Kaffee und Vanille von Jeschi ================================================================================ Kapitel 4: Cowboy und Indianer ------------------------------ „Looos Josh,“ brüllt sich Valentin die Seele aus dem Hals, obwohl ich fast fürchte, dass er den Sinn und in unserem Hin- und Hergerenne noch immer nur im Ansatz verstanden hat. Ich habe ihm zwar einiges erklärt, aber so wirklich für die einzelnen Positionen interessiert er sich einfach nicht. Vielleicht, weil er nicht selbst spielt. Das ist aber okay. Ich bin schon mehr als dankbar, dass er zu meinem zweiten Spiel erschienen ist und mich anfeuert. Und in dieser Rolle macht er sich wirklich gut. Ich komme richtig in Fahrt, was gut ist, weil es heute einfach um Alles geht. Heute wird entschieden, wer es in die Mannschaft der Schule schafft – und wer eben nicht. Diesmal wird des Öfteren ausgewechselt, aber mir fällt auf, dass man bei mir sehr lange wartet, ehe man mich das erste Mal austauscht. Ob das nun gut ist – weil ich mich einfach gut mache – oder schlecht – weil sie nur sehen wollten, ob ich es noch besser kann – weiß ich aber nicht so genau. Ich persönlich finde, ich mache mich ganz gut, aber die anderen Jungs sind auch nicht von schlechten Eltern. Ich denke, dass wird eine knappe Entscheidung. Aber ich habe etwas, was diese Knallköpfe nicht haben. Ich habe Valentins Anfeuerungsrufe und die sind die pure Motivation, ihm zu beweisen, dass ich es drauf habe. Ich schenke ihm ein Lächeln, ehe ich mich wieder auf das Spiel konzentriere. Und während ich vorpresche und werfe und treffe, denke ich, dass es zumindest in meinem Punkt egal ist, ob ich gewinne oder nicht. Denn Valentin wird hier sein, um sich mit mir zu freuen oder mich zu trösten. Ich werde nicht alleine sein, egal wie es ausgeht. Und zumindest was dann angeht, brauche ich mir keine Sorgen mache. Und das nimmt mir schon ganz schön viel Angst und Aufregung und das zeigt sich in meinem Spiel, dass immer besser wird. Ich kann es schaffen! Dann endlich wird abgepfiffen und Valentin wedelt wild mit den Armen, damit ich her komme. Stolz auf mich selbst, stürme ich zu Valentin und strahle ihn an. „Danke, dass du gekommen bist.“ „Ist doch selbstverständlich,“ grinst er zurück und reicht mir auch diesmal wieder eine Flasche Wasser. Was wäre ich nur ohne ihn. Ich nehme die Flasche an mich und trinke sie fast ganz leer, dann lasse ich mich neben ihn fallen. „Glaubst du, es hat gereicht?“, will ich wissen. Ich sehe zu den Trainern und merke wieder, wie wichtig es für mich ist, in diese Basketballmannschaft zu kommen. Und obwohl ich gut war, habe ich noch deutliche Zweifel. Ich war so lange nicht in der Startaufstellung. Vielleicht waren die kleineren Einsätze dann nicht genug, um hier ein hohes Level unter beweis zu stellen. Vielleicht bin ich einfach nicht mehr gut genug… „Ich fand dich toll,“ muntert mich Valentin wieder auf und sucht meinen Blick. „Und ich bin mir sicher, dass sie dich nehmen.“ Ich muss lächeln, wie fast immer, wenn er mit mir spricht. Ist schon ein richtiger Reflex geworden. Dann schweigen wir, während die Trainer sich besprechen. Diesmal müssen wir nicht zwei Stunden totschlagen, sondern die Urteilsverkündung gibt es gleich im Anschluss. Ein wenig komme ich mir ja vor, wie ein Kandidat bei DSDS. Sicher kommt gleich Dieter Bohlen und sagt mir, dass ich leider nicht der neue Superstar werde. Ganz in meine Gedanken versunken – darüber, wie ich Dieter Bohlen daraufhin die Fresse poliere -, kriege ich gar nicht mit, wie Valentin mich am Ärmel zupft. „Es geht los,“ murmelt er und sieht erwartungsvoll zu den Trainern, die sich nun vor uns Spielern aufstellen, um zu verkünden, wer im Team spielen darf. Ich halte die Luft an, vor Anspannung, aber das muss ich nicht lange. Mein Name wird gleich unter den ersten genannt und ich lasse die Luft erleichtert in meine Lungen strömen. Diesmal bin ich es, der Valentin um den Hals fällt und ihn eng an mich drückt. „Du bist wirklich mein Glücksbringer,“ lache ich begeistert und atme seinen unverwechselbaren Duft nach Kaffee ein. Er lacht und seine Arme schlingen sich um mich. „Natürlich bin ich das. Ich bin toll, schon vergessen.“ Dann vergräbt er seine Nase an meiner Schulter und murmelt etwas von Vanille. Wenig später bin ich geduscht und umgezogen und trete glücklich vor die Halle, wo Valentin auf mich warten wollte. Tatsächlich entdecke ich ihn fas sofort. Er lehnt gegen einer Hauswand und hat seine Kopfhörer im Ohr, die Auge auf eine Gruppe Jugendlicher gerichtet. Ich folge seinem Blick und erkenne unter den Leuten diejenigen, die es nicht in die Mannschaft geschafft haben. Haben die sich jetzt verbündet, oder was ist los? Mich nicht weiter darum kümmernd, nähere ich mich Valentin und zupfe ihm die Stöpsel aus den Ohren, kaum dass ich neben ihn stehe. Daraufhin fährt er ungewöhnlich aggressiv zu mir herum, bis er mich erkennt. „Fertig?“, fragt er und versucht sich an einem lockeren Tonfall. Ich starre ihn an. „Alles klar bei dir?“, will ich wissen und frage mich, was los war, dass er so seltsam reagiert. „Geht schon,“ murrt er und blickt noch einmal zu den Typen, die er schon die ganze Zeit komisch anstarrt. „Weißt du, an meiner Schule hat mich noch niemand als Emoschwuchtel beschimpft,“ klärt er mich dann doch auf. „Das haben sie gesagt?“, will ich wissen und blicke mit geballten Fäusten zu diesen widerlichen Kerlen. Auf einmal bin ich ziemlich angepisst, ich könnte mich wirklich auf sie stürzen. „Ja, ich aber nicht so wild. Lass uns einfach gehen.“ Ich glaube, er ist ziemlich überrascht, wie sauer ich aussehe und zieht mich schnell mit sich. Sicher hat er Angst, ich fange noch eine Prügelei an. Ich versuche, mich zu beruhigen und hoffe, dass es ihm wirklich nicht all zu viel ausmacht. Diese Jungs labern doch nur Müll, weil sie wütend sind, keinen Platz in der Mannschaft erhalten zu haben. Einige Tage später komme ich gerade nach Hause, als in einem der oberen Stockwerke Gefluche ertönt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das von Valentin stammt. Grinsend springe ich die Treppen hoch, obwohl ich vom Tag eigentlich ziemlich k.o. bin. Ich hatte heute einen langen Tag an der Uni und dann noch Training und bin eigentlich total müde und erschöpft, will nur noch schlafen. Aber Valentin lenkt mich, wie so oft, davon ab. Ich erreiche den oberen Treppenabsatz und erblicke meinen Nachbarn, wie er versucht, mit einigen Farbeimern und sonstigen Kram in der Hand eine Türe zu öffnen. „Es geht leichter, wenn du es abstellst,“ werfe ich ein, während ich ihm zusehe. Er blickt zu mir und murrt: „Jetzt habe ich es aber gerade alles in der Hand. Wenn ich jetzt abstelle, muss ich mehrmals laufen.“ Er sagt das in einem Ton, als wäre das total offensichtlich, dass es sich dabei um eine extreme Katastrophe, die es unbedingt zu verhindern gilt, so dass ich nicht anders kann, als loszulachen. „Du bist faul,“ stelle ich fest und nehme ihm den Schlüssel ab, öffne die Türe, ehe er wieder mit seinem ganzen Sachen auf dem Boden landet. „Würde die Türe nicht immer klemmen, wäre das alles kein Problem,“ erläutert er mir und ich sieht zu, wie ich mit eben jener kämpfe, bis sie endlich auf ist. „Du fängst also endlich zu renovieren an? Nach… fünf Wochen…“, will ich wissen und er streckt mir die Zunge raus. Sorry, aber dass musste einfach sein. „Ja, ich denke, ich werde irgendwann demnächst anfangen. So früher oder später,“ nickt er nur und ich erahne sein unausgesprochenes ‚eher später’. Ich kenne ihn ja nun schon lange genug, um zu wissen, dass die Farbe in drei Wochen noch immer unbenutzt in seiner Wohnung stehen wird, weil er einfach zu bequem ist, sich an die Arbeit zu machen. Um genau das zu verhindern und mich als toller Nachbar zu beweisen, meine ich: „Wie wäre es, wenn ich Morgen vorbeikomme und dir helfen?“ Morgen ist Samstag und ich habe eh nichts anderes zu tun. Weil ich noch immer der einzige Mensch in Valentins Leben bin, mit dem er mehr als drei Worte spricht, gehe ich davon aus, dass er auch nichts anderes geplant hat. Tatsächlich sagt er zu und ich sehe das Chaos schon vor mir. „Dann werde ich wohl ein paar Sachen wegräumen, dass wir morgen anfangen können,“ beschließt er und ich verkneife es mir, ihn daraufhin zu weisen, dass ‚ein paar Sachen’ leicht untertrieben ist. Aber ich will ja nicht, dass er am Ende beleidigt ist und so nicke ich nur, nehme ihm ein paar Sachen ab und trage sie in seine Chaosbude. „Dann halte dich mal ran,“ scheuche ich ihn, wuschle ihm noch einmal kräftig durchs Haar und verlasse dann fluchtartig seine Wohnung, ehe er explodiert. Am nächsten Morgen zucke ich zusammen, als nebenan laute Musik ertönt und stehe schon fast im Bett. Ob Valentin vorhat, sich für seine zerstörte Frisur zu rächen, in dem er mich einfach umbringt? Sieht fast so aus. Weil ich jetzt eh schon wach bin, stehe ich auf und ziehe mir ein paar alte Sachen an, ehe ich mir meinen Schlüssel schnappe und mich auf den Weg nach neben an mache. Ich muss dreimal Klingeln, ehe das Geräusch durch die Musik dringt und Valentin so nett ist, mir die Tür zu öffnen. „Du bist ja schon da? Hast du gut geschlafen?“, fragt er und an seinem Grinsen erkenne ich, dass meine Vermutung goldrichtig war. „Ganz okay,“ brülle ich über die Musik hinweg zurück und gönne ihm nicht, ihm zu sagen, was mich geweckt hat. Er wuselt davon, um die Musik leiser zu drehen, wenn auch nur kaum merklich. Aber wenigstens muss ich nicht mehr schreien, um mich mit ihm zu verständigen. Ich trete von seinem Flur aus ins Wohnzimmer und sehe mich ungläubig um. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber Valentins Wohnung sieht richtig ordentlich aus. Er hat alles wieder in die Umzugskartons gestopft und die Möbel abgedeckt. Und das alles in so kurzer Zeit. Ich blicke mich immer noch mit großen Augen um und gebe zu: „Irgendwie habe ich damit gerechnet, dass du gar nichts gemacht hast.“ „Haha,“ macht er daraufhin tonlos und stemmt die Hände in die Hüften. „Willst du mir damit sagen, dass du denkst, ich sei faul?“ „Ich enthalte mich meiner Stimme,“ lache ich und schnappe mir einen Pinsel: „Also streichen wir jetzt oder wie?“ Wenig später stehen wir in mitten des Schlafzimmers und Valentin bearbeitet einen Farbeimer mit einem Schraubenzieher, bis wir irgendwann den Decke abbekommen und rote Farbe auf die Folie am Boden spritzt. „Krass,“ befinde ich, als ich auf die intensive Farbe blicke. „Ich liebe diese Farbe,“ klärt er mich auf und ich nicke nur und sehe ihm zu, wie er eine Farbrolle umständlich in den Eimer taucht. Ich tue es ihm gleich und dann nehmen wir uns die Wände vor. Valentin hat die Musik wieder voll aufgedreht, weil es sich dabei angeblich leichter streicht. Ich muss zugeben, dass es so ganz locker von der Hand geht. Zwar ist das nicht so ganz meine Musik, aber sie macht die Arbeit trotzdem erträglicher. Aber wenn ich mich vorstelle, dass wir heute die ganze Wohnung streichen wollen, drehe ich durch. Es macht zwar Spaß, ist aber nach einiger Zeit auch ein wenig anstrengend. Auf und ab. Auf und ab. Da vergeht einem die Lust. „Und wie streichen wir jetzt an der Decke entlang?“, will Valentin wissen, als uns eine große rote Farbfläche entgegen springt und nur noch ganz oben ein weißer Streifen zu sehen ist. „Hast du eine Leiter?“, will er wissen und ich ziehe die Brauen hoch. „Woher sollte ich denn eine Leiter haben?“, frage ich und überlege dann eine Weile. „Was ist mit dem Hausmeister?“ „Der ist am Wochenende nicht da,“ wirft Valentin ein und so stehen wir vor einem kleinen, aber feinen Problem. „Dann…“, überlege ich weiter und sehe Valentin an, „Nehme ich dich eben auf die Schultern.“ Während er mich noch ungläubig anblickt, bin ich schon in die Knie gegangen und winke ihn heran. „Na los, ich breche schon nicht zusammen,“ dränge ich ihn und er kommt unsicher auf mich zu gewackelt und klettert umständlich auf meinen Rücken und dann auf meine Schultern. „Lass mich ja nicht fallen,“ warnt er mich und ich nicke und nähere mich wackelig der Wand. Als wir endlich davor stehen, fängt Valentin zu lachen an und braucht eine ganze Zeit, ehe er wieder eine ruhige Hand hat, um den ersten Pinselstrich zu setzen. „Wenn wir das jetzt immer so machen, werden wir nie fertig,“ stellt er fest, als ich mich ächzend ein Stück weiter nach rechts bewege. „Das liegt nur daran, dass du so schwer bist,“ stelle ich die Sache klar und er empört sich sofort wieder: „Willst du mir sagen, dass ich fett bin?“ Ich muss grinsen und nehme den Pinsel an mich, den er mir reicht, damit ich ihn in die Farbe tauchen kann. „Fett nicht, nur gewichtig,“ grinse ich und reiche ihm den Pinsel, was ich sofort bereue. Ich kriege einen dicken streifen ins Gesicht gemalt, ehe er sich wieder an die Wand macht. „Das kriegst du zurück,“ prophezeie ich ihm. Meine Rache wird kommen! Wenig später ist die Wand fertig und damit auch schon fast der ganze Raum. Fehlt nur noch eine Seite. „So, die letzte Seite wird schwarz,“ klärt mich Valentin auf, während er mehr schlecht als recht von mir heruntersteigt. Während er begeistert grinst und die schwarze Farbe aufmacht, sehe ich auf die weiße Wand und stöhne auf. „Deinen Geschmack will ich auch nicht haben.“ Die Wand ist nur schmal und kurz darauf ist das Schlafzimmer tatsächlich fertig gestrichen. Weiter geht’s also ins Wohnzimmer, wo Valentin noch überlegt, wie er es überhaupt streichen will. Während er nachdenkt, blicke ich zur Stereoanlage und sehe ihn dann fragend an: „Was hören wir da eigentlich die ganze Zweit für Krach?“ „Krach?“, faucht er. „Das ist ‚My chemical romance’. Das ist doch kein Krach! Die Band ist absolut genial,“ klärt er mich auf. Also noch so eine Band, die einfach ganz, ganz, ganz, ganz, ganz genial ist und die man unbedingt und um jeden Preis kennen muss… Er stemmt die Hände in die Hüften und bemalt sich dabei selbst mit dem Pinsel, den er immer noch in der Hand hat. Ich muss lachen und beschließe, ihn mal wieder ein wenig zu ärgern. Hatten wir ja schon seit fünf Minuten nicht mehr. „Na ja…“, meine ich also, „Ich will dir ja deine Illusionen nicht nehmen.“ „Hallohooo,“ macht er daraufhin, „Meine Band spielt ganz viele von deren Songs, weil die einfach genial sind.“ Dann geht er zur Stereoanlage, schaltet ein paar Songs weiter, ehe er etwas passendes gefunden zu haben scheint. „Da geht die Menge sicher ab,“ lächle ich und schnappe mir einen Pinsel. „Natürlich tut sie das,“ stimmt er mürrisch zu und fängt an, sich zur Musik zu bewegen, während er beginnt, auch hier wieder eine Wand schwarz zu streichen. Ich sehe ihm dabei zu und muss grinsen. „Und was wird das jetzt? Lapdance?“ Er sieht zu mir und streckt mir die Zunge raus. „Hättest du wohl gerne, was?“ Dann tanzt er weiter, diesmal ohne zu streichen, und fängt an, mitzusingen. Laut lachend, sehe ich ihm zu, wie er den Pinsel als Mikrofon missbraucht und sich ein klein wenig zum Affen macht. Dann dreht er sich schwungvoll und spritzt mich dabei mit Farbe voll. Ich sehe bedröppelt drein, während er innehält und dann in schallendes Gelächter ausbricht. „Okay, jetzt reicht es,“ rufe ich gespielt böse und wedle mit dem Pinsel, bis auch er mit Farbe befleckt ist. Dann nähere ich mich ihm mit erhobenem Farbwerkzeug und sehe ihn grinsend an: „Ich wollte mich eh noch für vorhin rächen.“ Nun hebt er ebenfalls den Pinsel und wie zwei Cowboys beim großen Showdown umzingeln wir uns gegenseitig. „Versuchs doch,“ fordert er mich heraus. Das sehe ich als Startschuss und attackiere ihn mit dem Pinsel. Er wicht im richtigen Moment aus, rennt von dannen, nicht ohne mich dabei noch mit Farbe im Gesicht zu beschmieren. „Ich krieg dich,“ fluche ich und stürme ihm nach. Da keine Möbel im Weg stehen, können wir eine ganze Zeit lang durch sein Wohnung jagen, bis ich ihn tatsächlich zu fassen kriege. Triumphierend schlinge ich die Arme um seine Hüften und zerre ihn zu mir zurück, wobei wir fast noch rückwärts umkippen. Dann trifft ihn mein erster vernichtender Pinselschlag am Arm. Er quiekt auf und windet sich in meinen Arm, um zum Gegenangriff anzusetzen. Ich bin aber schneller, fange seine Hand ab und nehme ihm den Pinsel ab, mal ihm dann einen hübschen Streife – noch roter - Farbe quer über das ganze Gesicht. „Ih,“ macht er und befreit seine Hand, um es wegzuwischen, verschmiert es aber nur noch mehr. Jetzt sieht er aus wie ein Indianer. „Das ist erst der Anfang,“ hauche ihm mit echter Bösweichtstimme ins Ohr und packe ihn fester, ehe ich seinen Arm mit einer hübschen Wellenlinie dekoriere. „Wie unfair! Gib mir meinen Pinsel wieder,“ brummelt er und versucht erneut, sich zu entwinden. Damit erreicht er aber nur, dass wir beide nach hinten taumeln und auf der Couch landen. Gott sei Dank haben wir die abgedeckt! Ich – über ihm – grinse triumphierend und blicke auf ihn hinab. Er sieht aufmüpfig zurück und drückt mit seinem Körper gegen meinen, was mich zu meinem Entsetzen scharf einatmen lässt. Um davon abzulenken, werfe ich den Pinsel achtlos zu Boden und beginne, ihn durchzukitzeln, bis wir beide völlig erschöpft und nach Luft japsend, auf der Couch liegen. „Ich glaube, ich streiche den Rest grün,“ meint er irgendwann erschöpft und blickt zu mir. Ich sehe ihn an. Er hat immer noch Farbe im Gesicht und ich beuge mich über ihn, um sie wegzuwischen. Sanft streiche ich über sein Gesicht, bis die Farbe nicht mehr ganz so dick auf seinem Gesicht zu erkennen ist. Er sieht überrascht zu mir hoch und ich fange seinen Blick nach einiger Zeit auf. Bisher ist mir noch gar nicht aufgefallen, was er für hübsche dunkelbraune Augen hat. Nun sehen mich diese fragend an und ich werde mir bewusst, was ich gerade tue. Ein wenig ruckartig ziehe ich die Hand von seiner Wange weg. „Dann sollten wir uns ranhalten, damit wir heute noch fertig werden,“ eröffne ich ihm und zu meinem größten Ärger klingt meine Stimme belegt. Ich springe auf und packe seinen Arm, um ihn auch hoch zu ziehen. „Los, nicht so faul!“ Er sieht ein wenig verwirrt aus, lässt sich aber nichts anmerken. Stattdessen greift er nach einem Pinsel und streicht die eine Wand mit schwarz zu Ende. Ich hingegen versuche mich schon am Öffnen der grünen Farbe und irgendwann haben wir auch die Wände im Wohnzimmer fertig. Beide sehen wir ziemlich zerstört aus, sind über und über mit Farbe bedeckt. Ich sehe ihn an und er mustert mich von oben bis unten: „Duschen?“, will er dann wissen und ich nicke. Ich darf zu erst ins Bad, während er dabei ist, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Kaffee kochen. Dass er es bisher ohne Kaffee ausgehalten hat, hat mich ja ehrlich gesagt ein wenig verwundert. Während ich dusche, bemerke ich belustigt, dass er Duschgel mit Kaffeegeruch besitzt. Manchmal frage ich mich echt, was bei dem Jungen eigentlich schief gegangen ist, aber irgendwie ist das ja auch süß. Nun riecht nicht nur die ganze Wohnung nach Kaffee, sondern auch ich selbst, und so weiß ich gar nicht, ob ich nun mich oder seinen Kaffee erschnüffle, als ich in die Küche trete. Valentin hat mir ein Shirt von sich zu geben, dass ihm zu groß ist und mir gerade so passt. In diesem und in Shorts, lasse ich mich ihm gegenüber auf einen Küchenstuhl fallen und warte geduldig, bis der Kaffee fertig ist. „tut mir Leid, dass ich keinen so tollen Bademantel habe,“ neckt er mich, ehe er selbst duschen geht. Ich habe meine Tasse gerade geleert, als er wieder auftaucht. Auch nur in Shorts, einem etwas weiten Shirt und nassen Haaren – ein irgendwie sehr süßer Anblick. Wir sehen uns in der Wohnung um, während er seinen Kaffee trinkt. „Ist doch ganz gut geworden,“ stellt er fest und ich nicke. „Sieht gut aus, ja,“ stimme ich zu. Er grinst mich begeistert an und trinkt von seinem Kaffee. Wenig später ist er fertig und ich verabschiede mich, um in meiner Wohnung tot müde ins Bett zu fallen. Aber wenigstens haben wir heute alles geschafft, was es zu schaffen galt. Zufrieden schlafe ich ein. Einige Wochen später kommen wir gerade aus der Stadt und laufen gemeinsam zum Wohnheim zurück. „Gehst du eigentlich nach Hause,“ will ich wissen und sehe Valentin, über den Rand meiner Pizza hinweg, an. Wir haben uns gerade an einem Imbiss etwas zu Essen gekauft. „Ja,“ erwidert er gedehnt. „Leider.“ Er seufzt tief und meint leise: „Weiß du, ich hab immer das Gefühl, man will mich dort nicht haben.“ Ich sehe zu ihm und kann mir das kaum vorstellen. Er ist so ein lustiger und offener Mensch, immer fröhlich und aufgeweckt… Kaum vorstellbar, dass irgendjemand ihn nicht bei sich haben will. Schon gar nicht seine Eltern. „Ich bin sicher, sie freuen sich, dich zu sehen!“ Er zuckt lustlos mit den Schultern und beißt beherzt in seine Pizza. „Weiß nicht.“ Es geht übrigens um die bevorstehenden Semesterferien. „Fährst du?“, lenkt er das Thema dann nicht sehr geschickt auf mich. Ich nicke. „Natürlich. Ich will die anderen unbedingt wieder sehen.“ Das ist der Grund, warum ich unbedingt nach Hamm will. Benni wird auch die Ferien dort verbringen und dann sind wir alle wieder zusammen. Ich sehe zu Valentin, der betrübt auf sein Pizzastück starrt. Schade nur, dass er nicht dabei sein kann. Ohne dieses quirlige Kerlchen wird mir irgendwie was fehlen. „Wenigstens siehst du deine Freunde dann wieder,“ versuche ich ihn zu erheitern und runzle im nächsten Moment die Stirn, weil mir auffällt, dass er noch nie von seinen Freunden erzählt hat. Scheint auch nicht sein Lieblingsthema zu sein, denn er sieht mich nur ausdruckslos an und meint dann gedehnt: „Jaaa.“ Ich ziehe die Brauen hoch. „Nicht?“, will ich wissen und überlege, ob sie vielleicht weggezogen sind oder warum er so betrübt drein blickt. „Ich mag meine Freunde nicht. Die sind nur aus Mitleid mit mir befreundet,“ eröffnet er mir dann, schürzt die Lippen und isst schweigend seine Pizza weiter. Was ich darauf sagen soll, weiß ich auch nicht so genau. Also knuffe ich ihn nur in den Arm. „Dann sieh das ganze positiv: Irgendwann gehen auch die Ferien vorbei.“ Er grinst mich schwach an und meint: „Klar.“ Oh man… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)