagi schweren Herzens, es dem Rotschopf zu erzählen, sobald er von seinem Training kam. Oder vielleicht lieber gleich. //3 Nagi stand vom Stuhl auf, schob ihn wieder ordentlich an den Schreibtisch und verließ Ayas Zimmer. Er ging nach unten und in den Keller. Er hörte bereits Ayas angestrengtes Atmen, bevor er seinen Freund sehen konnte. Aya hielt in der Bewegung inne, als er jemanden die Treppe hinunter kommen hörte. Er ließ sein Schwert sinken und schaute mit hochgezogenen Brauen, wer ihn störte. „Hey.“, begrüßte Nagi Aya mit einem sachten Lächeln und Aya lächelte zurück. Dass Nagi herunterkam hatte er nicht erwartet, aber er stellte fest, dass er sich über den unerwarteten Besucher freute. „Hey du.“, grüßte Aya deshalb auch lächelnd zurück und Nagi setzte sich auf den Boden vor ihm an die Wand. „Na, tut’s gut?“, fragte er Aya und der nickte grinsend. „Yap.“, antwortete er und setzte sich Nagi gegenüber im Schneidersitz auf den Boden. Er legte sein Schwert neben sich und strich sich einige verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann zog er mit einem Grinsen sein Shirt über den Kopf und rubbelte sich damit einmal den feucht glänzenden Oberkörper ab. Nagi verstand die Anspielung natürlich und musste grinsen. Aya zwinkerte ihm zu. „Was führt dich her?“, wollte er dann von Nagi wissen und der sah zu Boden. Aha, was hat er denn?, fragte Aya sich sofort und Nagi schien diesen Gedanken zu ahnen, denn er sah auf und lächelte entschuldigend. „Ich wollte kurz mit dir reden.“, erklärte er und nun schaute Aya seinerseits etwas angespannt. Warum sollte es da wohl gehen? Nagi klang, als handelte es sich um etwas Unangenehmes und das gefiel Aya gar nicht. Problemdiskussion war nicht sein Ding. „Na dann schieß los.“, forderte er Nagi auf. Der nickte und dann spuckte er es einfach aus. „Ich war an deinem PC und wollte was von Omi rüberziehen und hab deine Ordner von Access gefunden.“, stieß er hervor und sah Aya schüchtern an. Ja, er erwartete eine Tirade. Und er bekam etwas Ähnliches. „Scheiße.“, zischte Aya zwischen zusammengebissenen Zähnen und erhob sich elegant. Er nahm sein Schwert, drehte es kurz unentschlossen in seinen Händen, dann warf er es in einem Anflug von Wut in die nächstbeste Ecke. „Verdammt.“ Nagi zuckte zusammen, als das Metall auf den Boden aufschlug. Er sah Aya nicht an, sondern knetete nervös seinen Pulli. Das lief gar nicht gut. Er traute sich nicht, noch etwas zu sagen und hoffte nur, dass Aya nicht wirklich böse auf ihn war. Aya stand inzwischen unschlüssig da und starrte wütend an die Wand. „Man Nagi, wieso musstest du das machen?“, fragte er dann leise und schlug mit der flachen Hand gegen die Wand. „Wieso bist du bloß so verdammt neugierig?“, fragte er weiter, aber Nagi senkte nur schuldbewusst den Blick. „Du solltest das nicht wissen.“, stellte Aya fest und hob dann abwehrend die Hände. Dann ließ er sie resigniert wieder fallen, drehte sich um und ließ Nagi zurück. Der sah Aya nach und begann zu weinen. Verdammt, immer gab es neue Probleme. Er verstand nicht, wieso Aya so wütend war. Es war doch nichts Schlimmes, dass er und nicht Omi Access war. Im Gegenteil, eigentlich war es doch schön, dass gerade er, den Nagi sich jetzt ausgewählt hatte, von Anfang an so etwas wie Nagis Vertrauter gewesen war. Aber irgendetwas daran schien Aya ganz und gar nicht zu gefallen. Nagi schniefte und wischte sich wütend über die Augen. Ja, warum war er so neugierig. Er hatte nicht mal daran gedacht, dass es vielleicht schlecht sein könnte, wenn er den Ordner öffnete. Nagi stand auf und sah auf Ayas Schwert. Er hob es auf, steckte es wieder in die Lederscheide, die auf der untersten Treppenstufe lag und legte das Schwert auf den einzigen Stuhl, der im Raum stand. Traurig lächelnd strich er darüber. Dann ging auch er nach oben. Er wollte zu Aya und sich entschuldigen. Und ihn fragen, warum er so wütend war. Und ihn bitten, ihm zu verzeihen. Und er wollte ihm sagen, dass er es schön fand, dass Aya Access war. //4 Omi kam aus dem Laden und wollte in die Küche, als Aya ihn beinahe über den Haufen rannte. Er war auf dem Weg nach draußen und wollte den kürzesten Weg durch den Laden nehmen. Omi runzelte die Stirn, als er Ayas zusammengekniffenes Gesicht war. Was war passiert? „Hey, Aya! Warte doch mal!“, rief er dem Älteren hinterher, aber Aya sah sich nicht einmal um. Er antwortete auch nicht. Omi sah ihm entgeistert nach und ging dann ins Haus. Vielleicht wusste einer von den anderen ja, was mit Aya los war. In der Küche fand er Yoji, der sich gerade am Telefon unterhielt. „Ja, natürlich kann ich heute Abend kommen. Es wäre mir eine Ehre“, sagte er gerade und Omi verdrehte die Augen. Natürlich, eine Frau. Wie immer. Das konnte Omi jetzt nicht gebrauchen. „Yoji…“, bat er ein wenig genervt, aber Yoji bedeutete ihm mit einer Handbewegung, noch zu warten. „In Ordnung, ich bin um acht da, keine Sorge.“, sagte er ins Telefon. ‚Hey Omi’, formte er lautlos mit den Lippen und nickte ihm zu. Omi seufzte und wartete, bis Yoji das Gespräch beendet hatte. „Du hast wohl keine Ahnung, was mit Aya los ist, hm?“, fragte er dann und Yoji schüttelte wie erwartet den Kopf. „Mit ihm ist was los?“, fragte er irritiert und Omi schüttelte den Kopf. „Schon gut, ich frag mal Ken.“, meinte er, aber Yoji winkte ab. „Der ist zum Fußball, schon vergessen?“, erklärte er und Omi schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Yap. Vergessen. Na vielleicht weiß Nagi was!“, fiel ihm dann ein und Yoji nickte. „Erzähl’s mir, wenn du’s weißt, OK?“ Omi lächelte Yoji an und nickte. „Klar, Yotan.“, sagte er und verschwand. Yoji blieb kopfschüttelnd zurück und machte sich einen Kaffee. Nur Probleme in letzter Zeit. Er sehnte sich nach den guten alten Zeiten, als Aya zwar stumm durch die Gegend lief, aber dafür wenigstens Ruhe herrschte. Omi lief durch den Flur und hinauf zu seinem Zimmer. Er fand Nagi vor Ayas Tür und stutzte. „Nagi?!“, rief er und der Junge drehte sich herum. Omi sah seinen traurigen Blick sofort und lief zu seinem Freund. Er ahnte, dass das Problem zwischen Nagi und Aya bestand. „Was ist los, hm?“ Nagi sah Omi an, dann schmiegte er sich einfach mal für einige Sekunden an ihn. Omi schaute irritiert, nahm Nagi aber in den Arm und wartete einfach, bis dieser von sich aus anfing, zu erzählen. Und Nagi erzählte. Von seinem PC-Besuch bei Aya, von Access und von seinen falschen Vermutungen. Und schließlich davon, dass er Aya davon erzählt hatte und dass der daraufhin ausgerastet war. Omi schaute bedröppelt. „Oh je…“, fasste er die Situation zusammen und strich Nagi über die tränennasse Wange. „Das musst du verstehen, er meint’s nicht so.“, versuchte Omi Nagi zu beruhigen, aber der konnte seinem Freund nicht glauben. Omi nahm Nagi mit auf sein Zimmer und pflanzte ihn auf das Bett. Nagi schniefte noch immer, dann riss er sich plötzlich wieder zusammen. Das war ja unfassbar, was für ein Weichei er hier geworden war. Er runzelte angestrengt die Stirn und vertrieb die Tränen. Omi stellte Nagis Veränderung erstaunt fest. Dann schmunzelte er darüber. Reißt er sich also zusammen. Schön, dass er sich mal wieder dran erinnert, wer er eigentlich ist! , fand Omi und setzte sich zu Nagi. „Also hör mal…“, begann er dann und Nagi sah ihn aufmerksam an. „Aya wollte nicht, dass du das weißt. Weil er nicht weiß, dass irgendjemand irgendwas von ihm weiß. Besonders nichts, was einem sagen würde, dass er nicht so ein harter Kerl ist, wie er immer tut.“ Nagi nickte. Das hatte er sich schon gedacht. „Kümmer dich einfach nicht drum. Du bist doch auch nicht von schlechten Eltern, oder? Biete ihm einfach Paroli, das wird ihm mal gut tun.“, fand Omi. Nagi überlegte. Dann nickte er. Dieses ewige Weinen und Zähneklappern, das war er eigentlich gar nicht. Er war härter. Dann lächelte er und zwickte Omi in die Schulter. „Bin ein ganz schönes Weichei geworden, was?“, sagte er grinsend und Omi nickte. „Yap.“ „Aya steht nicht so auf Weicheier, ne?“ „Nope.“ „Na schön, dann bekommt er ab sofort den richtigen Nagi wieder.“, beschloss Nagi und Omi nickte zufrieden. Nagi seufzte. Jetzt blieb ihm eigentlich nur noch, auf Aya zu warten. Omi schien seinen Gedanken zu erraten, denn er stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Komm, lass uns was machen.“, forderte er. Nagi nickte. „Gerne. Und was?“ Omi überlegte einen Moment, dann fiel ihm etwas ein. „Seit du nicht mehr mein Feind bist, mangelt es mir an echten Gegnern. Lass uns kämpfen.“ Nagi schaute erstaunt, dann guckte er Omi zweifelnd an. „Ist das dein Ernst?“ „Yap. Ich hab das Gefühl, du bist ein bisschen eingerostet, kann das sein?“ Nagi nickte seufzend. Bei Schwarz hatte er eigentlich immer einmal die Woche Action gehabt. Hier hatte er in der gesamten Zeit, die er hier war erst zweimal wirklich für Weiß gearbeitet. Und noch keinmal war es wirklich dazu gekommen, dass er seine Kräfte einsetzen konnte. Klar, er saß am PC und auch das tat ihm gut, aber die körperliche Herausforderung fehlte ihm. „Na also, dann komm!“, rief Omi fröhlich und zog Nagi mit sich. Der folgte seinem Freund auf dem Fuße. Omi ging mit Nagi über den Flur und führte ihn eine Treppe hinauf. Nagi wunderte sich. Ihm war noch nie aufgefallen, dass es hier noch höher ging. Aber Omi wusste offenbar genau, wo er hinwollte. Sie stiegen eine schmale Treppe hoch und als Omi die Tür öffnete, die am oberen Ende lag, standen sie auf dem Dach des Gebäudes. Nagi staunte nicht schlecht. Das Gebäude war höher, als die anderen Häuser in der Nachbarschaft. Nagi konnte das gesamte Viertel überblicken. „Wow.“, brachte er heraus und Omi schien sich zu freuen, dass er Nagi hatte überraschen können. „Schluss mit Staunen. Mach dich bereit.“, befahl er spielerisch und Nagi trat grinsend von Omi weg, bis er etwa fünf Meter zwischen sich und seinen Freund gebracht hatte. Omi nickte ihm zu, dann nahm er seine Kampfposition ein. Mit leicht auseinandergestellten Beinen und kampfbereit erhobenen Händen erwartete Omi Nagis ersten Schritt. Nagi tat es ihm gleich, wählte jedoch eine gänzlich andere Taktik. Er stellte sich gerade hin, legte eine Hand auf den Rücken und hob die andere hoch über seinen Kopf. Omi ahnte, dass Nagi seine Kräfte einsetzen würde und er war gespannt, inwieweit er trotzdem eine Chance gegen den ehemaligen Schwarz hatte. Das Kräftegleichgewicht war natürlich nicht gerade ausgewogen, trotzdem freute Omi sich auf die Herausforderung. Nagis Kräfte würden ihn zwingen, umzudenken. Mit normalem Kampfeinsatz würde er hier nicht weit kommen. Nagi bewegte sich nicht, Omi behielt ihn im Auge. Dann plötzlich drehte Nagi einmal rasch und kurz das Handgelenk der erhobenen Hand. Vor Omi begannen die kleinen Blätter und Steinchen, die auf dem Dach reichlich lagen, sich zu gewegen. Omi starrte gebannt auf die Windhose, die sich vor seinen Augen aus dem Nichts heraus bildete. Er sah zu Nagi und ihm gefiel der konzentrierte Blick, der in dessen Augen stand. Nagi schien in seinem Element. Er konzentrierte sich auf die Windhose und schickte sie in Omis Richtung. Dann, als er wusste, dass Omi ihn nicht mehr sehen konnte, griff er an. Nagi sprang mitten durch die Windhose hindurch und erwischte Omi mit seinem klar geführten, geraden Schlag völlig unerwartet. Omi seinerseits hatte nicht damit gerechnet, dass Nagi wirklich ernst machte und war zu überrascht, als dass er reagieren konnte. Nagis zum Stoß flach gestoßene Hand schleuderte ihn einige Schritte zurück und Omi landete unsanft auf dem Hosenboden. „Wow!“, rief er aus und ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht Platz. Ja, das würde interessant werden. Die Windhose fiel auf einen Wink von Nagi hinter ihm zusammen und Nagi nahm seine Anfangsposition wieder ein. Auch er grinste fröhlich. „Na, gibst du schon auf?“, neckte er Omi und der schüttelte erwartungsgemäß den Kopf. Er stand auf, brachte sich in Position und zog drei seiner Wurfpfeile. Nagi beugte die Knie und breitete die Arme aus, sodass sie nach vorn und hinten zeigten, die Handflächen jeweils nach außen gerichtet. „Dann komm!“, forderte er Omi heraus und der tat, wie ihm geheißen. Omi holte aus, warf seine Pfeile und sprang gleichzeitig auf Nagi zu. Natürlich hielt dieser die Darts mit einem einfachen Augenzwinkern auf, doch Omis Angriff musste er daraufhin parieren. Die beiden Jungen lieferten sich einen minutenlangen Faustkampf, bevor sie wieder voneinander abließen. Beide atmeten schnell, kamen aber noch nicht ins Schwitzen. „Tut’s gut?“, wollte Omi wissen und Nagi nickte. „Und wie.“, gab er zu und nahm seine gerade Position wieder ein. „Mal sehen, wie du damit klarkommst!“, kündigte er an und hob die rechte Hand, während seine linke hinter seinem Rücken blieb. Omi spürte, wie er zu Boden gedrückt wurde. Seine Knie gaben nach, er konnte nicht stehen bleiben. Nagi lachte. Omis verdutzter Gesichtsausdruck war niedlich. „Komm schon, streng dich an, ich geb mir nichtmal Mühe.“, forderte Nagi. Omi keuchte vor Anstrengung, als er versuchte, sich Nagis Kräften zu entziehen. Er spürte Nagis Kontrolle in seinen Beinen, er hielt ihn am Boden und lächelte. Omi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es war interessant, einmal ohne feindliche Absichten seine Kräfte mit dem Telepathen zu messen. Omi schloss die Augen und konzentrierte seine gesamte Kraft auf seine Beine. Er wusste nicht, wie er Nagis Kontrolle durchbrechen sollte, aber er bemühte sich. Nagi hielt seine Hand, wo sie war und wartete ab. Auch für ihn war diese neue Art des Kräftemessens neu und interessant. Omi kämpfte und langsam hatte er den Eindruck, er könnte es versuchen. Er richtete seinen Oberkörper gerade auf und spannte seine Beinmuskeln an, so fest er konne. Nagi grinste. Er spürte Omis Widerstand. Und langsam wurde die Sache auch für ihn anstrengend. Wäre dies ein richtiger Kampf, hätte Omi keine Chance. Nagi hätte sich nicht damit begnügt, Omi festzunageln. So jedoch begnügte Nagi sich damit, Omis Beine zu kontrollieren. Er wollte wissen, ob der junge Weiß es schaffte, die Kontrolle zu durchbrechen. Wenn sein Wille stark genug war, konnte er es schaffen, Nagi wusste das. Und Omi wusste es plötzlich auch. Er sah Nagi an, hielt dessen Blick fest und richtete sich langsam auf. Mit jedem Millimeter, den Omi an Höhe gewann, fand er die Kontrolle über seine Beine mehr und mehr wieder. Nagi lächelte. Omis Kraft beeindruckte ihn. „Weiter! Ich geb nicht auf!“, rief er Omi zu und der nickte angestrengt. Er stand schon beinahe, aber er merkte, dass Nagi es ihm für die letzten Zentimeter noch mal schwer machte. Omi kämpfte sich durch die Fremdsteuerung und schließlich schaffte er es. Er stand wieder. Nagi ließ die Hand sinken und gab die Kontrolle auf. Omi sackte in sich zusammen und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Dann grinste er Nagi an, der sein Grinsen zufrieden erwiderte. „Nicht schlecht!“, meinte Nagi und trat zu Omi, um ihm aufzuhelfen. Omi nahm die angebotene Hand und stand auf. Dann stützte er die Hände auf die Knie und atmete ein paar Mal tief durch. „Puh. Machen wir ne Pause?“, bat er und Nagi nickte. „Klar. War anstrengend, hm?“ Omi nickte. „Man. Das würde ich auch gerne können.“, gab er zu und blinzelte gegen die Anstrengung an. „Hm…“, machte Nagi und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden des Daches sinken. Omi tat es ihm nach ein paar Augenblicken nach und sie sahen sich an. „Kein Wunder, dass wir nie ne Chance gegen dich hatten.“, meinte Omi mit einem Schmunzeln und Nagi zuckte die Achseln. „So schlecht seid ihr auch wieder nicht.“, ermunterte er Omi mit einem Augenzwinkern. “Naja gegen deine und Schuldigs Kräfte ist reine Körperkraft nun mal zu wenig.“, stellte Omi fest und lächelte. „Gut, dass wir jetzt auf der selben Seite stehen.“ Nagi nickte. „Wir sollten das öfter machen, du wirst bestimmt stärker.“, schlug er dann vor und Omi stimmte ihm zu. „Jetzt fühl ich mich besser. Erschöpft, aber besser.“, meinte Nagi. Omi ging es genauso. Nagi spürte plötzlich die Kälte des Dezembertages und sah, dass auch Omi inzwischen zitterte. „Sollen wir reingehen?“, fragte er daher und war nicht überrascht, als Omi erleichtert nickte. „Duschen.“, meinte dieser und lächelte fröhlich. Nagi nickte und sie standen auf. Dann verließen sie das Dach. Omi ging in sein Zimmer, Nagi benutzte Ayas Dusche und eine halbe Stunde später trafen die beiden sich unten in der Küche wieder, um einen heißen Kakao zu trinken. //5 Aya kam am frühen Abend wieder. Er traf Ken auf der Straße vor dem Koneko. „Aya?!“, fragte er erstaunt und Aya seufzte. Aber er hatte seinem Ärger Luft gemacht und beschloss, keinen neuen heraufzubeschwören. „Hey Ken-kun.“, antwortete er daher und lächelte leicht. Ken trug seinen obligatorischen Fußball unter dem Arm und schien ausgepowert, aber fröhlich. „Wo warst du ?“, wollte er wissen, wohlwissend, dass es offensichtlich war, das er beim Fußball gewesen war. Aya zuckte mit den Schultern. „Was trinken.“, gab er knapp zur Antwort und Ken nickte. Sie gingen zusammen durch den Laden und landeten in der Küche, wo sie auf Omi und Nagi trafen. Nagi hörte die beiden, noch bevor Omi es tat. Er sah seinen Freund an und bekam von Omi ein aufmunterndes Zwinkern zur Antwort. Ken kam herein, begrüßte Nagi und Omi freundlich und nahm sich ein Glas Saft. Aya sah die beiden Jungen und nickte ihnen nur zu. Ken verschwand zum Duschen und Omi verabschiedete sich mit der Ausrede, noch Hausaufgaben machen zu müssen. Aya grummelte leise. Er wusste, wieso Omi ihn mit Nagi alleine ließ. Auch Nagi ließ sich nicht für dumm verkaufen. Er war es dann auch, der ein Gespräch begann. „Tut mir leid, dass ich in deinen Sachen rumgeschnüffelt habe. Aber ich finde es überhaupt nicht schlimm. Weder, dass du mir nichts erzählt hast, noch, dass ich es rausgefunden habe. Ich hätte auch fragen können, wenn es mir wirklich wichtig gewesen wäre. Das Ganze war ein dummer Zufall.“ Aya sah Nagi an. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er setzte sich zu Nagi an den Küchentisch und stützte den Kopf in die Hände. „Du hast keine Ahnung, warum ich wirklich sauer war, hm?“, nahm er dann mal an und Nagi lächelte. „Ich ahne schon was.“, widersprach er dann und Aya lächelte. Das wunderte ihn nicht. Er ging davon aus, dass Omi mit Nagi gesprochen hatte, nachdem er ihn heute Morgen fast über den Haufen gerannt hatte. Und Omi kannte Aya besser, als sonst jemand. „Ich bin nicht umsonst Auftragskiller, OK? Ich bin nicht gut in Gefühlsduseleien. Und besonders bin ich nicht gut darin, ein Held zu sein. Und ich kann es nicht ausstehen, wenn man mich für schwach hält, klar soweit?“ Aya sah Nagi fragend an und der nickte leicht. Ja, das verstand er. Aya glaubte, durch die Gespräche mit Nagi als Access Ghost hätte Nagi das Bild eines einsamen, schwachen Unglücklichen vor Augen, der sich selbst nicht zu helfen wusste. Aber Nagi wusste es besser und das sagte er Aya auch. „Du bist nicht schwach. Das würde ich niemals auch nur annehmen, geschweige denn denken. Jeder ist mal einsam. Sogar Crawford war es, Schuldig ist es und ich bin es genauso. Deshalb ist man nicht schwach. Das wäre das Letzte, was ich von dir denken würde.“, erklärte er und Aya zuckte die Schultern. „Und jetzt hör auf, auf deinem verletzten Stolz herumzureiten, klar soweit?“, forderte Nagi dann noch nachdrücklich und Aya musste grinsen. Das war derselbe Vorwurf, den Omi ihm von Zeit zu Zeit machte. Ja, er war stolz. Vielleicht zu stolz, jedenfalls manchmal. Aber so war er nun mal. „Hab dich lieb.“, sagte Nagi dann plötzlich und streckte über den Tisch die Hand nach Aya aus. Aya nahm sie, ohne noch zu zögern und lächelte sacht. „Schon gut. Ich hab mich betrunken. Ich bin jetzt nicht mehr sauer, mir ist nur schlecht.“, fasste Aya dann seine momentane Gefühlswelt zusammen und Nagi grinste. „Dann bring ich dich jetzt ins Bett und du stehst bis morgen früh nicht mehr auf.“, befahl Nagi und Aya nickte nur müde. Ja, genau das wollte und brauchte er jetzt. Aya spürte, wie Nagis Nähe und sein Gottvertrauen in seinen Bauch vordrang und ihn sanft wärmte. Er musste nicht schwach sein, er durfte er selbst bleiben. Also schön, dagegen war nichts einzuwenden. Nagi stand auf, legte sich Ayas Arm um die Hüften und brachte seinen Koi in dessen Bett. Aya bestand darauf, sich selbst umzuziehen und er verweigerte auch Nagis Hilfe, als er zum Klo wankte, um sich zu übergeben. Aber Nagi wusste trotzdem, dass es Aya gut tat, jemanden an seiner Seite zu haben, der nichts sagte, sondern bloß da war, um ihm zu helfen. „Hey Nagi…“, murmelte Aya, als Nagi schon an der Tür war, um ihn allein zu lassen. „Hm?“ „Komm noch mal her…“, bat der Rotschopf und Nagi trat leise lächelnd an Ayas Bett. Der streckte die Hand nach ihm aus und Nagi nahm sie. „Ich liebe dich.“, sagte Aya knapp und lächelte. Nagi machte große Augen und lächelte dann zurück. Fast hätte er vor Freude angefangen, zu weinen, doch dann nahm er sich zusammen. „Das weiß ich doch…“, sagte er nur sanft und küsste Aya auf die Stirn. Der lächelte ebenso sanft zurück und schloss die Augen. Nagi sah ihn noch einen Moment an, dann ließ er ihn allein und lehnte sich draußen auf dem Flur gegen Ayas Zimmertür. Mit geschlossenen Augen stand er dort und holte sich Ayas Gesichtsausdruck zurück, den er gehabt hatte, als er ihm seine Liebe gestand. Er war betrunken gewesen. Nagi wusste, dass er vielleicht am nächsten Tag aufwachen und sich an kein Wort erinnern würde, das er gesagt hatte. Dennoch wünschte Nagi sich, dass er es tat. Und unterbewusst begann er bereits damit, Ayas Trunkenheit zu verdrängen und sich einzubilden, dass er sein Geständnis wirklich ernst gemeint hatte. Kapitel 12: -Zwölf- ------------------- //1 In seinem kleinen Apartment saß Schuldig rauchend auf dem Sofa und betrachtete sich eine Reihe von Fotos. Er hatte einen Auftrag zu erledigen und prägte sich die Gesichter der Zielpersonen ein. Es waren fünf. Fünf skrupellose Immobilienmakler, die Grundbesitzer erpressten, um deren Grundstücke billig zum Verkauf geboten zu bekommen. Schuldigs Auftraggeber war ein Konkurrent, wie sollte es auch anders sein. Eine große Immobilienfirma störte das korrupte Konzept der fünf Kleinfirmen und sie beschloss, deren Köpfe schlichtweg aus dem Verkehr zu ziehen. Um so selber wieder die Führung auf dem Markt übernehmen zu können. Der Deutsche legte die halb gerauchte Zigarette in den Aschenbecher und gähnte. Es war bereits Mitternacht und Schuldig war eigentlich müde. Aber da der Hit morgen stattfinden sollte, musste er seine Arbeit tun. Das Ganze war sozusagen ein Last-Minute-Auftrag. Erst heute Morgen hatte er den Anruf bekommen und die Hintergründe erfahren. Einerseits war Schuldig froh, endlich wieder etwas zu tun zu haben. Andererseits hatte er zur Zeit andere Dinge im Kopf. Ja, er musste es sich eingestehen, Nagi fehlte ihm. Er vermisste genau das Stille, Nachdenkliche und dann plötzlich so Lebensfrohe, das ihn so oft genervt hatte. Schuldig grinste. Das war immer dasselbe. Man will immer gerade das, was man nicht hat. Der Blonde griff wieder nach der Zigarette und rauchte sie zu Ende. Dann nahm er sein Feuerzeug und knüllte die Fotos zu einem kleinen Ball zusammen, den er im Aschenbecher verbrannte. Jetzt konnte er loslegen. Schuldig streckte, wie so oft, seine geistigen Finger nach Nagi aus. Er wollte sehen, wie es ihm ging, was er gerade tat, mit wem er sprach. Doch wieder einmal bekam er nur ein stummes ‚Nein’ zur Antwort, als er feststellen musste, dass Nagi ihn nicht durchließ. Schuldig seufzte leise. Warum wollte Nagi nicht mit ihm sprechen? Seit ihrem Treffen waren inzwischen fünf Tage vergangen und Nagi hatte sich weder gemeldet, noch Schuldig sich melden lassen. Nein, Schuldig machte sich keine Sorgen. Er hatte Nagi gesehen und er war glücklich. Es ging ihm gut. Dennoch war es – ja, es tat beinahe weh, dass Nagi ihn nicht zu sich ließ. Schuldig lächelte leicht. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Er hatte sich wohl doch wesentlich mehr an Nagi gewöhnt, als er geglaubt hatte. Der Kleine war zu einem Teil seines Lebens geworden, obwohl sie nie persönlich miteinander umgegangen waren. Und Schuldig wusste, dass besonders das Erlebnis mit Nagi und Crawford sein Bild von Nagi verändert hatte. Er war ihm nahe gekommen und das ließ sich nicht einfach so abstreifen. Während Schuldig ins Schlafzimmer schlich und sich auszog, dachte er daran, was Nagi ihm zum Schluss erzählt hatte. Als Schuldig nicht auf seine Bitte hatte eingehen wollen. Schuldig grinste, als er Nagis peinlich berührten Gesichtsausdruck wieder vor sich sah, als dieser ihm von seiner Liebe zu dem Weiß-Leader erzählt hatte. Der Deutsche gähnte. Vielleicht war seine Reaktion auf dieses Geständnis der Grund für Nagis Abwehrreaktion? Vielleicht war er enttäuscht, weil Schuldig sich nicht hatte freuen können, sondern nur zähneknirschend Nagis Bitte stattgegeben hatte. Schuldig zuckte mit den Schultern. Whatever. Als Schuldig sich ins Bett legte, ging er im Kopf den Ablauf seines Auftrags durch, den er morgen durchführen wollte. Er verdrängte Nagi aus seinen Gedanken und zwang sich zur Professionalität. Nagi durfte nicht auch noch sein Leben komplett auf den Kopf stellen. Immerhin musste Schuldig für seinen Lebensunterhalt sorgen und da konnte er keine Verwirrung gebrauchen. Eine Viertelstunde später schloss Schuldig seufzend die Augen und schlief ein. //2 Als Schuldig am nächsten Morgen im Bad stand und duschte, wachte Aya mit einem üblen Kater gerade auf. Er drehte sich gähnend herum und stellte mit einem verwirrten Blick auf den Wecker fest, dass es schon halb zehn war. Aya runzelte die Stirn. Wieso war er nicht längst wach und stand mit den anderen im Laden? Aya hob mit einem Schwung seine Beine aus dem Bett und bereute es sofort. Ein greller, stechender Schmerz fuhr zuerst in seine Schläfen und dann seinen Rücken hinunter. Aya keuchte auf und griff sich mit beiden Händen an den Kopf. „Oh Scheiße.“, stellte er fest und schloss einen Moment die Augen, bis der Schmerz nachließ. Dann stand er auf, vorsichtig diesmal und tapste mühsam ins Bad, um zu duschen. „Na wenigstens haben mich die anderen nicht geweckt.“, murmelte Aya, während er sich auszog. Irritiert stellte er fest, dass er seinen Pyjama trug – er konnte sich nicht daran erinnern, sich umgezogen zu haben. Überhaupt erinnerte er sich nicht an sehr viel von dem, was gestern passiert war, nachdem er die Bar verlassen hatte. Aya trat unter die Dusche und drehte das heiße Wasser auf. Sehr, sehr langsam wurde er wach. Er beeilte sich, so gut er konnte. Eine halbe Stunde später hatte er es geschafft, zu duschen, sich anzuziehen und sich auf den Weg in den Laden zu machen. Ayas Magen rebellierte bei dem Gedanken, etwas zu essen, also ließ er es bleiben. Er ging direkt in den Laden und traf dort auf Ken und Yoji. Nagi und Omi waren anscheinend bereits in der Schule. „Morgen Aya!“, rief ihm Ken grinsend entgegen und Aya verdrehte die Augen, denn er wusste, was jetzt kam. Yoji steckte seinen Kopf aus dem Gewächshaus in den Ladenraum und grinste ebenfalls. „Na, wieder nüchtern?“, wollte er interessiert wissen und legte Aya freundschaftlich grinsend einen Arm um die Schulter. „Mir geht’s blendend.“, zischte Aya Yoji an und wischte dessen Arm von seiner Schulter. Dann fasste er sich erneut an die Stirn, denn seine heftige Bewegung hatte eine neuerliche Welle des Schmerzes ausgelöst. „Ach Mist.“, fauchte er sich selbst an und Ken und Yoji warfen sich vielsagende Blicke zu. Aya setzte sich auf einen der Bindetische, auf dem bereits ein halbfertiges Blumengesteck lag. „Kopfschmerzen?“, zog Yoji Aya auf. Aya seufzte. „Yotan. Lass mich in Ruhe.“, sagte er kühl und Yoji hob abwehrend die Hände. „Nicht meine Schuld, wenn du dir die Birne vollkippst, mein Freund.“, entgegnete er zu Recht und Aya schwieg. Dann kam Ken, der zwischendurch verschwunden war, zurück. Er hielt ein Glas Wasser in der Hand und eine Tablette. „Hier, vielleicht hilft’s.“, bot er an und Aya nahm das Glas und die Tablette mit einem dankbaren Lächeln und einem vernichtenden Blick zu Yoji. Der grinste sich nur einen und machte sich wieder an sein Gesteck. Es waren keine Kunden im Laden und das blieb auch noch eine Viertelstunde lang so, sodass Aya ein wenig Zeit hatte, die Tablette wirken zu lassen, bevor er arbeiten musste. Bis zum Mittag quälte Aya sich durch die Kundschaft, trank mindestens fünfzig Liter Wasser und konnte sich immer noch nicht überwinden, etwas zu essen. Yoji und Ken ließen ihn in Ruhe, wofür er ihnen im Stillen dankbar war. Allerdings fragte Aya sich, was am vorigen Abend passiert sein mochte. Er konnte sich nicht wirklich erinnern. Als Omi und Nagi am frühen Nachmittag zusammen aus der Schule kamen, waren sie äußerst gut gelaunt. Nagi stürmte als erstes in den Laden. „Aya!“, rief er fröhlich und lief zu dem Rotschopf, der sofort abwehrend die Hände hob. Nagi hielt mitten im Lauf inne und starrte Aya irritiert an. Auch Omi legte den Kopf schief und plötzlich kehrte Stille ein. Aya seufzte laut und klang genervt. „Hey, alles ist gut. Ich hab wahnsinnige Kopfschmerzen, das ist alles.“, beschwichtigte er und Nagi atmete erleichtert durch. Dann trat er langsam an Aya heran und gab ihm sacht einen Kuss auf die Wange. Aya lächelte schmerzlich und grinste dann schief. „Hab ich gestern Abend was getan, was ich bereuen sollte?“, fragte er dann Nagi. Omi sah als Einziger, wie Nagis Blick sich verdunkelte, als er den Kopf schüttelte. „Nein, nichts. Kannst dich wohl nicht erinnern, hm?“, fragte er mit einem leichten Grinsen und wieder war es Omi, der bemerkte, wie falsch es auf seinen Lippen schien. Nagi hatte Omi von Ayas Liebesgeständnis erzählt und nun schien klar, dass der Weiß-Leader sich nicht daran erinnerte. Omi wusste, dass Nagi genau das befürchtet hatte. „Nicht wirklich.“, grinste Aya und knuffte Nagi in die Seite. Omi entschloss sich, es Nagi gleichzutun und Aya nicht bloßzustellen. Die beiden konnten das später klären. Also warf er seine Schultasche in eine Ecke hinter der Kasse, nahm Nagi seinen Rucksack ab und beförderte ihn an dieselbe Stelle. Nagi sah ihn kurz an, grinste dann und stellte sich neben Omi an die Kasse. Aya verzog sich ins Gewächshaus, wo er in Ruhe einige Blumen umtopfte. Ken und Yoji berieten die Kundschaft. Nagi hatte bereits reges Interesse bei den weiblichen Kunden geweckt. Der freundliche, geheimnisvolle Jüngling hatte bereits einige Fans. Nagi ließ der Andrang jedoch absolut kalt. Omi grinste jedes Mal in sich hinein, wenn der Junge die schmachtenden Blicke der Frauen und Mädchen noch nicht einmal bemerkte, oder einfach lächelnd abtat. „Das soll es sein?“, fragte Nagi freundlich ein junges, blondes Mädchen, das eine eingetopfte Geranie im Arm hielt. Sie nickte mit leicht rosafarbenen Wangen. „Ja bitte.“, sagte sie schüchtern und Nagi kassierte und verpackte die Blume in ein wenig Papier. „Vielen Dank.“, wisperte das Mädchen und huschte aus dem Laden. Omi sah ihr grinsend hinterher. Noch ein Fan für Nagi. Nagi warf Omi einen genervten Blick zu und grinste. Omi lächelte fröhlich und zwinkerte Nagi belustigt zu. Nagi hatte sich schon einmal bei Omi über die nervigen Teenies beschwert, hatte aber nach Omis Erklärung einsehen müssen, dass er damit würde leben müssen. „Oh man.“, murmelte Nagi, dann bediente er die nächste Kundin. Nebenbei machte er sich Gedanken darüber, ob, oder ob nicht, Aya sich an seine Liebeserklärung erinnern konnte. Er beschloss, ihn nicht darauf anzusprechen. //3 Um 18:45 Uhr setzte Schuldig sich in seinen Wagen und fuhr in einen der Außenbezirke Tokios. Hier lagen in einem Büroviertel die Firmensitze seiner Zielpersonen. Der Deutsche fuhr schneller, als erlaubt, aber er kümmerte sich nicht darum. Er wollte das schnell hinter sich bringen. Außerdem würde es ihm kaum schwerfallen, einen ihn eventuell anhaltenden Polizisten zu beschwichtigen, nicht wahr? Als er nach zwanzig Minuten Fahrzeit am Zielort angekommen war, stellte Schuldig das Auto in einer leeren Einfahrt ab und ging die letzten hundert Meter zu Fuß. Er wusste aus sicherer Quelle, dass seine Zielpersonen am heutigen Abend ein gemeinsames Meeting veranstalteten, sodass er die günstige Möglichkeit hatte, sie alle auf einmal auszuschalten. Endlich einmal hatte er einen voraus denkenden Auftraggeber erwischt, der ihm auch diese Information hatte zukommen lassen. Schuldig zog ein Paar Lederhandschuhe aus der Innentasche seiner Jacke und zog sie über. Dann stand er vor dem Gebäude, in dem das Meeting stattfand. Er betrat die Eingangshalle und trat an den Rezeptionstresen. Dort saß ein junger Mann und sah Schuldig erwartungsvoll entgegen. „Guten Abend.“, grüßte Schuldig höflich und der Mann erwiderte, ebenso freundlich. „Zum Meeting von Aesics Corp., bitte.“, bat Schuldig und erntete ein verwirrtes Lächeln. „Entschuldigen sie, aber ich denke nicht, dass sie angemeldet sind.“, entgegnete der Empfangsmann kopfschüttelnd. Schuldig schüttelte den Kopf. „Da irren sie sich. Ich werde erwartet.“, sagte er eindringlich. Der Mann runzelte die Stirn. ~Aber ja, das hattest du ja vollkommen vergessen. Herr Oshima hat dir doch extra Bescheid gegeben!~ , hörte der Wachmann in seinem Kopf und fuhr sich unangenehm berührt über die Stirn. „Entschuldigen sie bitte vielmals! Ich habe mich getäuscht. Bitte gehen sie doch direkt durch. Konferenzraum 103 im ersten Stock.“, bat der Wachmann entschuldigend und Schuldig nickte ihm dankbar zu. Er folgte der Wegbeschreibung und zog im Aufzug seine Waffe. Schuldig fand den Raum ohne Probleme und betrat ihn, ohne zu zögern. „Guten Abend, meine Herren.“, grüßte er in die Fünferrunde und warf ein Lächeln hinterher. Schuldig erntete jedoch nur verständnislose Blicke. „Entschuldigen sie, aber was tun sie hier?“, fragte einer der Anwesenden und Schuldig nickte ihm dankbar zu. „Genau das wollte ich ihnen gerade erklären, meine Herren.“, lächelte er und hob seine Waffe. „Sie alle sind hiermit zum Tode wegen Korruption, Erpressung und Verfälschung des Marktes verurteilt.“, teilte er freundlich mit und richtete seine Opfer der Reihe nach. Der Schalldämpfer schluckte alle verdächtigen Geräusche und kaum zwanzig Sekunden später war Schuldig bereits wieder im Aufzug und fuhr nach unten. Er verstaute die Pistole, dann die Handschuhe in seiner Jacke und nickte dem Wachmann, der gerade fassungslos auf den Bildschirm einer Kameraübertragung starrte freundlich zu. ~Du hast nichts gesehen. Die Kamera ist ausgefallen.~ , schickte er dem Mann zum Abschied und sah lächelnd, wie dieser sich entspannt zurücklehnte und ein Buch herausholte. Der Deutsche ging zu seinem Wagen, setzte sich hinein und zündete sich eine Zigarette an. Ich muss Nagi sehen , schoss es ihm durch den Kopf und er seufzte ärgerlich. Wenn er seinen Kleinen nicht bald zu sehen bekam, würde er seinen Job an den Nagel hängen müssen. Schuldig fuhr nach Hause und legte sich auf die Couch. Mit geschlossenen Augen beschwor er Nagis Geist, sich ihm endlich zu öffnen, doch er stieß erneut nur auf Widerstand. Dann hielt er es nicht länger aus und beschloss, zu ihm zu fahren. //4 Ken schloss gerade den Laden zu, als er einen Schatten um die Ecke zum Koneko biegen sah. Er zog eine Augenbraue hoch und warf Yoji einen Blick zu, der gerade mit Aya den Laden fegte. Bevor Ken registrierte, wer da um die Ecke kam, stand Schuldig bereits vor der Ladentür. „Verdammt.“, stieß Ken zwischen den Zähnen hervor und gleichzeitig sahen Aya und Ken auf. Nur Omi und Nagi bekamen nichts mit, denn sie räumten im Gewächshaus alles an seinen Platz und unterhielten sich seelenruhig über die Schule. Schuldig trat grinsend an die geschlossene Ladentür und klopfte an. „Sibirian. Mach schon auf.“ Ken hörte diese eindringliche Stimme auch in seinem Kopf und er konnte nicht anders, als die Tür zu öffnen. Aya und Yoji traten mit wütend zusammengezogener Stirn neben Ken und stellten sich Schuldig mit verschränkten Armen entgegen. „Was willst du, Schuldig?“, verlangte Aya zu wissen und spürte, dass seine Kopfschmerzen mit einem Mal wie weggeblasen waren. Yoji nickte und auch Ken reihte sich nach einem irritierten Kopfschütteln in die Reihe. „Ich will Nagi sehen.“, antwortete Schuldig und setzte sich auf einen der Bindetische. Aya schüttelte den Kopf. „Was soll das?“, wollte er wissen und Schuldig schüttelte tadelnd den Kopf. „Hm hm, Abyssinian, das geht dich gar nichts an. Ich will und ich werde ihn sehen. Also macht kein Theater.“ Aya knurrte leise. Nicht noch mehr wiedersprüchliche Gefühle, bat er sein Inneres, doch es hörte einfach nicht auf ihn. Da war er. Schuldig. Schuldig, der schon unzählige Male versucht hatte, ihn und seine Freunde ins Jenseits zu schicken. Schuldig, der mit seinen Gedanken gespielt hatte, wie eine Katze mit einem Knäuel Wolle. Aber eben auch Schuldig, der seine Schwester geweckt und sie zurück ins Leben geführt hatte. Dann traten Omi und Nagi ahnungslos in den Raum und beide blieben wie angewurzelt stehen. „Schu!“, rief Nagi dann sichtlich erfreut und lief zu seinem ehemaligen Teamkollegen. Omi, Ken, Yoji und Aya sahen dem Kleinen stirnrunzelnd zu. Schuldig ließ sich elegant von dem Tisch gleiten und beugte sich zu Nagi, um ihn zu umarmen. „Na Kleiner. Deine neuen Freunde wollten mich nicht zu dir lassen.“, meinte er mit einem breiten Grinsen und Nagi legte den Kopf schief. „Na, das ist ja auch kein Wunder.“, meinte er und grinste zurück. Dann sah er seine ‚neuen Freunde‘ der Reihe nach an. „Bitte, Schuldig wird nichts anstellen.“, bat er und alle sahen sich an. Dann zuckte Omi mit den Schultern. Ken und Yoji taten es ihm nach. Aya hingegen grummelte leise. „Wenn doch, wird es ihm leid tun.“, murrte er in Schuldigs Richtung, aber der ließ sich nicht beeindrucken. „Vergiss das Video nicht, Aya-kun.“, neckte er und traf damit genau Ayas verletzlichen Nerv. Trotzdem ließ Aya das nicht so auf sich sitzen. „Sprich mit Nagi, aber nenn mich nicht Aya.“, forderte er und Schuldig nahm diese Bedingung grinsend an. Nagi sah zu Aya, dann zu Boden. Jetzt hatte er jemanden, den er liebte und einen Freund, der ein Teil seines Lebens war. Und obwohl es Schwarz nicht mehr gab, lag zwischen eben diesen beiden noch immer so viel Feindseligkeit in der Luft. Nagi machte das traurig, aber er zog Schuldig trotzdem mit sich und die beiden verschwanden nach oben. //5 „Also…ähm…was machen wir jetzt?“, fragte Omi in die entstandene Stille. Niemand antwortete. Ken und Yoji warfen sich unbehagliche Blicke zu. Alle sahen ihren Anführer an, der noch immer mit verschränkten Armen da stand und inzwischen nach draußen in die beginnende Dunkelheit starrte. Aya sagte nichts. Aber er dachte viel. Kaum stand seine Beziehung zu Nagi auf etwas festerem Grund und Boden, da kam dieser…und mischte sich ein. Was würde er Nagi erzählen? Wieso war er überhaupt hier? Aya wünschte sich, er würde aufwachen, neben Nagi liegen und alles wäre nur ein Traum gewesen. „Aya?!“ Omi zupfte an Ayas Ärmel und schaute ihn mit verwirrt, irritiertem Blick an. Aya murmelte etwas und schaute dann zu Omi. „Was?!“, fuhr er ihn an und bereute seinen scharfen Ton sofort wieder. „Entschuldige.“, sagte er sofort, noch bevor Omi erschrocken zurückweichen konnte. Ken und Yoji tauschten noch einen von diesen vielsagenden Blicken und Omi trat von einem Fuß auf den anderen. „Wir machen gar nichts.“, beschloss Aya dann und erntete fragende Blicke. „Wir warten ab. Tut, was ihr wollt, ich geh auf mein Zimmer. Omi, hab ein Auge auf die beiden. Wenn sie aus eurem Zimmer kommen, hol mich.“, bat er den Jüngsten und Omi nickte lächelnd. Dann ging Aya langsam die Treppe hinauf und setzte sich auf sein Bett. „Oh man.“, brachte Ken dann heraus und Yoji und Omi nickten gleichzeitig. „An den hab ich ja gar nicht mehr gedacht.“, gab Yoji zu. Omi nickte. „Dabei war es klar, dass er irgendwann auftauchen würde, oder nicht?“, fragte er die beiden Älteren und die nickten. „Was er Nagi wohl zu erzählen hat…?“ Omi, Ken und Yoji setzten sich zusammen in die Küche. Omi hatte ein Ohr auf die Zimmertür. Während sie warteten, dass Nagi und Schuldig aus Omis Zimmer kamen, überlegten sie, was der Schwarz wohl wollte. Omi äußerte als Erster eine Vermutung. „Und wenn er Nagi zurückholen will?“, fragte er die anderen. Yoji und Ken tauschten einen Blick und zuckten beide mit den Schultern. „Das wäre eine schöne Scheiße.“, brachte Ken es dann auf den Punkt. Omi nickte. Yoji seufzte leise. Kaum stand diese Frage im Raum, stiegen in ihm all die Gedanken auf, die er gedacht hatte, seit Nagi bei ihnen aufgetaucht war. Sollte er nicht eigentlich fast froh sein, wenn der ehemalige Schwarz wieder aus ihrem Leben verschwand? Oder war er doch schon so sehr Freund geworden, dass es schade darum wäre? „Aber Nagi wird doch wohl nicht mitgehen? Nicht nach allem, was passiert ist! Oder?“ Omi sah seine beiden Freunde verzweifelt an. Aber die konnten ihm darauf keine Antwort geben. Und so konnten sie alle nur abwarten. //6 Aya legte sich zurück und legte seine Arme über die Augen. Für ihn war das, was Omi unten ausgesprochen hatte keine Vermutung. Aya war sich sicher, dass Schuldig hier war, um Nagi zurückzuholen. Um das zu zerstören, was er, Aya, sich gerade aufgebaut hatte. Aya hatte den Blick sehr wohl gesehen, den Schuldig ihm zugeworfen hatte. Der Schwarz mochte Aya nicht. Und dass er seine Schwester aufgeweckt hatte, war ein Gefallen für Nagi gewesen. Ja, Aya wusste, dass Schuldig ihn noch immer so verachtete, wie seit Urzeiten. Und daher wusste er auch, dass Schuldig den Gedanken, dass Nagi bei Aya sein wollte, kaum ertragen konnte. Er würde alles tun, um den Jungen wieder für sich zu gewinnen. Aya seufzte. Er wollte Nagi unter keinen Umständen verlieren. Es war nicht das, was er Liebe nennen würde. Aber er fühlte sich bei Nagi sicher und entspannt, wie sonst bei niemandem. Er verstand seine Welt, akzeptierte Aya so, wie er war und gab ihm Ruhe. Eine Ruhe, die Aya seinen Job und sein verwirrtes Leben vergessen ließ. Nein, Aya würde nicht zulassen, dass Nagi mit Schuldig ging. Nicht, wenn er es verhindern konnte. //7 Eine Dreiviertelstunde später hörte Omi plötzlich, wie sich oben eine Tür öffnete und jemand die Treppe heruntergerannt kam. Er steckte den Kopf aus der Küche und sah Nagi an sich vorbei stürmen. „Hey, Nagi!“, rief er, doch der reagierte nicht. Er lief durch den Nebenausgang und verschwand in der Dämmerung. Omi zog sich mit ärgerlich verkniffenem Gesicht wieder in die Küche zurück. „Das ist Schuldigs Schuld.“, sagte er kalt und bedeutete Ken und Yoji mit einem Blick, ihm nach oben zu folgen. Die hätten das auch unaufgefordert getan und gemeinsam gingen sie in den ersten Stock. Dort fanden sie Aya bereits auf dem Weg zu Nagis und Omis Zimmer. Die Tür stand noch offen. „Ich bringe ihn um…“, murmelte Aya und biss die Zähne zusammen. Omi, Ken und Yoji sahen sich kurz an, nickten sich zu und umringten Aya dann auf dessen Weg in Omis Zimmer. Schuldig saß auf der Fensterbank, lehnte lässig an der Scheibe und ließ die Beine baumeln. Ohne ein weiteres Wort steuerte Aya direkt auf den Deutschen zu und fasste ihn wütend am Kragen. „Was hast du ihm erzählt, Mistkerl?!“, verlangte er gepresst zu wissen, aber Schuldig grinste nur. Er sah kurz auf Ayas Hände an seinem Kragen, ließ sie aber dort. „Nur die Wahrheit.“, entgegnete er ruhig. Omi, Ken und Yoji bauten sich vor dem Schwarz auf. Omi verschränkte die Arme vor der Brust, um sich davon abzuhalten, etwas Ähnliches mit Schuldig zu tun, wie Aya. Ken und Yoji stemmten die Fäuste in die Hüften. Aya knurrte Schuldig an und brachte seine Augen direkt vor die des Deutschen. „Verarsch mich nicht.“, fauchte er. Schuldig zog eine Augenbraue hoch. Dann warf er sein rot-oranges Haar nach hinten und kicherte. „Lässt du dich verarschen?“, fragte er zurück und legte sacht seine Hände an Ayas. „Aya-kun…?“, setzte er dann nach und lächelte. Aya zuckte und drückte kurz fester zu, um Schuldig seinen Fehler spüren zu lassen. „Keine Spielchen.“, befahl er dann. ~Wer spielt denn hier?~ , hörte er dann Schuldigs Stimme in seinem Kopf und runzelte die Stirn. Schuldig lächelte noch immer. Und Aya gefiel dieses Lächeln nicht. Ken, Yoji und Omi verfolgten die Szene still, aber gebannt. Sie mussten nichts sagen, denn Aya nahm ihnen die Worte aus dem Mund. Er sprach ihnen aus der Seele. Also verhielten sie sich ruhig. Wag dich nicht in meinen Kopf., zischte Aya mental. Er hielt Schuldigs Blick stand. Und der Deutsche nahm seine Hände wieder von Ayas herunter. „Lass mich los und ich antworte dir gerne.“, bat er dann freundlich und grinste. Aya grummelte. Aber er ließ Schuldig los. Trotzdem behielt er ihn im Auge und trat auch nicht beiseite. Sollte Schuldig ruhig merken, dass Aya ihm nicht traute. „Also?!“ Schuldig nickte. „Ich habe Nagi gebeten, mit mir zu kommen. Wieder mit mir zu arbeiten. Wie früher.“, gestand der Deutsche sofort. Aya schnaubte verächtlich. Omi, Ken und Yoji tauschten nur einen betroffenen Blick. „Wieso hast du das getan?“, fragte Aya anklagend. Er wollte sich dagegen wehren, sich von Schuldigs kalter Aussage verletzen zu lassen. Aber er schaffte es nicht. Schuldig wusste, wie Aya für Nagi empfand. Und er wusste, dass Nagis Rückkehr zu Schwarz das Schlimmste war, was er Aya antun konnte. Schuldig schwieg einen Moment. Dann setzte er sich zurecht, schlug die Beine übereinander und sah Aya in die Augen. „Er gehört zu mir.“, befand er dann knapp und spürte innerlich leicht grinsend, wie er Abyssinian damit einen heftigen Schlag verpasste. Aya beherrschte sich, um Schuldig nicht ins Gesicht zu schlagen. Trotz allem hatte er noch das Bild seiner Schwester im Kopf, aufgeweckt von dem Mann, der ihm jetzt seinen Freund nehmen wollte. Er focht einen harten Kampf mit sich, aber dann siegte seine Professionalität. „Das werden wir sehen.“, sagte er lächelnd und spürte, wie ihm eine Last vom Herzen fiel. Er wusste plötzlich, dass niemand, weder er, noch Schuldig, Nagi auf seine Seite ziehen konnte. Nagi allein war es, der die Entscheidung traf. Und weder Aya, noch Schuldig konnten etwas an ihr ändern, wenn sie erstmal gefallen war. Aya grinste. Er wusste, dass Schuldig ihn härter hatte treffen wollen. Aber der Deutsche grinste nur zurück. ~Du hast es erfasst.~ , lobte er lächelnd in Ayas Kopf und der Weiß-Leader konnte nicht umhin, zu lächeln. Omi runzelte die Stirn. Es war still. Und er ahnte, dass das daran lag, dass Schuldig mit Aya sprach, ohne zu sprechen. „So einen Scheiß braucht ihr hier nicht abziehen.“, sagte er daher und trat empört neben den Rotschopf. Aya sah Omi an und runzelte kurz fragend die Stirn. Dann konnte er nicht anders, als Omi anzugrinsen. Hatte der Kleine es also bemerkt. Unglaublich, was Omi alles mitbekam. Yojis und Kens Blicke zeigten deutlich, dass sie nicht daran dachten, dass Schuldig telepathisch mit Aya Zwiegespräch hielt. „Du hast Recht.“, sagte Aya und nickte Schuldig zu. „Es ist Nagis Entscheidung. Er wird sie treffen. Für uns, oder für dich.“ Schuldig nickte. Yoji und Ken seufzten wieder einmal gleichzeitig und grinsten sich dann an. „Ich mag dich nicht. Aber das hat nichts zu bedeuten.“, fuhr Aya fort und seufzte. Er hasste Zugeständnisse, aber hier war eins fällig, egal, was für ein Arschloch Schuldig sein mochte. „Danke, dass du das für meine Schwester getan hast.“, brachte er dann zwischen den Zähnen heraus und sah Schuldig fest in die Augen. Der Ältere nickte. Und er verkniff sich ein wohlgefälliges Grinsen. „Nagi hatte mich darum gebeten.“, sagte er nur und machte somit unmissverständlich klar, wem er den Gefallen eigentlich getan hatte. „Schon gut, das spielt keine Rolle.“, schloss Aya. Dann setzte er sich auf Omis Bett. „Was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Omi und deutete mit einer flachsigen Handbewegung auf Schuldig. Der lachte auf und ließ sich von der Fensterbank gleiten. „Ihr macht gar nichts mit mir.“, kicherte er fröhlich, bevor einer der anderen Weiß antworten konnte. „Ich gehe und warte auf Nagi.“, entschied er und trat an den vier Jungs vorbei, die ihn alle ansahen. Alle sahen dann Aya an. Aber der zuckte nur die Schultern. „Schon gut. Lassen wir ihn gehen. ~Als ob ihr mich aufhalten könntet…~ , schmunzelte der Deutsche in Ayas Kopf und grinste ihm zu. Sicher könnten wir… , gab Aya zurück und schenkte Schuldig ein ärgerliches Schnauben. Omi sah zwischen den beiden hin und her und verdrehte dann genervt die Augen. „Hört auf, euch hinter unserem Rücken zu unterhalten, klar?“, forderte er und Ken und Yoji begriffen endlich auch. „Man Aya, das brauchen wir jetzt nicht auch noch.“, meinte Ken und Yoji nickte. Aya seufzte. Er stand auf, trat zu Schuldig und sah ihm noch mal in die Augen. Der Deutsche zwinkerte Aya zu und hinterließ ein irritiertes Stirnrunzeln auf dessen Gesicht. „Macht’s gut, ihr Süßen. Wir sehen uns wieder.“, verabschiedete er sich und hob die Hand für einen kurzen Gruß. Dann verschwand er über den Flur. Aya, Omi, Ken und Yoji blieben zurück und schwiegen sich ein paar Augenblicke an. Jeder machte sich so seine Gedanken. Omi machte sich Sorgen. Er kannte Nagi inzwischen gut und wusste, dass dessen Entscheidung für Weiß mit Schuldigs Auftritt mit Sicherheit ins Wanken geriet. Er liebte Schuldig beinahe wie einen Bruder und es würde ihm schwer fallen, ihn hinter sich zu lassen. Ken missfiel Ayas Art, mit Schuldig zu sprechen. Ihm missfiel Schuldigs Überheblichkeit. Und er machte sich auch Sorgen, ob Nagi sie verlassen würde. Ken war sich bewusst, dass eine harte Entscheidung vor der Tür stand. Yoji dachte nicht allzu sehr an Nagi. Viel mehr störte ihn, dass Schuldig es gewagt hatte, hierher zu kommen. So dreist, als wäre er zu Besuch bei guten Freunden. Schon immer hatte ihn das an allen Mitgliedern von Schwarz gestört. Und jetzt? Würde Schuldigs Selbstsicherheit Nagi wieder von ihnen reißen? Aya dachte an Nagi. Und er war der Einzige, der daran dachte, dass der weggelaufen war, jetzt irgendwo herumirrte und diese Last auf sich trug. Aya wusste, wenn er sich gefasst hatte, würde er losziehen und Nagi suchen. Und er würde sich dazu zwingen, ihm zu sagen, dass er die Entscheidung treffen sollte. Ohne sich unter Druck gesetzt zu fühlen. Aya wusste nicht, ob er die Kraft dazu hatte, ob er es wirklich wollte. Aber er beschloss, es zu versuchen. „Ich geh Nagi suchen.“, warf Aya dann nach einer Minute in die entstandene Stille. Alle drei nickten ihm zu. Omi bot an, mitzukommen, aber Aya lehnte lächelnd ab. Und Omi nahm es ihm nicht übel. War ja eigentlich klar, dass der Anführer das allein tun wollte. Aya nickte Ken und Yoji zu, dann verließ auch er das Haus und machte sich auf die Suche nach Nagi. Ken, Yoji und Omi tapsten bedrückt die Treppen wieder hinunter und setzten sich in die Küche. Omi machte Tee und schweigend tranken die drei. Ihre Gedanken blieben einträchtig bei Nagi und Schuldig. Omi hielt seine Tasse mit beiden Händen umklammert und schluckte hart. Er fühlte sich den Tränen nahe. Er hatte Aya so gern. Wenn Nagi ihn jetzt verließ, da war Omi sich sicher, würde Aya für immer der Eisblock bleiben, der er gewesen war. Er kaute aufgeregt auf seiner Unterlippe herum und starrte auf den dampfenden Tee. Ken sah zu Yoji. Er war dankbar, dass sein Freund an seiner Seite saß. In letzter Zeit hatte er das Gefühl, dass sich durch Nagi bei Weiß etwas geändert hatte. Irgendwie schienen Nagi, Omi und Aya eine kleine Gruppe für sich zu bilden. Ken und Yoji blieben außen vor. Nein, Ken war deswegen nicht sauer, nicht einmal beunruhigt. Er war nur froh, dass er wenigstens Yoji sicher wie eh und je an seiner Seite wusste. //8 Aya stand unschlüssig vor dem Koneko. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah die Straße hinauf und hinunter. Er wollte Nagi suchen, aber er hatte überhaupt keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Sollte er nach links gehen, oder nach rechts? Wo würde Nagi hingehen, um allein zu sein und nachzudenken? ~Links~ , erklang dann plötzlich eine wohlbekannte, tiefe Stimme in Ayas Kopf. Dann ein Kichern. Aya griff sich an die Schläfe und verzog das Gesicht. Nicht jetzt. Gott, das konnte er jetzt nicht auch noch gebrauchen. Er schloss die Augen. Wenn ich dir folge, lande ich eher in der Hölle, als bei Nagi. , gab Aya dann zurück und runzelte wütend die Stirn. Er sah sich um, aber der Deutsche war nirgends zu sehen, was Aya nicht überraschte. Wie konnte der Schwarz es wagen, ihn führen zu wollen, wo er es doch war, der Nagi erst zum Weglaufen gebracht hatte? ~Dass er weggelaufen ist, war allein seine Entscheidung.~ , nahm Schuldig Ayas unbewussten Gedanken auf und schickte gleich ein freches Grinsen mit. Aya schnaubte. Dann wandte er sich nach links. Er zögerte, doch dann ging er die Straße entlang. ~Da vorne rechts um die Ecke…~ Aya schickte Schuldig keine Antwort. Nein, er musste nicht auch noch mit ihm reden. Stattdessen bog er an der angewiesenen Stelle rechts ab und sah einen kleinen Park, der vor ihm lag. ~Durch den Park.~ Schnaubend folgte Aya Schuldigs Anweisungen und durchquerte zuerst den Park, bog dann noch einmal links ab und stand dann in einer schmalen Gasse. ~Das zweite Haus steht leer. Auf der rechten Seite.~ Schuldigs Stimme wurde leiser. Klang nicht mehr überheblich. Aya hatte das Gefühl, das vielleicht sogar ein Quentchen Sorge darin mitschwang. ~Natürlich sorge ich mich um ihn, Abyssinian. Er ist mein Freund.~ Aya gab ein ungläubiges Zischeln von sich, dann betrat er das Haus, das Schuldig ihm geziegt hatte. Die Tür war mit Brettern vernagelt, ließ sich aber mühelos öffnen. Der Hausflur war dämmrig, da auch die Fenster von außen mit Brettern verschlossen worden waren. Nur durch einige Schlitze drang Licht herein. Aya sah sich einer Treppe gegenüber und ging sie hinauf, ohne zu Zögern. Er hörte Schuldigs Stimme nicht mehr, spürte aber seine Präsenz. Er wusste nicht, ob er ihm weiterhin den Weg zeigte, oder ob sein eigener Instinkt ihn führte. So oder so war er froh, die Stimme des Schwarz nicht mehr hören zu müssen. Aya fand Nagi im zweiten Stock. Er saß auf dem Flur, der Treppe direkt gegenüber und sah Aya bereits entgegen, als dieser die letzten Stufen erklomm. Er lächelte schwach, als Aya sich vor ihn hockte und ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Hey…“, sagte Aya leise und Nagi lächelte still. Der Rotschopf setzte sich und sah Nagi fragend in die Augen. Doch der Jüngere wich Ayas Blick aus. „Ich will das nicht.“, stellte er knapp fest und Aya sah zu Boden. Oh ja, wie wahr. Er wollte das genauso wenig. „Ich will mich nicht zwischen euch entscheiden.“, sagte Nagi und Aya hörte, dass seine Stimme zitterte. Vielleicht würde er weinen. Doch als Aya seinen Blick wieder hob und Nagi ansah, stellte er erschrocken fest, dass in dessen Augen nicht Tränen, sondern Wut funkelte. Nagi ballte seine Rechte zur Faust und schlug mit ganzer Kraft auf den Boden. Aya zuckte zusammen. „Ich will das nicht!“, sagte Nagi dann lauter und sah Aya fest an. Seine Augenbraue zuckte und die offenstehende Tür neben ihnen flog mit einem ohrenbetäubenden Knall zu. Aya sah das Holz splittern. Er griff nach Nagis Hand, doch der zog seine weg und schlug erneut auf den Boden. „Und ich werde es nicht!“, rief er dann, starrte Aya fest in die Augen und ließ mit einem weiteren Schlag seiner Hand sämtliche Türen auf dem Flur zuknallen. Aya zuckte zusammen und hob schützend seine Arme über seinen Kopf, als einige Holzsplitter um ihn herum stoben. „Hör auf damit, Nagi!“, bat er eindringlich und sah den Jungen entgeistert an. Doch Nagi schnaubte nur wütend und stand schwankend auf. Er hob eine Hand, drehte die Handfläche nach oben und Aya sah mit einem unguten Gefühl im Bauch zu, wie sich das Holz, das sich von den Türen gelöst hatte, in die Luft erhob. „Nagi…“, konnte er gerade noch flüstern, als der ehemalige Schwarz seine Hand mit einer raschen Drehung umdrehte und die Holzsplitter an ihm und Aya vorbei und mit einem reißenden Knallen gegen die Wand geschleudert wurden. Aya keuchte erschrocken auf. Nagis Blick ging durch ihn hindurch. Er starrte zu den Fenster, durch das kaum Licht drang. „Niemand…“, sagte er und Aya hörte, wie mühsam die Worte über seine Lippen kamen. „Niemand hat das Recht…“, begann er nochmal und atmete schwer. Seine Haare bewegten sich, als ob ein leichter Wind durch den Flur strich. Doch Aya wusste, das es hier drinnen windstill war. „NIEMAND HAT DAS RECHT, VON MIR SOWAS ZU VERLANGEN!!!“, schrie Nagi dann, außer sich vor Zorn und stieß seine Hand vor, in Richtung des Fensters. Das Holz zerbarst mit einem Knirschen und Krachen und Aya wich keuchend zwei Schritte zurück. Nagi ballte die Hände wieder zu Fäusten, dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort von Aya ab, rannte den Flur entlang und sprang mit einem weiten Satz aus dem Fenster. Aya stand da, ungläubig und fassungslos. Er spürte sein Herz, wie es raste und wurde sich der Angst bewusst, die er vor Nagi gehabt hatte. Ja, einen Augenblick lang hatte er geglaubt, der Junge würde ihn einfach nehmen und ihn durch die nächste Wand schleudern. Doch stattdessen war er verschwunden. Aus dem Fenster. Aya riss sich mit einem leisen Aufschrei aus seiner Erstarrung, rannte zum Fenster und beugte sich hinaus. Doch der Hinterhof, den er sah, war leer. Nur einige Bretter, die von Nagis Attacke hinausgeschleudert worden waren, lagen zwei Stockwerke tiefer auf dem Betonboden. Aya starrte hinunter. Er konnte sehen, dass das Gras, das auf dem lange unberührten Fleck zwischen Ritzen im Beton wucherte, an einigen Stellen platt war. Zertreten. „Nagi!“, rief Aya dann in einem Anflug von Verzweiflung und Hilflosigkeit in die Stille, doch er bekam keine Antwort. Durch das nun offene Fenster drang lediglich eine leichte Brise und ließ Ayas Haare flattern. Nagi. Kapitel 13: -Dreizehn- ---------------------- //1 Fünf Minuten später spürte Aya plötzlich etwas Nasses, Kaltes auf seiner Wange. Er hob den Blick und stellte fest, dass es begonnen hatte, zu schneien. Die Flocken fielen noch recht spärlich, aber der Himmel war grau und hing voller dicker Wolken. Sicher würde es die Nacht hindurch schneien. Aya stellte erstaunt fest, dass es bereits dunkel geworden war. Wo war er nur mit seinen Gedanken? Er lächelte leicht, doch sein Blick ging ziellos in die Ferne. Nagi. Aya wandte sich vom Fenster ab und lief die Treppe wiedern hinunter. Er konnte kaum noch etwas sehen und musste aufpassen, nicht zu stolpern, was ihm schwer fiel. Seine Gedanken waren nicht hier. Nicht bei dieser Treppe. Sie waren draußen, irrten umher, spähten in Winkel und Ecken und suchten. Nagi. Als Aya das leerstehende Haus verließ, traf er draußen auf eine Gruppe Jugendlicher. Sie standen vor dem Haus, starrten hinauf und rissen ihre Blicke gemeinschaftlich zu Aya, als er rumpelnd und knarrend die Tür aufstieß, die ihn wieder ins Frei führte. „Man, was geht denn da drin ab?“, rief ein großgewachsener Blonder Aya zu, der ihm einen scharfen Blick zuwarf. Er antwortete nicht, sondern ließ die vier verdutzten Teenager einfach stehen. Sollten sie doch selbst nachsehen. Wen kümmerte das? Sie sahen dem Rothaarigen, merkwürdigen Typen nach und verschwanden dann nacheinander in dem leerstehenden Haus. Aya rannte zum Koneko zurück und lief über den Hinterhof direkt in die Küche. Sicher warteten sie alle auf ihn. Sicher wollten sie alle wissen, ob er Nagi gefunden hatte. Sicher würden sie Fragen stellen. Aber als Aya die Küchentür aufstieß und Omi, Ken und Yoji schweigend am Küchentisch sitzen sah, wollte er vor allem eines: getröstet werden. Er gestand es sich nicht ein, aber der dicke Kloß in seinem Hals, das zittrige Gefühl in seinen Knien und vor allem das leichte, aber stete Brennen in seinen Augen sprachen für sich. Omi war es, natürlich, der sich als erstes erhob und zu seinem Freund trat. Aya sah Omi entgegen und lächelte. Omi schüttelte den Kopf und schaute traurig. „Hast du ihn nicht gefunden?“, fragte er leise und nahm Ayas Hand. Die plötzliche Wärme um seine eiskalten Finger ließ Aya aufmerken. Er betrachtete seine Hand, von Omis Händen umfangen und liebevoll gedrückt. Dann entzog er dem Jungen die seine und schüttelte den Kopf. Er ließ sich auf einen freien Stuhl fallen und schlug für einen Augenblick die Hände vor die Augen. Omi hielt inne, als Aya ihm seine Hand entzog, doch so schnell gab er nicht auf. Er trat neben den Rotschopf und lächelte warmherzig. Irgendjemand musste ihm ja schließlich zeigen, dass er trotz allem nicht allein war. Und so beugte Omi sich vor und legte Aya seine Arme um den Hals, um ihn fest zu drücken. Aya gab ein irritiertes Grunzen von sich. Das Gefühl erschien so fremd. Er war so aufgewühlt, innen drin. Und dann kam von außen etwas und wollte ihm Ruhe und Kraft geben? Die beiden wiedersprüchlichen Gefühle rangen miteinander und Omi bekam es zu spüren. Aya wehrte sich einen Augenblick lang gegen die Umarmung, wollte Omis Arme abstreifen, ja sogar aufstehen. Doch der jüngste Weiß ließ nicht locker. Er hielt Aya fest und schloss die Augen – bis Ayas Wehrhaftigkeit nachließ und er sich schließlich in sein Schicksal fügte. Er ließ sich von Omi umarmen und schließlich, als das warme, herzliche Gefühl von außen nach innen gedrungen war, legte Aya – nur für einen Augenblick – seinen Kopf dankbar an Omis Schulter und seufzte tief. Es war ein offenes, wehrloses und verletztliches Seufzen, das selbst Ken und Yoji aufhorchen ließ. So klang ihr Leader sonst definitiv nicht. Ken warf Yoji einen fragenden Blick zu, doch der hob nur ahnungslos die Schultern. Omi ließ Aya wieder los und lächelte ihn an. „Wir werden ihn schon finden.“, versuchte er, seinen Freund aufzumuntern, doch Aya konnte nur ungläubig schnauben. Er war in diesem Moment der Einzige, der daran dachte, dass Nagi schon einmal weggelaufen war. Und er war der einzige, der daran dachte, dass er bereits einmal versucht hatte, ihn zu finden. Damals. Lächelnd schloss Aya die Augen und atmete tief durch. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das werden wir nicht.“, sagte er einfach und sah Omi dann an. Der Junge war noch immer so furchtbar naiv. Was glaubte er denn? Das Nagi zum Trotz weggelaufen war, damit man ihn suchte? Dass er Aya und Schuldig testen wollte? Vielleicht sehen wollte, wer von ihnen ihm nachkam, um sich leichter entscheiden zu können. Aya schüttelte resignierend den Kopf. Omi wollte gerade etwas entgegnen, als Aya sich erhob und den Stuhl an den Tisch schob. „Solange er nicht will, dass wir ihn finden, werden wir das auch nicht.“, meinte er und Omi schaute entgeistert. Was waren das für Töne? Er hob die Hände, wollte widersprechen, doch Aya verließ ohne ein weiteres Wort die Küche. //2 „Man!“, brachte Omi schließlich heraus und sah verzweifelt zu Ken und Yoji, die beide in ihren eigenen Gedanken zu hängen schienen. „Jetzt sagt doch mal was!“, bat Omi mit zitternder Stimme und riss Ken aus seinen Träumen. „Hm?“, machte der allerdings nur und brachte nun Omi dazu, zu schnauben. Er konnte es nicht glauben. „Ist euch das eigentlich völlig scheiß egal!?“, rief er wütend und als er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, erwachte auch Yoji. Himmel, was war mit ihrem Jüngsten los? Ken machte Anstalten, aufzustehen doch Omi machte kopfschüttelnd einen Schritt rückwärts. „Es ist dunkel, es ist kalt und Nagi hat nichtmal seine Jacke an!“, rief er und spürte, dass er gleich anfangen würde, um seinen verlorenen Freund zu weinen. Doch vorher warf er Ken und Yoji noch einen ungläubigen Blick zu, der beide auf ihren Stühlen hielt. „Ihr seid unmöglich!“, fauchte er und wirbelte dann auf dem Absatz herum, um Aya nachzulaufen, ihn noch einmal in den Arm zu nehmen und ihn dann zu überreden, Nagi suchen zu gehen. Sie konnten ihn doch nicht einfach in der Winterkälter draußen herumirren lassen. //3 Als Omi an Ayas Zimmertür klopfte, hörte er ein wissendes ‚Ja‘, das allerdings alles andere als einladend klang. Omi trat trotzdem ein und sah Aya an seinem Schreibtisch sitzen. Sein Computer war eingeschaltet und das Licht des Monitors tauchte das ansonsten dunkle Zimmer in tiefe Schatten. „Hey.“, sagte Omi nur, schloss die Tür und lief zu Aya hinüber. Er saß in seinem Schreibtischstuhl, die Hände über der Tastatur schwebend und den Blick star auf den Bildschirm gerichtet. „Was machst du?“, fragte Omi leise, während er betrachtete, was über Ayas Bildschirm lief. Fragend hob er eine Augenbraue, dann gab er ein überraschtes Murmeln von sich. Auf Ayas Bildschirm stand und flackerte leicht, das letzte Gespräch, das der Weiß vor Wochen als Access Ghost mit Nagi geführt hatte. Omi lächelte ein wenig und legte Aya seine Hand auf die Schulter. Doch der Weiß-Leader wischte sie weg und schüttelte leicht den Kopf. Omi senkte den Blick und behielt seine Hände, wo sie waren. Dann sah auch er wieder auf den Bildschirm und musste lächeln, als er die lange nicht mehr bedachten Worte las, die eigentlich ja erst zu all dem hier geführt hatten. //record file_04a //start connection_10:00 10:00 «ja ich bins» 10:01 «net-café...ich bin weggelaufen...» 10:02 «kanns nicht erzählen...hilfst du mir noch?» «du bist in der stadt oder?» 10:04 «was kannst du tun?» 10:06 «danke» 10:08 «weiß nicht...» 10:09 «ich bin mir nicht sicher ob du recht hast» 10:10 «wer bist du??» «eben...» <überleg es dir, es ist mir ernst> «danke...ich denk drüber nach» 10:14 10:17 «solange es eben braucht» «ja» 10:23 «ich weiß» 10:29 «ich weiß nicht» //end of record //disconnection by foreign user_10:30 Omi schmunzelte und fühlte sich merkwürdig berührt von den wenigen Zeilen. Ihm fiel auf, dass es immer Nagi gewesen war, der mit einer Antwort gezögert hatte. Nie Aya. Und was sagte allein diese Tatsache über Ayas Absichten aus, noch bevor der junge Schwarz sie überhaupt zum ersten Mal getroffen hatte? Omi dachte an sein erstes Gespräch mit Aya über Nagi. Wie viele Gedanken waren dafür draufgegangen, wie viele Sorgen, wie viele Zweifel. „Omi, ich weiß, dass er nicht zurückkommt.“, sagte Aya plötzlich in die Stille und Omi hörte den traurigen Unterton, obwohl Aya offensichtlich versuchte, ihn zu verbergen. Omi lächelte und setzte sich auf den Schreibtisch, das Gesicht zu Aya gewandt. Er ließ die Beine baumeln und fühlte sich merkwürdig unangenehm berührt. Vor seinem Bildschirm schienen die Augen des Rothaarigen noch tiefer zu liegen, schien sein Gesicht schmal und ausgemergelt. „Das kann ich nicht glauben.“, antwortete Omi sanft und schüttelte den Kopf. „Er liebt dich, Aya.“, setzte er hinzu, aber er schaffte es nicht, damit das Lächeln auf Ayas Lippen zu zaubern, dass er so gern hatte sehen wollen. Aya schüttelte nur leicht den Kopf und ließ den PC herunterfahren. „Das spielt keine Rolle.“, entgegnete er schwach und knipste die Schreibtischlampe an, damit sie nicht ganz im Dunklen saßen, wenn der Computer heruntergefahren war. Die dunkle Gewissheit, die sich um seine Gefühle gelegt hatte, machte ihm schwer zu schaffen. Er lauschte dem leisen Surren des PCs und schloss die Augen. „Was soll das bedeuten?“, fragte Omi mit gerunzelter Stirn. Er war verwirrt. Aya sprach in Rätseln und er verhielt sich, nun ja, beinahe wieder wie früher, nicht wahr? Wo war das aufgetaute Eis? Wo das leichte Lächeln? War er wieder ganz und gar eingefroren in den Minuten, die er in der Kälte des Dezemberabends verbracht hatte? „Wir haben ihn vor eine Wahl gestellt, die Nagi nicht bereit ist, zu treffen.“, sprach Aya schließlich, öffnete seine Augen und sah zu Omi hinauf. Der Weiß-Leader lächelte ein wenig, als er sah, wie die Erkenntnis durch Omis Gesichtszüge rieselte und sich langsam zu setzen schien. Omi keuchte leise und schüttelte dann schwach den Kopf. „Er hat sich gegen euch beide entschieden.“, japste er ungläubig. Aya schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat sich gar nicht entschieden. Und das wird er auch nicht. Ihn vor die Wahl zu stellen-das war mein Fehler.“, sagte er leise und senkte den Blick. Omi sah Aya an, wie schwer es ihm fiel, so etwas zu sagen. Aber ihm fehlten die liebevollen Worte, um seinen Freund wieder aufzubauen. Was er zu hören bekam ließ nicht gerade viel Spielraum für positives Denken. „Unser Fehler.“, berichtigte Aya sich selbst und sah Omi lächelnd an. „Schuldig und ich-wir haben denselben Fehler gemacht.“, sagte er schließlich und stand dann auf. Er trat an sein Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Wir sind beide davon ausgegangen, er würde den einen für den anderen zurücklassen. Es schneite in dichten, großen Flocken und Aya sah, dass bereits alles mit einer feinen, weißen Schicht bedeckt war. Nagi musste frieren. Er dachte an das wütende Gesicht im Flur des leerstehenden Hauses. An das erbarmungslose Funkeln in Nagis Augen. An die Wut, die sich Bahn gebrochen hatte in einer Welle sinnloser Gewalt. Nagi war so enttäuscht gewesen. „Welch Ironie des Schicksals.“, flüsterte Aya tonlos und merkte nicht, dass Omi zu ihm trat und einen Arm um seine Hüfte legte. Erst, als Omi seinen Kopf an Ayas Brust legte, spürte der Weiß es. Er sah zu Omi hinunter und lächelte. Dann legte er seine Arme um Omi und gab dem Jungen die Umarmung, die er gerade so dringend zu brauchen schien. Doch Omis Erwiderung erreichte Aya nicht. „Ich kann nichts tun.“, sagte Aya nach einer kleinen Weile und schloss die Augen. Omi drückte ihn an sich und schüttelte den Kopf. Er wollte es einfach nicht glauben, das wusste Aya. Selbst, wenn alles offensichtlich war, würde Omi noch darauf beharren, dass alles gut werden würde. Wie liebenswert. „Das stimmt nicht.“, sagte Omi, Ayas Erwartung entsprechend und sah dann zu seinem Freund hoch, der wieder stur aus dem Fenster starrte. Aya lachte bitter und schüttelte den Kopf. Doch bevor er etwas Verneinendes entgegnen konnte, hatte Omi sich von ihm gelöst, sah ihm fest ins Gesicht und ballte die Fäuste. „Natürlich kannst du etwas tun! Du kannst Schuldig rufen, verdammt!“, rief er, griff Ayas Hände und schüttelte sie. Aya sah zu Omi und hob eine Augenbraue. Dann lachte er leise. Omi erschrak vor dem bitteren Ton in Ayas Lachen und ließ ihn los. Nein, das war nicht mehr der Aya der letzten Tage. Das war der Aya, wie Omi ihn kennengelernt hatte. Kalt und abgeschlossen und nicht bereit, jemanden hineinzulassen. Warum nur musste das so kommen? „Ich soll Schuldig rufen?“, fragte Aya leise und schlug plötzlich, ohne Vorwarnung, mit der Faust gegen die Wand neben dem Fenster. Er verbiss schmerzlich das Gesicht und Omi biss sich vor Schreck auf die Lippe. Er griff nach Ayas Hand, doch der Weiß entzog sie ihm und starrte ihn wütend an. Nein, verzweifelt, berichtigte Omi sich, als er das schwache Funkeln in Ayas Augen wahrnahm. „Du wirst es kaum glauben, aber genau das habe ich bereits versucht. Der Mistkerl antwortet mir nicht.“, stieß Aya gepresst heraus und ließ dann seine Stirn gegen die Fensterscheibe fallen. Omi verharrte fassungslos. Doch er gab nicht auf. Wie immer. Erneut trat er neben seinen Freund und nahm ihn in die Arme. Und Aya sträubte sich nicht einmal mehr. „Vielleicht spricht er mit Nagi.“, vermutete Omi leise und bekam von Aya ein sarkastisches Schnauben zur Antwort. „Oh ja, das tut er sogar ganz sicher.“, gab Aya zurück und sein Mund verzog sich zu einem müden, verbitterten Grinsen. „Das tut er ganz sicher.“, wiederholte er und Omi sah zu Boden. Ja, was, wenn Schuldig wirklich mit Nagi sprach, so wie Aya es vermutete? Wenn er ihn beredete, überredete, überzeugte? ~Aya! Lauf!~ Aya riss die Augen auf und stolperte einen Schritt rückwärts. Omi sah seinen Freund erschrocken und fragend an. Aya starrte aus großen Augen in die Leere und ballte seine Hände zu Fäusten. „Was?!“, rief er atemlos aus und riss dann eine Hand an seine Schläfe. Omis Mund klappte auf und er griff nach Aya. Der atmete plötzlich hastig und presste seine Hand gegen seinen Kopf. ~Lauf!~ Was sollte das auf einmal? Omi bekam Ayas Arm zu fassen und griff danach. Aya keuchte und taumelte noch einen Schritt rückwärts. Er kniff die Augen zusammen. Dann wurde er von einer Flut von Bildern, die in seinem Kopf auftauchten, zu Boden gerungen. Schwer atmend kniete er vor Omi, der schockiert und hilflos dastand und nicht wusste, wie ihm geschah. Was war mit Aya los? Er kniete auf dem Boden, die Hände scheinbar schmerzhaft an seinen Schläfen verkrallt. Omi konnte hören, wie Ayas Zähne knirschten, als er verbissen versuchte, sich aufzurichten. „Was…“, bekam Omi tonlos heraus. Doch Aya reagierte nicht. ~LAUF!!!~ hörte er dann in seinem Kopf, so laut, so eindringlich, so voller Panik, dass es ihm den Atem verschlug. Er keuchte und krümmte sich zusammen. Dann plötzlich herrschte Stille. Omi, der nicht sah, was Aya zu sehen bekam, musste fassungslos zusehen, wie Aya schwankend auf die Füße kam, sich halb herumdrehte und zunächst taumelnd, dann plötzlich wieder mit sicherem Schritt aus dem Zimmer stürmte. Omi sah ihm nach, bis er aus der Tür war, dann riss er sich aus seiner Erstarrung und rannte dem Weiß nach. „Aya! Warte!“, schrie er ihm hinterher, doch Aya rannte den Flur entlang und die Treppe hinunter. Omi lief ihm nach. Natürlich. Aya rannte so schnell, dass Omi kaum hinterher kam. Was war los mit ihm? „Aya!“, rief Omi noch einmal atemlos, dann sparte er sich den sinnlosen Atem und folgte Aya, die Treppe hinunter, an der Küche vorbei und hinaus auf den Hinterhof. Aya rannte, er sah sich nicht um, er sah auch nicht auf seinen Weg. Er folgte den Bildern in seinem Kopf. Sein Blick war star geradeaus gerichtet, doch er sah die Straße nicht. Er spürte den Schnee nicht, der sich eiskalt auf sein Gesicht legte. Omi keuchte und trieb, wie Aya, weiße Atemwolken in die Nachtluft. Wohin liefen sie? //4 Aya rannte die Straße entlang, bog um Ecken, so schnell, das Omi nicht mehr wusste, wo sie waren, als Aya nach vielleicht fünfzehn Minuten plötzlich mitten auf der Straße stehenblieb. Omi lief beinahe in seinen Freund hinein, der mit halb erhobenen Händen auf der Straße stand und in den Himmel starrte. „Aya.“, stieß Omi atemlos aus, doch er bekam noch immer keine Antwort. Er streckte gerade die Hand nach Aya aus, als dieser sich nach rechts wandte und Omi mit einem harten Ruck von der Straße zog. Omi quiekte erschrocken auf. Keine Sekunde später brauste das Auto an ihnen vorbei und ließ sie in einem feinen Schneestaubnebel stehen. Omi keuchte und starrte fassungslos auf die Stelle, an der sie vor einem Augenblick noch gestanden hatten. „Vorsicht.“, keuchte Aya, ebenso atemlos, wie Omi, dann rannte er plötzlich wieder los. Omi, der verwirrt und hilflos den Kopf schüttelte, raffte sich mit einem leisen Stöhnen wieder auf und sprintete hinterher. Durch seinen Kopf schossen tausend Gedanken, durch Ayas nur einer. Nagi. //5 Schuldig rannte. Er rannte schneller, als Aya aber er hatte es längst nicht so weit. Jedenfalls nicht zu seinem vorläufigen Ziel. Sein Wagen stand zwei Straßen entfernt und er sprang mit einem geschmeidigen Satz hinter das Steuer. Während er den Motor startete, beschwor er noch einmal Nagis Präsenz hervor, doch wie schon Minuten vorher, konnte er ihn nicht mehr spüren. Er hoffte, dass er noch dort sein würde, wo er ihn zuletzt wahrgenommen hatte. Dort, wohin er Abyssinian geschickt hatte mit all der Panik, zu der der sonst so kühle Schwarz fähig war. Schuldig fuhr mit rutschenden Reifen und verfluchte den Schnee. Warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht den ganzen verdammten Winter, warum ausgerechnet heute? Zähneknirschend verlangsamte er das Tempo leidlich und musste heftig gegenlenken, als er in einer Kurve kurz die Kontrolle über den Wagen verlor. Als die Reifen wieder griffen, schaltete Schuldig einen Gang höher. Gott, er würde mindestens eine Viertelstunde fahren müssen. Hoffentlich war Abyssinian schon da. Hoffentlich hatte er Nagi gefunden. Nochmals streckte der Deutsche seine stillen Finger nach Nagi aus, doch der Kontakt zu dem Jungen blieb neblig und unerreichbar. Schuldig keuchte auf, als direkt vor ihm die Ampel auf rot schaltete. Er wusste, er würde nicht mehr bremsen können, ohne in die nächste Hauswand zu krachen und so zog er durch. Er hinterließ ein kleines Chaos auf der Kreuzung, aber er warf nicht einmal einen Blick zurück. Er hatte andere Sorgen. Der Schnee wirbelte gegen die Frontscheibe und die Scheibenwischer kamen dem Treiben kaum nach. Schuldig musste sich vorbeugen, um die Straße erkennen zu können und er nahm etwas Gas weg. Während er angespannt und mit höllischen Kopfschmerzen von der Anstrengung die nächtlichen Straßen entlangbrauste, schickte er Aya noch einmal das letzte Bild, dass er von Nagi hatte empfangen können. //6 Aya hielt inne, sackte zu Boden und riss die Hände an den Kopf. Da war es wieder, das Bild. Es grub sich mit seinen Zähnen in sein Hirn, klammerte sich dort fest und nagte ein Loch hinein. Es hinterließ bunte Punkte auf den Innenseiten von Ayas Lidern und hielt ihn am Boden. Bis es plötzlich wieder verschwand. Keuchend presste Aya seine Handflächen gegen seine Schläfen. Omi erreichte ihn und kniete sich neben ihn, als Aya gerade versuchte, wieder aufzustehen. Der junge Weiß nahm Ayas Arm und legte ihn sich um die Schultern. Offenbar hatte er das Reden und Fragen aufgegeben und harrte nun der Dinge, die da kommen mochten. Aya nahm Omis Hilfe an, bis er wieder sicher stand. Als die Schmerzen nachließen, machte er sich jedoch wieder los und rannte die Straße entlang. Noch zweimal abbiegen. Nagi. Omi folgte Aya keuchend. Inzwischen war er sich sicher, dass sich das Ganze hier um Nagi drehte. Was sonst sollte Aya dazu bringen, mitten in der Nacht, wie von der Furie gebissen, durch halb Tokio zu rennen? Und diese plötzlichen Kopfschmerzen? Wer außer Schuldig konnte dafür verantwortlich sein. Offenbar hatte Schuldig Nagi gefunden und er hatte Aya geschickt, um ihn aufzutreiben. Warum war er nicht selber zu ihm gegangen? Nun, dafür konnte es nur einen Grund geben, nämlich den, dass Schuldig weiter entfernt von Nagi war als Aya. Und, dass etwas mit Nagi passiert sein musste, was ein schnelles Eingreifen erforderte, nicht wahr? Oh ja, Omi verstand das alles. Aber fröhlich stimmte ihn das nicht. Im Gegenteil. Er malte sich bereits die schrecklichsten Szenarios aus. Hatte die grausamsten Bilder von seinem Freund im Kopf. Erschossen hinter einer Mülltonne. Oder verzweifelt von einem Dach gesprungen. Omi malte sich die irrwitzigsten Dinge aus, während er japsend und keuchend mit eisigen Fingern und kalter Luft in den Lungen hinter seinem Freund herjagte. Und dann blieb Aya vor ihm wieder plötzlich stehen. Er starrte nach vorn und störte sich nicht daran, dass Omi beim Versuch, rechtzeitig zu bremsen, auf dem Schnee ausrutschte und sich auf den Hosenboden setzte. Während Omi sich wieder aufrappelte, machte Aya fünf Schritte. Fünf Schritte auf die Gestalt zu, die in einem Hauseingang saß, mit dem Kopf auf der Brust und sich nicht rührte. Kaum stand Omi wieder auf seinen Füßen und war Aya mit seinem Blick gefolgt, wusste er, wer es war, der dort reglos und leblos auf einer Steintreppe hockte. „Nagi!“, rief er, voller Angst und Verzweiflung und lief die paar Schritte. Der Wind blies den Schnee gegen ihre Rücken, als Omi sich zu Aya kniete, der vor Nagi hockte und gerade nach seiner Hand griff. Omi sah, wie Ayas Augen sich weiteten, als er Nagis Hand nahm und fest drückte. Omi biss sich vor Angst auf die Unterlippe und keuchte noch immer. „Was ist mit ihm?“, fragte er verzweifelt und streckte die Hand nach Nagi aus. Als er dessen Wange berührte, durchzuckte ihn ein schrecklicher Gedanke. Nagis Haut war eiskalt. Selbst Omis verfrorene Finger spürten das noch. Und er bewegte sich nicht. Omi starrte auf Nagis Gesicht, das halb hinter seinen Haaren verborgen war. Dann auf dessen Brustkorb. Er rührte sich kein bischen. „Er atmet nicht.“, hörte Omi Aya murmeln, dann hob der Weiß Nagi von der Treppe und zog ihn auf seinen Schoß. Er strich ihm die Haare aus dem Gesicht und betrachtete es dann einige Augenblicke. Omi packte Nagis Schultern und schüttelte ihn kurz. Aya warf ihm einen wütenden Blick zu und Omi ließ den Griff wieder fahren. Nagi hatte sich nicht bewegt. „Wieso atmet er nicht?“, fragte Omi und schluchzte plötzlich. Er wusste nicht, woher die plötzliche Klammer um seinen Hals kam, aber er hatte das Gefühl, er müsste ersticken. Aya schüttelte schwach den Kopf. Dann legte er Nagi auf den Boden und seine Hände auf dessen Brust. „Hilf mir.“, forderte er von Omi, der sich augenblicklich folgsam neben Nagis Kopf kniete. Aya begann, den zierlichen Brustkorb rhythmisch zu bearbeiten, während Omi mit zitternden Lippen versuchte, dem Jungen wieder Leben einzuhauchen. Beide sagten kein Wort. Aber beide dachten das Gleiche. Nagi, mach die Augen auf. //7 Schuldig erreichte die Szene kaum zehn Minuten später. Als er in die Gasse einbog, in der er Nagi zuletzt gesehen hatte, fand er dort zwei verschwitzte, keuchende Jungen, die einen dritten, leblosen, zwischen sich hatten und noch immer verzweifelt versuchten, ihn zurück ins Leben zu holen. Aya und Omi sahen auf, als der Deutsche plötzlich neben ihnen stand. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Haare hingen ihnen wirr in die Gesichter. Aya wandte sich gleich wieder Nagi zu. Der Schnee, der auf sein Gesicht und auf sein Haar fiel, schmolz nicht und Omi bemühte sich immer wieder, ihn wegzuwischen. Er konnte den Anblick nicht ertragen. „Lasst mich zu ihm.“, sagte Schuldig knapp und sowohl Aya, als auch Omi machten kommentarlos Platz. Der Telepath kniete sich zu Nagi auf den Boden und hob wortlos dessen Kopf in seinen Schoß. Dann schloss er die Augen und legte seine Hände an Nagis Kopf. Omi trat zu Aya und klammerte sich hilflos an ihn. Und Aya ließ den Jungen gewähren, legte ihm seinen Arm um die Schulter und schloss flehendlich die Augen. Bitte, mach die Augen auf , dachte er immer und immer wieder, wagte es aber nicht, nachzusehen, ob sein Flehen Erfolg hatte. Omi hielt sich an Aya fest und zitterte. Jetzt, wo er wieder ungeschützt und ohne etwas zu tun in der Kälte stand, fror er plötzlich entsetzlich. Schuldig streckte seine Finger aus und grub in Nagis bewusstlosem Geist nach seiner Präsenz. Er musste ihn finden, musste ihn erreichen und ihn zurückholen. Unbedingt. Er konzentrierte sich, so sehr er es vermochte und dann noch einen Funken mehr – doch all sein Mühen blieb unerwidert. Keine Reaktion erreichte Schuldig und er erreichte nichts. Dort war nur nebliges, schwammiges Weiß, dass sich über Schuldigs Verstand zu legen und ihn mitzureißen drohte. Die Anstrengung trieb Schweißperlen auf seine Stirn und legte einen verkrampften Gesichtsausdruck über seine Züge. Dann war da auf einmal nichts mehr. Schuldigs Finger rutschten ins Leere, drifteten in die Unendlichkeit ab und drohten, im Weiß zu verschwinden. Der Deutsche stöhnte verzweifelt auf, als er einsehen musste, dass es sinnlos war. Ungläubig und fassungslos löste Schuldig seine Hände, nahm sie von Nagis Kopf und legte sie stattdessen an seinen eigenen. Dann brach ein tonloses Schluchzen aus ihm heraus, so erschreckend und surreal, dass sowohl Aya als auch Omi einige Momente brauchten, um zu begreifen, dass der Deutsche auf dem Boden hockte und weinte. Seine Schultern bebten und er zitterte leicht. Kein Ton war zu hören und doch – er weinte. Fassungslos sah Omi zu Aya und sah, dass dieser Schuldig anstarrte, als sähe er ein Wesen von einer anderen Welt. Mit allem hatte er gerechnet, ja, aber nicht mit Tränen. Nicht bei diesem. „Nein, nicht-“, bat Omi leise, doch er spürte sofort, dass Schuldigs plötzlicher Zusammenbruch genau das zu bedeuten hatte, was er nicht glauben wollte. Was sie alle nicht glauben wollten. Es konnte doch auch gar nicht sein. Noch vor einer Stunde war alles gut gewesen. Aya keuchte atemlos auf und ließ sich dann neben Nagi zu Boden fallen. Er ergriff seine Hand und hielt sie, während Omi hilflos allein dort stehen blieb und auf die drei Gestalten vor ihm hinuntersah. Das war nicht möglich. Schlicht und ergreifend. Was Schuldig tat, was Aya tat, was das bedeuten sollte – nein, das ging nicht. Omi machte einen kleinen Schritt rückwärts, dann ließ auch er sich auf den Boden plumpsen und schlang die Arme um seine Knie. „Das stimmt nicht.“, wisperte er gegen den heulenden Wind und schloss die Augen. Die Schneeflocken fielen auf seine Lider und kühlten sie angenehm. Sie mussten Nagi nach Hause bringen. Ganz schnell. Sonst würde er noch- Und als dann auch Omi zu weinen begann, wusste er erst nicht, ob es der Schnee war, der schmelzend seine Wangen hinunterlief, oder tatsächlich seine eigenen Tränen. Es war ein überaus merkwürdiges Gefühl. Denn entgegen seiner eigentlichen Vermutung waren sie nicht warm, sondern eiskalt. Kapitel 14: -Vierzehn- ---------------------- //1 Die Nacht blieb eisig. Und der standhaft weiter fallende Schnee tauchte alles in sanftes, weiches Weiß. Die meisten Fenster waren inzwischen dunkel, die Straßen leer. Die Autofahrer hatten eingesehen, dass sie besser zuhause blieben, sich in ihre warmen Betten kuschelten, oder sich in eine Decke gehüllt vor den Fernseher setzten, um die Abendgameshows zu verfolgen. Selbst die Katzen, die sonst um die Häuser strichen, hatten sich warme Schlupfwinkel gesucht, um den vielleicht wärmeren Morgen abzuwarten. Die Ampeln sprangen von rot auf grün, ohne dass sie Autos gehabt hätten, die ihrem stillen Aufruf Folge geleistet hätten. Die Fahrbahn ließ sich ebenso still in Weiß hüllen, wie die Gehwege, die Dächer der Stadt, die kleinen Gärten und die Hinterhöfe. Der Wind hatte nachgelassen, der Schnee fiel beinahe senkrecht vom Himmel und sah man aus dem Fenster, sanken die Flocken so dicht, dass man kaum fünf Meter weit sehen konnte. Es war ein wunderschöner Anblick, die moderne City in natürlichem Glanz zu sehen. Am Morgen würden die Menschen aufstehen und ihren Tag vielleicht mit Fluchen beginnen, weil ihr Auto eingeschneit und ihr Weg zur Arbeit versperrt war. Die Kinder würden sich sicher lachend auf den Weg zur Schule machen, sich mit Schneebällen bewerfen und sobald sie Zeit dazu fanden, beginnen, ihre alljährlichen Schneekunstwerke an die Gehwegränder und in die karg gesähten Gärten zu bauen. Vielleicht hätten sich die Wolken bis zum ersten Sonnenstrahl verzogen und es würde ein wunderschöner Tag werden, für all jene, die die Kraft und Schönheit der Natur noch bewundern konnten. Die anderen freilich, würden sich in ihr Schicksal ergeben müssen. Der Schnee nahm keine Rücksicht auf die Wünsche der Menschen. Genauso wenig tat es das Schicksal, nicht wahr? //2 Aya stand am Fenster und sah in die Nacht hinaus. Er wusste nicht, wie spät es war und er hatte auch noch keinen Gedanken daran verschwendet. Er sah dem Schnee beim Fallen zu und ein leises, wissendes Lächeln um die Geheimnisse der Welt lag auf seinen Lippen. Wer jedoch in seine Augen sah, konnte leicht erkennen, dass Ayas Lippen nicht dasselbe zeigten, wie sein Blick. Weit in die Ferne ging er, nichts sah er wirklich, nur fallende, weiße Flocken. Die umeinander wirbelten, sich trennten, sich wieder begegneten, um schließlich nah beieinander oder weit voneinander entfernt auf dem Boden zu landen. Was sie sich wohl erzählten, in den kurzen Augenblicken, die sie Gelegenheit bekamen, sich auszutauschen? Oder versuchten sie es gar nicht erst, wohl wissend, dass sie sich nie wieder begegnen würden? Wissend, das schon der nächste Morgen sie für immer trennen konnte, wenn sie Morgensonne ihre warmen Strahlen ausschickte, um den Schnee wieder zu schmelzen. Ayas Gedanken? Nun, in Wirklichkeit trauerten sie um einen geliebten Menschen. Einen Menschen, den er gerade gefunden und doch schon wieder hatte verlieren müssen. Ja, er fragte still, warum. Jeden, der es hören wollte. Aber er bekam keine Antwort. Stattdessen zog ein Gedanke seine Bahn durch den von Traurigkeit gefüllten Kopf und hinterließ leise, wehmütige, aber irgendwie auch tröstende Spuren… …Am vierten Tag kam Nagi zurück. Aya fand ihn, als er am Montagmorgen vor dem Öffnen des Ladens im Haus gegenüber vorbeischaute. Etwas kribbelte jeden Morgen in seiner Brust und er ging kurz vorbei, nur, um gleich wieder enttäuscht zu verschwinden. Selbst Omi war nicht so aufgedreht. Aber an diesem Morgen ließ Aya die Tür nicht gleich wieder zufallen, die er gerade geöffnet hatte. Es war Donnerstag, es regnete wieder und es war kalt. Aya sah Nagi auf seiner Matratze liegen, eingemümmelt in zwei Decken. Als Aya näher ging, sah er, dass Nagi leicht zitterte. Kein Wunder, wenn er bei dem Wetter draußen war..., dachte Aya betroffen und kniete sich zu Nagi auf den Boden. „Hey...“, sagte er leise und stupste Nagi sacht an die Schulter. Der junge Schwarz wachte sofort auf, riss die Augen auf und setzte sich erschrocken gerade auf. Aya lächelte beruhigend und grinste dann leicht. „Da bist du ja wieder...“, sagte er genauso leise und blieb ruhig sitzen. Der Impuls, Nagi in die Arme zu nehmen und zu drücken, war so stark gewesen, dass Aya mehr als eine Sekunde gezögert hatte, bevor er den zweiten Satz hervorbrachte. Aber er konnte Nagi nicht umarmen. Noch nicht. Wahrscheinlich würde der Junge ihn reflexartig aus dem Fenster werfen, oder sowas. „Aya...“, wisperte Nagi tonlos und fiel dem Älteren um den Hals. Mehr als verdutzt runzelte Aya die Stirn und schielte auf den kleinen, noch immer zitternden Körper, der sich da an ihn drückte. Dann langsam hob er die Arme und legte sie um Nagi. Wie dünn er geworden war. Und das in nur vier Tagen. Aya seufzte. „Schön, dass du wieder da bist...“, flüsterte er leise. Omi saß neben Nagis bewegungslosem Körper, der auf dem Bett lag, dass sie beide so oft geteilt hatten. Lachend, fröhlich und unbeschwert hatten sie es zu ihrem Kriegsschauplatz erklärt. Zu ihrem Schlachtfeld. Zu ihrem Ort ihrer leisen, ehrlichen Begegnungen, wenn sie über all die Dinge sprachen, über die sie beide so selten hatten sprechen können, bevor sie sich getroffen hatten. Ein Ort für Fröhlichkeit, Ausgelassenheit, ja ein Ort, um das Kind sein zu können, das sie so oft nicht hatten sein können. Oder dürfen. Vielleicht auch wollen. Auch ein Ort der Ruhe war es gewesen, dieses Bett und das war es nun wieder. Ruhe für das Außen und Ruhe für das Innen. Omi senkte den Blick und schloss die Augen. Er kämpfte gegen die Tränen, wollte nicht der Einzige sein, der schamlos weinte und schaffte es doch nicht. Zu weh tat es, seinen Freund neben sich zu wissen, reglos, leblos, kalt wie der Schnee, der inzwischen alles bedeckte. Er senkte den Blick und sah den Tränen zu, die tropfend nasse Kreise auf der Bettdecke hinterließen… …„Das muss dir doch nicht peinlich sein, oder so...“, sagte Nagi dann lächelnd, als Omi nach einer Minute immer noch nichts sagte. Er sah viel mehr so aus, als wollte er am liebsten aufspringen und aus dem Zimmer laufen. Jetzt schüttelte Omi wieder den Kopf und seufzte. „Das ist es nicht...“, meinte er kaum hörbar und schnappte sich ein Kissen, um seinen roten Kopf darunter zu verstecken. Nagi lächelte wieder und zog am Kissenbezug. „Dann tu das weg und schau mich an.“, verlangte er, aber Omi behielt den Kopf verborgen. Nagi grinste, zog fester und piekste Omi in die Rippen. „Los, tu es weg...“, verlangte er erneut und verlieh seiner Stimme den dämonischsten Klang, den er hinbekam. Unter dem Kissen musste Omi ob Nagis Drohung grinsen, hielt es aber aus, lachte nicht und blieb still liegen. Nagi zuckte die Schultern, piekste noch ein paar Mal und als Omi immer noch nicht aufgab, begann er, Omi zu kitzeln. „Na, wie ist das, huh?“, fragte er, breit grinsend und stellte zufrieden fest, dass Omi kicherte. „Tut gut, hm?“ Nagi machte sich über Omis Bauch her und kitzelte ihn ordentlich durch. Bis Omi sich plötzlich zur Seite drehte, mit dem Kissen ausholte und es nach Nagi warf. Der wich grinsend aus und streckte Omi die Zunge heraus. „So leicht kriegst du mich nicht!“, rief er und startete eine neue Attacke. Aber Omi sprang vom Bett, tauchte unter Nagis Armen hindurch und schnappte sich erneut das Kissen. Nagi sah, was Omi vorhatte, griff sich das zweite Kissen und beantwortete Omis Wurf mit einem gezielten Kissenschlag auf den Kopf. Omi verzog gespielt schmerzlich das Gesicht und ging zu Boden. Na los, lach schon..., dachte Nagi und kniete sich zu Omi herunter. Der lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden und bewegte sich nicht. Nagi wusste, wenn er nah genug bei ihm war, würde Omi aufspringen und seine misslungene Attacke noch mal probieren. Trotzdem quiekte Nagi erschrocken auf, als es tatsächlich dazu kam. Er sprang auf die Füße und versuchte, sich über das Bett in Sicherheit zu bringen, aber Omi war schneller. Er bekam Nagis Shirt zu fassen und hielt fest. Nagi kippte vornüber und landete mit einem überraschten „Uff“ auf dem Bett. Omi stürzte sich auf ihn, setzte sich auf Nagis Rücken und kitzelte ihn nun seinerseits ordentlich durch. Nagi schnappte nach Luft, versuchte, sich herumzudrehen, musste aber so lachen, dass er es nicht schaffte. Als Omi selbst vor Lachen keine Luft mehr bekam, hörte er auf, blieb aber trotzdem triumphierend und nach Luft japsend auf Nagi sitzen. „Na, wie war das?“, fragte er grinsend und piekste Nagi noch einmal in die Seite. „Tat’s gut?“ Nagi kicherte und versuchte, den Kopf so zu drehen, dass er Omi ansehen konnte. „Ja wunderbar, jetzt, wo du schon mal dasitzt, könntest du mich noch massieren?“, bat er, verschmitzt grinsend und musste wieder lachen. Omi kicherte und piekste Nagi zur Antwort noch mal. Dann rutschte er von Nagis Rücken und legte sich neben ihn. Nagi legte erschöpft den Kopf an Omis Schulter und seufzte tief. „Oh man, ist das anstrengend, dich aufzumuntern.“, meinte und grinste schon wieder. Omi tat empört und versuchte, Nagi mit einem Schubs seiner Hüfte aus dem Bett zu befördern, was ihm nicht gelang und Nagi nur wieder zum Kichern brachte. „Na wenigstens hat’s geholfen.“, meinte Omi dazu und lehnte nun seinerseits den Kopf an Nagis Schulter. „Hmhm...“, machte Nagi zustimmend und seufzte noch mal wohlig. Sie lagen ein paar Minuten nebeneinander auf dem Bett, Nagi hatte die Augen geschlossen und Omi zupfte Fusseln vom Kopfkissen. Dann regte Omi sich und hob seinen Kopf von Nagis Schulter. „Sollen wir was essen?“, fragte er unvermittelt und stupste Nagi an. Der blinzelte ein paar Mal und nickte dann lächelnd. Ja, rumtoben machte hungrig und es war ohnehin Zeit fürs Abendessen. „Machen wir Nudelsuppe?“, fragte Omi und strahlte Nagi vorfreudig an. Nagi nickte sofort und strahlte mit. Yoji kniete auf dem Boden vor dem Fußende des Bettes und starrte auf Nagis Füße, die sich unter der Bettdecke abzeichneten, in die Omi ihn sanft gewickelt hatte. Seit Aya den Jungen hereingebracht hatte, hatte niemand auch nur ein Wort gesprochen und Yoji wusste, dass auch er es nicht konnte. Er fühlte noch immer dieses unglaubliche Entsetzen und das riesengroße Fragezeichen, das ihn durchzuckt hatte, als er zum ersten Mal Nagis lebloses Gesicht gesehen hatte. Es war sein Herz, das schmerzte. Sein Herz, das um den Jungen schrie, der ihm soviel Kopfzerbrechen, soviel Zweifel und Wut, entlockt hatte. Um den Jungen, der aber auch dafür gesorgt hatte, dass Yoji sein steifes Denken hatte lockern müssen. Der ihn dazu getrieben hatte, ohne es zu bemerken, dass Yoji sich ihm geöffnet, ihn eingelassen und seine Zweifel über Bord geworfen hatte. Ein leichtes Lächeln kräuselte Yojis Lippen bei der Erinnerung an die allererste Zeit mit Nagi. Nein, einfach war es nicht gewesen… …„Das ist mir scheißegal! Er kann auf keinen Fall hier bleiben!“ Omi, der vor Kens Tür stand und gerade klopfen wollte, hielt inne. War das Yoji gewesen? „Hast du ne Ahnung, dass damit alles durcheinander gerät?! Wie soll das funktionieren?!“ Ja, ganz sicher Yoji. Dann war wohl Aya auch da und hatte bereits getan, wozu Omi jetzt eigentlich hergekommen war. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Omi die Tür und trat ins Zimmer. Ken und Yoji hatten sich vor Aya aufgebaut, der auf einem Stuhl saß und versuchte, die beiden zu beruhigen, was ihm seit mehr als einer halben Stunde kaum gelang. Alle drei drehten sich zu Omi, der die Tür lautstark zufallen ließ, um die Aufmerksamkeit erst mal auf sich zu lenken. Aber lange hielt die entstandene Stille nicht an. „Omi, was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?!“, fuhr Yoji Omi an, der sich ruhig aufs Bett setzte. „Hat Aya euch alles erzählt?“, wollte Omi wissen und sah zwischen Ken und Yoji hin und her. Die beiden nickten stumm und sahen mit grimmig verzerrten Gesichtern jetzt Omi an. „Auch, dass Crawford Nagi vergewaltigt hat?“, fragte Omi weiter und entlockte sowohl Yoji, als auch Ken ein kurzes, irritiertes Schlucken. „Na?“ Omi sah erst Ken an, dann Yoji und wartete auf eine Antwort. Verdammt, das hat er echt drauf..., dachte Aya erstaunt, als er bemerkte, wie sich Wut und Aggression aus den Blicken der beiden Weiß stahlen und langsam so etwas wie Schuldbewusstsein aufflammte. Yoji wurde langsam unwohl. Er hatte nur an sich gedacht und nicht einmal an Nagi. Der Junge hatte schreckliche Sachen durchgemacht und jetzt endlich schien es, als gäbe es für ihn die Möglichkeit, dem allen zu entkommen. Und er und Ken dachten nur daran, was alles Schlimmes für sie daraus resultieren könnte und nicht daran, dass sie das Ganze vielleicht auch lösen konnten. Ken sah Yoji an und Yoji erkannte, dass Ken wohl gerade genau das gleiche dachte, wie er selber. Omi hatte es raus, den beiden innerhalb von nur wenigen Sekunden das schlechteste Gewissen ihres Lebens zu bereiten. Ken saß neben Omi. Er spürte den Schmerz, der in jeder noch so kleinen Geste des Jungen lag und er spürte seinen eigenen. Hatte nicht er noch vor kurzem daran gedacht, wie Nagi ihre kleine Gruppe in zwei Teile gespalten hatte? Er war der Grund dafür, dass Omi und Aya sich von ihm und Ken distanziert hatten. Das Geheimnis um die Hilfe, die die beiden dem Schwarz hatten zukommen lassen war wie eine Zerreißprobe gewesen. Eine Probe um das Vertrauen und die Freundschaft, die Weiß zusammenhielten. Und nun lag Nagi da, auf dem Bett, das ihn schon so oft warm gehalten hatte und was tat er? Dasselbe, was er schon vorher getan hatte. Nur ganz im Stillen diesmal. Mit einem schwachen Lächeln wurde Ken bewusst, dass sie wieder alle beisammen waren. Dass sie beieinander saßen, das selbe fühlten, vielleicht sogar dasselbe dachten und verbunden wurden, durch dasselbe Glied, dass sie schon einmal auf die Probe gestellt hatte… …Ken und Yoji unterhielten sich, während sie im Gewächshaus die neugelieferten Blumen einsortierten. Obwohl man wohl eher sagen sollte, dass sie stritten. Ken konnte und wollte Yojis Standpunkt nicht begreifen. „Du wärst doch froh, wenn Manx ausrastet und Nagi abschlachten lässt, oder etwa nicht?!“, warf Ken dem ältesten Weiß Mitglied gerade vor und sah von ein paar Töpfen auf. Yoji schüttelte leicht den Kopf und erwiderte den Blick etwas genervt. „Das hab ich dir jetzt hundertmal erklärt. Es geht doch nicht darum, dass ich Nagi nicht hier haben will, sondern darum, dass er nicht zu Weiß passt. Siehst du das immer noch nicht ein?“, gab er ruhig zurück und sah Ken an. Der schüttelte seinerseits den Kopf und schaute wütend. „Nein, es geht doch nur darum, dass du ihn nicht dabeihaben willst!“, feuerte er zurück und verschränkte die Arme. Yoji kicherte kurz, dann schaute er wieder ernst. „Schwachsinn.“, entschied er knapp und arbeitete weiter. „Warum willst du ihm dann einfach keine Chance geben, huh?“, wollte Ken wissen und schob ein paar Töpfe hin und her, um Yoji nicht ansehen zu müssen. „Weil er einer von Schwarz ist. Und nur, weil er jetzt hier lebt, heißt das noch lange nicht, dass er sich vollkommen geändert hat!“, gab Yoji jetzt etwas gereizt zurück und lehnte sich aufseufzend gegen einen der Tische voller Blumen. Ken sah nun doch auf und schob seine Arbeit ebenfalls einen Moment beiseite. „Du bist so verbohrt! Woher willst du wissen, ob er sich geändert hat, wenn es dich überhaupt nicht interessiert?“, verlangte er zu wissen und sah Yoji herausfordernd an. „Was soll das heißen, es interessiert mich nicht?“, fragte Yoji zurück und runzelte die Stirn. Ken schüttelte verständnislos den Kopf. „Hast du überhaupt schon einmal mehr als zwei Worte mit ihm gewechselt? Du hast doch noch nicht einmal ernsthaft mit ihm gesprochen. Woher willst du dann wissen, dass er nicht wirklich meint, was er sagt?“ Kens Wangen waren vor Aufregung gerötet. Er war ja genauso gewesen, wie Yoji, aber mittlerweile hatte er eingesehen, dass Nagi es ernst meinte. Und deshalb konnte er es nicht ertragen, dass Yoji alles nur aus seiner Sicht sah. Ihm schien es ja vollkommen egal zu sein, was Nagi deshalb durchmachte. Yoji schwieg und sah Ken nur etwas fragend an. Er verstand nicht, warum Ken so einen Aufstand deswegen machte. Sollte er Yoji doch denken lassen, was er wollte, Ken konnte doch trotzdem Nagis bester Freund werden, fand Yoji. Aber Ken war noch nicht fertig. „Bevor du ihn fertig machst und ihm vorwirfst, dass er sich nur einschleichen will, sich alles nur ausgedacht hat, was er erzählt hat und uns hinterlistig abstechen will, solltest du ihm mal zuhören. Oder vielleicht reicht es schon, wenn du ihn nur mal ansiehst. Hast du ihn schon mal richtig angesehen? Huh?“ Ken schaffte es, nicht zu schreien. Er wusste, dass Yoji sich dann sowieso gleich vollkommen taub stellen würde und dann würde er gar nichts erreichen. Yoji schwieg immer noch und sah Ken nur leicht verwirrt an. „Du glaubst wohl, wir alle spinnen und nur du hast den Durchblick, huh?“ Ken schüttelte fassungslos den Kopf, als er von Yoji immer noch keine Reaktion bekam. „Denk doch mal nicht nur an dich!“ Kaum hatte Ken das ausgesprochen, tat es ihm schon wieder leid. So hart hatte er nun doch nicht sein wollen. Aber wenigstens kam jetzt endlich eine Reaktion. „Nur an mich? Nur an mich?!“, fragte Yoji und runzelte wütend die Stirn. Jetzt hatte Ken es geschafft, Yoji fühlte sich persönlich angegriffen. „Ich denke überhaupt nicht nur an mich, du Spinner!“, fuhr er Ken an, der reflexartig zurückzuckte, als Yoji ihn so anfauchte. „Es geht um uns, verstanden? Was, wenn es schief geht, huh? Dann hängen wir alle drinnen und kommen nicht mehr so leicht raus, das weißt du genau!“ Yoji atmete einmal tief durch und zwang sich, nicht mehr zu schreien. Genau wie Ken wusste er, dass man damit nur negative Reaktionen provozierte. „Wenn wegen Nagi alles zerstört wird, was sagst du dann? Sagst du dann immer noch ‚Hey, alles cool, immerhin haben wir ihm ne Chance gegeben.’ ?“ Yoji sah Ken an und wartete auf eine Antwort. Aber er bekam keine. Ken schluckte nur einmal und blieb still. Dann drehte er sich weg, sah kurz zur Seite und nahm dann seine Arbeit wieder auf. Yoji runzelte irritiert die Stirn, blieb noch einen Moment wo er war, drehte sich dann schulternzuckend ebenfalls weg und trat an einen anderen Tisch, um Ken nicht mehr in die Quere zu kommen. Hatten sie sich schon jemals so heftig gestritten, dass sie hinterher nicht mehr miteinander redeten? Yoji konnte sich an kein Mal erinnern und irgendwie beunruhigte ihn das. Aber es bestätigte ihn auch in seiner Theorie. Nagi säte nur Misstrauen und Streit, das sah man doch wohl. Jetzt hatte Yoji sich mit Ken gestritten und keiner sagte mehr ein Wort. Und alles nur, wegen Nagi. In der Ecke des Zimmers, an die Wand gelehnt, stand Schuldig. Sein langes Haar fiel ihm ins Gesicht und er war froh darüber, dass es seine Tränen verborgen hatte, solange sie geflossen waren. Jetzt war da nur noch ein merkwürdiges Gefühl der Leere in ihm. Er ertrug es nicht, Nagis Körper anzusehen und so war sein Blick auf Ayas Rücken gerichtet. Und seit einigen Minuten glaubte er zu spüren, dass, so verschieden sie auch waren, der Weiß in diesem Augenblick denselben Schmerz ertragen musste, den Schuldig ertrug. Seine Gedanken, alles sei Ayas Schuld gewesen, waren verblasst, je länger er diesen Rücken angesehen hatte, der verkrampft und leicht zitternd versuchte, die Fassung zub bewahren. Nein, sie waren nicht so verschieden, wie er - wie sie beide - es immer hatte wahrhaben wollen… …„Schläfst du noch, Nagi?“, fragte Schuldig leise, während er langsam zum Bett ging und sich darauf setzte. Der Umriss, der sich unter der Decke abzeichnete, rührte sich nicht. Wieder seufzte Schuldig, diesmal traurig. „Ich weiß, was passiert ist...“, sagte er dann leise und sah Nagi bedrückt an. Der Körper bewegte sich kurz, rollte sich noch etwas mehr zusammen und verharrte dann wieder still. „Es tut mir wirklich leid...Das hätte er nicht tun dürfen...“, flüsterte Schuldig und sah dorthin, wo er Nagis Kopf vermutete. Er hätte gerne eine Hand ausgestreckt, um sie Nagi beruhigend auf die Schulter zu legen, aber er wusste, dass das keine gute Reaktion hervorbringen würde. „Nagi, ich...“ Schuldig schwieg einen Moment und suchte nach den richtigen Worten. Die richtigen Worte zu finden, war wichtig in diesem Moment, aber ihm fiel nichts ein. „Nagi, bitte sieh mich an, OK?“, bat Schuldig daher nur leise und rutschte etwas auf der Bettkante hin und her. Nagi regte sich. Dann schob er langsam die Decke zurück und steckte seinen Kopf darunter hervor. „Schu...“, wisperte er, kaum hörbar und Schuldig sah Tränen Nagis Wangen herunterlaufen. Er blieb still sitzen und sah Nagi nur an. Dann versuchte er, zu lächeln. Nagi schniefte, dann rutschte er an Schuldig heran und legte seinen Kopf auf dessen Schoß. „Das durfte er nicht tun...“, wimmerte Nagi leise, wie, um noch einmal eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass Nagi und nicht Crawford im Recht war. Schuldig schüttelte den Kopf. „Nein, das durfte er nicht tun.“, entgegnete er sanft und legte behutsam eine Hand auf Nagis Wange. Und er musste sich zusammenreißen, um nicht einen Blick in Nagis Innerstes zu werfen. Er wusste, was er sehen würde und er wusste, dass es ihm nicht gefallen würde. Und er wusste, dass er es nicht aushalten würde, deshalb ließ Schuldig es bleiben. Ein paar Minuten saßen die beiden jungen Männer still auf Nagis Bett. Schuldig streichelte ruhig Nagis Wange und strich ihm durchs Haar. Nagi schluchzte leise und weinte noch ein wenig. „Ich hasse ihn...“, flüsterte er dann und schaffte es, seine Stimme so kalt klingen zu lassen, wie er sich fühlte. Schuldig blinzelte und sah Nagi dann an. „Ja, ich weiß...“, gab er leise zurück und lächelte ein wenig. Das verstand er nur zu gut, nicht wahr? Nagi schwieg wieder eine Weile und auch Schuldig sagte nichts. Für weitere Minuten versanken beide in ihren eigenen Gedanken, bis Nagi eine Frage aussprach, die ihm im Kopf herumschwirrte. „Hast du...dich auch so gefühlt...?“, fragte er kaum hörbar und schloss die Augen. Schuldig sah ihn kurz an, dann glitt sein Blick zum Fenster und er starrte darauf. Nagi wartete geduldig auf Schuldigs Antwort. Sie hatten noch nie wirklich darüber gesprochen, was dem Deutschen passiert war und Nagi wunderte sich, dass Schuldig so ruhig blieb. „Ja...“, war alles, was Schuldig dann antwortete, aber Nagi reichte das im Moment. Ohne ein Wort verließ schließlich Schuldig seinen Platz an der Wand und durchquerte das Zimmer, ohne seinen Blick von Ayas Rücken zu nehmen. Drei fragende, verwirrte Blicke richteten sich auf den Deutschen, als er an Aya herantrat und ihm schweigend seinen Arm um die zitternden Schultern legte. Niemand sprach, nicht einmal Omi gab einen Laut von sich, als Aya sich zu Schuldig wandte und ihn schweigend ansah. Es war, als würde Nagis stille Präsenz jedes unachtsame, jedes wütende, jedes schuldig sprechende Wort verbieten. Aya schloss die Augen, senkte den Kopf und dann gab er sich in die Umarmung, die Schuldig ihm bot, ohne Weiß und ohne Schwarz, einfach so, für ihn und den Deutschen. Und das leichte Lächeln, das um ihrer beider Lippen spielte, wurde zugleich Ausdruck stillen Einverständnisses und gemeinsamen Schmerzes. Aya hielt seine Tränen nicht zurück und auch Schuldig öffnete sich seinem Schmerz. Sie weinten gemeinsam, ohne einen Laut, ohne ein Wort, mit tonlosem Schluchzen und dicht aneinander gedrängt, wie Ertrinkende, die sich auf stürmischer See gegenseitig über Wasser halten. Das stille Bild der gegenseitigen Annahme zauberte langsam seine Spuren auch auf die drei sehenden Gesichter. Omi sah zu den beiden und obwohl ihm die Tränen schweigend über die Wangen strömten, konnte er den Blick nicht abwenden. Wie wunderschön war es, endlich das zu sehen, was doch gerade Nagi sich so sehr gewünscht hatte. Ken und Yoji schienen dasselbe zu denken, denn auch sie weinten still, mit einem Lächeln auf den Lippen. Konnte es wirklich so einfach sein? Eine Umarmung zwischen den Feinden, die sich bis aufs Blut bekämpft und gehasst hatten und alles wurde gut? Omi sah es als Erster. „Aya!“, rief er, in die unendliche Stille und erschrak über den Klang seiner Stimme so sehr, dass er sich die Hand vor den Mund hielt. Doch als Aya sich von Schuldig löste, der Zauber des Augenblickes verflog und er Omi mit einem verhangenen, von weit entfernt kommenden Blick ansah, hob der Blondschopf die andere Hand und deutete dann wortlos auf den Monitor des Computers auf dem Schreibtisch. Er leuchtete und sein Licht zog die fünf verwirrten Gestalten an, wie Motten. Sie umringten den Bildschirm und, erhellt vom diffusen Licht des leuchtenden Monitors, starrten auf die Worte, die auf dem Bildschirm blinkten. Fünf Münder standen offen und fünfhundert Gedanken rasten und versuchten zu fassen, was unwiderruflich vor ihren Augen stand. //chanel opened by foreign user //verify authorisation «enter password» Kapitel 15: -Fünfzehn- ---------------------- //1 Es war Aya, der sich selbst als erstes aus seiner Erstarrung löste, sich den Schreibtischstuhl heranzog und sich vor den Bildschirm setzte. Damit löste er jedoch nicht die Starre der anderen vier, die regungslos um ihn herumstanden und verwirrt beobachteten, was Aya tat. Er schloss kurz die Augen, atmete tief durch und legte dann seine Hände auf die Tastatur. Seine Handflächen waren eiskalt und seine Finger zitterten leicht. Das leise Klacken, als er schließlich eine Eingabe machte, ließ Schuldig blinzeln und als er Ayas angespanntes Gesicht sah, schien ihm zu dämmern, was das hier gerade zu bedeuten hatte. Aber noch hatte er die Grenze zwischen Vermutung und Glauben nicht überschritten. Aya biss sich beim Tippen auf die Unterlippe, so hin und hergerissen fühlte er sich. Aya tippte , langsam und zögerlich und wartete. Zwei Sekunden später flackerte der Bildschirm und wurde schwarz. Aya keuchte erschrocken und da endlich erwachten auch die anderen aus ihrer Bewegungslosigkeit. „Was ist das?“, rief Omi und sah hilfesuchend zwischen Ken und Yoji hin und her, doch die schüttelten nur ahnungslos und mit offenen Mündern die Köpfe. Dann sahen alle wieder zum Monitor, der noch immer still und schwarz vor Aya lag, der gerade prüfte, ob sich vielleicht versehentlich ein Kabel gelockert hatte. Doch alles schien in Ordnung. „Warum ist es weg?“, fragte Omi leise, seine Stimme war kaum mehr, als ein aufgeregtes Flüstern und er hob die Hand, um mit seinem Zeigefinger vorsichtig den Monitor zu berühren. „Vielleicht krieg ichs wieder hin.“, meinte er dann wispernd, doch im gleichen Augenblick, in dem Omis Zeigefinger den Monitor berührte, flackerte dieser auf und ein mattgrünes Licht erhellte fünf vor Spannung fast zerberstende Gesichter. Omi zuckte zurück und gab einen quiekenden, erschrockenen Laut von sich. Dann rieb er sich seinen Zeigefinger, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. „Ich hab was gespürt.“, hauchte er fassungslos und schüttelte dann den Kopf. Gerade wollte er weitersprechen, als sich auf dem mattgrünen Bildschirm schwarze Buchstaben zeigten. Sie erschienen Stück für Stück, langsam, als zögere derjenige, welcher sie eingab zwischendurch, als wäre er sich nicht sicher, was er schreiben sollte. «aya bist du da?» stand schließlich am oberen Bildschirmrand und Aya keuchte atemlos auf. Schuldig lächelte plötzlich. Er hatte es gewusst. Oh verdammt, warum hatte er sich täuschen lassen? Warum hatte er sich täuschen lassen von Leid und Kälte? Und vom Nebel. Omi, Ken und Yoji runzelten gleichermaßen die Stirn, bis Omi plötzlich ebenfalls verstand. Er wirbelte herum, stürmte die paar Schritte zu seinem Bett und packte Nagi an den Schultern. „Nagi!“, rief er, das Gesicht in Erstaunen, Hoffnung und Hilflosigkeit verzogen. Er war es. Er hatte das auf dem Bildschirm geschrieben. Er war noch da, irgendwo tief drinnen und er sprach mit ihnen. Schuldig trat zu Omi und legte ihm sanft die Hände auf die Schultern. Omi ließ Nagi sofort los und drehte den Kopf, um den Deutschen anzusehen. Schuldig sah die Tränen in Omis Augen glitzern und lächelte sacht. „Er kann dich nicht hören.“, sagte er leise und zog den Jungen auf die Füße. Omi schüttelte ungläubig den Kopf, den ließ er selbigen hängen. Was sollte das heißen? Schuldig führte Omi zurück zum leuchtenden Bildschirm, stellte sich hinter den Jungen und hielt ihn ein wenig fest. Das Gefühl für Omi war merkwürdig. Aber der Eindruck, den er gehabt hatte, als Aya und Schuldig sich umarmt hatten, hielt an. Und so ließ er sich von Schuldig halten. Omi fühlte, dass seine Knie schwach wurden, als er sah, was Aya inzwischen geschrieben und was in der kurzen Zwischenzeit geantwortet worden war. «dann ist es gut» «auf dem rückweg» Omi sah zu Aya, der ihm den Rücken zukehrte. Seine Schultern zitterten sichtlich und als Omi sich vorbeugte, um seinen Freund zu drücken, sah er die Tränen, die still über die Wangen des Weiß-Leaders liefen. Welch ein Gefühl musste es sein, fragte Omi sich und nahm Aya in den Arm. Der blieb gerade sitzen, nahm die Hände nicht von der Tastatur, schloss aber für einen kleinen Augenblick dankbar die Augen. Welch ein Gefühl musste das sein, die Worte eines Menschen auf seinem Monitor stehen zu sehen, den man leblos hinter sich auf dem Bett liegen wusste? Dann richtete Omi sich wieder auf, schüttelte ungläubig den Kopf und sah zu Schuldig hinauf. Der Schwarz hatte ein merkwürdiges, ruhiges Lächeln auf den Lippen, als wisse er als einziger schon längst, was hier vor sich ging. Das war allerdings etwas, das Omi nicht gerade sehr unwahrscheinlich erschien. Wer, wenn nicht Schuldig, konnte wohl wissen, was das alles auf sich hatte? „Das glaub ich nicht.“, murmelte Ken neben Omi und rieb sich über das Gesicht. Yoji nickte stumm. Sie beide verstanden nicht im Geringsten, was gerade passierte. Nun, irgendwie und irgendwo verstanden sie es schon. Aber weil es so unwirklich war, so ganz und gaer unmöglich erschien, sickerte die Erkenntnis nicht bis in ihr waches Bewusstsein hinein. Nur tief drinnen, wo Ken und Yoji nicht herankamen, an ihren Geist, da bahnte sich an, was später vielleicht Erkenntnis heißen würde. „Es ist wahr.“, erklang da Ayas Stimme. Leise und bedacht, die Worte wohl gewählt und mit spürbarer Anstrengung in der Stimme. Es musste ihm schwerfallen, zu sprechen. Omi lächelte. Ja, es war wahr. Aber was hatte es zu bedeuten? Was genau? «ich brauche hilfe» erschien da plötzlich und Aya nickte. Dann schüttelte er den Kopf. schrieb er zurück und musste nicht lange auf die Antwort warten. «ich brauche schuldig» Aya nickte. Er wandte sich zu dem Deutschen um, der ihm zunickte, als hätte er schon alles begriffen. Aya bezweifelte das nicht. „Ich helfe ihm. Bleib bei ihm.“, sagte Schuldig und hinterließ ein irritiertes Fragezeichen in Ayas Miene. Wie, bei ihm bleiben? Nagi lag doch auf dem Bett. Doch als Omi ein erstauntes Quieken von sich gab und Aya an der Schulter fasste, Aya sich wieder zum Monitor umdrehte und sah, was darauf erschienen war, verstand er Schuldigs Anweisung. Es war unglaublich. Zuerst liefen lauter schwarze Nullen und Einsen über den grünen Bildschirm. Sie liefen von oben nach unten, als fielen sie vom oberen Bildschirmrand hinunter, um in der Ewigkeit zu verschwinden. Dann plötzlich hielten die Ziffern inne, waberten einen Augenblick wie Pudding hin und her und formten sich schließlich zu einem unverkennbaren Gesicht. Sie rückten zusammen, oder auseinander, bildeten Schatten und Umriss, formten Licht und Mienenspiel und hatten schließlich ihre Positionen gefunden. Das Gesicht hatte die Augen geschlossen und wirkte friedlich. Aya keuchte fassungslos, als das Gesicht langsam, zögerlich, seine Augen öffnete und einmal, dann zweimal blinzelte. „Nagi?!“, keuchte Omi und sein Griff um Ayas Schulter wurde fester. Er brauchte ganz dringend etwas, woran er sich festahlten konnte. Sein Inneres zitterte und sein Äußeres drohte, dem nachzugeben und einfach auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen. Doch Omin hielt sich tapfer. Ken schüttelte den Kopf und starrte still weiter auf das, was vor seinen Augen geschah, aber die Tiefen seines Geistes nicht wirklich erreichte. Es war zu verrückt. Yoji jedoch lächelte ein wenig. Ganz plötzlich waren in ihm die Zweifel verschwunden. Mit dem ersten Augenaufschlag hatte ihn die Gewissheit durchdrungen, dass das Nagi war. Und das alles gut werden würde. Das Gesicht auf dem Monitor sah Aya an und ein schwaches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Aya schluchzte auf, schlug die Hände vor die Augen und sank in sich zusammen. Das war zuviel. Das war einfach zuviel. Omi trat zu Aya und hielt den schluchzenden Körper, bis der Weiß sich beruhigt hatte. Als Aya seinen Blick wieder hob und Omi ansah, sah der Blondschopf ein Lächeln auf den Lippen des Anderen, dass er noch nie zuvor gesehen hatte. Weder bei Aya, noch bei sonst jemandem. Es war ein Lächeln, das sagte ‚Ich hatte ihn verloren und ich habe ihn wiedergefunden‘. Es war selig und doch voller Verwirrung. Zutiefst erleichtert und doch voller fehlender Kraft. Es zeugte von dem Schmerz, durch den Aya gegangen war und von der Sanftheit und von dem Trost, der seinem Herzen jetzt Linderung verschaffte. „Es ist Nagi.“, wisperte Aya und schloss die Augen. Omi nickte lächelnd, drückte Aya noch einmal an sich und ließ ihn dann los. Aya musste bei Nagi sein. Das Gesicht hatte Ayas Zusammenbruch still zugeschaut. Es hatte gelächelt, warm und zart, bis Aya sich ihm wieder zuwandte. Dann schloss das Gesicht die Augen und das Bild erzitterte. Aya keuchte erschrocken, voller Angst, dass er Nagi wieder verlieren würde, das der Bildschirm wieder schwarz und leer wedren würde, doch plötzlich war Schuldigs Stimme in seinem Kopf. ~Er ist auf dem Weg~, sagte sie und Aya schluchzte vor Erleichterung auf. Ken und Yoji verließen ihren Posten hinter Aya und traten gemeinsam an Nagi heran, der auf dem Bett lag, leblos wie eh und je. Sie knieten sich ans Kopfende, während Schuldig ihnen gegenüber sanft, aber stetig, über Nagis Stirn strich und mit geschlossenen Augen etwas murmelte, was niemand verstand. Er sprach mit Nagi, wies ihm den Weg durch den Nebel, rief ihn mit seiner Stimme sowohl lautlos, als auch wahrhaftig zu sich. „Er ist auf dem Weg.“, sagte Aya in die neu entstandene Stille, was ihm solche Erleichterung verschafft hatte, sprach es laut aus, für all die, die Schuldig nicht hatten hören können und legte dann sacht und vorsichtig seine Hand auf den Bildschirm. Er strich zart über Nagis virtuelle Wange und spürte das leichte Knistern, als die statische Aufladung des Monitors sich entlud. Nagis Gesicht auf dem Bildschirm schloss die Augen und lächelte dankbar. Die Einsen und Nullen veränderten ihre Plätze, um dem Gesicht den Ausdruck zu verleihen, den Nagi mitteilen wollte. Und dann spürte Aya, wie das Gefühl an seinen Fingern sich veränderte. Da war die kalte Scheibe des Monitors, das leichte Prickeln, doch dann fühlte es sich plötzlich warm an und weich. Aya zuckte erschrocken zurück. Er hatte Nagis Wange gefühlt, da war er sich ganz sicher. Da war seine Haut gewesen, lebendig und zart. Aber wie unglaublich und verstörend war dieses Gefühl. ~Er kann dich spüren.~, sprach Schuldig in Ayas Kopf und zauberte ein dankbares Lächeln auf dessen Lippen. Aya schloss die Augen und bemühte sich, ganz für Nagi dazusein. Er wusste nicht wirklich, wie er ihm helfen konnte, seinen Weg zurück zu finden, aber er wollte es nur allzu gern versuchen. Omi sah, wie Nagi auf dem Monitor ebenfalls die Augen schloss und still lächelte. Irgendwie war das Bild der beiden Jungen, die sich auf merkwürdige Weise gegenüber saßen beruhigend und friedlich. Und dann half Schuldig an Nagis Seite dem Jungen, seinen Weg zurück in die Hülle seines leblosen Körpers zu finden. //2 Das erste, was Nagis Rückkehr zeigte, war das leichte Heben und Senken seines Brustkorbs. Es schlich sich so langsam ein, dass Ken und Yoji es erst bemerkten, als der Körper vor ihnen plötzlich einen tiefen Seufzer tat. Beide Jungen rissen die Augen auf und keuchten erschrocken. Schuldig lächelte und öffnete die Augen. „Er atmet.“, stellte er knapp fest und setzte sich neben Nagi auf das Bett. Er zog den Körper zu sich, bettete Nagis Kopf in seinem Schoß und legte ihm die Hände auf, wie er es schon einmal getan hatte, in der Kälte der Nacht. Doch da war es vergebens gewesen. Dieses Mal würde es klappen, er wusste es einfach. Von Schuldigs Ausruf aus den Gedanken gerissen, fuhren Omi und Aya gleichzeitig zu der kleinen Gestalt auf dem Bett herum und stürzten dann hinüber. Aya ergriff Nagis Hand und kniete sich neben Schuldig auf den Boden. Er wollte Nagi ganz nahe sein, wollte ihn spüren und ihn wiederum spüren lassen, dass er nicht allein war. „Ich bin hier.“, flüsterte Aya leise und Omi kniete sich lächelnd neben Ken und Yoji, die noch immer ungläubig auf Nagis Brustkorb starrten. Er hob und senkte sich gleichmäßig, ruhig und entspannt. Als hätte er nie etwas anderes getan. Als hätte er nicht fast zwei Stunden lang reglos verharrt. Als wäre all das nie geschehen, sondern nicht mehr, als ein böser Traum. „Ich hole ihn jetzt.“, sagte Schuldig in die erneut aufgestiegene Stille und verfiel dann in Schweigen. Gebannt, voller drängender Erwartungen, starrten vier Gesichter auf Nagis Augen. Schuldig konzentrierte seine gesamte geistige Kraft darauf, Nagi zu finden, ihm die Hand zu reichen und ihn zurückzubringen. Dann plötzlich, ohne Vorwarnung, einfach so, als sei es das Leichteste der Welt, öffnete Nagi die Augen und sah Aya an. Der Weiß-Leader schüttelte fassungslos den Kopf. Dann nahm er Nagi aus Schuldigs Händen, zog ihn zu sich hinab und drückte ihn fest an sich. Er weinte. Aber er spürte es kaum. Er spürte nur die Wärme, die in Nagis Körper zurückkehrte. Das sanfte Heben und Senken des Brustkorbes, der atmete. Den sachten Hauch von Nagis Atem auf seiner Wange, als er ihm tief in die Augen sah. Und dann diesen Blick. Nagi sah Aya an, sein Gesicht blieb reglos, schien geschafft und matt, doch seine Augen waren voller Leben. Und voller Dankbarkeit. Aya versank in diesen Augen, ließ sich von ihnen halten und tragen, auf seinem eigenen Weg zurück ins Licht, aus der Dunkelheit, die er erst jetzt, wo sie schwand, als das wahrnahm, was sie gewesen war. Schmerz. Minutenlang sahen die beiden Jungen sich an, niemand sagte ein Wort, niemand bewegte sich auch nur. Dann blinzelte Nagi und der Zauber war verflogen. Aya lachte erstickt auf, dann schluchzte er haltlos. Er drückte Nagi an sich, verzweifelt und Nagi hob langsam die Arme und legte sie um Aya. Dann weinte Aya und Nagi hielt ihn. Dann weinte Omi und Ken hielt ihn. Dann weinte Yoji und riss sich gleich wieder zusammen. Und Schuldig saß auf dem Bett, erschöpft aber glücklich und betrachtete die Szenerie, die sich ihm bot. Herrlich. „Du hast uns allen den Schock unseres Lebens verpasst, Kleiner.“, sagte Schuldig nach einer Weile in die Stille, die nur von gelegentlichem Schluchzen durchbrochen wurde. Nagi, noch immer an Ayas Brust gedrückt, öffnete die Augen und lächelte leicht. „Ihr habt ja förmlich danach geschrien.“, sagte er leise und seufzte dann tief. Schuldig lachte leise. Aya hob den Blick und sah erst Schuldig, dann Nagi fragend an. Seine Tränen versiegten, als der Sinn dessen, was er gerade gehört hatte, in sein Bewusstsein drang. Sollte das etwa heißen…aber nein, das war nicht möglich. Oder doch? „Nagi?“, sagte er tonlos und schüttelte ungläubig den Kopf. Das konnte niemand. Niemand war dazu in der Lage. ~Er schon.~, drang Schuldigs Stimme in Ayas Kopf und als er den Deutschen dann ansah, hatte sich wieder das altbekannte, freche Grinsen auf dessen Lippen gestohlen. Aya runzelte die Stirn. Er konnte es nicht glauben. „Es ist wahr.“, sagte da plötzlich Nagi und strich Aya sacht über die vom Weinen und der Anstrengung gerötete Wange. Es ist wahr?, wiederholte Aya in Gedanken und Nagi lächelte. Aya senkte den Blick. Und die Erkenntnis, die ihn dann traf, traf so tief, dass er minutenlang kein Wort mehr sagte. Bis Omi ihn aus seinen Gedanken riss. „Was ist wahr?“, fragte der Blondschopf, der zugleich erleichtert, aber auch verwirrt zu Nagi gekrabbelt war, um auch ein wenig von seinem wiedererwachten Freund zu haben. Er nahm Nagis Hand und lächelte. Nagi sah Omi an und dann wieder Aya. Dann setzte er sich auf, wobei Aya ihm sofort behilflich war, sah in die Runde und senkte den Blick. „Ich werde es euch erklären.“, begann er dann eine unglaubliche Geschichte, die allen – außer Schuldig, der wie immer schon Bescheid wusste – die Münder offen stehen ließ. //3 Nagi hatte sich im zweiten Stock des leerstehenden Hauses vergraben und wollte nichts, als allein sein. Er saß auf dem Flur, der Treppe direkt gegenüber und sah Aya bereits entgegen, als dieser die letzten Stufen erklomm. Er lächelte schwach, als Aya sich vor ihn hockte und ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Hey…“, sagte Aya leise und Nagi lächelte still. Er wollte, das Aya verschwand. Er wollte ihm nicht wehtun. Doch der Rotschopf setzte sich und sah Nagi fragend in die Augen. Nagi wich Ayas Blick aus. „Ich will das nicht.“, stellte er knapp fest und Aya sah zu Boden. Das war die Wahrheit. Noch nie hatte er jemandem so klar ins Gesicht gesagt, was er dachte. „Ich will mich nicht zwischen euch entscheiden.“, sagte Nagi und sah, dass Aya hörte, dass seine Stimme zitterte. Vielleicht würde er weinen. Doch als Aya seinen Blick wieder hob und Nagi ansah, verbannte dieser seine Tränen und ließ dem freie Bahn, was ihn ihm brodelte und kochte. Wut. Nagi ballte seine Rechte zur Faust und schlug mit ganzer Kraft auf den Boden. Er sah, wie Aya zusammenzuckte und stellte erschrocken fest, dass ihn das zufrieden machte. „Ich will das nicht!“, sagte Nagi dann lauter und sah Aya fest an. Seine Augenbraue zuckte und die offenstehende Tür neben ihnen flog mit einem ohrenbetäubenden Knall zu. Da war es, das Gefühl. Wut. Stärke. Aya sah das Holz splittern. Er griff nach Nagis Hand, doch der zog seine weg und schlug erneut auf den Boden. Er ließ sich nicht berühren. Nicht äußerlich und innerlich schon gar nicht. Nein, jetzt war er an der Reihe. Schluss mit Gefühlsduseleien, Schluss mit Rücksichtnahme. Endlich einmal musste gesagt werden, was zu sagen war, damit endlich alle verstanden. „Und ich werde es nicht!“, rief Nagi dann, starrte Aya fest in die Augen und ließ mit einem weiteren Schlag seiner Hand sämtliche Türen auf dem Flur zuknallen. Ja, da war sie, die alte Kraft. Sie strömte durch seine Adern wie süßer Honig. Nagi sah Aya erneut zusammenzucken. Er hob schützend seine Arme über seinen Kopf, als einige Holzsplitter um ihn herum stoben. „Hör auf damit, Nagi!“, bat er eindringlich und sah den Jungen entgeistert an. Doch Nagi schnaubte nur wütend und stand schwankend auf. Hör auf damit, Nagi? Nein, niemand sagte ihm, was er zu tun und zu lassen hatte. Das hier war sein Spiel. Seine Regeln. Sein Herz. Er hob eine Hand, drehte die Handfläche nach oben und das Holz, das sich von den Türen gelöst hatte, erhob sich in die Luft. „Nagi…“, hörte Nagi Aya gerade noch flüstern, als der ehemalige Schwarz seine Hand mit einer raschen Drehung umdrehte und die Holzsplitter an ihm und Aya vorbei und mit einem reißenden Knallen gegen die Wand geschleudert wurden. Aya keuchte auf. Nagis Blick ging durch ihn hindurch. Er starrte zu dem Fenster, durch das kaum Licht drang. Es kochte in ihm und er gab sich dem hin. „Niemand…“, sagte er und spürte selbst, wie mühsam die Worte über seine Lippen kamen. „Niemand hat das Recht…“, begann er nochmal und atmete schwer. Er spürte, dass seine Haare sich bewegten, als ob ein leichter Wind durch den Flur strich. Doch Nagi wusste von allen Menschen auf dieser Erde am betsen, das es hier drinnen windstill war. „NIEMAND HAT DAS RECHT, VON MIR SOWAS ZU VERLANGEN!!!“, schrie Nagi dann, außer sich vor Zorn und stieß seine Hand vor, in Richtung des Fensters. Das Holz zerbarst mit einem Knirschen und Krachen und Aya wich keuchend zwei Schritte zurück. Befriedigung und heiße Genugtuung durchströmten Nagis Herz. Er ballte die Hände wieder zu Fäusten, dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort von Aya ab, rannte den Flur entlang und sprang mit einem weiten Satz aus dem Fenster. Er drehte sich nicht um, er lauschte nicht zurück, kümmerte scih nicht um Aya, der zurückblieb, fassungslos und voller Sorge. Nein, Nagi lief nur, rannte, bis seine Lungen schmerzten, sein Herz hammerhart gegen seine Rippen schlug, seine Knie weich wurden und er einfach nicht mehr konnte. Da bog er in eine schmale Gasse, ließ sich auf die Stufe eines Hauseingangs sinken und schloss die Augen. Der Schnee fiel auf seine Haare und er war es, der Nagis unendliche Wut kühlte, sie letztendlich verdampfen ließ, wie heiße Lave, die auf den kühlen Ozean trifft. Nagi öffnete die Augen wieder, als er den Schnee bewusst wahrnahm. Er reckte das Gesicht gen Nachthimmel und nahm die kalten Flocken dankbar entgegen, ließ sich von ihnen beruhigen und lächelte schließlich. Jetzt wussten sie es alle. Jetzt bestand kein Zweifel mehr daran, wie Nagi über Aya und Schuldig dachte. Er hatte seinen Standpunkt klar gemacht. Aber was nützte das schon? Sie würden ihn finden, sie würden sich vielleicht sogar bei ihm entschuldigen, aber ändern würde das rein gar nichts. Sie würden ihn beide ansehen und dieselbe Entscheidung von ihm erwarten, die sie bereits jetzt von ihm wollten. Nagi biss sich auf die Lippe, als er darüber nachdachte, wie er es anstellen konnte, dass da mit ein für allemal Schluss war. Wie er es anstellen konnte, dass Aya und Schuldig sich vergaßen, nur noch daran dachten, was Nagi für sie bedeutete, die Waffen streckten und sich aufgaben, um nur noch das zu sein, was sie beide für Nagi waren – Freunde. Es dauerte nicht lang, bis Nagi den Weg, der ihn in die Tiefen, in die Weiten und schließlich, so Gott will, zurück in die Wärme tragen würde, vor sich zu sehen. Und es dauerte nicht lange, bis er sich entschied, ihn zu gehen. Er wusste, dass er es konnte, wenn alles glatt ging. Und das geringe Risiko, den Weg zurück nicht mehr zu finden, war er sofort bereit zu tragen. Weil er wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab, den ewigen Krieg zu beenden und endlich Frieden zu schaffen. Und so schloss Nagi unter dem schwarzen Nachthimmel und im kühlen Schnee des eisigen Dezembertages die Augen und konzentrierte sich. Er legte sich zurück, lehnte den Kopf gegen die harte Haustür hinter sich und fühlte nach seinem Herzen. Er lächelte still. Dann legte er seine innere Kraft wie ein Band um sein Herz und zwang es, langsamer zu schlagen. Er beruhigte es, zwang es von 90 auf 80 auf 60 Schläge. Dann, als er ganz ruhig war, richtete er seine ganze Konzentration auf die Muskeln, die das Blut durch seinen Körper trieben und befahl ihnen, inne zu halten. So hielt Nagi seinen Herzschlag an, verließ sein Geist seinen Körper und harrte darauf, in der kälter werdenen Stille, in der bedrohlicher werdenden Einsamkeit, dass Schuldig und Aya ihre Feindschaft aufgaben. Und darauf, rechtzeitig zurückkehren zu können, bevor das hauchdünne Band zwischen Nagis Geist und seinem nun leblosen Körper endgültig und unwiederruflich zerriss. //4 Als Nagi geendet hatte, waren vier Augenpaare auf ihn gerichtet und Schweigen umhüllte ihn, wie eine warme Decke. Er lächelte und nickte leicht. Dann sah er Aya an, der fassungslos auf ihn herabsah und immer wieder den Kopf schüttelte. Nagi hatte es getan. Er selbst. Er hatte sich getötet, um ihn und Schuldig zur Raison zu bringen. Aya konnte es nicht fassen. „Es ist mir egal, was ihr darüber denkt. Ihr wisst genauso gut, wie ich, dass ich keine andere Wahl hatte, als euch Idioten die Wahrheit vor den Kopf zu knallen.“, sagte Nagi ruhig, löste sich aus Ayas Armen und stand, ein wenig schwankend noch, aber dann sicher, auf. Nagi verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und lächelte tapfer. Ihm war nicht wohl bei der ganzen Sache. Die Blicke, die auf ihm ruhten beunruhigten ihn. Aber er wusste genauso gut, dass er keine Wahl hatte. Er hatte sich für den schweren Weg entschieden und er würde ihn bis zuletzt gehen. Und wenn er nicht auf das Verständnis traf, das er sich erhoffte, dann sollte es eben so sein. „Nicht ich hatte eine Entscheidung zu treffen, sondern ihr.“, sagte Nagi dann und sah Schuldig an, der seinen Blick unangenehm berührt beiseite wandte. „Ihr habt euch gegen euch selbst und für mich entschieden, dafür bin ich euch dankbar.“, sagte Nagi dann lächelnd und Omi vernahm den sanften Klang in seiner Stimme. Er war zutiefst beeindruckt. Davon, wie weit Nagis Fähigkeiten gingen. Und davon, wieviel er bereit gewesen war, einzusetzen, damit das, was ihn so quälte endlich ein Ende hatte. Und er war froh, dass nicht er der Grund für Nagis drastischen Schritt gewesen war. Welche Vorwürfe würde er sich dann machen! „Und jetzt sagt was, verdammt!“, rief Nagi dann, als ihm das Schweigen zuviel wurde. Er grinste, aber Omi wusste sofort, dass sein Grinsen bloß ein stiller Ruf nach einer Reaktion war. Aya sah Nagi an und hörte auf, den Kopf zu schütteln. Schuldig sah weiterhin stur an Nagi vorbei und sagte keinen Ton. Ken und Yoji knieten noch immer an derselben Stelle, die Münder offen und die Augen star auf Nagi gerichtet. Omi sah in die Runde und seufzte dann tief. „Leute, es kann nicht angehen, dass die Kleinsten sich am erwachsensten benehmen.“, sagte er dann, stand auf und tapste zu Nagi, um ihn in die Arme zu nehmen. Nagi grinste, nun ehrlich und erwiderte Omis Umarmung dankbar. Aya fuhr sich mit einem Aufseufzen durch die Haare und erhob sich dann ebenfalls. Doch anstatt zu Nagi zu gehen und es Omi gleichzutun, ließ er seinen inneren Schweinehund am langen Arm verhungern und streckte Schuldig seine Hand hin. Dann wandten sich vier Augenpaare dem ungleichen Paar zu, als der Deutsche den Kopf zu Aya drehte und ihn mit hochgezogener Augenbraue anstarrte. Aya schnaubte und stieß seine Hand knapp in Schuldigs Richtung. „Nimm sie schon, Schwarz.“, zischte er leise und Schuldig zauberte sein geliebtes breites Grinsen auf seine Lippen. Er blieb lässig sitzen, nahm jedoch nach einigen Augenblicken, die er Aya genüsslich zappeln ließ, Ayas Hand und schüttelte sie knapp. „Glaub ja nicht, dass ich gleich bei euch einziehe, Weiß.“, zischte Schuldig zurück, sah Aya fest in die Augen und ließ seine Hand dann wieder los. Aya zog die seine zurück, nickte knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. Er ignorierte Schuldigs freches Verhalten. „Vielleicht nächste Woche?“, fragte er und ließ das Grinsen von Schuldigs Lippen auf die seinen wandern. Schuldig zog die Stirn kraus und schaute so irritiert, dass Aya sich das Grinsen nicht mehr verkneifen konnte. „Komm schon, es ist sinnlos, es noch länger zu verbergen.“, meinte Aya und hob die Hände. Schuldig schnaubte, dann stand er auf. Dann grinste er ebenfalls und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper, wie Aya es zuvor getan hatte. ~Ich werde nicht sagen, dass ich euch mag, Weiß.~, schnaubte es ihn Ayas Kopf und der Weiß-Leader schickte Schuldig ein stilles Grinsen. Das war etwas anderes, als ‚Ich mag euch nicht‘, nicht wahr? Omi und Nagi, Ken und Yoji sahen zu Schuldig und Aya und irgendetwas sagte ihnen allen in diesem Moment, dass ihre Welt sich veränderte. In diesem Augenblick. Und zwar ganz gewaltig. Nagi lächelte, als er den verschmitzten Blick in Ayas Augen sah und denselben Blick in Schuldigs Augen wiederfand. Etwas geschah. Und es war etwas Gutes, das spürte er ganz genau. ~Sag es ihm.~ Was?! ~Sag es ihm!~ …das werde ich schon. Irgendwann. ~Sofort, verdammt!~ Da trat Aya zu Nagi und nahm ihn ohne ein Wort in die Arme. Nagi quiekte erstaunt und warf einen verwirrten Blick zu Omi, der nur ahnungslos die Schultern zuckte. Dann sah Aya Nagi fest in die Augen, neigte den Kopf, brachte seine Lippen ganz dicht an Nagis Ohr und flüsterte mit konzentriert gerunzelter Stirn und geröteten Wangen etwas hinein. Und Nagi schloss die Augen und lächelte still. Es störte ihn nicht, dass niemand es hörte. Es war nur für sie bestimmt. Für den, der es sagte. Und für den, der es hörte. Und für niemanden sonst. Und sogar Schuldig zog sich respektvoll aus Ayas Kopf zurück und behielt seine neugierigen, geistigen Finger bei sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)