Reflection von queermatcha (In my heart just keep on bleeding, I can't stand myself too long...) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- „Taka! Wir brauchen dringend noch weiße Servietten! Ich hab total vergessen, die einzukaufen, könntest du schnell zum Supermarkt laufen und welche kaufen gehen?“ Takahiro, der gerade dabei war, Cola Flaschen in den großen Kühlschrank hinter dem Tresen zu räumen, blickte auf und nickte. „Na klar!“, rief er Herrn Yamada, seinem Chef und Inhaber der Pianobar, zu. Schnell stellte er die letzten paar Flaschen in den Kühlschrank und verschloss diesen wieder. Dann legte er seine Schürze ab und lief zu seinem Chef, der ihm ein Bündel Geldscheine in die Hand drückte. „Wir brauchen mindestens zehn Packungen, zwölf oder dreizehn wären noch besser!“, wies der nette Mann mit dem grauen Haar den jungen Sänger an, der nur nickte. „Okay. Ich beeil mich.“ Schnell flitzte Taka aus der Bar, die schon in weniger als einer halben Stunde eröffnet werden sollte. Es war Mitte November, ein Donnerstag, und inzwischen war es ziemlich abgekühlt. Zwei Straßen weiter war ein großer Supermarkt, und Taka betrat diesen, um sich nach Servietten umzusehen. Als er sah, wie einer der Mitarbeiter ein großes Bündel Zeitschriften und Magazine anschleppte, um diese in der Auslage zu verteilen, musste der kleine Sänger wieder an den Tag denken, an dem er mit Toru die Bücher ins Lager der Musikschule geräumt hatte. Dieser Tag war jetzt schon über zwei Wochen her, und seitdem hatte Taka Toru nicht einmal zu Gesicht bekommen, was er sehr schade fand. Taka hatte sogar öfters in der Lobby gewartet, in der Hoffnung, Toru über den Weg laufen zu können, nachdem sein Gesangsunterricht vorbei war, aber er hatte den Schwarzhaarigen nicht getroffen. Irgendwann hatte er von Frau Kawamura auch erfahren, dass der Gitarrenlehrer krank sei und deswegen der Gitarrenunterricht wohl längerfristig ausfallen würde. Kein Wunder, dass Taka Toru niemals über den Weg gelaufen war. Schnell tapste Taka zu dem Regal mit den Servietten, und suchte weiße heraus, die hübsch aussahen und zur heutigen Dekoration der Tische in der Pianobar passen würden. Es war wieder einmal einer dieser Abende, an der ein kleines Event in der Bar stattfand, in der Taka nun schon seit Monaten arbeitete. Wieder standen Auftritte von unbekannteren Bands und Künstlern auf dem Programm, und die Bar war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Taka genoss diese Abende, denn es gab nichts Schöneres, als während der Arbeit Livemusik genießen zu können. Mit 13 Packungen Servietten bepackt, lief Taka zur Kasse. Die Kassiererin guckte etwas komisch, nannte Taka dann aber den Preis, und der kleine Sänger zahlte. Er bekam noch eine Tüte, in die er die ganzen Servietten hinein warf. Dann wetzte er so schnell wie möglich zurück in die Bar, wo Hana und Kyoko ihn schon sehnlichst erwarteten, damit die Tische fertig dekoriert werden konnten. Keine zwanzig Minuten später öffneten sich die Türen der beliebten kleinen Bar und die Menschen strömten hinein, wurden von den Töchtern des Chefs charmant auf die reservierten Tische aufgeteilt. Gerade, als er hinter der Theke stand und die ersten Getränke fertig machte, fiel Taka auf, dass an einem der Tische Jun saß, um ihn herum ein paar andere junge Männer, die der junge Sänger aber nicht kannte. Sie gaben ihre Bestellung bei Kyoko auf, die direkt zu Taka gelaufen kam. „Drei Mal Cola, zwei Mal Melonsoda und ein Wasser für Tisch neun, bitte!“, teilte sie ihrem jungen Arbeitskollegen mit. Taka nickte eifrig und fing an, auch diese Getränke fertig zu machen. Auf der kleinen Bühne fanden sich auch schon zwei junge Frauen ein, die als erstes für die musikalische Untermalung des Abends sorgen würden. Lange fand Taka keine Zeit, zu Jun zu gehen und ihn zu begrüßen, weil die Bar so brechend voll war. Es kamen Getränkebestellungen im Sekundentakt und Taka hatte alle Hände voll zu tun. Nach knapp 1 ½ Stunden aber waren erstmal alle Tische insoweit versorgt, dass Takahiro, Hana und Kyoko eine kurze Pause einlegen und selbst eine Kleinigkeit trinken konnten. „Da drüben sitzt ein Kumpel von mir, ich geh mal eben hallo sagen.“, teilte Taka seinen beiden Arbeitskolleginnen mit, die nickten. Der Sänger stellte sein Glas auf dem Tresen ab und lief zu Tisch neun, an dem Jun sich angeregt mit seinen Freunden unterhielt. „Hey.“, grüßte Taka ihn und lächelte. Jun erblickte Taka erst jetzt und machte große Augen. „Taka…“, sagte er, lächelte aber nur leicht. „Was machst du denn hier?“ „Ich arbeite hier, unter der Woche immer Abends.“, gab Taka zur Antwort. Sein Freund nickte nur. „Achso. Das hier… sind ein paar Kumpels von der High School.“ Jun blickte in die Runde. „Leute, das ist Takahiro. Ich… kenne ihn von der Musikschule.“ Die Blicke der anderen fünf jungen Männer machten Taka irgendwie nervös. Sie musterten ihn skeptisch, ja beinahe feindselig, und nur einer konnte sich zu einem leisen „Hi.“ durchringen. Die anderen vier nickten nur, schienen den kleinen Sänger kaum wahr zu nehmen. Ein sehr unangenehmes Gefühl machte sich in Taka breit; genauso hatte er sich immer gefühlt, wenn ihn jemand in der Schule geärgert hatte. „Nun, ich muss dann mal weiter arbeiten.“, sagte er leise. Jun nickte nur und Taka begab sich zurück zum Tresen. Auch Hana und Kyoko waren schon wieder unterwegs, um weitere Bestellungen aufzunehmen. Die Überraschung des Abends passierte wenige Minuten, nachdem Taka mit Jun gesprochen hatte. Herr Yamada, der immer die nächsten Musikacts ankündigte, sprach von einem „sehr jungen, aber äußerst talentierten Gitarristen“, der ihnen nun ein paar eigens komponierte, akustische Stücke vortragen wollte. Das klang vielversprechend, und während Taka ein paar Gläser polierte, blickte er zur Bühne. Ihm stockte beinahe der Atem, denn niemand anderes als Toru betrat diese, bepackt mit einer Konzertgitarre und einem Notenständer. Der Schwarzhaarige nahm auf einem Stuhl auf der Bühne Platz, bevor er dann seine Gitarre auf den Schoß nahm und anfing, zu spielen. Schon nach den ersten paar Takten war Takahiro wie verzaubert vom Spiel des jungen Mannes. Torus Kompositionen klangen Anfangs ein klein wenig gewöhnungsbedürftig, denn sie waren irgendwie so ganz anders als alles, was sonst so in der Pianobar gespielt wurde. Aber Taka gefielen die manchmal fröhlichen, schnellen und manchmal melancholisch-langsamen Melodien sehr gut, deren Töne dahin tröpfelten wie Regen, der auf der Oberfläche eines Sees aufschlug. Einmal ertappte Taka sich sogar dabei, wie er die Augen schloss und einfach nur lauschte, aber die meisten Zeit blickte er wie gebannt auf Torus schlanke Finger, die über den Hals der Gitarre tanzten, als hätten sie ihr gesamtes Leben nie etwas anderes getan. Nachdem er an den Tisch, an dem Jun mit seinen Freunden saß, noch ein paar Getränke gebracht hatte und zurück zu Bar lief, spürte er einen Blick auf sich ruhen. Sofort richteten sich Takas dunkle Augen auf die kleine Bühne und er traf auf den Blick des schwarzhaarigen Gitarristen. Sofort legte sich eine feine Röte auf Takas Wangen und mit klopfendem Herzen suchte er Schutz hinter der Theke, fing an, ein paar Gläser zu polieren, um sich abzulenken. Langsam aber sicher fragte er sich wirklich, was mit ihm los war, wenn nur ein einziger Blick dieses jungen Mannes ihn so nervös machte. Toru spielte fast 45 Minuten, und als er fertig war, brandete Applaus unter den Gästen der Pianobar auf. Auch Taka klatschte eifrig und fand es ziemlich schade, dass der Größere aufgehört hatte, zu spielen. Durch eine neue Bestellung wurde er abgelenkt, und so bekam er leider nicht mit, wie Toru die Bühne verließ und die nächste Gruppe auftauchte. „Hey. Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest.“, ertönte irgendwann von der Seite eine angenehme, tiefe Stimme, und Taka blickte auf, sah sich direkt wieder mit Torus dunklen Augen konfrontiert. „Und ich wusste nicht, dass du hier auftrittst.“, gab der kleine Lockenkopf zurück und lächelte schüchtern. Toru erwiderte dieses Lächeln, was Taka erneut Herzklopfen bescherte. „Ich bin früher schon ab und an hier aufgetreten. Herr Yamada ist wirklich nett, ich komme gern hier her.“ Verstehend nickte Taka. „Möchtest du etwas trinken?“ Toru nickte. „Ja, ich hätte sehr gern ein Wasser.“ Während Taka ihm ein Wasser einschenkte, lehnte der dunkelhaarige Gitarrist sich an die Theke, und Taka musterte ein wenig seine Arme und seine breiten Schultern. „Sag mal… kennst du die Typen, die da drüben an dem Tisch sitzen?“, fragte Toru irgendwann völlig überraschend, und zeigte unauffällig in Richtung des Tisches, an dem Jun mit Anhang saß. Kurz folgte Taka dem Wink des Größeren und nickte dann. „Ja… Einer davon, der mit den blond gefärbten Haaren, ist ein Kumpel von mir, den ich an der Musikschule kennen gelernt habe. Warum fragst du?“ Er musterte Toru und dieser schien zu überlegen, was er nun antworten sollte. „Wie lange kennst du ihn schon? Ich frage nur, weil… Jun ist in meiner Klasse, und er ist wirklich kein sehr angenehmer Zeitgenosse. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig im Umgang mit ihm.“ Bei diesen Sätzen runzelte Taka die Stirn und blickte zu Jun, der gerade über einen Witz eines seiner Freund zu lachen schien. Er fand es schon seltsam, dass der Blonde genau dasselbe über Toru gesagt hatte. „Was meinst du mit ‚kein sehr angenehmer Zeitgenosse‘?“, fragte er dann kurzerhand und reichte Toru sein Wasser, das dieser mit einem Nicken an sich nahm. „Danke. Naja, er ist auf meiner Schule als Schlägertyp und ziemlich hinterlistig bekannt. Er ist immer wieder in irgendwelche Schlägereien verwickelt und mag es, ruhigere Schüler zu verarschen.“ Toru nippte an seinem Wasser und wieder einmal fiel Taka auf, was für unglaublich schöne Lippen der junge Gitarrist hatte. „Zu mir war er immer nett.“, sagte Taka nur und merkte dann, dass Toru ihn erneut musterte. „Ich wollte dich auch nur warnen. Kann ja sein, dass er zu dir anders ist. Aber ich mag ihn nicht besonders.“ Nun herrschte wieder Stille zwischen den beiden jungen Musikern, und Taka war total durcheinander. Wem sollte er glauben? Einerseits war Jun einer seiner Freunde, und bis jetzt hatte er Taka eigentlich keinen Grund gegeben, ihm zu misstrauen. Andererseits vertraute Taka Toru irgendwie auch, obwohl sie sich kaum kannten. Die warmen braunen Augen des Gitarristen strahlten so viel Aufrichtigkeit aus, dass er sich gar nicht vorstellen konnte, dass Toru ihn anlügen würde. Zumal… was hätte der Schwarzhaarige auch davon, ihn zu verarschen? Geistesabwesend polierte Taka weiterhin Gläser und hing seinen Gedanken nach, beobachtete immer mal wieder Toru, der weiterhin an der Theke stand und sich angeregt mit Herr Yamada unterhielt. Gegen 22 Uhr war die Veranstaltung dann vorbei, und Herr Yamadas Töchter wiesen die Gäste charmant darauf hin, dass sie nun leider gehen mussten, weil die Pianobar schließen musste. Taka wollte beim Aufräumen helfen, aber Kyoko sagte ihm, dass es kaum noch etwas zu tun gab und er schon gehen durfte. Der kleine Sänger bedankte sich bei ihr, legte seine Schürze ab und begab sich in Richtung des Ausgangs. „War ein schöner Abend, oder?“, fragte Toru, der die ganze Zeit an der Theke gestanden hatte und nun an Takas Seite die Bar verließ, seine Gitarre in einer schwarzen Tasche auf dem Rücken trug. „Ja, finde ich auch. Die Gäste schienen auch alle zufrieden zu sein.“, gab Takahiro zurück und schenkte dem Gitarristen ein Lächeln. Draußen, vor der Bar, erblickte der Lockenkopf dann Juns Gruppe. Er wollte gerade zu ihnen laufen und Jun fragen, wie ihm der Abend in der Bar gefallen hatte, da hörte er, wie über ihn gesprochen wurde. „Und du bist echt mit diesem komischen Typen befreundet, der hier arbeitet, Jun? Der sieht aus wie ein totaler Außenseiter.“ Taka blieb abrupt stehen, als einer von Juns Freunden den Blonden das fragte, und wollte abwarten, was Jun antwortete. Dabei merkte er nicht, dass Toru immer noch hinter ihm stand und die Situation zu beobachten schien. „Ach Quatsch. Mit dem doch nicht.“, sagte Jun und lachte, was Taka einen Stich ins Herz versetzte. „Der ist der totale Freak und ich gebe mich nur mit ihm ab, weil er mir leid tut. Wenn ich nicht so tun würde, als wäre ich mit ihm befreundet, hätte der Trottel doch niemanden.“ Lachend zündete Jun sich eine Zigarette an und zog dann mit seinen Freunden von dannen, hatte gar nicht gemerkt, dass Taka mitbekommen hatte, wie er über ihn dachte. Der kleine Sänger fühlte sich, als hätte ihm jemand mit der Faust in den Magen geschlagen. Wie angewurzelt stand er da und realisierte, dass Jun, den er eigentlich für einen Freund gehalten hatte, ihn gar nicht mochte, ja regelrecht verachtete. Er hatte gedacht, dass er endlich, das erste Mal in seinem Leben, Anschluss und gute Freunde gefunden hatte, aber wieder einmal hatte er sich getäuscht. Sofort war das Gefühl der Einsamkeit und diese Traurigkeit wieder da, die Taka in den letzten Wochen wirklich nur äußerst selten verspürt hatte. „Genau das meinte ich.“, ertönte auf einmal Torus Stimme. „Er ist einfach ein schlechter Mensch und meint es mit niemandem ernst.“ Der Gitarrist umrundete Taka, der mit dem Rücken zu ihm stand, und seine Augen weiteten sich erschrocken, als er sah, dass der kleine Lockenkopf weinte. Dicke Tränen kullerten über seine geröteten Wangen und er sah aus wie ein Häufchen Elend, stand mit hängenden Schultern vor dem Gitarristen. „Hey… bitte… Wein doch nicht, das ist der Typ doch gar nicht wert…“, stammelte Toru, sichtlich überfordert, und legte Taka eine Hand auf die Schulter, um ihn unbeholfen irgendwie zu trösten. Hilflos blickte er sich um, als Taka auch noch anfing zu schluchzen und sich immer wieder mit dem Handrücken über die Augen fuhr. „Bitte hör auf zu weinen… Ich lad‘ dich auch auf einen Burger bei McDonald’s ein! Na, wie klingt das?“, versuchte der Gitarrist, den traurigen kleinen Sänger aufzumuntern, und schickte ihm ein strahlendes Lächeln. Taka blickte auf und schniefte noch einmal leise, bevor er ganz langsam nickte. „Okay…“ Diese Antwort ließ Torus Lächeln noch eine Spur sanfter werden, und er legte vorsichtig einen Arm um die noch immer leicht zitternden, schmalen Schultern des Kleineren, bevor sie sich gemeinsam auf den Weg in das nächstgelegene Fastfood-Restaurant machten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)