Kettenkarussell von Fujouri (One-Shot-Sammlung [Various] - Neu: Rin & Yukio & Shirō) ================================================================================ Momente [Izumo & Shiemi] ------------------------ Moriyama Shiemi - das nette Mädchen von nebenan. Blondes Haar, grüne Augen, breites Lächeln, heiße Kurven, Blumenfetisch. Würde ich diese Eigenschaften in einer Kontaktanzeige veröffentlichen, würden die Männer an ihrer Tür Schlange stehen. Natürlich würde ich das niemals machen - so gemein bin ich nicht. Quatsch, natürlich bin ich so gemein! Zumindest zu ihr. Ich würde es nur nicht machen, weil sie sowieso schon genug Aufmerksamkeit bekommt. Ich hasse Gören wie sie. Und es gibt Momente, da hasse ich sie ganz besonders. Zum Beispiel, wenn sie in den Pausen auf der Wiese im Schulhof sitzt und Gänseblümchen pflückt. Minutenlang bückt sie sich mit ihrem unbequemen Kimono über das Gras und zupft Grünzeug aus der Erde. Dabei summt sie mit ihrer ekelhaft hellen Stimme vor sich hin und redet mit den Blumen. Genau wie jetzt. Ich schaue verächtlich auf sie herab, als ich an ihr vorbeischreite und mich auf eine Steinmauer setze, von der aus ich sie perfekt im Auge habe. Nicht, dass ich ihr gerne bei ihren blöden Tätigkeiten zusehen würde - ganz und gar nicht! Ich mache das nur, weil sie mich dabei an die menschliche Version eines Blubella* im rosa Schlafrock erinnert. Und darüber muss ich jedes Mal lachen. Moriyama blickt zu mir herüber, lächelt ihr breites Sonntagslächeln und winkt mir zu. Wahrscheinlich denkt sie, dass ich sie anlache, dabei lache ich sie nur aus. Sie ist einfach zu blöd. Sie hat aufgehört zu summen und wirkt konzentrierter als zuvor. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir, aber ich kann erkennen, dass sie sich auf die Finger schaut, während sie an irgendetwas bastelt. Plötzlich springt sie auf und läuft auf mich zu. Ich rutsche zügig von der Mauer herunter, damit ich wegrennen kann, falls es mir zu viel wird. Als das Gör vor mir stehen bleibt, sehe ich in ihren Händen ihr Kunstwerk - einen Gänseblümchenkranz. Das kann nicht ihr Ernst sein. So etwas habe ich das letzte Mal in der Grundschule gemacht. Bevor ich meinen ursprünglichen Plan, wegzurennen, in die Tat umsetzen kann, streckt Moriyama beide Arme hoch und setzt mir den Kranz auf den Kopf. »Hier, für dich, Kamiki-san!« In diesem Moment hätte ich ihr am liebsten eine gescheuert. Sie wird rot im Gesicht. Und ich spüre, dass das verflucht noch mal nicht nur auf sie zutrifft! Ich wende mich sofort ab, um meine Verlegenheit zu verbergen. Genau, Verlegenheit. Dieses Gör ist dermaßen peinlich, dass ich mich fremdschämen muss. Nicht anders ist das Glühen in meinen Wangen zu erklären. Als es abklingt, reiße ich den Kranz aus meinem Haar und werfe ihn Moriyama vor die Füße. »Lass mich bloß in Ruhe damit! Wir sind nicht mehr im Kindergarten!«, fauche ich sie an und klinge dabei wütender, als mir lieb ist. Immerhin gibt es keinen Grund, sich über Weiber aufzuregen, die einem egal sind. Endlich ergreife ich die Flucht und stampfe davon. Das hätte ich schon viel früher machen sollen. Im Unterricht sollen Moriyama und ich ein Referat über Heilpflanzen vorbereiten. Ich hasse Partnerarbeit in der Schule. Vor allem, wenn man sich seinen Partner nicht selbst aussuchen darf. Unter anderen Umständen würde es auch nie dazu kommen, dass ich mit Moriyama zusammenarbeite. Dass ich sie vorhin angeschrien habe, scheint sie mir schon wieder verziehen zu haben. Oder vergessen. Vielleicht sollte ich ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen... »Oi, Moriyama.« Aufmerksam schaut sie zu mir auf, fast schon geehrt, als wäre es etwas ganz Besonderes, von mir persönlich angesprochen zu werden. Naja, im Grunde ist es das auch. Zumindest in ihrer Position. »J-Ja?« »Du hältst dich aus dem Referat raus. Ich mach‘ das alleine. Sonst versaust du noch alles.« Ich kralle mir das Heilkundebuch und halte es direkt vor mich, damit ich dem Gör nicht in die Augen sehen muss. Mit einem »Wenn du meinst« nimmt sie meine Aufforderung einfach hin. Das ist einer der Momente, in denen ich ihr am liebsten sagen würde, wie verdammt erbärmlich sie doch ist. Dieser Okumura ist wie immer mitten im Unterricht eingeschlafen; sein Schnarchen schallt durch den ganzen Raum. Suguro plärrt ihn deshalb wie immer mit vollster Lautstärke an und ich bekomme von alldem wie immer Kopfschmerzen. So kann ich mich unmöglich auf meine Aufgabe konzentrieren. Nebenbei ist Heilkunde eines der wenigen Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Die Beschreibungen im Buch sind bespickt mit lateinischen Begriffen, die ich nicht verstehe, und es macht mich wahnsinnig. Je tiefer ich meine Nase in die Lektüre stecke, desto mehr spüre ich Moriyamas Blicke an mir haften. Ich hasse es zu wissen, dass sie von uns beiden die Pflanzenexpertin ist. Doch ich sehe gar nicht ein, sie um Hilfe zu bitten. »Kamiki...-san?« Ich schlage das Buch zu. »Was ist?!« Sie beginnt mit ihren Fingern zu spielen und schaut mich dabei großäugig an. »Also... wenn du Hilfe brauchst... du musst es mir nur sagen.« »Ich brauch‘ deine verdammte Hilfe nicht!«, höre ich mich schon ausrufen, aber meine Stimme versagt, noch bevor ich ein Wort hervorbringen kann. Mein Gehirn war mal wieder schneller als meine Stimmbänder. Es ist kontraproduktiv, die Hilfe der Göre abzulehnen, wo sie doch zumindest in diesem Bereich etwas - aber nur etwas - mehr Erfahrung als ich hat. Wenn ich jetzt nicht nachgebe, werde ich morgen mit leeren Karteikarten vor der Klasse stehen und mich aufs Äußerste blamieren. Das darf ich nicht zulassen. Grummelnd schiebe ich das Lehrbuch zu Moriyama und würdige sie dabei keines Blickes. Ungelogen ist es ein Blick. Oder mindestens ein halber. Er reicht jedenfalls aus, um zu sehen, wie ihr Gesicht zu strahlen anfängt. Sofort öffnet sie das Buch und scheint sich darin gleich zurechtzufinden. Okay, es ist mehr als nur ein Blick, sonst hätte ich das schon gar nicht mehr beobachten können. Sie zückt einen Stift und fasst die Inhalte in Stichpunkten zusammen. Beim Überfliegen meine ich kein einziges lateinisches Wort erkennen zu können. Kennt Moriyama etwa die Übersetzung? Ich ertappe meine Mundwinkel dabei, wie sie sich selbstständig machen und ein Lächeln formen. Das ist einer der Momente, in denen mich Moriyama ins Staunen versetzt. Im Sportunterricht ist es noch immer Thema, sich den Bewegungen der Reaper anzupassen, während man vor ihnen herläuft. Ich habe das schon lange drauf und vergeude nur meine Zeit. Manch andere verstehen die Aufgabe aber weiterhin falsch und laufen viel eher vor den Biestern davon als vor ihnen her. Allen voraus Moriyama, deren Sportnote ich aus Angst, dabei ohnmächtig zu werden, niemals in Erfahrung bringen will. Sie und ich werden nach unten gerufen. Während sie so eitel ist, die Leiter zu nehmen, rutsche ich den Abhang herunter in die Arena und komme lange vor dem Gör unten an. Es stinkt mir jetzt schon, auf sie zu warten, bevor wir beginnen können. Endlich ist auch sie angekommen, und gleich darauf lockert unser Lehrer die Kette, an der der Dämon angeleint ist. Geübt, wie ich bin, laufe ich los, sobald der Reaper einen Fuß vor den anderen gesetzt hat. Dass Moriyama schon von Beginn an nicht mit mir Schritt halten kann und dem Monster damit praktisch ins offene Maul rennt, wundert mich nicht im Geringsten. Als ich einen flüchtigen Blick über meine Schultern wage, sehe ich sie in ihrem lächerlichen ›Sportoutfit‹, das keines ist, und ich weiß nicht, ob ich über sie lachen oder heulen soll. In welchem Zeitalter ist sie bitte hängengeblieben, dass sie wie eine Miko gekleidet durchs 21. Jahrhundert trottet? Ich wende mich ab und konzentriere mich auf meine Schritte. Auf einmal höre ich, wie das Gör hinter mir aufschreit. Aus dem Augenwinkel heraus erspähe ich, dass sie hingefallen ist und dabei eine Menge Staub aufgewirbelt hat. Unser Lehrer zieht sofort an dem Hebel, um den Reaper zurückzuhalten, doch er rutscht dabei mit den Händen ab. Ich bleibe stehen. Die Jungs haben die Übung heute bereits hinter sich gebracht und sind in der Umkleide verschwunden - es gibt niemanden, der das hier sieht. Der einschreiten könnte. Außer mir. Während unser Lehrer sich gerade aufrappelt, wäre es schon längst um Moriyama geschehen, wenn ich nicht zu ihr gesprintet wäre und mich vor sie gestellt hätte. Wie es für diese Dämonen üblich ist, zögert der Reaper beim Anblick eines neuen Gegenübers und mustert dessen Augen. Ich bleibe aufrecht stehen. Spreize die Arme aus und habe Angst. Eine Scheißangst! Ich habe so einem Biest noch nie direkt gegenübergestanden. Und genau das würde mir zum Verhängnis werden. Der Reaper kommt einen großen Schritt auf mich zu und reißt sein Maul auf. Der faulige Atem ist kaum zu ertragen. Ich würde jetzt mein Leben für diese blonde Göre lassen, die mit Pflanzen spricht und Gänseblümchenkränze bastelt. Mit diesem Gedanken schließe ich die Augen. Als ich mich traue, sie wieder zu öffnen, befindet sich der Reaper weit außerhalb unserer Reichweite. »Könnt ihr nicht besser aufpassen?!«, brüllt unser Lehrer von seinem Podest, der gerade noch rechtzeitig den Hebel umgelegt hat. Als ob es nicht seine Schuld gewesen wäre... Ich atme tief durch und wische mir den Schweiß von der Stirn. Dann drehe ich mich um und sehe, dass Moriyama noch immer auf dem Boden liegt. Sie schaut mich weinerlich an. »Weißt du, dass wir wegen dir fast draufgegangen sind?! Zieh das nächste Mal richtige Sportklamotten an, denn so ist es kein Wunder, dass du hinfällst!« Ich versuche, möglichst wütend zu klingen, obwohl ich das gar nicht bin. Ich hoffe, meine Sorge um sie steht mir nicht ins Gesicht geschrieben... »Es tut mir so leid, Kamiki-san, das wollte ich nicht!«, entschuldigt sie sich ehrlicher, als jeder andere Mensch auf dieser Welt es hätte tun können. »Vielen Dank, dass du mich gerettet hast! Wirklich, ich danke dir!« Wieder das Glühen in meinen Wangen. Diesmal verberge ich es nicht. Ich zögere kurz, dann halte ich Moriyama die offene Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Dabei fällt mir erst auf, dass sie ihren Fußknöchel massiert. »Ich kann nicht... ich glaube, ich hab‘ mir was verstaucht.« Sie legt den Kopf schief und lächelt matt - das sieht irgendwie süß aus. Ich muss abrupt an Paku denken, die ein ähnliches Lächeln aufsetzt, wenn sie meine Hilfe braucht. Sie verbringt die momentanen Feiertage bei ihrer Familie, während wir Exwire dem Nachhilfeunterricht weiterhin beiwohnen müssen. In einer ähnlichen Situation wie der heutigen habe ich mich feige versteckt, statt mich für Paku einzusetzen. Dafür ist sie im Krankenhaus gelandet und hat die Nachhilfe aufgegeben. Ich kann es mir immer noch nicht verzeihen, während sie es schon lange getan hat. Ob ich Moriyama eine bessere Freundin sein kann...? Ach, was denke ich da? Ich kann ihr überhaupt keine Freundin sein, geschweige denn, dass ich es will! Ich kann allerhöchstens versuchen, etwas - aber auch nur etwas - netter zu ihr zu sein. Für gutes Karma, versteht sich. Ich drehe Moriyama den Rücken zu und gehe in die Hocke. »Komm schon, ich nehm‘ dich Huckepack. Sonst frisst dich der Reaper am Ende doch noch.« Moriyama nickt mir kichernd zu und legt die Arme um meinen Hals. Fest genug, dass mir klar wird, wie dringend sie eine Freundin braucht. Und als ich ihre Wärme an meinem Rücken spüre, muss ich mir wohl oder übel eingestehen, dass ich fast noch dringender eine brauche. Ich klettere mit Moriyama die Leiter hoch. »Danke... Kamiki-san.« Das ist einer der Momente, in denen ich vergesse, dass ich sie eigentlich hasse. ∴-∴-∴-∴ e n d e. --- *Ja, jetzt wisst ihr’s: Izumo zockt Pokémon (sogar die zweite Generation!). Weil ich ja sonst nur über (schwule) Männer schreibe... mal etwas femininen Freundschafts-Fluff zur Abwechslung.^^ Izumo und ich teilen die meisten Ansichten über Shiemi - wir wollen sie nicht mögen, weil sie eben so schwach und dümmlich ist, aber manchmal hat sie ihre süßen Momente, und dann mögen wir sie unfreiwillig doch. ;3 Liebe Grüße, Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)