Nachhilfe von Wolfseye (H&M) ================================================================================ Kapitel 19: Michirus Eltern --------------------------- Einen weiteren Versuch mit Michiru zu schlafen unternahm Haruka nicht und auch sonst hielt sie sich die Woche über zurück. Es nervte sie zwar tierisch, dass sie sich kaum bewegen durfte, kein Motorrad fahren konnte und auch noch die Finger von ihrer Freundin lassen musste aber sobald sie Michiru zu Gesicht bekam, war die Welt für sie in Ordnung. Vormittags während Michiru in der Schule war, wusste sie aber nicht wirklich etwas mit sich anzufangen. Meistens schlief sie endlos lange und sah dann Fern oder spielte eines ihrer Konsolen spiele. Sehr zur Freude ihrer Mutter, begann Haruka auch wieder auf ihrem Flügel Zuhause zuspielen. Sachiko hatte es ihrer Tochter zwar nie gesagt, aber sie hatte ihr Spiel wirklich vermisst und genoss die Melodien jetzt richtig, die durch das Haus flogen. Noch wundervoller fand sie es aber, wenn die zwei Mädchen zusammen spielten, was sie fast jeden Abend taten. Nachmittags stand Haruka natürlich immer pünktlich zum Schulschluss auf dem Parkplatz um Michiru abzuholen, wie sie es auch heute wieder tat. Heute war Freitag, der Tag vor dem sich Haruka schon die ganze Woche fürchtete, denn heute würden Michirus Eltern kommen. Den ganzen Morgen war sie schon nervös durchs Haus gelaufen und hatte ihre Mutter in den Wahnsinn getrieben. Und auch jetzt konnte sie nicht ganz still halten. Sie lehnte wie immer an ihrem Wagen und gab sich cool aber ihr Finger tippte nervös auf ihren verschränkten Armen herum und wollte einfach nicht still halten. Michiru war auch nicht gerade gelassen und nervös darüber, was heute noch alles passieren würde aber sie schaffte es ruhiger zu bleiben und freute sich wieder Haruka an ihrem Auto zu sehen, als sie das Schulgebäude verließ. „Hi.“ begrüßte Michiru sie und gab ihr einen kurzen Kuss. „Hallo.“ Haruka klang nicht sehr begeistert, sondern eher abwesend. „Hey, jetzt mach dich nicht verrückt. Es wird schon alles gut werden.“ „Ja, ich weiß. Ich kann aber nichts dagegen tun. Wollen wir dann?“ „Wieso hast du es so eilig?“ „Hier rum zu stehen macht mich nur noch nervöser. Fahren dagegen entspannt.“ „Okay, dann lass uns fahren.“ Michiru ging an Haruka vorbei, die ihr schon die Tür aufhielt und stieg ein. Dieses Mal schlug die Sportlerin den direkten Weg zur Villa ein, anstatt wie die letzten Tage noch mit Michiru irgendwo anders hin zu fahren. „Weißt du wann sie kommen?“ fragte Haruka wenig später während der Fahrt. „Nicht genau. Ich vermute aber erst gegen Abend rum.“ „Und willst du es ihnen heute schon sagen?“ „Weiß ich noch nicht. Mal sehen wie sich das ganze entwickelt. Vielleicht bietet sich ja eine Gelegenheit. Eigentlich will ich ja aber ... ach, ich weiß auch nicht!“ seufzte Michiru und ließ ihren Kopf in die Hände fallen. „Hey, du schaffst das schon. Ich bin bei dir.“ versuchte Haruka ihr Mut zu machen, obwohl sie den gerade selber verloren hatte. „Ja, ich weiß. Lass uns einfach erst mal sehen was heute passiert, okay?“ „Ich richte mich ganz nach dir, also tu einfach was du für richtig hältst.“ „Okay.“ nickte Michiru. Zuhause angekommen gingen beide in die Küche und setzten sich an den Tisch. Sachiko, die ebenfalls in der Küche war sah sie abwechselnd an. „Ihr macht euch doch nicht immer noch Sorgen darüber, was Yuki und ihr Mann über euch denken werden, oder? Sie werden schon nichts dagegen haben, also hört auf euch den Kopf darüber zu zerbrechen.“ „Ja, du hast Recht.“ seufzte Michiru und stand wieder auf. „Na komm, lass uns hochgehen.“ sagte sie an Haruka gewandt und zog sie mit sich nach oben. „Was machen wir denn jetzt noch so lange?“ fragte Haruka sie schon im Zimmer angekommen. „Keine Ahnung. Ich zieh mir erst mal was anderes an.“ Michiru ging zu ihrem Kleiderschrank und kramte ein paar Klamotten heraus. „Darf ich dir beim Ausziehen helfen?“ grinste Haruka frech. „Haruka, du weißt, dass das nicht geht.“ sah Michiru sie mahnend an. Die Sportlerin ging zu ihr und beugte sich tief zu ihr hinunter. „Ich habe nichts von Sex gesagt, nur das ich dich gerne ausziehen würde.“ flüsterte sie ihr ins Ohr. Michiru wurde schlagartig rot und hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Sie versuchte tief durch zu atmen, um wieder klar denken zu können, doch es gelang ihr nicht. „Ach bitte, du hast mich doch auch schon halb nackt gesehen. Die zwei Sekunden die ich dich von hinten betrachten durfte, haben bei weitem nicht ausgereicht, um sich alles einprägen zu können, und es war ja nur von hinten.“ Jetzt war Michiru wieder hell wach. „Warte! Was für zwei Sekunden, und wann bitte hast du mich wo und wie von hinten gesehen?“ fragte Michiru irritiert und auch drohend. „Ach so, das wusstest du ja noch gar nicht.“ Haruka hätte sich Ohrfeigen können. Das hatte sie eigentlich für sich behalten wollen. „Jetzt sag schon!“ „Hey, ganz ruhig. Es war an deinem ersten Tag hier, oder nein warte, es war ja schon der zweite. Na ja, jedenfalls der Morgen an dem wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich bin von dem Geräusch des Wassers wach geworden, wusste aber nicht, dass es die Dusche is, denn ich war einfach noch nicht wach, und bin einfach ins Badezimmer gegangen und da standst du unter der Dusche. Ich bin aber sofort wieder rausgegangen, und ich schwöre dir, dass ich nicht noch mal reingesehen habe. Und viel konnte ich durch den Wasserdampf ja auch nicht erkennen.“ Haruka war gerade wirklich froh darüber, dass sie sich damals zusammen gerissen hatte, denn Michiru schien geradewegs in sie hinein zu sehen. „Na, ich hoffe es hat dir wenigstens gefallen, denn mehr wirst du fürs erste nicht zu Gesicht bekommen. Ich kenn dich inzwischen schon ziemlich gut und bin mir sicher, dass du dich nicht beherrschen kannst, also geh ich ins Badezimmer. ... Außerdem, will ich dir doch die Überraschung nicht verderben.“ grinste Michiru, strich Haruka mit einem Finger zärtlich übers Gesicht und ging dann ins Badezimmer. Haruka seufzte tief und ließ enttäuscht die Schultern und den Kopf hängen. »Mann, die macht mich fertig! Kann sich diese scheiß Rippe nicht schneller zusammensetzen?« Langsam ging sie zu Michirus Bett rüber und wartete dort bis ihre Freundin aus dem Badezimmer zurückkam. Nach wenigen Minuten tat diese es auch und setzte sich neben Haruka, die sich hingelegt hatte. „Bist du sehr enttäuscht?“ „Schon, aber ich gebe meinen Rippen die Schuld.“ „Jetzt wäre sowieso nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wir wissen ja nicht, wann meine Eltern hier aufschlagen.“ „Also ich finde es gibt keine bessere Methode, um sich abzulenken.“ „Ich will aber nicht nur eine Ablenkung sein.“ Haruka sah sie ungläubig an und zog sie zu sich runter in die Arme. „Das wärst du nicht, glaub mir. Okay du hast Recht, blöder Zeitpunkt. Aber was machen wir denn dann? Vom nichts tun, werd ich wahnsinnig.“ Die Künstlerin überlegte kurz. „Spielst du mit mir?“ fragte sie dann hoffnungsvoll. „Natürlich.“ lächelte Haruka, sie hatte schon fast damit gerechnet. Also standen beide auf und gingen in den Raum mit dem großen Flügel, auf dessen sich auch Michirus Geige befand. Und so wurde das ganze Haus wieder von wundervollen Melodien durchflutet. Sie brauchten nichts zu sagen, sich nicht abzustimmen, sie spielten als wären sie eins. Die Zeit verging, ohne dass sie es mitbekamen. Abrupt als wäre die Zeit angehalten worden endete ihr Spiel, als die Türklingel durchs Haus dröhnte. Mit weit aufgerissenen Augen und geschocktem Gesichtsausdruck sahen sich beide an. „Das sind sie noch nicht, oder?“ fragte Haruka panisch. „Bestimmt nicht, dafür ist es noch viel zu früh! ... Wie spät ist es?“ Die Sportlerin sah auf ihre Uhr und ihre Augen wurden noch größer. „Kurz vor sieben.“ „Was? Schon? Oh, nein! Ich weiß doch noch gar nicht was ich sagen soll!“ Michiru legte ihre Geige aus der Hand und lief nervös hin und her. „Hey, beruhige dich. Wir haben doch gesagt, wir warten erst mal ab, was passiert, oder? Also gehen wir einfach runter, sagen Hallo, und sehen was passiert. Wir benehmen uns ganz normal, nur eben mit mehr Abstand zwischen uns.“ Haruka war aufgestanden und umarmte Michiru. „Okay. Ja, du hast Recht.“ Sie atmeten beide noch einmal tief durch und begaben sich dann nach unten. Kurz vor der Treppe ließ Haruka die Hand ihrer Freundin los und gab ihr etwas Vorsprung. Die Sportlerin konnte sich nicht erinnern jemals solche Angst gehabt zu haben, in einer Situation, die nichts mit ihrem eigenen Vater zu tun hatte. Sie waren unten im Eingangsbereich angekommen. … Es war keiner da. „Vielleicht waren sie es ja doch nicht.“ sagte Haruka hoffnungsvoll. Michiru sah sie ungläubig an und ging dann Richtung Wohnzimmer. Ein Blick auf die Terrasse brachte ihren Herzschlag fast zum Stillstand. Da waren sie! Sachiko hatte bei den warmen Temperaturen kurzer Hand draußen auf dem Tisch das Essen angerichtet und wohl gerade erst Michirus Eltern dort hingeführt. Sie redeten noch zusammen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. „Das sind also deine Eltern.“ sagte Haruka nervös, die die beiden jetzt auch entdeckt hatte. Aus irgendeinem Grund freute sich Michiru sogar sie wieder zu sehen und das legte ihre Nervosität ein wenig. „Also dann.“ atmete sie noch einmal tief durch und wollte gehen aber sie wurde aufgehalten. „Warte kurz. Wie heißt dein Vater eigentlich? Den Namen deiner Mutter habe ich inzwischen mitgekriegt aber wie er heißt, weiß ich gar nicht.“ „Oh. Ähm, Seiichiro. Kaioh Seiichiro.“ „Alles klar.“ Haruka sah noch mal raus. Eigentlich sah der Mann ja ganz Freundlich aus, aber das hatten auch viele von ihrem Vater gedacht, also konnte das wohl alles bedeuten. Er war groß, nicht so groß wie Keisuke, aber doch ein Stück größer als sie, eine schlanke stattliche Figur und kurze azurblaue Haare. Die kleine Frau neben ihm sah Michiru verdammt ähnlich, nur die Haare waren noch sehr viel länger und tief schwarz, mit einem leichten grün Schimmer, jetzt in der Sonne. Michiru ging jetzt wirklich zur Tür nach draußen, wo sie gleich freudestrahlend begrüßt wurde. „Michiru-chan! Da bist du ja.“ lief ihre Mutter gleich auf sie zu und umarmte sie. „Mama.“ Sie erwiderte die Umarmung und war fast schon wieder richtig gelassen. „Oh, ich hab dich so vermisst.“ sagte Yuki zu ihr und drückte noch fester zu. „Es waren doch nur zwei Wochen.“ „Trotzdem.“ Yuki löste sich wieder von ihr und sah sie an. „Du bist in den zwei Wochen ja noch schöner geworden.“ strahlte ihre Mutter. „Das bildest du dir ein.“ „Oh nein, sie hat Recht.“ mischte sich ihr Vater ein. Auch er umarmte sie jetzt. „Wie geht’s dir? Alles in Ordnung?“ sah er sie jetzt mit einem sorgenvollen Blick an. „Ja, mir geht’s gut.“ Haruka hatte sich das Ganze noch aus sicherer Entfernung angesehen, erst jetzt traute sie sich raus. Ausgerechnet Seiichiro entdeckte sie als erster und sofort bekam er große Augen. Der Sportlerin gefiel dieser Blick überhaupt nicht, das sah überhaupt nicht gut aus. „Das ist … Oh mein Gott!“ Seiichiro war auf einmal total aufgeregt und schoss auf Haruka zu, die nur völlig perplex dastand und ihn ängstlich ansah. „Sie sind Tenoh Haruka-sama, hab ich Recht? Der Rennfahrer! Ich hab letztes Jahr all Ihre Rennen gesehen. Sie waren wirklich unglaublich!“ freute er sich. „Äh, … danke.“ Haruka konnte es nicht fassen. Ein Fan! Michirus Vater war ein Fan von ihr! »Na, das kann ja was werden.« „Dass ich Sie mal persönlich kennenlernen darf, hätte ich nie erwartet! Ich hatte mir schon fest vorgenommen dieses Jahr Mal auf jeden Fall ein Rennen live anzusehen, aus Osaka war mir das ja leider nicht vergönnt. Aber wo ich jetzt schon mal hier wohne. ... Sagen Sie mal, was machen Sie eigentlich hier?“ viel ihm plötzlich wieder ein, wo er sich gerade befand. Michiru wäre am liebsten im Boden versunken, das war nun wirklich mehr als peinlich. Nicht nur, dass er Haruka für einen Mann hielt, nein, er benahm sich auch noch wie ein kleines Kind das den Weihnachtsmann kennen lernen durfte. Sachiko musste sich wirklich ein Lachen verkneifen, dann löste sie die Situation auf. „Seiichiro-san, Yuki, ich möchte euch meine Tochter vorstellen. Haruka.“ „Seiichiro sah jetzt abwechselnd immer Sachiko dann Haruka an. Irgendwann blieb sein Blick an Haruka heften, er Blinzelte ein paar Mal, bis ihm das komplette Gesicht entglitt. „WAS? Sie sind eine Frau?!“ war er total geschockt. Haruka die das jetzt doch einfach nur komisch fand grinste breit. „Ja.“ antwortete sie knapp. „Heilige Sch...ande, da wär ich ja im Leben nicht drauf gekommen. Und sie ist deine Tochter?“ fragte er Richtung Sachiko, die nur Nickte. „... Zufälle gibt‘s.“ „Ich weiß gar nicht warum du so überrascht bist. Ich habe dir ihren Namen doch schon gesagt.“ mischte Yuki sich auf einmal ein. „Ja, aber das die Tochter deiner Freundin "der berühmte Tenoh Haruka" ist, konnte ich doch nicht ahnen. Außerdem dachte ich ja er, ich meine sie, sei ein Mann.“ Yuki verdrehte nur die Augen und ging dann auf Haruka zu. „Hallo, es freut mich dich endlich kennen zu lernen, Haruka-san. Ich bin Yuki.“ „Äh ... ja, Hallo. ... Es freut mich auch.“ Jetzt wurde sie doch langsam wieder nervös. Yuki hatte fast dieselben blauen Augen wie Michiru und sie waren mindestens genauso durchdringend, was ihr verriet, dass sie wohl genauso Aufmerksam war. »Wenn die auch nur halb so viel mitbekommt, wie ihre Tochter, merkt die doch sofort, dass wir zusammen sind. Mist!« „Also, was haltet ihr davon wenn wir erst mal was essen?“ fragte Sachiko in die Runde. „Ja, das ist eine gute Idee. Wir hatten Zuhause überhaupt keine Zeit mehr dafür.“ sagte Yuki. Sie gingen alle gemeinsam zu dem schon gedeckten Tisch und setzten sich. Haruka und Michiru hatten die anderen vorgelassen und kamen als letztes dort an und irgendwie hatten sich die drei so hingesetzt, dass sie jetzt nur noch nebeneinander Platz nehmen konnten. Bei jeder anderen Gesellschaft, hätten sie es gar nicht anders haben wollen, aber ausgerechnet jetzt, war es mehr als hinderlich, wo sie doch etwas Abstand zwischen sich schaffen wollten. Sie sahen sich einmal kurz an, um sich gegenseitig Mut zu schenken, dann setzten auch sie sich. „Wie weit seit ihr denn schon mit der Wohnung?“ fragte Michiru vorsichtig. „Ach, noch nicht sehr weit. Wir haben es gerade mal geschafft den Umzugswagen auszuräumen. Die Wohnung kann man kaum noch betreten, so voll gestellt ist die.“ antwortete ihr Yuki. Michiru atmete erleichtert aus. Dann konnte sie ja vielleicht noch ein paar Tage bleiben. „Habt ihr denn wenigstens schon ein Bett in eurer Wohnung? Ihr müsst doch irgendwo schlafen.“ fragte Sachiko. „Nein, leider nicht.“ seufzte Yuki. „Das werd ich heute Abend noch zusammenbauen müssen.“ meinte Seiichiro. „Wieso bleibt ihr nicht einfach hier? Ich habe noch genug Zimmer frei, in denen ihr, ein schon fertig zusammen gebautes Bett vorfindet.“ Haruka und Michiru hätten sich beinahe an ihrem Essen verschluckt. „Sachiko, du hast doch schon unsere Tochter aufgenommen. Das können wir unmöglich annehmen.“ „Natürlich könnt ihr. Michiru ist nun wirklich keine Last gewesen und ihr werdet es auch nicht sein. Ich würde mich freuen, wenn ihr bleibt, so könnt ihr Morgen ganz in Ruhe das Bett zusammen bauen.“ „Also ich hätte nichts dagegen.“ freute sich Seiichiro schon darauf heute Nacht keine schweißtreibende Arbeit mehr verrichten zu müssen. „Na, schön. Danke Sachiko.“ „Nicht der Rede wert.“ Haruka und Michiru sahen aus als hätte man ihnen einen Eimer Wasser übern Kopf gekippt. Jetzt würde dieser Abend nicht nur kein Ende haben, sondern auch noch einen Morgen. Schweigend aßen sie weiter. „Sagen Sie mal Tenoh-sama, meinen Sie, es wäre vielleicht möglich, dass Sie mir ein Autogramm geben? Oder wenn ich mir mal ihr Motorrad ansehe, oder mal in die Box ...“ „Sei-chan! Hör auf dich so aufzudrängen! Nachher bringst du sie noch in Schwierigkeiten.“ unterbrach Yuki ihren Mann. „Ach was, das ist schon in Ordnung. Und bitte nennen Sie mich Haruka.“ mischte Haruka sich schnell ein. Das Seiichiro sich immer noch für sie als Rennfahrer interessierte, obwohl er jetzt wusste, dass sie eine Frau war, konnte sie nur begrüßen. „In Ordnung. Und du kannst mich auch Seiichiro nennen.“ „Okay. Es ist übrigens kein Problem für mich dich mal mitzunehmen. Michiru hat mir auch schon beim Training zugeschaut.“ „Wirklich? Ich darf beim Training zugucken? Das wäre ja Wahnsinn! Michi, ich wusste gar nicht, dass du dich für so was interessierst.“ „Ähm, eigentlich hab ich das bis jetzt auch nicht, aber ich wollte unbedingt mal sehen, wie Haruka fährt und es hat mir wirklich gefallen ihr zuzusehen.“ lächelte Michiru unschuldig. „Ja, sie fährt wirklich unglaublich, oder?“ bestätigte er. „Wenn du übrigens bei den Rennen dabei sein willst, brauchst du dir nicht extra ‘ne Karte zu kaufen. Wenn du mit mir kommst, kannst du umsonst rein und dir das Rennen direkt aus der Box ansehen.“ fügte Haruka noch hinzu, da es ja nicht schaden konnte bei diesem Mann ein paar plus Punkte zu sammeln. Seiichiro bekam ganz große leuchtende Augen. „Im ernst? Und das macht dir auch keine Schwierigkeiten?“ „Nein, keine Sorge. Ich Regel das schon.“ versprach sie ihm. „Also zunächst mal, musst du überhaupt erst mal wieder Motorrad fahren dürfen. Das ist dir doch klar, oder?“ Michiru fand es gar nicht witzig, dass Haruka schon wieder daran dachte Motorrad zu fahren. Es war nicht mal sicher, ob sie überhaupt in dieser Saison an den Start gehen konnte. Ihr Trainer war echt geschockt gewesen, als er erfahren hatte, dass Haruka im Krankenhaus lag und erst mal keine Motorradrennen mehr fahren durfte. Noch dazu konnte Keisuke jederzeit Rubrik machen, dass Haruka kein Mann war und was dann mit ihrer Karriere passierte, war völlig unklar. „Wieso darf sie nicht fahren?“ fragte Seiichiro verwundert. „Sei-chan!“ „Was denn?“ Er sah zu seiner Frau rüber, die ihn ziemlich mahnend ansah. Er brauchte ein paar Sekunden bis er drauf kam. Dann wurde sein Blick plötzlich ernst und wechselte wieder zu Haruka herüber, die begann in ihrem Essen herum zu stochern. „Oh, richtig. Tut mir wirklich leid.“ Yuki hatte ihm erzählt was Sachikos Mann seiner Tochter angetan hatte und war jetzt richtig entsetzt. Das war er zwar schon gewesen, als er es erfahren hatte, aber dass er jetzt dieser Person gegenüber saß, und es sich wirklich um dieselbe handelte, die er aus dem Fernsehen kannte, konnte er überhaupt nicht Glauben. Der Rennfahrer wirkte immer so erwachsen, stark, selbstbewusst und teilweise sogar arrogant. Wie Falsch das Bild doch sein konnte, das man sich über einen Menschen zu Recht gelegt hatte. Jetzt saß vor ihm ein junges Mädchen, fast noch ein Kind, war nett und freundlich, wirkte eher unsicher und tat ihm sogar einen Gefallen. Und jetzt sollte genau dieses Mädchen über mehrere Monate hinweg von ihrem eigenen Vater brutal zusammen geschlagen worden sein? Wie hatte sie das nur ausgehalten? Die ganze Zeit, ohne mit jemandem darüber reden zu können, Tag täglich diese Rennen zu fahren, im Rampenlicht zu stehen und dabei bei jedem den Eindruck zu hinterlassen, es sei alles in Ordnung. Was für ein Mensch musste dieser Keisuke sein, wenn er in der Lage war, sein eigenes Kind derart leiden zu lassen? „Also wenn es nach mir ginge, säße ich schon längst wieder auf meiner Maschine, aber ich darf ja nicht.“ unterbrach Haruka ihn in seinem Gedankengang und somit auch die Stille am Tisch. „Du kannst froh sein, dass du überhaupt noch Motorrad fahren darfst. Am liebsten würde ich dich nie wieder auf einer dieser Teufelsmaschinen sehen.“ sagte Sachiko zu ihrer Tochter. „Ja, ja.“ verdrehte Haruka nur die Augen. „Heißt das, du fährst diese Saison gar nicht mit?“ fragte Seiichiro. „Mal sehen. Der Arzt meinte, es dauert etwa vier bis sechs Wochen bis ich wieder Motorrad fahren darf und das erste Rennen beginnt erst in acht. Also wenn keine weiteren Probleme auftauchen und mein Trainer mit meiner Leistung zufrieden ist, müsste ich starten können.“ „Na, dann hoffe ich mal, dass du ganz schnell wieder gesund wirst. Und das nicht nur wegen des Rennens. Ich hatte zwar schon fest damit gerechnet, dass du dir dieses Jahr den Titel holst, aber vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn du dir nach der harten Zeit erst mal eine Pause gönnst.“ sorgte Seiichiro sich jetzt. „Auf keinen Fall. Wenn ich fahren darf, dann tu ich das auch.“ „Aber willst du deinem Körper nicht erst mal ein wenig Ruhe gönnen? Ich mein, das ist doch sehr anstrengend, oder? Und nachher passiert dir noch etwas schlimmeres.“ wandte Yuki ein, die nicht erwartet hätte, dass jemand der so etwas durchgemacht hatte, gleich wieder solch ein Risiko auf sich nehmen würde. „Mein Körper hat noch genau acht Wochen um sich zu erholen, das wird ja wohl reichen. Außerdem bin ich schon in wesentlich schlechterer Verfassung gefahren. Mir passiert schon nichts.“ Yuki und auch Seiichiro sahen sie geschockt an. „Ja, aber ...“ wollte Yuki ihr widersprechen aber Michiru unterbrach sie. „Vergiss es, Mama. Für Haruka gibt’s nichts Wichtigeres als ihre Rennen und das Motorrad. Außerdem ist sie viel zu stur um einzusehen, dass es besser für sie wäre, sich zu schonen.“ „Ich weiß gar nicht was du hast. Ich fahr doch derzeit überhaupt nicht.“ verteidigte Haruka sich. Außerdem hatte Michiru nicht ganz Recht mit dem was sie sagte. Es gab inzwischen eine Sache die ihr sehr viel wichtiger war, als Rennen fahren. „Aber du würdest, wenn du könntest, oder?“ Natürlich würde sie. Erst wenn sie den Schmerz wirklich nicht mehr aushielt, würde sie wieder absteigen und auch dann nur solange warten bis der Schmerz wieder ab klomm. Offenbar sprach ihr Gesichtsausdruck Bände, denn Michiru wusste genau was sie dachte. „Siehst du.“ „Ja ja, schon gut.“ stöhnte Haruka. Yuki schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf. Eine Weile war es still am Tisch, in der sich alle ihrem Essen widmeten. „Jetzt würde mich aber doch mal interessieren, was euch zwei noch so verbindet. Nur von dem, dass die eine Motorrad fährt und die andere zusieht könnt ihr doch nicht so enge Freundinnen geworden sein.“ fragte Yuki neugierig als alle fertig waren. Das war natürlich genau der Moment, das Gesprächsthema, vor dem beide solche Angst gehabt hatten. Was jetzt? Haruka sah zu Michiru herüber, um eventuell erkennen zu können, ob sie es jetzt sagen wollte oder nicht. Es sah nicht so aus, als ob sie schon den Mut dafür aufbringen könnte. „Also wir ...“ setzte die Türkishaarige an. „... lieben beide Musik. Ich spiele Klavier. Und wir spielen fast jeden Tag zusammen.“ beendete Haruka den Satz für sie. Erleichtert atmete Michiru aus. Sie hatte gerade wirklich einen Blackout gehabt. „Oh, wirklich? Das ist ja wundervoll! Das würde ich zu gerne mal hören.“ war Yuki begeistert. „Wow, ich hätte niemals erwartet, dass ein Rennfahrer wie du sich auch noch für klassische Musik interessieren könnte und sogar selbst spielt.“ freute sich auch Seiichiro. „Ja, es is praktisch ein Ausgleich für das Adrenalin, hilft mir wieder runter zu kommen.“ „Ach so, verstehe.“ „Und sie spielt wirklich wundervoll.“ wandte Michiru ein. „Du übertreibst, so gut wie du auf deiner Geige bin ich bei weitem nicht.“ „Oh doch, das bist du.“ „Na gut, wenn du es sagst, Schhha...Chiru.“ Oh Gott, das war knapp. Sie hätte doch tatsächlich beinahe Schatz gesagt. Michiru hatte das durchaus bemerkt und vor Schreck scharf die Luft eingezogen. Vorsichtig sahen beide Michirus Eltern an. „Ihr könnt uns ja nachher mal etwas vorspielen, wenn ihr Lust dazu habt.“ schlug Seiichiro vor. „Ähm, klar.“ sagte Michiru immer noch nervös. Glück gehabt, die beiden schienen nichts bemerkt zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)