Students, Hell Yeah! von caramel-bonbon ((KaRe)) ================================================================================ Kapitel 1: Die Pinnwand ----------------------- Als Kai auf das Hauptgebäude der Universität zuschritt, wurde er von vielen Studenten überholt, denn er ging langsam, fast zögernd. Unterdrückt neugierig beobachtete er alles, was um ihn herum geschah. Da waren Studenten, die draussen an den kleinen Tischen der Cafeteria sassen und Kaffee tranken, Studenten, die auf Bänken und der grossen Eingangstreppe hockten und rauchten und sich den neuesten Tratsch erzählten. Erstsemester, die verwirrt dreinschauten und versuchten, die Orientierung nicht zu verlieren. Und Studenten, die sich auf der grossen Wiese in kleinen oder grösseren Grüppchen in der Sonne räkelten. Es war ein schöner Tag im September, dem ersten Tag des neuen Semesters und alle freuten sich, ihre Kommilitonen nach vier Monaten wieder zu sehen. Alle bis auf einen. Auf Kai traf keine der Beschreibungen zu. Denn er war zwar im dritten Semester, doch er kannte niemanden. Er war erst kürzlich in diese Stadt gezogen um das Studium in dieser Universität weiterzuführen. Und so kam es, dass er vorübergehend in einer schäbigen kleinen Wohnung ein Zimmer gemietet hatte, bis er eines in einer Studenten-Wohngemeinschaft fand, was, wie er hoffte, so schnell wie möglich geschehen würde, auch wenn er generell eine Abneigung gegen die meisten anderen Studenten hegte, ohne wirklichen Grund, aber er war einfach lieber alleine. Kai schob die Hände tiefer in die Taschen, liess die grauen Stirnfransen ins Gesicht fallen und sich von der Menge in das Gebäude drängen. Er hatte sich die Vorlesungen vom Stundenplan und die Räume vom Gebäudeplan, die beide im Internet kursierten, genau eingeprägt und so trottete er die vielen Stufen hinauf in den zweiten Stock, wo er sich auch gleich vor dem Audimax, einer der grössten Räume der doch eher kleinen Universität, befand, in dem um die fünfhundert Studenten ihren Platz fanden. Gerade als Kai durch eine der zweiflügligen Türen den Raum betreten wollte, wurde er unsanft zur Seite gestossen und wäre fast in den Türpfosten geknallt. Die zwei, die lachend durch die Tür schritten, würdigten ihn jedoch lediglich eines Blickes von der Seite und gaben ein spöttelndes ‚Sorry’ von sich, dann schien er bereits vergessen und sie setzten sich weiterhin lachend in eine der hintersten Reihen. Über so viel Unverschämtheit schüttelte der Russe nur den Kopf, folgte ihnen dann aber und setzte sich in die hinterste Reihe. So hatte er die zwei im Blickfeld und musterte deren Rücken. Sie hatten beide schwarze Haare und der Sprache nach zu schliessen, in der sie sich deutlich hörbar miteinander unterhielten, kamen sie nicht von hier. Auch die Gesichtszüge, auf die er einen kurzen Blick erhaschen konnte, als sie sich an ihm vorbeiquetschten, schienen nicht japanisch. Immer mehr Kommilitonen setzten sich zu ihnen, bis sich ein beachtlicher Haufen gebildet hatte, die nun alle um die zwei herumsassen und –standen und sich die neusten spannenden Dinge erzählen liessen, mittlerweile in einer Sprache, die auch gewiss jeder verstand. Uninteressiert an dem Getratsche, wandte Kai seinen Blick von der Traube ab und aus dem Fenster und er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis er jemanden kennen lernte. Einerseits, weil er nicht der Typ war, schnell neue Freunde zu finden und andererseits, weil die Möglichkeit dazu an einer Universität nicht besonders gross war, da die meisten Studenten ja doch nur kamen, um sich die Vorlesungen anzuhören, um dann schnellstmöglich wieder zu verschwinden und anderen Dingen nachzugehen. In Gedanken versunken merkte er nicht, wie ein Professor nach vorne ging und auf die kleine Bühne stand, auf der die Professoren immer standen, um auch ja gesehen zu werden. Erst als dieser sich räusperte, um alle zum neuen Semester zu begrüssen, schreckte Kai auf und wandte den Blick wieder nach vorne. Zwei Reihen vor ihm liessen auch grad die Letzten von den beiden Schwarzhaarigen ab und setzten sich auf ihre Plätze. Kai hatte nun wieder freie Sicht. Ihm fiel auf, dass der eine definitiv männlich, beim Anderen dies von hinten allerdings nicht beim ersten Hinsehen so offensichtlich war. Denn er hatte irrsinnig langes Haar, das er zu einem Zopf geflochten hatte und von der Figur her war er eher zierlich gebaut. Die Art und Weise allerdings, wie er breitbeinig auf seinem Stuhl hockte, war eindeutig männlicher Natur. Und die doch eher muskulösen, drahtigen Arme, die unter seinem T-Shirt zu sehen waren, passten nicht zu einer Frau. Während dieser ersten Vorlesung, in der es ohne grosse Umschweife auch gleich zur Sache ging, musterte Kai ein wenig die Studenten um ihn herum und hörte nur halbherzig zu, was der Professor zu sagen hatte. Während der Pause holte er sich einen Apfel aus der Cafeteria, doch die insgesamt zwei Stunden waren schnell vorbei und noch während der Professor sich verabschiedete, räumten alle ihre Sachen schon wieder zusammen und strömten zu den Türen, um das ersehnte Mittagessen zu bekommen. Die zwei Schwarzhaarigen blieben sitzen und warteten, bis der grösste Andrang abgenommen hatte. Kai tat es ihnen nach, dann begab er sich zu den Toiletten, um sich zu erleichtern. Als er wieder hinaus kam, sah er gerade, wie sein Kommilitone mit den langen schwarzen Haaren einen Zettel an eine Pinnwand pinnte und kaum waren sie um die nächste Ecke gebogen, warf er einen neugierigen Blick darauf. Auf dem gelben Blatt stand gross ‚suche Mitbewohner’ und darunter ein wenig kleiner ‚Dreizimmer-Wohnung mit Balkon nahe Uni; männlich und Nicht-Raucher bevorzugt. Ab Oktober. Bei Fragen und Interesse bitte melden bei Rei Kon’. Die untere Seite des Papiers war eingeschnitten und auf jedem der kleinen Papierstreifen stand seine Handynummer. Kai grinste und riss einen der Papierstreifen ab. Das war ein gar nicht so schlechter Anfang. Als Kai am nächsten Tag wieder an der gleichen Pinnwand vorbeikam, musste er feststellen, dass alle Nummern bereits abgerissen waren. Wenn er eine reelle Chance haben wollte, musste er sich wohl tatsächlich beeilen und ihn anrufen. Wer wusste schliesslich, wie viele Zettel dieser Rei in der Uni verteilt hatte. Also beschloss er, noch am selben Abend sein Glück zu versuchen. Doch zuerst musste er diesen Tag überstehen, also machte er sich auf in den Raum, in dem er als nächstes eine Vorlesung hatte. Dabei kam er an einem Regal mit allerlei Universitätszeitschriften vorbei und entdeckte einen kleinen Prospekt mit dem hiesigen Sportprogramm und packte ihn sich ohne zu zögern in seine Tasche. Sport gehörte nun mal zu seinem Lebensinhalt und Studenten hatten es da besonders einfach, da die meisten Angebote für Genannte kostenlos waren. Zufrieden setzte er sich in eine der hintersten Reihen und begann den Prospekt durchzustöbern, als sich zwei Schwarzhaarige in die Reihe genau vor ihn setzten. Sie unterhielten sich wieder, wie Kai jetzt deutlich erkennen konnte, auf Chinesisch. Natürlich verstand er kein Wort. Aber es musste lustig sein, denn plötzlich brach derjenige, der Rei sein musste, in Gelächter aus und zeigte dabei seine makellosen, weissen Zähne. Er wollte gerade etwas erwidern, als er eine Bewegung machte und dabei mit dem Ellbogen seinen Kugelschreiber vom Tisch fegte. Er landete genau neben Kais rechtem Fuss. Dieser hob den Schreiber auf und streckte ihn Rei entgegen. „Oh, wie ungeschickt von mir, vielen Dank“, lächelte dieser und griff nach dem Stift, sah Kai dabei vehement in die Augen. „Keine Ursache“, erwiderte er und liess den Kugelschreiber los, worauf sich Rei wieder nach vorne drehte und mit seinem Kumpel weiter redete, als ob nichts gewesen wäre. Kai allerdings hatte gerade schwer damit zu kämpfen, seine Mine zu wahren. Beinahe wären ihm die Gesichtszüge entgleist. Sämtliche seiner Sinne wurden in diesem Augenblick fast überwältigt, als der Chinese ihn ansah. Zuerst waren da diese Augen, wie Kai es noch nie gesehen hatte. Das helle Bernstein funkelte ihm in einer Intensität entgegen, die ihn fast umhaute. Dann diese samtweiche Stimme, die den Zuhörer nahezu schmelzen liess und schliesslich dieser betörende Duft, den er ausströmte, als er sich ihm zuwandte. Nicht zuletzt das feine Kribbeln, das seine Fingerspitzen auslösten, als er ihn streifte. Er wusste, dass er mit Frauen nichts anzufangen wusste, doch bis jetzt gab es auch noch nie einen Mann, der ihn ehrlich interessierte. Er brauchte unbedingt etwas trinken. Seine Kehle war staubtrocken. Also kramte er seine Wasserflasche hervor und trank gierig einige Schlucke. Als er die halbe Flasche in sich hineingeschüttet hatte, atmete er zweimal tief ein und wieder aus. Er musste sich unbedingt unter Kontrolle haben. Noch einmal durfte das nicht passieren. Wenn er sich nur vorstellte, wenn ihn jemanden gesehen hätte, wie er Rei so anstarrte, das wäre zu peinlich gewesen. Deshalb würdigte er ihn während des Rests der Vorlesung keines Blickes mehr und versuchte, sich so gut es ging auf das heutige Thema zu konzentrieren. In der Mittagspause holte er sich beim nahegelegenen Bäcker ein Sandwich und setzte sich damit auf eine Bank in der Sonne. Von hier aus hatte er einen guten Überblick auf die grosse Wiese und konnte ungestört einige Studenten beobachten. Die meisten verschlug es bei schönem Wetter nach draussen, wo sie assen und quatschten und lasen und einige ungeniert rumknutschten. Kai wand den Blick ab und entdeckte weiter hinten Rei, mal wieder umzingelt von mehreren seiner Mitstudenten. Er musste wirklich sehr beliebt sein und Kai fragte sich, ob das wohl nur an seinem unverschämt guten Aussehen lag. Er biss in sein Sandwich und riss den Blick vom Chinesen los, um seine Aufmerksamkeit seinem Buch zu widmen. Als er das nächste Mal dorthin sah, wo Rei gesessen hatte, war er verschwunden. ‚Auch gut’ dachte er sich schulterzuckend und konnte sich nun wirklich auf das Geschriebene konzentrieren. Als der Mittag vorbei war, holte er sich einen Kaffee von der Cafeteria und begab sich vorsichtig in die Aula im ersten Stock, wo die nächste Vorlesung stattfand. Dabei gab er acht, dass er nichts von dem brühend heissen Getränk verschüttete, doch das wäre beinahe schief gegangen, als ihn jemand beim Überholen anrempelte. Als ob der Gang nicht breit genug wäre. Kai erkannte Rei, der ohne Entschuldigung weiterhastete und hob eine Augenbraue. Das war nun schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen. Warum der Chinese es so eilig hatte, wurde ihm aber sofort klar, als er auf die Uhr blickte. Er war bereits zu spät, also schob er sich so unauffällig wie mit vollbepackten Armen und Händen eben möglich war durch einen Spalt in der hintersten Tür und setzte sich ganz an den Rand. Es war Abend. Kai sass auf seinem Bett und blickte unschlüssig auf den Papierstreifen mit der Nummer von Rei, während im Hintergrund der Fernseher lief. Er hatte es jetzt schon einige Zeit hinauszögern können, war einkaufen und hatte gelesen, doch all zu spät anzurufen wäre unhöflich gewesen. Warum er so offensichtlich nervös war, konnte oder wollte er sich nicht erklären. „Das ist doch lächerlich“, schnaubte er schliesslich verärgert, mehr über sich selbst, und tippte endlich die Nummer ein. Mehrere male liess er es klingeln und als er gerade ablegen wollte, meldete sich ein wenig ausser Atem eine Stimme mit „Rei hier“. Kai räusperte sich. „Hier ist Kai. Ich rufe wegen dem Zimmer an. Ist das noch zu haben?“ „Klar, wird sowieso erst ende September frei. Willst du’s dir anschauen?“ „Gerne!“ „Wie wär’s mit morgen?“ „Klingt gut, ich hab bis fünf Uni.“ „Ich auch. Dann um sechs, ich muss noch einkaufen.“ Rei gab ihm die Adresse und eine kurze Wegbeschreibung und legte auf. Kai war währenddessen einfach nur erleichtert. War doch nun wirklich nicht schlimm gewesen. Denn in dieser Wohnung hier würde er bestimmt nicht mehr all zu lange bleiben wollen. An besagtem Mittwoch sah Kai den schönen Chinesen nur ganz selten. Ständig war er von seinen Anhängseln umzingelt und sass auch viel weiter vorne als die Tage zuvor. Am Mittag hatte er nur fünfzehn Minuten Zeit, um hastig ein Sandwich zu verdrücken, weil schon wieder die nächste Vorlesung anstand. Da es sich dabei um sein Nebenfach handelte, musste er dabei noch in ein anderes Gebäude stressen. Doch etwas Gutes hatte es. Er wusste, dass er sich wenigstens dort voll und ganz auf den Stoff konzentrieren konnte, ohne den Drang zu haben, nach einer ganz bestimmten Person Ausschau zu halten. So kam es, dass diese zwei Stunden ungeheuer lange dauerten, während denen er immer wieder auf die Uhr schaute und den Zeiger stumm anflehte, sich schneller zu drehen. Erleichtert packte er um fünf Uhr seine Sachen zusammen und stürmte als einer der ersten aus dem Universitätsgebäude. Bevor er zu Rei ging, um das Zimmer anzuschauen, das er hoffentlich bald sein Eigen nennen durfte, musste er unbedingt einkaufen gehen. Am morgen hatte er zu seinem Verärgern feststellen müssen, dass sein Kühlschrank beinahe leer war und er keinen Kaffee mehr hatte und er hasste es, am Morgen seinen Kaffee ausfallen lassen zu müssen. Also hastete er vom Universitätsgelände zu den Glasliften, die direkt in den Bahnhof führten. Vor den Liften musste er allerdings warten, denn es hatten sich ziemlich viele Studenten angesammelt, die allesamt ihren Zug nicht verpassen wollten. Dementsprechend wurde er im Lift, als dieser dann auch da war, grob an eine Glaswand gedrückt. Ihm blieb beinahe die Luft weg. Gezwungenermassen blickte er auf die Treppe, die neben den Aufzügen nach unten führten. Auch da sah man einige Studenten nach unten drängen, die, denen es zu blöd war, zuerst lange zu warten, um danach eingequetscht zu werden. Unter denen befand sich auch ein gewisser Chinese mit langen schwarzen Haaren, der grazil die Stufen hinuntertrippelte und Kai fragte sich, wie häufig man einem anderen Menschen zufälligerweise begegnen konnte, ohne dass es auffällig wurde, doch genauso schnell war er im Gewirr von Menschen wieder verschwunden. Kai zuckte mit den Schultern und wandte sich seinen Einkäufen zu. Zuhause räumte er alles in die vorhergesehenen Regale und warf dann einen Blick auf die Uhr. Höchste Zeit zu gehen. Wenn er pünktlich sein wollte, musste er sich beeilen. Das Haus war dann auch nicht besonders schwer zu finden und es hatte sogar einen Lift. Super, dann musste er nicht in den fünften Stock laufen. Vor der richtigen Tür wollte er gerade auf die Klingel drücken, als er von innen lautes Gebrüll hörte. Offensichtlich wurde gerade jemand ordentlich zusammengestaucht. Plötzlich wurde die Tür geöffnet und ein junger Mann wurde von Rei hinausgeworfen. „Komm in zwei Stunden wieder, aber lass mich dann gefälligst in Ruhe.“ Er schien echt aufgebracht zu sein. Seine Augen funkelten verachtend und eine Hand hatte er zu einer Faust geballt, die zitterte. Kai wandte den Blick von dem Flüchtenden und räusperte sich. Verwundert sah Rei auf. „Oh, du bist Kai?“ „Sieht ganz so aus.“ „Mh, na dann komm rein.“ Rei ging ihm nach, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich daran. „Tut mir leid, das ist nicht immer so hier“, seufzte er und fuhr sich mit der Hand zerstreut durch die Haare, blickte Kai dabei an. „Er… er wohnt hier, leider. Noch. Gott, bin ich froh wenn der endlich hier weg ist“, nuschelte er am Schluss mehr zu sich selbst, doch Kai hörte jedes Wort. Seine Augen verengten sich, als er den Chinesen so vor sich sah, er schien echt fertig zu sein. „Egal, es sind ja nur noch ein paar Tage, dann ist er endlich weg. Na los, komm.“ Er stiess sich von der Türe ab und ging in die Wohnung hinein. Kai folgte ihm in das Wohnzimmer. „Gemütlich“, merkte Kai und Rei nickte lächelnd. „Ja, es ist eine tolle Wohnung, zwar nicht sehr gross, aber man hat alles, was man zum Leben braucht und es ist wirklich nah am Zentrum und an der Uni, wie du ja vielleicht bemerkt hast.“ Kai nickte und folgte Rei auf den Balkon. Dort stand ein kleiner runder Klapptisch mit zwei schmiedeeisernen Stühlen. Auf dem Tisch stand ein Windlicht und in der Ecke des Balkons ein grosser Topf mit verschiedenen Pflanzen und Blumen. Kai liess den Blick über die Dächer der Stadt schweifen. „Wow.“ Rei lehnte sich ans Geländer. „Hübsch, nicht? Ich kann jeden Abend den Sonnenuntergang sehen. Im Sommer geht sie rechts unter, im Winter wandert sie dann nach links“, erklärte er und schaute verträumt gen Westen. „Schade ist es heute so bewölkt.“ Mit diesen Worten ging er wieder hinein und führte den Russen zu einer weiteren Tür. „Das wäre dann dein Zimmer. Kannst ruhig hineingehen. Aber stolpere nicht, Kelvin lebt wie ein Schwein.“ Tatsächlich, überall lagen Kleider und Bücher rum und es müffelte leicht. Rei murrte genervt und riss das Fenster auf. „Wäre sicher ganz okay, von mir aus können wir wieder raus“, meinte Kai. Sie gingen weiter in die Küche, wo eine Schale mit frischen Früchten und Obst auf einer Ablage stand, von der Kai sich jetzt schon sicher war, dass sie weder von Kelvin dorthin gestellt, noch aufgefüllt worden war. „Pass auf“, warnte Rei ihn plötzlich und hielt ihn am Arm fest. Auf dem Boden lagen überall Scherben verstreut. „Hast du ein Glas nach Kelvin geschmissen?“, fragte Kai leicht amüsiert. Rei sah ihn, überrascht von Kais ruhiger Kenntnisnahme, mit geweiteten Augen an und ein Hauch von Rot legte sich um seine Nase. „Äh, ja, wir hatten eine kleine Auseinandersetzung. War nicht die erste. Und es war auch nicht das erste Glas“, meinte Rei ehrlich und grinste schief. Kai lachte. „Was hat er denn gemacht?“, fragte er neugierig, schliesslich wollte er vorgewarnt sein, sollte er tatsächlich hier einziehen können. Reis Blick verfinsterte sich und er wandte sich weg. „Das willst du nicht wissen.“ Kai zog eine Augenbraue in die Höhe, liess es aber dabei beruhen. Als Rei die Scherben weggewischt und Kai etwas zu trinken gegeben hatte, setzten sie sich ins Wohnzimmer auf das Sofa. „So, nun erzähl mal. Du bist im gleichen Jahrgang wie ich, das weiss ich bereits. Was gibt es sonst noch über dich zu erfahren?“ „Was willst du denn wissen?“ „Antwortest du immer mit Gegenfragen?“ Kai grinste. „Kommt ganz auf die Frage an.“ „Aha. Also, wo wohnst du im Moment?“ „In einer abgewrackten Bruchbude irgendwo hier in dieser Stadt.“ „Klingt toll. Wie alt bist du?“ „Einundzwanzig.“ „Hast du Haustiere? Oder was dagegen?“ „Mir egal.“ „Eine Freundin?“ „Nein.“ „Bist du verliebt?“ „Nicht dass ich wüsste.“ „Machst du viel Sport?“ „Einige male in der Woche, meist Fitness.“ „Sieht man. Morgenmuffel?“ „Nein.“ „Aber sonst eher muffelig, hm? Okay, das ist eigentlich alles, was mich wirklich interessiert. Hast du Fragen?“ „Hast du ein Haustier?“, kam es ohne zu zögern. „Nur meinen momentanen Mitbewohner.“ „Eine Freundin?“ „Nein.“ „Verliebt?“ „Nicht dass ich wüsste.“ „Machst du viel Sport?“ „Ja.“ „Morgenmuffel?“ „Manchmal und ich bin zwanzig. War’s das?“ „Warum hast du ein Glas nach Kelvin geworfen?“ Rei entgleisten kurzfristig die Gesichtszüge, doch er hatte sich sogleich wieder im Griff. „Du hast vielleicht einen Nerv, mich so was zu fragen. Das geht dich nichts an.“ „Okay, ich war nur neugierig, immerhin will ich wissen, worauf ich achten muss, damit ich nicht auch noch mit Geschirr beworfen werde.“ Das schien auch Rei einzuleuchten und er seufzte. Kurz angebunden erklärte er ihm monoton, was geschehen war. Dabei fuchtelte er mit der Hand in der Luft herum und blickte irgendwo nach oben in eine Ecke. „Naja weisst du, Kelvin ist ein verdammter schwuler Playboy und er hatte irgendwie das Gefühl, mich angrabschen zu müssen. Ich hab ihn gewarnt, aber er konnte es einfach nicht lassen. Zufrieden?“ „Du hast richtig gehandelt“, stimmte Kai ihm nickend zu. So ein Idiot. Da hatte er schon die ultimative Chance mit diesem hübschen Chinesen in der gleichen Wohnung zu leben, und dann versaute er es sich gleich auf eine solch derbe Weise. „Ich weiss, war auch nicht der erste. Hier ziehen etwa alle zwei, drei Monate neue Studenten ein, mittlerweile bevorzuge ich Männer, da die Frauen sich offenbar noch weniger im Griff haben und wie gross ist schon die Chance, einen Mitbewohner zu haben der schwul und so von sich eingenommen gleichzeitig ist? Ich hab’s langsam echt satt. Oh, es regnet.“ Nach diesem radikalen Themenwechsel folgte Kai ein bisschen perplex Reis Blick durch das Fenster nach draussen. Mist. Er hatte nicht einmal eine Jacke mit Kapuze dabei. Oder einen Pullover. Sonst was. „Ich gebe dir einen Hoodie mit, ich glaub ich habe noch einen, der dir passen könnte. Hier gibt es keine Schirme, ich hasse diese Dinger und Kelvin hat alle seine verloren. Aber morgen in der Uni will ich den Pulli wiederhaben.“ „Das wäre super“, atmete Kai erleichtert auf und wartete, bis Rei mit dem Kleidungsstück aus seinem Zimmer zurückkam. „Passt wie angegossen“, stellte Rei zufrieden fest und Kai nickte. Dann wurde er Richtung Tür bugsiert. „Ich habe noch Training. Ich melde mich bei dir, wie ich mich entschieden habe. Man sieht sich.“ Mit diesen Worten wurde der Russe vor die Tür geschoben. „Ja, bis morgen“, sagte dieser noch, doch er war sich sicher, dass die Worte an der Türe abprallten. So zog er sich die Kapuze tief ins Gesicht, schob die Hände in die Taschen und trat hinaus in den strömenden Regen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)