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Unsee

von

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The life we had

Er hasste den Krankenhausgeruch. Er hasste die unangenehme Krankenhauskleidung, die quietschenden Krankenhausbetten und nicht zu letzt auch den alles andere als angenehmen Krankenhausbettbezug, der auf seiner Haut leicht scheuerte.

Er hasste Krankenhäuser generell.

Sie verhießen nie etwas Gutes. Jedes Mal, wenn er bisher in einem Krankenhaus zu sich gekommen war, war etwas geschehen, das er am liebsten sofort rückgängig gemacht hätte, etwas, das für ihn eine Schwäche darstellte. Allein die Tatsache, dass es bedeutete, dass er sich hatte verletzten lassen, ließ ihn jedes Mal wieder auf die verdammten Krankenhäuser mit ihren Ärzten und Vorschriften fluchen.

Und auch dieses Mal war es kein bisschen anders und als Sasuke nach einer Nacht mit wenig Schlaf und starken Kopfschmerzen langsam aufwachte, hätte er am liebsten aufgestöhnt. Er hielt die Augen geschlossen und versuchte sich weder auf den Gestank der Desinfektionsmittel, noch das sachte Brummen der Gerätschaften neben seinem Bett, noch die Atemzüge zu seiner linken zu konzentrieren und stattdessen alles auszublenden und wieder einzuschlafen.

Leider war das alles andere als leicht. Er war nicht länger müde und er hatte keineswegs vergessen, was am Vortag (er ging zumindest davon aus, dass es der nächste Morgen war) geschehen war. Er wusste, was folgen würde, wenn er die Augen aufschlug und deshalb presste er die Lider fest zusammen und sagte sich immer und immer wieder, dass er nicht daran denken sollte, wohl wissend, dass es längst zu spät war.

Er hatte seine unüberlegten Worte in der Nacht zu Naruto trotz allem ernst gemeint. Sie waren als Ninja aufgewachsen, zu Ninja erzogen worden und hatten als Ninja gelebt. Da war nichts anderes in ihrem Leben gewesen und es gab auch jetzt nichts anderes, das er sich überhaupt vorstellen konnte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass für ihn ein „normaler“ Beruf nie in Frage gekommen wäre, jetzt, ohne seine Augen war allein die Auswahl dessen, was er überhaupt noch machen konnte, derart gering, dass ihm spontan überhaupt nichts einfiel. Er konnte nicht verhindern, wie sich bereits jetzt wieder Zornfalten auf seiner Stirn bildeten und er die Lippen zusammenpresste.

Wie hatte das passieren können? Wie hatte er das nur zulassen können?! Das Schlimmste daran, er erinnerte sich an keinen Fehler. Es war ein ganz normaler Kampf gewesen, nichts hatte auf etwas Ungewöhnliches hingedeutet. Auch wenn der Kerl stark gewesen war, Naruto und er hatten ihn perfekt unter Kontrolle gehabt – bis er plötzlich ein Jutsu zur Vervielfältigung seiner Arme einsetzte und es irgendwie fertig brachte, sie leicht an der Stirn zu berühren.

Das war Sasukes letzte klare Erinnerung, danach fielen ihm nur noch verwaschene Gedanken an grelle Lichtblitze und Schmerzen tief in seinem Augeninneren ein. Danach musste er wohl bewusstlos geworden sein, denn plötzlich brach einfach alles ab.

„Ahhh!“

Ein entsetzter Schrei neben ihm ließ Sasuke zusammenfahren und nun doch erschrocken die Augen aufreißen. Natürlich war das Ergebnis genau das, was er erwartet hatte und doch verkrampfte er sich in dem Moment zusätzlich und knurrte wütend.

„Hör auf hier am frühen Morgen schon rumzuschreien, du Vollidiot!“, fauchte er wütend und wand den Kopf wieder seinen eigenen Händen zu. Es war unnötig sich die Mühe zu machen jemanden anzusehen, wenn man ihn nicht sah.

„Sa… Sasuke?!“

Innerlich verdrehte Sasuke nur die Augen, während er schwieg und lauschte, wie Naruto neben ihm irgendetwas tat, dass den Stoff wild rascheln ließ und einige Male tief durchatmete. Sasukes beste Schätzung war, dass sein vertrottelter Teamkollege wild übers Bett getastet hatte, aber mehr als raten war es nicht und so dachte er auch gar nicht weiter drüber nach und blendete den Idioten aus.

Zumindest versuchte er es, doch Naruto hatte wieder mal andere Pläne und nach gefühlten fünf Minuten hielt Sasuke das unruhige Rascheln und die ruckartigen Atemzüge nicht mehr aus, wand sich entgegen allem, was er sich vorgenommen hatte, doch in Richtung des zweiten Bettes um und zischte: „Hast du’s bald mal?!“

Schlagartig verstummten die Geräusche und für einen Moment hörte Sasuke nichts als seinen eigenen Herzschlag, der in der plötzlichen Stille unüblich laut in seinen Ohren zu hallen schien, dann gab Naruto einen schwer zu definierenden Laut von sich. Irgendwo zwischen Winseln und Seufzen und das nächste, was Sasuke hörte, war das leise Knarzen des Bettgestells, als der Junge neben ihm sich vermutlich wieder zurück fallen ließ.

Innerlich fluchte Sasuke nur noch mehr. Alles nur Vermutungen, er konnte nicht sicher sagen, was der Trottel von einem Teamkollegen tat. Und er hasste es.

Sasuke ließ sich wieder zurücksinken und richtete seinen Blick dorthin, wo er die Zimmerdecke vermutete. Normalerweise würde er diese im Krankenhaus immer wieder anstarren und versuchen mit seinen Blicken zu durchbohren und er sah keinen Grund darin etwas zu ändern, nur weil er die verdammte Decke in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Sie war da. Das sollte reichen.

Oder nicht?

„Sasuke?“

Sasuke verdrehte genervt die Augen. Einzig Narutos Tonfall verhinderte, dass er ihn gänzlich ignorierte. Das war nicht normal. Er war zu ruhig, zu zaghaft, zu leise. Er klang ganz und gar nicht nach Naruto und auch wenn Sasuke sich einreden wollte, dass er in dieser Situation egoistisch sein durfte, dass er alles Recht dazu hatte darüber hinwegzusehen, dass es seinem Teamkollegen gerade schlecht ging, weil er seine eigenen Probleme hatte, irgendwie schaffte er es nicht so ganz. Irgendwie war Narutos Tonfall und seine Stimme so falsch, dass selbst bei Sasuke, dem Eisklotz vom Dienst, die Alarmglocken losschrillten und er sich widerwillig zu einem „Hn?“ herabließ.

„Was…“ Naruto zögerte und Sasuke konnte regelrecht hören, wie er sich auf die Unterlippe biss. „Was meinst du, was…?“

Weiter kam er nicht, da in diesem Moment draußen auf dem Gang (?) Stimmen lauter wurden und eilige Schritte kamen näher. Sie sprachen gehetzt und wie in einem Streit, aber die Worte waren zu undeutlich, als dass Sasuke sie hätte verstehen können. Was er aber sehr wohl verstand war das Geräusch der eilig aufgeschlagenen Tür und augenblicklich wurden die Worte verständlicher.

„…können da nicht rein!“ Eine Frauenstimme, die ihm nichts sagte, vermutlich eine der Krankenschwestern, der Sasuke keine weitere Beachtung schenkte. Sie war es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, die gerade die Tür aufgerissen hatte, sondern eine andere Person. Sasuke hörte, wie diese scharf die Luft einzog. Er war sich nicht wirklich sicher – schon wieder! – aber er meinte, dass es ein Mann war. Auch die Schritte, die ganz langsam vorwärts kamen, waren eigentlich zu schwer für eine Frau. Spätestens aber, als wer-auch-immer-es-war ein ungläubiges, fast verzweifeltes „Nein!“ ausstieß, stand es außer Frage.

Sasuke konnte die Stimme nicht wirklich einordnen, auch wenn er sich absolut sicher war, dass er sie kannte und eigentlich erkennen sollte. Doch Naruto nahm ihm das Problem sogleich ab, als er leise fragte: „Iruka-sensei?“

In dem Moment, in dem er das sagte, war auch Sasuke klar, dass es stimmte. Und wieder wurde ihm nur zu bewusst, dass er es eigentlich auch selbst hätte merken sollen, aber er hatte der Stimme seines ehemaligen Lehrers nie wirklich Beachtung geschenkt – eigentlich keiner Stimme – und das würde sich nun wohl rächen. Er verzog leicht den Mund bei dem Gedanken.

„Naruto…“

Iruka klang, als stünde er total neben sich und Sasuke konnte es ihm nicht einmal verübeln. So, wie er Naruto kannte, hatte der vermutlich gerade versucht seinen Ersatzvater anzusehen und bei Irukas Einstellung dem Knallkopf gegenüber musste das ja niederschmetternd auf ihn wirken.

„Sasuke…“

Okay, das kam unerwartet und instinktiv hob Sasuke den Kopf, um fragend in die Richtung der Stimme, die ihr Gesicht verloren hatte, zu sehen. Zumindest bis ihm klar wurde, was er da tat, dann wand er schnell den Blick ab und schloss die Augen.

„Nein!“, flüsterte Iruka, „Nein, nein, nein!“ Und Sasuke bekam ein nur noch unwohleres Gefühl. Es war falsch, wenn Iruka - ausgerechnet Iruka! - das sagte und auf einmal war da dieses Bild in seinem Kopf von ihrem ehemaligen Lehrer, der zwischen den Krankenhausbetten stand und mit Tränen in den Augen um seine Fassung rang.

„Sie haben es mir gesagt, aber ich wollte es nicht glauben.“, hauchte der in diesem Moment und Sasuke hörte irgendeinen hölzernen Gegenstand knarren und vermutete, dass Iruka sich auf einen Stuhl gesetzt hatte. Nicht, dass er gewusst hätte, ob dieses Zimmer überhaupt einen Stuhl beinhaltete, aber er bezweifelte irgendwie, dass Iruka sich auf einem Tisch niederlassen würde.

„Iruka-sensei?“, hallte Narutos Stimme durch die Stille, „Wie… spät ist es?“

Das leise Klacken von Absätzen auf dem Boden verriet, dass die Krankenschwester es offenbar aufgegeben hatte und fort gegangen war, noch ehe die Antwort kam: „Kurz nach sechs.“

Früh. Viel zu früh. Viel zu früh für einen Besuch, viel zu früh, um nach einem Tag wie dem letzten aufzuwachen und viel zu früh, weil ein langer Tag vor ihnen lag, den sie damit verbringen konnten, sich Gedanken zu machen. Am liebsten wäre er auf der Stelle wieder eingeschlafen.

„Oh. Ist es… schon hell?“

Ja, super Idee, Naruto quäl uns noch ein bisschen mehr! Gar nicht masochistisch, was?

In Wahrheit musste sich Sasuke aber eingestehen, dass er sich diese Frage trotz allem auch schon gestellt hatte. Auch wenn er niemals neugierig genug gewesen wäre, um nachzufragen und so lauschte auch er auf Irukas Antwort.

„Ja, Naruto, es ist schon hell… die Sonne geht gerade auf, aber hier drinnen… hier drinnen brennen Lampen.“

„Mmh…“

Wieder herrschte einen Moment lang Schweigen und Sasuke fragte sich unwillkürlich, was Iruka und Naruto taten. Hatte Iruka sich neben ihn gesetzt und hielt seine Hand? Hatte er ihm den Kopf gestreichelt, wie früher? Hatte er ihn in den Arm genommen? Es war eine einzige große Frage, wenn man nicht hinsehen konnte…

„Iruka-sensei?“ Allein der Tonfall, der jetzt folgte, sagte Sasuke, dass gleich eine unangenehme Frage folgen würde und er sollte Recht behalten.

„Wie… sehen unsere Augen aus?“

Und eigentlich wollte er das auch wissen. Aber er hätte sich nie im Leben dazu herabgelassen zu fragen. Er wusste, dass blinde Augen abschreckend auf Menschen wirken konnten. Er wusste, dass es ihm egal war, wie er auf andere wirkte. Er wusste, dass es ihn nie wieder kümmern musste, wie er aussah. Und doch… er wollte es wissen. Wollte wenigstens eine grobe Vorstellung davon haben, was mit seinen Augen passiert war.

Iruka ließ sich Zeit mit der Antwort, ob er das absichtlich tat, war nicht klar, aber Sasuke wartete nur darauf, dass Naruto nachfragen würde, als…

„Sie sehen aus, wie immer, Naruto.“, meinte eine weibliche Stimme aus der Richtung, in der die Tür liegen sollte, auf einmal leise.

Sakura.

Diese Stimme war einfach zu erkennen, aber Sasuke runzelte dennoch die Stirn. Er hatte sie nicht wahrgenommen. Keine Schritte, kein Kleiderrascheln, kein Seufzen, nichts. Das war inakzeptabel, selbst in seinem Zustand.

„Eure Netzhäute sind zerstört, aber die liegen tief im Augeninneren, das man nicht sieht. Eure Augen sehen ganz genau aus, wie vorher, der einzige Unterschied ist, dass sie sich nicht mehr fokussieren…“

Und Sasuke wusste, was der betont neutrale Tonfall sollte. Da sprach nicht ihre Teamkameradin, sondern die erfahrene Ärztin, die nicht zum ersten Mal Patienten schlechte Nachrichten überbrachte. Offenbar hatte Sakura sich wieder halbwegs unter Kontrolle gebracht, wenn Tsunade sie wieder zu ihnen ließ.

Naruto schien aber nicht so weit denken zu können. „Sakura… bist du… in Ordnung?“

Ein leises Seufzen war die Antwort. „Ich… ja, bin ich.“ Eine Lüge. Und was für eine offensichtliche. Sie sprach schnell weiter, aber Sasuke fragte sich trotzdem, ob nicht selbst Naruto es merken sollte. „Ich hab euch Frühstück mitgebracht, da ihr ja ohnehin wach seid.“

„Äh….“

„Es sind nur belegte Brote mit Käse, Naruto.“

Ein paar unendlich leise Schritte, dann Geräusche, die Sasuke beim besten Willen nicht verstand, ein gemurmeltes „Danke“ und wieder Schritte. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, was vor sich ging, bis Sakuras Stimme direkt neben ihm leise fragte: „Sasuke? Machst du bitte mal die Hand auf? Ich will dir dein Brot geben.“

„Ich hab keinen Hunger.“, antwortete er härter und bitterer als gewollt. Sakura blieb ruhig und zeigte wieder, dass sie Erfahrung hatte.

„Ich weiß. Aber du musst etwas essen, sonst schadest du dir nur noch mehr.“

„Ich habe keinen Hunger.“, wiederholte er monoton.

„Du wirst nie entlassen, wenn du nicht vernünftig isst.“, erwiderte sie sachlich. Sasuke knurrte, hob aber ohne sich zu ihr umzudrehen oder auch nur den Kopf zu heben, eine Hand grob in ihre Richtung. Beinah augenblicklich wurde für seinen Geschmack fast schon zu schnell ein Brot hineingedrückt.

Skeptisch fuhr er mit den Fingern der freien Hand die Kante des Brotes nach, ehe er lust- und appetitlos anfing daran herumzuknabbern.
 

Es war nicht das erste Mal, dass Kakashi den langen Weg zum Krankenhaus lief. Es war auch nicht das erste Mal, dass er Teammitglieder von dort abholte. Und es war sicher nicht das erste Mal, dass es sich um diese beiden handelte.

Aber es war das erste Mal, dass er sich dabei unendlich alt und ratlos fühlte und sich wünschte, er würde niemals ankommen. Er wollte nicht daran denken, was unweigerlich folgen würde, wenn er es tat. Ihre Blicke, er konnte sie jetzt schon vor sich sehen, leer, bitter, schmerzerfüllt. Mindestens in Sasukes Fall wütend, verletzt und kalt. In Narutos wohl eher deprimiert, niedergeschlagen und verunsichert.

Er wollte sie nicht so sehen. Er wollte niemanden so sehen, aber ganz bestimmt nicht seine beiden Teammitglieder. Sie hatten es nicht verdient. Er hatte sich ohnehin selbst immer wieder gefragt, wie die beiden es nach allem, was ihnen im Leben schon passiert war, bis jetzt geschafft hatten nicht daran zu zerbrechen und er fürchtete, dass es nun endgültig zu spät sein würde.

Er konnte nicht mal ansatzweise verstehen, wie sie sich fühlen mussten, aber er kannte den Schmerz, den Verluste auslösten und wusste, wie unendlich groß dieser sein konnte. Beide Jungen hatten Schmerzen gespürt, beide hatten Verluste erlebt und beide hatten nun mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zukunft verloren.

Kakashi schüttelte innerlich über die Unfairness des Lebens den Kopf, aber selbst er, der sich einbildete eine halbwegs optimistische Einstellung zu haben, konnte sich nicht vorstellen, wie es jetzt mit ihnen weitergehen sollte. Ninja lebten davon, dass ihre Sinne trainiert waren und auf kleinste Dinge reagierten. Er konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, wie sie ein so großes Hindernis überwinden sollten. Nicht einmal diese beiden, denen er so einiges zutraute.

Der Weg, der ihm sonst so endlos lang vorkam, war viel zu schnell genommen und als Kakashi durch die automatischen Schiebetüren die weiße, sterile Eingangshalle des Krankenhauses betrat, wartete Tsunade bereits auf ihn.

„Kakashi.“

Er nickte nur schwach und musste mir aller Gewalt ein Seufzen unterdrücken, als die Hokage mit einer Handbewegung andeutete, dass er ihr folgen sollte. Sie schwieg, als sie ihn ins Treppenhaus und hinauf in den dritten Stock führte, dort allerdings blieb sie stehen und sah ihn direkt an.

„Ich habe schon mit beiden gesprochen. Sasuke hat zugestimmt, dass Naruto vorerst zu ihm zieht.“ Vermutlich war der Ausdruck „zugestimmt“ übertrieben, dachte Kakashi, so, wie er Sasuke einschätzte, hatte der wenn es hoch kam genickt, eher noch nur kurz ein Nicken angedeutet.

„Sie sind beide erstmal für ein Jahr krankgeschrieben, länger lässt es der vermaledeite Papierkram leider nicht zu. Ich habe keine Probleme damit, es danach zu verlängern, aber das soll erstmal nicht unsere Sorge sein. Das wichtigste ist jetzt, dass sie lernen weiterzumachen.“ Tsunade seufzte leise und Kakashi staunte, als sie sich müde mit einer Hand durch die Haare fuhr und er für wenige Sekundenbruchteile meinte zu sehen, wie alt sie wirklich war.

„Kakashi, hör mir zu.“ Als sie aufsah und seinen Blick suchte, lag ein Ernst und eine Eindringlichkeit darin, die ihn schaudern ließ. „Bisher stehen sie unter Schock, ich kann nicht absehen, wie lange es so bleiben wird, aber wenn sie wirklich anfangen zu verstehen… kurzum, ich mache mir Sorgen. Besonders mit ihren… Vorgeschichten. Wir müssen alles daran setzen, dass sie nicht allein sind und möglichst schnell lernen klar zu kommen. Sonst fürchte ich, könnte es zu ernsthaften Depressionen, wenn nicht schlimmerem kommen, verstehst du?“

Kakashi nickte langsam, ehe er fast flüsternd fragte: „Was können wir tun?“

Tsunade zuckte hilflos die Schultern. „Wenn ich das wüsste. Am liebsten würde ich mir gar keine Gedanken darüber, sondern lieber um ihre Augen machen, aber leider weiß ich selbst wie sinnlos das ist.“ Sie biss sich auf die Lippe. Und Kakashi schluckte schwer. Tsunade wusste nicht mehr weiter?! „Ich war bisher auch noch nie in einer solchen Situation, aber bis mir etwas einfällt, halte ich es für wichtig, dass ihr, das heißt Sakura und du, für sie da seid. Bei euch wird es ihren Stolz noch am wenigsten stören, wenn ihr ihnen helft. Zumindest hoffe ich das.“

Es konnte also genauso gut ins Gegenteil umschlagen, übersetzte Kakashi, was Tsunade ihm nicht sagen wollte. Aber er blieb stumm und nickte nur zum wiederholten Mal. Er war kein Arzt und er hatte keine Erfahrung, somit blieb ihm keine große Wahl als ihrem Urteil zu vertrauen.

„Das heißt, wir bringen sie jetzt zum Uchiha-Anwesen?“, versicherte er sich, woraufhin Tsunade nickte.

„Ja. Iruka war vorhin schon da und hat sichergestellt, dass die beiden sich alleine angezogen haben. Ich glaube, das war schon ein wenig unangenehm, aber ich wollte keine der Schwestern damit beauftragen… und jetzt komm.“

Damit wand sie sich ab und lief den Gang hinunter. Kakashi folgte widerwillig und versuchte sich innerlich darauf vorzubereiten, was folgen würde. Doch egal, wie viele Atemtechniken und Entspannungsmethoden er auch auf die Schnelle versuchte, nichts konnte ihn vor dem Gefühl bewahren, das er verspürte, als Tsunade die Tür öffnete und die Blicke seiner Schüler nicht auf ihn, sondern durch ihn hindurch fielen.
 

Zu sagen, dass Sasuke sich verdammt unwohl fühlte, wäre eine riesige Untertreibung gewesen. Er lief stumm, mit verbissen zu Boden gerichtetem Blick und angespannten Muskeln eine der Hauptstraßen Konohas entlang und tat sein möglichstes Kakashis Hand auf seiner Schulter, die ihn steuerte, nicht zu misstrauen. Keine wirklich leichte Aufgabe, wenn man, wie er, gewohnt war, niemandem so ganz zu vertrauen. Irgendwie ließ ihn auch das Gefühl nicht los, dass sein Lehrer nicht unbedingt der beste Führer war… wahrscheinlich las er wieder in seinem Buch.

Sasukes Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten. Wie er das hasste. Er konnte und wollte nicht davon abhängig sein, sich von jemandem durch die Gegend führen zu lassen. Aber er wusste selbst, dass er keine wirkliche Wahl hatte – oder jemals wieder haben würde, egal, wie oft Naruto ihm erzählen wollte, weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Naruto selbst lief irgendwo rechts neben ihm. Soweit Sasuke das beurteilen konnte, hatte er sich bei Sakura eingehakt und ließ sich ohne Bedenken von ihr vorwärts ziehen. Nebenbei redete er noch auf sie ein, doch seine Worte verschwammen mehr und mehr mit den umliegenden Geräuschen, sodass Sasuke nicht weiter auf sie achtete. Er wusste, dass es anfangs irgendwie ein reichlich gescheiterter Versuch gewesen war, Sakura etwas anderes zu entlocken als ihre nutzlosen Entschuldigungen, die sie wieder und wieder von sich gab. Doch inzwischen wollte Sasuke ohnehin nicht mehr hören, was die beiden zu sagen hatten. Er machte Sakura keinen Vorwurf, sie war sicher die letzte, der er die Schuld gegeben hätte, entsprechend war er es leid ungerechtfertigte Entschuldigungen und ihre Mitleidsbekundungen zu hören. Er wollte nur noch allein sein. Allein in seinem Zimmer, wo ihn niemand sah, niemand störte und niemand ansprach. Allein, wo er endlich die Verzweiflung und die Wut herauslassen konnte, ohne, dass es jemand merkte.

Stumm hatte er zugestimmt, als Tsunade vorgeschlagen hatte, dass Naruto zu ihm ins Haus einzog, damit es für sie beide leichter werden sollte. Oder vielleicht eher damit man weniger Babysitter auf einmal brauchte? Sasuke knurrte leise vor sich hin und merkte kaum, wie sie anhielten, damit Sakura Naruto half seine Sachen zusammen zu packen, ehe sie zu Sasukes Haus weiter liefen.

Für ihn war es nur eine kurze Wartezeit, er nahm kaum wahr, dass sie tatsächlich über eine halbe Stunde vor Narutos Wohnungstür standen und warteten. Er merkte nicht wirklich, dass Kakashi mit ihm sprach oder dass Sakura fast verzweifelte, als Naruto trotz allem darauf bestand (und daran scheiterte) es zumindest erst selbst zu versuchen.

Er merkte nur, als die Hand auf seiner Schulter ihn wieder sacht nach vorne drückte und setzte sich automatisch mit in Bewegung.

Das Laufen selbst störte ihn wenig, aber die Tatsache, dass er, selbst wenn er aufsah, vor sich nicht mehr als schwarze, dunkle, scheinbar wabernde Schemen sah. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sich nicht auch diese nur einbildete, weil er unbedingt irgendetwas anderes als Dunkelheit sehen wollte. Oder weil er sich einreden wollte, dass es tatsächlich nur Dunkelheit war, obwohl er nur zu deutlich die Sonne auf Gesicht und Händen spüren konnte, die ihm zweifelsfrei sagte, dass es Mittag und helllichter Tag sein musste…

Erst, als Kakashis Hand plötzlich verschwand, schreckte Sasuke aus seinen düsteren Gedanken auf und musste ein instinktives Zusammenzucken unterdrücken. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht darauf zu achten, wohin sie liefen oder auch nur versucht sich auf irgendwelche Anhaltspunkte zu konzentrieren, die er vielleicht noch haben mochte.

Und jetzt war passiert, womit er eigentlich hätte rechnen müssen: Kakashi war weg und er allein. Sasuke biss sich auf die Lippe. Shit.

Er zwang sich zur Ruhe, schloss in einer reflexartigen Bewegung die Augen und lauschte auf seine Umgebung. Es war ein wenig erfolgversprechender Versuch und Sasukes Gesicht verzog sich immer mehr, je länger er an diesem unbekannten Ort stand und nichts hörte. Einfach gar nichts. Keinen Wind, kein Blätterrascheln, keine Vögel, keine Menschen, nichts. War er irgendwo im Inneren eines Gebäudes? Hätte er nicht auch dort irgendetwas hören sollen? Wo waren Kakashi und Sakura hin? Wo war Naruto? Und, die wohl wichtigste Frage überhaupt: Was sollte er jetzt tun? Sein Gehör sagte ihm rein gar nichts und er hatte nicht vor sich wie ein Idiot mit ausgestreckten Händen vorwärts zu tasten, bis er auf irgendetwas stieß und…

Er konnte nicht verhindern, dass er erschrocken einen halben Schritt zurück zuckte, als ihn plötzlich etwas an der Brust berührte. Er brauchte eine halbe Sekunde, um zu realisieren, dass es sich verdammt nach menschlichen Fingern anfühlte und dass nun, da er darauf achtete, auch ganz leise ein Atem irgendwo vor ihm stand. Ein Mensch. Er war nicht alleine.

„Teme?“, fragte kurz darauf eine ihm nur zu gut bekannte, nervige Stimme. Sasuke setzte dazu an ihn als Antwort einfach anzufunkeln, bis ihm einfiel, dass es vollkommen sinnlos war. Er selbst konnte einfach nicht treffen und selbst wenn er es durch Zufall hingekriegt hätte, im Augenblick waren Blicke an Naruto vollkommen verschwendet.

Also rang er sich mit einiger Mühe doch dazu durch zu sprechen: „Was?“

Ein kleines Stimmchen in ihm sagte, dass er erleichtert war, weil er nun doch wusste, dass er nicht allein war. Leider war da ein deutlich lauteres Stimmchen, dass ihm sagte, dass der Idiot ihm kein bisschen würde helfen können.

„Wo schlafe ich?“

Naruto klang seltsam normal, vielleicht einen Tick zu gut gelaunt, um es wirklich ernst zu meinen, aber andernfalls hätte Sasuke gesagt, dass alles vollkommen in Ordnung wäre, wenn er es nicht besser gewusst hätte – und das tat er spätestens seitdem Naruto gestern Abend versucht hatte sich zu ihm auf die Bettkaste zu setzen und dabei vermutlich gegen so ziemlich jeden einzelnen Gegenstand im gesamten Raum gerannt war. Sasuke wusste schon, warum er sich nicht vom Fleck bewegt hatte…

Sasuke schnaubte. „Gästezimmer.“ Unter normalen Umständen hätte er eine Bewegung in Richtung Treppe gemacht oder, an einem guten Tag, vielleicht sogar den Weg gezeigt, doch so blieb er stehen und rührte sich nicht. Immerhin konnte er jetzt vermuten, dass er irgendwo in seinem Haus stand. Wo war eigentlich Kakashi hin? Oder Sakura? Es klang nicht, als ob sie noch in der Nähe wäre, aber keiner von ihnen wäre dumm genug, Naruto und ihn jetzt alleine zu lassen… oder?

„Und wo ist das?“, fragte Naruto und Sasuke meinte in seiner Stimme zu hören, wie er die Augen verdrehte. Gleich darauf schalt er sich selbst einen verdammten Narren, man konnte doch keine Mimiken hören! Das war so was von schwachsinnig und klang eher nach etwas, dass sein vertrottelter Teamkollege loslassen würde.

„Oben.“, war seine kurze Antwort, „Zweite Tür links.“ Er war einfach nicht in der Stimmung jetzt genaueres zu sagen und er fand, dass man anhand dieser Beschreibung sehr wohl auch blind den Raum finden konnte.

„Teme.“, erklärte Naruto daraufhin und wieder landete eine Hand auf Sasukes Brust und er konnte ein leichtes Zucken nicht verhindern, „Ich war vielleicht dreimal in deinem Haus und kein einziges Mal im Obergeschoss, wie bitte soll ich das finden?“

Sasuke war sich nicht sicher, ob sein Tonfall nun ernst, spaßig oder trocken sein sollte, entschied sich aber für ein Schulterzucken, von dem er nicht einmal sicher wusste, ob Naruto es überhaupt wirklich wahrnehmen konnte.

„Lass dir von Sakura den Weg zeigen.“ Sie wird sich freuen, sich hier umsehen zu dürfen, fügte er in Gedanken hinzu. Dafür erntete er aber nur ein Schnauben von Naruto.

„Sie ist gegangen. Genauso, wie Kakashi-sensei. Wir beide sind allein.“, fügte er betont hinzu. Natürlich sah er nicht, wie Sasuke skeptisch die Stirn runzelte und eine Augenbraue hob. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die beiden sie in ihrem… Zustand wirklich allein lassen würden. Wieder lauschte er intensiv auf seine Umgebung, aber auch wenn er jetzt Naruto auf eine schwer zu beschreibende Art sehr deutlich (und seltsamerweise nicht nur akustisch, es war mehr als ob er fühlte, wo Naruto stand) wahrnehmen konnte, jemand anderes hörte er nicht.

„Also hör auf da in der Gegend rumzustehen und zeig mir den Weg.“ Die Hand wanderte seine Brust entlang zu seiner Seite und dann seinem Arm und von dort hinauf zu seiner Schulter, wo sie blieb und ihn kurz leicht drückte.

„Hn.“

Die Aussage war ja gut und schön, nur leider hatte der Blödmann offenbar zwei wichtige Dinge außer Acht gelassen. Zum einen wusste Sasuke nach wie vor nicht, wo genau sie eigentlich waren. Er ging zwar inzwischen davon aus, dass sie in seinem Eingangsbereich standen, aber wo genau war eine völlig andere Frage.

Zum anderen sollte Naruto wissen, dass Sasuke genauso viel oder wenig sehen konnte, wie er selbst und auch wenn er sich hier eigentlich auskannte, hieß das keineswegs, dass er es ohne irgendwo anzustoßen durch die Räume schaffte. Er hatte es nie versucht, aber er war realistisch genug, um zu wissen, dass es alles, aber nicht einfach sein würde. Plus, er konnte nicht sicherstellen, dass Naruto neben ihm nicht in irgendetwas rein rannte. Er selbst hätte sich niemals von Naruto durch dessen Wohnung führen lassen, soviel stand auf jeden Fall fest!

„Jetzt mach schon, du kennst dich hier doch aus und ich hab keine Ahnung, wo es lang geht, also hör auf so ein Bastard zu sein und geh endlich los.“

Es dauerte über eine halbe Stunde und kostete mehrere Diskussionen, Schnauben und viele mehr oder weniger sachte Stöße seitens Narutos, ehe es Sasuke schlichtweg zu nervig wurde und er sich dachte, dass es die eigene Schuld des Trottels war, wenn er irgendwo gegen stieß. Das sprach er auch laut aus, aber Narutos Antwort war ein trockenes „Das wird mir noch oft genug passieren, kann ich mich gleich schon mal dran gewöhnen.“

Sasuke grummelte und murrte daraufhin nur, gab es aber auf. Wenn Naruto sich was in den Kopf gesetzt hatte, war es echt mühselig ihn davon wieder abzubringen.

„Okay, Blödmann, wo genau sind wir?“

„Häh?“, kam postwendend die hochintelligente Antwort, „In deinem Haus?“

Sasuke grummelte leise, ersparte sich aber jede Reaktion darauf und tat stattdessen nun doch, was er hatte vermeiden wollen – er streckte den Arm aus, bis er eine Wand spürte. Okay, eigentlich war es kein schwerer Weg – nach rechts bis zur Wand, dann die Treppe hoch und wieder an der Wand entlang bis zur zweiten Tür, sollte eigentlich machbar sein.

Leider kamen sie kaum zwei Schritte weit, als Sasukes Finger, die immer noch die Wand entlang fuhren, auf etwas stießen und er leicht zurückzuckte. Dann strich er behutsam über das Hindernis und erkannte es als Rahmen. Augenblicke später wurde ihm klar, dass es das alte Bild war, das schon so lange dort hing, wie er denken konnte.

Er strich vorsichtig außen herum und ging weiter, bis er nach vermutlich nicht mal einem Meter auf das nächste „Etwas“ stieß und wieder stehen blieb.

„Sasuke?“, fragte Naruto besorgt neben ihm, „Was ist?“

Sasuke schüttelte sinnloser Weise den Kopf und seufzte innerlich. Das dürfte dann wohl das geschnitzte Ornament sein. „Nichts…“

Und so ging es die Treppe hoch weiter.

Vom Prinzip her war es nicht dramatisch, wären da nicht alle möglichen Ziergegenstände an den Wänden gewesen, denen er quasi nie Beachtung schenkte und die ihn jetzt jedes Mal irritierten, wenn seine Hand sie streifte. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Narutos Hand noch immer auf seiner Schulter lag und er sich ehrlich fragte, wie der andere nur so dumm sein konnte sich hier auf seine Führung zu verlassen. Unnötig zu sagen, dass sie sehr langsam waren und sehr lange für diesen Weg brauchten, den Sasuke sonst ohne nachzudenken in wenigen Sekunden genommen hätte…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-06-06T12:31:01+00:00 06.06.2011 14:31
und wieder ein tolles kapi^^
ist ja iwi unfähr von kakashi und sakura die da einfach stehen zu lassen^^

freu mich schon wenn es weiter geht =)

LG deamon


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