What do you want from me von abgemeldet (a Craig x Tweek story) ================================================================================ Kapitel 1: stuck between day and night -------------------------------------- What do you want from me? 凸 Der weiße Schnee knarrte unter seinen Füßen, als wären es Holzplatten. Aber anders als modriges, morsches Holz gab er nicht nach. Er war festgefroren von den eisigen Temperaturen, die in South Parks Winter eben herrschen. Kalt. Ja… das war der perfekte Ausdruck. Für seine Finger und Zehen, die wahrscheinlich schon blau gefroren waren, genauso wie seine Wangen. Na gut, wahrscheinlich nicht, aber es fühlte sich verdammt noch mal so an. Er war eben ein sehr kälteempfindlicher Mensch. Obwohl der dunkelhaarige Junge glaubte, dass bei jedem weiteren Schritt seine Füße abbrechen könnten, von denen er nur den gefrorenen Schmerz wahrnahm, lief er weiter. Eilig. Hätte er noch fester auf seine Lippen gebissen, wären sie wahrscheinlich aufgeplatzt. Aber sollten sie doch. Wie konnte man nur so dumm sein? Wie konnte man so blöd wie dieser koffeinsüchtige Idiot sein?! Wenn er seiner braunen Brühe, die nach Kaffee stinkt so verfallen war, dann sollte er gefälligst dabei bleiben und sich nicht mit Alkohol abfüllen! Oder sich abfüllen lassen. Hatte er das überhaupt…? Bei diesen Gedanken verschnellerte sich sein Gang nur, wobei er aufpassen musste, nicht auszurutschen. Die Straßen waren spiegelglatt. Es war ja auch erst halb acht in der früh. Nicht einmal sie Sonne begnügte sich, mit ihren wärmenden Strahlen auf diese Kleinstadt zu blicken. Wieso hatte Token Tweek eigentlich eingeladen?! Er war doch der Vernünftigste von ihnen, der Intelligenteste. Ihm müsste es doch als erster wie Schuppen von den Augen gefallen sein, dass das nicht gut gehen konnte. Nicht, wenn ihm – Craig Tucker – Alkohol und Tweek zur Verfügung standen. Und ein leerer Raum… „Scheiße-!“ Gerade noch so konnte der Schwarzhaarige sich fangen, ehe er auf der vereisten Reifenspur der Straße ausrutschte. Und Tweek war mit dem Auto abgehauen… klasse. Weit konnte er doch nicht gekommen sein. Zuhause war er nicht. Die Karre stand nicht vor Tweak’s Café und anders wo konnte er sie nicht abstellen. Suchte Craig ihn überhaupt? Eigentlich hatte er sich eingeredet, er ginge nur spazieren, zu Starks Pond. Wieso raste er dann so und fühlte eine innere Unruhe, die ihn beinahe zerfetzte?! Bonzen haben einfach zu viel Alkohol auf ihren 18. Geburtstagsfeiern. Obwohl es Token war, der ja eigentlich darauf plädierte, zwei bis drei Bier würden reichen, er wolle sich ja keine Gehirnzellen wegsaufen. Aber scheinbar war er ein zu guter Gastgeber, als dass er diese Moralpredigt auf seine Gäste übertrug. Von Wodka, Jin, Whiskey, Bier, Sekt bis Cocktails und Longdrinks hatte der Farbige alles in Petto. Sogar einen engagierten Barkeeper. Wer konnte da schon widerstehen? Craig jedenfalls nicht. Jedenfalls nicht effizient genug. Aus dem guten Vorsatz; es nicht zu übertreiben, weil er Kater einfach hasste, wurde nichts. Zugegeben, so hackedicht wie Cartman oder Christophe, war er nicht. Im Endeffekt wünschte er sich aber, dass er es gewesen wäre. Es wäre nicht einmal so schlimm, wenn sich heute niemand mehr klar an das erinnern konnte, was am Vorabend geschehen war. Jeder – absolut jeder hatte einen sitzen. Jeder hatte kräftig in Tokens Vorräte und Angebote gegriffen, sogar die Mädchen. Jeder – außer Tweek. Während niemand ohne Bierflasche oder Cocktailglas unterwegs war, hielt er die ganze Zeit zitternd eine Kaffeetasse in der Hand. Natürlich wurde es nach spätestens zweieinhalb Stunden unerträglich, lauter betrunkene Schulkameraden um sich zu haben, wenn man selbst nüchtern war und zusätzlich aufgebracht von Koffein. Natürlich war es verständlich, dass man sich zurückziehen wollte. Aber wieso ist er nicht einfach nach Hause gegangen. Hätte sowieso niemand bemerkt. Wieso musste er sich in dieses leere Zimmer verziehen. Wieso war Craig noch nicht so betrunken gewesen, um es einfach nicht zu realisieren. Wieso war er ihm nur gefolgt… Ehrlich gesagt, es war schon längere Zeit her, seit Craig anfing sich für den zuckenden Jungen zu interessieren. Zuerst nur, weil es unterhaltsam war, wie er sich anstellte, vor Allem Angst hatte. Er war die perfekte Zielscheibe in der Grundschule, um auf ihm herum zu hacken und das eigene Image zu pushen. Spätestens nach ihrem kleinen Zwist in der dritten Klasse hatte Craig jedoch sehr wohl bemerkt, dass der Blonde ganz schön zuschlagen und sich wehren konnte. Diesem Zwischenfall folgte kurioserweise eine andauernde, recht enge Freundschaft, in der er mehr über Tweek erfahren durfte. Es waren angenehme Zeiten gewesen – ausgenommen der sonderbaren Vorkommnisse, die in South Park einfach nicht zu vermeiden waren. Ganz anders, als es im ersten Moment scheinen mochte, war es beruhigend in Tweeks Nähe zu sein. Wenn er nicht gerade von Unterhosenwichteln beklaut worden war oder unter Kaffeeentzug litt, konnte man sich wirklich gut mit ihm unterhalten und Spaß haben. Sein permanentes Zittern, das Zucken und gelegentliche Aufschreien fielen für Craig dabei nicht ins Gewicht. Außerdem bemerkte er in diesen Jahren, dass er eine beruhigende Wirkung auf Tweek hatte. Er war der einzige, der den Blonden aus seinen nicht seltenen Paranoiaanfällen ins Hier und Jetzt zurück holen konnte und das imponierte ihm schon etwas. Gleichzeitig löste es eine Art Beschützerinstinkt bei Craig aus. Nicht, dass er Tweek wie ein Haustier ansah, oder als wehrlos, aber irgendwie ließ sich das nicht zurückhalten. Und damit gab es auch keine Probleme. Bis sich der Tucker Junge einbildete, dass dieses seltsame Bauchkribbeln und der plötzliche Wortmangel, immer wenn er Tweek sah oder mit ihm zusammen war, doch Anzeichen dafür sein könnten, dass er mehr als nur die Freundschaft des Blonden wollte. Er begann ihn plötzlich in einem komplett anderen Licht zu betrachten. Nicht mehr das, was er im Unterricht sagte zählte, sondern wie er seine Lippen bewegte, wie er darauf herumkaute, wenn er nervös war. Nicht mehr die Farbe seines Kaffeebechers war interessant, sondern seine schlanken, zitternden Finger, die sich darum schlossen. Nicht mehr sein falsch zugeknöpftes Hemd, sondern die darunter hervorlugende, helle Haut zogen seine Blicke magisch an. Craig begann mehr auf Tweeks Körper zu achten als früher und entdeckte einfach nicht den kleinsten Fehler an ihm. Etwa vor einem Schuljahr hatte es angefangen richtig schlimm zu werden. Der Schwarzhaarige war kein Mensch, der sich gerne falsche Tatsachen einredete, also war das Problem nicht das eingestehen seiner homosexuellen Vorliebe zu seinem langjährigen Freund. Das Problem war, damit umzugehen. Eines stand schon immer über allen Gefühlen, die Craig Tucker jemals empfunden hatte. Sein Stolz und das Ansehen, das er sich über Jahre hochgehalten hatte. Diese beiden Komponenten schlossen es eindeutig aus, Tweek alles zu gestehen. Doch im Vergleich zu den unbedeutenden anderen Empfindungen, die er bisher hatte, war dieses um einiges stärker und schwieriger zu verdrängen. Er dachte, es würde sich mit der Zeit schon legen, wenn er einfach weniger mit Tweek unternahm. Das tat der Schwarzhaarige. Nun war es eskaliert. Nie wieder würde er nach logischen Entschlüssen, die er selbst gezogen hatte, handeln, versprach er sich, als er die Straße zu Starks Pond entlang schritt. Jedes Auftreten im Schnee machte ein leises, wütendes Geräusch, das in der angehenden Morgendämmerung verklang. Er war Tweek also in diesen Raum gefolgt. Er hatte weiß Gott wie lange nichts mehr mit ihm unternommen, hatte ihn lediglich in der Schule gesehen und selbst dort nur selten ein Wort mit ihm gewechselt. Sein Verlangen, sich mit dem Blonde auszutauschen, war schier ins unermessliche gestiegen, sie waren allein in einem Zimmer, der Jüngere starrte ihn aus seinen kaffeebraunen Augen an und er – Craig – war halb betrunken. Ob Tweek ihn noch gefragt hatte, wieso er auch hier war, wusste er nicht mehr. Alles, an das er sich erinnern konnte war, dass er die Tür abgeschlossen hatte, den Blonden zu sich gezogen und ihm ohne Vorwarnung seine Zunge in den Hals gesteckt hatte. Tweek hatte versucht sich zu wehren, hatte fast panische Anfälle bekommen, wie es eben üblich für ihn war, wenn man sich ihm schlagartig mehr als einen Meter näherte. Doch der Schwarzhaarige hatte nicht aufgehört. Bestimmend packte er sich beide Handgelenke des Blonden, hielt ihn fest und zwang ihn letztendlich in die Knie. Craig war wie gesagt nicht total dicht, konnte sich noch zu gut an das alles erinnern, vielleicht gerade weil es die Erfüllung seines innersten Verlangens war. Es hatte nicht lange gedauert bis er Tweek sämtliche Klamotten gewaltsam vom Leib gerissen hatte. Selbst wenn er nicht mehr ganz zurechnungsfähig war, konnte er jedoch nicht verstehen, warum der Blonde nicht weggelaufen war. Sicher, anfangs war er überrumpelt gewesen. Doch nach und nach wurde sein Widerstand immer schwächer. Er unternahm Nichts um den Größeren aufzuhalten, im Gegenteil. Ab einem gewissen Zeitpunkt erwiderte der Blonde die mehr oder weniger Zärtlichkeiten, die der Schwarzhaarige an seinem Körper auslebte. Bis er die Arme um Craigs keuchenden Körper schlang und sich seinen Stößen hingebend entgegendrückte. Er verstand es nicht und wollte es damals nicht verstehen. Es konnte Tweek doch nicht gefallen von seinem betrunkenen Schulfreund vergewaltigt zu werden?! Auf der Geburtstagfeier eines Klassenkameraden! Der Schwarzhaarige hatte nicht einmal ein einziges Wort gesagt. Es ging ihm allein um den physischen Kontakt mit Tweek, nach dem er sich so lange und so sehr gesehnt hatte. Dass sich Tweek am nächsten Morgen daran erinnern konnte war ihm klar. Und davor hatte er Angst. Sobald er wieder nüchtern und mit offener Hose neben dem noch friedlich schlafenden Jungen in diesem Zimmer aufwachte, überrollte ihn die Welle der Tatsachen, die seltsamerweise immer noch in seinem Gedächtnis waren. Wie sollte er DAS erklären? Er konnte Tweek nicht sagen, dass er ihn liebte, oder zumindest attraktiv fand. Erstens würde allein diese Formulierung schon Probleme aufweisen und noch viel gravierender wären die Folgen, die es auf sein Image hatte. Wie konnte der Schläger und coole Typ Craig Tucker schwul sein - Mit Tweak Tweek dem Kaffee-Spast?! Niemand würde das verstehen, weil einfach niemand in Tweek das Besondere sah, das er an sich hatte. Auch wenn Craigs Gewissen sich seinem Vorhaben quer stellte, es führte kein Weg daran vorbei. Jedenfalls nicht, wenn er so weiter leben wollte wie bisher. Er wollte weder sein routiniertes Leben, noch sein Image und vor allem nicht Tweeks Freundschaft zerstören. Seine Feinfühligkeit sagte ihm zwar schon seit längerem, dass seine Liebe vielleicht gar nicht so aussichtslos war und die letzte Nacht hatte ihm das nur noch bestätigt. Doch das stempelte er als Wunschvorstellung ab. Nein, jetzt nachzugeben, so wie er es gestern getan hatte, wäre der falsche Weg. Craig Tucker musste jetzt den Mist aufräumen, den er sich eingebrockt hatte. Also weckte er Tweek auf und redete mit ihm. Und dieses Mal war es nur er, der redete. Denn der Blonde starrte ihn einfach nur die ganze Zeit an, als Craig ihm mit seiner gewohnten, gelangweilten und monotonen Stimme erklärte, dass es ein böser Ausrutscher gewesen sei. Dass es nichts – er wiederholte – GAR NICHTS zu bedeuten hätte. Er war doch nicht schwul... nein… er doch nicht… Die Träne, die leise Tweeks Wange herab rann, ließ ihm jedes weitere Wort im Hals stecken bleiben. Diese unglaublich enttäuschten Augen, die ihn während einem stummen, kaum merkbaren Kopfschütteln musterten, waren wie ein Schlag in die Magengrube. Und der Schlag sollte nicht imaginär bleiben. Das Klatschen von Tweeks offener Hand gegen seine Wange riss Craig aus seinem Delirium, jedoch zu spät um Tweek, der aus dem Raum flüchtete, noch aufzuhalten. Natürlich war er ihm hinterher gerannt, doch er hörte schon in Tokens langem Flur das übereifrige Quietschen von Autorädern. Tweek war dann wohl weg… Und ohne sich von den noch schlafenden Gästen zu verabschieden rannte er ihm hinterher. Bis er es irgendwann leid war. Wie konnte man nur so dumm sein wie Craig Tucker?! Mit einem stoßartigen, reuevollen Seufzen hauchte er seinen sichtbar werdenden Atem in die Kälte und schloss für einen Moment seine Augen. Warum musste das verdammte Leben auch so kompliziert sein. Ein gleißendes Licht fiel auf seine Augenlider und er schlug sie auf, gerade rechtzeitig um das erste, orange-gelbe Glühen der aufgehenden Sonne zu sehen. Es war schön, aber genauso kalt wie die Umgebung, wie der Schnee, der anfing zu schillern und das Eis auf der Seeoberfläche wurde in ein kühles Rot getunkt. Er war an Starks Pond angelangt. Irgendwie roch es komisch, fast verbrannt. Aber vielleicht war er einfach nur fertig und halluzinierte. Ein paar Sekunden wünschte sich Craig die Welt würde nun anhalten. Sollte es doch niemals vollkommen Tag werden. Es wäre nur ein weiterer Tag, an dem er sich mit Problemen quälen musste. Er könnte ewig in diesem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, in der morgendlichen Stille der Stadt verweilen. Einfach stundenlang ungestört und allein auf den zugefrorenen See blicken und den Blonden Jungen, der davor auf einem Stein saß. … Moment… Craig musste zweimal hinsehen. Aber er bildete sich das nicht ein. Es war wirklich Tweek, der vollkommen regungslos auf diesem wahrscheinlich eiskalten Stein verweilte und in den Sonnenaufgang blickte. Eine fast schon unerträgliche Aufregung und Angst zuckte durch den Körper des Schwarzhaarigen, als er das realisierte. Schon ironisch. Scheinbar flüchteten sie sich an denselben Platz, an dem sie glaubten, ihrer Misslage wenigstens für einen Moment entkommen zu können. Langsam schritt er auf den Blonden zu. Er konnte ihn ja nicht einfach so hier sitzen lassen, wenn er ihn schon von Tokens Party vertrieben hatte. Jedes Knarzen des Schnees unter seinen Schuhen empfand der Schwarzhaarige plötzlich als verratend laut. „Tweek“, es war ihm einfach zu blöd sich noch einmal unangekündigt anzuschleichen. Doch der Blonde reagierte nicht. „Tweek“, wiederholte er. Auch wenn er sich um Monotonie bemühte, es wollte nicht ganz klappen. Egal, was er sich einredete, er fühlte sich schuldig. Dabei hatte er doch nur das Beste für ihre Freundschaft gewollt. Schließlich stand er direkt hinter dem sitzenden Jungen, der sich noch immer nicht gerührt hatte. „Tweek… was machst du hier?“ Zugegeben es war ein unpassender Anfang, wenn man bedachte, was er vor weniger als einer Stunde abgezogen hatte. Aber wie sollte er denn sonst anfangen, wenn nicht so, als wäre nichts gewesen? Kein Wunder, dass ihn der Andere nicht ansah. „Ich weiß nicht. Ich sehe mir die Sonne an. Und du?“ Tweeks Antwort war nüchtern. Craig fiel auf, dass er gar nicht zitterte. Es war schon ein seltsamer Anblick, gerade bei der Kälte und er hatte lediglich sein Hemd. Doch der Schwarzhaarige richtete seinen Blick nicht lange auf Tweek, da ihm beim Anblick seines Körpers erneut die Bilder von letzter Nacht durch den Kopf schossen. Dieses wärmende Gefühl, welches dabei in ihm aufkam, war doch nichts weiter als verblendete Imagination. „Hör mal… ich weiß, das was ich gesagt habe heute… das war falsch, aber…“ Craig konnte nicht glauben, dass er nun tatsächlich wieder damit anfing. Doch er würde noch platzen, wenn er dem jetzt nicht Luft machen würde. „Was?“ Tweeks Frage klang nicht einmal rhetorisch, sondern ernst. Dennoch dachte er sich nichts dabei. „Ja… können wir das nicht einfach... vergessen und noch einmal von vorn anfangen?“ Dieser fast schon unterwürfige, demütigende Versuch die Situation zu retten, klang sogar in seinen Ohren bescheuert. Jedes Wort aus seinem Mund war verzweifelt und dem aussichtslosen Unterton war zu entnehmen, dass Craig das selbst weder wollte, noch konnte, was er Tweek da vorschlug. „Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob wir das können, weil ich nicht weiß, von was du redest.“ Tweeks bedenkenlose Antwort machte Craig nun doch etwas stutzig. Zumindest drehte der Blonde seinen Kopf nun zu ihm und blickte ihn an. Nicht wütend, nicht nachtragend oder anklagend. Er sah vollkommen unbeeindruckt aus, beinahe emotionslos. Craig hatte zumindest gedacht, er wäre furchtbar enttäuscht. Aber keine Träne lief seine Wangen hinab. Dafür etwas anderes. Die Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich in Entsetzten, als er die klaffende Wunde an Tweeks Kopf sah. Seine hellen Strähnen über der Stirn waren blutverklebt und die rote Flüssigkeit rann über sein rechtes Auge bis zu seinem Hals hinab, schon halb getrocknet vom eiskalten Wind. „Scheiße- Tweek?! Was ist passiert?!“ „Was machst du eigentlich hier?“ Die etwas irritierten Worte des Blonden vollkommen ignorierend, starrte Craig mit offenem Mund und wachsender Panik auf die Wunde. Jetzt erst fiel ihm auf, dass Tweeks Kleidung schmutzig war, als wäre er hingefallen. Sein seegrünes Hemd war an manchen Stellen aufgerissen und zerschlissen, genauso wie seine Hose. „Was in Gottes Namen ist dir passiert?!“, eilig machte er einen letzten Schritt auf den Jüngeren zu, wollte seine Hände an Tweeks Wangen legen und die Verletzung genauer betrachten. Doch dazu kam es nie. Entsetzt lehnte sich der Blonde nach hinten, als Craig sich ihm näherte und schlug mit einer schnellen Handbewegung die Finger des Schwarzhaarigen von sich. „Was soll das?! Was willst du von mir?!“ „Was-?! Tweek! Jetzt zick nicht rum, du bist verletzt, du musst ins Krankenhaus! Sag mir was passiert ist-“ „Ich weiß es nicht!“, empört rief ihm der Blonde dies entgegen, während er aufstand und einen Schritt zurück machte. Ihn schien es ernsthaft nicht zu kümmern. Ein sarkastisches Auflachen entkam Craigs Kehle. Dass Tweek sich so dermaßen aufspielen würde, hätte er nicht erwartet. „Verdammt noch mal hör auf damit, ich meins ernst, Tweek!“, bestimmend griff er sich nun die Handgelenke des Kleineren, worauf dieser fast schon wütend aufschrie und sich loszureißen versuchte. Seine funkelnden Augen stachen sich beinahe schmerzhaft in die von Craig. „Lass mich! Was verdammt noch mal willst du von mir?! Und wer ist Tweek?! Renn doch zu ihm, wenn du ihn suchst!“ Mehr als ein ‚A-’ entkam seinen Lippen nicht mehr und der Größere blickte den Jungen, den er festhielt, verwirrt an. Craig musste sich verhört haben, oder Tweek war nun vollkommen übergeschnappt. Er hatte das ‚neu anfangen’ wohl etwas zu ernst genommen. Anders konnte es doch nicht sein. Was… hatte er da gerade gemeint…? „Wie…? Aber du bist…“, erst jetzt stieg ihm der verbrannte Geruch verstärkt in die Nase und bewegte den Älteren dazu, seine Augen von dem ärgerlichen Jungen zu nehmen. An einem Baum, nicht weit weg von der Straße, stand ein qualmendes, total beschädigtes, leise zischendes Auto. Es war frontal gegen den dicken Stamm gerast, das Blech der Motorhaube in der Mitte zusammengedrückt und aufgewellt, die Frontscheibe restlos zersplittert und die Fenster zumindest teilweise. Die Fahrertür war offen. Fußstapfen führten vom Auto weg, orientierungslos durch die Gegend. Bis zu ihnen. Es war Tweeks Auto. Craigs Herz blieb stehen. Ungläubig starrte er auf den Haufen nutzlosen Blechs. Der Baum dahinter war leicht eingebeult und rußgeschwärzt. Sein Griff um Tweeks Hände erschlaffte. Alles in ihm schien langsam herunterzufahren, ganz tief herunter… so tief, wie er noch nie gesunken war. Sofort befreite sich der Blonde ruckartig. Das flaue Gefühl, eine Mischung aus Angst, schlimmer Befürchtungen und Hoffnung, welches sich mit jedem Atemzug zu intensivieren schien, machte das Luftholen plötzlich schmerzhaft und schwierig. „Du… wie bist du hier her gekommen…?“, seine zitternden Pupillen fixierten immer noch das verunglückte Fahrzeug. Seine Stimme war tonlos, viel leiser und unbestimmend. „Ich hab doch schon gesagt, ich weiß es nicht!“ Craig schluckte. Fühlte diesen schon lange nicht mehr dagewesenen Kloß in seinem Hals. Langsam, fast ängstlich richtete er seinen Blick endlich von dem rauchenden Auto auf den blonden Jungen, der ihn immer noch misstrauisch musterte, „hast du …weißt du… wer ich bin?“ Craigs Lippen zitterten. Nicht wegen der Kälte. Ein innerliches Flehen machte diese wenigen Millisekunden unerträglich, die zwischen seinen und Tweeks Worten lagen. „Nein!“, schallte es harsch zurück, „und ich will es auch nicht wissen! Also was willst du von mir?!“ Ein Zucken durchfuhr ihn. Sein allerletzter Funke Hoffnung wurde schlagartig von einer eiskalten Flut und dem wütenden Blick seines Gegenübers ausgelöscht. Craig konnte nicht sagen, ob sein Herz gerade panisch versuchte den Schmerz, den es erlitt, durch schnelleres Schlagen zu verdrängen, oder ob es sich gar nicht mehr rührte. Er war blass. Das konnte nicht sein… „Die Schule? Kyle – Stan?! Ihre bescheuerten Abenteuer- ?!“ Es waren keine Fragen mehr, die er ihm entgegen warf, es waren nur noch Stichpunkte, verzweifelte Worte, von denen er hoffte, dass sie dem Blonden einen Anhalt gaben. „Was? Was laberst du? Wer ist Kyle? Ich bin hier nie auf eine Schule gegangen“, Tweek wich weiter zurück, doch Craig ließ ihn nicht. Ruckartig packte er seine Arme, hinderte ihn daran sich auch nur noch einen Zentimeter weiter von ihm zu entfernen. Doch scheinbar war es dafür zu spät. Denn Tweek war schon lange weit, weit weg. „Doch! Mr. Garrison, unser schwuler Lehrer, du musst dich doch an ihn erinnern – An deine Eltern, das Café-“ Verzweifelt versuchte der Schwarzhaarige irgendeinen, wenn auch noch so kleinen Anhaltspunkt in den braunen Augen zu finden. Irgendetwas Bekanntes, Vertrautes. Einen winzigen, brüchigen Grashalm, an den er sich klammern konnte. „Verdammt, nein! Lass mich endlich los!“ Doch er fand nichts. „…Tweek…“ Er konnte es nicht fassen. Das musste ein Traum sein. Der schlimmste, den er je hatte. Er wollte aufwachen. „Wer zur Hölle ist Tweek!? Lass mich gehen!! Lass los!“ Sein gesamter Körper wurde machtlos. Kraftlos. Er wollte einfach in die Knie sinken und weinen. Er wollte dem anderen in die Arme fallen, ihn bitten mit dem Scheiß aufzuhören, aber er wusste, dass es kein Witz war. Erneut riss der Blonde sich los. Starrte ihn keuchend und misstrauisch an. Dieser Junge vor ihm war nicht Tweek. Der Junge, in den er verliebt war, stand vor ihm und war verschollen. Wie betäubt stand der Schwarzhaarige da. Wunderte sich, woher seine Beine die Kraft nahmen, ihn noch zu tragen. Er konnte nicht aufhören auf den blonden Mann zu blicken. Er konnte es nicht glauben. „Was glotzt du so?!“ Erneut ging ein Ruck durch Craigs Körper. Wie von selbst setzte er sich in Bewegung, packte die Hand des Jüngeren und zog ihn hinter sich her. „H-Hey! Hab ich dir nicht gesagt-“ „Du blutest. Du bist verletzt. Ich bring dich ins Krankenhaus. Dagegen wirst du ja wohl nichts einzuwenden haben, weil du nicht weißt, wo es ist, nicht wahr?“ Seine Stimme war dunkel, fast wie immer, wenn ihn etwas aufregte. Er ging mit schnellen Schritten, blickte nicht zurück. Der Blonde murrte nur hinter ihm, ließ sich aber widerwillig führen. Stellte keine Fragen. Die Sonne bestrahlte den Schnee in einem fröhlich kalten Orange. Lachte schadenfroh einem neuen Tag entgegen. Warum war er nur mit dem Auto gefahren? Kapitel 2: the first step down ------------------------------ Sou~ nach einem Monat warten geht's jetzt endlich weiter xD' Ich wollte mich nur noch mal ganz, ganz herzlich für die lieben Kommentare bedanken, hab mich wirklich über jedes sehr gefreut ~ Und genauso hoffe ich, dass euch die Story weiterhin gut gefällt~ ^.^ naja, nun aber viel Spaß beim Lesen~ n_m_g ___________________________________________ Die weißen Wände in jedem Zimmer des Krankenhauses sahen gleich aus. Genauso blass wie die Patienten, genauso kalt, wie der Schnee. Hier und da hing mal ein modernes Kunstwerk, bei dessen Anblick man sich fragte, ob die kahle Wand nicht schöner wäre. Craig saß auf einem schwarzen Stuhl und begutachtete von dort, wie der Doktor an Tweeks Bett saß und ihm scheinbar einige Fragen stellte. Seine Verletzungen schienen gut verbunden und behandelt zu sein. Er verstand nicht alles, über das sie sprachen, nur Bruchteile. Der Blonde blickte den Mann in Weiß nur emotionslos an, sah kein einziges Mal zu dem Schwarzhaarigen herüber. Das war ja weiterhin nichts Schlimmes, trotzdem gefiel ihm der Ausdruck und diese Gleichgültigkeit in Tweeks Augen nicht. „Kannst du mir noch einmal schildern, an was genau du dich erinnern kannst?“, der Arzt kritzelte auf seinem Block weiter, sah Tweek dann aber aufmerksam an. „Ich weiß es nicht, wie oft denn noch? Ich bin aufgewacht, aus dem Auto gestiegen und wusste nicht wo ich bin. Also hab ich mich ans Wasser gesetzt und bin dort sitzen geblieben.“ Der Blonde schilderte es mit einem gleichbleibenden, ruhigen Ton. Kein Zucken unterbrach ihn. „Weißt du, wie du deine Verletzungen bekommen hast?“ „Nein. Ich habe sie nicht einmal bemerkt“, gestand er. „Na“, schmunzelte der Arzt, „dann hast du ja noch einmal Glück gehabt. Deine Verletzung ist zwar schnell versorgt gewesen, aber wenn du noch weiter Blut verloren hättest, wäre das nicht so einfach gewesen. Du hast deinem Freund ganz schön viel zu verdanken.“ Der Doktor lachte etwas, Tweeks Mine veränderte sich nicht. Sein Blick wanderte nur ungeniert und misstrauisch zu Craig. Dieser wich jedoch aus. Er wusste nicht wieso, aber er konnte ihn nicht ansehen. Er wollte nicht so von ihm angesehen werden. „Oh… stimmt ja… kannst du dich an ihn auch nicht erinnern?“ „Nein…“ „Naja, dann… möchtest du dich nicht vorstellen?“, der Vorschlag war nett gemeint, doch Craig zückte nur seinen Mittelfinger, ohne sich die Mühe zu machen den Doktor anzusehen oder etwas Erläuterndes von sich zu geben. Die Gestik der Tuckers war schon beinahe jeder in South Park gewohnt, weshalb sich der Mann in Weiß nicht beleidigt fühlte. Besonders er kannte die beiden recht gut, da sie nach ihrem Kampf in der dritten Klasse von ihm behandelt wurden. Seufzend wandte sich der Mann wieder zu Tweek. „Dieser Junge ist Craig Tucker.“ „… Craig?“, wiederholte der Blonde leise, seine Augen nicht von dem Schwarzhaarigen nehmend. „Ja. Ihr wart lange Zeit Schulfreunde-“, die Versuche des Arztes Tweek die früher herrschende Beziehung zwischen den beiden zu erläutern, wurden uninteressiert von dem verletzten Jungen unterbrochen. „Schön, mag sein. Daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern.“ Craigs Eingeweide zucken und verkrampften sich seltsamer Weise bei dieser neutralen und einfach angenommenen Feststellung von Tweek. Seinen Kopf und auch den Großteil seines Körpers, immer noch von den beiden abgewandt, versuchte er darauf keine äußerliche Reaktion zu zeigen. Unbemerkt und langsam krallte er seine Finger an den blauen Stoff seiner Jacke, drückte mit seiner Hand gegen seinen Magen, in der Hoffnung, dass es dieses unangenehme Gefühl stoppen würde. Das Seufzen des Arztes und das Kratzen seines Stuhles am Boden, als er sich erhob, ließen Craig aufhorchen. Der Mann sagte noch etwas zu Tweek, dann hörte der Schwarzhaarige ihn auf sich zukommen. Schleunigst nahm er seine Hand von seiner Jacke und löste seine Zähne aus seiner Unterlippe. Ganz normal und monoton blickte er den Arzt an, als er ihn bat mit vor die Tür zu kommen. Das leise Klacken des Türschlosses riegelte sie schließlich von Tweeks Präsenz ab. Langsam folgte Craig dem Mann in Weiß auf eine der freien Bänke. „Hör zu Craig, die Sache ist die: Tweek hatte allem Anschein nach einen Autounfall und kann sich an nichts mehr erinnern“, er machte eine kurze Pause und wartete auf Craigs Zusicherung, zuzuhören, die dieser ihm durch ein Nicken gab, „leider bezieht sich der Verlust seines Gedächtnisses nicht nur auf eine Zeitspanne von Stunden oder Tagen vor dem Unfall. Er kann sich an rein gar nichts mehr erinnern. Nicht daran, wer er ist, wer seine Eltern und wer seine Freunde sind, woher er kommt – es ist einfach alles weg.“ Mit jedem Wort das Craig hörte zogen sich seine Innereien erneut zusammen. Das hörte sich überhaupt nicht gut an. „Also… eine Amnesie?“, fragte er und zu seiner Verwunderung klang seine Stimme ganz normal. Als wäre nichts mit ihm los. Der Arzt lachte kurz, schaffte es dadurch aber nicht, die Situation aufzulockern, zumal sein Lächeln bald in eine erneut ernste Mine verfiel, „Amnesie ist ein weiträumiger Begriff. Es gibt dutzende Arten von Gedächtnisschwund. Eine dissoziative Amnesie können wir zum Glück ausschließen, da diese nicht durch Schädelhirntrauma hervorgerufen wird, was bei Tweek wohl sehr wahrscheinlich passiert ist. Ich fürchte, dass er während des Aufpralls bei seinem Unfall nicht nur die äußere Wunde davon getragen hat, sondern dass er innere Blutungen in seiner rechten Gehirnhälfte hatte. Sollten diese stark gewesen sein oder erneut vorkommen, kann es weitere psychische Schäden einleiten oder lebensbedrohlich werden. Doch so wie der Junge aussieht, scheint dies glücklicherweise nicht der Fall zu sein und er wird sich schnell erholen, wir werden heute noch eine Kernspinduntersuchung durchführen, um uns abzusichern. Jedoch zeigt er Anzeichen von Analagesie und Depersonalisation…“ Craig hob nur eine Augenbraue, da der Arzt in Gedanken versank. „Und das heißt…?“ „Oh“, der Mann lächelte entschuldigend, „er ist relativ schmerzunempfindlich und seine Person und sein bisheriges Wesen scheinen komplett verändert zu sein. Letzteres ist oft bei lokalisierter Amnesie zu beobachten und legt sich meistens wieder, sobald die Personen anfangen sich an ihre Vergangenheit zu erinnern, aber…“ Bei diesem ersten Teil wagte Craig es beinahe schon wieder Hoffnung zu schöpfen. Doch diese schlug den sofortigen Weg nach unten ein, als er das kleine Wörtchen am Schluss hörte. „…aber es sieht leider nicht so aus, als würde es bei ihm einfach werden. Zumal es sich nicht nur um eine lokale Amnesie, sondern eher um eine systematische handelt. Falls sein episodisches Gedächtnis von den Hirnblutungen beschädigt wurde, heißt das, dass ein Großteil seiner Emotionen und persönlichen Erinnerungen verloren gegangen ist. In diesem Fall unwiderruflich.“ „Was-“, die Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich. Er bekam kurzzeitig keine Luft mehr und seine Pupillen fixierten den, ihn nicht ansehenden Arzt, starr. „heißt dass… dass er nie wieder der Alte wird…?“ Seine Lippen zitterten ungewollt, dämpften und drückten die Lautstärke seiner Worte gezwungen herab. „Wir wissen wie gesagt noch nicht, ob das der Fall ist. Wir werden einige Tests durchmachen und danach eine Lösung suchen. Er wird auf jeden Fall an klinischen Behandlungen teilnehmen, die darauf ausgerichtet sind, das Gedächtnis wieder in Schwung zu bringen. Die Medizin hat auf diesem Gebiet schon einige Fortschritte gemacht, keine Sorge.“ Er wollte das nicht annehmen, trotzdem nickte Craig zögerlich, worauf der Arzt weiter sprach. „Doch vor allem ist es wichtig, dass er mit seiner Familie oder seinen Freunden versucht sich an Dinge zu erinnern. Bekannte Orte, an denen sich Momente abgespielt haben, die ihm wichtig sind, die ihn vielleicht geprägt haben, Tätigkeiten, die er routiniert erledigt hat – das sind die bedeutendsten Faktoren, um seine Erinnerungen wieder herzustellen. Selbst wenn die Aktivierung seines episodischen Gedächtnisses geblockt sein sollte, ist es möglich, durch die Konfrontation solcher Situationen, es wieder in Gang zu bringen.“ Craig legte den Kopf etwas schief. „Sie meinen, er soll nicht hier bleiben, sondern gleich wieder nach Hause?“ „So schnell wie möglich! Mit jedem Tag, an dem er keine Fortschritte macht, besteht die Gefahr, dass sein Gedächtnis endgültig zerfällt. Und wenn er in sein bisheriges Leben einsteigt, auch wenn er nicht weiß, dass es das ist, ist die Chance auf ein Wiedererinnern am größten. Du hast doch sicher schon einmal von diesen berühmten ‚Geistesblitzen’ gehört, die Leute mit Amnesie manchmal haben.“ „Ja.“ „Das ist nicht nur ein billiger Trick, um Filme spannend zu machen, es ist wirklich wahr. Erinnerungen können sich manchmal über Jahre im Gehirn halten, im Unterbewusstsein. Je früher man sie wieder erlangt, desto stärker sind sie.“ Craig hielt sich seufzend eine Hand vor die Stirn, schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Mal davon abgesehen, dass ihm sein Kopf nun von Fachbegriffen, X-tausend Arten von Amnesien und deren Auswirkungen schwirrte, hatte er nur so viel verstanden, dass es ernster war, als er gehofft hatte. Schöne Scheiße. Jetzt war Tweek wirklich ein psychologischer Patient. Das, wovor er sich so gefürchtet hatte. Der Blonde hatte immer Angst davor gehabt, dass ihn sein Vater in eine Anstallt schicken würde, weil er immer noch Unterhosenwichtel sah. Und jetzt war er in einer. Zwar nur für Gedächtnistraining, aber er war in einer. Er würde dort genauso behandelt werden, wie jeder andere Verrückte. Der Schwarzhaarige fühlte die Hand des Doktors auf seiner Schulter, die ihn fest und zusichernd drückte. „Ich weiß, dass ist nicht angenehm für dich. Es wird für alle seine Freunde eine Umstellung sein, ebenso für seine Familie. Ich werde seine Eltern anrufen. Wenn du willst, kannst du hier bleiben.“ „Nein“, Craig setzte sich wieder aufrecht hin und öffnete die Augen, sah den Arzt kurz an, „ist schon gut. Ich geh heim.“, damit erhob er sich und wandte sich ohne ein weiteres Wort der Treppe zu, die ins Erdgeschoss führte. Der Doktor nickte verständnisvoll, was er nicht mehr mitbekam. „Craig“ Das Rufen des Mannes ließ seine Schritte noch einmal verebben und er blickte sich um. „Ich weiß, dass ihr euch schon lange und gut kanntet. Du kennst ihn vielleicht sogar besser als jeder andere. Ich sage das nicht ohne Grund, er war oft bei mir wegen Tabletten und ich habe einen kleinen Einblick in sein Leben bekommen… auch wenn es nicht leicht wird, bitte versuche ihm zu helfen. Tweek braucht dich gerade jetzt mehr als jemals zuvor.“ Einen Moment lang schwieg er. Nur langsam hob er den Arm und zeigte dem Arzt seinen Mittelfinger. Natürlich würde er ihm helfen. Dann wandte er sich ab. Und nahm die erste Treppenstufe abwärts. Craigs erster Gang, als er zuhause angekommen war, führte automatisch ins Bad und an den Siegelschrank, um sich Kopfschmerztabletten einzuwerfen. Er war es gewohnt, nach Parties dort zu landen und immerhin war er auf einer gewesen. Doch erst, als er die Dose in der Hand hielt bemerkte er, dass er überhaupt keine Schmerzen hatte. Er hatte wirklich keinen Kater… obwohl er fast wünschte, er hätte einen. Dann könnte er wenigstens nicht so gut nachdenken. Genau das war es nämlich, was ihm Kopfschmerzen hätte bereiten können. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, schon seit er die Praxis verlassen hatte, arbeitete er immer wieder durch, was geschehen war und trotzdem… trotzdem konnte er es nicht begreifen. Das war doch unmöglich. Sich an nichts mehr zu erinnern, nur wegen eines dummen Unfalls?! Sogar er war in der Lage, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, obwohl er angetrunken war. Wieso konnte Tweek es nicht mehr?! Wieso ausgerechnet Tweek…? „Craig? Alles in Ordnung? Du bist aber früh wieder hier, ich dachte du wolltest heute noch länger bei Token bleiben.“ Die Stimme seiner Mutter ertönte neben dem Quietschen der Badtüre. „Nein“, gab er monoton zurück und schloss den Schrank, „war nicht so der Bringer. Ich bin eher gegangen.“ Normale Eltern wären vielleicht sogar froh, wenn sie hören würden, dass ihre Kinder NICHT besonders begeistert von solchen Saufgelagen zurückkommen. Und Tokens Party war ein Saufgelage… auch wenn er selbst es nicht von dem sonst so wohlerzogenen Schwarzen erwartet hätte. Aber vielleicht war genau das der Grund, dass sich seine Mutter, die Arme verschränkend, in die Tür stellte und motzte. „Das ist aber nicht nett! Ich bin mir sicher Token und seine Familie haben sich Mühe bei der Organisation gegeben!“ „Jaja“, murrte ihr der Schwarzhaarige entgegen, während er sich an ihr vorbei schob, „Mühe bei der Organisation ihrer Ehrengäste ‚Gin’ und ‚Wodka’ vielleicht….“ Der Mittelfinger durfte bei seiner Argumentation natürlich nicht fehlen. Keine ungewohnte, oder Aufsehen erregende Geste in seiner Familie, doch seine Mutter lies ihn dennoch nicht davon kommen. „Himmel, Craig! Was ist denn los? Du bist kein besonders emotionaler Mensch, aber Token ist immerhin einer deiner besten Freunde, so bist du noch nie von ihm nach Hause gekommen. Ist irgendwas passiert, was-“ „Nein, Verdammt! Es ist NICHTS passiert, kapiert?!“ Ungewollt laut verließen diese Worte seine Lippen, als er sich ruckartig herumdrehte und seine Mutter anfuhr. Das aufkommende Gefühl von Übelkeit machte die Sache nicht besser. Seit wann fühlte er sich schlecht dabei zu lügen? Seine zu Fäusten geballten Hände zitterten an seinen Seiten. Die Fingernägel hinterließen kleine Kerben in seinen Handflächen. Aber dieses leichte Ziehen linderte wenigstens das schlechte Gefühl in seinem Magen. „Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen?! Ihr kümmert euch doch sonst auch nie um mich, wieso gerade jetzt, hä?!“ Wieso jetzt? Wieso gerade alles an diesem Tag? An diesem verschissenen Tag, von dem er sich bereits am Morgen zu Recht gewünscht hatte, er hätte nie begonnen. „Das ist doch nicht wahr, Craig! Wir machen uns Sorgen und - hey, wo willst du hin?“ Noch ehe das Elternteil ausreden konnte, hatte Craig ihr den Rücken zugekehrt und ging die Treppe runter. „Tweaks’…“ „Was? Was willst du denn jetzt bei den Tweaks? Wenn du bei ihnen nur deine Wut ausleben willst, dann -“ „Das geht dich einen SCHEIßDRECK an!“, schon wieder ertappte er sich dabei, seine Mutter anzuschreien. Aber warum stellte sie ihm auch heute solche Fragen? Wieso regte er sich überhaupt so auf. War doch nicht sein Problem… „Frag sie doch gottverdammt noch mal selber! Ihr tauscht doch sonst auch jeden Furz in der ganzen Nachbarschaft per Telefon aus! Heute ist ein blendender Tag dazu – los, komm! Renn an deinen verfickten Fernsprechapparat und red mit dem, aber lass mich dafür den Rest der Woche um Himmels Willen in Ruhe!“ »BAM« Damit war die Haustüre krachend ins Schloss gefallen und die verwirrte, vor den Kopf gestoßene Mrs. Tucker blickte ihrem davon stapfenden Sohn durch das Fenster nach. Craig war wirklich nur Gelegenheitsraucher. Bis jetzt. Doch im Moment brauchte er das Nikotin mehr als alles andere. Um diese klirrende Kälte zu vergessen, die er so hasste. Um diese Stadt zu vergessen, die er hasste. Um die Ereignisse, die darin tagtäglich passierten, zu vergessen, die er ebenso hasste. Um seine Eltern, die Vorschriften, die dummen Fragen, seine Schulkollegen, die Party, den Unfall – einfach diese beschissene Situation zu vergessen. Aber es half nichts. Auch nach der ersten Zigarette war er immer noch in South Park, er war immer noch Craig Tucker, er ging immer noch mit den selben Leuten auf die gleiche Schule, er war auf dieser Party gewesen und es war nach wie vor so kalt, dass er seine Finger nicht mehr spürte. Und auch nach einem zweiten Glimmstängel wurde es nicht besser. Eine halbe Stunde später kam er dann endlich vor Tweeks Haus an. Der Weg hier her war nicht so weit, aber mitten unterm Laufen hatte er es sich anders überlegt und einen Umweg gemacht. Als ob das etwas ändern würde. Doch dieses ständig stärker werdende mulmige Gefühl in seinem Bauch, intensivierte sich mit jedem Schritt, den er Tweeks Haus näher kam. Fast als hätte er Angst. Lächerlich. Wie kam das denn? Er – Craig Tucker – und Angst vor einem Haus. Selbst wenn dort sein ehemaliger Freund ohne Erinnerungen saß. Er hatte dem Doktor gesagt, er würde ihm helfen. Auch wenn er noch keinerlei Ideen hatte, wie er das bewerkstelligen sollte. Das Café war heute geschlossen, wie ein Schild vor dem Eingang verkündete. Der Lieferwagen von Mr. Tweak stand mit offenen Türen ziemlich quer vor der Ausfahrt. Craig nahm sich die Freiheit und schloss diese, bevor er an der Haustüre klingelte. Dort erfuhr er auch denn Grund für das fahrlässige Umgehen mit dem Wagen. Tweeks Eltern waren völlig aufgelöst. Sie verwechselten ihn sogar mit Clyde, obwohl er diesem ja nun mal gar nicht ähnelte. Auch entschuldigte sich seine Mutter mindestens zehnmal dafür bei ihm. „Es- es tut mir so leid. Aber – Ich – Wir wissen einfach nicht was wir tun sollen“, schluchzend lies sich die braunhaarige Frau auf einen der Stühle sinken. Richard, Tweeks Vater, stellte sich hinter seine Frau und versuchte sie wenigstens ein bisschen zu beruhigen, indem er ihre Schultern massierte. Aber auch der Mann sah vollkommen mitgenommen aus. Selbst Craig spürte bei diesem Anblick, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Er hatte immer den Eindruck gehabt, dass diese beiden Menschen die einzigen Vernünftigen in ganz South Park waren. Zumindest Mrs. Tweak. Mal davon abgesehen, dass sie ihren Sohn von Kindesalter an mit Koffein vollgepumpt hatten, hatten sie doch immer die vernünftigsten Vorschläge und ein offenes Ohr, versuchten zu helfen, so wie Chefkoch. Diese Beiden nun so hoffnungslos zu erleben, hätte er sich nicht im Traum ausmalen können. „Du hast ihn doch gefunden, nicht wahr? Gott, danke, dass du ihn zu einem Arzt gebracht hast! Wer weiß, ob er da draußen nicht verblutet wäre, oder erfroren. Er kann sich an nichts mehr erinnern, wie er dort hingekommen ist oder - …“ „Schon…gut. Kein Ding…“ Der Blick des Schwarzhaarigen schweifte schnell auf den Boden ab, sobald er seinen Mund öffnete. Tweeks Eltern bedanken sich bei ihm dafür, dass er ihren Sohn gefunden hatte. Sie bedanken sich bei dem Menschen, der ihren Sohn überhaupt dazu getrieben hatte, gedemütigt und blindwütend von Tokens Party zu flüchten und gegen einen Baum zu fahren. Absichtlich oder nicht. Gott… was wenn es kein Unfall war? Wenn Tweek es wirklich darauf abgesehen hatte…?! Abwesend schüttelte er seinen Kopf. Diesen Gedanken wollte Craig gar nicht erst weiter führen. „Ich weiß ja, dass er unser Sohn ist, aber…“, Mrs. Tweeks Worte zogen seine Aufmerksamkeit erneut in die Gegenwart, „aber er weiß es nicht mehr! Er- er kennt uns nicht mehr und, er… er trinkt noch nicht einmal seinen Kaffee!“ Zum Satzende brach die gute Frau letztlich lauthals weinend auf ihre verschränkten Arme zusammen. Das war wirklich nur schwer zu ertragen… Immer wieder entschuldigte sie sich dafür, muffelte zwischen Schluchzern etwas in ihre Ärmel, das niemand verstand. „Tweek ist oben in seinem Zimmer, geh doch bitte zu ihm, vielleicht redet er mit dir“, selbst die Augen des Mannes wurden feucht, als er vergeblich versuchte seine Frau zu beruhigen und Craig letztlich nach oben schickte. Wahrscheinlich mit nicht viel Hoffnung, einfach nur um ihm diesen Anblick zu ersparen. Und der Schwarzhaarige war froh darum. Zumindest solange, bis er vor Tweeks Tür stand. Sollte er klopfen? Nein. Er hatte noch nie geklopft und er würde jetzt nicht damit anfangen. Unangekündigt öffnete er die Zimmertür und trat ein. Tweek stand am gegenüberliegenden Fenster. Erst das leise Klacken beim Schließen der Türe bewegte den Blonden dazu, sich umzudrehen und seinen Besuch zu registrieren. Und da war er wieder. Dieser kalte, nichts sagende und absolut untypische Blick von Tweek, der Craig von vorn herein bemerkten ließ, dass er unerwünscht war. „Was willst du schon wieder?“, gelangweilt klangen die Worte an sein Ohr. „Wohnst du etwa auch hier?“ „Nein…“, gab Craig zurück, bemüht um seinen normal monotonen Tonfall. Tweek sah ihn noch ein paar Sekunden unvermittelt an, bevor er sich einfach wieder umdrehte und weiter zum Fenster hinaussah, „na zum Glück… hast du vielleicht schon einmal etwas von ‚Anklopfen’ gehört?“ Dieses Bissige, beinahe Sarkastische in seiner Stimme war so sonderbar. Würde Craig nicht wissen, was dem Blonden zugestoßen war, hätte er ernsthaft geglaubt, er wäre von Aliens entführt und ausgetauscht worden. „Hast du das nicht alles vergessen?“, murrte der Schwarzhaarige zurück, während er sich an die Wand neben die Türe lehnte und die Arme verschränkte. „Du hast doch den Arzt gehört. Ich habe mein Umfeld und meine Bekanntschaften vergessen, nicht die Umgangsformen und Normen“, erläuterte der Junge kühl. Ein beinahe verletztes Grinsen schlich sich auf Craigs Lippen, „das unwichtige Zeug hast du behalten… schon scheiße gelaufen…“ Daraufhin gab der Junge ihm gegenüber nur ein abwertendes Schnauben von sich und wandte sich zynisch lächelnd zu ihm um. Craig hielt diesen Ausdruck in Tweeks Gesicht keine halbe Sekunde aus. Stattdessen schweifte sein Blick gezwungenerweise ab, über das Bett, zum Schreibtisch, auf welchem verlassen eine blass grüne Tasse stand. Mit einem leichten Stups, stieß sich der Schwarzhaarige von der Wand ab und schritt langsam, ohne den Blick zu heben, auf das Möbel zu. Wohl wissend, dass jede seiner Bewegungen von den misstrauischen, aber neugierigen Augen des Blonden verfolgt wurde. Der Inhalt der Tasse war schwarz, kalt und unberührt. „Willst du den nicht trinken?“, fragte Craig, die Tasse immer noch fixierend. „Nein. Das Zeug stinkt.“ Tweek wandte sich uninteressiert ab, schenkte weder der Tasse noch seinem Besuch Beachtung. Nun riss Craig seinen Kopf hoch und starrte die Person, die am Fenster stand und aussah, wie sein ehemaliger Freund, schockiert an. Tweak Tweek verschmähte seinen Kaffee? Das Getränk, für das er seit seinem 2 Jahr auf Erden lebte?! Das war… nein das konnte nicht mehr Tweek sein. Jetzt verstand er auch, weshalb seine Eltern so verzweifelt aufgaben, nachdem sie ihm von der Kaffee-Misere berichtet hatten. Wenn schon er, als Schulfreund, sich nicht vorstellen konnte, Tweek Kaffee hassend zu sehen, wie schwer traf es dann seine Eltern? Die zudem verantwortlich für seine Kaffee-Phillie waren und einen ganzen Laden davon besaßen. Fast schon bedauernswert lies Craig seine Finger über den Henkel der Tasse gleiten. „Achso…“ Hätte diese Tasse Gefühle, würde sie wohl leise weinend ihre kleinen Keramik-Tränchen auf dem Tisch verteilen. So brutal und kalt abgeschoben zu werden, von der Person, die einen gestern noch geliebt hatte, musste furchtbar weh tun. Oh ja… das musste es… Craig mochte diese Stille nicht. Sonst war er ein Mensch, der es genoss, sobald es ruhig war, niemand etwas sagte oder etwas Lautes tat. Doch jetzt wünschte er sich, dass wenigstens ein Radio die Ruhe stören würde. Er hatte ja nicht einmal ein Thema, auf das er Tweek hätte ansprechen können. Der Blonde hatte alles vergessen und es schien so, als könnte Craig ihn für Nichts interessieren. Wie sollte er denn bitte sein Gedächtnis zurückbringen, wenn er keinen Anhaltspunkt bei Tweek hatte. Als erstes war ihm natürlich durch den Kopf geschossen, den Jungen einfach mit Kaffee zu konfrontieren. Immerhin war das ein ausschlaggebender Teil seines bisherigen Lebens und der Arzt hatte doch gesagt, dass Routineabläufe, Gewohnheiten oder besonders prägende Ereignisse sein Gedächtnis am wahrscheinlichsten zurückholten. Aber das war wohl ein Fehlschlag. „Wenn du hier schon nichts anderes zu tun hast, als nur herumzustehen, wieso gehst du dann nicht einfach und hebst dir das für morgen in der Schule auf? Vielleicht fällt dir bis dahin ja etwas Besseres ein.“ Craig hätte beinahe die Tasse umgestoßen, so sehr schreckten ihn die plötzlichen einwandfreien und klaren Worte des Blonden auf. „Du… kommst morgen schon wieder in die Schule?“, lenkte er ungläubig ab. Vorsichtig schob er die Tasse ein wenig auf dem Tisch hin und her, warf Tweek nur gelegentliche Seitenblicke zu, als dieser lange auf seine Antwort warten ließ. Der Schwarzhaarige fühlte, was er ihm sagen wollte. Er störe hier nur und solle endlich gehen. Genau das, was er ihm vorhin schon deutlich gemacht hatte. Craig wusste nicht wieso, aber sein Gehirn wollte diese Information einfach nicht verarbeiten. Einfach nicht wahrhaben. Tweek war nie so abweisend gewesen. Er hatte sich immer über Besuch gefreut. Er hatte IHN nie abgewiesen… „Ja. Der Arzt meinte, ich solle so schnell wie möglich wieder in ‚meinen Alltag’ einsteigen.“ „Mh…“ Stimmt. Das hatte er gesagt. Zu mehr kam es bei diesem Besuch auch nicht. Craig hielt es in diesem Haus nicht mehr lange aus und war schon nach kurzer Zeit wieder auf dem Rückweg. Bei sich Zuhause angekommen fiel ihn zu allem Überfluss auch noch seine Mutter an. Sie hätte mit Mrs. Tweak geredet, sie wisse jetzt, was passiert war und es täte ihr so leid. Sie verstünde jetzt, wieso er so aufgebracht war, es wäre nicht leicht zu verkraften. Fuck, Nein! Einen Scheißdreck wusste sie. Nichts verstand sie. Wenn nicht einmal Tweeks Mutter über die Wahrheit bescheid wusste, wie sollte sie es dann bitte seiner Mutter erklären? Wieso konnte sie überhaupt mit ihr an der Strippe darüber reden und sonst nicht? Allein er wusste, was wirklich vorgefallen war und warum. Er und Tweek. Oder besser gesagt diese fremde Person, die Tweek innerhalb eines einzigen Tages geworden war. Kapitel 3: What a waste ----------------------- Und hier meld ich mich auch mal wieder~ hab schon gedacht ich schaffs heut nicht mehr, aber bin doch noch zum Uploaden gekommen. Hoffe es ist rechtzeitig genug on ><' ansonsten wünsch ich nur noch viel Spaß beim Lesen ~ ^.^ _____________________________ Das Weckerklingeln riss Craig am nächsten Morgen aus seinem unruhigen Schlaf. Mit dem Aufschlagen seiner Augenlider glaubte er – hoffte er – aus einem Traum zu erwachen. Aus einem Alptraum, der ihm im Schlaf zu real und in der Wirklichkeit zu unreell vorkam. Doch es wäre zu schön, zu einfach, wenn das alles nur Einbildung wäre. Und so gütig war das Leben nicht. Zu leben war hart, unfair, beschwerlich und unerklärlich. Dementsprechend motiviert startete der Schwarzhaarige in den Tag, machte sich frisch, frühstückte und war dann schon aus dem Haus. Dort hielt ihn nicht viel. Wenn er genug Geld hätte, würde er sofort aus South Park wegziehen. Als kleines Kind hatte er sich geschworen, schon mit 16 so weit zu sein, doch der Tucker Junge musste schnell erkennen, dass es gar nicht so leicht war, Verantwortung und Eigenständigkeit zu übernehmen. Eine Wohnung zu suchen, zu finanzieren, lernen sich selbst zu versorgen, Schule, Arbeit oder Anbindungen zu finden, einen Umzug zu organisieren – dass das alles dazu gehörte, wusste er mit 8 Jahren noch nicht. Und nun mit 18 war ihm das zu kompliziert und zu stressig neben der High School. Noch dazu war er ein Gewohnheits-Mensch. Er mochte den langweiligen, routinierten Ablauf seines Lebens, gewöhnte sich nur schwer und ungern an Veränderungen oder Neues. Deswegen störten ihn die Vorfälle in South Park ja so sehr, meistens heraufbeschworen durch die Marches, Cartman oder Kyle. Aber nicht nur die waren ein Grund, weshalb er wegziehen würde. Ganz offen und ehrlich: Die durchschnittliche Lebenserwartung in diesem Kaff betrug 40 Jahre und die dafür verantwortliche Todesart war mit 93 prozentiger Wahrscheinlichkeit grausam und mehr als ungewöhnlich. Ob man nun von einer Robo-Barbara Streisand zerquetscht, vom Tod persönlich geholt, von wild gewordenen Jerseyern oder dem Schweine-Mann-Bär getötet wurde, die ganze Palette stand zur Auswahl. Noch dazu waren die Einwohner dieser Stadt unerträglich. Jeder hatte eine andere Macke oder war einfach nur strunz dumm. Craig selbst mit eingenommen. Von Jimbo, über Mr/Mrs Garrison bis Sharon, es gab keine Ausnahme. Höchstens vielleicht Chefkoch. Aber ein Mensch macht das Kraut auch nicht mehr fett. Zurück zum Punkt, sobald er könnte, wollte Craig wegziehen. Nichts desto Trotz würde er wohl erst noch seinen Abschluss machen, bevor er Zeit, Geld und Motivation zu solch einer Aktion hatte. Der knallgelbe Schulbus erinnerte ihn schneller als gewollt an die Realität. Genauso wortkarg und nüchtern wie immer stieg er in den Unterschichtsbeschleuniger, der ihn zu seiner Lehranstalt brachte, ließ sich nichts anmerken, von den langsam aufquellenden Gedanken, die seinen Kopf beinahe zum Platzen brachten, je näher er seinem Ziel kam. Es war beinahe so, als müsste er einen Test schreiben, auf den er unvorbereitet war. Nur mit dem Unterschied, dass Craig noch nie sonderlich aufgeregt vor Schulaufgaben war. Ehrlich gesagt wusste er nicht, weshalb er auf einmal innerlich so aufgekratzt war. Das Durchforschen seiner wirren Gedanken gab ihm allerdings eine leichte Vorahnung. Clyde, Token und Jimmy standen wie immer vor den Spinden. Ein gewohnter Anblick war es trotzdem nicht. Dafür fehlte jemand in ihrer Runde. Anscheinend tauschten sie sich gerade rege über das letzte Wochenende aus. Wirklich Lust sich nun dazu zu gesellen hatte Craig nicht, immerhin gab es nichts, was er nicht wüsste. Eher zu viel, was er nicht wissen wollte. „Hey Craig! Na hast du dich schon erholt?“ Ergeben seufzend musste er sich dem strahlenden Clyde ergeben und tat die letzten Schritte auf sie zu. Dem Jungen konnte auch nichts und niemand die Laune verderben. So naiv und positiv aber trotzdem durchsetzungsfähig, das machte den Brünetten einzigartig. Gut aussehen tat er dazu auch noch, nur helle war er nicht besonders. Aber das gehörte zu ihm und störte keinen seiner Freunde. „Hm. Geht schon.“ Für seine Freunde hatte er wahrscheinlich lediglich einen Kater oder war wie immer still und schlecht drauf. Sie dachten sich jedenfalls nichts bei seiner nüchternen Antwort und tratschten lustig weiter. Vielleicht hätte Craig es sogar nach einiger Zeit geschafft mit ihnen zu lachen, so fühlte er sich wenigstens nach ein paar Minuten. Doch diese aufgesetzte Maske der Unbekümmertheit fiel schlagartig von Craigs Gesicht, als er Schritte durch den Gang hallen hörte. Massen von Jugendlichen redeten, scherzten, rannen durch die Gänge. Schritte, die zu einem blonden Jungen gehörten. Die Geräuschkulisse vor dem Unterricht war mindestens doppelt so laut, wie ein aufgebrachtes Gespräch. Er hielt schnurstracks, mit sicheren Schritten auf die keine Gruppe zu. …Wieso bildete Craig sich ein, jedes Tappen seiner Schuhsohlen in seinen Ohren hallen zu hören?! „Oh, Tweek! Du warst aber schnell weg nach der Feier. Hat es dich so gedreht, oder bist du doch schon früh am Abend gegangen? Ich hab es echt nicht mehr mitbekommen, sorry, Dude. Du hast dich aber auch nicht gemeldet“, auf Tokens begrüßende Worte hin folgte nur ein eindringlicher, absagender Blick des Blonden. Uninteressiert, ohne sich um eine Antwort zu bemühen, ignorierte er den vorgestrigen Gastgeber und wandte sich an seinen bisher einzigen ‚Bekannten’. „Du wolltest mir die Schule zeigen“, erinnerte der Blonde ihn emotionslos. Gott, war das unangenehm. Scheinbar hatte Tweeks Mutter es noch nicht fertig gebracht, ganz South Park telefonisch von dem Unglück ihres Sohnes in Kenntnis zu setzten. Sollte das jetzt etwa an IHM hängen bleiben? Wer war er denn - Brian Boitano?! Das würde er sicher nicht tun! War ja nicht sein Problem… Doch es war durchaus ein Problem, dass Token und die anderen nun durch Tweeks ungewöhnlich abweisendem Verhalten langsam stutzig wurden. „Was ist denn mit dir los?“, erkundigte sich der Dunkelhäutige erneut. Er wurde nicht eines Blickes gewürdigt. Obwohl Craig sich das gewünscht hätte, nur um die stechenden Augen des Blonden nicht dauernd auf sich ruhend wissen zu müssen. „H-h-h..h-h-h-h…. ha… ha-hast d-du-du-du etwa dei-deinen e-e-ersten Kater, T…Thöö—Tweek?“ Jimmy’s Theorie wäre einleuchtend gewesen. Und angenehmer als die Wahrheit. „K-k-kköööh---- keine So… Sooo.. Sor-nn--“ „Keine Sorge, Tweek, das geht schnell wieder vorbei“, hilfreich griff Clyde dem behinderten Jungen unter die Arme und wollte den Blonden aufheitern. Doch ohne Erfolg. Ein fast schon strafender Blick traf den Brünetten, dafür, dass er sich eingemischt hatte, dass er Tweek angesprochen und belästigt hatte, ohne dass er ihn kannte oder danach gefragt hatte. Ein nächster drängender, ungeduldiger Blick wurde Craig zugeworfen. „Schon okay, ich… erklär’s euch später. Sagt Mr. Garrison, dass ich mit Tweek im Schulhaus unterwegs bin. Komm mit, Tweek.“ Genau was der Blonde hören wollte. Nicht das, was seine Freunde hören wollten. Und Craig hatte keine Lust und keinen Nerv, es ihnen nun zu erzählen. Also drehte er sich eilig um und schritt den Gang entlang, gefolgt von dem Blonden. Ob der Rest der Klasse diese Ausrede seltsam fand, oder einfach nur als klipp und klare Ansage »Wir schwänzen!«, war Craig ziemlich egal. Tatsache war, dass die Glocke läutete, alle Schüler in ihren Klassenzimmern saßen und er mit Tweek auf den Schultoiletten war. „Also das…“, der Schwarzhaarige machte ein paar unsichere Schritte in die Mitte des Raumes, blicke sich einmal um, fand aber nichts Nennenswertes, auf das sich demonstrativ zeigen ließe, „ist das Klo.“ Tropf. Ein Wasserhahn war nicht zu. Tropf. Tweek sah ihn an wie einen Idioten. … „Das weiß ich…“, warf er nach einer kleinen Pause ein, in der sich Craig so richtig blöd vorkam. Natürlich wusste Tweek, dass das hier Toiletten waren! Darauf wollte er auch gar nicht hinaus! „Und?“, fragte Craig schnell. „Was und?“, Tweek hob unbeeindruckt eine Augenbraue. „Kannst du dich vielleicht an irgendwas erinnern?“ Er klang nun ebenfalls so, als nerve ihn dies alles zu Tode. Auch wenn der Junge zugeben musste, dass er doch neugierig auf Tweek Reaktion war. Vielleicht sogar ein wenig hoffend, darauf, dass der Blonde doch noch sein Gedächtnis wieder erlang. Wenigstens einen Teil davon. Aber das wäre auch zu einfach gewesen. Im Gegensatz dazu war Craigs Gegenüber bei dieser Bemerkung sogar leicht verärgert, „Gott, ich bin kein Kind mehr, ich weiß wie man auf’s Scheißhaus geht!“ „Das meinte ich auch nicht, Spast!“ Die Worte waren schon längst ausgesprochen, als Craig begriff, was er in Aufruhr geschrien hatte. Augenblicklich zuckte er von seiner eingenommenen Angriffsstellung in eine normale Haltung zurück. Es war längst wieder still. Trotzdem glaubte er seine Worte von den dreckig weiß gekachelten Wänden widerhallen zu hören. Hatte er das wirklich gesagt…? Er war einfach viel zu aggressiv. Es musste normalerweise schon wirklich viel passieren, bis man Craig Tucker aus der Ruhe brachte – es sei denn man heißt Eric Cartman – aber wenn er dann einmal über diese Schwelle gestoßen wurde, dann gab es für ihn kein Halten mehr. Dann blieb es nicht nur beim harmlosen Finger, sondern dann flogen Worte und Fäuste. Doch dieses Mal wollte er es wirklich nicht. Wieso Craig plötzlich so geschockt reagierte verstand er zum Teil nicht einmal selbst. Immerhin war nichts dabei, Tweek war doch ein Spast, schon seit der ersten Klasse und er würde es immer sein. ‚Spast’ war inzwischen sein zweiter Name und Craig war mitunter einer der Schüler gewesen, die ihn am häufigsten damit betitelt hatten. Sei es nur freundschaftlich oder ernsthaft, er hatte sich deswegen noch nie Gedanken gemacht. Und jetzt stand er steif wie ein Brett vor seinem Klassenkammeraden und war blasser als der Beleidigte selbst. „…Das…“ „Spast?“ Tweeks leise, ruhige Wiederholung schnitten ihm sofort die Worte ab. Man hätte sogar eine Stecknadel auf den Boden fallen hören, als der Blonde den Mund öffnete und trotzdem brach Craigs Stimme dagegen kläglich ab. Erneut herrschte bedrückendes Schweigen. Bis auf den Wasserhahn, der vergnügt tropfte. Jeder Tropfen, der in dieses versiffte Waschbecken platzte, glich dem Ticken einer Zeitbombe. Es machte ihn nervös ständig dieses Geräusch zu hören, auch wenn es so leise und leicht auszublenden wäre. Mit jedem Tropfen, der dahin plätscherte, könnte eine Erinnerung aus Tweeks Gedächtnis vollkommen ausgelöscht werden. Einfach weg. Es sei denn, er fände so schnell wie möglich sein Gedächtnis wieder. Dieser Gedanke war für Craig furchtbar lächerlich und angsteinflößend zugleich. Erinnerungen konnten doch nicht auslaufen wie ein Wasserhahn. Er hatte zu viele Bücher gelesen, nur dort gab es solche bescheuerten Vergleiche. „Ich… also du…“, wie lange war es her, seit er nach einer Erklärung gerungen hatte? „So bist du oft genannt worden. Also denk dir nichts, wenn die anderen dich so ansprechen.“ Etwas Besseres fiel ihm nicht ein, aber es war schließlich alles, was gesagt werden musste. Craigs Meinung nach. „Wieso?“ Auf diese Frage warf er dem kalt bleibenden Blonden schon einen beinahe strafenden Blick zu. Aber er selbst würde es wohl auch wissen wollen, wenn er sein Gedächtnis verloren hätte… also was soll’s. „Du hast seit du denken kannst, Kaffee in dich reingekippt. Unterstützt von deinen Eltern. Außerdem haben sie einmal behauptet, du hättest ADS, aber das war nie bewiesen. Auf jeden Fall warst du wegen des Koffeinkonsums dauernd am Zittern und paranoid. Du hast dir eingebildet, dass dich Gnome verfolgen, die deine Unterwäsche klauen“, Craig bemerkte nicht, wie tief er in seiner Erzählung versank. Er bemerkte nicht das sanfte, gutgemeinte Lächeln, das sich auf seine Lippen gestohlen hatte. Oh, und wie Tweek vor ihnen Angst hatte. Ständig. Immerzu war er auf der Flucht, meinte er müsse seine Unterhosen beschützten, da sie ihm sonst irgendwann einmal an den Kragen wollten, diese Wichtel. Manchmal war er sicherlich ohne Unterhose in die Schule gekommen, nur damit man sie ihm nicht wegnehmen konnte, da war Craig sicher! Doch nicht einmal diese Story schien etwas in dem Jüngeren zu wecken und durch Tweeks ernüchternden Blick wurde dem Schwarzhaarigen auch schnell klar, dass er die Schilderung als völlig fremd, wenn nicht sogar unsinnig empfand. Schnell räusperte sich Craig, als ob sein Lächeln nur ein dummes Versehen gewesen wäre und konterte Tweeks Blick ebenso emotionslos. „Du hast bei jeder deiner Bewegungen gezuckt, konntest dich nie stillhalten und hattest ab und zu unerklärliche Ticks, bei denen du aufgeschrien hast oder aufgesprungen bist. Manchmal bist du auch unentschuldigt aus dem Klassenraum gerannt, oder hast dich wegen deiner unkontrollierten Bewegungen mit Kaffe angespritzt. Du hattest immer Kaffee dabei, du hast für das Zeug gelebt. Wenn das wieder einmal passiert ist, bist du flennend hierher gelaufen, um dein falsch geknüpftes Hemd zu waschen. Das konntest du übrigens auch nie richtig zu machen.“ Und deswegen war Craig ihm meistens hinterher gelaufen. Er hatte den heulenden Tweek anfangs so oft beruhigen müssen, was leider nicht seine Stärke war. Deswegen war ein Mittelfinger und gemurrte Worte meist das Ultimum an Gefühlen, mit denen der Blonde sich zufrieden geben musste. Doch Craig war lange der Einzige gewesen, der Tweek aus seiner Toilettenkabine herausgezogen hatte. Unzählige male hatte er ihm dieses seegrüne Hemd aus und wieder angezogen, nachdem die Flecken halbwegs entfernt waren. Tweek musste entweder ein Hyper-Waschmittel besitzen, oder dutzende von diesen Kleidungsstücken, anders konnte Craig es sich nicht erklären, wie das nach all den Jahren immer noch grün und nicht grau-braun war. Aber mit der Zeit hatte sich der Kaffeesüchtling an den Namen ‚Spasti’ gewöhnt und ab der 5 Klasse, war der einzige Grund, weshalb Tweek ab und an in den Tiefen des Jungenklos verschwand, seine Wichtel. Trotzdem, dass es schon lange her war, lebte die Erinnerung in Craig realer auf, als es ihm lieb war. Die kühl bleibenden, grauen Augen seines Gegenübers vermittelten ihm, dass Tweek all das nicht mehr im Geringsten nachvollziehen konnte. Für ihn war es nur eine Geschichte. Ein Geschichte von einem Spast und seinem ‚Freund’, ohne Bezug und ohne Inhalt. Ein seltsames Gefühl breitete sich in Craigs Magen aus, griff nach seinen Eingeweiden und quetschte sie unangenehm zusammen. Auch tiefes und schnelles Luftholen half ihm nicht, weswegen er den Sauerstoff auch nicht unbenützt in seinen Lungen beließ und eilig mit einer Schlussfolgerung fortfahren wollte. „Und deswegen warst du für viele hier lange ein -“ „Spast.“ Beendete Tweek den Satz kurz und schmerzlos. »Ein bisschen komisch« wollte Craig eigentlich sagen. Doch bei der unerwarteten Einsicht des Anderen stutzte er. Vor allem, weil es die Worte waren, die er, Craig Tucker, normalerweise gewählt hätte. Unverblümt und wahr. Doch dieses Mal hatte er es nicht so ausdrücken wollen. „Ja… Genau.“ Er wollte es nicht und sagte es trotzdem. Himmel, er war hier vollkommen allein, mit einer Person, die ihn vom Wesen her überhaupt nicht kannte und er hatte Hemmungen seinem Image als knallharter Kerl gegenüber?! Das war ja nun wohl doch übertrieben. Zuhause lief Craig auch nicht dauernd rum, wie der größte Macker. Wo sollte das denn bitte enden, wenn er nicht einmal mit sich allein - beziehungsweise mit einer ‚fremden’ Person allein - das aussprechen konnte, was er für richtig hielt, ohne an sein Image zu denken. Tropf. Tropf. Langsam regte dieser Wasserhahn wirklich auf. Wenn es schon still sein musste, dann wenigstens mucksmäuschenstill. Craig fühlte sich einfach nur noch bescheuert dabei, Tweek gegenüber stiller als ein kaputter Wasserhahn zu sein. Tropf. Tweek schien es nicht zu stören. Es langweilte ihn. Ein tiefes Einatmen ließ Craig kurzzeitig aufhoffen, der blonde Junge würde einmal von sich aus eine Unterhaltung anfangen wollen, doch diese falsche Hoffnung entpuppte sich lediglich als genervtes Seufzen. Seine braunen Augen fragten Craig schon sekundenlang, ob er nun fertig wäre und sie endlich gehen konnten. Es brauchte eine Weile, bis der Schwarzhaarige diesen Blick interpretiert hatte und darauf reagieren konnte. Zu unwirklich wirkten diese Augen, aus denen er sich nie einen solchen Blick hätte träumen lassen. Tropf. Tropf. „Gehen wir wieder zurück. Vielleicht hilft dir das Klassenzimmer weiter.“ Ohne auf den Blonden zu warten schritt Craig an ihm vorbei und öffnete die Tür zum Flur. Das zynische Schnauben hinter ihm versicherte dem Schwarzhaarigen, dass Tweek ihm folgte. Weiter wechselten sie kein Wort mehr. Tweek zog an ihm vorbei, den Gang entlang, den sie hergekommen waren. Craig mied sein Gesicht, sah möglichst uninteressiert auf den Boden. Er ließ die Tür los. Leise hörte er sie noch hinter sich quietschen. Tweek war schon ein paar Meter voraus. Die Türe schloss sich nur langsam. Tropf. Er hatte den Wasserhahn nicht zugedreht. Was für eine Verschwendung. Kapitel 4: Badass-Fights ------------------------ Kein Schultag hatte sich je solange hingezogen wie dieser. Noch nie hatte Craig das Bedürfnis, jede halbe Minute zu seinem Klassenkameraden zu sehen. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Ständig war der Schwarzhaarige damit beschäftigt einen Blick auf sein Handy zu riskieren, dann wieder zu Tweek. In der Zwischenzeit dachte er, es würden etliche Minuten des Unterrichts vorüberziehen, doch jedes Mal wenn er erneut auf die digitale Anzeige blickte, wollte die ihm weiß machen, es wären nicht einmal zwei Minuten vergangen. Zum Kotzen. Dann auch noch aufgerufen werden, Antworten wissen sollen, für die man sich nicht interessierte, weil sie nicht wichtig waren. Wann in seinem verfickten Lebenslauf würde Craig wissen müssen, wie man die Bedingte Wahrscheinlichkeit ausrechnen kann, mit der ein Mensch ein Hellseher ist?! Völliger Bockmist! Nach Plus, Minus, Mal, Geteilt und den negativen Zahlen musste man seiner Meinung nach nichts mehr von Mathe wissen. Doch die Ministerien für Bildung waren anderer Meinung und an dieser ließ sich als kleiner Mann auf der großen Welt nicht ruckeln. Wenigstens hatte Mr. Garrison der Klasse erklärt, was mit Tweek passiert war. Zumindest, dass er sich an nichts mehr erinnern konnte und sie ihm deshalb helfen sollten, soweit es möglich war und sie ihn deswegen nicht aufziehen sollten. Cartman war der Erste, der einen Lachanfall bekommen hatte. Von ihm hatte sich auch niemand etwas anderes erwartet und es war immer noch erstaunlich, wie sich Garrison jedes Mal abmühte, ihn in die Schranken zu weisen, was für gewöhnlich fehlschlug. „Wie? Du weißt echt gar nichts mehr?“ „Nein.“ „Kein bisschen? Du weißt auch nicht mehr wer wir sind.“ „Nein.“ „Mann, Butters! Sei doch nicht so dumm, er hat eine Amnesie, natürlich weiß er das nicht mehr! Siehst du’s nicht, er hat nicht einmal Kaffee dabei.“ „Oh, ach du Schreck, dann ist das ja wirklich schlimm.“ „Wieso? Dann zuckt er wenigstens nicht mehr wie ein Idiot.“ Kyle, Butters, Terrance, Cartman und einige andere Schüler hatten sich inzwischen um Tweek versammelt. Normalerweise eilten diese immer als erste aus dem Schulgebäude sobald die Glocke sie erlöst hatte. Es musste also wirklich erstaunlich für sie sein, so einem Ereignis gegenüberzustehen. Craig betrachtete die Szenerie mit Abstand. Jede der nervtötenden Fragen beantwortete der Blonde mit einer schlichten Verneinung. Normalerweise hätte Tweek es inmitten solch einer Meute gar nicht ausgehalten, es wäre zu viel Druck gewesen. Schon längst wäre er schreiend und zuckend abgehauen, auf die Toiletten oder zu seinen ruhigeren Freunden. Zu ihnen. Clyde, Token und Craig. Im Vergleich zu ihren Schulkollegen waren sie wirklich still, eher unauffällig. Clyde spielte sich nur vor Mädchen auf. Und Kevin. Token machte seinen Mund meist nur im Unterricht auf. Und Craig war der unübertroffene Ruhepol der gesamten Schule. Auch wenn der Großteil seines Schweigens auf Desinteresse und Gleichgültigkeit geschoben wurde, musste das noch lange nicht zutreffen. Er war keineswegs vollkommen abwesend, ganz im Gegenteil. Der Schwarzhaarige konzentrierte sich eben nur auf die wichtigen Dinge, beobachtete still, solange, bis er seinen Schachzug geplant hatte und nur noch auf den richtigen Moment wartete, ihn in die Tat umzusetzen. Beobachten, Schlüsse ziehen und darauf bezogene Pläne umsetzten. Das war das einfachste Prinzip auf der Welt und es klappte immer wieder. So etwas sollte man an der Schule lehren, keine Integralrechnungen. Und wenn nur die Hälfte aller Bewohner von South Park nach diesem Schema agieren würden, würde wahrscheinlich auch nicht jeden Tag etwas Abgefreaktes passieren. Es wäre nett und langweilig. So wie Craig es mochte. Und zu solchen Leuten hatte Tweek sich immer geflüchtet. Ein einziges Fingerzeichen und ein emotionsloser Blick des Schwarzhaarigen hatten vollkommen ausgereicht, um die ihn verfolgende Meute davon zu überzeugen, ihn in Ruhe zu lassen. „Alter, wieso hast du uns nichts davon erzählt?“, Clydes Frage riss den Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken. Anmerken ließ er sich das nicht, blickte immer noch ununterbrochen auf den Mob ein paar Meter vor ihnen. „Ich hab es auch erst gestern erfahren“, konterte er ungerührt. „Aber du hast es schon vor uns gewusst“, wie immer war der Brünette nicht mit Craigs erster Erwiderung zufrieden, „du hättest uns anrufen können, oder wenigstens eine Sms schreiben. Immerhin sind wir auch Tweeks Freunde und haben ein Recht so was vor allen anderen zu erfahren!“ Seufzend ließ Craig sich mit dem Rücken an die lindgrünen Spinde fallen, „ich hätte es euch nur stundenlang erklären müssen. Noch dazu hasse ich es lange zu telefonieren, das weißt du.“ Mit geschlossenen Augen legte er seinen Kopf soweit in den Nacken, bis dieser ebenfalls an der Spindtüre lehnte. Den anschuldigenden Blick Clydes konnte er auch so auf sich spüren. Er würde nicht lange so dreinschauen. Ergeben murmelte der Brünette etwas, fing wieder an zu Craig zu sprechen. Aber dieser hörte ihm schon nicht mehr zu. „Findest du es nicht angenehm, dass du nicht mehr die ganze Zeit so rumspackst?“ Die gehässigen Worte von Terrance klangen nicht nur an Tweeks, sondern auch an Craigs aufmerksame Ohren. Scheinbar uninteressiert verfolgte er das Geschehen aus den Augenwinkeln. Den dauer-redenden Clyde hatte er inzwischen vollkommen ausgeblendet. „Ich meine“, fuhr der Sohn Mephistos fort, „vielleicht hilft es dir ja dich daran zu erinnern, wenn wir dir die Fresse polieren!“ Craigs Mine verfinsterte sich. Was erlaubte sich dieser Spinner? Ein eingebildeter Großkotz, nur weil sein Vater ein verrückter Wissenschaftler war, der nichts besseres zu tun hatte, als verschiedenen Spezies so viele Ärsche wie möglich wachsen zu lassen. Wenn man als vollkommen Außenstehender auf ihre Schule blickte, konnte man sogar behaupten, Terrance wäre noch schlimmer als Craig. Immerhin suchte der schwarzhaarige Junge keinen Streit, er kam eben nur immer zu ihm. Zuschlagen konnte Terrance mindestens genauso gut wie er, solange er seine zwei stumpfsinnigen, aber muskulösen Begleiter, Bill und Fosse bei sich hatte. Trotzdem hatte Craig lange den schlechteren Ruf, als des Professors Sohn. Naja, wenigstens konnte der Tucker Junge mit Fug und Recht behaupten, dass er besser aussah, schon seit der 3. Klasse. Vielleicht war Terrance auch deshalb so frustriert, wäre vielleicht jeder, wenn man so ein Gesicht jeden Morgen im Spiegel sehen müsste. Seiner Meinung nach konnte der Junge froh sein, so lange bei Mephisto gelebt und noch immer nur ein einziges Hinterteil zu haben. Wie auch immer, meistens blieb es bei Terrance’s dummen Sprüchen und Drohungen, weswegen sich Craig auch nicht weiter darum sorgen wollte. Doch als sich plötzlich Bill und Fosse Tweeks Arme schnappten und ihm gewaltsam jede Bewegungsfreiheit raubten, schrillten in Craigs Kopf die Alarmglocken. „…und dann hat sie einfach gesagt, dass - … hey, Craig, hörst du mir zu? Craig? Was- hey!“ Clydes Gerede prallte an ihm ab, wie an einer Wand. Dieser wurde sich dessen jedoch erst bewusst, als sich der Schwarzhaarige von den Spinden abstieß und schnurstracks auf die Menschenmeute zuschritt. Tweek hatte keine Chance sich zu wehren. So wie ihn die beiden Fieslinge hinhielten, konnte er nur darauf warten, dass der angeberische Terrance endlich zuschlagen würde. Angesichts dieser aussichtslosen Situation trug der Blonde allerdings eine relativ gleichgültige Mine. „Dein Pokerface wird dir gleich vergehen, wenn ich mit dir fertig-“ „Denk nicht mal dran!“ Noch ehe Terrance seine Faust heben konnte, packte Craig ihn am Kragen und zerrte ihn nach hinten. Irritiert über den plötzlichen Verlust seines Gleichgewichts stolperte der Junge ein paar Schritte rückwärts, bevor er sich wieder fing und Craig einen herausfordernden Blick zuwarf. Der Schwarzhaarige hingegen schob sich unbeeindruckt und immer noch streng dreinblickend an dem Braunhaarigen vorbei. Sofort ließen Fosse und Bill von Tweek ab, als sie bemerkten, dass Craig auf sie zuhielt. Der Rest der Schüler stand nur stumm an Ort und Stelle. Wieso hatten sie nichts unternommen?! „Sieh an… das Herrchen wacht über sein Hündchen…“, abwertend knurrte ihm Terrance diese Worte entgegen, während sich seine beiden Kumpanen wieder zu ihm gesellten. Unverändert fixierte Craig ihn mit einem warnenden Blick. Er stand nun demonstrativ vor dem Blonden, der noch keine Mine zu diesem Spiel verzogen hatte. „Nimm ihn doch an die Leine, wenn du sicher gehen willst, dass ihm nichts geschieht.“ „Pass lieber auf, dass ich dir keinen Strick um den Hals lege, Frankenstein!“ Inzwischen war der Kreis ihrer Beobachter vorsichtshalber einige Schritte nach hinten gerückt. Bis auf Tweek, der immer noch knapp hinter Craig stand. Nicht einmal Cartman traute sich irgend eine Voraussage über ‚Fießling-Keile’ zu machen, da er wusste, dass ‚Fießling-Keile’ durchaus nicht ohne war und sich auch auf nervende Zuschauer ausweiten konnte. Vor allem, wenn Craig beteiligt war. Bisher beruhte ihre Auseinandersetzung jedoch nur auf tötenden Blicken und Wortgefechten. „Ohne deine Hilfe wäre der Freak doch schon längst Rattenfutter auf dieser Schule!“ Selbstsicher verschränkte der Braunhaarige die Arme, musterte die beiden abschätzig. „Freak kommt ja aus dem Mund des Richtigen… bewundernswert, dass du noch aussiehst, wie ein Mensch, bei so einem Vater.“ Craig wusste genau, wo der Wunde Punkt saß und den hatte er gerade glorreich getroffen. Zu oft hatte er Terrance von seinem Daddy prahlen hören – wenn er es auch nie verstanden hatte, wie er auf so Jemand stolz sein konnte. Die Wut in seinem Gesicht kochte mehr als sichtbar auf. „Wage es nicht…!“ Verachtend auflachend verengte der Schwarzhaarige seine Augen. Er hatte ihn da, wo er die meisten haben wollte. Wutentbrannt und blind waren das keine Gegner, sondern nur muskelgesteuerte Klötze. Jedoch verlor Craig mit einem Mal überraschend die Dominanz über seine Handlungen, als der Junge ihm gegenüber erneut das Maul aufriss. „So ein irres, lebensunwertes Wesen kann auch nur einem Idioten wie dir am Herzen liegen, wenn du überhaupt eines hast! Mein Vater hätte so etwas Nutzloses schon längst eingeschläfert!“ … Das – ging – alle mal – zu weit! „Wie wär’s wenn ich dir mal so richtig die Fresse poliere?!“, fauchte Craig ihm nun weitaus aggressiver zu, „vielleicht kann dein Vater dann wenigstens dein lebensunwertes Gesicht reparieren!“ Ein Zucken durchfuhr den Körper des Schwarzhaarigen, seine Faust ballte sich so fest sie nur konnte und er war jeden Augenblick bereit, auf den anderen loszugehen, nicht anders als Terrance. Doch all seine Wut, all seine Aggression bekam einen schlagartigen Dämpfer, als sich plötzlich eine entschlossene Hand um seinen Arm krallte und ihn zurückzog. „Nein, mach das nicht.“ Irritiert starrte Craig den blonden Jungen an, der ihn nur mit einer kurzen Geste daran gehindert hatte seine Schlägertriebe auszuleben, ja sogar seine vorherrschenden Emotionen mit einem Satz nichtig zu machen. Die Berührung hielt Tweek nicht länger, als er musste und löste seine Finger in der nächsten Sekunde wieder von Craigs Jacke. Es hörte sich nicht so an, als würde der Blonde sich über die Situation Sorgen machen. Es hörte sich, genauer genommen, nach gar nichts an. So still und unbetroffen wie er bisher hinter Craig stand, stand er nun neben ihm und machte sogar einen weiteren Schritt nach vorne auf Terrance zu. Dieser schien über die Wendung nicht minder überrascht. „Beschützt ihr euch neuerdings gegenseitig? Tsch, du hast wohl vergessen, mit Wem du dich hier anlegst, Twitchy! Oh – aber natürlich hast du das, wie dumm von mir!“ Der Braunhaarige schlug sich theatralisch mit der flachen Hand vor die Stirn und erntete zustimmendes Gelächter von seinen Freunden und einigen Umstehenden. Craigs Zähne knirschten ungesund aufeinander. Doch Tweek stand immer noch ungerührt vor ihm und blickte den zynischen Jungen ruhig an. „Na was ist?“, Terrance sah an Tweek vorbei, da dieser nicht reagierte und ihm das sichtlich nicht passte, „hörst du jetzt etwa auch noch auf ihn? Ach Craig, ich hatte sogar einmal in Erwägung gezogen, dich in meine Gruppe aufzunehmen – irgendwann in der 4. Klasse, oder so. Du bist doch vom selben Schlag wie ich, genauso stark, missmutig und durchsetzungsfähig. Wieso gibst du dich mit so etwas ab?“ Sogar Clyde und Token gaben nun ein beleidigtes Murren von sich, da sie sich zu Recht ebenso angesprochen fühlten. Doch niemand griff ein. „Wieso sollte ich mich auf das unterste Niveau zu euch herablassen?!“, giftete der Schwarzhaarige hinter zusammengebissenen Zähnen zurück. Scheinbar hatte der Braunhaarige schneller seine Fassung wiedererlangt und halten können, als der Tucker Junge selbst. Doch das fiel ihm bei solchen Worten auch sehr schwer. „Lass es gut sein und hau ab.“ Die neutrale Stimme Tweek’s mischte sich erneut ein. Dieses mal zielgerichtet an Terrance, welcher darauf zwar verdutzt schaute, aber auch sofort losprustete. „So was soll ich mir von dir vorschreiben lassen?“ „Du tust es besser.“ Es waren keine drohenden, keine lauten Worte, trotzdem erzielten sie ihre Wirkung. Ein nicht zitternder, zuckender und stotternder Tweek war ziemlich unheimlich. Die Blicke aller Anderen, die nun ausnahmslos auf den seltsam selbstsicheren Blonden gerichtet waren, bewiesen das nur zu deutlich. Selbst Terrance’s Ego schien angesichts des ungewohnten Anblicks zu bröckeln. Unglaublich. Der Kaffeesüchtling hatte diesen Großkotz mit nur wenigen, monoton gleich klingenden Worten zum Schweigen gebracht. Ganz ohne Gewallt oder Anfälle. Das war angsteinflößend, aber durchaus bewundernswert, fanden auch die Zuschauer. „Was auch immer… wir rechnen noch ab, Tucker! Glaub nicht dass du dein Hündchen ewig beschützen kannst!“, damit wandte sich der Braunhaarige ab und wollte verschwinden. So schnell hatte Craig aber nicht vor, ihn gehen zu lassen. Schon wieder war er auf dem Sprung, ihm nach zu laufen und es gleich hier und jetzt zu regeln. „Warte, du-!“ Doch erneut wurde er abrupt an seinem Vorhaben gehindert, durch einen groben Griff um sein Handgelenk. Doch dieses Mal ließ er nicht wieder los. Unangenehm verstärkte sich der Griff, bis Craigs Hand anfing zu schmerzen. Verständnislos und doch ein Stück weit in Rage riss er seinen Kopf zu ihm herum. Tweeks warnender, durchdringend kalter Blick galt dieses Mal niemand anderem als ihm. „… Ich muss nicht beschützt werden…!“ Craig glaubte einen Moment, seine Kinnlade würde ihm wortwörtlich auf den Boden fallen. WAS hatte Tweek da gerade gesagt…? Zu ihm – CRAIG TUCKER? Er erdreistete sich wirklich nicht nur Terrance, sondern auch ihm so etwas eiskalt ins Gesicht zu sagen?! Und eiskalt traf Tweeks Blick wirklich am besten. Egal, ob er seine Erinnerungen verloren hatte oder nicht – Craig war so oder so schon angespannt, das war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mit einem groben Ruck löste er sich aus Tweek’s Griff und knurrte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an, „Ach ja?! So wie ich dich noch vor ein paar Tagen gekannt habe, hast du noch dankbar bettelnd auf dem Boden gekniet, wenn man dich vor irgendwelchen, nicht existierenden Wichteln beschützt hat!“ In seinen ab und zu durchgehenden Aggressionen konnte der junge Tucker einfach nicht kontrollieren was und zu wem er Bemerkungen fallen ließ, die er sich lieber verkniffen hätte. Doch Tweeks leichtes Zucken machte ihm das sehr schnell wieder klar. Er hatte gezuckt. Nur einmal. Einen Moment war dieser kleine, ängstliche, nette Junge, den sie alle kannten, nicht mehr so weit weg. Sogar Craigs Atem stockte dabei unvermittelt. Hatte er gerade Tweek angefahren? Diesen Funken Hoffnung und Glauben erstickte er selbst jedoch sofort, als er einen nur noch verbitterteren Blick aus den grauen Augen seines gegenübers zu sehen bekam. Sie standen inmitten dieses Kreises, gebildet von gaffenden Schülern. Jeder sah diesen Ausdruck in Tweeks Gesicht. Jeder sah die stummen, nie gesprochenen Worte. Jeder sah, wie Craig hilflos unter ihnen versteinerte, sich nicht mehr rühren, nicht mehr sprechen, nicht mehr atmen konnte. »Aber ich bin niemand mehr, den du kennst!« Kapitel 5: it's the seapeople ----------------------------- Hatten sie eigentlich auch mal Milch im Haushalt, die nicht abgelaufen war? Oder erwischte Craig einfach immer nur die falsche Tüte. Wahrscheinlich das. Hauptsache er bemerkte es, noch ehe er sich das vergilbte Zeug über die Kelloggs schüttete. Fraglich, wieso sie überhaupt abgelaufene Lebensmittel im Haus hatten, seine Mutter war doch bei allem anderen so kleinlich. Bei seinem Vater könnte er es sich ja vorstellen, dem war auch so alles schnuppe, aber seine Mum? Egal, solange er sich noch haltbare Milch aus dem Vorratsschrank holen konnte und Ruby einfach die abgelaufene hinstellte, war die Welt wieder in Ordnung. Seine Schwester würde irgendwann an einer Lebensmittelvergiftung sterben, oder an Krebs, das war für Craig schon ziemlich sicher. Vielleicht aber auch AIDS oder Hepatitis. So, wie sie sich zurzeit aufführte, wollte sie nichts mehr, als von jedem Jungen in South Park durchgevögelt zu werden. Bitte, sie wäre nicht die erste Hure in dieser Stadt, genauer genommen, sind das doch so gut wie alle Mädchen. Eine Lebensmittelvergiftung wäre angenehmer, als auf dem Strich zu landen. „Craig.“ Angesprochener sah kurz von seinem cerialienreichen Frühstück auf und gab ein gemuffeltes Geräusch von sich. „Die Mutter von Tweek hat mich eben angerufen. Sie hat gefragt, ob du ihn nicht von der Klinik abholen kannst.“ Nun legte der Schwarzhaarige seinen Löffel weg und sah seine Mutter an, als hätte ihm jemand ein Brett vor den Kopf geschlagen. „Wieso sollte ich ihren Sohn abholen? Steht vielleicht »Neger« auf meiner Stirn?“ Seine Worte klangen durchaus angenervt, zumal er sich wirklich schon als eingespannt genug betrachtete, was diese Sache anging. Er sah partu nicht ein, warum er noch mehr Freizeit dafür opfern sollte. Vor allem nicht nach dem gestrigen Vorfall. „Craig, versteh doch, das ist alles wirklich schwer für Mr. Und Mrs. Tweak und-“ „-Und deshalb darf ich die Scheißarbeit machen?! Denkst du, mir fällt das leichter?!“ Schwer für Mr. Und Mrs. Tweak?! Aber dafür dem eigenen Sohn diese Bürde auferlegen, ja, wie sich Craig doch von seinen Eltern geliebt fühlte! Würde der Schwarzhaarige danach fragen, würde er höchstwahrscheinlich von seinem Vater die ehrliche Antwort bekommen, nur ein Unfall gewesen zu sein. Die empörten Gegenthesen seiner Mutter wären nur Lügen. Aber von irgendjemand musste er dieses Talent schließlich geerbt haben. „Das hab ich doch gar nicht gesagt!“, führte Mrs. Tucker die Unterhaltung fort, die Craig am liebsten stumm abgeschlossenen hätte. Aber bitte, wenn sie wollte. „Sie sind seine verdammten Eltern, dann sollten sie endlich mal die Fürsorge nachholen, die sie sein ganzes Leben lang verkackt haben und die Verantwortung nicht ständig auf andere abschieben!“ „Craig-?!“ „Nichts ‚Craig’! Ruf die Schnalle zurück und sag ihr das mal!“ „Sag’s ihr doch selber, junger Mann!“ Mit einem Ruck erhob sich Craig und der Stuhl knallte krachend auf den Boden. „Schön! Werd ich machen!“, waren die letzten Worte, die er seiner Mutter entgegenschrie, bevor er seine Schultasche packte und aus dem Haus stampfte. Mehr als gewollt hatten ihn seine eigenen Worte in Rage versetzt. So war es doch. Sein ganzes Leben hatte Tweek alleine mit seinen Problemen verbracht. Mit seinem Koffeinkonsum, mit dem er irgendwann nicht mehr aufhören konnte, da ihm niemand früh genug gesagt hatte, dass es schlecht für seinen Körper ist. Stattdessen waren es seine Eltern, die ihn mit dem Zeug abgefüllt hatten und seine Hyperaktivität dadurch als ADS abstempelten. Vielleicht waren sie zu den anderen Leuten der Stadt ganz nett. Vielleicht waren sie auch zu Tweek nett. Aber sie waren nie als Eltern für ihn da gewesen. Nie hatten sie ihm zugehört, nie hatten sie Rücksicht auf ihn genommen, nie hatten sie ihm geholfen. Solange sich Craig erinnern konnte – und er war nicht selten bei den Tweaks gewesen - war ihre einzige Lösung ein Lächeln, ein ‚gut’ und eine Tasse Kaffee. So einfach kann man Probleme von sich schieben. Gott, wieso hatte er bis jetzt den Eindruck gehabt, diese Leute wären normal?! Jeder hatte diesen Eindruck, das war ihm bewusst, aber im Moment fühlte sich Craig, als würde die gesamte Bevölkerung South Parks in einer dämmernden Welt zwischen Tag und Nacht vor sich hinschlummern, ständig mit dem hübschen Traumbild vor Augen, in dem es sich leben lässt. Und er hatte als erster die Augen aufgemacht. Genervt fluchte er sein Feuerzeug an. Bei dieser klirrenden Kälte war es wahrscheinlicher, sich die Finger aufzureißen, bevor das verdammte Ding funktionierte. Also musste seine Zigarette eben ausbleiben. Scheiße. Er war genau drei Meter von seinem Haus weggekommen. Nicht weit dafür, dass er eben noch gefrustet einen Spaziergang machen und dabei so viele Kippen wie möglich rauchen wollte. Fünf Minuten später befand er sich in dem dunkelroten Buick seines Vaters und drehte die Zündschlüssel. Das Brummen des Motors übertönte Craigs resigniertes Seufzen. Am liebsten wäre er rein aus Protest mit Vollgas nach vorne durch die Wand der Garage gebrettert. Dann sollten seine Eltern mal sehen, was sie davon hatten! Um das Auto wäre es ihm persönlich nicht schade, immerhin war das Ding gefühlte 30 Jahre alt, aber es tat seinen Job noch. Dumm war nur, dass es ihr einziges Auto war und Craig sich mit solch einer Harakiri-Aktion ins eigene Fleisch schneiden würde, wollte er noch eine reelle Chance haben, wenigstens ab und zu eigenständig in der Gegen herumzudüsen. Vorsichtig manövrierte der 18 jährige das Auto aus der Garage, ein paar Sekunden später war von dieser Vorsicht jedoch nichts mehr zusehen, genauso wenig, wie von dem Buick, der mit 80 durch die Straßen davon gerast war. Die Führerscheinprüfung war mitunter die schlimmste, die Craig je machen musste. Ständig auf Regeln achten – und dann noch auf so beschissen viele! Manchmal musste er völlig unbegründet an einer Abzweigung halten, links schauen, rechts schauen, wieder links schauen, bis scheinbar auch der letzte Idiot kapiert hatte, dass dort sicher keine Menschenseele war. Und warum? Wegen Vorfahrtsregeln! Aber wie in so vielen Situationen wusste Craig sich in den richtigen Momenten zusammenzureißen, zu gehorchen und schaffte die Prüfung beim ersten Mal. Im Prinzip verstand er es ja, dass man aufpassen musste beim Autofahren und auch ab und zu nachgeben musste, aber wenn die Straßen frei waren – so wie gerade eben – ließ er es sich nicht nehmen, seine Freiheit auszukosten und gegen alle Regeln, die er je übers Autofahren gelernt hatte, zu verstoßen. Noch dazu war es für ihn ein ungeheuerer Frustabbau - und den hatte er bitter nötig. Er war kein schlechter Fahrer, sonst könnte er sich das nicht erlauben. Nach einer kurzen Weile stieg der Schwarzhaarige aus dem Wagen und begab sich vom Parkplatz zur Klinik. Es war dieselbe, in die er Tweek vor ein paar Tagen gebracht hatte. Es gab nur ein Krankenhaus in South Park und das übernahm so ziemlich alles. Außer das Abtreiben, dafür hatten sie natürlich wieder eine Extraklinik… Sobald er die Türe aufdrückte, stieg ihm sofort der wohlbekannte Geruch von Desinfektionsmittel und Gummihandschuhen in die Nase. Zusammen mit dem kahlen Weiß der Wände war der Eindruck des Klischee-Krankenhauses perfekt. Gerade wollte er an die Rezeption, um sich nach Tweeks Aufenthalt zu erkundigen, doch das wurde überflüssig, als er einen blonden Jungen auf den Bänken etwas weiter weg sitzen sah. Seufzend schob Craig die Hände in die Hosentaschen und ging auf den bekannt aussehenden jungen Mann zu. „Hey“, noch ehe der Schwarzhaarige bei ihm angekommen war, grüßte er ihn halbherzig von Weitem. Tweek hob den Kopf und sah ihn verwundert an, was allerdings schnell in Misstrauen umschlug. „Was willst du hier?“, fragte er unbeeindruckt. „Ich bin hier, um dich abzuholen. Deine Eltern… können nicht.“ Oh ja, und wie sie ‚nicht konnten’. Lange fackelten sie zu Craigs Glück nicht herum und Tweek ergab sich seinem Schicksal. „Na schön, dann gehen wir.“ Wenig später ließ sich der Blonde auf dem Beifahrersitz neben Craig nieder. Vollkommen ruhig und unbekümmert blieb er dort sitzen, als der Schwarzhaarige den Schlüssel herum drehte, rückwärts aus dem Parkplatz manövrierte und viel zu schnell in die Stadt zurück fuhr. Es passte nicht zu Tweek. Craig wäre wirklich fast von der Fahrbahn abgekommen, da er viel zu oft Seitenblicke in Tweeks Richtung riskierte. Glücklicherweise passierte nichts und nach diesem kleinen Schockmoment fiel es Craig auch leichter sich wieder auf die Straße zu konzentrieren. Tweek abholen, bei der Schule vorfahren und den Rest des Vormittages darin verbringen. Das war seine ursprüngliche Aufgabe. Doch Craig sah nicht im Geringsten ein, weshalb er das tun sollte. Und so kam es, dass er seinen Wagen vor dem Wallmart abstellte. „Sollen wir nicht in die Schule?“, Tweek stieg ebenfalls aus. Seine Worte klangen nicht vorwurfsvoll, sondern einfach neutral. „Sollen und Wollen sind zwei verschiedene Dinge“, antwortete ihm Craig seufzend. „Außerdem MUSS ich noch einkaufen und das hat für mich gerade Priorität. Also komm mit, du willst doch selbst nicht zurück in dieses Irrenhaus.“ Tweek schnaubte auf diesen Kommentar lediglich und folgte dem Schwarzhaarigen durch die sich automatisch öffnenden Türen. „Willkommen im Wallmart!“ Beinahe routineartig zückte Craig seinen Mittelfinger und das war alles, was Stan’s Opa auf seine ‚Begrüßung’ erwidert bekam. Dass der alte Sack immer noch lebte und noch dazu die Leute hier belästigen konnte, war schon ein halbes Wunder. Auch Tweek ignorierte den alten Mann einfach und so gingen sie schnurstracks in das Gewirr aus Regalelen, Werbetafeln und Schnäppchenangeboten. Das gesamte Einkaufszentrum war generell von Menschenmassen überlaufen, zumindest für South Parks Verhältnisse. Sobald jemand gesucht wird, sich nicht zuhause oder in der Bar aufhält, ist sicher, er ist im Wallmart. Falls einmal ein Teller zerbricht oder mitten in der Nacht ein Serviettenspender benötigt wurde – Wallmart. Es war schon fast wie eine Sucht, eine Krankheit, welche die Erwachsnen angefallen und in die Knie gezwungen hatte. Auch seine Eltern, jedoch noch lange nicht so schlimm, wie Stans oder Kyles Erziehungsberechtigte. Gut, Craig war inzwischen ebenfalls 18 und somit volljährig. Trotzdem fühlte er noch nicht den geringsten Zwang dazu, wann immer er Zeit hatte, diesen Ort aufzusuchen. Wahrscheinlich Kindheitstrauma. Oder die Dummheit kam, je länger er in South Park bliebe. Im Moment war es jedoch fast angenehm, da zu solch früher Zeit die meisten Eltern doch ihre Kinder in die Schule brachten, noch schliefen oder anderweitig beschäftig waren. Es ließ sich demnach gemütlich durch die Reihen schlendern. Abgesehen von den ständigen Schnäppchenangeboten, deren Tafel oft den Zugang zu einem halben Regal versperrten. Stumm gingen sie durch das Einkaufszentrum. Hier und da blieb Craig einmal stehen, nahm doch nichts, ging weiter. Tweek kopierte jeden seiner Schritte unkommentiert. Leise und sanft wurden sie von einschläfernder Kaufhausmusik berieselt. „Wenn du auch etwas findest, nimm’s mit. Ich zahl.“ Ohne sich zu dem Blonden umzudrehen, machte der Größere dieses Angebot. Tweek lehnte nicht ab. Nahm jedoch auch nichts mit. Mal sehen… zuhause hatten die Tuckers nichts, das für Craig als ‚essbar’ definiert werden konnte. Also was wollte er dagegen tun? Fertignudeln. Fertignudeln. Fertignudeln mit Entengeschmack. Tiefkühlpizza. Cola. Bier. Chips. Kekse – für Ruby, falls er sie bestechen musste. „Du kochst nicht gern selbst, oder?“ Die Worte des Blonden kamen nun so überraschend, dass Craig beinahe die Kekspackung hätte fallen lassen. Obwohl er nicht laut gesprochen hatte. So emotionslos wie möglich, wandte der Schwarzhaarige seine dunkelblauen Augen nun Tweek zu. „Nein, nicht wirklich.“ Hatte der Junge gerade mit ihm eine Unterhaltung angefangen? Diese Chance durfte er sich ja nicht entgehen lassen. „Meine Mum kocht meistens Biozeug. Mag vielleicht gesund sein und ab und zu schmeckt es ja, aber meistens ist es so, als würde man in eine Wiese beißen“, erklärte er nebensächlich, als er sich Cornflakes vom oberen Regal herab hangelte. „Überhaupt, wieso soll ich kochen, wenn es Mikrowellenfutter gibt?“ „Schon wahr…“ Craig bemühte sich wirklich nichts zu zeigen und so kühl wie immer zu wirken, doch sein Herz machte einen kleinen Salto als er das leise, lachende Zustimmen des Blonden hörte. Er hatte gelacht. Ganz kurz und kaum hörbar. Doch in diesem Moment bemerkte Craig, wie sehr er dieses Lächeln auf dem Gesicht des Blonden vermisst hatte. Er war nie sentimental gewesen, er wollte es nun auch nicht werden. Stattdessen griff er sich noch eine zweite Packung vom Regal und ging dann weiter. Er hatte alles, was er zum Überleben der nächsten drei Tage brauchte, doch der Schwarzhaarige blieb erneut abrupt stehen, als seine Augen so über die angepriesenen Artikel in den Reihen schweiften. Tweek, der nun bereits ein paar Schritte weiter vorn war, drehte sich um und fragte, was denn los sei. Langsam, fast andächtig griff der Größere nach einer Schachtel und zog sie aus dem Regal, sah sie ungläubig an, bevor er Tweek zu antworten gedachte. „Sie mal“, er hielt ihm die Packung hin. Der Blonde kam die Paar Schritte zu ihm, nahm den Artikel und warf einen fragenden Blick darauf. „…Seemenschen?“ Ja, Seemenschen. Craig hatte mit dieser Sache damals nichts am Hut gehabt. Er hatte erst von Tweek erfahren, dass Cartman, Stan, Kyle und er diese Dinger gekauft hatten und in Ms. Choksondicks Kaffee geschüttet hatten. Darauf hin war diese auf unerklärliche Weise verstorben und die Jungs dachten erst, sie wären daran schuld. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass sie es nicht waren, leider erst nachdem sie eine lange Zeit des Stresses und Paranoia hinter sich hatten. Mitunter ein Erlebnis, von dem Tweek behauptet hatte, es sei das schrecklichste in seinem ganzen Leben gewesen. Bis die Sache mit George Lukas und Hat eintrat. Und die mit dem Geist der Menschlichkeit. Und dann die Riesen-Meerschweinchen oder die Robo-Streisand… also generell alle Erlebnisse, die mit den Vier Chaoten verbunden waren. Aber darauf wollte Craig im Moment nicht hinaus. Es ging ihn viel mehr darum, ob der Anblick dieser bescheuerten Schachtel vielleicht das Gedächtnis des Blonden wieder aufleben ließe. „..Und?“ Nun merkte man sogar der Stimme des Schwarzhaarigen die Neugierde an. Sein Gegenüber drehte die Packung nur ein paar Mal herum und schien nicht begeistert davon. „Was soll ich mit Schrimps zum selber aufziehen? Die verkaufen lebende Viecher an kleine Kinder. Das ist unnütz und Tierquälerei.“ „Nein, das meine ich nicht!“, unterbrach der Schwarzhaarige. „Kommt dir das nicht bekannt vor?“ Eine Frage, die Craig nie hätte stellen sollen. Denn darauf ließ der Blonde tatsächlich die Packung sinken und warf ihm einen dermaßen kalten Blick zu, dass der Tucker Junge fast reflexartig nach dem nächstbesten Gegenstand in Reichweite greifen und es Tweek an den Kopf schleudern wollte. Er sollte aufhören ihn so anzusehen! Das war unerträglich. Ohne ein Wort kam der Blonde auf ihn zu, nahm diesen Blick nicht von ihm. Craig konnte sich nicht bewegen. Nicht unter diesem Blick. Erst ein paar Zentimeter vor ihm blieb er stehen, streckte den Arm aus und knallte die Schachtel wieder ins Regal. „Wenn das alles war, was du mir zeigen wolltest, dann tu mir den Gefallen und lass es bleiben…!“ Gehisste, scharfe Worte schnitten Craigs Ohren. Eine Sekunde darauf hatte der Bonde sich wieder umgedreht und entfernte sich von ihm. Der leichte Windhauch seiner ruckartigen Bewegung schlug dem Schwarzhaarigen gegen die Wangen. Es war so kontrovers. Dieser Junge sah so aus wie Tweek. Er klang nach ihm. Er roch sogar nach Tweek. Aber er benahm sich nicht wie er. Er fühlte sich so weit entfernt und fremd an. Unerreichbar. Seufzend überwand der Schwarzhaarige seine Starre, griff mit einer Hand an seine blaue Mütze und rückte sie etwas zurecht. Er sollte solche Momente nicht verspielen. „Zur Kasse geht’s hier lang“, wies er seinen blonden Vordermann zurecht, als er ihm nachlief, jedoch in eine andere Richtung abbog. Der Aufbau eines Supermarktes war doch wirklich interessant. So gewinnorientiert, wie nur möglich. Am Eingang die ganzen unnützen Dinge, die wichtigsten ganz hinten, damit man auch schön durch den gesamten Laden latschen durfte um hier und da vielleicht noch etwas mitzunehmen - und zur Kasse hin die verführerischen Regale, von denen der 0815-Kunde doch noch das Ein oder Andere herausgreifen sollte. Damit meinte er zum einen Teil die Süßigkeiten, klar. Auf der anderen Seite die Sexartikel. Wie die Geschäftsinhaber veranlassen konnten, dass neben den kinderbegehrten Leckerein Kondome und Massageöl prangten, hatte sich Craig schon seit Eröffnung des Ladens gefragt. Aber sie lebten immerhin in South Park. Hier war das möglich. Normalerweise hielt sich Craig hier nie lange auf. Bis auf dieses mal. Und einmal davor. Wegen einer verlorenen Wette. Nicht einmal eine, die er verloren hatte, doch mit der er mehr oder minder passiv zu tun gehabt hätte. „Sag mal… Tweek…-“ „Was ist? Hast du wieder vor, mich an etwas zu erinnern? Falls ja, lass es sein, es nervt und bringt mir nichts.“ Die Worte des Blonden, als auch sein kalter Blick, machten auf Anhieb klar, wie er zu diesem Thema stand. Seufzend schüttelte Craig den Kopf und bewegte sich von dem Regal weg, in Richtung Kasse. Das kaum sichtbar gewesene Lächeln auf seinen Lippen verschwand dabei gänzlich. Vielleicht hatte es im Moment wirklich keinen Sinn. Nachdem Craig gezahlt hatte, transportierten sie die Lebensmittel in Craigs Auto und der Schwarzhaarige ließ kurz darauf den Motor starten. Jetzt noch in die Schule zu gehen, empfand er als wenig sinnvoll und Lust dazu hatte er auch keine mehr. So würden sie nur den Rest des Tages von Mrs./Mr. Garrison angemacht werden, wieso sie zu spät waren. Das konnte er sich sparen. Nach einem kleinen Umweg setzte er Tweek wieder bei sich zu Hause ab, in der Hoffnung, dass dessen Eltern nicht zu groß rumfragen würden, weshalb ihr Sohn nicht in der Schule war. „Sag einfach, es wäre dir zu viel Stress gewesen“, Craig stieg aus, lehnte sich an die Tür des Wagens und sah Tweek über das Autodach hinweg an. „Wieso Stress?“, fragte der Blonde zurück, nachdem er die Tür zugeworfen hatte. „Einfach deshalb. Oder ist es dir lieber, wenn ich dich doch in der Schule absetze?“ Ein leises Murren war alles, was der Blonde von sich gab, ehe er sich abwandte und auf das Haus zuschritt. Ebenfalls ohne Verabschiedung lies Craig sich seufzend in den Fahrersitz fallen und lehnte den Kopf gegen die Lehne, sobald der Blonde hinter der Haustür verschwunden war. Gott, das war so anstrengend. Er hatte absolut noch nichts Produktives an diesem kümmerlichen Tag erledigt, außer dem Einkauf und er war schon so fertig, dass er nur noch schlafen wollte. Tweek machte ihn fertig. Das, was er war – oder besser gesagt, nicht war – machte ihn fertig. Nach weiteren fünf Minuten war er dann Zuhause, überwand sich zu einer anderen Erklärung, als dem Mittelfinger, wieso er nicht in der Schule war und schloss sich dann auch schon in seinem Zimmer ein. Die X-tausesnste Wiederholung von Red Racer flackerte über den Bildschirm. Schon seit der 6. Klasse kannte Craig jede Folge auswendig. Und er hatte sie sich immer wieder angesehen. Wieso? Keine Ahnung. Es hatte ihm immer irgendwie gefallen, war ein Zeitvertreib, ließ ihn das Gefühl erleben, nie älter geworden zu sein. Doch nun regte sie ihn auf. Immer derselbe beschissene rote Rennwagen. Immer dieselbe nervtötende Titelmusik. Immer derselbe Mist an Storyline. Frustriert aufseufzend schmetterte er die Fernbedienung ins letzte Eck seines Zimmers und ließ sich auf sein Bett fallen. Kein störendes Flimmern mehr. Keine begleitenden, fahlen Stimmen aus dem TV. Es war einfach still. Seit Stripe tot war, hatte der Schwarzhaarige permanent irgendetwas in seinem Raum, das Geräusche von sich gab, sei es der Fernseher, das Radio oder der Mp3 Player. Er war das Schaben am Käfig, das gelegentliche Quieken oder das Geklapper des Laufrades so gewohnt, welches er Tag und Nacht, Jahr ein Jahr aus, gehört hatte, dass er Stille schon gar nicht mehr aushielt. Nicht in seinem Zimmer. Trotzdem ersehnte er sich nichts mehr, als Stille. Trotzdem hasste er nichts mehr, als Geräuschlosigkeit. Ab und zu fuhr draußen ein Auto vorbei. Jedes Mal nahm sich Craig vor, beim nächsten Auto vom Bett aufzustehen. Beim nächsten Auto nahm er seinen Blick von der Zimmerdecke. Sie war weiß, langweilig. Wenige Poster oder Bilder zierten den Raum. Keine Kinderbilder von ihm. Mal davon abgesehen, dass er sie spätestens im Alter von 15 Jahren aus Peinlichkeit abgehängt hatte – er hatte nie gezeichnet oder gebastelt als er klein war. Weder für sich, noch als Geschenk für seine Eltern. Ein Auto rauschte auf der Straße vorbei. Er war kein kreatives Kind. Er hatte lieber anderen bei solchen Arbeit zugesehen. Seiner Schwester oder Schulkameraden. Wenn es so still war, legte man viel mehr Wert auf das, was man sah. Craig war nie aufgefallen, wie unbekannt ihm sein Zimmer eigentlich war. Doch er wusste, dass er es kannte. Schon sein Leben lang. Wie fühlte sich das an, eines Morgens aufzuwachen und alles vergessen zu haben? Wirklich gar nichts mehr zu kennen… Erneut fuhr ein Auto vorbei. Es war helllichter Tag, es war Vormittag. Es war zwar kalt, doch die Sonne schien. Die meisten Kinder und Jugendlichen waren in der Schule. Eigentlich die perfekte Zeit um rauszugehen. Es würden ihm nicht viele Leute begegnen, jedenfalls nicht viele, die der Schwarzhaarige kannte. Warum lag er hier auf seinem Bett und ließ die Zeit einfach so an sich vorbei gehen? Weil er auf nichts Lust hatte. Weil er sich zu nichts aufraffen konnte oder wollte. Das Gefühl kannte Craig nur zu gut und es hatte ihn sein Leben lang nie gestört. Also wieso tat es das jetzt? Das Brummen eines Motors war durch die geschlossenen Fenster zu hören und Craig erhob sich mit einem Ruck. Mit einem zweiten stand er auf seinen Beinen. Seltsam. Er wollte es nicht. Aber er stand trotzdem. Wenn er das schon einmal tat, dann könnte er gleich gehen. Irgendwo hin, vielleicht zu Sizzlers, oder einfach nur spazieren. Danach würde ihm schon etwas anderes einfallen. Die Stille hier hielt er jedoch keinen Moment länger aus. Dabei war er selbst ein ruhiger Mensch. Konnte es sein, dass er nur deswegen so still war, weil er es gewohnt war, Geräusche um sich zu haben? Und sei es nur das Schaben eines Meerschweinchens. Vielleicht brauchte Craig das. Vielleicht brauchte er jemand, der sich nicht still halten konnte, der ständig irgendetwas von sich gab. Einen Spast. Vielleicht brauchte er das. Kapitel 6: I don't need you --------------------------- „Legt eure Aufsätze bitte hier vorne auf das Pult, ich werde sie mir bis nächste Woche ansehen.“ Mr. Garrison machte Platz auf dem Lehrerpult und ein paar Mutige machten den Anfang, um ihre erledigten Arbeiten dort abzuliefern. Unter den ersten natürlich Wendy, Kyle und Token. Craig überlegte kurz. ….Wann hatte die Tucke ihnen Aufsätze aufgegeben…? War ja auch egal, der Schwarzhaarige hatte nichts getan. Also hieß es nun gestehen, oder improvisieren. Suchend durchwühlte Craig seine mehr oder weniger auseinanderfallenden Ordner, nach etwas, das wenigstens ansatzweise nach Arbeit aussah, die er abliefern könnte. >Unabgeschickter Brief an meine Tante, wieso ich nicht aufhöre zu rauchen und jede Woche Geld von dir brauche< …. Das würde schon gehen. Immerhin hatte es zumindest ansatzweise mit ihrem Thema zu tun. Rasch riss er die Seite aus seinem Ringblock und legte sie zu den anderen auf den Stapel. Glücklicherweise klatschte Stan gleich sein Heft darauf, dass Garrison den Mist erst zu lesen bekommen würde, wenn er Zuhause und außer Reichweite war. Ob er dann ein F kassierte, war Craig doch so was von Schnuppe. Eines mehr oder weniger, was machte das schon. „Tweek, du musst deinen Aufsatz natürlich nicht abgeben, wenn du nicht mehr weißt, wo du ihn hingelegt hast.“ „Ey! Wieso muss der Spast seinen Fetzen nicht abgeben?! Dann soll er ihn halt suchen!“ Das war so klar… wenn einer so etwas bringen könnte, dann war es Eric Cartman. Seufzend ließ Craig den Kopf in seine Hände fallen, als sich Mr. Garrison doch wirklich erneut auf ein Streitgespräch mit ihm einließ. Er würde nie lernen, dass man Eric ignorieren musste, wenn man ihn loshaben wollte. Niemand hier kapierte das anscheinend. „Du verstehst den Ernst in Tweeks Lage wohl immer noch nicht, du kleine Dickschwarte!“, wetterte der Ältere. „Nein! Und ich finde es äußerst ungerecht, dass er, nur weil er angeblich das Gedächtnis verloren hat, keine Hausaufgaben erledigen muss!“ „Tweek hat nicht nur angeblich sein Gedächtnis verloren! Und er ist auch nicht von allen Hausaufgaben befreit, nur von dieser und zu schwierigen für-“ „Aha! Sehen sie! Jetzt sind wir schon bei individuellen Leistungseinstufungen!“ „ARGH! ERIC!!“ Das konnte jetzt noch länger dauern. Und es war wirklich niemandem aufgefallen, dass die Person, über die sich hier gerade gestritten wurde, nicht mal mehr im Raum war? Fragend blickte sich der Tucker Junge um, doch es schien wirklich keinen zu interessieren. Es war ja auch nicht zu verübeln, wenn die anderen Schüler bei solch einem bekannten Gehabe abschalteten, aber hatte wirklich niemand mitbekommen, dass Tweek aufgestanden und das Klassenzimmer verlassen hatte? Anscheinend nicht. Niemand, außer Craig und dieser ließ es ebenfalls einfach geschehen und dachte nicht darüber nach. Verlaufen würde der Blonde sich schon nicht. Und selbst wenn, Craig war ja nicht sein Babysitter. Tatsächlich sah er den blonden, nicht mehr zitternden, Jungen schon in der Pause wieder. Er saß an einem noch leeren Tisch der Cafeteria und starrte auf die Tischplatte. Vielleicht würde Craig sich zu ihm setzten. Mal sehen, erst einmal wollte er sich von Chefkoch das Essen holen. Dass der Schwarze immer noch an der Schule angestellt war und nicht schon längst das Weite gesucht hatte, wunderte ihn doch sehr, war Chefkoch immerhin einer der einzigen, von ihm so geschätzten, normalen Menschen in diesem Kaff. Jedoch verschwendete Craigs Gehirn keinen Gedanken mehr an Chef’s Arbeitsstelle, als sein Blick erneut zu Tweek abschweifte, der nun nicht mehr alleine saß. Terrance, Fosse und Bill standen nun um ihn herum, sahen hämisch grinsend auf Tweek herab, welcher ihnen jedoch überhaupt keine Beachtung zu schenken schien. Auch wenn es den Anschein machte, dass ihn die Worte der Schläger völlig kalt ließen, konnte Craig ein wütendes Knurren nicht unterdrücken. Was zur Hölle hatten die nun schon wieder bei dem Tweak Jungen zu suchen?! Er hatte sich letztes Mal wohl noch nicht deutlich genug ausgedrückt, sich von ihm fernzuhalten! Mit einem lauten Scheppern warf er sein Tablett ungeachtet auf den nächstbesten Tisch und schritt auf die vier Jungs zu. Terrance war der Erste, der den sich nähernden Schwarzhaarigen bemerkte. „Oh~ sieh an. Hast du dein Hündchen schon wieder alleine gelassen? Du bist aber auch ein schlechtes Herrchen-“ „Schnauze Terrance!“, Craig kam genau hinter Tweek zum Stillstand und fixierte sein Gegenüber sofort mit einem tödlichen Blick. „Legst du es wirklich darauf an, dass ich dich vor der gesamten Schule in der Cafeteria windelweich prügel, oder warum schwirrst du hier nicht ab…?!“ Terrance tat so, als überlege er einen Moment lang angestrengt. „Mh… woher kenne ich diese Situation nur… ach ja! Wolltest du mich nicht schon letztes Mal verprügeln? Aber wieso hast du das denn nicht? Ach ja~“, sein Gesicht verzog sich zu einer überlegen grinsenden Fratze, „Da hat dein Schosshündchen dich ja zurückgehalten!“ „Ich sagte Schnauze!“ Nun war es der Schwarzhaarige, der über das abwertende Gelächter der anderen nahe dran war, die Nerven zu verlieren. Wieso hatten sie nur so viele Idioten an dieser Schule und wieso musste gerade er immer wieder mit ihnen aneinander geraten… gerade jetzt?! Er hatte sich doch früher so angenehm aus allem raushalten können. Doch seit dieser Party war ihm dieser Segen wohl ein für alle mal genommen worden. Er hätte nicht zu Tweek gehen müssen. Immerhin wusste er nicht, ob diese Schläger ihm was getan haben, oder ihm etwas tun wollten. Ehrlich gesagt hatte er überhaupt keine Ahnung, wieso er gerade hier stand und sich aufregte. Es war absolut nicht seine Sache. Er hätte sich nicht einmischen müssen. Selbst wenn sie vorhatten den Blonden zu beleidigen oder Schaden zu zufügen. Es war nicht sein Problem. Und doch war es dem Schwarzhaarigen unangenehm, ihnen das einfach so durchgehen zu lassen. „Hey, Tucker, ich rede mit dir!“ Die lauter werdende, direkt an ihn gerichtete Stimme, ließ Craig aufschrecken und er erblickte einen sichtlich schlechter gelaunten Terrance. „Was?“, murrte der Schwarzhaarige lediglich gelangweilt. „Träumst du?! Tu das gefälligst, wenn du pennst und nicht, wenn ich deiner unterbemittelten Persönlichkeit etwas mitteilen will!“ Auf Craigs Lippen formte sich langsam ein immer breiter werdendes Grinsen. Er hatte Terrance Schwachpunkt - neben seinem verrückten Vater. Ignoranz. Schenkte man ihm keine Aufmerksamkeit würde er abdrehen. Und der Größere war gerade drauf und dran, eben dies heraufzubeschwören. Gut, wenn er wollte, eine kleine Schlägerei um das Image zu pushen konnte nie schaden. Gegen diesen Spacko kam er doch mit verbundenen Augen an. Craig war schon dabei, um den Tisch herum zu gehen und Terrance Einladung auf eine Prügelei anzunehmen, als sich Tweek plötzlich ruckartig erhob. Er hatte sich nicht bewegt, nichts gesagt, seit Craig hinter ihn getreten war und nun packte er schroff den Arm des Schwarzhaarigen und stand dann wieder genauso still, genauso emotionslos an Ort und Stelle wie vorhin. Allein die unerwartete Bewegung hatte Craig schon erschreckt. Dass er sich nun noch in einem beinahe schmerzhaften Griff befand, musste der Junge erst einmal kompensieren. „Was… soll das?!“, richtete er dann doch schon fast wütend an den Blonden. Dieser machte sich jedoch nicht einmal die Mühe ihn anzusehen, starrte einfach weiter gerade aus, als er sprach. „Es hat keinen Sinn. Wir haben in ein paar Minuten Schwimmen. Ihr bekommt beide noch größeren Ärger, wenn ihr zu spät kommt.“ Der Schwarzhaarige schnaubte darauf nur verächtlich und warf Tweek nun einen ärgerlichen Blick zu, „wir haben noch gute 10 Minuten, das reicht mir locker, um diesen Schlappschwanz-“ Aber weiter kam der starke Tucker Junge nicht, denn Tweek hatte sich auf dem Absatz umgedreht und zerrte ihn ohne größere Schwierigkeiten in Richtung Ausgang. „Hey?!“ Craig hätte sich wehren können. Sicher hätte er das. Er war schließlich der Stärkere. Doch in diesem Moment war er wieder einmal so überrumpelt, von der völlig veränderten Persönlichkeit des Anderen, dass er nicht einmal registrierte, wo sie hinliefen. „Ja, lauf nur weg!“, hörte er Terrance hinter sich rufen, „ich wette, du hast ihn dafür bezahlt, dass er dich abschleppt, jedes Mal, wenn wir uns messen wollen!“ Das Gelächter verstummte, als die Cafeteria-Türe hinter ihnen zuschwang. Tweeks Schritte waren groß, sicher, so wie schnell und führten sie immer weiter durch die beinahe leeren Gänge. Das war doch alles nicht wahr… Tweek Tweak hatte zwar schon damals oft versucht, Craig am Schlägern zu hindern, aber hatte es nie geschafft. Entweder rannte er beim zweiten Gegenargument schreiend weg oder versteckte sich, aus Angst, er könnte sein neues Opfer werden. Es war so unheimlich paradox für Craig sich dem Willen des Blonden beugen zu müssen. Und die schleichende Erkenntnis es gerade eben getan zu haben, holte ihn zunehmend ein. „Sag mal was hast du eigentlich für ein Problem?! Siehst du nicht, dass dieser Idiot eine Abreibung verdient hat?!“ Ihre hallenden Schritte wurden nun von Craigs knurrender Stimme übertönt. Und schon im nächsten Moment verstummten sie ganz. Tweek war so abrupt stehen geblieben, dass der Schwarzhaarige beinahe gegen ihn gerempelt wäre. Schnell machte er einen Schritt zurück und gleich noch einen weiteren, als der Blonde sich zu ihm wandte und ihn mit ernsten Augen fixierte. „Den einzigen Idioten, den ich hier sehe, bist du!“ Es war niemand hier außer ihnen. Es konnte sie niemand hören. Niemand, vor dem Craig daraufhin sein Image hätte verteidigen müssen. Und trotzdem hatte er den unglaublichen Drang sich zu rechtfertigen. Leider fand er gerade keine Worte dafür. „Es ist nicht dein Problem. Es gab überhaupt keinen Grund dafür, dich mit ihm zu streiten. Terrance hatte mit mir geredet, also halte dich gefällt da raus. War ich dein einziger Freund, oder warum hängst du mir dauernd nach?!“ Nun entkam dem Schwarzhaarigen doch fast schon ein sarkastisches Lachen. Wie bitte? Hatte… hatte dieser Spast das wirklich gerade gesagt?! Doch - Kein Zweifel. Tweeks schnittige Worte hallten unverkennbar und deutlich in Craigs Kopf nach. „Ich dir nachhängen?!“, seine Stimme überschlug sich beinahe. Oh, wenn er nur wüsste…! Wie gern hätte Craig ihm nun unter die Nase gerieben, wie er sich ihm gegenüber verhalten hatte, auf dieser Party, vor dieser Party, all die Zeit davor! Doch er hatte nicht die Nerven dazu, das in Worte zu fassen! „Ich bin verdammt noch mal dazu gezwungen worden! Von deinen Eltern, von meinen Eltern, von deinem beschissenen Therapeuten-Doctor!“ Seine Stimme hallte von den leeren, kahl-weißen Wänden und den hässlichen grünen Spinden wider. „Denkst du wirklich ich kümmere mich freiwillig um dich?! Pah! Hättest du wohl gern! Ich habe Freunde, die nicht psychisch gestört sind und mit denen ich meine Zeit zehn Mal lieber verbringen würde!“ Craig hatte am Ende des Satzes vergessen, was er zu Anfang gesagt hatte. Jedes Wort schien von irgendwo über seine Lippen zu kommen, nur nicht von seinem Gehirn. Eher aus seinem wutgefüllten Bauch. Er war einen Schritt vor gegangen und lehnte sich drohend näher zu dem blonden Jungen, der immer noch viel zu weit entfernt war. „Wieso tust du es dann nicht?“ Auch Tweeks Stimme war nun deutlich genervter und lauter als vorhin. Jedoch hatte sich der Junge nicht vom Fleck gerührt, stand einfach nur da und alles, was er Craig entgegen warf, war dieser warnende Blick. Und das reichte. Das reichte aus, um den aggressiven Schwarzhaarigen hinter eine unsichtbaren Line zu bannen, als wäre es Stacheldraht. „Das tue ich und werde ich…“, knirschte er, „gleich nachdem du aus meinem erzwungenen Terminplan verschwunden bist!“ „Gut.“ Das war alles. Alles, was Tweek darauf zu erwidern hatte. Ohne vor Craigs Wut zu erzittern, ohne sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen drehte sich der blonde Junge um und schritt völlig unberührt den Gang hinunter. Und Craig stand da. Vor den Kopf gestoßen und immer noch zum Sprung bereit über diese Grenze zwischen ihm und Tweek, die niemand außer ihm sah und von der er wusste, dass er sie so niemals übertreten würde. Und es war gut so. Es war doch gut so. Tweek hatte, was er wollte und Craig hatte, was er eben behauptet hatte zu wollen – Ruhe. Vor dem jeweils anderen. Ganz ohne Auseinandersetzung. Und doch wünschte sich eine tobende Stimme in Craigs Innerem, Tweek solle sich umdrehen, sollt ihn anschreien, auf ihn losgehen, ihm sagen, er würde ihn hassen – irgendetwas – ihn einfach nur zur Kenntnis nehmen! Aber das tat er nicht. Schnaubend drehte sich der Schwarzhaarige auf dem Absatz um, stopfte diese schreiend stumme Stimme in einen Sack, den er bei nächster Gelegenheit aus seinem Hinterkopf in einen reißenden Fluss werfen würde! >Er ihm nachhängen< So weit kam es noch. Nach der übernächsten Ecke hielt der Tucker Junge jedoch inne und änderte erneut seine Richtung, nicht minder angepisst, da er begriffen hatte, dass es nur einen Weg zur Schwimmhalle gab und er sich leider Gottes nicht darauf befand. Um ehrlich zu sein war er gerade tatsächlich vollkommen sinnfrei und in Rage in die entgegengesetzte Richtung gestapft. Aber Craig war nicht ehrlich. Nicht einmal zu sich selbst. Er betrat die Umkleide, Tweek verließ sie. Timing. Und sofort bemerkte er auch die anderen Augenpaare, die sich an ihn hefteten. Clyde, Token und zu allem Übel auch noch Cartman. „Hey Craig!“, sofort war der gut aussehende Brünette vor ihn gesprungen und grinste ihn an. „Du glaubst nicht was passiert ist – ich hab eine 2 in Chemie! Ich! Eine Zwei!“ Clyde grinste über beide Ohren stolz, „Und dabei habe ich nicht einmal bei Token abgeschaut!“ „Dafür war es auch nur ein Multible Choise Test und du hast zufällig 75 Prozent der Aufgaben richtig erraten.“ Die ernüchternden Worte Tokens wandelten das triumphale Grinsen sofort in den Gesichtsausdruck einer zerquetschten Seegurke. „Na und?! Wer hat dich denn gefragt, Mr. Super-Brain?!“, keifte Clyde schmollend zurück. Normalerweise war das der Moment in dem Craig begann zu grinsen und Clyde ironische Worte mit handgestlicher Untermalung darbot. Doch dieses mal blieb das Lächeln aus, ebenso wie die Begeisterung für die Dummheit und Naivität seines brünetten Kumpels. Lediglich der Mittelfinger wurde in guter alter Manier hochgereckt und damit begann der Schwarzhaarige sich aus seinen Klamotten zu schälen. Dass sowohl Clyde, als auch Token für diese kleinen, aber bei Craig doch maßgeblichen Stimmungsschwankungen sensibel geworden waren, war für den Missmutigen immer noch ein Wunder. „Sag mal, was ist denn los? Du benimmst dich in letzter Zeit wirklich lang anhaltend komisch und hast nie Zeit. Jetzt sag nicht, das wäre noch der Kater von meiner Party, so betrunken kannst nicht einmal du gewesen sein.“ Token, der bereits Badehose und Schlappen anhatte, verschränkte die Arme und zog sorgvoll eine Augenbraue nach oben. Sie erwarteten nicht ernsthaft jetzt und hier eine ehrliche Antwort darauf? Sicher nicht in der Schulumkleide vor Eric Cartman. Dieser meldete sich natürlich sofort unaufgefordert zu Wort, sobald er den Braten gerochen hatte. „Seid ihr blind, taub und blöd? Craigy hat zur Zeit viiiel zu viel um die Ohren mit seinem Hausaufgaben-aus-dem-Weg-gehenden, psychisch bemitleidenswerten, nun nicht mehr ganz so abgespackten Freund~ Oder Tweek, wie ihr ihn des Öfteren nanntet.“ „Halt dein Maul, dich hat niemand gefragt, Fettbacke…“ Craigs Shirt landete mit zu viel Übermut auf der Bank neben ihm, während er Cartman einen gefährlichen Blick zu warf. Der war der Letzte, den es etwas angehen sollte. Leider hatte er genau ins Schwarze getroffen. Aber nicht mehr lange, denn seit 10 Minuten hatte Craig schließlich öffentlich zugegeben, dass es sich nun ein für alle Mal ändern würde. Cartman wäre jedoch nicht er selbst, wenn er sich davon hätte beeindrucken lassen. Das wusste der Schwarzhaarige. Deswegen vermutete er hinter dem unerwarteten Schweigen und dem leisen Kichern des Dicken auch nichts Gutes. Aber so lange er den Mund hielt. Was sollte es. „Wir gehen schon mal vor, Clyde hat noch eine Strafarbeit beim Lehrer vorzulegen.“ Grinsend klopfte Token dem Brünetten auf die Schulter, während Clyde Donovan ein nur noch beleidigteres Gesicht machte. „Das muss Craig aber nicht wissen…!“ „Tja, jetzt tut er’s“, ein Schulterzucken von Token und schon waren die beiden weg. Auch Eric war plötzlich aus dem Raum verschwunden. Craig hörte ihn noch „Hey, Terrance!“ rufen. Die beiden passten zusammen wie Dick und Doof. Beides Arschlöcher, die Craig nicht ausstehen konnte, genauso wenig wie die beiden ihn ausstehen konnten... Wahrscheinlich lästerten sie nun in Hülle und fülle über ihn, doch das war dem Schwarzhaarigen reichlich egal. Sollten sie doch. Davon konnten sie sich auch keinen Fisch braten. Kapitel 7: I need you --------------------- Merry Christmas everybody~ hope you have a wonderful holiday and a happy time together with your beloved ones Und ein besonderes Dankeschön an Kenny-mon und Innocent, meine treuen Kommischreiber *knuff* freu mich jedes mal so sehr~ und nun viel Spaß beim Lesen =3 ------------------------------------------------ Der scharfe Geruch von Chlor war das erste, das dem Schwarzhaarigen entgegenschwappte und ihn herzlich in der Schwimmhalle willkommen hieß. Oh ja, das einzige Schwimmbecken, dass sich die South Park High leisten konnte, bestand schätzungsweise aus 90 Prozent Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Das normale Wasser hatten sie leider schon für das Babybecken gebraucht und das durfte dann auch nur einmal monatlich gewechselt werden. Also gut, Craig gab es zu, sie hatten ganze zwei Schwimmbecken. Eines für die ‚Großen’ aus chemikalischem Giftmüll und eines für die ‚Kleinen’ aus wochenalten Exkrementen. Mitunter ein Grund, weshalb er Schwimmen hasste. Ein anderer war, sich hier entkleiden zu müssen. Nicht dass Craig sich für seinen Körper zu schämen hatte, ganz im Gegenteil. Aber es ging niemanden etwas an. Sollten sie sich doch an einen FKK Strand legen, wenn ihre Schwimmlehrer geil auf halb nackte Jungs waren. Doch bei Dauerfrost konnte man das vergessen, also musste eben der Unterricht herhalten. Und mal ehrlich, welcher normale Schwimmlehrer spielte schon Spiele wie ‚Hahnenkampf – die Unteren ohne Badehose’ oder ‚Wasserball – die Verlierer ohne Badehosen’. Einfallslos und pervers. Wenigstens hatten sie getrennt von den Mädchen Schwimmen. Die klebten aber auch zum Anfang der Stunde regelmäßig an der riesigen Glasscheibe und gafften. Und da war auch schon der nächste Punkt auf Craigs Beschwerdeliste: Welcher Vollidiot baute ein Hallenbad in ein Glashaus?! Die gesamten beiden Wände, die zum Pausenhof zeigten, waren vollkommen verglast, riesige Fenster! Waren sie denn Pflanzen in einem Gewächshaus oder billige Nutten in einer Piep-Show?! So kam man sich hier drin jedenfalls vor, wobei es da die Mädchen wohl noch etwas schwerer als die Jungs hatten. Trotzdem. Scheiße. Einfach Scheiße. Jeder der Freistunde hatte, konnte ihnen beim Schwimmen zusehen. …Oder bei diesen geistig gestörten Spielen. Wieso hatte eigentlich noch niemand ihren Lehrer erwischt, als er sich einen runtergeholt hatte? Doch anscheinend tat er das schlauerweise erst in der Kabine. „So Jungs, dann lasst uns mal anfangen. Wir werden heute mit den Nudeln und Brettern schwimmen, also Craig, Clyde und Token, holt die doch mal.“ Nudeln, Bretter – hörte sich mehr nach Kochen an. Oder Babyschwimmunterricht. Wo waren denn die Flossen und Schwimmflügel~? Craig schnaubte verächtlich und stellte sich demonstrativ mit verschränkten Armen mitten in den Weg. Ohne etwas zu tun. Er würde sicher nicht helfen. „Hey, Tucker!“ Craig hob genervt den Kopf, als er erneut Terrance Stimme erkannte. Grinsend kam der Junge auf ihn zu. Seine schwarzen Badeshorts hingen ihm ziemlich weit unten, so dass man auch schön die Möchtegern-Bauchmuskeln auf dem Körper des Braunhaarigen erkennen konnten. Oh Bitte. Wie verzweifelt war das? Wenn er sich schon präsentieren will, dann sollte er sein Training erst einmal zu Ende bringen. Mit solchen halben Geschichten musste er bei Craig nicht ankommen, denn dieser hatte in der Hinsicht, was einen durchtrainierten Körper anging, um einiges mehr zu bieten als Terrance. Ohne zu übertreiben. Er war kein Muskelprotz und das hatte er nie vor, zu werden. Und darauf aus, seinen Körper mit knietief hängenden Hosen und Tanktops zur Schau zu stellen, war Craig ebenfalls nicht. Seine Haltung war nicht ansatzweise so stolz und beeindruckend, wie die von Terrance und glücklicherweise saßen auch die blauen Badeshorts des Schwarzhaarigen weder zu tief, noch zu hoch. Was man von Bill und Fosse nicht sagen konnte. Alter, dass es denen nicht alles abschnürte?! „Was?“, murrte er schließlich, den Blick angewidert abschweifend von den viel zu engen Hosen der beiden Idioten. „Weißt du, ich war in letzter Zeit etwas gemein zu dir und deinem … Freund“, ein spitzes Grinsen legte sich auf Terrances Lippen, worauf Craig seine Augen zu Schlitzen verengte. „Und dafür wollte ich mich entschuldigen.“ „Pfff…“ Abschätzig stieß sich der Tucker Junge von der Wand ab, war gerade dabei, dem Deppen den Rücken zu zukehren, als sich plötzlich Eric einmischte. „Wie wär’s, wenn wir ein Abschiedsfoto von euch machen?“, die Stimme Cartmans war in diesem gespielt netten Ton, der nie etwas Gutes verhieß. Das wusste Jeder. Eric hatte sein Handy in einer Hand, die andere ruhte gelassen am Saum seiner roten Badehose. Wahrscheinlich war sie schon so weit aufgeschnürt, wie nur möglich, trotzdem ragte ein großer Teil des Schwabbelbauches über den Gummibund und wackelte bei jedem seiner Schritte, bis der Brünette neben Terrance zum Stehen kam. „Abschiedsfoto?“, wiederholte Craig misstrauisch, als er sich nun doch zu ihnen wandte. Was immer die vor hatten, er würde sich nicht provozieren lassen. Nein, so tief musste er nicht sinken. Vielleicht hätte er sich einfach umdrehen und gehen sollen. Doch falls diese Typen vorhatten, Tweek irgendetwas anzutun, worauf ein ‚Abschied’ folgen müsse, dann würde er es gottverdammt noch mal verhindern. Wenn nötig würde er sie beide hier ertränken. Das wäre kein Ding. Er kannte Leute, die ihm dafür dankbar wären. Cartman warf einen kurzen Blick zu Terrance, dann zu dem Schwarzhaarigen, „naja, du weißt schon, er kann sich ja an nichts mehr erinnern und will scheinbar nichts mehr mit dir zu tun haben. Schon schade, dass du dich all die Jahre für ihn aufgeopfert hast, wenn er in der Scheiße gesteckt hatte und jetzt war das alles für’n Arsch. Mh, schweres Schicksaal Craig, schweres Schicksaal…“ Ein leises, ungesundes Knirschen war zu hören, als Craig seine Zähne mit aller Kraft, die sein Kiefer bot, aufeinander presste. Seine Hände ballten sich krampfhaft zu Fäusten. „Cartman….. !“, ein dumpfes Grollen verließ seine Kehle, so tief, dass es kaum hörbar war. Der aufspießende Blick, den er den beiden Jungen zuwarf, schien sie jedoch nicht im Geringsten zu stören. Es reichte. Es war genug, Craig sollte sich umdrehen und gehen. Er wusste selbst, dass Eric darauf aus war, ihn zu provozieren und scheiße, ja – er hatte ihn gerade, verdammt noch mal, unter der Gürtellinie getroffen! Dies hätte Warnung genug sein sollen, es bleiben zu lassen, ihm nicht mehr zu zuhören. Doch Craigs Körper rührte sich nicht. Ignorierte die klugen Entscheidungen seines Kopfes. Seine Füße bewegten sich nicht, standen wie fest gefroren auf dem weiß gefliesten, nassen Boden. Das leise Rauschen des Wassers, das vom Becken in den Abfluss am Rand schwappte, kam dem Schwarzhaarigen plötzlich lauter vor. Näher. Das Geschrei der Kindergartenkinder nebenan im Becken. Das Klopfen an die Fensterscheibe von irgendwelchen Pausenhofidioten. Seine Sinne waren so geschärft wie die eines wilden Tieres, sprungbereit und zum Zerreissen angespannt. Er wartete nur noch auf diesen einen letzten Schlüsselreiz, der es ihm legalisierte, Cartman offiziell zu zerfetzten. Oh ja, er war aggressiv und angriffslustig. Auch wenn sein Verstand ihn daran erinnerte, dass er doch ruhig bleiben wollte. Scheiß drauf! Eric hatte ihn Blut lecken lassen und jetzt wollte er Brutalität! „Ja…? red weiter, Fettsack…?“ Ohne einmal zu blinzeln und mit gefährlichem Unterton zischte Craig ihm diese Worte entgegen, gespannt – nein – hoffend darauf, dass Cartman nun das tat, was er am besten konnte. Zu weit gehen. Und er hoffte nicht vergebens. „Tja“, Eric zuckte beiläufig mit den Schultern, „deswegen wollten wir dir noch ein Foto mit ihm schenken, solange er dich überhaupt noch in seiner Nähe duldet. Was hältst du davon, wenn ich nachher zu ihm gehe und ihn frage, ob er bei uns mitmacht? Ich bin sicher Tweek ist begeistert von der Idee, sobald wir ihm erzählen, dass wir dich schon immer gehasst haben! Aber bevor wir das tun, wollten wir dir die kleine Geste noch erweisen. Und das in Badehose! Mann, Craig, sei mal ehrlich, das macht sich doch sicher gut auf deinem Nachttisch als Wichsvorlage! Für einsame Nächte, in denen du-“ Weiter kam er nicht. Denn da war Craig vorgesprungen und hatte seine Faust gnadenlos und mit aller Kraft, die er aufbieten konnte in Cartmans Gesicht gedonnert. Das leise Knacksen von Erics Nase wurde von einem jaulenden Aufschrei des Brünetten übertönt. Taumelnd tat er einen Schritt nach hinten, rutschte auf den feuchten Fließen aus und landete genau mit dem Hinterkopf auf dem harten Boden. Ein erstickendes Japsen war alles, was der Dicke noch von sich gab, während seine Augen wie gelähmt einen Punkt an der Decke fixierten und keine seiner Gliedmaßen sich bewegen konnte. Sein Bauchfett schwabbelte unruhig und ungesund im Takt seiner kurz aussetzenden Atmung auf und ab. Selbst KO war dieser Mensch noch ein widerlicher Anblick! So schnell stopfte man Eric Theodor Cartman das Maul. Und Craig war bei weitem noch nicht fertig! Kaum war der Junge auf dem Boden aufgeprallt, war auch schon der erste entsetzte Schrei von Butters zu hören, gefolgt von Pip, der sich mindestens genauso zu Tode erschrocken hatte. „Ach Gottchen! Nein, hört auf!“ Doch Craig dachte nicht einmal daran und schon machte der Schwarzhaarige den nächsten Satz auf den am Boden Liegenden zu, hatte die Faust gehoben und war nur Sekunden davon entfernt, auf den Halbbewusstlosen einzuprügeln. Doch da schritten plötzlich Fosse und Terrance ein, die den Tucker Jungen blitzschnell von seinem Vorhaben abhielten. Mit irgendwelchen knurrenden Beleidigungen, die Craig überhaupt nicht mehr registrierte, krallte Terrance sich seinen rechten Arm, während Fosse sich unbeholfen, jedoch mit aller Kraft die er hatte, auf den Schwarzhaarigen stürzte und ihn zu Boden tacklen wollte. Und das wäre dem Grobian sogar beinahe gelungen, hätte der Protz nicht das Pech gehabt, genau vor seinem Ziel auszurutschen. Mehr sich selbst stützend, klammerte sich Fosse mit beiden Armen um Craig geschlungen fest und allein das hatte den Schwarzhaarigen ins Wanken gebracht. Muskelmasse machte doch mehr aus, als man dachte. Doch kaum eine Sekunde hatte Craig gebraucht, um wieder sicher zu stehen, rammte Fosse sein Knie in die Magengrube, wartete auf das dumpfe Keuchen und schlug ihm den freien Ellenbogen genau zwischen die Schulterblätter. Ein kurzes Zucken und Fosses Körper verlor all seine Kraft, lies von Craig ab und gab dem Schwarzhaarigen genug Spielraum, um sich Terrance vorzuknöpfen. Ein gezielter Hieb mit dem Handballen unter seinen Hals und er ließ Craigs Hand los. Ein weiterer Faustschlag gegen die Schläfe und Terrance lag bei den anderen Jungs am Boden. Wehrlos – endlich! Endlich konnte Craig seinen Trieben, diese Vollidioten nach Strich und Faden zu verhauen, ungestört nachgehen! Er hörte die entsetzten, zum Teil empörten aber auch anfeuernden Rufe um sich herum nicht mehr. Hörte Butters nicht flennend nach dem Sportlehrer suchen. Hörte Tokens Mahnung nicht. Hörte Clydes Gejohle nicht. Er hatte sie alle ausgeblendet. Es war Eric der sich als erstes aufrichtete. Nicht kampfbereit, einfach nur lädiert, total benommen. Aber was aufstand musste wieder niedergeschlagen werden! Ein tiefes Einatmen, ein tötender Blick, die Fäuste krampfhaft geballt und Craigs Körper setzte sich ruckartig in Bewegung, rannte vorwärts, holte aus - wurde so plötzlich wie er losgesprungen war gestoppt. Er prallte mit voller Wucht gegen irgendjemand anderen, der sich ihm blitzartig in den Weg gestellt hatte. Craigs erhobene Faust wurde geschnappt, nach unten gerissen, genauso wie seine andere Hand, ehe der Schwarzhaarige überhaupt begriffen hatte was geschehen war. Widerwillig und instinktiv wollte er seine Arme wieder hochreißen, sie befreien, kam aber nicht weiter als auf Brusthöhe und bereute dies mit einem noch brutaleren Griff um seine Gelenke. Die Wärme des anderen Körpers, gegen den er geprallt und jetzt immer noch gepresst war, bedeutete ihm nichts. Er wollte ihn nur wegschubsen, weiterrennen, drückte sich nun selbst mit seinem Oberkörper fester gegen diese Mauer. Und sie bröckelte. Wer immer sich hier zwischen ihn und seine Opfer stellte, rutschte schrittweise rückwärts, je mehr ihn der Schwarzhaarige zurückdrängte. Er war nicht stärker als Craig Tucker! Das alles geschah in nicht einmal drei Sekunden. Und es hätte keine weiteren zwei gedauert bis der Schwarzhaarige das Hindernis einfach zur Seite gedrängt hätte. Aber dazu kam es nie. Denn in dem Moment, als Craig, in seiner Rage gebremst, wieder zu sehen begann, registrierte er erst, wen er vor sich hatte. Registrierte die braunen Augen. Registrierte den nichtssageden Blick. Registrierte, dass es Tweek war. Wie nah er Tweek war. Es war wie vorhin, wie gestern, wie die Tage davor. Craig erstarrte, verlor einen kurzen Augenblick all seine Kraft und konnte sich einfach nicht rühren. Die Wut, die Aggression und der Blutdurst verpufften noch im selben Moment. Plötzlich begann er den Schmerz an seinen Händen zu bemerken, sein schnell schlagendes Herz, seinen unruhigen Atem. Tweek tat nichts. Es war still. Zumindest glaubte der Größere das. „Was… soll das…?!“ Er sprach. Craig sprach. Und er wusste nicht warum. Er wusste nicht was er gesagt hatte. Das Rauschen des Wassers, die schreienden Kindergartenkinder, das Klopfen an den Scheiben. Er nahm es nicht war. Es wurde alles von diesem Rauschen in seinen Ohren übertönt, von diesem seltsam stärker werdenden Kribbeln in seinem Magen, je länger er in die ausdruckslosen Augen des Blonden starrte. Sein Kopf war genauso leer wie vorhin. Oder voll. Er sollte doch ruhiger werden, er tat doch nichts mehr. Jedoch bemerkte der Schwarzhaarige seine Herzfrequenz stetig steigen. Sein Atem wurde flacher, unruhiger. Die Wärme wurde zu Hitze, breitete sich weiter und stoßartig in seinem Köper aus, bei jedem seiner Atemzüge. Bei jedem von Tweeks Atemzügen, die er deutlich spürte, da sich die Brust des Blonden dann nur fester gegen die seine schmiegte. Craig fühlte plötzlich jeden Millimeter seiner Haut, der mit Tweek in Berührung kam. Und das war nicht wenig, da sie immer noch aneinander klebten, der eine darum bemüht, den anderen zurückzuhalten, nur dass Craig sich nicht mehr wehrte. Doch Tweeks Griff wurde nicht lockerer. Er vermisste das Zittern in den schlanken Fingern. Er vermisste das Beben an Tweeks gesamten Körper. Das sanfte Vibrieren seiner blonden Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht hingen, seine ängstlich, unruhigen Augen, seine zitternden Lippen. Er war ihm so nah. Craig konnte Tweeks Atem auf seinen Wangen spüren. Seinen lauen, gleichmäßigen Atem. Craig war ihm doch so nah gewesen. Er wusste, wie sich diese Lippen anfühlten, wusste, wie er blonde Junge schmeckte, wie er roch, wie er sich bewegte. Er würde dies nie vergessen, niemals. Wie konnte Tweek das nur vergessen…? Warum hatte er ihn nur belogen… warum hatte er sich selbst belogen?! Er wollte es wieder… Craig wollte ihn wieder. Hier, jetzt! Wollte seine Arme um den fragilen Körper schlingen, ihn an sich ziehen, ihn küssen. Egal, ob sie hier alle sehen könnten. Egal, was sie von ihnen denken würden. Er wollte Tweek nie wieder belügen. Nie wieder verlieren! Ihm das sagen und wissen, er würde zuhören! „Craig…“ Der Schwarzhaarige schreckte unkenntlich aus seiner Trance, als er seinen Namen vernahm. Wie aus einem tiefen Schlaf erwacht, brauchte er einen Moment, um sich endlich aus den kaffeebraunen Augen des Jungen vor ihm zu flüchten. Doch kaum war der Größere dabei seinen Blick zu lösen, neigte Tweek sich weiter zu ihm. Langsam, vorsichtig, lehnte er seinen gesamten Körper näher an Craigs. Und auf einmal durchfuhr den Schwarzhaarigen ein Zucken, worauf er sich schlagartig auf die Unterlippe biss, um das Keuchen zu unterdrücken. Er wusste nicht woher es kam. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. Ein paar von Tweeks blonden Haarsträhnen mischten sich an die pechschwarzen des Größeren. Craig hielt den Atem an. „…ich hab dir bereits ein letztes Mal gesagt, dass ich wegen dir keinen Ärger will. Ich dachte wir hätten geklärt, dass du dich aus allen Dingen, die mit mir zu tun haben, heraushältst…?“ Seine Stimme war nicht mehr, als ein Hauchen. Fast unhörbar und trotzdem schwang ein seltsam bedrohlicher Unterton in seinen Worten. Kalt. Einfach nur eiskalt. Unfähig auch nur einen Finger zu rühren, stand Craig da. Kein Wort verließ seine Kehle, da sich sein Gehirn nicht einmal ein einziges zurechtlegen konnte. Sie hatten... das so ausgemacht… hatten sie? Die Sache hatte mit Tweek zu tun... die Sache weshalb er Eric verprügeln wollte, richtig? Weshalb… wollte er ihn noch mal verprügeln? „…und jetzt solltest du lieber in die Dusche gehen. Bevor noch irgendjemand anders dein Problem bemerkt.“ Tweeks Hände lockerten endlich den bestimmenden Griff um Craigs Handgelenke. Und nichts hätte sich der Schwarzhaarige lieber gewünscht, als dass er ihn noch einmal gepackt hätte. Er sollte ihn nicht loslassen. Craigs Augenlider wurden schwer. Es war doch dieselbe Stimme. Seine Stimme. Sanft, leise, wie immer, nur eben nicht zittrig, nicht gehetzt. Nur so kalt. Warum war es dieser kleine Unterschied, der Craig so deutlich zu spüren gab, dass dieser Junge vor ihm nicht mehr Tweek war? Warum? Wa-… Warte… Was? Der Schwarzhaarige hob seinen Kopf ruckartig, wenn auch nur ein paar Millimeter. Er war wieder wach. Was hatte Tweek gesagt? Gerade wollte er zögernd nachfragen, was er damit gemeint hatte, doch das spürte der Tucker Junge im nächsten Augenblick selbst. Und nun, da er wieder ganz bei Verstand war, konnte er auch ohne Probleme herleiten, von wo dieses seltsame Gefühl kam. Von seiner Körpermitte. Und im selben Moment, in dem er das begriffen hatte, wurde Craig übel. Auch wenn sein Kopf schon verarbeitet hatte, was hier gerade ablief, sein Verstand hatte das nicht. Erneut erstarrt und innerlich immer unruhiger werdend, vergrößerte er den Abstand zwischen sich und dem Blonden, nur minimal und sah so unauffällig wie möglich an sich herab. Fuck…! Nicht im ernst...! Er hatte… wirklich… eine Erektion…?! Und das einzige, das ihn vom Hohn der Öffentlichkeit abschirmte war nach wie vor Tweeks eigener Körper, der Craigs Frontansicht von der Brust abwärts verdeckte. Wieso – tat er das, wenn er doch vorhin gemeint hatte, er -… was dachte er - und..?! Ein überforderter, ratloser, ja fast schon hilfloser Blick streifte ein letztes Mal die ruhigen Augen Tweeks. Doch diese blieben kalt, unverändert, ungerührt. >Geh einfach und frag nicht< schienen sie zu sagen. Vollkommen desinteressiert. Erschrocken darüber, scheinbar eine ganze Weile die Luft angehalten zu haben, holte Craig das nun in einem hektischen Einatmen nach, löste ihren Körperkontakt gleichzeitig ganz. Es waren seine Hände die nun zitterten. Sein Atem. Der Blonde nahm seine Augen keine Sekunde von ihm. Seit er ihn aufgehalten hatte. Es war kein strafender, kein höhnender, kein anschuldigender Blick. Einfach nur ein leerer. Und er traf Craig tiefer, als jeder andere. Die restlichen Schüler und der nun anrauschende Lehrer waren zum Glück vorerst mit den am Boden liegenden Verletzten beschäftigt. Noch niemand sah zu ihnen herüber, da sie dachten, Tweek hätte den Gefahrenauslöser fürs erste unter Kontrolle. Der Eingang zu den Duschen war nur wenige Schritte hinter Craig an der Wand. So dauerte es auch keine 4 Sekunden, bis der Schwarzhaarige unbemerkt dorthin verschwunden war. Das eisige Wasser, das auf ihn herabprasselte entlockte dem Jungen dann doch ein Aufkeuchen, das er sich nicht verkneifen konnte. Er war alleine hier, alle anderen waren draußen, machten entweder Unterricht und bemerkten gar nicht, dass einer fehlte, oder kümmerten sich um Eric und Co. Allerdings glaubte Craig ganz ehrlich nicht, dass sich einer von den Schülern freiwillig um Cartman oder Terrance kümmerte. Außer vielleicht Butters. Aber darüber konnte der Dunkelhaarige im Moment nicht nachdenken. Die kalte Dusche zwang seinen Körper sich abzureagieren und wieder in Normal- wenn nicht sogar in Tiefkühl-Modus umzuschalten. Craig zitterte immer noch. Doch diesmal wegen dem Wasser, redete er sich ein. Rasch drehte er den Hahn wärmer, wunderte sich schon fast, dass seine Hand nicht am Metall festfror. Und sobald die kleinen Perlen aus dem Duschkopf wärmer wurden, taute auch sein Denkvermögen langsam wieder auf. Craig stand einfach nur da, regungslos unter dem laufenden Wasser. Es erinnerte ihn an den Tropfenden Wasserhahn auf der Jungentoilette. Nur dass die Tropfen nun ungehemmt herab fielen, auf seinem Körper oder dem Boden zerbarsten und rettungslos in den Abfluss stürzen. Die Wand gegenüber war mit kleinen, weißen Fließen besetzt. Alle dreckig, ein paar herausgerissen, so dass man den Schwarzschimmel und grauen Beton darunter sehen konnte. Ob es an der Schockauftauung seines Gehirns oder an der Einsamkeit lag wusste Craig nicht, doch ihm wurde plötzlich etwas klar. Er wusste es tief in sich, aber er wollte es irgendwie nicht wahrhaben. Und er konnte diese, sich krankhaft gegen die Wahrheit wehrende Instanz, einfach nicht ausschalten. Es war dasselbe, als wenn der Schwarzhaarige jetzt den Kopf in den Nacken legen und die herab fallenden Wassertropfen in seine Augen treffen lassen wollte. Theoretisch ginge das. Es war sauberes Wasser, es würde nichts passieren. Doch praktisch war es einfach nicht möglich. Oder nur sehr, sehr schwer, man müsste den Lidschlussreflex abtrainieren und selbst dann würde es nicht immer funktionieren. Weil man den nicht abschalten konnte. So genau wusste Craig es und so sehr wollte er es nicht wahrhaben. Tweek war nicht böse auf ihn. Er war nicht sauer, dass er sich eingemischt hatte. Er würde keine Entschuldigung annehmen. Was immer er sagen oder tun würde, Tweek würde ihm nicht zuhören. Er würde ihn nie wieder in den Armen halten können. Nie wieder mit ihm lachen können. Nie wieder mit ihm streiten können. Tweek war ihm nicht böse. Craig war Tweek einfach nur egal. Einfach nur nichts Wert. Und er selbst war abhängig von diesem Jungen. Kapitel 8: Doctor's call ------------------------ Sou~ Ich hoffe ihr hattet alle einen guten Rutsch ins neue Jahr und ich melde mich mal wieder mit einem neuen Kapitel. Da es diesmal wieder etwas kurz ist (es wird das letzte kurze Kapi sein, die anderen sin alle länger xD') dachte ich mir, ihr könnt mir ja helfen das wieder auszugleichen~ Wenn ihr eine Frage an Tweek oder Craig habt(hier FF-bezogen), wieso sie in bestimmten Situationen so gehandelt haben und nicht anders, oder was sie sich dabei gedacht haben, dann schreibt mir eure Fragen und diese werden euch dann von Craig und Tweek in einem Extrakapitel am Ende der FF beantwortet. Ich hoffe es finden sich ein paar, ansonsten wünsch ich euch viel Spaß beim Lesen! ^.^~ ------------------------------------- Vorsichtig hob der Schwarzhaarige den Kopfhörer über seinem linken Ohr etwas, um zu prüfen, ob seine Mutter vor der Tür weg war. Tatsächlich, es war still. Also legte er seinen Mp3-Player beiseite, genau wie die Headphones, setzte sich auf und rieb sich seufzend die Schläfen. Diese Musik war viel zu laut. Aber wie sollte er denn sonst seine nervtötende Mutter ausblenden? Seit zwei Tagen klopfte sie nun schon in beinahe periodischen Abständen gegen seine Zimmertür und versuchte ihren Sohn dazu zu bringen, mit ihr zu reden. Über die Tweaks. Das konnte sie so was von knicken. Seit dem Vorfall in der Schwimmhalle hatte Craig kein Wort mehr mit dem Blonden gewechselt. Damit fiel natürlich auch das Abholen von der Klinik oder sonstige ‚Beschäftigungen’ für den Patienten Tweek flach. Ja, das durften seine Eltern jetzt schön selber machen. Was sie von Anfang an hätten tun sollen. Selbstverständlich wurde dieses abrupte abblockende Verhalten Craigs sofort zwischen Mrs. Tweak und seiner Mutter am Telefon ausdiskutiert. Ob denn etwas passiert sei? Ob Craig denn krank geworden wäre oder sich nicht gut fühle? Ob man denn nicht einmal mit ihm reden konnte? Und genau das versuchte seine Mutter seit 48 Stunden - täglich. Doch ihr Sohn gab ihr sehr schnell zu verstehen, dass er auf dieses Thema keine Lust hatte. Und zwar wirklich nicht. Er regte sich nicht mehr auf, so wie die Tage davor, oder fing Streit an. Craig ignorierte einfach alles, was an ihn gerichtet wurde und damit zu tun hatte. Beim Frühstück, Mittagessen, Abendessen und wann seine Familie sonst noch mehr oder weniger zusammen saß. Nicht einmal seinen Mittelfinger ließ er auf Kommentare sprechen, er tat so, als hätte er einfach nichts gehört. Außerdem mied er inzwischen sogar die Mahlzeiten, die seine Mutter verbrach und hatte sich den Wasserkocher auf sein Zimmer entführt. Fertignudeln waren ja auch ein Essen. Auch wenn er nicht gerne so viel Zeit in seinen eigenen vier Wänden zubrachte. Es war seltsam, normalerweise sollte für end-pubertierende Jugendliche und junge Erwachsene das eigene Reich unersetzbar sein. Doch Craig mochte es nicht gern in seinem Zimmer zu bleiben. Alleine. Deswegen war er ja fast 24 Stunden unterwegs, bei Token, bei Clyde, Jimmy, auf irgendwelchen Partys oder lud Leute zu sich ein. Hätte er einen Ort, an den er sich gerne zurückzog, wäre der Schwarzhaarige vielleicht nicht einmal so aktiv. Aber was sollte er hier schon? Sich das Gestreite seiner Eltern anhören, wenn sie mal beide da waren? Oder das Gezeter von Ruby? Die Wand anstarren und Stripe vermissen? Da konnte er sich wirklich besseres mit seiner Zeit vorstellen. Außerdem gab es Pizzaservice und eine Kantine in der Schule. Eine Kantine mit Chefkoch. Jedoch war die Schule auch kein Platz, an dem Craig gerne länger blieb als nötig. Vor allem jetzt nicht. Terrance, Cartman und der andere Spack waren nach der Prügelei zur Schulkrankenschwester gebracht worden, hatte er sich von Clyde per SMS erzählen lassen. Sie hätten erst mal furchtbar gejammert und Eric hätte um ein Haar eine gebrochene Nase davon getragen. Geschehe ihm recht so. Sonst war aber nichts Schlimmes passiert, außer ein paar Schrammen und blaue Flecken. Am Tag darauf blieben sie dem Unterricht alle drei fern und erst am Freitag hatte Craig das Vergnügen sie wieder zu sehen. Dass sie unheimlich sauer und angefressen waren, überraschte ihn nicht. Dennoch gingen sie ihm aus dem Weg. Das war für ihr eigenes Wohl auch das Beste, immerhin wären sie die Angeschissenen, falls sie versucht hätten, in ihrem Zustand gleich noch mal eine Rauferei anzufangen. Craig jedenfalls hätte nicht gescheut zuzuschlagen. Doch diese Drei waren nicht wirklich der Grund, weshalb die Schulzeit unerträglicher war als sonst. Es war niemand anders als Tweek, dem er das verdankte. Innerlich regte es den Schwarzhaarigen schon selbst auf, dass er sich so viele Gedanken um den Blonden machte, wo dieser doch überhaupt nichts von ihm wollte. Tweek hier, Tweek da – Es gab einfach keine Nische in seinem Gehirn, in die sich Craig vor diesem Jungen flüchten konnte. Schlimm genug, dass er gedanklich von ihm verfolgt wurde, doch sobald er in der Schule nur wenige Bänke von ihm entfernt saß, wurde das eine Qual für sich. Ein Glück, dass Craig sich schon vor der Party in allen Fächern umgesetzt hatte und so kein einziges Mal neben dem Blonden sitzen musste. Das hätte er nicht ausgehalten. Jede Minute fühlte sich an, wie ein gesamter Tag und Craig hatte noch nicht einmal die Chance sich durch Aufpassen abzulenken, weil das, was Garrison ihnen vertickte, Scheiße hoch zehn war. Da wurde man nach fünf Minuten schon krank von. Schlafen konnte er auch nicht, da er sonst Nachsitzen durfte. Und zwar gleich die ganze Woche. Normalerweise wäre die Strafe ja einen Tag nachsitzen, doch da Craig die Angewohnheit hatte, seinen Vorgesetzten auf Vorschriften generell den Vogel zu zeigen, kam es für ihn immer extra dicke und meist zu einen Besuch bei der Rektorin. Im Klassenraum herumschauen stand ebenfalls nicht zur Debatte, denn Craig wusste mit 100-prozentiger Sicherheit, dass sein Blick an Tweek haften blieb. Jedenfalls so lange, bis dieser zufällig einmal in seine Richtung sah. Wenn er das überhaupt tun würde… Also blieb dem Schwarzhaarigen nichts anderes übrig, als sich mit sich selbst zu beschäftigen. Hefte aus der Schultasche kramen und sie anschließend wieder reinstecken, zum Beispiel. Oder auf Papier kritzeln. Andere warfen sich gegenseitig damit ab, doch Craig war niemand, der seine Schriftstücke den anderen zu lesen gab, es ging sie nichts an. Und wenn es nur ein »Fuck You« war, welches so gut wie alle seiner Heftränder füllte. War auch der erste und häufigste Gedanke, den er hatte, sobald Garrison den Klassenraum betrat und zu sprechen begann . Nur mit Clyde und Token tauschte er ab und zu Nachrichten, wenn er einen guten Tag hatte oder sie etwas ausmachen mussten. Die beiden waren so ziemlich seine engsten Kumpel. Abgesehen von Tweek. Im Großen und Ganzen verstand sich Craig eigentlich mit so gut wie allen in ihrer Stufe. Auch wenn er nicht viel mit ihnen während der Schulzeit redete, er ließ sich doch immer wieder auf Partys und sonstigen angesagten Treffen blicken. Sein gutes Aussehen und der Respekt, den er sich durch Prügeleien erkämpft hatte, erledigten den Rest. Es wäre nicht einmal so falsch, wenn er von sich behauptete, er wäre einer der beliebtesten Jungs an der Schule. Doch das wollte er überhaupt nicht beweisen. Er befand seinen Stand einfach nur als sehr angenehm und es erleichterte ihm einiges hier. Bis jetzt. Seufzend schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf und ließ sich zurück auf sein Bett fallen. Was nütze ihm sein Status denn nun? Sicher, er könnte auf irgendeiner Geburtstagfeier von so einem Flittchen auftauchen und sie flachlegen, ohne sie großartig zu kennen. Toll. Aber wollte er das? Es würde ihn ablenken, seinen Ruf pushen, aber es würde ihm nicht das verschaffen, was er wirklich wollte. Das konnte er mit seinem Ansehen nicht erreichen. Das konnte er überhaupt nicht erreichen, so wie es schien. Nicht alleine, nicht solange Tweek sich so vehement gegen jeden Versuch wehrte, sich etwas von seinem frühren Leben erzählen zu lassen. Vor allem von Craig. Aber wenn sich der Blonde so quer stellte, konnte der Schwarzhaarige nichts daran ändern. Das sollten seine und Tweeks Eltern auch endlich einsehen. Genau das war nämlich der Grund, weshalb seine Mutter eben noch seine Tür vergewaltigt hatte. Sie sah es nicht ein, dass Craig die Dinge nun einfach geschehen lassen wollte. Aber wieso sollte er verdammt noch mal versuchen, etwas zu ändern, wenn es einfach nichts nutzte?! Noch nie hatte er sich um eine Sache mehr als 3 Tage lang bemüht, nicht einmal für ein Schulprojekt! ... Schon gar nicht für ein Schulprojekt! Es war einfach frustrierend, bei jedem Versuch gegen eine Wand zu laufen, wieso wollten seine Eltern das nicht kapieren?! Wieso hatte er die ganze Scheiße überhaupt aufgehalst bekommen? Die Tweaks und Gehirn-Ärzte waren doch die Spezialisten und verantwortlich für den Kaffeefreak, nicht er – Craig Tucker! Er war lediglich ein Schulfreund, genauso wie Token oder Clyde, weshalb wurden sie denn bitte nicht mit reingezogen?! Nur, weil er den Spasten zufällig verletzt gefunden und ins Krankenhaus gebracht hatte, nachdem er von dieser Party abgehauen war, frustriert und enttäuscht wegen… Craig’s Lippen entglitt ein langes, gedehntes Seufzen und er schlug sich beide Hände, gefaltet, über die Stirn. Wegen ihm. Scheiße. Stimmt ja. Aber das wusste doch niemand. Nicht einmal mehr Tweek. Trotzdem brachte Craig’s Gewissen ihn nur bei dem Gedanken, einfach Gras über diese Sache wachsen zu lassen, beinahe um. Nun wusste er sogar wieso. Weil Tweek ihm eben doch… wichtig war. Wichtiger, als er es selbst wahr haben wollte. Aber es war gut das einzusehen. Denn jetzt konnte der Schwarzhaarige daran arbeiten damit klar zu kommen und es zu vergessen. Denn es würde nichts werden, es war doch sowieso aussichtslos in ihrer jetzigen Situation. Tweek würde sich nichts beibringen, nichts erklären lassen und nichts annehmen. Craig würde einfach warten, bis die Ärzte das Erinnerungsvermögen des Jungen wieder auf Trapp gebracht hatten. Das ging doch... hatte der Arzt gesagt. Sie würden das schon hinkriegen. ... Sie mussten! Dann konnte Craig immer noch sehen, wie das ganze weiter ging, aber zuerst einmal sollte er einfach - nichts tun. Und Warten. Das war am besten. Hatte er schon oft miterlebt. Das Klingeln des Telefons auf dem Flur ließ den dunkelhaarigen Jungen aufhorchen. „Craig?“ Seine Mutter hatte abgehoben und klopfte nun wieder. Genervt stöhnend erhob sich ihr Sohn nun doch, es könnte ja einer seiner Kumpel sein. Missmutig öffnete er die Tür, warf seiner Mutter einen prüfenden Blick zu, riss ihr das Telefon aus der Hand, zeigte ihr den Finger und warf die Tür vor ihrer Nase zu. „Ja?“ „Hallo Craig, ich bin es, Doctor.“ „Oh“, seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, „hallo Doctor…“ Was hinderte ihn bloß daran aufzulegen. Sollte er in den nächsten 10 Sekunden ‚Tweek’ hören, würde er es einfach tun. „Wie geht es dir denn?“, meldete sich der Arzt mit fröhlicher Stimme. „…Gut“, war die monotone Antwort. Sobald die Leute ‚gut’ hörten, fragten sie nicht mehr nach. So hielt man eine Konversation kurz. An der anderen Leitung war ein prüfendes „soso, hört man gerne“ zu vernehmen. „Sag mal, gibt es denn schon irgendwelche Fortschritte oder Erfolge mit unserem Patienten? Ich habe die ganze Woche nichts von dir gehört und wollte wissen, wie es denn mit Tweek läuft.“ Verkackt, lieber Doctor. Leise knurrend rollte Craig mit den Augen. Ging es denn wirklich nur noch um Tweek? Hatte er selbst nicht auch noch ein Leben?! „…Es läuft gar nicht mehr.“ Die nüchterne Antwort ließ den Arzt wohl stocken. „Uh.. W-wie bitte?“ „Ich sagte, es läuft nicht mehr. Ich habe aufgehört dem Problemkind nachzulaufen, auf seinen eigenen Wunsch. Bevor sie mir jetzt eine Predigt über Freundschaft und Verantwortung halten, hören sie mir genau zu“, Craig machte eine kurze Pause, um sich zu versichern, dass ihn der Arzt nicht unterbrechen würde. Dann fuhr er fort, „Ich habe fünf Tage lang versucht mit ihm zu reden, aber er geht nicht im geringsten darauf ein und vor zwei Tagen hat er mir persönlich und unmissverständlich deutlich gemacht, dass ich mich aus seinem jetzigen Leben raus halten soll. Damit wäre ebenfalls klargestellt, dass man uns zum jetzigen Zeitpunkt weder als Freunde, noch als Bekannte bezeichnen kann und somit fällt mein Part der Verantwortung weg.“ Es war seltsam diese Worte so nebensächlich und profan auszusprechen, doch Craig bemühte sich um genau solch einen Ton. Der Doktor sollte nicht bemerken, dass es ihm selbst beinahe das Herz brach, sich seine derzeitige Situation durch diese Sätze zu verdeutlichen. Nach Craig’s Rede war es erst einmal still. Beinahe glaubte der Junge schon, der Arzt würde es verstehen und ihn darauf hin in Ruhe lassen. Ein Seufzen an der anderen Leitung zerschnitt das Schweigen. „Ich verstehe…“ „Ach, tun sie das?“ Sarkastisches Zischen. „Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, wenigstens von dir ein paar positive Nachrichten zu bekommen.“ Plötzlich horchte der Schwarzhaarige wieder auf. „Wie…?“ „Die Therapeuten hatten genauso wenig Erfolg. Tweek blockt einfach alles ab, er will nicht einmal versuchen die Übungen oder Untersuchungen zu machen und zwingen können wir ihn ja auch nicht.“ Nun wurde Craig doch etwas mulmig. Sie waren doch Ärzte, wenn es jemand schaffen konnte, einen Menschen wieder gesund zu machen, dann die Medizin! Wer denn sonst?! „Das hab ich auch nicht anders erwartet, so wie der sich aufführt…“, entgegen seiner wachsenden inneren Unruhe, klangen die Worte, die Craigs Mund verließen, gleichgültig. Langsam schritt er zurück zu seinem Bett und setzte sich darauf. Er hatte nicht bemerkt, dass er bis eben noch dicht an der Tür gestanden hatte. Die Uhr an der Wand zeigte fast Sieben. „Wir denken zur Zeit darüber nach, Tweeks Therapie zu verändern…“ Craigs Blick glitt von seinem unaufgeräumten Schreibtisch auf die Wand und das Rock-Poster. Der Mann fuhr fort, als der Schwarzhaarige nichts von sich gab, „anstatt sein Gedächtnis zu reanimieren, wollen wir ihn darauf einstellen ein neues, normales Leben zu führen. Auch wenn er wieder von Null anfangen muss und ein anderer Mensch sein wird, ist es doch das Beste für ihn-“ „WAS?!“ Klackend fiel Craigs Mp3-Player samt den Kopfhörern zu Boden. Der schroffe Aufschrei des Jungen hatte den Arzt abrupt unterbrochen. Zitternd, mit geballten Fäusten und aufeinander gebissenen Zähnen, stand Craig nun mitten in seinem Zimmer und starrte durch die Wand. „...Sie wollen ihn aufgeben?!“ Eine ganze Weile verging, in der Stille und das leise Rauschen des Telefons alles war, was an Craigs Ohren drang. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, was ihm der Doktor zu antworten hatte. „Naja… das hast du ja offensichtlich ebenfalls schon getan…“ Ein leises Keuchen entkam Craig’s Kehle. Ungläubig verflüchtigte sich sein Blick ins Leere. Die Wand war einfach weg. Langsam, unbemerkt ließ er sich wieder aufs Bett fallen. Gab immer noch keinen Ton von sich. Er hatte… Tweek…?! „Das hab ich nicht!“, hörte er seine eigene Stimme verzweifelt protestieren. Protestieren gegen den Gedanken in seinem Kopf. Gegen die Anschuldigung des Arztes. Gegen sich selbst. „Das hab ich nicht! Das will ich nicht-“ „Ich weiß“, erst als ihn der Mediziner unterbrach, bemerkte Craig, dass er dies tatsächlich laut ausgesprochen hatte. Leicht benommen und verwirrt sah er sich hektisch in seinem Zimmer um. Es war genauso wie vorher. Mit dem einzigen Unterschied, dass ihm jetzt schlecht war. „Ich weiß, dass du nicht aufgibst, Craig, das weiß ich, seit du wegen diesem Kampf zwei Wochen lang bei mir stationiert warst.“ Craig konnte das aufmunternde Lächeln des Arztes förmlich vor sich sehen. „Hör zu, es ist schwer, was von dir hier verlangt wird und ich weiß, es ist frustrierend, aber hör trotzdem nicht auf zu kämpfen. Meine Vorstellung war, dass wir Tweeks Therapie trotz allem umstellen, denn auf uns hört er absolut nicht. Aber wenn du und deine Schulfreunde weiter daran arbeiten und auf ihn zugehen, während Tweek lernt in einer sozialen Gesellschaft Fuß zu fassen, dann könnte er vielleicht umgänglicher werden.“ Craig öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. Es war beruhigend… das zu hören. Man konnte meinen, da gäbe es noch Hoffnung. Langsam nickte der Schwarzhaarige schließlich und setzte ein zustimmendes ‚Mhm’ nach, als er begriff, dass der Arzt das nicht sehen konnte. „Aber mit mir redet er doch auch nicht“, erklärte der Junge nun weiter, „was soll ich denn machen? Wir haben uns gestritten und ich denke, wenn ich ihn noch einmal anspreche, hab ich absolut bei ihm ausgeschissen.“ „Dann lass ihn die nächsten Tage einfach in Ruhe“, meinte der Doktor beschwichtigend, „Seine Eltern sind ja auch noch da und es gibt sicher noch andere Schulkameraden, die die sich um ihn kümmern.“ Craig knurrte leise, als er an Terrance und seine Kumpanen dachte. Er konnte nur hoffen, dass sie es nicht waren, die diese Aufgabe übernahmen. Aber Pip und Butters oder vielleicht sogar Kyle und Stan wären wirklich denkbare Optionen. Clyde und Token natürlich auch, wenn die dafür mal Zeit hätten. „Gut…“ Ein nachgiebiges Lachen war kurz am anderen Ende zu hören. „Du wirst sehen, das gibt sich sicher alles wieder. Gute Freunde streiten nun einmal ab und zu, aber sie wären schließlich keine Freunde, wenn sie nicht auch schwere Zeiten überstünden.“ „…Nur, dass Tweek nicht mehr weiß und nicht wissen will, wer seine Freunde sind…“ „Oh Craig, dein Glas ist immer halb leer, oder?“ Fast reflexartig schnellte der Mittelfinger des Jungen in die Luft, selbst wenn der Arzt das nicht sehen konnte, diese Geste beschwichtigte ihn einfach. „Nun ja, ich mach Feierabend für heute. Wir tun hier unser Bestes, glaub mir und ich weiß, das wirst du auch tun. Also mach dir nicht so viele Gedanken und schlaf dich aus. Man hört sich.“ „Jaja, Wiedersehen.“ Craigs monotone Verabschiedung beendete ihr Gespräch und er legte den Hörer beiseite. Nicht so viele Gedanken machen. Leichter gesagt, als getan. Vor allem, nachdem er nun wusste, dass die Mediziner aufhörten, an Tweeks Gedächtnis zu arbeiten und ihn auch noch unterstützten, die Person zu bleiben, die er nun war. Natürlich war dies logisch und menschlich aber… das konnten sie doch nicht tun! Vermissten sie den kleinen, zitternden Jungen denn überhaupt nicht? Vermisste ihn denn hier niemand?! Dies war leider das einzige Argument, welches Craig nur immer wieder zur Verteidigung seines Standpunktes auffahren konnte. Aufseufzend ließ sich der Junge in die Matratze zurückfallen und schloss die Augen. Vielleicht hatte der Doktor recht. Vielleicht war es noch nicht zu spät und alles würde sich ergeben. Wer konnte schon sagen was geschah. Craig würde es die nächste Woche selbst herausfinden müssen. Er wusste nur eins. Er würde nicht aufhören zu kämpfen. Niemals. Denn er hatte nichts mehr zu verlieren. Er konnte nur jemanden zurückgewinnen. Kapitel 9: the best is... ------------------------- einmal unregelmäßiges Update bitte - kommt sofort~ tut mir leid, dass es dieses mal so random ist, aber ich bin zur Zeit irgendwie etwas durch den Wind, komm nicht mal dazu bei meiner neuen FF richtig weiter zu schrieben v.v' Ich hoffe es fängt sich bald wieder und außerdem habt ihr es mit dieser FF auch bald geschafft ;) also viel Spaß bei dieserm Kapi ^^ ____________________________________ Die nächsten Tage vergingen relativ ruhig und belanglos. Eigentlich genau so, wie Craig es am liebsten hatte. Keine schrägen Ereignisse, keine Weltuntergangsszenarien, keine Söhne Satans oder andere Antichristen in der Umgebung und vor allem kein Stan, Kyle und Co. Vielleicht lag es daran, dass die Vier in ein Schulprojekt eingespannt und fast jeden Tag beschäftigt waren. Jedenfalls passierte, seit Craig am Samstag mit dem Arzt telefoniert hatte, bis zum nächsten Freitag gar nichts mehr. Sogar der Schwarzhaarige selbst konnte in diesen Tagen etwas entspannen und Tweek zeitweiße aus seinem Kopf jagen. Dennoch machte es ihm zu schaffen, jedes Mal, wenn er ihm über den Weg lief. Sei es in der Schule oder zufällig auf der Straße, vor dem Café seiner Eltern oder im Bus. South Park war nun mal ein Kaff und der Spruch ‚Man sieht sich immer ein zweites mal’ konnte hier schon in den folgenden 10 Minuten wahr werden. So wie es ihm der Arzt geraten hatte, sprach Craig kein Wort mit Tweek. Lediglich ein Kopfnicken als Begrüßung oder Reaktion, wenn man sich mal auf dem Schulflur begegnete, war das höchste der Gefühle. Und das auch nur einmal pro Tag, wenn überhaupt. Trotzdem, dass es nur eine unbedeutende Geste war, fühlte Craig sein Herz schneller schlagen, sollte der Blonde diese Geste auch nur zur Kenntnis nehmen, ihn dabei ansehen. Am Donnerstag hatte er sogar zurückgenickt. Gott – Craig kam sich so erbärmlich vor, sich so etwas zu merken und sich ernsthaft darüber zu freuen. Wie tief konnte er denn noch sinken?! Wenigstens konnte er hinter seiner langjährig antrainierten gleichgültigen Fassade alle Gefühlsausbrüche verbergen, die er erlitt. Selbst diese zwei Sekunden, in denen er sich einbildete, es könnte doch noch alles gut werden. Die Sekunde danach, in der er dachte, vielleicht würde er morgen aufwachen und alles würde wieder normal sein. Und die sofortig ernüchternde Einsicht danach, dass dies alles nur Hirngespinste seien und er sich gerade ernsthaft wegen einer unbedeutenden Geste in höhere Sphären versetzt hatte. Ein Seufzen und er ging weiter. Es war im Prinzip genauso, wie vor dieser Party. Damals hatte sich Craig eingeredet, er müsse Abstand von Tweek gewinnen, um seine durcheinander geworfenen Hormone wieder zu ordnen. Nur damals hatte er gewusst, dass er jederzeit hätte damit aufhören und den willigen kleinen blonden Jungen in seine Arme hätte schließen können. Doch damals hatte er sich eingebildet, das nicht tun zu dürfen. Auch wenn er deutlich gespürt hatte, dass Tweek ihm überhaupt nicht abgeneigt war. Craig wollte es sich einfach beweisen, wollte sein routiniertes Leben und seinen Ruf nicht zerstören. Er wusste, dass er Tweek haben konnte und er wollte ihn nicht. Jetzt war es umgekehrt. Aber wenn er geahnt hätte, wie das enden würde, dass sie nur deswegen hier landen würden – er hätte es nicht getan. Craig hätte das alles nicht getan! Aber der Schwarzhaarige konnte weder die Zeit zurückdrehen, noch Dinge ungeschehen machen und fand sich damit ab, einfach in der Geschichtsstunde zu sitzen und auf den Leberfleck unter Mr. Garrisons Nase zu starren. Seit wann hatte er da überhaupt einen. Vielleicht waren es auch nur Essensreste oder… bei dem Gedanken suchte sich der Tucker Junge schnell einen anderen Punkt auf den er glotzen konnte, ehe ihm übel wurde. Zufällig war das der Verband um Erics Zinken. Der Anblick zauberte Craig ein hämisches und zufriedenes Lächeln auf die Lippen. Cartman sah so bescheuert aus. Der Junge musste tatsächlich eine Mullbinde um seinen Riechkolben tragen, der zudem hinter dem Kopf geknotet war, damit er nicht abfiel. Wie ein heruntergerutschtes Haarband. Seine Wangen wurden von den Binden leicht eingeschnitten und jedes Mal, wenn er sprach, wetzte sich sein Gesichtsfett daran. Die ersten Tage konnte er sich noch drücken, aber irgendwann hatte seine Mum ihn doch in die Schule geschickt. Dieser Tag war ein kleines Trostpflaster in Craigs beschissener Woche. Er hielt sich extra immer unauffällig in Erics Nähe auf, nur um die Beleidigungen mitzubekommen, die ihm zuteil wurden. „Hast du deine Schwabbel-Backen abgebunden?“ - „Du bist das hässlichste Reita Cosplay, das ich je gesehen habe!“ – „Michelinmännchen!“ – „Trägst du deinen Tanga heute absichtlich über der Nase oder hast du sie mit deinem Schwanz verwechselt? Sind ja beide in etwa gleich groß“ – „Fettes Arschloch! … MIT Band um die Nase!“ Oh Ja. Craig kam an dem Tag nach Hause und sah aus, als hätte er die ganze Schulzeit über einen Orgasmus gehabt. Es war allerdings nichts Neues, das Cartman beleidigt wurde und schon am nächsten Tag war die Euphorie dementsprechend abgeebbt und es kehrte wieder der normale Alltagstrott ein. Trotzdem blickte Craig selbst jetzt noch auf den entstellten Eric und fragte sich, wie erst seine Nase aussah. Natürlich hatte es schon am ersten Tag Drohungen und Mordandeutungen von Seiten Erics gegenüber Craig gegeben, doch der Schwarzhaarige hatte nur grinsend mit verschränkten Armen vor ihm gestanden und das Lachen seiner Klassenkammeraden genossen. Keines von Erics leeren Worten war bis jetzt wahr geworden und Craig zweifelte stark daran, dass sich das noch ändern würde. Und wenn doch, verpasste er ihm einfach noch eine. Aus seinen Gedanken wurde der Schwarzhaarige jedoch gerissen, als Eric ein Papierknödelchen auf den Tisch geworfen wurde und der Schüler zu lesen begann. Ein paar Augenblicke später drehte sich der Dicke zu Terrance um, grinste vielversprechend und begann nun selbst einen Zettel zu schreiben. Argwöhnisch verfolgte Craig dessen Flugbahn, bis die Nachricht mitten auf Tweeks Tisch landete. Ein leises Reißgeräusch war zu hören, als Craig seine Faust ballte und damit fast ein Blatt aus seinem Block abtrennte. Das war noch so ein Problem… Terrance und Eric hatten es auf Tweek abgesehen. Jedoch nicht auf die Art und Weise, die Craig von ihnen erwartet hätte. Der Schwarzhaarige hatte gedacht, sie würden sich für alles, was er ihnen angetan hatte, an Tweek rächen, da dieser ihrer Meinung nach nicht so stark und damit eine mindergroße Gefahr, war. Allerdings war das nicht ihr Plan. Stattdessen fingen sie an, immer mehr mit dem Blonden zu reden, sich in den Pausen zu ihm zu setzten und scheinbar ein ‚Verhältnis’ mit ihm aufzubauen. Und das war für den Tucker Jungen noch schlimmer, als die erste Option. Wer wusste schon, was ihm diese Typen für Lügen verklickerten. Dass sie ihn, Kyle, Butters und all die anderen, die sie nicht ausstehen konnten, Tweek besonders schlecht präsentierten, davon ging Craig als Grundlage aus. Aber noch mehr sorgte es ihn, zu was sie den Blonden noch treiben würden. Sie würden ganz sicher nicht versuchen, ihm sein bisheriges Leben vor Augen zu führen. Jedoch konnte Craig auch nicht an Tweek ran, solange diese Idioten dem Blonden eintrichterten, Craig wäre sein Nemesis – und er war sicher, dass sie genau das versuchten. Es war schon frustrierend genug nicht mit dem Blonden sprechen zu können. Dann auch noch zu wissen, dass er gegen ihn aufgehetzt wurde und Craig nichts dagegen tun konnte, war eine fast unmögliche Steigerung dessen. Aber der Arzt hatte doch gesagt, er solle darauf achten, dass der Junge Kontakt zu seiner Vergangenheit knüpfen kann... ach Scheiße, warum musste das auch noch alles immer komplizierter werden?! Mal abgesehen von den Schlägern, hatte Tweek es sogar geschafft in den letzten Tagen seine Beliebtheit an der Schule weiter zu steigern, als in den letzten 3 Jahren. Da er nun nicht mehr zuckte und zitterte, nicht mehr aufsprang, grundlos schrie wie ein Wahnsinniger und ständig von irgendwelchen Unterhosenwichteln erzählte, die niemand sah, war er wohl um ein Vielfaches angenehmer und interessanter für seine Mitschüler geworden. Dass er sich nun auch richtig und style-bewusst – ohne Kaffeeflecken - anziehen konnte, fanden vor allem die Mädchen ganz toll. Craig wusste beim besten Willen nicht, was seine Mitschüler an dieser emotionslosen, menschlichen Hülle so faszinierend fanden. Vermisste denn wirklich fast niemandem den schüchternen Kaffeespasten? Seine hilfsbereite, ängstliche und doch nette Art? „…Craig Tucker!“ Der Schwarzhaarige zuckte augenblicklich aus seinen Gedanken, als er seinen Namen aus dem Mund des Lehrers hörte. Seine Augen fassten wieder einen Punkt in der Wirklichkeit und da er gerade in die Richtung gestarrt hatte, streifte er einen kurzen Moment Tweeks Blick. Dieser sah ihn ausdruckslos an. Genauso wie der entgeisterte Rest der Klasse. Schnell löste Craig seine dunkelblauen Augen von denen des Blonden, ehe es auffällig wurde und suchte eine Sekunde vergebens nach einem neuen Fixpunkt. Fuck! Was war denn jetzt schon wieder, er hatte doch nur still dagesessen und nicht aufgepasst, dafür konnte Garrison ihn doch nicht bestrafen! Allein aus der Ungewissheit, in der sich Craig befand, verfinsterte sich sein Blick, den er nun seinem Lehrer zuwarf, warnte ihn lieber auf Abstand zu gehen und ihm zuerst zu erklären, was denn los sei. Doch Mr. Garrison hob nur irritiert die Augenbrauen auf diesen Todesblick. „Was ist denn los Craig, freust du dich gar nicht?“ „W…was…?“ Mit so einer seltsamen Ironie hatte er ihren Lehrer noch nie erlebt. Es… war doch Ironie, nicht? Warum sollte Garrison sonst so nett zu ihm sein und ihn so etwas fragen. Langsam, fast schon eingeschüchtert starrte er seinen Vorgesetzten an und hob zögerlich den Mittelfinger, worauf er von Garrison jedoch nur ein herzhaftes Lachen erntete. „Oh Craig~ ich kann mir schon vorstellen, dass du am allerwenigsten damit gerechnet hattest, aber, naja, so ist das nun mal, auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn, wie ich immer zu sagen pflege!“ Erst jetzt begriff der Junge, dass Garrison ernsthaft froh war und dass er ihn auch nicht bestrafen wollte. Dennoch wusste der Schwarzhaarige nicht, wie er zu dieser Ehre gekommen war. Der Lehrer hob nun das Blockblatt und hielt es ein wenig hoch, damit die Klasse es begutachten konnte. „Craig, dein Aufsatz war der beste von allen und du bekommst ein A+ dafür!“ Darauf klappte Angesprochenem wirklich nur noch die Kinnlade runter. Aufsatz? A+?? Er hatte noch nie ein A bekommen. Schon gar nicht von dieser Tucke! Und er konnte sich auch nicht daran erinnern, überhaupt einen Aufsatz geschrieben zu haben. Verwechslung? „WAS?!“ Der empörte Schrei kam aus den hinteren Reihen von Wendy. „Craig – Craig Tucker?? Das kann doch nicht sein! Ich habe fast eine Woche an meiner Erörterung gearbeitet und sogar ein Interview mit einem Vorsitzenden der Zigarettenfabrik in South Park geführt und-“ „Jaja, Wendy“, wurde sie von einem gelangweilten Lehrer unterbrochen, „das war ja alles schön und gut, aber das Thema war >Rauchen und Jugendliche<… Und deine 6-Seiten Erörterung voller Statistiken war zudem noch stinklangweilig! Eigentlich müsste ich eine Gehaltserhöhung bekommen, dass ich mir so etwas antue, da kann ich ja gleich ein Lexikon durchlesen, meine Güte!“ Der Lehrer verdrehte in seinen Ausschweifungen die Augen, „die Idee den ganzen Aufsatz in einen Brief an die Tante zu verfassen und ihr die Argumente kurz, knackig und auf den Punkt gebracht hinzuschmeißen, ist dagegen viel aufregender!“ Oh! Ja, jetzt konnte sich Craig erinnern. Der Brief, den er eigentlich an seine Tante schreiben wollte, damit sie ihn weiterhin mit Zigaretten-Geld versorgte! … Fuck, das hatte er ja immer noch nicht bekommen… „Ich bin sicher, er hat nicht einmal GEGEN sondern FÜR das Rauchen plädiert“, missmutig verschränkte Wendy die Arme und Craig konnte sie bis hier vorn in die zweite Reihe kochen hören. „Ganz richtig, meine Liebe“, meldete sich Garrison zu Wort, „aber das war mal was anderes, als der ganze Standartdreck, den man sonst immer zu hören bekommt! Warum Rauchen schlecht ist steht doch auf jeder Zigarettenschachtel, da muss ich doch keine 6 Seiten Aufsatz mit ausfüllen!“ Wendy war allerdings noch nicht fertig. „Sie unterstützen jemand der raucht?! Öffentlich in der Schule!? Sie haben eine Vorbildfunktion als Lehrer!“ „Gott, nun krieg dich wieder ein! Erzähl du mir nicht, dass mir hier irgendjemand zuhört, wenn ich was erzähle, ich bin ja auch nicht ganz beschränkt und bekomme mit, was hier so abgeht! Ihr seid doch alle froh, wenn ihr hier rauskommt und mich nie wieder sehen müsst, dann erzähl du mir nicht irgendetwas von Vorbildern! Außerdem ist der junge Mann inzwischen volljährig und kann selbst entscheiden was er mit seinen Lungen tut. Ist doch nicht mein Problem, wenn er mal mit Krebs im Krankenhaus liegt!“, wetterte er weiter, „also jetzt kratz dir den Sand aus der Vagina und nimm es einfach hin! Und ihr anderen könnt euch ein Beispiel an Craig nehmen, dass es auch mal gut ist, nicht mit dem Strom zu schwimmen und etwas Neues zu probieren!“ Er und nicht mit dem Strom schwimmen? Hatte Garrison mal überlegt, wieso Craig außer ein paar mal Nachsitzen noch nicht viel Dreck am Stecken hatte? Gerade WEIL er mit dem Strom schwamm, sich unauffällig verhielt und seltsamen Begebenheiten aus dem Weg ging. Deswegen war er selten in solche Situationen, wie ihre vier Experten, verwickelt. Es sei denn er hatte sich mit ihnen abgegeben. Trotzdem war es ziemlich ungewohnt, von Mr. Garrison gegen eine neidische Mitschülerin verteidigt zu werden. Noch ungewöhnlicher war es, von einer Mitschülerin um eine Note beneidet zu werden. Craig hatte nie verstanden, weshalb man wegen so etwas eifersüchtig werden konnte. Er tat es auch jetzt nicht. War doch lediglich ein Buchstabe auf einem Blatt. Nach ihrem Abschluss wäre das keinen Fliegenfurz mehr wert. Sobald der schrille Gong ertönte und alle Schüler offiziell von Garrisons Unterricht befreite, erhob sich der Schwarzhaarige und schritt um seinen Tisch. Langsam, wartete, bis die meisten Leute den Klassenraum verlassen hatten, bis auf die, mit denen er noch ein ernstes Wörtchen sprechen wollte. Sogar Garrison selbst war immer einer der ersten, die die Pause begrüßten. Anscheinend hasste er diese Klasse wirklich. Die letzten, die normalerweise noch hier drin blieben, waren Terrance und sein Schlägertrupp, einfach deswegen, weil sie zu faul und zu eingebildet waren, sich schnell nach draußen zu bewegen. Genauso wie heute und das war Craig gerade recht. Ohne Vorwarnung packte sich der Schwarzhaarige Terrance’s Schulter und wirbelte ihn unsanft zu sich herum, so dass er seinem warnenden Blick nicht mehr entgehen konnte. „Hey?!“, wütend über diese unvorgesehene Aktion fauchte der Braunhaarige sofort zurück, „Was soll das, Tucker?! Reiz mich lieber nicht noch mehr, du bekommst deine Revanche schon noch, aber hier in der Schule wäre es sehr unklug!“ Revanche? Als hätte Craig so etwas nötig, immerhin hatte er bei ihrer letzten Auseinandersetzung haushoch gewonnen! Jedenfalls gegen Terrance… „Haltet euch einfach von Tweek fern, kapiert?!“ Ohne auf die Worte Terrance’s einzugehen packte er den Jungen am Kragen, zog ihn näher zu sich und knurrte ihm diese Forderung zwischen zusammengebissenen Zähnen ins Gesicht. „Ich hab keine Ahnung, was ihr vorhabt und es ist mir auch ziemlich egal, wie du dich an mir rächen willst – aber sobald du ihn mit reinziehst, tret’ ich dir solange in die Eier, bis sie dir zur Nase rausquellen…!“ Und bei Gott, das war keine leere Drohung, nicht wenn sie von Craig Tucker kam. Es wurde nur noch nicht wissenschaftlich bewiesen, aber er würde zeigen, dass das Befördern von Testikulus durch den Intestinum Crassum bis zum Austreten aus den Kieferhöhlen möglich war! „Wow, jetzt reg dich mal wieder ab!“ Scheinbar hatten Craigs einschüchterne Worte nicht ganz den Effekt gehabt, den er sich gewünscht hatte, denn auf Terrance Gesicht bildete sich nun lediglich ein Grinsen und der Junge befreite sich mit einer beiläufigen Geste aus dem Griff des Schwarzhaarigen. „Kann man mit dir eigentlich noch über etwas anderes sprechen, als über dein Schoßhündchen? Aber wenn wundert es denn…“, er lachte leise auf, ehe er sich selbstsicher erneut an Craig wandte, „Ich wüsste nicht, wieso du dich wegen so etwas bei mir beschwerst. Immerhin haben wir deinem kleinen Ex-Freund nichts getan und falls es dich beruhigt, das hatten wir auch nicht vor. Also beschuldige das nächste Mal einfach jemand anderen, klar?“ „Es interessiert mich nicht im Geringsten, was du in deinem jämmerlichen Leben noch vorhast. Aber ich will nur sicher gehen, dass sich keiner von euch in näherer Zukunft in Tweeks Leben mischt. Das gilt für Gespräche genauso wie für Nachrichten!“ Auf Craigs strenge Worte glotzte der Braunhaarige ihn einige Sekunden wirklich perplex, jedoch verachtend, an. „Und was machst DU gerade?!", seine Stimme überschlug sich fast, nahe an einem abfälligen Lachanfall, "hat dir der Spast nicht klipp und klar deutlich gemacht, dass DU dich nicht in sein Leben einmischen sollst? Zweimal sogar - Von uns hat er dabei nichts gesagt!“ „Alter-!“ Craig war schon wieder kurz davor alle Zügel fallen zu lassen. Mit einer raschen Bewegung hatte er sich erneut Terrance Kragen geschnappt und den Jungen grob nach hinten, gegen die Tischplatte knallen lassen. Und das nur, weil Terrance Recht hatte, mit dem war er sagte. Doch daran wollte Craig nicht erinnert werden. Nicht jetzt und nicht von ihm. „Es geht hier um ein bisschen mehr als nur Stolz und Ruf!“ Die Worte des Schwarzhaarigen waren verhältnismäßig leise, dennoch konnte er seine aus Wut aufeinander gebissenen Zähne nicht wirklich beim Sprechen öffnen. „Tweek ist in einer beschissen ernsten Situation! Der Arzt hat gesagt, er soll so weit wie möglich sein Alltagsleben weiter führen – und dabei seid ihr keine Große Hilfe, wenn ihr ihm die ganze Zeit Lügen über Mitschüler, Verhältnisse oder seine Vergangenheit eintrichtert!“ Craig wusste wirklich nicht was er falsch machte. Er verhielt sich doch genauso wie all die Jahre zuvor auch, wenn er sauer war und etwas erreichen wollte. Wieso ließ sich nun aber Terrance siegessichere Ausstrahlung damit nicht in Grund und Boden treten? „Und woher willst du wissen, dass Tweek überhaupt so werden will, wie er einmal war?“ „Bitte – was-?!“ Craigs Augen weiteten sich irritiert, als er diese belanglosen Worte aus dem Mund seines Gegenübers vernahm. Der Braunhaarige hingegen schien nun langsam zu verstehen, was Craig noch nicht begriffen hatte. Ohne größere Mühe packte er sich die Hände des Schwarzhaarigen, schubste ihn auf Abstand und machte sich sein Hemd zurecht, ehe er weiter sprach. „Früher war er immerhin unbeliebt und spastig.“ „Du kannst nicht ernsthaft wollen, dass Tweek so bleibt, wie er jetzt ist?!“ Es war die Stimme des Schwarzhaarigen, welche nun unnötig laut wurde. „Wieso nicht? Er ist ruhig, normal, gelassen – das, was er früher immer sein wollte. Und nun da er es ist, muss er sich auch nicht mehr in deiner Gegenwart aufhalten, ist doch auch angenehmer für dich so … oder etwa nicht~?“ Ein Zucken durchfuhr den Schwarzhaarigen. Irgendein Schalter wurde umgelegt und im nächsten Moment verschwand jede noch so leise Stimme von Vernunft in Craigs Kopf. Terrance erwartete ernsthaft eine Antwort auf diese erniedrigende rhetorische Frage?! Schön, die konnte er haben! Mit einem Ausfallschritt war Craig unmittelbar vor den Braunhaarigen gesprungen, hatte ihn am Pullover gepackt, mit der anderen Faust schon ausgeholt – da unterbrach sie die ätzende Stimme ihres Lehrers. „Hört sofort auf damit! Craig – Terrance!“ Mr. Garrison war schneller, als der Tucker Junge es erwartet hatte und so war ein unglaublich finsterer Blick alles, mit dem er seinen Widersacher aufspießen konnte. Craig wurde unsanft von ihrem Lehrer zurückgezogen, hörte dennoch nicht auf Terrance anzustarren. „Ihr habt euch gerade Nachsitzen eingehandelt, alle samt! Und jetzt raus aus dem Klassenzimmer, ich will euch bis heut Nachmittag nicht mehr sehen!“ Es war unwichtig, was Garrison zu sagen hatte. Es ging da rein und hier raus. Craig würde nicht zulassen, dass er Tweek verlor. Selbst wenn sich dieser Idiot Terrance in seinen Weg stellen würde. Er würde schon eine Möglichkeit finden ihn zu beseitigen, egal wie. Aber die würden Tweek niemals dazu bringen, der Unmensch zu bleiben, der er jetzt war – nur über seine Leiche! Dass besagter blonder Junge zu diesem Zeitpunkt nur wenige Schritte hinter der Klassenzimmertür gestanden hatte, war Craig dabei vollkommen entgangen. 180. Es war drei Minuten vor halb Vier und Craig zählte schon seit einer halben Stunde die Sekunden, wann er endlich aus dieser Schule konnte. 174. Nachsitzen war an sich für ihn nichts Schlimmes, er hatte sich daran gewohnt. Einfach eine Stunde länger in der Schule bleiben, fern von seinen Eltern und der nervigen Schwester. Einfach eine Stunde länger an einem Tisch sitzen und nichts tun. Hausaufgaben, kritzeln, sich mit Freunden unterhalten, die auch nachsitzen mussten oder Counterstrike zocken, wenn sie im Computer waren. 155. An sich hatte der Schwarzhaarige schon beinahe das Nachsitzen lieben gelernt. Es war eine langweilige, ruhige Beschäftigung, die Zeit totschlug. Genau nach seinem Geschmack. 148. Wenn er sich ein wenig anstrengte, konnte er sogar den Aufsichtslehrer und die Tatsache, dass er sich in der Schule befand, ausblenden. Dann war es perfekt. Jedoch konnte er das an jenem Tag nicht. Denn außer ihm, waren gerade Terrance und Fosse im Raum, da die beiden ebenfalls oft Ärger bekamen, meistens aufgrund von Beleidigungen oder Schlägereien. Wieso Bill nicht dabei war, wunderte Craig ein wenig. Sonst hefteten die drei zusammen wie Kletten. 121. Deswegen zählte der Dunkelhaarige auch die Sekunden, die er mit ihnen zusammen in diesem Raum aushalten musste. 117. 116,115,114,113,112. Ein kleines weißes Papierknäul, das mit einem Mal auf seinem Tisch landete, zog seine Aufmerksamkeit vom Ziffernblatt der Uhr weg. Einen Moment sah er unbeeindruckt auf das Stück Müll, doch schließlich griff er danach und faltete es auseinander. »Nach der Stunde auf dem Schulklo« Die Schrift war krakelig und der karierte Zettel viel zu groß für diese unwichtige, kleine Nachricht. Instinktiv hob Craig seinen Blick und traf wie erwartet sofort auf das herausfordernde Grinsen von Terrance, der sich in seinem Stuhl etwas gedreht hatte und nun zu ihm sah. Falls der Idiot gedacht hatte, dass Craig zu faul war ihre Differenzen gleich zu regeln, hatte er sich geschnitten. Um dem Schleimbeutel erneut die Fresse zu polieren, hatte der Schwarzhaarige immer Zeit! Ein grimmiger Blick und sein Mittelfinger waren die Akzeptanz der Einladung und der Braunhaarige drehte sich zufrieden glucksend zurück nach vorn. 3.2.1. Gong. Kapitel 10: ...broken --------------------- okay~ um einmal allem Valentins-Geliebsel Kontra zu geben. Hier. Hätte es chronologisch gepasst, wäre an dieser Stelle vllt ein etws einfühlsameres Kapi ABER es hat nunmal nicht gepasst xD sorry~ hoffe es gefällt euch trotzdem Und ich sollte euch vielleicht einmal vorwarnen, da das vorraussichtlich das 2. letzte Kapitel ist und ich beim besten Willen nicht weiß, ob ich das Ende - so wie es ist - hochladen werde, denn.... ich hab mich beim nochmal durchlesen fast übergeben -.-' also könnte es sein, dass ihr ein alternatives Ende bekommt, dass nicht ganz so ist, wie das jetzige... das allerdingsnoch geschrieben werden müsste ^^' aber is ja noch 'ne Weile und jetzt erstmal viel Spaß :3 ____________________________ Keine fünf Minuten später wartete Craig mit verschränkten Armen, an einer Toilettenkabine angelehnt, auf den braunhaarigen Jungen. Seine Miene war wie üblich makellos gelangweilt. Mit halbgeschlossenen Augen starrte er geradeaus, genau auf die Fließen zwischen den beiden Spiegeln ihm gegenüber. Die Kacheln waren weiß, sauberer als die im Schwimmbad. Langsam hob er den Blick ein Stück. Im rechten Spiegel konnte der Schwarzhaarige erkennen, dass eine seiner Strähnen nicht glatt unter seiner blauen Mütze, sondern schräg darunter herausragte. Aus der Perspektive im linken Spiegel fiel das nicht auf. Schon seltsam, dass man seinen Blickwinkel nur um solch eine geringe Distance verschieben musste, um etwas zu verbergen. Oder aufzudecken. Irgendwo hörte er einen Wasserhahn tropfen. Kurz schloss er die Augen, seufzte lautlos und fühlte seinen Atem über seine Lippen streifen. Ein paar emotionslose, dunkelblaue Augen blickten ihn aus dem Spiegel an, als er seine Lider wieder öffnete. Sah er immer so aus? Ausdruckslos. Uninteressiert. Motivationslos. Wieso störte es niemand. Wie konnte sich Tweek in so jemand verlieben? Wie konnte ihn sein Umfeld überhaupt ertragen? Craig konnte doch selbst nicht einmal einen einzigen Menschen ertragen, der so war, wie er. Die Türe wurde aufgerissen und Schritte von mehreren Leuten näherten sich, bogen schließlich um die Ecke. Nur minimal wandte der Schwarzhaarige seinen Kopf von den Spiegeln ab, gerade so weit, bis er die Ankömmlinge im Blickfeld hatte. „Du bist also schon hier, Tucker?“ Terrance Stimme, hinter ihm Fosse. Die Tür fiel ins Schloss. Einige Sekunden wurde nichts gesagt. Nur der Wasserhahn tropfte. „Also, was ist?“ Ruhig verweilte der Blick des Schwarzhaarigen auf den anderen. „Wir waren der Meinung, dass einiges klargestellt werden muss und du endlich gewisse Dinge einsehen solltest“, ein seltsames Grinsen huschte über Terrance Gesicht, worauf Craig lediglich misstrauisch die Augenbrauen hob und sich aufrecht vor ihn stellte. Er war nur ein paar Zentimeter Größer als der Professorsohn. Auf die stumme Aufforderung diese Worte zu erläutern, folgte jedoch nur ein kurzes Kopfnicken von Terrance und ein ‚Jetzt!’ von Fosse. Im nächsten Moment hörte Craig hinter sich die Kabinentür aufspringen, wurde an beiden Schultern gepackt, an den Armen fixiert und unsanft gegen die nächste, geschlossene, Kabine gedrückt. Überrumpelt holte der Schwarzhaarige Luft, wollte sich instinktiv wehren, seine Arme frei reißen, doch dazu war es zu spät. Die Kraft, um zwei Jungs, die ihn an die Wand pinnten, von sich zu schubsen, konnte er in diesem Schockmoment nicht aufbringen. Vor allem nicht, wenn der eine an die 120 Kilo wog und Eric Cartman hieß. Wütend knurrte der Schwarzhaarige, bäumte seinen Körper auf, wand sich, doch es half nichts. Mit gefletschten Zähnen riss er seinen Kopf schließlich zu Eric. „Lasst mich sofort los…!“ „Ich denke nicht, dass du gerade in der Position bist, Befehle zu erteilen“, von Cartmans falsch gestellter süßer Stimme wurde Craig beinahe schlecht. Und das gaben sie ihm auch sofort zuspüren, als Terrance einen Sprung nach vor tat und seine Faust in Craigs Magengrube rammte. Ein ersticktes Keuchen erfüllte den Raum, ein lange nicht mehr gefühlter Schmerz durchzog den Torso des Schwarzhaarigen und sein Körper krümmte sich automatisch nach vorne, so weit es ging. Nur eine Sekunde. Er holte Luft. Spürte einen Hieb gegen seine Brust. Konnte nicht mehr atmen. Craigs Arme zuckten, wollten nach vorne schnellen, schützen, diese entblößte Stellung vermeiden. Es ging nicht. Ein kurzer Blick nach oben und er sah nun auch Fosse näher bei sich. Schon im nächsten Augenblick verpasste die muskulöse Gestallt ihm einen Kinnhaken. Kurzzeitig verlor Craig jeden Sinneseindruck, hörte den schmerzhaften Aufschrei nicht, sah nichts. Erst einige Moment später realisierte er den eisernen Geschmack von Blut in seinem Mund, hörte sein leises Keuchen und sah die vorerst verschwommen Füße wieder klar. Sein Kopf hing nach unten, ein paar schwarze Strähnen wogen sich sanft im Takt seiner Atemzüge. Langsam hob er den Blick. Entblößte seine tödlich funkelnden Augen. Bill drückte seine Faust fester um das Handgelenk des Schwarzhaarigen, bis Craig scharf die Luft einzog und widerwillig still hielt. Fuck! Das hätte er sich denken können! Wenn sie ihm nicht auf ehrliche Weiße das Wasser reichen konnten, dann taten diese Widerlinge es durch einen Hinterhalt. Und das schlimmste daran war, dass Craig im Moment wirklich wehrlos war. Shit… Er musste sie irgendwie dazu bringen, ihn loszulassen. Wenn nicht mit körperlicher Gewallt, dann durch Provokation. Das war seine letzte Chance. „Da hast du dir aber schon einfallsreichere Pläne ausgedacht, um dich zu rächen, als eine Bande Idioten zu organisieren und mich hierher zu locken, Cartman… Lässt dein Denkvermögen etwa nach?“ Auf Craigs grollende Bemerkung lachte Angesprochener jedoch lediglich kurz und schüttelte den Kopf, „Craig, Craig~“, schon wieder nahm seine Stimme diesen abartigen süßen Ton an, „denkst du wirklich, ich würde mich an dir rächen wollen? Oh, so ein schlechter Mensch bin ich nicht.“ „Tsch!“, Craig’s abfälliges Schnauben unterbrach ihn. „Weißt du, ich tue das nicht für mich… nicht NUR für mich“, grinsend fuhr der Brünette fort, lehnte sich etwas näher an das Gesicht des Schwarzhaarigen, welcher darauf, so weit es ihm möglich war, seinen Kopf in die andere Richtung verrenkte. „Du hast immerhin auch Terrance und den anderen ganz schön übel mitgespielt und das nicht zum ersten mal. Ich bin ja kein Mensch, den so etwas, wie körperliche Gewalt stören würde~ Es ist deine Lebensart und dein Problem, mit dem du klar kommen musst.“ Er machte eine kurze Pause und genoss den vergeblichen Versuch Craigs, sich zu befreien, ehe er wieder stillhielt und gezwungen weiter zuhörte. „Aber ich kann es nun einmal gar nicht mit ansehen, wenn vermeintlich Schwächere unterdrückt und herumkommandiert werden. Wenn man ihnen in ihr Leben pfuscht und es lenken will. “ „Was soll die Scheiße?! Worauf willst du raus, Fettbacke?!“ Craigs Geduld war am Ende. Das Ziehen in seinem Magen wurde langsam unerträglich, wenn er seinen Körper nicht bald in eine angenehmere Stellung bringen konnte. Und scheinbar war auch der Provokationsversuch umsonst. Weder Cartman noch die anderen ließen sich erschüttern. Aber wieso?! Was hatten sie denn schon gegen ihn in der Hand… außer der Gelegenheit, ihn restlos zusammenschlagen zu können. „Es war nicht unsere Idee, dich hier her zu bestellen, um dir das einzuprügeln, was du einfach nicht kapieren willst“, Fosse’s schadenfrohe Stimme zog nun Craigs Aufmerksamkeit auf die beiden Jungen vor ihm. „Wa-“ Weiter kam er nicht, da dem Schwarzhaarigen erneut die Luft wegblieb, als er weitere Schritte hörte und eine fünfte Person um die Ecke kam. Ungläubig hob er den Blick. Von ganz unten. Ewig langsam. Es kam ihm vor, als würde alles auf einmal in Zeitlupe ablaufen. Tapp. Das Geräusch von den harten Sohlen der braunen Lederschuhe hallte von den gekachelten Wänden wider. Die saubere, blaue Jeans wurde von einem Ledergürtel an dem schmalen Körper gehalten. Halb verdeckt von einem seegrünen Hemd. Die oberen Knöpfe offen, entblößten blasse Haut. Bis zu den eiskalten braunen Augen, umspielt von goldgelben Ponysträhnen. … „…Tweek… ?“ Hauchen. Nein. Wie versteinert starrte Craig auf den jungen Mann, der nun zwischen Fosse und Terrance stand, die extra für ihn Platz gemacht hatten. Sicher, überzeugt und unerschüttert stand er nun vor ihm. Verzog keine Mine. Sah Craig von oben herab an. Das Ziehen in seiner Magengegend war verschwunden, genauso, wie jede andere Wahrnehmung, die Craig bis eben noch für wichtig befand. Es war still, es war leer. Nur Tweek war da. Nein. Es war Zufall. Er war nicht absichtlich gekommen… er konnte nicht. „Überrascht?“ Cartmans nahe Stimme riss Craig aus seinem Delirium, dennoch konnte er seine Pupillen nicht von dem Blonden abwenden. Und dieser scheute Craigs Blick keine Sekunde. Erwiderte ihn unbeeindruckt. „Es war Tweeks Vorschlag“, fuhr der Brünette fort, „wir halten dich nur fest, während er die Sache mit dir regelt.“ „Das ist nicht wahr!“ Plötzlich beflügelten Craig ungeahnte Kräfte, veranlassten ihn sogar noch einmal zu einem Befreiungsversuch. So spontan, wie er sich gegen die beiden Raudis wehrte, hätte es sogar beinahe geklappt, doch sein Körper spielte dann doch nicht so mit, wie er wollte. So fand er sich in der nächsten Sekunde erneut rabiat gegen die Wand gedrückt, doch das zügelte ihn dieses mal nicht. „Was habt ihr ihm eingeredet, damit er hier auftaucht?! Ich hab euch gesagt ihr sollt euch, verdammt noch mal, von ihm fern halten, ihr-“ „Sie haben nichts getan!“, Tweeks forsche Stimme durchschnitt Craigs Androhungen gnadenlos. „Genau deswegen bin ich hier.“ Ruhig, Craigs plötzlich unsicheren Blick vollkommen ignorierend, machte der Blonde einen weiteren Schritt auf den Festgehaltenen zu. „Du willst, dass sich niemand in mein Leben mischt. Du willst, dass ich ‚meinen’ Alltag verfolge. Du willst, dass ich nur die Menschen sehe, die DU für korrekt hältst.“ Er war nur ein paar Schritte von Craig entfernt. „Bist du nicht der einzige, der sich somit in mein Leben mischt?“ Craig starrte ihn darauf nur an, unfähig auch nur ein Wort zu formen. Was. Was…? Die unnahbaren Augen seines Gegenübers ruhten unablässig auf ihm, zwangen ihn stumm und grausam zu einer möglichst schnellen Antwort, ehe Tweek die Geduld und die Lust verlor, mit ihm zu sprechen. „Du verstehst das nicht, Tweek!“, endlich hatte der Schwarzhaarige seine Stimme wieder gefunden, „du weißt nicht, wer die Typen sind, wie sie ticken – die sind 24 Stunden am Tag nur darauf aus, Leuten das Leben zur Hölle zu machen! Wenn du dich auf die einlässt, wirst du nie wieder der, der du früher warst!“ Es sollte wütend klingen, sollte genauso überzeugend sein, wie das Gift aus Erics Mund, mit dem er den Blonden allem Anschein nach dazu gebracht hatte, ihnen zu glauben. Doch Craigs Appell klang einfach nur verzweifelt. Aussichtslos, wie eine unüberlegte Rede, um ein halbtotes Heer noch einmal dazu zu ermutigen, in die Schlacht zu ziehen. Das kurze, verächtliche Aufzucken von Tweeks Mundwinkel verriet dem Schwarzhaarigen, dass der Blonde dies genauso sah. „Das ist wahr, ich weiß nicht, wer diese Typen sind und ich verstehe es nicht. Aber ganz offensichtlich bist du sowieso der einzige, der möchte, dass ich mich an das erinnere, was ich einmal war.“ Irritiert hob der Schwarzhaarige nun seinen Kopf etwas weiter, brachte die Frage, was das bedeuten sollte, nicht in einem Satz zusammen, doch Tweek begnügte sich dieses mal wirklich mit dem verwirrten Blick, um ihm eine Antwort darauf zu geben. „Nach all dem, was ich gehört habe – von dir, von ihnen, von den Anderen – war ich früher ein paranoides, süchtiges, nervtötendes Wrack. Konnte mich nicht stillhalten, konzentrieren, nicht schlafen, nicht denken und habe nichts auf die Reihe gebracht. Ich war eben ein Spast. Deshalb hat man auf mir herum gehackt. Ich hatte weder Perspektive auf einen Job, außer in diesem stinkenden Laden meines ‚Vaters’ und hätte jeden Tag in die Psychiatrie eingeliefert werden können.“ Das angewiderte Rollen mit den Augen unterstrich vor allem den Gedanken an den Kaffeeshop. Das war doch krank. Craig konnte einfach nicht glauben, was er sah, was er hörte – das konnte unmöglich von Tweek Tweak kommen. Im Gegensatz zu ihm, schienen Terrance und die anderen sich prächtig an den kontroversen Worten des Blonden zu vergnügen. Sie sagten überhaupt nichts dazu, dachten nicht einmal daran etwas zu unternehmen. Aber was erwartete er von diesen Arschgeigen schon? „Aber-“, Craig holte Luft, brauchte erst noch einen Moment um zu überlegen, was er überhaupt sagen sollte. Er wollte ihm widersprechen, aber wusste nicht wie. „Du hattest wenigstens ein Gewissen und Gefühle! Egal, was die dir erzählt haben, so schlimm war es nicht! Immerhin warst du noch am Leben und du hattest Freunde! Butters, Kyle, Pip-“ „Also den restlichen Abschaum der Schule eben“, unterbrach ihn Terrance beiläufig. Sofort riss Craig seinen Kopf zu ihm und warf dem Braunhaarigen einen aufspießenden Blick zu. Es war ihm lieber, wenn er nur nutzlos und stumm in der Gegend stand! „Du hast ja gut reden“, nun war es Eric, der das Wort ergriff, „du bist ja auch auf der Beliebten-Liste fast ganz oben, Craig. Es ist immer leichter auf andere herab zu blicken und im Nachhinein gut darüber zu reden. Woher willst du schon wissen, was Tweek durchmachen musste.“ Dem Schwarzhaarigen fiel beinahe die Kinnlade runter. Wie bitte -?! Wie konnte sich dieser Fettwanst erdreisten ihm so eine Frage zu stellen?!! „Ich hab den Jungen seit meinem zehnten Lebensjahr fast täglich zwölf Stunden lang gesehen, im Gegensatz zu dir!!“ Wenn es einen Menschen gab, der wusste, was Tweek durchmachen musste, dann war es gottverdammt noch mal Craig! Ob es die Ignoranz seiner Eltern war, Unterhosenwichtelbesuche, Schulaufgaben, Hausaufgaben, Verfolgungswahn – Craig hatte es alles mitbekommen, war der Einzige, der Tweek zugehört hatte. Und auch wenn sogar er ab und zu einfach nur genervt mit dem Mittelfinger abgeblockt hatte, weil es ihm einfach zu viel wurde, hatte er Tweeks Probleme nie unterschätzt, hatte nie auf ihn herabgeblickt! Er hatte es nur nicht gezeigt - wie es um seine Emotionsarmut stand, wussten aber doch alle. Er war nun mal auch nicht perfekt. Eric konnte jetzt nicht ernsthaft diese Macken ausnutzen, um ihm einen Strick daraus zu drehen. Doch es handelte sich hier um Eric Cartman. Und der konnte das. „Ach komm, wir wissen alle, wie geil du auf Ansehen und Stolz bist. Du bist doch nur mit Tweek rumgehangen, damit du neben ihm glänzen konntest, oder allenfalls noch aus Mitleid.“ „WAS?!“ „Dass du es jetzt nicht einmal verkraften kannst, wie der Junge nun von alleine beliebt wird und ihm das nicht einmal gönnen willst, ist wirklich schwach von dir, Craig – sehr schwach…“ Darauf fiel dem Schwarzhaarigen wirklich nichts mehr ein. Sein Kopf war vor Empörung, Wut und Ungläubigkeit wie leergefegt. Er wusste, was für ein Mensch Cartman war und dass man sich besser von ihm fernhielt. Doch mit solch einer Aktion hatte er die ganzen Tage über niemals gerechnet. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass dieser Junge ihre Lage so hindrehen konnte, dass es so rüberkam, als würde Tweek all die Jahre von ihm ausgenutzt worden sein. Wenn sie ihm das eingetrichtert hatten, verstand der Schwarzhaarige auch, wieso der Blonde sich ihm gegenüber so abwertend verhalten hatte. Leider nur begriff er das zu spät. Cartman hatte bestimmt meisterhafte Arbeit geleistet, was dieses Thema anging und alles, was Craig jemals gesagt hatte, so gedreht, dass er es nun gegen ihn verwenden konnte. Wenn er noch eine Chance hatte, die Angelegenheit zu regeln, dann war das jetzt. Nur leider war Craig von den Tatsachen überrumpelt und sprachlos. Er wollte sich nur losreißen und Cartman so richtig verdreschen. Tot prügeln! So wie er sonst auch immer Probleme gelöst hatte. Aber nicht einmal dazu war er in der Lage. Was zur Hölle lief hier bloß falsch?! „Du hast sie doch nicht mehr alle!“ Widerstrebend ruckte und wand sich der Schwarzhaarige erneut heftig, konnte sich dennoch nicht aus den Griffen befreien. „Das ist nicht wahr! Das ist alles nicht wahr, Tweek! Cartman verdreht nur wieder Tatsachen und übertreibt maßlos!“ Nun war sein Ton wirklich wuterfüllt, als er sich erneut an den Blonden richtete. Er konnte das doch nicht glauben. Er konnte nicht einfach so, mir nichts dir nichts, Eric Cartman und diesen Idioten glauben! Doch Tweek stand weiter regungslos vor ihm, hob lediglich eine Augenbraue. „Ist das so?“, er sprach langsam, desinteressiert. „Dann sag mir nur einen einzigen Grund, wieso ich dieses Leben zurück haben wollen würde.“ Mit einem mal entschwand jeder Ausdruck von Craigs Gesicht. Jede Bemerkung, über die er nachgedacht hatte, jede erkämpfte Erwiderung. Jetzt. Jetzt hatte er die Gelegenheit. Die Chance, die er schon einmal verspielt hatte. Mit der richtigen Antwort auf diese Frage könnte er alles von sich reden – sein schlechtes Gewissen, seine Unruhe, den Schmerz, seine Lügen. Könnte Tweek beweisen, dass er nicht nur gehasst und gehänselt wurde. Weil du mir nicht egal bist. Weil ich dich so mag, wie du bist. Alles an dir. Weil es mir etwas bedeutet hat. Weil DU mir etwas bedeutest. Weil ich dich liebe, für alles, was du bist. „….“ Ein Wasserhahn tropfte. Irgendwo draußen unterhielten sich ein paar Leute. Der Wind zog leise pfeifend durch eines der gekippten Fenster. Doch Craig blieb stumm. Auch wenn sein Herz und seine Seele verzweifelt schrien, er solle den Mund auf machen, etwas sagen – die Wahrheit! Aber seine Lippen konnten sich nicht bewegen, waren wie vereist unter dem frostigen Blick Tweeks. So sehr er auch wollte. Alles, was er tat, war den blonden Jungen verzweifelt sehnsüchtig anzustarren. Eine gefühlte Ewigkeit lang. Bis ein tonloses Seufzen die Stille zerschmetterte. Und Craig begriff, es war vorbei. „Wenn dir auch nichts einfällt, denke ich mal, Cartman hat recht.“ Einen kurzen Moment schloss Tweek die Augen und Craig meinte beinahe einen Funken Enttäuschung in ihnen erspäht zu haben - oder er wünschte es sich so sehr, dass er halluzinierte. Was immer es war, sobald der Blonde seine kaffeebraunen Augen aufschlug, war darin nichts mehr zu sehen. Außer Verbitterung. Und dieser Blick galt allein ihm. „Da du mich anscheinend nicht ernst nimmst, wenn ich mit dir rede und dir etwas erklären will, versuchen wir es doch diesmal auf deine Art.“ Unfähig darauf etwas zu erwidern, sah der Schwarzhaarige mit wachsender Panik zu, wie sich ein kaltes Lächeln auf Tweeks Lippen schlich. „Bevor du mich das nächste mal vor Problemen schützen willst, überleg es dir zweimal…“ Plötzlich machte der Blonde einen Satz nach vorn, holte aus und rammte seine Faust mit aller Kraft in Craigs Magen. Schmerzhaft aufjapsend krümmte sich sein Körper erneut nach vorn, ihm wurde übel, seine Gliedmaßen zuckten, wurden darauf sofort noch brutaler von den anderen beiden gequetscht. Seine Augen waren weit, leer, panisch, still. Tweek hatte sich keinen Millemeter wegbewegt, lehnte sich nun sogar noch näher an den Geschlagenen, drückte seine immer noch geballte Faust kräftiger gegen Craigs Eingeweide. Mit einem unterdrückten Würgen, ließ der Schwarzhaarige seinen Kopf nach vorne fallen und hustete eine ganze Menge Blut. Die dunkelrote Flüssigkeit klatschte zum Großteil auf den Boden, zersprang sofort in kleine Tropfen und verteilte sich auf den Fließen. Der andere Teil landete auf seinem und Tweeks Hemd, sog sich in den Stoff und hinterließ hässliche Flecken. Es war derselbe Schlag, den er von dem stärkeren Terrance vorhin kassiert hatte. Doch das hier tat mehr weh. Tausendmal. „…Denn das einzige Problem, das ich habe, bist du.“ Tweeks leise, ruhige Stimme, nah an seinem Ohr, war das letzte, das Craig hörte. Mit einem Ruck riss der Blonde seine Faust zurück und schmetterte sein Knie direkt unter Craigs Rippen. Keuchend knickte der Junge ein, fühlte wie die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde, sich alle seine Innereien in ängstlicher Erwartung zusammen krampften. Sein Zwerchfell zuckte, verhinderte jede minimale Sauerstoffwiederaufnahme und schon folgte der nächste Schlag, mitten ins Gesicht. Craig spürte einen stechenden Schmerz durch seinen Kieferknochen ziehen, bis hoch zu seiner Stirn, danach war alles einen kurzen Moment lang taub. Er hatte die Augen zugekniffen, rein aus Reflex, doch er wollte das auch nicht sehen. Wolle nicht sehen, wie er, der sonst so harte Typ, zusammengeschlagen wurde. Zusammengeschlagen von seinem ehemals besten Freund. Von Tweek. Unbarmherzig wurde er von Eric und Bill an die Wand geschleudert, zwar ließen sie dazu seine Arme los, doch dem harten Aufprall an der gekachelten Mauer, folgten sofort weitere Schläge. In den Magen, den Bauch, die Rippen, gegen die Brust, ins Gesicht. Er hatte keine Zeit, keine Chance sich auch nur annähernd zu verteidigen oder zu schützen. Einerseits war fünf gegen einen selbst für ihn zu viel und noch dazu kam sein Kopf immer noch nicht mit dem mit, was hier gerade vor sich ging. Irgendwann hatte Craig aufgehört zu registrieren, von wo der Schmerz kam, er war einfach da und unerträglich. Nahm nicht mehr wahr, ob er keuchte, japste oder schrie, hätte nicht mehr sagen können, ob er überhaupt noch am Leben war. Doch er fühlte Schmerz… also musste er leben. Es hatte vermutlich keine fünf Minuten gedauert, in denen die Jungs ihn so traktierten, doch ihm kam es so vor, als hätten sie ihn stundenlang gefoltert. Endlich gaben seine Beine nach, schafften es einfach nicht mehr, seinen ächzenden Körper aufrecht zu halten. Der Schwarzhaarige knickte ein, fiel auf die Knie und landete schließlich vollkommen auf dem kalten Boden. Augenblicklich krümmte sich sein Körper, versuchte durch diese erbärmliche Haltung das Leiden wenigstens ein wenig zu mindern. Mit angezogenen Beinen und krampfhaft um den Magen geschlungenen Armen, lag der Dunkelhaarige, hustend und nach Luft ringend, am Boden. Zwar hatten die Hiebe aufgehört, doch nun klangen ihre Wirkungen am Leib des Jungen erst richtig aus. Langsam klarte sich seine Sicht, auch wenn es anstrengend war, Dinge zu registrieren. Darüber nachzudenken – über alles nachzudenken. Es verstärkte das Rauschen und Fiepen in seinen Ohren mit jeder Sekunde. Was.. Was war passiert…? Direkt vor seiner Nase stopte klackend die Sohle eines dunkelbraunen Lederschuhs. Der Schock, nun noch gestiefelt zu werden fuhr plötzlich durch Craigs Gedanken, doch seine Gliedmaßen konnten nicht einmal mehr erschrocken zusammenzucken, so verkrampft waren sie. „Hoffentlich hast du es jetzt kapiert.“ Diese kaltherzige Stimme und das Wissen, zu wem sie gehörte, war beinahe noch schlimmer, als weitere Prügel. Er hatte das Gefühl, als würden sich seine Puppillen spielerisch weiten und verengen, immer wieder andere Fixpunkte suchen und die vorigen verschwimmen lassen. Nur am Rande bekam Craig das höhnende Lachen von Eric und den anderen mit. Was sie sagten, verstand er nicht und es interessierte ihn auch nicht. Es war wohl abfällig, demütigend, wie lächerlich Craig doch wäre, doch es war unwichtig. Vollkommen belanglos und gewichtlos gegen die Worte, die nun von Tweeks Lippen fielen. „Verschwinde aus meinem Leben, du hast dort nichts mehr zu suchen!“ Nur ein Satz und Craigs Puppillen verschwanden beinahe in seinen dunkelblauen Iriden. Doch er sah nichts. Hörte nur diese Worte in seinem dröhnenden Schädel, obwohl es schon längst wieder still war. Atemlos hob er den Kopf, gab sich alle Mühe, wenigstens seinen Oberkörper von den dreckigen Fließen am Boden zu lösen und nicht sofort wieder hinab zu sinken. Er wollte ihn sehen, er wollte hören, dass das nicht wahr sei, alles nicht wahr, nur ein Traum. Doch diese Hoffnung wurde gnadenlos zerschmettert, als ihn ein mitleidsloser, abwertender und ernster Blick aus Tweeks Augen durchbohrte. Gerade, als der Schwarzhaarige wieder nach Luft schnappte, wandte der Blonde sich ohne ein weiteres Wort ab und ging mit den anderen ungerührt Richtung Ausgang. Nein. Ein lautes Klacken und die Tür war zugefallen, dämpfte das Lachen von Eric und Terrance, bis sie ganz weg waren. Es tropfte. Es schlug. Es war still. Mit einem Mal verlor Craigs Körper jedwede Kraft, seine Arme gaben nach und er kollabierte erneut. Doch sobald er diesmal auf dem Boden aufprallte, hatte er das Gefühl, dass irgendetwas zersprang. In tausend kleine, spitze Splitter. Als wäre er auf fragiles Glas gestürzt, dessen Scherben sich nun kratzend in seine Brust bohrten, mit jedem Atemzug den er machte tiefer schnitten. Es war krank. Er war krank. Er lag auf glatten Fließen. Da war nichts. Da war absolut nichts. Und es tat weh. Es tat so verdammt weh! Es sollte aufhören – nur aufhören! Nach etlichen Atemzügen schaffte der Junge es doch, sich zitternd und keuchend aufzurichten, wenigstens bis auf die Knie. Ein paar seiner rabenschwarzen Haarsträhnen taumelten vor seinem Gesicht hin und her. Sein Schädel pochte, seine Gliedmaßen ächzten bei jeder Bewegung. Wäre er nicht so weggetreten gewesen, hätte Craig sich wohl übergeben müssen, doch so registrierte er nur halb, wie sehr sich sein Magen verkrampft hatte. Aber das reichte vollkommen. So schwungvoll wie möglich stieß sich der Junge vom Boden ab, knallte mit dem Rücken sofort aufjapsend gegen die Wand und ließ sich an dieser erneut in eine Sitzhaltung sinken. Ein Bein komplett ausgestreckt, das andere halb angewinkelt und beide Arme schlaff auf den Boden hängen lassend, saß er nun schwer keuchend da und lehnte seinen Kopf an die Wand. Augenblicklich musste er schlucken, spürte, wie das Blut aus seiner Nase jetzt seinen Rachen hinab lief. Der Geschmack war widerlich. Ebenso grässlich, wie der in seinem Mund. Die aufgeplatzte Unterlippe fühlte sich immer noch taub an, genauso wie der Rest seines Gesichts. Doch plötzlich spürte er eine warme Perle über seine linke Wange rollen. Kein Blut. Aber sie vermischte sich mit dem an seiner Lippe, machte es salzig. Seine Augen waren geschlossen. Schon eine ganze Weile. „Scheiße…“, tonloses, qualvolles Wispern versank in der Stille. Wo war er nur. Wo war er nur gelandet? Wo war Tweek…? „Scheiße….!“ Es konnte nicht dieser Junge mit dem eiskalten Blick sein. Es konnte nicht der Junge sein, der ihn gerade zusammengeschlagen hatte. Es konnte nicht der Junge sein, dem Craig vollkommen egal war. Es konnte nicht der Junge sein, der ihm das Herz gebrochen hatte. Doch dann… bedeutete das, dass Tweek weg war. Weg. Einfach nicht da. Für immer. „…“ Aber er brauchte ihn doch. Craig brauchte ihn doch so sehr! Hier! Jetzt! Immer! „Gott - Scheiße!!“ Mit einem letzten verzweifelten Wutschrei bäumte der Schwarzhaarige seinen Körper noch einmal auf, bevor er seinen Kopf nach vorne fallen ließ, beide Beine anzog, die Arme darum schlang und vollkommen überfordert gegen seine Knie schluchzte. Tränen flossen nun ungehemmt aus seinen Augen, vermischten sich gelegentlich mit etwas Blut und tropfen auf seine Jeans. Was verdammt noch mal lief hier falsch?! Craig war doch immer derjenige gewesen, der Prügel verteilt hatte. Der andere geschlagen hatte, bis sie um Gnade, oder, übertriebener Weise, sogar um den Tod gewimmert hatten. Er war doch immer der Starke gewesen, der Anführer. Er war nie abhängig von irgendjemandem gewesen, nie verzweifelt. Und jetzt - saß er geschlagen und gedemütigt in der Jungentoilette und heulte sich die Seele aus dem Leib?! Nein – das war doch nicht er! Das machten vielleicht Butters oder Pip – Das taten nur die Weicheier, die Idioten! Nur die, die dauernd überreagierten. Ein unangenehmes Schütteln durchflog seinen Körper. Dieses flaue Gefühl, welches mit jedem Herzschlag durch seinen Körper gepumpt wurde, ließ ihn seine Schmerzen beinahe vergessen. Es war schwer und leicht zugleich, jede Sekunde verschieden und so unreal. Alles wurde einfach nebensächlich, gegenüber dieser einen, viel gravierenderen Tatsache. Eric, Terrance und die anderen hätten ihm jeden erdenklichen physischen Schmerz zufügen können. Sie hätten ihm jeden Knochen im Leib brechen können. Doch niemals seinen Stolz, niemals seinen Willen, niemals sein Herz. Das konnte nur Tweek. Und das hatte er getan… Wegen dem ständigen Schluchzen wurde sein Kopfweh nur schlimmer. Durch die Nase konnte der Schwarzhaarige auch nicht mehr richtig atmen. Nur noch, wenn er den Mund öffnete. Aber jedes mal, wenn er das tat, entkam ihm ein neues Aufschluchzen, welches er nicht hören wollte. Nicht wahrhaben wollte. Er fühlte sich so erbärmlich. Ein jämmerlich zusammengekauertes Häufchen Elend mit gebrochenem Herzen… dabei dachte er immer, dass er gar keines hätte…! Nicht im Traum hatte er geglaubt, jemals so zu enden – nicht er – nicht Craig Tucker! Doch er tat es. „Craig…?“ Eine bekannte Stimme ließ den dunkelhaarigen Jungen aufschrecken. Sofort biss er sich auf die Lippe, die darauf nur noch mehr schmerzte, versuchte sich jeden weiteren Laut zu unterdrücken. Jedoch klappte es nicht. Sein Körper zuckte bei jedem Schluchzer auf, sandte ein unangenehmes Stechen durch seinen Magen, sobald sich sein Zwerchfell dabei verkrampfte. „Craig, was zur Hölle machst du hier und – Alter, was ist mit dir passiert?!“ Kyle kam um die Ecke, dicht gefolgt von Stan, der sowieso nie von der Seite des Rotschopfes wich. Seine zunehmend geschockter klingende Stimme verriet Craig, dass es wohl nicht nur für ihn selbst ein ungewohnter Zustand war. Doch warum mussten sie ausgerechnet jetzt kommen?! Konten sie ich nicht irgendwann anders stören, als in diesem einen Moment, in dem er vollkommen am Boden zerstört und schwach war?! „Nichts!“ Mehr weinend als wütend presste Craig diese Erwiderung aus seiner Kehle, versuchte sich gleichzeitig so schnell wie möglich aufzurichten. Den Kopf stets nach unten gerichtet und am ganzen Körper zitternd schaffte er dies auch erstaunlich schnell. Kyle und Stan wollten ihm diese Ausrede natürlich nicht glauben. „Jetzt red keinen Scheiß, schau dich doch mal an! …Hast du gewein-“ „ICH SAGTE NICHTS UND JETZT LASST MICH!“ Bevor der Rothaarige seine gutgemeinten Worte zu Ende sprechen konnte, hatte Craig die beiden grob auseinander geschubst, um an ihnen vorbei, schnellst möglich, zur Tür zu gelangen. Auch wenn er dabei fast hinflog und mehr schlecht als recht aus dem Raum taumelte. Seine Sicht war verschwommen, von Tränen und von Schmerz, doch er wollte auch nichts sehen. Wollte sich nicht sehen. Nicht so. Keine Sekunde länger wollte er hier bleiben, hier, wo ihn potentiell alle sehen konnten. Er wollte nur nach Hause, irgendwo hin, wo er alleine war. Noch nie war er von solch einer seltsamen Macht getrieben. Und es fühlte sich schrecklich an. Glücklicherweise war South Park keine große Stadt, so kam Craig erstens schneller an sein Ziel und zweitens begegneten ihm auf dem Weg kaum Menschen. Erst als er den Schlüssel herumdrehte und durch die Wohnungstür fiel, spürte er seinen Körper qualvoll aufschreien. Er wollte einfach auf dem Boden zusammenbrechen und heulen. Nicht mehr laufen, nicht mehr stehen, nicht mehr hören, nichts mehr sehen, nichts mehr fühlen. „Sohn?“ Doch das war nicht möglich. Ehe er mehr als nur die Stimme seines Vaters wahrnehmen konnte, zwang sich Craig, sich noch einmal zusammen zu reißen und flüchtete in Windeseile auf sein Zimmer. Dort ließ er sich nur aufs Bett fallen und von all den Schmerzen überwältigen, die so lange hatten warten müssen. Er war kaputt. Kapitel 11: perfect world ------------------------- Craig hatte sich noch nie vor seiner Familie versteckt. Generell fand er es lächerlich sich zu verkriechen, vor allem im eigenen Haus vor den Mitbewohnern. Doch dieses Wochenende war das genau was er tat. Sich verstecken. Weder seine Mutter, noch sein Vater, noch Ruby bekamen ihn nach Freitagnachmittag zu sehen. Er schlief einfach jeden Tag fast bis um 12, hatte das Zimmer stets zugesperrt. Wenn er nicht so lange schlafen konnte, blieb er regungslos im Bett liegen und starrte die Decke an. Er ging nicht zum Frühstück, nicht zum Mittagessen, nicht zum Abendbrot, holte sich seine Malzeiten immer dann, wenn seine Eltern in der Arbeit waren oder er sicher gehen konnte, dass ihm niemand im Haus entgegenkam. Viel aß er sowieso nicht, er hatte keinen Appetit. Den ersten Tag war seine gesamte Familie wohl froh ihn vom Leib zu haben. Es war nichts ungewöhnlicher für den Schwarzhaarigen, dass er sich nach einem Schultag genervt bis zum nächsten Morgen in sein Zimmer einsperrte. Doch 3 Tage am Stück waren sogar für seine Eltern besorgniserregend. Wahnsinn. Sie besaßen tatsächlich noch so etwas wie ‚Elterninstinkt’. Obwohl Craig wirklich eine Weile lang geglaubt hatte, sie hätten ihn adoptiert, so kalt, wie sie sich ihm gegenüber verhielten. Immerhin hatte er als einziges Familienmitglied rabenschwarze Haare, das würde als ein Indiz sprechen. Und selbst, wenn es so wäre, es wäre ihm egal. Immerhin hatten sie ihn aufgezogen und durchgefüttert. Trotz all dieser Dankbarkeit ignorierte er das mehrmals am Tag wiederholte Klopfen seiner Mutter und die kläglichen Versuche, aus ihm heraus zubekommen, was denn los wäre. Vielleicht war sie auch in der letzten Zeit aufmerksamer geworden, weil sie zum Teil mitbekommen hatte, was in Craigs Leben abging, oder besser gesagt, schief ging. Mrs. Tucker war dann doch noch um Welten feinfühliger als Craigs Vater. Ihr traute der Junge sogar zu, über den Tellerrand hinauszusehen und zu erahnen, was mit ihrem Sohn nicht stimmte. Doch er hoffte, dass sie es nicht tat. Was könnte sie schon tun? Ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, alles würde wieder gut werden, so wie früher? Kurzzeitig zuckten Craig Mundwinkel nach oben, erschlafften daraufhin jedoch in noch mehr Wehmut. Jemanden, der ihn hielt. Vielleicht brauchte er das wirklich. Nur war seine Mutter dafür nun leider nicht die Richtige… Sogar Mr. Tucker hatte sich bequemt seit gestern an Craigs Tür zu hämmern. Beim ersten Mal wollte er sie sogar ernsthaft einschlagen, weil der Junge den ganzen Samstag über still in seinem Zimmer gesessen hatte und seine Mutter panisch geglaubt hatte, er hätte sich etwas angetan. Da die Tür allerdings das einzige Objekt war, mit dem er sich vom Rest der Welt abschotten konnte, hatte Craig nicht gerade vor, diese zu verlieren. Also gab er in Regelmäßigen Abständen ein ‚Ich lebe noch’ von sich, womit seine Eltern sich zufrieden geben mussten. So ging es das ganze Wochenende hindurch. Ihm war egal, ob er am Montag schwänzen würde, er hatte sowieso keine Lust noch einmal in diese Schule zu gehen. Er wollte einfach nicht. Weniger wegen der Prügel, die er einstecken musste. Cartman hatte diese Nachricht sicher wie ein Lauffeuer verteilt und jeder würde wissen, dass Craig Tucker zusammengeschlagen wurde. Das war nicht sein Problem, diese Botschaft würde sich mit ein Paar Schlägen und Tritten in die Wampe des Dicken aufheben. Aber er war eben nicht von Cartman verprügelt worden. Sondern von Tweek. Von diesem Jungen, der so aussah, wie Tweek. Und ihn könnte er nicht zusammenschlagen… Seufzend setzte er sich auf, strich sich seine dunklen Haare aus den Gesicht und starrte auf den leeren Käfig ihm gegenüber an der Wand. Er sollte duschen. Vielleicht wenn seine Eltern schliefen. Langsam erhob sich Craig und schritt zu seinem Kalender. Im ersten Augenblick registrierte er nichts mehr, als viele Kästchen mit Zahlen darin, ohne Sinn. Sein Verstand brauchte eine Weile, bis er ihnen Monate und Tage zuordnen konnte. Er hatte sich zwei Tage kaum bewegt, hatte sich aber auch einfach nicht danach gefühlt. Jetzt spürte er, wie seine Füße kribbelten, bei jedem Schritt den er machte, als wären sie eingeschlafen. Er fühlte sich schlapp, obwohl er die letzten Tage absolut gar nicht gemacht hatte. Seine Glieder sollten eigentlich dankbar für so eine Auszeit sein, denn die hatte er nach der Tortur am Freitag bitter nötig gehabt. Doch auch wenn sein Körper still gelegen hatte, sein Kopf hatte keine Sekunde Erholung genießen können. Craig wäre froh gewesen, wenn er sich nur ein paar Minuten einfach leer und stumpf gefühlt hätte. Aber das hatte er nicht. Immer wieder kreisten seine Gedanken um dieses Geschehen, um diese Worte, um die letzten Tage. Wie es dazu kommen konnte. Wie es soweit kommen konnte. Vor einer Woche war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie waren alle zusammen einkaufen für Tokens Party. Clyde, Stan, Kyle, Kenny, Er und Tweek. Es kam ihm vor, als lägen Monate, wenn nicht Jahre dazwischen. Sie hatten gelacht, gezankt, spekuliert, wer morgen alles besoffen über der Schüssel hängen würde. Niemand hatte wissen können, wie das hier endete. ER hatte es nicht gewusst… und hätte Craig auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung gehabt, hätte er so vieles anders gemacht… alles besser gemacht. Er hätte alles richtig gemacht, alles gegeben, um diesen einen Jemand, der ihm wichtig war, nicht zu verlieren. Um es überhaupt erst einmal zu begreifen. Ein leises Lächeln spielte über seine Lippen. Doch das hatte er nicht. Und das konnte er nun nicht mehr. Weder die Zeit zurückdrehen, noch alles wieder gut machen. Es war passiert und vorbei. Langsam hob er eine Hand und griff nach dem Kalenderblatt. »Token Party« Mit einem heftigen Ruck hatte der Schwarzhaarige die Seite herausgerissen. Der Monat war um. Heute war der erste Dezember. Advent. Zeit sich zu freuen und zu Wichteln. Zeit um glücklich, herzlich und gütig zu sein, sich auf die Geburt des Erlösers oder einfach die Geschenke und den Weihnachtsmann zu freuen. Craig hatte diese Zeit schon immer gehasst. Jedes Jahr. Doch dieses mal war Hass gar kein Ausdruck mehr dafür, wie er sich fühlte. Wie sehr musste sein Leben ihn eigentlich verachten, um ihn so schadenfroh mit Füßen zu treten. Seine Finger umgriffen das Blatt Papier, knüllten es mit zunehmender Kraft zusammen, bis der Dunkelhaarige seine Faust krampfhaft darum geschlossen hatte. Die spitzen Kanten stachen sich in seine Haut, seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Wie gern würde er nun ein Loch in die Wand schlagen. Aus Wut gegen sich und sein verdammtes Schicksaal. Oder die Welt generell. Doch Craig hatte mit der Zeit begriffen, dass nicht immer die anderen an seinen Miseren Schuld waren, auch wenn er das gern so hätte. Ein leises Rascheln war zu hören, als das geknüllte Blatt auf den Teppichboden fiel. Kraftlos schleifte Craig zurück zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits halb neun abends war. Wie schnell die Zeit doch verfliegen konnte. Er streckte sich etwas, bis er mit den Fingerspitzen den Radio auf seinem Nachttisch erreicht hatte. Nach zwei Tagen hielt selbst Craig es nicht mehr allein mit sich und seinen Gedanken aus. Vielleicht würde ihn wenigstens etwas Gedudel ablenken. -- I never could have seen this coming It seems like my world’s falling apart Schwer ließ sich der schwarzhaarige Junge zurück auf die Matratze fallen und schloss für einen Moment die Augen. Es tat gut etwas anderes zu hören, als die beschwörenden Worte seiner Eltern oder ein paar besoffene Nachtaktive vor seinem Fenster. Craig konnte sich überhaupt nicht vorstellen, es wirklich zwei Tage ohne irgendeine akustische Ablenkung ausgehalten zu haben. I used to think that I was strong Until the day it all went wrong Craig schlug die Augen erneut auf, fixierte die Decke mit einem fast schon strafenden Blick. … Zufall. Seufzend und kopfschüttelnd strich er sich mit einer Hand durch die Haare, so weit, wie das eben mit Mütze auf dem Kopf möglich war. Er hatte dieses blaue Ding in seinem ganzen Leben vielleicht zwei Mal abgenommen. Gut, das war übertrieben, ziemlich sogar. Aber gefühlte zwei Mal. Wenn er seine Adresse angab, konnte er genauso darunter schreiben »Junge mit blauer Mütze«. Sie war mehr als nur sein Markenzeichen, er trug sie seit er denken konnte und hatte nicht vor sich irgendwann einmal eine andere anzuschaffen. Es war eines dieser seltenen Dinge, an denen Craig wirklich hing. So wie er an Stripe gehangen hatte. Würde er dieses Stück Stoff wegwerfen, so hatte er das Gefühl ein Teil seines Lebens wegzuschmeißen, all seine Erinnerungen. Vielleicht sollte er Tweek einfach seine Mütze über den Kopf ziehen. Wer weiß, ob dann nicht wenigstens seine Erinnerungen auf den Blonden übergingen. Wie in einem schlechten Science Fiction Film. I wish that I could bring you back I wish that I could turn back time ‘Cuz I can’t let go I just can’t find my way Doch so einfach war es leider nicht. Es würde mehr nötig sein als ein wenig Fantasie und gute Hoffnung, das war jedem klar – außer Butters. Die reelle Aussicht auf Heilung bestand aus Therapien, klinischen Studien und Glück. Doch bisher hatte nichts davon bei Tweek angeschlagen. Wieso dachte Craig eigentlich an ‚Heilung’? Immerhin war Tweek nicht krank, hatte keine Infektion von der er ‚geheilt’ werden musste. Er hatte sich eben nur verändert. Schlagartig. Nicht einmal der Doktor hatte so krampfhaft versucht den alten Tweek wieder zu wecken, wie Craig es getan hatte. Ehrlich gesagt hatte das niemand. Wenn wirklich nur er es war, der die Dinge so verdreht betrachtete, dann lag es vielleicht daran, dass er mit der Sache nicht klar kam. Es könnte doch sein, dass alles viel leichter werden würde, wenn er sich damit abfand. So wie Craig es mit allen Veränderungen irgendwann tat. Sie einfach hinnehmen. Dann müsste er die Zeit nicht zurückdrehen, dann müsste er sich keine Vorwürfe mehr machen. Dann wäre die Welt wieder perfekt. So ein Schwachsinn! Seine Welt war nie perfekt gewesen und würde es nie sein, solange Tweek nicht wieder der Alte war! Solange er ihm vollkommen egal war und alles was er von ich bekam genervte Blicke waren! Auch wenn er es sich noch so sehr einbildete, solch ein Talent wie Cartman, in einer verdrehten Welt zu leben, hatte er nicht. Craig konnte und wollte Tweek nicht loslassen. Selbst wenn es dem Blonden absolut nichts bedeutete. In a perfect world You’d still be here And it makes no sense I can just pick up the pieces But to you this means nothing, nothing at all You feel nothing, nothing at a--- Mit einem heftigen Ruck setzte Craig sich auf, schmetterte so sehr auf den Power-Knopf des Radios, dass dieses polternd zu Boden fiel und verstummte. Aufgebracht schnaubend saß er im Bett, fixierte das geschlagene Gerät aus wütenden Augen, in die erneut Tränen stiegen. Das war doch ein Witz! Sein Leben fickte ihn wohl wirklich gerne! Er wusste wieso die letzten zwei Tage weder Fernseher noch Radio an waren und am besten blieben diese den Rest der Woche auch noch aus! Oder so lange, wie Craig eben vor hatte, sich in seinem Zimmer zu verkriechen. Wie vorhergesehen schwänzte Craig Montags die Schule. Er hatte keine Lust sich dort sehen zu lassen. Außer den neugierigen, dummen Blicken seiner Mitschüler – wegen seiner Verletzungen, die bestätigten, dass er bei der Prügelei verloren hatte – würde ihn dort nichts erwarten. Cartman hatte sicher schon die neuste Meldung über seinen Sieg gegen Craig Tucker wie ein Lauffeuer verbreitet und dabei maßlos übertrieben. Genauer genommen war es nicht einmal Cartman, sondern Tweek und Terrance, die ihn so zugerichtet hatten. Doch das ließ der Fettsack hundertpro unter den Tisch fallen. War Craig auch fast lieber so. Es war erträglicher für ihn zu wissen, dass seine Mitschüler dachten, er wäre von Eric verprügelt worden, als von Tweek. Sie hatten doch sowieso keine Ahnung und deren Meinung ging Craig gelinde am Arsch vorbei. Das war schon immer so gewesen. In ein paar Tagen würde ein anderes Thema auf dem Tisch sein und die Sache hatte sich von allein gegessen. Und wenn Craig nicht so lange warten wollte, könnte er sich immer noch mitten auf dem Flur an Cartman rächen, er müsste nur darauf achten, dass genügend Augenzeugen dabei waren, die seinen guten Ruf verbreiten konnten. Ja, seinen ‚guten’ Ruf als Schläger. Wieso war er dann nicht einfach zur Schule gegangen? Eben hatte er seine Xbox eingeschalten, als die Türklingel schrillte. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet dem Schwarzhaarigen, dass es bereits 14:30 Uhr war. Der Unterricht war also schon seit einer halben Stunde zu ende. Ohne weiter zu überlegen widmete er sich erneut dem Bildschirm und griff nach dem Kontroller. Würde schon nicht für ihn sein. „Craig?“ „Herr Gott!“ Leise fluchend warf er den Kontroller vor sich auf den Teppichboden. Er sollte aufhören sich Hoffnungen zu machen, auch, wenn es noch so kleine waren! Neben der, seiner Mutter, hörte der Mützenträger andere Stimmen, die er jedoch nicht auf Anhieb erkannte. Token oder Clyde waren es also nicht. Vorsichtig, beinahe schon hoffend drückte seine Mutter die Türklinke herab und als sie begriff, dass weder abgesperrt war, noch ein Versuch gestartet wurde, sie draußen zu halten, riss sie die Türe euphorisch auf. „Craig, du hast Besuch!“ Man konnte ihrem selten ehrlichen und erleichtertem Lächeln ansehen, wie froh sie war ihren Sohn nach 3 langen Tagen wieder zu sehen. Obwohl sie im selben Haus wohnten. Craig hatte seine Mutter wirklich fast noch nie mit diesem Ausdruck und dieser Lebensfreude gesehen. Und selbst, wenn er seinen ‚Leckt-mich-doch-alle’-Motto hochhalten wollte, ein kurzes Lächeln huschte dabei doch über seine Lippen. Ihm war so, als gäbe es da wirklich noch jemand, der ihn stützen würde, wenn er es brauchte. Oder ihm zumindest aufhelfen würde, wenn er am Boden aufgeschlagen war. Dieses Gefühl hatte e innerhalb seiner Familie schon lange nicht mehr gehabt. Dass ihm seine Eltern nicht bei allen Problemen unterstützen und entlasten konnten, hatte er zu genüge zu spüren bekommen und erfuhr es gerade am eigenen Leib. Aber es war trotzdem schön zu wissen, dass sie ihn nicht vergessen hatten. Auch wenn er das die letzten 8 Jahre gedacht hatte. Sobald Craig allerdings seinen Besuch erblickte, verschwand dieses sowieso schon flüchtige Lächeln komplett aus seinem Gesicht. „Kyle und Stan wollten kurz mit dir sprechen“, erläuterte seine Mutter, als niemand den Anfang machen wollte, „ich bin froh, nicht die Einzige zu sein, die sich Sorgen macht! Und vielleicht solltest du überlegen doch wieder in die Schule zugehen, wenn du nicht noch mehr Aufmerksamkeit willst, junger Mann. Ich bin dann mal in der Küche.“ Mit diesen mahnenden, jedoch fröhlichen Worten, wirbelte seine Mutter herum und ließ die drei Jungs allein im Zimmer. Und da standen sie nun. Kyle neben der Tür, Stan neben Kyle, Craig vor seinem Fernseher. Kyle schaute Stan an, Stan schaute Kyle an, schaute Craig an, Craig starrte sie beide an. Einen Moment lang überlegte der Schwarzhaarige noch einmal, wie er überhaupt aussah. Doch am vorigen Abend hatte er sich noch einmal gründlich geduscht und die Verletzungen soweit behandelt, dass man außer ein paar kleineren Schrammen, blauen Flecken und Pflastern, nichts mehr sah. Also musste er sich wenigstens deswegen, den anderen gegenüber, keine Sorgen machen. „Das hier ist kein Museum, ihr dürft auch reden, nicht nur glotzen.“ Genervt überwand sich Craig als erstes dem Mund zu öffnen und verschränkte die Arme. Ihm war es lieber, die Sache schnell über die Bühne zu bringen und die beiden aus seinem Zimmer zu haben. Es verhieß nie etwas Gutes, wenn sich Stan und Kyle unangekündigt blicken ließen. Meistens war dann irgendetwas abgebrannt, eine Stadt überschwemmt, eine Weltmacht untergegangen, die Wirtschaft von einer Krise bedroht oder eine Alieninvasion stand bevor. Bei diesem doch recht rauen, aber für Craig durchaus typischen Stoß in die Rippen, war Kyle es, der zuerst den Mund aufmachte, jedoch nur um Luft zu holen. Danach hielt er sie an und warf Stan mit aufgeplusterten Wangen einen vorwurfsvollen Blick zu, worauf der zweite Schwarzhaarige seufzend die Augen verdrehte und nachgab. „Kyle und ich wir… sind vorbei gekommen, weil wir nach dir sehen wollten“, überwand sich der Marsh Junge dann endlich. „Cartman hat uns natürlich schon Freitagnachmittag davon erzählt, wie er dich zusammengeschlagen hätte“, fuhr Stan fort, „weil du ihn letztens im Schwimmbad so fertig gemacht hast.“ Darauf war ein Glucksen von dem Rothaarigen zuhören und sein Mundwinkel bogen sich beinahe automatisch nach oben. „Das war spitzenklasse! Ich hätte nie Gedacht, dass der Tag noch besser hätte werden können!“ „Kyle!“ Nun war Stan es, der seinen Freund ernst ansah und ihn stumm aufmahnte, beim Thema zu bleiben. Da sich Stan und Kyle schon kannten, seit sie in der Wiege lagen, war es kein Wunder, dass der Jude sofort verstand, was sein Kumpel meinte und augenblicklich reuevoll zu Boden blickte. „Nun ja, wir hatten dich zusätzlich nach dem Unterricht so verstört in der Jungentoilette gefunden, das war uns schon nicht geheuer. Und weil weder wir, noch Token oder Clyde, irgendetwas von dir gehört hatten, haben wir uns schon Gedanken gemacht. Als du heute auch noch in der Schule gefehlt hast, ist denke ich jedem klar geworden, dass Cartman die Wahrheit gesagt hatte und…“, Stan’s Stimme brach sorgvoll ab, als er seinen Blick an Craigs Körper auf und abschweifen ließ. „…Nun wo ich dich so sehe gibt es wohl keine Zweifel mehr daran…“ „Und ihr seid hergekommen, weil ihr meine Blessuren angaffen wollt, oder was?!“ Ohne mit der Wimper zu zucken riss Craig seinen Mittelfinger in die Höhe und wartete unbegeistert auf eine Antwort. Und möglichst nicht die falsche, sonst konnte das hier noch böse enden. Immerhin war er kein Zirkustier, das sich kostenlos beglotzen ließ. Oh nein, Marsh und Broflowski würden schon dafür zahlen müssen! „Nein sind wir nicht!“ Schnell hob Kyle abwehrend die Hände, „wir haben uns nur wirklich Sorgen gemacht. Du hättest doch sonst nie klein beigegeben und schon gar nicht die Schule geschwänzt! Das ist doch nicht deine Art, du weißt genau, dass du Cartmans Sieg im Stillen anerkennst, wenn du dich nicht mehr blicken lässt – jeder an der Schule denkt jetzt du seiest geschlagen und hast Angst vor ihm! Überhaupt hat es mich überrascht, dass Eric eine Chance gegen dich hatte und dann auch noch selbst ohne Wehwehchen davon gekommen ist.“ Seufzend schloss Craig nun die Augen und setzte sich auf sein Bett. So bescheuert diese beiden manchmal sein mochten und egal, wie viele Probleme sie mit sich brachten, eines musste Craig zugeben – sie waren ehrlich und aufrichtig. Auf jeden Fall um Welten besser als Cartman. Aber das war auch nicht schwer. Der Junge mit der blauen Mütze hatte sowieso das ganze Wochenende geschwiegen, vielleicht war es gar nicht schlecht sich nun jemandem anzuvertrauen. Er musste ihnen ja nicht alles beichten, nur… einen Teil. „Erstens ist es komplett – und damit meine ich absolut komplett – meine Sache, was ich für die richtigen Entscheidungen halte und was ich tue oder lasse.“ Craigs Stimme war ruhig, jedoch nicht abschätzend oder gelangweilt, wie sonst. Es war so, als würde er mit langjährigen Freunden sprechen. Trotzdem, oder gerade deswegen, waren Kyle und Stan nun besonders ruhig, besonders aufmerksam. Die Pause, die Craig zwischen seine wohlüberlegten Sätze platzierte, blieb unausgefüllt. „Zweitens solltet ihr wissen, dass Eric nicht alleine war-“ „Hab ich’s mir doch gedacht!“ Mit einem Faustschlag in die Luft brach es aus Kyle heraus. „Dieser Fettsack schafft es alleine doch nicht mal eine Fliege K.O. zu schlagen! Aber die Lorbeeren für so eine unrühmliche Tat einheimschen, das sieht ihm wieder mal ähnlich!“ Gegen die Wutanfälle des Rothaarigen war einfach nichts zu unternehmen, vor allem dann nicht, wenn er sich über Cartman aufregte. Das war sogar Craig inzwischen klar und es war ihm gerade auch ganz recht. Wenigstens war er nicht der Einzige, der diesen Dickwanst nicht ausstehen konnte. Demnach ließ er Kyle erst abreagieren, doch ehe er zu Wort kam, meldete sich Stan wieder. „Aber wieso hast du das niemandem gesagt?“, im Gegensatz zu seinem rothaarigen Freund war der Marsh Junge bei der Sache geblieben und sah in Craigs Antwort immer noch keine Logik. Und damit hatte er ja Recht. Ein paar Puzzleteile fehlten ihnen noch, bis sie Craigs Reaktion verstehen würden. Doch er würde ihnen nicht alles vor die Füße legen. Also verzog Craig sein Gesicht nur zu einem falschen Grinsen, sah keinen der beiden an, „tsch… was hätte es mir denn genutzt…“ „Oh bitte!“, jetzt war Stan es, der beinahe sarkastisch klang, „wir wissen doch alle, dass du neben Kyle derjenige bist, der Cartman am meisten verachtet, ihm absolut gar nichts gönnt und jeden Morgen hofft, er würde vom Bus überfahren werden! Du kannst mir nicht erzählen, du ließest ihn nun freiwillig diesen glorreichen Siegeszug auskosten! Außerdem ist dir dein Ansehen und dein Stolz doch genauso wichtig, wie das Brot zum Leben!“ Bei dieser letzten Bemerkung zuckte Craigs Körper unweigerlich. Obwohl er doch selbst wusste, dass es stimmte. Er bekam nur bestätigt, wie die anderen ihn von außen sahen. Doch plötzlich fühlte er sich nicht mehr gut dabei, nicht mehr stark, nicht mehr stolz, einfach… einfach nur wie ein Arschloch. Und das Schlimmste war, dass es ihn gerade jetzt störte, wo es das doch sonst nie getan hatte. Er hatte den Blick nicht vom Boden gehoben, ließ Stan, nun mit ruhigerer Stimme fortfahren. „Da ist doch noch was… Craig, ich weiß wir unternehmen nicht besonders viel zusammen und die besten Freunde waren wir auch nie, aber wir machen uns trotzdem Sorgen.“ Verdammt, warum mussten diese Pussys so offenherzig sein?! Das war ja nicht zum aushalten, doch so verlockend, sich ihnen einfach anzuvertrauen, sich alles von der Seele zu reden- Aber er wäre nicht Craig das Arschloch, wenn er dem so ganz ohne Weiteres nachgeben würde! Also schwieg er, biss sich auf die Lippe, erkämpfte sich das Schweigen. Er musste darauf nicht antworten, das war keine klare Frage. Hätte der Schwarzhaarige aufgeschaut, hätte er Kyle die blitzartige Erleuchtung angesehen, die plötzlich über dessen Gesicht huschte. „Wer…“, begann der Rothaarige nun ganz vorsichtig und machte einen Schritt von der Tür weg, auf Craig zu, „…wer war dabei…?“ Craig biss fester. Fuck. Kyle war schon immer klug gewesen. Irgendwie wunderte es ihn nicht, dass der Jude die Sache so aufknüpfte. Vielleicht… wüsste er dann ja wirklich Rat…? „Terrance“, Craig glaubte es einen Moment selbst nicht, als er seine Stimme im Raum hörte, „Bill, Fosse und …“ Er wurde immer leiser, schließlich eine Weile still und hielt sogar die Luft an, „…Tweek.“ Ein einstimmiges Japsen war von den beiden Freunden zu hören, kurz nachdem er dieses letzte Wort ausgesprochen hatte. Entweder waren sie entsetzt, überrascht oder kamen langsam dahinter. Oder alles zusammen. „Tweek?“, wiederholte Stan ungläubig. Doch Craig würde ihm darauf nun keine Antwort mehr geben. Es war schwer genug es einmal über die Lippen gebracht zu haben. Tatsächlich fühlte er nun sogar so etwas wie Scham in sich aufkommen. Die Zwei wussten, dass Craig und Tweek langjährige Freunde waren, fast so wie sie selbst, bloß nie so dicke. Vielleicht wussten sie sogar von Tweeks Seite, dass er mehr von Craig wollte, als nur Freundschaft. Gewollt hatte. Damals. Und vielleicht begannen sie gerade zu ahnen, dass es nun der Tucker Junge war, der so empfand. Nur leider etwas zu spät. Auf diese Tatsachen hin folgte ein langes Schweigen. Niemand regte sich, sagte etwas, jeder hing seinen Gedanken nach, versuchte einen neuen Satz zu formen, doch scheinbar gelang es keinem. „Das ist natürlich nicht schön und…. Tut mir Leid…“, Stan kratzte sich am Hals, blickte aus dem Fenster. Man sah ihm an, wie unangenehm ihm das alles wurde. Kyle dagegen fing sich schneller und plapperte auch gleich wieder gefasster los. „Dann hat Cartman also vor, seinen Gedächtnisschwund auszunutzen und ihn auf seine Seite zu bringen, um ihn gegen dich aufzuhetzen?! Ich glaubst ja nicht, diese hinterhältige Schlange!“ Auf sein Fluchen entgegnete der sitzende Schwarzhaarige nur ein gedehntes Seufzen, „sieht ganz so aus…“ Darauf wieder eine ganze Zeit lang nichts. „Tweek hat sich in letzter Zeit wirklich sehr verändert“, begann der etwas kleinere Dunkelhaarige erneut. „Ich meine, nicht nur, dass er nicht mehr zittert und diese ganzen äußerlichen Merkmale. Auch sein Charakter ist vollkommen anders. Er redet mit fast niemandem mehr, lässt sich zu nichts überreden, für nichts begeistern, ist so abweisend und irgendwie…-“ „- kalt.“ Ergänzte ihn Craig nüchtern. „Ja“, Stan nickte langsam, „kalt. Aber eines muss man ihm lassen, er ist auch ganz schön selbstständig und entschlossen geworden. Innerhalb von einer Woche hat er eine günstige Bleibe und einen Job arrangiert. Ich werd ihn ehrlich gesagt schon vermissen.“ Bisher hatte Craig sich damit begnügt, unsichtbare Muster auf seinem Teppichboden zu verfolgen, während Stan erzählte. Doch nun riss er den Kopf beinahe krankhaft schnell nach oben und starrte den Jungen entgeistert an. „...Was?!“ Etwas erschrocken über diese plötzliche und heftige Reaktion, musste sich Stan erst einmal fassen, ehe er wusste, wie er es genauer ausdrücken sollte. „N-Naja… er zieht weg. Die Ärzte hatten seine Therapie sowieso darauf umgestellt, dass er lernt, ein neues Leben anzufangen und hatten ihm bei der Vermittlung ein wenig geholfen. Das war ihm anscheinend ganz Recht… und wer würde denn die Gelegenheit, hier aus South Park zu kommen, nicht am Schopf packen?“ „…“ Craig war wie zu Eis erstarrt. „Wann…?“, hatte er das eben schon ausgesprochen…? „WANN?!“ Da er sich nicht sicher war, fuhr er die beiden einfach noch einmal an. „Heute – j-jeden Moment, hat er zumindest gesagt, dass die Leute, die ihn mitnehmen, gleich nach der Schule zu ihm kommen-“ Mehr hörte Craig nicht. Mehr wollte er nicht hören. Ohne eine Entschuldigung, ohne eine Erklärung war er aufgesprungen, hatte Stan und Kyle von der Tür weggerempelt und war an ihnen vorbei gerast. Die Treppe übersprang er einfach mit zwei riesigen Sätzen, musste sich unten am Geländer abstützen, um nicht nach vorne zu fallen, stolperte an seiner Mutter vorbei, riss die Haustür auf, knallte sie hinter sich zu - und rannte. Rannte einfach los. Rannte ohne Luft zu holen, ohne stehen zu bleiben, ohne zu achten. Rannte einfach weiter. Tweek durfte nicht weggehen. Tweek durfte nicht weggehen! Kapitel 12: This can't be true ------------------------------ Seine verwirrten Schulfreude und seine Mutter zurücklassend, hetzte der Schwarzhaarige die Straße hinunter. Vorbei an seinen Nachbarn, vorbei am Gamestop, vorbei am Hallenbad. Er wusste den Weg, war ihn tausendmal gelaufen. Trotzdem sah er nichts. Nicht links und nicht rechts. Sah nur den Weg, nur wenige Meter vor ihm, als hätte einen Tunnelblick. Und nicht einmal darauf achtete er besonders. Dafür krachten in seinem Kopf viel zu viele Gedanken aufeinander. Er konnte nicht stehen bleiben, er durfte nicht stehen bleiben! Er hatte so lange nichts getan, hatte diesen verdammten Wasserhahn nicht zugedreht – und nun drohten die letzten Tropfen daraus herabzufallen und eine leere Hülle zu hinterlassen. Unwiderruflich. Nein, das konnte er nicht passieren lassen – das konnte Gott nicht geschehen lassen, wenn es ihn wirklich gab! Mit einem hektischen Japsen begriff Craig plötzlich, dass er keine Macht über dieses Geschehen hatte. Dass er es nie gehabt hatte. Sein ganzer Einfluss, sein Ansehen und sein Selbstvertrauen halfen ihm hier nicht weiter. Er war machtlos, schon die ganze Zeit über. Er war nahe daran zu stolpern, als er um eine Hausecke bog und fast einen Passanten rammte. Ob er ihm nachrief, wusste Craig nicht, er hörte nicht hin, lief weiter. Erst als er den Gartenzaun vor dem Hintereingang der Tweaks erblickte, klarte sich seine Sicht schlagartig. Mit einem Satz war der Schwarzhaarige über diese Hürde hinweg, was bei seiner Geschwindigkeit wirklich kein Problem war. Ans Anklopfen dachte er nicht einmal, selbst wenn es die Hintertür war, gerade diese war so gut wie immer auf, das wusste er. Und er hatte recht. Craig fiel wortwörtlich mit der Tür ins Haus, kümmerte sich nicht darum, dass diese geräuschvoll an der Wand anschlug, so heftig, wie er sie aufgerissen hatte. Der Wohnraum war leer und so verschwendete er keine weitere Sekunde hier, sondern sprintete die Treppe zu Tweeks Zimmer hinauf. Er durfte einfach nicht zu spät kommen…! Ein Donnern hallte durch die Wohnung, als der Dunkelhaarige erneut rücksichtslos die Türe aufstieß. Doch das war sicher der letzte Gewaltakt, den er heute tun würde. Sein Körper war erschöpft von der Rennerei, doch das registrierte er noch nicht, dafür hatte er keine Zeit. Craig holte tief Luft, hielt sie an. Hier war niemand. Nun, da er selbst still war, nur noch leise sein pochendes Herz hörte, bemerkte der Schwarzhaarige, dass es im ganzen Haus ruhig war. Hier war absolut niemand. Weder Mr. und Mrs. Tweak, noch ihr Sohn. Mit einen geräuschlosen Keuchen glitt die angespaarte Luft aus seinen Lungen, über seine Lippen, verebbte irgendwo in diesem Raum. Und mit ihr der letzte, kläglich erhaltene Hauch von Hoffnung aus Craigs Seele. Er war zu spät. Langsam lies er den Blick durch den Raum schweifen. Er musste sich immerhin nicht mehr beeilen, doch fühlte sich mit jeder Sekunde stumpfer, unrealer. Es war alles noch an Ort und Stelle. Beinahe jedes Regal war vollkommen unberührt. Nur hier und da sah man eine Lücke, sei es ein fehlendes Buch aus der Reihe oder der Bettbezug. Tweek hatte nicht viel aus seinem alten Leben mitnehmen wollen. Unbewusst schweifte Craigs Blick auf den Boden ab. Mit einer Hand stützte er sich am Türrahmen, bis sich sein Atem erholt hatte. »Das war doch nicht möglich. « Wie oft hatte er sich diesen Satz in den letzten Tagen gesagt? Und er tat es immer wieder. Denn er hatte es einfach nicht begriffen, begriff es auch jetzt nicht. Er fühlte sich leer, schwer und leicht, träumerisch. Die Stille um ihn herum schien gedämpft, als würde die Luft ihn erdrücken. Von Sekunde zu Sekunde dicker werden, unmöglich einzuatmen. Und trotzdem atmete Craig weiter. Irgendwie. Aber es ging. Leicht schwindelnd stemmte er sich vom Rahmen ab, machte kehrt und stieg die Treppe abwärts. Langsam, Stufe für Stufe, immer weiter runter. Und mit dem Höhenniveau, sank sein Herz. Senkte sich immer tiefer auf drohend spitze Stacheln. Tweek war weg. Absolut weg. Nicht nur mehr sein Erinnerungsvermögen, nicht nur seine Art – er selbst war jetzt nicht mehr da. Er war nicht mehr in South Park. Craig wusste noch nicht einmal, wo genau er hinverschwunden war, was er nun tat, wie es um sein Einkommen oder seine Unterkunft stand. Doch das war ihm momentan auch egal. Weil er es nicht begreifen wollte. Wieso hatte er dem Blonden es nur nicht gesagt? Wieso hatte er ihm nicht die Wahrheit erzählt?! Selbst, wenn er sich an nichts erinnern konnte und wollte, so hätte der Schwarzhaarige sich wenigstens sein Leid von der Seele reden können, hätte mit mehr oder weniger gutem Gewissen damit abschließen können. Er wollte nicht so auseinander gehen, er wollte überhaupt nicht! „Ich habe noch etwas vergessen, ich komme sofort.“ Er hatte nicht einmal Tweeks Telefon-, oder Handynummer, keine Email Adresse und er bezweifelte stark, dass der Blonde sie irgendjemandem hinterlassen hatte. Blass und emotionslos stieg der Schwarzhaarige gerade von der letzten Stufe und wollte zum Vordereingang des Cafés das Haus verlassen, da klarten sich alle seine Sinne mit einem Schlag. „Was machst du hier?!“ Ruckartig hob Craig seinen Kopf und traute seinen Augen nicht. Ein blonder Junge mit ernster Mine und schroffen Blick stand vor ihm. Im Hintergrund war irgendwo das Gerede von Männern zu hören, die etwas in ein Auto luden. Tweek war noch nicht weg. Er… er war nicht zu spät…! Und doch wusste Craig im selben Augenblick, als sein Herz diesen kleinen Freudensprung machte, mit beklemmender Sicherheit, dass er doch nichts daran ändern konnte. Er hatte ihn noch einmal gesehen, bevor er abreiste. Doch Tweek würde sie dennoch verlassen. Es fühlte sich an, als würde Craig sich gerade Drogen spritzen. Schon so nah an der Schwelle zum Traumland, um sich auf diesen kurzzeitig fantastischen Trip zu freuen, doch noch bei Verstand genug, um zu wissen, dass sein Leben danach zerstört war. Junkies hatten immer noch die Chance, die Nadel in solch einem Moment herausziehen. Er nicht. Stumm starrte er sein Gegenüber an, konnte kein Wort formen, obwohl Craig noch so sehr wollte. Es war das letzte mal, dass er diesem Menschen gegenüberstand, das letzte Mal, dass er dabei eine Gelegenheit hatte mit ihm zu sprechen – warum brachte er nun den Mund nicht auf?! Durch die Wut auf sich, die Verzweiflung, die pure Ungläubigkeit, spürte Craig erneut Wasser in seine Augen steigen und einen Klos in seinem Hals, der es ihm unmöglich machte, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Seine Hände und Füße wurden taub, seine Atemzüge flacher. Es war als würde sein Kopf ständig an- und ausgeschalten. Und plötzlich setzte sich der Schwarzhaarige in Bewegung. Schnell, zielstrebig, auch wenn er seine Füße, die ihn trugen, nicht wahrnahm, schritt er auf Tweek zu, packte ihn an den Schultern, zog ihn an sich und fing seine Lippen harsch, ohne jede Vorwarnung, ein. Sofort war ein widerspenstiges Quietschen des Blonden zu hören, der seine Hände gegen Craigs Brust stemmte und versuchte sich mit aller Gewalt von ihm zu lösen, doch der Dunkelhaarige ließ nicht locker. Diesmal nicht. Genauso wie das erste mal. Er verstärkte den Griff um die fragilen Schultern, drängte seine Lippen fester gegen die des Jungen und erstickte jedes weitere Geräusch mit seiner Zunge, als er sich schroff Eintritt in Tweeks Mundhöhle verschaffte. Es war das, was Craig wollte, doch er fühlte sich nicht gut dabei, sondern einfach nur verzweifelt. Genauso, wie beim ersten Mal, nur, dass er damals wenigstens halb betrunken gewesen war. Auch wenn Tweek nun ging, wollte Craig nicht von ihm vergessen werden. Selbst wenn sie sich aus Tweeks sicht nur wenige Tage kannten und sich absolut nicht nahe standen, wollte der Schwarzhaarige nicht, dass er ihn vergaß! Es war ihm egal, ob er dem Blonden als Arschloch oder nervige Schwuchtel, die ihn geküsst hatte, in Erinnerung blieb – es war Craig so egal! Er wollte nur nicht aus Tweeks Gedächtnis verschwinden. So könnte er sich in ein paar Jahren wenigstens einreden, dass der Blonde immer noch an ihn dachte, wenn auch abwertend… Der Schockmoment musste den Hellhaarigen wehrlos gemacht haben. Denn die Befreiungsversuche Tweeks hatten aufgehört. Der Junge war vollkommen still und ließ reaktionslos alles über sich ergehen. Doch genau das war der Grund, weshalb Craig plötzlich abbrach und ihre Lippen trennte. Still ran eine Träne über seine Wange. Er konnte das nicht. Er konnte das nicht noch einmal tun. Er konnte es nicht ertragen, wie Tweek darauf reagierte. Überhaupt nicht. Nur wenige Millimeter hatte sich der Tucker Junge vom Gesicht des anderen entfernt, die Augen geschlossen, den Kopf leicht nach unten gewand, atmete geräuschlos aus. Er wartete lediglich noch auf die Ohrfeige, bevor Tweek ihn für immer kommentarlos verlassen würde. So wie beim ersten mal… Er hatte das Zeitgefühl verloren, wusste nicht wie lange das hier gedauert hatte, das hier gerade dauerte, wo der Anfang und das Ende waren und was er danach tun würde. Craig stand einfach nur da, in Bereitschaft jeden Moment den wichtigsten Menschen in seinem Leben zu verlieren. Nun zitterten sogar seine Hände. Aber… er war vollkommen paralysiert, er konnte sich gar nicht so schütteln. Doch wenn nicht er, dann…- Langsam, ganz langsam hob er den Kopf, öffnete müde seine Lider und blickte in ein Paar verwirrte, ängstliche, kaffeebraune Augen, deren Pupillen, so wie der Rest des fragilen Körpers, sanft bebten. „…C-Craig…?“ Er hielt den Atem an. Die dunkelblauen Augen des Schwarzhaarigen waren mit einem mal weit, starr und für den Bruchteil einer Sekunde leer. Was… Was…? So sehr Tweek die letzten Tage anders war, so sehr Craig sich bemüht hatte ihre Situation zu ändern, so sehr sich sein eigenes Leben dadurch verändert hatte, so sehr sie sich schon immer unterschieden hatten – nun teilten sie den gleichen Blick, die gleichen Gefühle, den selben Moment. Craig hatte sich vorgenommen, sich keine Hoffnungen mehr zu machen, wusste welche Enttäuschungen darauf folgen konnten, aber … dieser Junge – diese Stimme, dieser unsichere Blick, diese warmen Augen und der zitternde Körper… das war… „…Tweek…?“ Nur ein Hauchen, ein beinahe tonloses Bewegen seiner Lippen und doch legte Craig all seine Hoffnung in diesen einen Namen. In seinen Namen. Er fühlte sein Herz nicht mehr, spürte die Luft nicht mehr, alles war regungslos und still. Lediglich das sachte Vibrieren und der unaufhörliche Blickkontakt existierten für ihn, verlängerten diese Sekunden der Ruhe um eine gefühlte Ewigkeit. Und endlich, endlich kamen diese ehrlichen, zaghaften und unendlich erleichternden Worte über die Lippen des Jüngeren. „I-Ich… ich erinnere mich… an dich…!“ Tränen standen in den Augen des Blonden, ein immer breiter werdendes Lächeln auf seinen Lippen, pure Freude in seiner Stimme. Er zeigte Emotionen, er sprach mit ihm, er sagte ihm, was sich der Ältere solange ersehnt hatte zu hören - Es war der Augenblick, in dem er es begriff. Und genau das, war der Moment in dem Craig wieder anfing zu leben. Er war noch hier … er war wieder hier. „Tweek!!“ Aufschluchzend löste Craig die Hände von den Schultern des Jüngeren, schlang sie um dessen Nacken, zog ihn an sich und ließ seinen Kopf auf Tweeks Schulter fallen. Er war hier… bei ihm… Tweek, sein Tweek. „Es tut mir leid - Es tut mir Leid! Es tut mir so leid! Es hat mir etwas bedeutet, es bedeutet mir etwas – DU bedeutest mir alles auf der Welt! Tut mir Leid -“ Der Schwarzhaarige bemühte sich nun nicht einmal mehr darum, das Schluchzen zurück zuhalten, redete in einem Fluss, tränenerstickt, alles von der Seele, was er Tweek schon so lange beichten wollte. Ununterbrochen brabbelte er vor sich hin, wusste zum Teil selbst nicht, was genau er da von sich gab, wusste nur, dass es ehrlich war. Sein gesamter Körper inklusive Verstand schienen auf Standby geschalten zu haben und da Craig all seine verbliebene Kraft darin investierte, Tweek an sich gedrängt zu halten, gaben seine Beine nach und er sank mit dem Blonden auf den Boden. Überrumpelt von diesem plötzliche Geschehen, aber doch sehr zaghaft, klammerte sich der Jüngere irritiert an die blaue Jacke des Größeren und versuchte ihre Landung auf dem Fußboden nicht ganz so unangenehm zu gestalten. „C-Craig…-“, sanft glitten seine zitternde Finger über die blaue Mütze hinab, bis in die darunter hervorragenden pechschwarzen Haarsträhnen des weinenden Jungen. Craig selbst hatte noch nicht wirklich realisiert, wie er sich hier eigentlich gab. Überhaupt nicht stark, nicht männlich, nicht cool, nicht dominant. Doch das war ihm gleich. Er hatte keinen Nerv mehr, keine Kraft mehr das alles zu verdrängen, wollte dieselben Fehler nicht noch einmal begehen. Er wollte schlichtweg nicht darüber nachdenken. „Es tut mir leid!“, immer wieder flossen diese Worte über seine Lippen, zusammen mit den Tränen, die in Tweeks Kleidung versiegten, „ich wollte das nicht, wirklich nicht – du bist mir so wichtig, ich liebe dich – ich liebe dich, Tweek! Ich tu es wirklich – bitte verzeih mir-“ Hätte Craig nun aufgesehen, hätte er vielleicht den zunehmenden Rotton auf den Wangen des Blonden und sein Zucken bemerkt. Doch das ging in dem sachten, beständigen Zittern seines Körpers unter. Noch dazu hatte Craig die Augen geschlossen, hielt den Jüngeren weiterhin in einer verzweifelten Umarmung, rein aus Angst, er könnte ihn plötzlich noch einmal verlieren. Selbst wenn – oder – gerade weil er nun sein Gedächtnis wieder hatte, bahnte sich erneut wachsende Unsicherheit einen Weg in das so naive Herz des Schwarzhaarigen. Was wenn… er ihm nicht verzieh…? Gerade als Craig sich seinen schlimmsten Vermutungen hingeben wollte, spürte er eine Hand an seiner Wange, die ihn rücksichtsvoll dazu aufforderte den Kopf zu heben und dem Blonden in die Augen zu sehen. In diese rehbraunen Augen, in denen sich nun auch langsam Tränen bildeten und wäre Craigs Verstand nur etwas klarer gewesen, hätte er das überglückliche Leuchten in ihnen erkennen können. Doch sein Herz raste zu schnell, pumpte viel zu viel Blut und inhaltslose Gedanken durch seinen Kopf. „Du…“, er schluckte, „du kannst dich erinnern…? An… An Alles…?“ Sie waren nur wenige Zentimeter von einander getrennt, so dass dieses befürchtende Flüstern des Größeren vollkommen ausreichte. Tweek nickte langsam auf diese Frage, senkte seinen blonden Schopf ein wenig. Und ebenso sank Craigs Herz. „Ja… an alles“, gab der Kleinere leise zurück. Craig biss sich auf die Unterlippe. „Das… ich wollte dich nicht verletzen…! Hätte ich gewusst, was ich damit anrichte, hätte ich es nie getan – wäre mir damals schon klar gewesen, wie sehr ich dich brauche, wäre ich - … Es tut mir leid…! Ich hatte solche Angst dich zu verlieren, als Freund, als Bekanntschaft - für immer – vergib mir…! Ich hab alles versucht, aber-“ „-Ich weiß…“, Tweek unterbrach Craigs verzweifelte Worte, indem er seine andere Hand nun ebenfalls an die noch freie Wange des Tucker Jungen legte und ihre Blicke erneut kreuzte. Und dieses Mal realisierte der Schwarzhaarige das zusichernde Lächeln. „Ich weiß doch, Craig… Ich kann mich an alles erinnern, was passiert ist, an früher, an die Party, bis zu diesen Moment. Ich weiß, wie sehr du dich um mich bemüht hast. Obwohl dich niemand gezwungen hat, obwohl du es nicht magst, Dinge zu verändern, hast du es mit aller Kraft für mich versucht. Du hast mich nicht aufgegeben…“ Sachte ließ der Blonde einen Finger über die kleine Schürfwunde gleiten, die Craig von der Schlägerei davon getragen hatte. Im selben Moment verschwand sein Lächeln und wurde durch einen schuldbewussten Blick auf die halb verheilte Verletzung ersetzt. „…Selbst, wenn ich es dir noch so schwer gemacht habe, hast du an mir festgehalten.“ Nun waren es Tweeks Augen aus denen sich still ein Paar salzige Perlen lösten. „..und dafür danke ich dir von Herzen...“, seine Stimme war nicht mehr als ein Wispern, bedrängt von den Tränen und seinem permanenten Zittern. Eilig, jedoch vorsichtig zugleich, schmiegte Craig nun auch seine Hände an Tweeks Wangen, wischte behutsam mit den Daumen die nassen spuren weg. „Ich werde dich niemals aufgeben… das verspreche ich dir…!“ „…Das glaub ich dir, dafür war mir all das Beweiß genug…“ Mit sanfter Gewalt dirigierte der Blonde Craigs Kopf erneut gegen seine Schulter, streifte dabei einen kurzen Moment mit den Lippen die Ohrmuschel des Anderen. „Ich liebe dich auch…“ Sanft lehnte er die Stirn des Schwarzhaarigen an seine Schulter, doch dieser registrierte es nicht. In diesem Augenblick blieb die Welt des Craig Tucker stehen. Nur eine Millisekunde. Doch diese schwinden kurze Zeit reichte aus, um alles auf den Kopf zu drehen – noch einmal, also, wieder richtig herum. So, wie es immer hätte sein sollen. Für diesen einen Moment blieb Craigs Herz erneut stehen. Nur um daraufhin wie verrückt zu schlagen. >Das war doch nicht möglich< Und wenn es ein Traum war, wollte er nie wieder aufwachen. Er hatte sich noch nie so gefühlt, so erleichtert, so erfüllt, so erhört. Er war noch nie so… glücklich. „Tweek…“, erneut mit den Tränen kämpfend schloss er die Arme fester um den Jungen, nuschelte ununterbrochen weiter gegen seine Kleidung. Craig musste das erst einmal begreifen, es realisieren. Selbst leise schluchzend streichelte die zitternde Hand des Blonden über Craigs Rücken. Er hatte ihn noch niemals so erlebt und gerade jetzt, da alles auf einmal wiederkam, hatte der Hellhaarige eigentlich genug damit zu tun, sich selbst zu ordnen. Doch das könnte warten. Denn derjenige, der ihm am wichtigsten war, lag in seinen Armen. „Tweek, Schatz? Das Auto steht draußen und…- uh-?“ Der Blonde wandte seinen Kopf so weit es ging, um seine verwirrte Mutter, gefolgt von seinem Vater, durch die Eingangstüre kommen zu sehen. Ihr erster Blick galt dem vollkommen aufgelösten Tucker Jungen, der nicht einmal bemerkte, wie sie hereingekommen waren. Erst danach begutachtete sie ihren eigenen Sohn genauer und bemerkte sofort, es musste etwas passiert sein. „I-Ist gut, Mum“, aufmunternd lächelte Tweek ihr zu. „…>M-Mum< ?“ Überrascht weiteten sich Mrs. Tweaks Augen und sofort wich der vorerst bedrückte Ausdruck in ihrer Miene einem hoffnungsvollen Gesicht. Auch Mr. Tweak hatte seine Worte runtergeschluckt und wusste nicht, ob er nun etwas zu dieser doch recht ungewohnten Szene oder zu dem plötzlichen Zutrauen seines verlorenen Sohnes sagen sollte. Der Blonde nahm ihm diese Entscheidung jedoch eindeutig ab, als er fortfuhr, „ich will nicht mehr weg. Ich – ng – kann mich wieder erinnern! “ Ein freudiges Aufschluchzen entkam seiner Mutter und keine Sekunde später lagen auch sie und Mr. Tweak sich in den Armen. Der Stein, der ihnen vom Herzen fiel, musste die Größe eines Felsbrocken haben, das hätte selbst ein Blinder gesehen. Doch Craig bekam das nur am Rande mit, ebenso, wie die beiden Eltern aus dem Haus rannten und die bestellten Umzugswägen aborderten. Nur langsam hob er den Kopf von Tweeks Schulter, sah dem Blonden eine lange Zeit in die Augen, ehe er es schaffte wieder überlegte Worte über seine Lippen zu bringen. „Wie fühlst du dich?“ Einen kurzen Moment blinzelte der Hellhaarige seinen Freund an, ehe er mit einem aufrichtigen Lächeln antwortete. „Könntest du beschreiben, wie du dich fühlst, w-wenn dir gerade dein innigster Wunsch erfüllt wurde?“ Ein sanftes Grinsen spielte über Craigs Lippen. Nein, er konnte es auch nicht. Es fühlte sich einfach nur unbeschreiblich an. „Es gibt wirklich nichts, was ich jetzt noch brauchen würde“, Tweeks Lächeln rutschte in ein leicht schiefes Grinsen ab, „a-außer vielleicht einen Kaffee…“ Nun war Craig es der lachend den Kopf schüttelte und den Jüngeren noch einmal an sich zog, bis er Tweeks Atem auf seiner Haut fühlen konnte. „Ich glaube, in deinem Zimmer wartet eine Tasse sehnsüchtig auf Wiederbenutzung~“ Damit versiegelte er Tweeks Lippen in einem zärtlichen Kuss. So. Erstmal. GRATULATION! Wenn ihr das hier lest, seid ihr nicht an Kitsch verendet! Und als zweites, dickes sorry, dass es so ausgehen musste xD’ Ich verstehe die Leser von euch, die so wie ich eher eine melancholische Seele sind und es gerne ein wenig ‚abgefuckt’ und ‚unbequem’ haben. Meistens sind das genau die Dinge an FFs, die tiefer unter die Haut gehen. Ich hatte auch wirklich vor den Schluss noch abzuändern, dass es eben nicht Friede-Freude Eierkuchen endet, Tweek weggeht und Craig sich nach einer Zeit voller leere selbst umbringt, oder was weiß ich. Aber… ich hab es ganz ehrlich nicht übers Herz gebracht xD’ Der arme Kerl musste schon die ganze Zeit so leiden und als ich die FF fertig gestellt hab, war ich selbst in einer Umbruchphase und dachte mir so „Nein! Der hat sein Happyend verdient!“ XD’ Unkonsequenz~ aber dass es so kitschig werde würde… hätte ich nicht von mir erwartet, aber naja. Ich hoffe meine Fanfiction hat euch trotzdem gefallen und ich bedanke mich bei allen (auch euch Schwarzlesern *pat* xD) ganz ganz herzlich für die Zeit, die ihr euch genommen habt. Besonders natürlich bei den lieben Leuten, die sich dann noch zu einem Kommi überwinden konnten, v.a. meine treuen Kekse Kenny-mon, Innocent, -Nox-, Yuki_Ka-Fai und Klein_Ryu Hab mich wirklich jedes Mal über eure Rückmeldung derbe gefreut! Domo Arigatou Gozaimasu~ Never_mind_girl Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)