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Abschied eines Waldgeistes.

Mido auf Reisen!
von

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Unerwünschter Untermieter

Der schwere Leinenstoff sollte mich über Nacht wohl warm halten, aber es war schon Herausforderung genug, ihn anzuziehen, vor allem, wenn ich dreimal hineinpassen würde. Jenna raffte das Nachtgewand auf, damit sie es besser koordinieren konnte. Ich beobachtete sie dabei, betrachtete ihre Hände. Sie hatte lange, sanft aussehende Finger, kaum sichtbar durch die pfirsichfarbene Haut schimmerten die blassblauen Adern. Allgemein waren auch ihre Fingernägel sehr gepflegt, wenn auch nicht besonders lang. Der Halbmond schimmerte in einem blassen Elfenbein. Sie musste nicht hart arbeiten, ihre Hände waren sanft. Ich erkannte die Stelle, an der sie den Kochlöffel hielt. Eine waschechte Hausfrau.

Vorsichtig blickte ich zu ihr auf. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte. Lose hingen ihr ein paar Strähnen ins Gesicht, den Rest ihres Haars hatte sie nachlässig zusammengebunden. Ihre rosafarbenen, geschwungenen Lippen bildeten ein Lächeln – auf ihren Wangen erschienen zarte Grübchen. „Arme hoch, ich zieh es dir an.“ Wortlos nickte ich und hob die Arme. Sie war definitiv eines der hübschesten weiblichen Wesen, die ich je gesehen hatte! Ihre Anwesenheit beruhigte mich ungemein. Wie konnte ihr Kind nur so verzogen sein? Sie zog mir das Loch über den Kopf, ich fand meinen Weg in die Ärmel. Das Gewand war viel zu groß und ich hatte das Gefühl, darin zu versinken.

„Upps, das ist wohl doch ein bisschen größer, als ich dachte. Aber na ja, für heute muss es gehen.“, sagte sie mit lebhafter und freundlicher Stimme. Auch ich musste lächeln. Die Frau war wirklich nett. Sie hatte wohl einen guten Draht zu anderen Menschen, das merkte man direkt. „Jetzt hopp, runter vom Tisch und ab ins Bett. Den Rest bereden wir dann morgen. Gwen wird dich zum Frühstück wecken.“

Ich rutschte ein Stück weit nach vorne, bis meine Beine über den Tisch baumelten, dann sprang ich hinunter und sah in ihre moosgrünen Augen. „Danke noch einmal für Ihre Gastfreundschaft.“ Sie kicherte und winkte ab. Auch zu dem Mann sah ich herüber. „Auch Ihnen besten Dank.“
 

Er nickte wortlos und schien mit seinen Galoschen beschäftigt zu sein, die er genau unter die Lupe nahm. Etwas zögerlich wandte ich mich von den Hausbesitzern ab, drehte mich um und sah schon dicht hinter mir die Tochter stehen, die nur eine Nasenbreite von mir entfernt war. Ein Schreck durchfuhr mich.

„…“

Beidseitiges Schweigen herrschte und sie blickte mich recht forschend an, jedoch mit einer gewissen Abneigung im Blick, die ich nicht deuten konnte. Sie stemmte die Hände in die mageren Hüften, bevor sie sich schwunghaft umwandte. Ihr langes Haar peitschte mir ins Gesicht. Einen Moment lang sah ich so nur einen braunen Schleier, dann klärte sich das Bild und ich sah sie die Treppenstufen hinauftrampeln. Ich sah zu Jenna hoch.

„Mach dir keine Sorgen, sie kann nicht gut mit anderen Kindern.“

Die Mutter zuckte die Schultern und lächelte entschuldigend.

Ich wusste nicht, was mit diesem seltsamen Mädchen los war. Sie benahm sich unmöglich – und das sogar für meine Verhältnisse! Ohne ein Wort zu verlieren folgte ich Gwen recht hektisch, denn sie würde sicher nicht auf mich warten, wenn sie mich schon so behandelte. Kopflos hechtete ich die Treppe hoch, als ich schon in sie hineinrannte. Anscheinend hatte sie doch am obersten Treppenabsatz auf mich gewartet. „Ah!“, machte ich und stolperte zurück, fiel die Treppe fast wieder hinunter, schaffte es mich allerdings noch am hölzernen Geländer festzuhalten. Ein stechender Schmerz durchdrang meine Hand. Hatte mir wohl einen Splitter gefangen.

„Du blöde Kuh, kannst du nicht aufpassen, wo du rumstehst?“, zischte ich ihr leise zu. Sie zuckte gleichgültig die Schultern und wandte sich erneut auf den Absätzen um. Eine Woge der Wut stieg in meinem Bauch auf. Es war nur eine Nacht. Vielleicht fand ich morgen schon etwas Eigenes. Ich musste sie nur heute Nacht ertragen… Und die meiste Zeit davon schlief ich sowieso…

Als ich mich gefangen hatte, ging ich ihr wieder nach, während sie den kurzen Flur entlang lief. „Auf der anderen Seite ist Mamas und Papas Schlafzimmer.“, informierte sie mich und blieb dann vor einer hellen, hölzernen Tür stehen. „Das ist mein Zimmer.“

„Du meinst unser Zimmer. Ich bin heute Nacht auch da.“, berichtigte ich sie.

„Nein, mein Zimmer. Und wenn du etwas anpackst, werde ich dich leider verprügeln müssen.“

Ich war baff.

Ohne weitere Zeit zu vergeuden legte sie die Hand an die Türklinke. Im Zimmer brannte noch Licht – es schien uns entgegen, als sie die Tür öffnete und wartete, bis ich hineinkam. Es war kein Zimmer, wie man es von einem Mädchen erwartete. Es war einfach nur ein Zimmer. Ein großes, sperriges Bett stand vor dem Fenster, überzogen mit einer orangenen Bettwäsche, die mir in den Augen brannte. So knallige Farben war ich aus meiner Heimat nur bedingt gewohnt. Auf dem Bett lagen einige Kissen. Es war groß genug für vier Leute und stabil gebaut. Gwen ging zu ihrem Kleiderschrank und nahm Schlafkleidung heraus, die sie achtlos auf das Bett schmiss.

„Das Bad ist auf der Mitte des Flurs. Da wirst du jetzt hingehen und deine Schuhe ausziehen. Und die Hose auch. Mit Straßenklamotten kommst du mir nicht ins Bett, sonst darf ich es wieder saubermachen.“

„Aber…“

„Nichts aber. Das Nachthemd ist lang genug. Ich guck dir bestimmt nichts weg. Außerdem bist du hässlich. Und jetzt geh und zieh dich um, wasch dir die Finger, so dreckig wie du bist.“

Sie brachte den Geduldsfaden, der sowieso schon zart genug war, zum Reißen.

Ich schloss die Tür hinter mir, dann baute ich mich vor ihr auf. Die Hitze, die mir in die Wangen schoss, spürte ich eindeutig. Vor Wut lief ich puterrot an und wusste gar nicht mehr, was genau ich eigentlich zu ihr gesagt hatte. Nur düster hatte ich in Erinnerung, dass ich gemeint hätte, dass sie dankbarer hätte sein sollen, dass ich sie gerettet hatte, dass sie selber keine Schönheit war und außerdem auch noch eine dämliche Tussi. Entgeistert sah sie mich an, hob schließlich aber die Brauen. Der Moment dauerte etwas zu lang, um überzeugend zu sein, doch dann begann sie zu weinen.

Schluchzend warf sie sich auf ihr Bett.

Meine Wut war wie verflogen.

Ohje, was hatte ich denn da angerichtet? Ich durfte in ihrem Zimmer übernachten, nahm ihr einfach so den Platz weg und dann wollte ich mich nichtmal an ihre Regeln halten? Ich war so ein unsensibler Klotz. Die Einsicht trieb mir sofort wieder die fahle Blässe ins Gesicht.

„Hey… Hey Gwen… Alles in Ordnung bei dir? Ich wollte das nicht. Tut mir so Leid.“

Sie schluchzte lauter und schnappte sich ein Kissen, mit dem sie ihr Gesicht verdeckte.

„Du bist gar keine dämliche Tussi… Ich bin blöd… Du gibst mir dein Zimmer und dann bin ich noch so blöd zu dir… Ich geh jetzt ins Bad, bitte sei mir nicht böse.“

Sie schniefte. Das war mir Antwort genug.

Wir alle hatten einen langen Tag und auch, wenn ich sie gerettet hatte, musste sie mir dafür doch eigentlich nicht dankbar sein. Das hätte doch jeder gemacht – niemand wäre so herzlos gewesen! Langsam verließ ich den Raum, ging in das mäßig große Bad. Dort wusch ich mir Gesicht und Hände, zog die Hose unter dem knielangen Nachthemd aus und stellte die Schuhe in die Ecke, damit ich nicht das ganze Haus dreckig machte. Wo meine Mütze war wusste ich nicht. Sie musste mir abhanden gekommen sein. Gemächlich ging ich zurück zu unserem gemeinsamen Schlafraum, öffnete die Tür. Gwen hatte sich wohl wieder einbekommen und saß recht betroffen am Bettrand, wusch sich klammheimlich über die Augen. Als ich die Tür mehr, als nur einen Spalt öffnete, versteckte sie ihren nassen Ärmel hinter ihrem Rücken.

„Alles wieder gut?“, fragte ich und schloss die Tür hinter mir.

„Ich hab gar nicht geweint. Mir geht es super. Nur weil du einen Charakter wie eine Zappelqualle hast, kann ich ja nichts dafür. Ich geh mich jetzt umziehen.“
 

Ihre Worte überschlugen sich, sie nahm ihre Schlafkleidung und verschwand aus dem Raum. Wow, so viele Beleidigungen an einem Tag und das alles nur von Mädchen – das erklärte, warum ich auch keine Mädchen mochte. Nur kurz hatte ich ihr nachgesehen, dann blickte ich mich wieder in dem Zimmer um. An der Wand hingen selbstgemalte Bilder in die Wand geschlagen mit Nägeln. Zeichnen war nicht gerade ihr Talent. Mit Mühe konnte ich einige Regionen, die ich heute erkundet hatte, erkennen. Wohlmöglich hatte sie schon viel gesehen. Ein Bild machte mich stutzig.

Ein Wald, Wesen in grüner Kleidung – Kokiri?

Ich näherte mich dem Bild sachte, auf dem ein Schriftzug stand, den ich nicht lesen konnte. Die Tür öffnete sich und das Mädchen gähnte ausgiebig, bevor sie zu mir kam.

„Das sind die Kokiri. Mama hat mir oft von ihnen erzählt. Ich hab das gemalt. Sieht nicht so toll aus, aber sonst ist das Zimmer so düster und hässlich.“

Woher wusste ihre Mutter so viel über uns?

Unauffällig blickte ich zu Gwen herüber, dann wieder auf das Bild.

Geheimhalten konnte ich es ja schlecht, immerhin wusste sie ja, dass ich aus dem Wald kam, wenn sie dem Gespräch zwischen Jenna und mir gelauscht hatte. Ich sah mir die Kokiri genauer an. Sie sahen meinen Freunden nur begrenzt ähnlich.

„Der da ist blöd.“, meinte sie und zeigte etwas unkoordiniert mit dem Finger auf einen Rothaarigen. „Und die da auch.“ Dann zeigte sie auf eine Grünhaarige. Ich interpretierte etwas zuviel hinein. Sollten diese Strichmännchen Salia und mich darstellen?

„Wieso? Die sehen doch gar nicht so übel aus. Ich mag den da nicht.“

Ich zeigte auf einen, der weiter abseits stand. Seine Haare waren so stechend gelb, dass sie mir in den Augen wehtaten. Das Mädchen holte tief Luft und sah mich verständnislos an, bevor sie entsetzt den Kopf schüttelte und sich abwandte.

Auch ich sah wieder zu ihr hinüber.
 

„Erzählt deine Mutter oft von ihnen?“

Gwen schwieg und kratzte sich verlegen hinter dem Ohr.

„Ja, alles so Kindergeschichten. Aber aus dem Alter bin ich raus, weißt du?“

Da war ich mir nicht so sicher. Ich hob eine Braue, ehe sie sich auf ihr Bett schmiss und an die Decke sah. Die war ja sogar noch jünger als ich, und dann erzählte sie mir von ihrem Alter?

„Du heißt also Mido, ja?“

„Ja…“

„Ich bin Gwen, aber das weißt du ja schon.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ViGaMi
2014-11-09T14:34:08+00:00 09.11.2014 15:34
Bis jetzt mag ich gen noch nicht wirklich...
Antwort von:  ViGaMi
09.11.2014 15:34
Gwen* Autokorrektur lässt grüssen...


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