Zwischenwelten von Arle (-Sidestory X ~ Veleno-) ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Beginn: 14.08.2011 Ende: 14.08.2011 Kapitel 13 Die Nachricht erreichte mich während des Abendessens. Noël war inzwischen wieder häufiger Gast in meinem Hause und leistete mir an diesem Abend Gesellschaft. Ich hatte nicht herausfinden können, woher sein plötzlicher Sinneswandel kam, ob er einer Veränderung in der Gemeinschaft der Jäger geschuldet oder lediglich eine seiner Launen war. Jedenfalls bekam ich nun weitaus häufiger die Gelegenheit, ihn auch persönlich anzutreffen, anstatt seine Anwesenheit nur zu vermuten. Und wäre es nicht Noël gewesen, ich hätte direkt annehmen müssen, er wäre eifersüchtig. Seit jenem Gespräch über meine Jagdmethoden gewann ich immer mehr den Eindruck, dass er mich, wenn auch vielleicht nicht unbedingt mit Argusaugen, überwachte. Allerdings war ich geneigt, dies als Einbildung meinerseits abzutun. Denn zum einen fehlte eine Person oder etwas anderes, auf die beziehungsweise das er eifersüchtig hätte sein können und zum anderen sprachen wir hier von einem Mann, der den geborenen, adligen Vampiren nicht eben freundlich gesinnt war. Der Gedanke an ein Gefühl wie Eifersucht war unterhaltsam – und mindestens ebenso absurd. Jedenfalls saßen wir gerade beim Dinner – mein Gast war die meiste Zeit damit beschäftigt gewesen, mich mit brennendem Blick zu beobachten –, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm, das definitiv nicht hierher gehörte. Noël bemerkte die Veränderung in meinem Verhalten ganz offensichtlich, denn auch er hob aufmerksam lauschend den Kopf. Nur einen Moment später hatte ich erkannt was es war und musste mir ein Lachen verbeißen. Im nächsten Augenblick schoss ein kleines schwarzes Etwas durch den Raum, taumelte und landete dann zielsicher in der Schüssel mit dem Fruchtgelee. Noël war ganz offensichtlich sprachlos, während ich mich beeilte, den Neuankömmling aus dem Gefäß zu fischen, bevor er darin erstickte. „Pirikuan, du Dummerchen, komm her!“ Die kleine Fledermaus hatte sich von ihrer Bruchlandung offenbar bereits wieder erholt und protestierte nun lautstark gegen meinen Versuch, sie mit einer Serviette zu reinigen. Glücklicherweise war sie nicht verletzt und hatte zudem, ob nun geistesgegenwärtig oder zufällig, den Brief bereits losgelassen, bevor sie ein Bad im Fruchtgelee genommen hatte. „Pirikuan, ist ja gut, bleib da sitzen!“ Der Nachtschwärmer marschierte bereits über die ehemals weiße Tischdecke und sah sich vermutlich nach etwas Essbarem um. Noël sah das Tier fasziniert an und ich meinte auf seinem Gesicht jenen Oh-wie-süß-Ausdruck zu erkennen, den erstaunlich viele Vampire beim Anblick dieser Fledermaus zeigten. Ich war inzwischen zur Obstschale hinübergegangen und kehrte nun, mit einigen Johannisbeeren bewaffnet, zurück. Kurz wog ich den Brief in der Hand und stellte mit einiger Missbilligung fest, dass er wie erwartet viel zu schwer für das kleine Tier war. Ich erkannte das Siegel sofort und war alles andere als überrascht, dass der Absender sich nicht an die Regeln zum Transport von Briefen gehalten hatte. Weitaus mehr erstaunte mich dagegen, dass er mir schrieb. Es lag bereits eine ganze Weile zurück, dass Anoha und ich einander Gesellschaft geleistet hatten, zumal wir uns charakterlich mehr und mehr auseinandergelebt hatten. Und nun lud er mich spontan auf einen seiner Landsitze ein. „Schicken sich Vampire Briefe immer so?“ Ich hob den Kopf, doch Noël war noch immer in die intensive Betrachtung Pirikuans vertieft und erwiderte meinen Blick nicht. Es ärgerte mich ein wenig, dass er so viel Faszination für eine Fledermaus aufbrachte, während er mich für gewöhnlich zu ignorieren pflegte. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. „Fledermäuse werden nur für den Transport von Briefen eingesetzt und ab einem bestimmten Gewicht der Lieferung auch nur dann, wenn sie zu mehreren sind. Für größere Fracht nutzen wir Eulen.“ Er nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob er mir wirklich zugehört hatte. Der Neuankömmling hatte ganz offensichtlich Vorrang. „Ist das nicht ziemlich riskant?“, fragte Noël, während er Pirikuan dabei zusah, wie dieser dem Bratenteller auswich, als hätte man ihn damit persönlich beleidigt. „Man merkt, dass du noch nie mit einem Vampir Kontakt hattest, dessen Bote angegriffen wurde. Die Kleinen verteidigen die Briefe mit ihrem Leben und ein verletztes Tier gibt sehr schnell Aufschluss darüber, wer sich unrechtmäßig Einblick in die Privatsphäre anderer verschafft hat. Aber du hast natürlich recht. Kein Vampir würde jemals ein wichtiges Dokument auf diesem Wege verschicken, es sei denn, es bliebe ihm keine andere Möglichkeit das Schriftstück zu bewahren. Diese Art der Nachrichtenübermittlung wird eher aus traditionellen Gründen und auch meist nur für Einladungen oder ähnliches verwendet.“ Ich schnalzte mit der Zunge und sofort hatte ich Pirikuans ungeteilte Aufmerksamkeit. Sogar Noël sah auf. „Komm her“, sagte ich und beinahe augenblicklich machte das kleine Tier kehrt und kam zu mir zurück. Dankbar und mit großer Freude ließ es sich von mir eine Beere nach der anderen füttern. „Was ist das?“, fragte Noël und sah fassungslos auf die genüsslich schmatzende Fledermaus. „Johannisbeeren“, erwiderte ich und zog meinen Finger zurück, bevor das hungrige kleine Wesen vergaß, dass dieser nicht Bestandteil seiner Nahrung war. „Sie...trinkt kein Blut?“, fragte Noël und wirkte dabei, als würde ihn dieser Umstand zutiefst erschüttern. Offenbar glaubte er an die Legenden, in denen Vampire eng mit Fledermäusen verwandt waren oder sie als ihre Dienerschaft hielten, wenngleich es auch noch andere Tiere gab, deren Nutzung man ihnen nachsagte. „Natürlich gibt es auch solche, die das Blut von Tieren trinken, aber diese Art hier ernährt sich nahezu ausschließlich von Beeren. Es ist übrigens ein Männchen. Autsch, nicht beißen!“ Pirikuan war ganz offensichtlich eine sehr hungrige kleine Fledermaus und so dauerte es eine Weile bis sein Appetit gestillt war. Mit leisem Bedauern stellte ich fest, dass mein Essen bereits kalt geworden war, deutete dies jedoch als Zeichen, dass es Wichtigeres zu tun gab. Ich streckte den Zeigefinger aus und Pirikuan hängte sich kopfunter daran, wickelte die Flügel um seinen Körper und ließ sich von mir durch den Raum und in eine dunkle Ecke bringen, wo er sich zwischen zwei künstlichen Fledermäusen erneut zusammenfaltete und wenig später tief und fest schlief. „Sie schlafen nicht gern alleine“, erklärte ich beiläufig, doch als ich mich umdrehte und Noël ansah, hielt ich erstaunt inne. Hatte ich seinen Blick zuvor als brennend beschrieben, so musste ich mich jetzt korrigieren. Denn er war nichts im Gegensatz zu dem, den er mir jetzt zeigte. Es war ein intensiver Blick, voll kalter Wut, deren Ursprung ich mir nicht erklären konnte. Als er meinen Blick bemerkte, wandte er den seinen ab, wenn auch langsam, als wolle er mir sagen, dass ich wissen müsste, weshalb ich ihn verdient hatte. Eine Weile herrschte eisiges Schweigen, dann fragte er: „Was ist das für ein Brief?“ Erleichtert darüber, dass er von sich aus ein Thema ansprach, versäumte ich es ihn darauf hinzuweisen, das ihn das eigentlich nichts anging. „Ein Freund lädt mich in sein Landhaus ein. Ich werde mich gleich auf den Weg dorthin machen. Du entschuldigst mich?“ Ich erwartete keine Antwort und so beeilte ich mich den Tisch abzuräumen und zog mich dann in mein Zimmer zurück. Als ich wenig später wieder in der Empfangshalle stand und gerade das Geschenk für meinen Gastgeber verwahrte, kam Noël auf mich zu. „Darf ich Euch begleiten?“ Erstaunt betrachtete ich ihn. Es schien ihm ernst zu sein, denn er hatte sich bereits umgezogen und sah mich nun mit verhalten erwartungsvollem Blick an. „Ich glaube nicht, dass du das wirklich möchtest“, erwiderte ich zweifelnd, da ich bereits wusste, was ihn dort erwarten würde. „Warum nicht?“, fragte er mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie zuvor. „Nun, der Mann, den ich zu besuchen gedenke, ist ein Adliger, der sich zudem mit Erschaffenen umgibt“, antwortete ich und war mehr als erstaunt, dass ihn auch das offenbar nicht von seinem Wunsch mich zu begleiten abbrachte. Er schien einen Moment darüber nachzudenken, doch dann sagte er: „Ich möchte Euch begleiten.“ Ich hielt das für keine gute Idee, aber ich ahnte, dass er keines meiner Argumente akzeptieren, sondern auf seinem Wunsch beharren würde. Da mir der Sinn nicht nach Auseinandersetzungen stand und es mir immerhin die Gelegenheit bot, mich mit Noël zu unterhalten, willigte ich schließlich ein. Ich glaubte nicht, dass ihm von Seiten Anohas Gefahr drohte – zumindest nicht, solange ich bei ihm war –, aber ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser Angelegenheit. Daher nahm ich mir vor, Noël, soweit als möglich, im Auge zu behalten. In der stillen Hoffnung, dass sich die Entscheidung ihn mich begleiten zu lassen nicht als Fehler herausstellen würde. Kapitel 13 - Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)