What do you want from me von abgemeldet (a Craig x Tweek story) ================================================================================ Kapitel 11: perfect world ------------------------- Craig hatte sich noch nie vor seiner Familie versteckt. Generell fand er es lächerlich sich zu verkriechen, vor allem im eigenen Haus vor den Mitbewohnern. Doch dieses Wochenende war das genau was er tat. Sich verstecken. Weder seine Mutter, noch sein Vater, noch Ruby bekamen ihn nach Freitagnachmittag zu sehen. Er schlief einfach jeden Tag fast bis um 12, hatte das Zimmer stets zugesperrt. Wenn er nicht so lange schlafen konnte, blieb er regungslos im Bett liegen und starrte die Decke an. Er ging nicht zum Frühstück, nicht zum Mittagessen, nicht zum Abendbrot, holte sich seine Malzeiten immer dann, wenn seine Eltern in der Arbeit waren oder er sicher gehen konnte, dass ihm niemand im Haus entgegenkam. Viel aß er sowieso nicht, er hatte keinen Appetit. Den ersten Tag war seine gesamte Familie wohl froh ihn vom Leib zu haben. Es war nichts ungewöhnlicher für den Schwarzhaarigen, dass er sich nach einem Schultag genervt bis zum nächsten Morgen in sein Zimmer einsperrte. Doch 3 Tage am Stück waren sogar für seine Eltern besorgniserregend. Wahnsinn. Sie besaßen tatsächlich noch so etwas wie ‚Elterninstinkt’. Obwohl Craig wirklich eine Weile lang geglaubt hatte, sie hätten ihn adoptiert, so kalt, wie sie sich ihm gegenüber verhielten. Immerhin hatte er als einziges Familienmitglied rabenschwarze Haare, das würde als ein Indiz sprechen. Und selbst, wenn es so wäre, es wäre ihm egal. Immerhin hatten sie ihn aufgezogen und durchgefüttert. Trotz all dieser Dankbarkeit ignorierte er das mehrmals am Tag wiederholte Klopfen seiner Mutter und die kläglichen Versuche, aus ihm heraus zubekommen, was denn los wäre. Vielleicht war sie auch in der letzten Zeit aufmerksamer geworden, weil sie zum Teil mitbekommen hatte, was in Craigs Leben abging, oder besser gesagt, schief ging. Mrs. Tucker war dann doch noch um Welten feinfühliger als Craigs Vater. Ihr traute der Junge sogar zu, über den Tellerrand hinauszusehen und zu erahnen, was mit ihrem Sohn nicht stimmte. Doch er hoffte, dass sie es nicht tat. Was könnte sie schon tun? Ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, alles würde wieder gut werden, so wie früher? Kurzzeitig zuckten Craig Mundwinkel nach oben, erschlafften daraufhin jedoch in noch mehr Wehmut. Jemanden, der ihn hielt. Vielleicht brauchte er das wirklich. Nur war seine Mutter dafür nun leider nicht die Richtige… Sogar Mr. Tucker hatte sich bequemt seit gestern an Craigs Tür zu hämmern. Beim ersten Mal wollte er sie sogar ernsthaft einschlagen, weil der Junge den ganzen Samstag über still in seinem Zimmer gesessen hatte und seine Mutter panisch geglaubt hatte, er hätte sich etwas angetan. Da die Tür allerdings das einzige Objekt war, mit dem er sich vom Rest der Welt abschotten konnte, hatte Craig nicht gerade vor, diese zu verlieren. Also gab er in Regelmäßigen Abständen ein ‚Ich lebe noch’ von sich, womit seine Eltern sich zufrieden geben mussten. So ging es das ganze Wochenende hindurch. Ihm war egal, ob er am Montag schwänzen würde, er hatte sowieso keine Lust noch einmal in diese Schule zu gehen. Er wollte einfach nicht. Weniger wegen der Prügel, die er einstecken musste. Cartman hatte diese Nachricht sicher wie ein Lauffeuer verteilt und jeder würde wissen, dass Craig Tucker zusammengeschlagen wurde. Das war nicht sein Problem, diese Botschaft würde sich mit ein Paar Schlägen und Tritten in die Wampe des Dicken aufheben. Aber er war eben nicht von Cartman verprügelt worden. Sondern von Tweek. Von diesem Jungen, der so aussah, wie Tweek. Und ihn könnte er nicht zusammenschlagen… Seufzend setzte er sich auf, strich sich seine dunklen Haare aus den Gesicht und starrte auf den leeren Käfig ihm gegenüber an der Wand. Er sollte duschen. Vielleicht wenn seine Eltern schliefen. Langsam erhob sich Craig und schritt zu seinem Kalender. Im ersten Augenblick registrierte er nichts mehr, als viele Kästchen mit Zahlen darin, ohne Sinn. Sein Verstand brauchte eine Weile, bis er ihnen Monate und Tage zuordnen konnte. Er hatte sich zwei Tage kaum bewegt, hatte sich aber auch einfach nicht danach gefühlt. Jetzt spürte er, wie seine Füße kribbelten, bei jedem Schritt den er machte, als wären sie eingeschlafen. Er fühlte sich schlapp, obwohl er die letzten Tage absolut gar nicht gemacht hatte. Seine Glieder sollten eigentlich dankbar für so eine Auszeit sein, denn die hatte er nach der Tortur am Freitag bitter nötig gehabt. Doch auch wenn sein Körper still gelegen hatte, sein Kopf hatte keine Sekunde Erholung genießen können. Craig wäre froh gewesen, wenn er sich nur ein paar Minuten einfach leer und stumpf gefühlt hätte. Aber das hatte er nicht. Immer wieder kreisten seine Gedanken um dieses Geschehen, um diese Worte, um die letzten Tage. Wie es dazu kommen konnte. Wie es soweit kommen konnte. Vor einer Woche war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie waren alle zusammen einkaufen für Tokens Party. Clyde, Stan, Kyle, Kenny, Er und Tweek. Es kam ihm vor, als lägen Monate, wenn nicht Jahre dazwischen. Sie hatten gelacht, gezankt, spekuliert, wer morgen alles besoffen über der Schüssel hängen würde. Niemand hatte wissen können, wie das hier endete. ER hatte es nicht gewusst… und hätte Craig auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung gehabt, hätte er so vieles anders gemacht… alles besser gemacht. Er hätte alles richtig gemacht, alles gegeben, um diesen einen Jemand, der ihm wichtig war, nicht zu verlieren. Um es überhaupt erst einmal zu begreifen. Ein leises Lächeln spielte über seine Lippen. Doch das hatte er nicht. Und das konnte er nun nicht mehr. Weder die Zeit zurückdrehen, noch alles wieder gut machen. Es war passiert und vorbei. Langsam hob er eine Hand und griff nach dem Kalenderblatt. »Token Party« Mit einem heftigen Ruck hatte der Schwarzhaarige die Seite herausgerissen. Der Monat war um. Heute war der erste Dezember. Advent. Zeit sich zu freuen und zu Wichteln. Zeit um glücklich, herzlich und gütig zu sein, sich auf die Geburt des Erlösers oder einfach die Geschenke und den Weihnachtsmann zu freuen. Craig hatte diese Zeit schon immer gehasst. Jedes Jahr. Doch dieses mal war Hass gar kein Ausdruck mehr dafür, wie er sich fühlte. Wie sehr musste sein Leben ihn eigentlich verachten, um ihn so schadenfroh mit Füßen zu treten. Seine Finger umgriffen das Blatt Papier, knüllten es mit zunehmender Kraft zusammen, bis der Dunkelhaarige seine Faust krampfhaft darum geschlossen hatte. Die spitzen Kanten stachen sich in seine Haut, seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Wie gern würde er nun ein Loch in die Wand schlagen. Aus Wut gegen sich und sein verdammtes Schicksaal. Oder die Welt generell. Doch Craig hatte mit der Zeit begriffen, dass nicht immer die anderen an seinen Miseren Schuld waren, auch wenn er das gern so hätte. Ein leises Rascheln war zu hören, als das geknüllte Blatt auf den Teppichboden fiel. Kraftlos schleifte Craig zurück zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits halb neun abends war. Wie schnell die Zeit doch verfliegen konnte. Er streckte sich etwas, bis er mit den Fingerspitzen den Radio auf seinem Nachttisch erreicht hatte. Nach zwei Tagen hielt selbst Craig es nicht mehr allein mit sich und seinen Gedanken aus. Vielleicht würde ihn wenigstens etwas Gedudel ablenken. -- I never could have seen this coming It seems like my world’s falling apart Schwer ließ sich der schwarzhaarige Junge zurück auf die Matratze fallen und schloss für einen Moment die Augen. Es tat gut etwas anderes zu hören, als die beschwörenden Worte seiner Eltern oder ein paar besoffene Nachtaktive vor seinem Fenster. Craig konnte sich überhaupt nicht vorstellen, es wirklich zwei Tage ohne irgendeine akustische Ablenkung ausgehalten zu haben. I used to think that I was strong Until the day it all went wrong Craig schlug die Augen erneut auf, fixierte die Decke mit einem fast schon strafenden Blick. … Zufall. Seufzend und kopfschüttelnd strich er sich mit einer Hand durch die Haare, so weit, wie das eben mit Mütze auf dem Kopf möglich war. Er hatte dieses blaue Ding in seinem ganzen Leben vielleicht zwei Mal abgenommen. Gut, das war übertrieben, ziemlich sogar. Aber gefühlte zwei Mal. Wenn er seine Adresse angab, konnte er genauso darunter schreiben »Junge mit blauer Mütze«. Sie war mehr als nur sein Markenzeichen, er trug sie seit er denken konnte und hatte nicht vor sich irgendwann einmal eine andere anzuschaffen. Es war eines dieser seltenen Dinge, an denen Craig wirklich hing. So wie er an Stripe gehangen hatte. Würde er dieses Stück Stoff wegwerfen, so hatte er das Gefühl ein Teil seines Lebens wegzuschmeißen, all seine Erinnerungen. Vielleicht sollte er Tweek einfach seine Mütze über den Kopf ziehen. Wer weiß, ob dann nicht wenigstens seine Erinnerungen auf den Blonden übergingen. Wie in einem schlechten Science Fiction Film. I wish that I could bring you back I wish that I could turn back time ‘Cuz I can’t let go I just can’t find my way Doch so einfach war es leider nicht. Es würde mehr nötig sein als ein wenig Fantasie und gute Hoffnung, das war jedem klar – außer Butters. Die reelle Aussicht auf Heilung bestand aus Therapien, klinischen Studien und Glück. Doch bisher hatte nichts davon bei Tweek angeschlagen. Wieso dachte Craig eigentlich an ‚Heilung’? Immerhin war Tweek nicht krank, hatte keine Infektion von der er ‚geheilt’ werden musste. Er hatte sich eben nur verändert. Schlagartig. Nicht einmal der Doktor hatte so krampfhaft versucht den alten Tweek wieder zu wecken, wie Craig es getan hatte. Ehrlich gesagt hatte das niemand. Wenn wirklich nur er es war, der die Dinge so verdreht betrachtete, dann lag es vielleicht daran, dass er mit der Sache nicht klar kam. Es könnte doch sein, dass alles viel leichter werden würde, wenn er sich damit abfand. So wie Craig es mit allen Veränderungen irgendwann tat. Sie einfach hinnehmen. Dann müsste er die Zeit nicht zurückdrehen, dann müsste er sich keine Vorwürfe mehr machen. Dann wäre die Welt wieder perfekt. So ein Schwachsinn! Seine Welt war nie perfekt gewesen und würde es nie sein, solange Tweek nicht wieder der Alte war! Solange er ihm vollkommen egal war und alles was er von ich bekam genervte Blicke waren! Auch wenn er es sich noch so sehr einbildete, solch ein Talent wie Cartman, in einer verdrehten Welt zu leben, hatte er nicht. Craig konnte und wollte Tweek nicht loslassen. Selbst wenn es dem Blonden absolut nichts bedeutete. In a perfect world You’d still be here And it makes no sense I can just pick up the pieces But to you this means nothing, nothing at all You feel nothing, nothing at a--- Mit einem heftigen Ruck setzte Craig sich auf, schmetterte so sehr auf den Power-Knopf des Radios, dass dieses polternd zu Boden fiel und verstummte. Aufgebracht schnaubend saß er im Bett, fixierte das geschlagene Gerät aus wütenden Augen, in die erneut Tränen stiegen. Das war doch ein Witz! Sein Leben fickte ihn wohl wirklich gerne! Er wusste wieso die letzten zwei Tage weder Fernseher noch Radio an waren und am besten blieben diese den Rest der Woche auch noch aus! Oder so lange, wie Craig eben vor hatte, sich in seinem Zimmer zu verkriechen. Wie vorhergesehen schwänzte Craig Montags die Schule. Er hatte keine Lust sich dort sehen zu lassen. Außer den neugierigen, dummen Blicken seiner Mitschüler – wegen seiner Verletzungen, die bestätigten, dass er bei der Prügelei verloren hatte – würde ihn dort nichts erwarten. Cartman hatte sicher schon die neuste Meldung über seinen Sieg gegen Craig Tucker wie ein Lauffeuer verbreitet und dabei maßlos übertrieben. Genauer genommen war es nicht einmal Cartman, sondern Tweek und Terrance, die ihn so zugerichtet hatten. Doch das ließ der Fettsack hundertpro unter den Tisch fallen. War Craig auch fast lieber so. Es war erträglicher für ihn zu wissen, dass seine Mitschüler dachten, er wäre von Eric verprügelt worden, als von Tweek. Sie hatten doch sowieso keine Ahnung und deren Meinung ging Craig gelinde am Arsch vorbei. Das war schon immer so gewesen. In ein paar Tagen würde ein anderes Thema auf dem Tisch sein und die Sache hatte sich von allein gegessen. Und wenn Craig nicht so lange warten wollte, könnte er sich immer noch mitten auf dem Flur an Cartman rächen, er müsste nur darauf achten, dass genügend Augenzeugen dabei waren, die seinen guten Ruf verbreiten konnten. Ja, seinen ‚guten’ Ruf als Schläger. Wieso war er dann nicht einfach zur Schule gegangen? Eben hatte er seine Xbox eingeschalten, als die Türklingel schrillte. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet dem Schwarzhaarigen, dass es bereits 14:30 Uhr war. Der Unterricht war also schon seit einer halben Stunde zu ende. Ohne weiter zu überlegen widmete er sich erneut dem Bildschirm und griff nach dem Kontroller. Würde schon nicht für ihn sein. „Craig?“ „Herr Gott!“ Leise fluchend warf er den Kontroller vor sich auf den Teppichboden. Er sollte aufhören sich Hoffnungen zu machen, auch, wenn es noch so kleine waren! Neben der, seiner Mutter, hörte der Mützenträger andere Stimmen, die er jedoch nicht auf Anhieb erkannte. Token oder Clyde waren es also nicht. Vorsichtig, beinahe schon hoffend drückte seine Mutter die Türklinke herab und als sie begriff, dass weder abgesperrt war, noch ein Versuch gestartet wurde, sie draußen zu halten, riss sie die Türe euphorisch auf. „Craig, du hast Besuch!“ Man konnte ihrem selten ehrlichen und erleichtertem Lächeln ansehen, wie froh sie war ihren Sohn nach 3 langen Tagen wieder zu sehen. Obwohl sie im selben Haus wohnten. Craig hatte seine Mutter wirklich fast noch nie mit diesem Ausdruck und dieser Lebensfreude gesehen. Und selbst, wenn er seinen ‚Leckt-mich-doch-alle’-Motto hochhalten wollte, ein kurzes Lächeln huschte dabei doch über seine Lippen. Ihm war so, als gäbe es da wirklich noch jemand, der ihn stützen würde, wenn er es brauchte. Oder ihm zumindest aufhelfen würde, wenn er am Boden aufgeschlagen war. Dieses Gefühl hatte e innerhalb seiner Familie schon lange nicht mehr gehabt. Dass ihm seine Eltern nicht bei allen Problemen unterstützen und entlasten konnten, hatte er zu genüge zu spüren bekommen und erfuhr es gerade am eigenen Leib. Aber es war trotzdem schön zu wissen, dass sie ihn nicht vergessen hatten. Auch wenn er das die letzten 8 Jahre gedacht hatte. Sobald Craig allerdings seinen Besuch erblickte, verschwand dieses sowieso schon flüchtige Lächeln komplett aus seinem Gesicht. „Kyle und Stan wollten kurz mit dir sprechen“, erläuterte seine Mutter, als niemand den Anfang machen wollte, „ich bin froh, nicht die Einzige zu sein, die sich Sorgen macht! Und vielleicht solltest du überlegen doch wieder in die Schule zugehen, wenn du nicht noch mehr Aufmerksamkeit willst, junger Mann. Ich bin dann mal in der Küche.“ Mit diesen mahnenden, jedoch fröhlichen Worten, wirbelte seine Mutter herum und ließ die drei Jungs allein im Zimmer. Und da standen sie nun. Kyle neben der Tür, Stan neben Kyle, Craig vor seinem Fernseher. Kyle schaute Stan an, Stan schaute Kyle an, schaute Craig an, Craig starrte sie beide an. Einen Moment lang überlegte der Schwarzhaarige noch einmal, wie er überhaupt aussah. Doch am vorigen Abend hatte er sich noch einmal gründlich geduscht und die Verletzungen soweit behandelt, dass man außer ein paar kleineren Schrammen, blauen Flecken und Pflastern, nichts mehr sah. Also musste er sich wenigstens deswegen, den anderen gegenüber, keine Sorgen machen. „Das hier ist kein Museum, ihr dürft auch reden, nicht nur glotzen.“ Genervt überwand sich Craig als erstes dem Mund zu öffnen und verschränkte die Arme. Ihm war es lieber, die Sache schnell über die Bühne zu bringen und die beiden aus seinem Zimmer zu haben. Es verhieß nie etwas Gutes, wenn sich Stan und Kyle unangekündigt blicken ließen. Meistens war dann irgendetwas abgebrannt, eine Stadt überschwemmt, eine Weltmacht untergegangen, die Wirtschaft von einer Krise bedroht oder eine Alieninvasion stand bevor. Bei diesem doch recht rauen, aber für Craig durchaus typischen Stoß in die Rippen, war Kyle es, der zuerst den Mund aufmachte, jedoch nur um Luft zu holen. Danach hielt er sie an und warf Stan mit aufgeplusterten Wangen einen vorwurfsvollen Blick zu, worauf der zweite Schwarzhaarige seufzend die Augen verdrehte und nachgab. „Kyle und ich wir… sind vorbei gekommen, weil wir nach dir sehen wollten“, überwand sich der Marsh Junge dann endlich. „Cartman hat uns natürlich schon Freitagnachmittag davon erzählt, wie er dich zusammengeschlagen hätte“, fuhr Stan fort, „weil du ihn letztens im Schwimmbad so fertig gemacht hast.“ Darauf war ein Glucksen von dem Rothaarigen zuhören und sein Mundwinkel bogen sich beinahe automatisch nach oben. „Das war spitzenklasse! Ich hätte nie Gedacht, dass der Tag noch besser hätte werden können!“ „Kyle!“ Nun war Stan es, der seinen Freund ernst ansah und ihn stumm aufmahnte, beim Thema zu bleiben. Da sich Stan und Kyle schon kannten, seit sie in der Wiege lagen, war es kein Wunder, dass der Jude sofort verstand, was sein Kumpel meinte und augenblicklich reuevoll zu Boden blickte. „Nun ja, wir hatten dich zusätzlich nach dem Unterricht so verstört in der Jungentoilette gefunden, das war uns schon nicht geheuer. Und weil weder wir, noch Token oder Clyde, irgendetwas von dir gehört hatten, haben wir uns schon Gedanken gemacht. Als du heute auch noch in der Schule gefehlt hast, ist denke ich jedem klar geworden, dass Cartman die Wahrheit gesagt hatte und…“, Stan’s Stimme brach sorgvoll ab, als er seinen Blick an Craigs Körper auf und abschweifen ließ. „…Nun wo ich dich so sehe gibt es wohl keine Zweifel mehr daran…“ „Und ihr seid hergekommen, weil ihr meine Blessuren angaffen wollt, oder was?!“ Ohne mit der Wimper zu zucken riss Craig seinen Mittelfinger in die Höhe und wartete unbegeistert auf eine Antwort. Und möglichst nicht die falsche, sonst konnte das hier noch böse enden. Immerhin war er kein Zirkustier, das sich kostenlos beglotzen ließ. Oh nein, Marsh und Broflowski würden schon dafür zahlen müssen! „Nein sind wir nicht!“ Schnell hob Kyle abwehrend die Hände, „wir haben uns nur wirklich Sorgen gemacht. Du hättest doch sonst nie klein beigegeben und schon gar nicht die Schule geschwänzt! Das ist doch nicht deine Art, du weißt genau, dass du Cartmans Sieg im Stillen anerkennst, wenn du dich nicht mehr blicken lässt – jeder an der Schule denkt jetzt du seiest geschlagen und hast Angst vor ihm! Überhaupt hat es mich überrascht, dass Eric eine Chance gegen dich hatte und dann auch noch selbst ohne Wehwehchen davon gekommen ist.“ Seufzend schloss Craig nun die Augen und setzte sich auf sein Bett. So bescheuert diese beiden manchmal sein mochten und egal, wie viele Probleme sie mit sich brachten, eines musste Craig zugeben – sie waren ehrlich und aufrichtig. Auf jeden Fall um Welten besser als Cartman. Aber das war auch nicht schwer. Der Junge mit der blauen Mütze hatte sowieso das ganze Wochenende geschwiegen, vielleicht war es gar nicht schlecht sich nun jemandem anzuvertrauen. Er musste ihnen ja nicht alles beichten, nur… einen Teil. „Erstens ist es komplett – und damit meine ich absolut komplett – meine Sache, was ich für die richtigen Entscheidungen halte und was ich tue oder lasse.“ Craigs Stimme war ruhig, jedoch nicht abschätzend oder gelangweilt, wie sonst. Es war so, als würde er mit langjährigen Freunden sprechen. Trotzdem, oder gerade deswegen, waren Kyle und Stan nun besonders ruhig, besonders aufmerksam. Die Pause, die Craig zwischen seine wohlüberlegten Sätze platzierte, blieb unausgefüllt. „Zweitens solltet ihr wissen, dass Eric nicht alleine war-“ „Hab ich’s mir doch gedacht!“ Mit einem Faustschlag in die Luft brach es aus Kyle heraus. „Dieser Fettsack schafft es alleine doch nicht mal eine Fliege K.O. zu schlagen! Aber die Lorbeeren für so eine unrühmliche Tat einheimschen, das sieht ihm wieder mal ähnlich!“ Gegen die Wutanfälle des Rothaarigen war einfach nichts zu unternehmen, vor allem dann nicht, wenn er sich über Cartman aufregte. Das war sogar Craig inzwischen klar und es war ihm gerade auch ganz recht. Wenigstens war er nicht der Einzige, der diesen Dickwanst nicht ausstehen konnte. Demnach ließ er Kyle erst abreagieren, doch ehe er zu Wort kam, meldete sich Stan wieder. „Aber wieso hast du das niemandem gesagt?“, im Gegensatz zu seinem rothaarigen Freund war der Marsh Junge bei der Sache geblieben und sah in Craigs Antwort immer noch keine Logik. Und damit hatte er ja Recht. Ein paar Puzzleteile fehlten ihnen noch, bis sie Craigs Reaktion verstehen würden. Doch er würde ihnen nicht alles vor die Füße legen. Also verzog Craig sein Gesicht nur zu einem falschen Grinsen, sah keinen der beiden an, „tsch… was hätte es mir denn genutzt…“ „Oh bitte!“, jetzt war Stan es, der beinahe sarkastisch klang, „wir wissen doch alle, dass du neben Kyle derjenige bist, der Cartman am meisten verachtet, ihm absolut gar nichts gönnt und jeden Morgen hofft, er würde vom Bus überfahren werden! Du kannst mir nicht erzählen, du ließest ihn nun freiwillig diesen glorreichen Siegeszug auskosten! Außerdem ist dir dein Ansehen und dein Stolz doch genauso wichtig, wie das Brot zum Leben!“ Bei dieser letzten Bemerkung zuckte Craigs Körper unweigerlich. Obwohl er doch selbst wusste, dass es stimmte. Er bekam nur bestätigt, wie die anderen ihn von außen sahen. Doch plötzlich fühlte er sich nicht mehr gut dabei, nicht mehr stark, nicht mehr stolz, einfach… einfach nur wie ein Arschloch. Und das Schlimmste war, dass es ihn gerade jetzt störte, wo es das doch sonst nie getan hatte. Er hatte den Blick nicht vom Boden gehoben, ließ Stan, nun mit ruhigerer Stimme fortfahren. „Da ist doch noch was… Craig, ich weiß wir unternehmen nicht besonders viel zusammen und die besten Freunde waren wir auch nie, aber wir machen uns trotzdem Sorgen.“ Verdammt, warum mussten diese Pussys so offenherzig sein?! Das war ja nicht zum aushalten, doch so verlockend, sich ihnen einfach anzuvertrauen, sich alles von der Seele zu reden- Aber er wäre nicht Craig das Arschloch, wenn er dem so ganz ohne Weiteres nachgeben würde! Also schwieg er, biss sich auf die Lippe, erkämpfte sich das Schweigen. Er musste darauf nicht antworten, das war keine klare Frage. Hätte der Schwarzhaarige aufgeschaut, hätte er Kyle die blitzartige Erleuchtung angesehen, die plötzlich über dessen Gesicht huschte. „Wer…“, begann der Rothaarige nun ganz vorsichtig und machte einen Schritt von der Tür weg, auf Craig zu, „…wer war dabei…?“ Craig biss fester. Fuck. Kyle war schon immer klug gewesen. Irgendwie wunderte es ihn nicht, dass der Jude die Sache so aufknüpfte. Vielleicht… wüsste er dann ja wirklich Rat…? „Terrance“, Craig glaubte es einen Moment selbst nicht, als er seine Stimme im Raum hörte, „Bill, Fosse und …“ Er wurde immer leiser, schließlich eine Weile still und hielt sogar die Luft an, „…Tweek.“ Ein einstimmiges Japsen war von den beiden Freunden zu hören, kurz nachdem er dieses letzte Wort ausgesprochen hatte. Entweder waren sie entsetzt, überrascht oder kamen langsam dahinter. Oder alles zusammen. „Tweek?“, wiederholte Stan ungläubig. Doch Craig würde ihm darauf nun keine Antwort mehr geben. Es war schwer genug es einmal über die Lippen gebracht zu haben. Tatsächlich fühlte er nun sogar so etwas wie Scham in sich aufkommen. Die Zwei wussten, dass Craig und Tweek langjährige Freunde waren, fast so wie sie selbst, bloß nie so dicke. Vielleicht wussten sie sogar von Tweeks Seite, dass er mehr von Craig wollte, als nur Freundschaft. Gewollt hatte. Damals. Und vielleicht begannen sie gerade zu ahnen, dass es nun der Tucker Junge war, der so empfand. Nur leider etwas zu spät. Auf diese Tatsachen hin folgte ein langes Schweigen. Niemand regte sich, sagte etwas, jeder hing seinen Gedanken nach, versuchte einen neuen Satz zu formen, doch scheinbar gelang es keinem. „Das ist natürlich nicht schön und…. Tut mir Leid…“, Stan kratzte sich am Hals, blickte aus dem Fenster. Man sah ihm an, wie unangenehm ihm das alles wurde. Kyle dagegen fing sich schneller und plapperte auch gleich wieder gefasster los. „Dann hat Cartman also vor, seinen Gedächtnisschwund auszunutzen und ihn auf seine Seite zu bringen, um ihn gegen dich aufzuhetzen?! Ich glaubst ja nicht, diese hinterhältige Schlange!“ Auf sein Fluchen entgegnete der sitzende Schwarzhaarige nur ein gedehntes Seufzen, „sieht ganz so aus…“ Darauf wieder eine ganze Zeit lang nichts. „Tweek hat sich in letzter Zeit wirklich sehr verändert“, begann der etwas kleinere Dunkelhaarige erneut. „Ich meine, nicht nur, dass er nicht mehr zittert und diese ganzen äußerlichen Merkmale. Auch sein Charakter ist vollkommen anders. Er redet mit fast niemandem mehr, lässt sich zu nichts überreden, für nichts begeistern, ist so abweisend und irgendwie…-“ „- kalt.“ Ergänzte ihn Craig nüchtern. „Ja“, Stan nickte langsam, „kalt. Aber eines muss man ihm lassen, er ist auch ganz schön selbstständig und entschlossen geworden. Innerhalb von einer Woche hat er eine günstige Bleibe und einen Job arrangiert. Ich werd ihn ehrlich gesagt schon vermissen.“ Bisher hatte Craig sich damit begnügt, unsichtbare Muster auf seinem Teppichboden zu verfolgen, während Stan erzählte. Doch nun riss er den Kopf beinahe krankhaft schnell nach oben und starrte den Jungen entgeistert an. „...Was?!“ Etwas erschrocken über diese plötzliche und heftige Reaktion, musste sich Stan erst einmal fassen, ehe er wusste, wie er es genauer ausdrücken sollte. „N-Naja… er zieht weg. Die Ärzte hatten seine Therapie sowieso darauf umgestellt, dass er lernt, ein neues Leben anzufangen und hatten ihm bei der Vermittlung ein wenig geholfen. Das war ihm anscheinend ganz Recht… und wer würde denn die Gelegenheit, hier aus South Park zu kommen, nicht am Schopf packen?“ „…“ Craig war wie zu Eis erstarrt. „Wann…?“, hatte er das eben schon ausgesprochen…? „WANN?!“ Da er sich nicht sicher war, fuhr er die beiden einfach noch einmal an. „Heute – j-jeden Moment, hat er zumindest gesagt, dass die Leute, die ihn mitnehmen, gleich nach der Schule zu ihm kommen-“ Mehr hörte Craig nicht. Mehr wollte er nicht hören. Ohne eine Entschuldigung, ohne eine Erklärung war er aufgesprungen, hatte Stan und Kyle von der Tür weggerempelt und war an ihnen vorbei gerast. Die Treppe übersprang er einfach mit zwei riesigen Sätzen, musste sich unten am Geländer abstützen, um nicht nach vorne zu fallen, stolperte an seiner Mutter vorbei, riss die Haustür auf, knallte sie hinter sich zu - und rannte. Rannte einfach los. Rannte ohne Luft zu holen, ohne stehen zu bleiben, ohne zu achten. Rannte einfach weiter. Tweek durfte nicht weggehen. Tweek durfte nicht weggehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)