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Ein guter Tag zum Sterben

Zwei Hundebrüder, der Hunderat und so etwas ähnliches wie die Hölle
von

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Shiken jigoku - die Prüfungshölle

So you think you've got friends in high places

With the power to put us on the run

Well, forgive us these smiles on our faces

You'll know what power is when we are gone:

You're playing with the big boys now
 

Aus dem Film: The prince of egypt,: Steve Martin, Martin Short
 

Sesshoumaru stand auf einem Hügel und betrachtete das schlafende Land unter sich, als ihn etwas störte. Er prüfte die Luft. Nichts war zu wittern, nichts zu erkennen, aber er wusste, dass dort jemand war, der ihn beobachtete, selbst aber nicht wahrgenommen werden wollte. Nun, nicht weiter verwunderlich. Kaum ein Youkai legte es darauf an, dass er ihn bemerkte und die Nähe womöglich als Impertinenz empfinden würde. Darum unterdrückten sie, so gut es ging, auch ihre dämonische Energie. Dieser hier verbarg sie vollständig, was an sich auf große Stärke hindeutete, und hielt sich gegen den Wind. Was sollte das? Nun, wenn derjenige ihn belästigte, würde er ihm gern dabei behilflich sein den Weg in die andere Welt zu finden.

Das also war der Erbe des verstorbenen Taishou, dachte der stille Beobachter. So nahe war er ihm noch nie gekommen, außer bei einigen offiziellen Treffen vor langer Zeit. So arrogant und dickköpfig wie der war, schien er tatsächlich anzunehmen, dass die Regeln der Hundeyoukai für ihn nicht galten, dass er tun und lassen konnte, was und wie er wollte. Nun, er irrte sich. Er hatte sich bewusst oder unbewusst mit Leuten eingelassen, von deren Macht er keine Ahnung hatte. Und die würde er bald zu spüren bekommen.
 

Inuyasha und Miroku gingen durch den ihnen nur zu bekannten Wald, froh, in einer Stunde endlich wieder nach Hause zu kommen. Sie beide waren vier Wochen unterwegs gewesen, hatten einfache Dämonen vertrieben, Menschen geholfen und dafür Waren und auch Geld bekommen, Lohn, den nun der Hanyou trug. Aber der Mönch hatte eine Ehefrau und bislang drei Kinder zu ernähren, auf weitere hoffte er, und Inuyasha wusste, dass Kagome auf ihn wartete. Sie lebte seit Monaten bei ihm im Mittelalter, ja, sie waren verheiratet, und er gab sich nur selbst zu, dass er sich eines Tages auch eine komplette Familie wünschte. Aber darüber redete er mit Kagome nicht. Da war etwas von einer Pille gewesen, die sie zur Verhinderung von Kindern nahm, und die sie aus der Zukunft mitgebracht hatte. Sie hatte viel zu lernen, um eine wirkliche miko zu werden, und die alte Kaede bildete sie sicher auch gut aus...da konnte er warten. Sie hatte auf ihre Familie und ein sicheres Leben in der Zukunft für ihn verzichtet, so viel aufgegeben...

Noch vor wenigen Jahren hätte er seinen Dickkopf durchsetzen wollen, aber in den drei Jahren in denen er Kagome aufgegeben hatte, nur um sie in Sicherheit zu wissen, war er doch erwachsen geworden. Was sein sollte, würde sich ergeben, was nicht..nun...ja.
 

Inuyasha hob trotz all seiner Gedanken plötzlich den Kopf und prüfte die Luft.

Der Mönch sah seitwärts: „Ist etwas?“ Er wusste, dass er sich auf die Sinne seines Freundes verlassen konnte. Das fehlte noch, dass sich etwas oder jemand Feindliches in der Umgebung des Dorfes herumtrieb. Nicht, dass er an Sangos oder Kagomes Fähigkeiten zweifelte, aber das waren die Momente, in denen er sein Schwarzes Loch vermisste – gewöhnlich war er mehr als froh, den tödlichen Fluch losgeworden zu sein.

Der Halbdämon drehte sich um die eigene Achse, seine Last dabei mitschwingend: „Nichts zu riechen, nichts zu sehen. Aber ich könnte schwören, dass da etwas ist. Irgendjemand guckt uns an.“

„Vielleicht nur ein Tier?“

„Ja, wahrscheinlich.“

„Nach den Abenteuern der letzten Jahre kaum verwunderlich, dass du so wachsam bist.“ Miroku sah sich jedoch ebenfalls um: „Ich kann jedenfalls auch keinen Dämon oder Youkai wahrnehmen.“

Die beiden gingen weiter, ohne zu ahnen, dass ihnen dunkle Augen zufrieden nachblickten.

Ja, das Halbblut mochte gute Erbanlagen besitzen – aber er war eben ein halber Mensch und würde nie mit ihr mithalten können. Sollten er und diese erbärmlichen anderen Wesen doch weiterhin annehmen, Youkai belästigen oder gar beseitigen zu können....

Das dort an seiner Hüfte war also eines der legendären Schwerter der Hundeyoukai, Tessaiga. Welche Verschwendung für einen Halbmenschen. Jetzt musste sie nur noch ihren Plan in die Tat umsetzen. Der dumme Bastard ahnte noch nicht, dass er es nun mit wirklich ernstzunehmenden Gegnern zu tun bekommen würde. Bis er es merkte, wäre er schon so gut wie tot.
 

Der hohe Turm mitten auf der einsamen Hochebene trotzte schon seit Jahrhunderten dem eisigen Wind.

Der hellhaarige, junge Besitzer in roter, silberbeschlagener Rüstung stand am Fenster und blickte in die untergehende Sonne, ohne die Frau hinter sich zu beachten, als er sagte: „Mir scheinen einige Ratsmitglieder dieser Meinung.“

Sie ignorierte die gewisse Unhöflichkeit. Wichtiger war ihr Plan: „In der Tat, Ratsmitglied Inabikari. Seit dem Tode des verstorbenen Taishou sind die Hundeyoukai und alle, die ihnen folgen, ohne Anführer. So kann das nicht weitergehen. Und da sein Bluterbe, Sesshoumaru, anscheinend mehr als desinteressiert ist diesen Titel anzunehmen, kam der Plan auf, einen neuen Herrn der Hunde zu suchen. Natürlich dachten wir auch an Euch, zumal Euer verehrter Vater...“ Sie brach ab, da er sich umdrehte.

„Ratsmitglied Kyuu, bitte, berichtet mir nichts, das ich bereits weiß.“ Er betrachtete die schwarzhaarige Inuyoukai vor sich, die zwar ebenfalls eine kostbare, dunkle Rüstung trug, aber, wie es die Höflichkeit verlangte, sein Haus ohne Schwert betreten hatte. Natürlich wusste er, dass der damalige Taishou seinen Vater getötet hatte. Nur, dort, wo andere deswegen blinde Rachegelüste gehegt hätten, war er selbst doch klug genug, dies als unsachlich, ja, unehrenhaft zu erkennen. Es war ein offener Kampf gewesen, zu dem sein verehrter Vater seinen Gegner auch noch aufgefordert hatte. Bedauerlicherweise hatte sein sonst so rationaler Erzeuger einen schweren Logikfehler begangen: er wollte das Schwert, das unbesiegbar macht, und hatte übersehen, dass eben der derzeitige Besitzer dies wohl war. „Stattdessen könntet Ihr mir zwei Fragen beantworten. Bei der zukünftigen Ratssitzung, die Ihr erwähnt: werdet auch Ihr Euch um den Titel bewerben?“

Sie lächelte ein wenig: „Es ist keiner weiblichen Hundeyoukai verboten. Allerdings, solltet Ihr mich besiegen, so werde ich Euch, wie es das Gesetz verlangt, eine treue Gemahlin sein.“ Und eben auf dem Umweg über ihn herrschen. Leider gab es da diese Einschränkung für Frauen. Wieder eine.

Inabikari nickte nur. Nun ja, wer der Taishou werden wollte, musste sämtliche Mitbewerber unterwerfen. „Und wie stellt Ihr Euch das mit Sesshoumaru vor? Überdies hörte ich von einem zweiten Sohn.“

„Das ist nur ein Hanyou, der dazu unter Menschen lebt.“

„Ein Hanyou? Wie interessant. - Dennoch: Euer Plan widerspricht dem Gesetz. Es existieren zwei Bluterben, die das Vorrecht besitzen.“

„Fürchtet Ihr den Kampf gegen Sesshoumaru?“ Sogleich bedauerte sie den Spott, denn in seinen Augen flammte Zorn auf, auch, wenn er sich sofort wieder unter Kontrolle hatte und seine Stimme ruhig blieb:

„Vorsicht, Ratsmitglied Kyuu! Ihr seid mein Gast, aber ich lasse mich von niemandem beleidigen.“

Sie neigte den Kopf. Wollte sie ihn auf ihrer Seite haben, durfte sie ihn nicht verärgern: „Verzeiht. - In diesem Fall haben meine Freunde, ich meine, die anderen Ratsmitglieder, die meiner Ansicht sind, einen Plan. Da sich Sesshoumaru nicht freiwillig dem Kampf um den Titel stellt oder ihn gar für sich beansprucht, werden wir ihn zwingen. Und seinen Halbbruder auch. Sind beide tot...“ Sie entsann sich seiner überaus großen Ehrpusseligkeit: „Oder auch nur einer, ist der andere der Taishou. So ist die Regel.“

„Und an was dachtet Ihr?“

„Die Prüfungshölle, shiken jigoku.“

Inabikari streifte sein Haar zurück, etwas überrascht. Natürlich, shiken jigoku. Einst von mächtigen Daiyoukai erschaffen, um stärker zu werden, um sich selbst untereinander in Magie zu messen.....Jeder, der diesen Prüfungspfad überlebte, hatte angeblich weitere Proben hinzugefügt. Es galt als sehr schwer, dies zu überstehen. Wenn es jedoch jemand schaffte, so war er nicht nur ein Daiyoukai sondern alle Youkai ehrten ihn als überaus mächtig und stark. Bestand Sesshoumaru dies war er der unangefochtene Taishou – und es würde ihm selbst unglaubliches Vergnügen bereiten, gegen ihn anzutreten, um den Titel selbst zu bekommen oder bei diesem Versuch durch die Hand eines Besseren zu sterben. „Und der Hanyou?“ erkundigte er sich dann doch.

„Auch er trägt das Blut des verstorbenen Taishou. Erst mit seinem Tod wäre der Kampf um den Titel frei.“ Ein derartiger Bastard würde niemals die Prüfungshölle überstehen, an der schon mächtige Daiyoukai zugrunde gegangen waren: „Die Wahl fiel auf shiken jigoku, da niemand, der den Pfad begonnen hat, ihn verlassen kann, ohne ihn durchzukämpfen oder zu sterben.“

Er nickte unmerklich, ehe er den logischen Schluss zog: „Das bedeutet, Ihr wollt die beiden Söhne des verstorbenen Herrn der Hunde entführen und sie hinter das Eingangstor bringen.“

„In der Tat. Dann muss sich Sesshoumaru der Prüfung stellen.“ Nein, Inabikari gegenüber sollte sie nicht erwähnen, dass sie gehört hatte, die Halbbrüder wären verfeindet und hätten sich schon heftige Duelle geliefert. Um so rascher waren sie den Hanyou los. Ein Halbblut und auch noch männlich, nein, nichts würde sie je dazu bringen, ihn auch nur zu achten. „Gegen die Magie des gesamten Rates wird auch er keine Chance haben. Wir müssen ihm eine Falle stellen, das ist klar. Und ich bedauere, dass dies nötig ist. Aber die Inuyoukai benötigen einen Anführer.“

Das war auch ihm bewusst. Allerdings hatte Inabikari stets vorgehabt, sich eines Tages, wenn sich eine Gelegenheit ergeben sollte, Sesshoumaru im Duell zu stellen. Dieser Weg dünkte ihm nicht so recht ehrenhaft. Andererseits erschien es ihm auch unbillig, ein Halbblut schlicht zu ermorden, nur um den Weg zum Taishou freizubekommen. Solch ein Bastard würde in einem Kampf doch nie mit einem Daiyoukai wie ihm mithalten können. Nun gut, auf dem Weg der Prüfungen hatten beide Halbbrüder eine Chance – der eine mehr, der andere sicher weniger. Überlebte keiner, auch gut, dann müsste er selbst sich eben mit Kyuu und allen anderen Mitbewerbern herumschlagen.

„Einverstanden, Ratsmitglied Kyuu.“

Sie atmete erleichtert auf. Mit Inabikaris Unterstützung würde sie ihren Plan im Rat durchbringen – und sich selbst den Weg zum Taishou um zwei gewichtige Hindernisse erleichtern. Sie hatte gehört und sich auch mit eigenen Augen überzeugt, dass der Hanyou das legendäre Tessaiga besaß, und dieses Schwert sollte Fähigkeiten haben, die der Erbärmlichkeit seines Trägers entgegengesetzt waren. Der Kampf gegen Inabikari würde schwer genug für sie werden, aber sie nahm doch an, dass er nicht alle ihre Fähigkeiten kannte.
 

Inuyasha erwachte mit dem Gefühl gestern zu viel Sake getrunken zu haben, ehe ihm einfiel, was geschehen war. Er war im Wald gewesen, allein, als Tessaiga vibriert hatte, um ihn zu warnen. Aber da war die Falle eines ungemein mächtigen Bannkreises auch schon zugeschnappt und er bewusstlos geworden.

Mit einem Satz war er auf den Beinen, bereit sein Schwert zu ziehen. Zu seiner gewissen Überraschung entdeckte er auf der Wiese neben sich seinen Halbbruder, der mit eisiger Miene einige Hundeyoukai anstarrte, die vielleicht dreißig Schritte vor ihnen standen. Dazwischen befand sich ein übermannshohes Tor aus drei großen Steinplatten, dessen Boden gefliest schien und seltsam leuchtete. Ein vierter Stein, der wohl als Verschluss diente, stand nun seitwärts.

Da Sesshoumaru nicht zur Waffe gegriffen hatte, ließ auch der Hanyou Tessaiga los und erkundigte sich nur: „Gibt es irgendeinen Grund, warum ich nett zu den Typen sein sollte?“ Zu seinem gewissen Erstaunen bekam er sogar eine Antwort:

„Nein.“

Kyuu trat aus der Gruppe hervor: „Da nun auch der Mischling wach ist: wir bedauern, dass es notwendig war Euch in diese Lage zu bringen, Sesshoumaru-sama. Aber Ihr seid nun einmal der Erbe des verstorbenen Taishou. Da Ihr bislang durch nichts zu erkennen gegeben habt, diesen Titel tragen zu wollen, Euch auf keinen Kampf um ihn eingelassen habt, hält es der Rat für notwendig, einen neuen Taishou erkämpfen zu lassen. Selbstverständlich habt Ihr und Euer...hm...Halbbruder das Vorrecht durch Euer Blut. - Wie Ihr sicher erkannt habt, liegt hier das Tor des Anfanges der shiken jigoku. Es gibt für Euch beide nun kein Zurück, außer dem Tod. Besteht die Prüfungshölle und Ihr seid der Taishou. Besteht Ihr sie nicht, seid Ihr tot und wir können neu kämpfen.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“ fragte Inuyasha: „Das ist, ehrlich gesagt, das erste Mal, dass mir ein vollblütiger Youkai was von Blut und Erbe erzählt.“ Warum nur hatte er gedacht, mit Narakus Tod und der Zerstörung des Juwels der Vier Seelen wäre Ruhe? Und warum machte Sesshoumaru nichts? Hatte diese Hundedame etwa Recht und man konnte nicht einfach sagen, sie könnten einen gern haben und gehen?

„Bedauerlicherweise fließt auch in dir das Blut des verstorbenen Herrn der Hunde, so dass auch du das Blutrecht besitzt,“ erklärte Kyuu geduldig, in der Hoffnung das letzte Mal ihren Atem an den Bastard verschwenden zu müssen: „Und da du offenbar weder weißt, was es mit shiken jigoku auf sich hat, noch, was das bedeutet: In dem Moment, in dem ihr beide durch das Tor des Anfanges ..äh...gingt, seid ihr auf magische Art an den Pfad gebunden. Bis ihr die letzte Aufgabe bestanden habt, könnt ihr nicht mehr zurück. Die Prüfungen wurden vor langer Zeit von Daiyoukai für sich selbst erschaffen, um sich zu stärken und zu verbessern. Sie sind zu bestehen, wenn man stark genug ist und auch die anderen Anforderungen erfüllt. - Der Weg führt von hier nach Nordosten in die Berge von Seikki, Sesshoumaru-sama. Schon unterwegs werdet Ihr auf Hindernisse stoßen. Dann werdet Ihr den Pass des Schmerzes erreichen. Sobald Ihr ihn überstanden habt, beginnen die Kammern der eigentlichen Prüfungen. Dort werdet Ihr auch jeweils erfahren, was geprüft werden soll. Wenn Ihr alles bestanden habt, werden wir Euch als unseren Anführer begrüßen und Euch folgen.“
 

Inuyasha musste nur einen Blick auf seinen Halbbruder werfen, um zu wissen, dass das kein schlechter Scherz war. Der lechzte geradezu danach, diese Frau samt den anderen Hundedämonen umzulegen - aber anscheinend würde das nicht funktionieren oder helfen. Das klang ganz so, als ob sie diesen komischen Weg gehen mussten – und das auch noch zu zweit. Na, Klasse. Tagelang in Gesellschaft eines angesäuerten Daiyoukai – und erschwerend seines Halbbruders - durch die Gegend zu laufen und allerlei Hindernisse aus dem Weg zu schaffen, klang nach nichts, nach dem er je Sehnsucht gehabt hatte. Hoffentlich machte sich Kagome keine Sorgen. Der hatte er ja nur gesagt, dass er noch ein wenig vor dem Essen in den Wald gehen würde. Und so, wie diese Inuyoukai das gesagt hatte, würde das länger als nur ein bisschen dauern.
 

Sesshoumaru war für einen Moment wirklich in der Versuchung Bakusaiga zu ziehen und dieses Tor des Anfangs samt dem gesamten Rat niederzuschmettern. Nur der Gedanke daran, dass niemand wusste, was passieren würde, wäre dieses Tor zerstört, ließ ihn davon Abstand nehmen. Es würde schlimm genug werden die Prüfungen in der shiken jigoku zu bestehen, noch dazu in dieser überaus lästigen Begleitung – da musste er nicht noch eigenhändig dafür sorgen, dass der Weg der Höllenprüfung womöglich nie enden würden. Aber wenn er den Höllenpfad wieder verlassen konnte: Kyuu und der restliche Rat waren fällig. Die konnten sich schon einmal Gedenksteine aussuchen.

Um seinen Mund zuckte ein feines Lächeln, das keiner, der es sah, als Freundlichkeit auslegte, ehe er sich umwandte: „Gehen wir.“
 

Inuyasha sprang an seine linke Seite, es im Moment aus jahrelanger Kenntnis wirklich klüger findend den Mund zu halten. Schließlich besagte die Regel ja nicht, dass sie zu zweit ankommen mussten. und der Herr Halbbruder befand sich in sichtlich mörderischer Laune. Wenn der sich etwas abgeregt hatte, würde er ihm hoffentlich erklären, was für dämliche Prüfungen auf sie warteten. Ein Duell wäre im Moment nur unpraktisch und würde den Hunderat vermutlich mehr als erheitern.

Jedenfalls, so dachte er plötzlich optimistisch, war dieser Trip eine gute Gelegenheit, dem ach so tollen Daiyoukai zu zeigen, was er alles so drauf hatte, dass er brauchbar, ja, nützlich war. Sicher, im Kampf gegen Naraku hätte Sesshoumaru das schon sehen können, aber bei den Prüfungen würde sich sicher eine Gelegenheit ergeben, dem zu helfen oder gar das Leben zu retten. Und diese Gelegenheit würde er wahrnehmen, das schwor sich der Hanyou.
 

***
 

Mal sehen, wie lange die brüderliche Eintracht so vorhält - und was bereits auf dem Weg für Schwierigkeiten warten. Das nächste Kapitel liefert: erste Informationen.
 

bye
 

hotep

Erste Informationen

Die Hundebrüder wanderten notgedrungen Richtung Nordosten, wie es ihnen Kyuu angegeben hatte. Inuyasha war eigentlich ganz froh, dass Sesshoumaru nichts weiter zu ihm sagte, nahm er doch an, dass das kaum schmeichelhaft gewesen wäre. Sein Halbbruder war anscheinend noch immer mehr als wütend – und er konnte es ihm nur zu gut nachfühlen. Sie waren von diesem komischen Rat der Hundeyoukai entführt und wie zwei Findelkinder auf dem dämlichen Pfad der Höllenprüfung ausgesetzt worden, wie ungemein peinlich und beleidigend.

Hoffentlich würde er irgendwann doch die Information bekommen, was es mit dem Rat, der Prüfungshölle und allem anderen auf sich hatte. Auf jeden Fall konnte er zusehen, dass er einmal den ach so tollen Daiyoukai aus einer Klemme holte, um zu zeigen, dass er nicht nutzlos war. Diese Gelegenheit würde sich bestimmt ergeben. Und er sie wahrnehmen, das hatte er sich geschworen.
 

Langsam begann der Tag sich zu neigen. Es war jedoch nicht weiter schwer hier zu gehen. Hohe Bäume bildeten ein dichtes Kronendach, das schon am Tage Dämmerung verbreitete. Aber es gab auf diese Art so gut wie kein Unterholz. Es war eher, als ob man sich im Inneren einer großen Halle bewegte. Keinerlei Tiere oder andere Wesen waren zu wittern.

Inuyasha warf einen Blick zu seinem schweigsamen Begleiter. So bemerkte er, wie der Hundeyoukai etwas den Kopf hob. Daher witterte er eilig, bemüht, nicht als unfähig dazustehen. Tatsächlich. Irgendwo dort hinten war ein Feuer – ein Feuer, auf dem etwas Essbares kochte. Da Youkai nicht gerade zum Küchendienst neigten, war die Frage, wer da kochte. Ohne weiter nachzudenken äußerte er: „Menschen, in dieser Einöde?“

In der Tat, dachte der Ältere. Das war eine geradezu bemerkenswert logische Schlussfolgerung – für den Bastard. Und die dazu gehörige Frage. Bislang hatte nichts die Anwesenheit von Menschen verraten. Nach allem, was er wusste, neigten diese auch weniger dazu, sich in rätselhaften Wäldern niederzulassen. Aber da die Quelle des Geruchs sowieso in ihrer Richtung lag, würde man es bald sehen. Gehörte der etwa zu Menschen? Sehr unwahrscheinlich.

Inuyasha hatte eigentlich auch mit keiner Antwort gerechnet, oder wenn, dann mit einem: „törichter Hanyou“. So gesehen hatte er anscheinend Recht. Auch mal eine nette Abwechslung.
 

Als sie den Ursprung des Kochgeruches erreichten, war es bereits Nacht geworden. Die Halbbrüder blieben nebeneinander stehen und betrachteten die kleine Hütte, vor der ein großes Feuer loderte. Auf einem Gestell darüber hing ein geradezu riesiger Topf. Zu Inuyashas gewisser Beruhigung roch es daraus nach Essen, aber nur nach Gemüse. Eine alte Frau stand daneben. Sie hatte wohl ihre Annäherung bemerkt und musterte nun die Unbekannten.

Endlich sagte sie: „Fremde in dieser Gegend. Wie ungewöhnlich. – Nun, wenn Ihr ein Quartier für die Nacht sucht, seid Ihr hier richtig, edle Herren. Und Ihr habt Glück. Ich habe heute für meinen Wintervorrat eingekocht. So könnt auch Ihr mitessen. Kommt nur, lasst Euch nieder. Kommt…“

Sesshoumaru wollte schon sagen, dass er nie Menschennahrung zu sich nehme, geschweige denn, die Absicht habe in solch einer erbärmlichen Hütte zu übernachten, aber er konnte es nicht. Irgendetwas in ihm schrie ihm förmlich zu, dass er es tun müsse, zog ihn fast unwiderstehlich an. Er machte einen Schritt auf die alte Frau zu – und spürte einen festen Griff an seinem Arm. Vom Donner gerührt wandte er den Kopf. Seit wann wagte es dieser jämmerliche Bastard ihn an der Umsetzung seines Willens zu hindern, ja, ihn zu berühren? Wollte der ein Duell?

Inuyasha ließ die Augen nicht von der alten Frau: „Keh!“ machte er leise: „Man kann mir vielleicht einiges vorwerfen, aber sicher nicht, dass ich mich nicht mit Menschen auskenne. Und ich kenne keine alte Menschenfrau, die einsam im Wald lebt und die ersten Youkai, die vorbeikommen, zum Abendessen einlädt.“ Er spürte den Wunsch etwas zu essen, näher zu ihr zu gehen. Aus irgendeinem Grund schien das auch Sesshoumaru ähnlich zu empfinden. War hier Magie am Werk, die umso besser wirkte je stärker der Youkai war? Er spürte, wie sich sein Halbbruder entspannte und gab ihn frei.

Tatsächlich, dachte dieser verärgert. Da war Zauberei im Spiel. Diese alte Hexe hatte es gewagt….Er hob die Hand.

Die Frau beging nicht den Fehler, das für einen Willkommensgruß zu halten. Noch während sie sich hastig zu Boden warf, hatte sie die Anzeichen überschlagen – und die Folgerung daraus gezogen. Ihr Zauber wirkte umso mächtiger, je stärker das Youki ihres Besuchers war. Aber nie zuvor hatte sie Youkai hier gehabt, von denen einer sofort die Falle erkannte, während sich der andere nur durch Handauflegung davon befreien konnte. Das mussten äußerst mächtige Youkai sein, womöglich Daiyoukai. Und deren Verachtung gegenüber Menschen war ihr ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es ein Youkaifürst, noch höflich formuliert, überhaupt nicht schätzte, versuchte man auch nur ihn zu attackieren. Ihre Lebenserwartung belief sich gerade gegen Null.

„Ich bitte um Verzeihung…“ sagte sie eilig: „Ich…ich nahm an, dass es sich bei Euch um solche armselige Wesen wie die Youkai handelt, die uns immer wieder heimsuchen…“

Inuyasha empfand Mitleid: „Weißt du etwas über den Pfad der Höllenprüfung, nein, shiken jigoku – die Prüfungshölle?“ Wenn ja, war das wohl immerhin eine Chance für sie ein wenig länger am Leben zu bleiben. Denn, wenn er das so recht betrachtete, war sein Bruderherz schon wieder sauer. Und der würde sicher den ersten Unglückswurm umbringen wollen, der ihm statt des Rates über den Weg lief.

„Die Prüfungshölle….“ wiederholte die alte Frau. Nein, da wusste sie nichts davon. Und ihr war klar, dass das fatal für ihren Lebensfaden wäre: „Aber…unser Schamane weiß es sicher, edle Herren.“

„Du redest dauernd von „wir“ und „unser“ Schamane?“ fragte der Hanyou verwirrt, bemerkte dann, dass sich sein Halbbruder seitwärts drehte.

„Ein Bannkreis.“ Der Hundeyoukai betrachtete den dunklen Wald vor sich: „Zerstöre ihn.“

Inuyasha wollte sich nicht die Blöße geben die Magie nicht erfassen zu können, und zog Tessaiga. An der rot aufleuchtenden Klinge erkannte er, dass sich dort tatsächlich ein sehr gut fabrizierter Zauber befinden musste.

„Bitte, ihr edlen Herren…“ keuchte die Frau: „Nicht! Ihr würdet sie verletzen. Bitte nicht!“ Nie zuvor hatte ein Youkai den Bannkreis erkannt – geschweige denn auch nur in Erwägung gezogen, den zu zerstören: „Bitte...lasst es mich euch erklären!“

„Der Schamane“, sagte Sesshoumaru nur. Er verspürte keine Lust sich länger als notwendig mit diesem Menschenweib zu unterhalten. Hatte sie nützliche Informationen, sollte sie leben bleiben. Seine Beute wäre der Rat.

„Ja, edler Herr.“ Die alte Hexe erhob sich vorsichtig. Der jüngere ihrer Besucher schien netter zu sein, immerhin schob der gerade sein Schwert weg und sah sie an. Waren das Brüder? „Hier im Wald liegt versteckt unser Dorf….“ meinte sie darum zu Inuyasha: „Wir sind Menschen, zauberkundige Menschen, die von unseresgleichen gejagt und verscheucht wurden. Es wird solch mächtigen Wesen wie Euch unbekannt sein, aber Menschen fürchten sich vor dem, was sie nicht verstehen. So haben wir uns hier zusammengefunden, im Dorf der Hoffnung.“ Sie hob flehend etwas die Hände: „Bitte, lasst sie am Leben.“

„Ich habe kein Interesse an Menschen“, kam es vom älteren Halbbruder.

Seltsamerweise war das eine positive Aussage, wie sie erkannte: „Mein…mein Name ist Hinode, edle Herren. – Ich …“ Nein, sie sollte nicht weiter zögern. Diese Youkai schienen anders zu sein als die gewöhnlichen, waren aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch gefährlicher. So fuhr Hinode nur fort: „Ich öffne jetzt unseren Bannkreis….“

Nur Sekunden später stellten die Hundebrüder fest, dass der Wald vor ihnen verschwamm. Dahinter zeigte sich das versteckte kleine Dorf im Schein von Fackeln: Hütten, Gärten und sicher um die hundertfünfzig Menschen verschiedenen Alters, die sie anstarrten. Ein älterer Mann stand vor ihnen. Seine Kleidung zeigte diverse Tierfelle und -gehörne. Das war gewiss der erwähnte Schamane.

„Hinode?“ fragte er.

„Diese...diese edlen Herren suchen nach jemandem, der etwas über shiken jigoku, die Prüfungshölle, weiß “, erklärte sie eilig.

Der Schamane nickte: „Mächtige Youkai zu Gast im Dorf der Hoffnung…Hm. Ihr seid doch unsere Gäste.“

„Ja, klar“, erwiderte Inuyasha, der die verborgene Frage darin verstand: „Außer natürlich, ihr greift an. – Kannst du uns was über diese Prüfungen erzählen?“

„Das nicht. Aber ich weiß anderes, das wohl dazu gehört. Bitte, folgt mir, edle Herren. Du auch, Hinode.“

„Ich sollte wieder auf Wache….“ meinte die Hexe, was den Schamanen den Kopf schütteln ließ. Sie verstand. Solange diese beiden hier waren, war auch das Dorf vor jedem Oni oder Youkai sicher, außer, der wollte Selbstmord begehen.
 

Vor der Hütte des Schamanen deutete der auf einen Stein: „Wenn Ihr Euch dort niederlassen wollt, edler Fürst?“ Er war sicher, dass es sich bei dem älteren der Besucher um einen hochrangigen Youkai handeln musste, wohl gar einen Daiyoukai – und der andere war ebenso offensichtlich der Bruder, waren doch die Augen, die Haare so ähnlich.Da ziemte sich Höflichkeit. Lieber ein wenig zu demütig als das Dorf zerstört. Nie zuvor war jemand an Hinode und ihrer Magie vorbeigekommen. „Und Ihr vielleicht auf die rechte Seite Eures verehrten Bruders, junger Herr?“

Inuyasha stellte fest, dass es direkt Spaß machte, so höflich angeredet zu werden. Aber er wollte sich nicht blamieren und setzte sich einfach dorthin.
 

Als auch der Schamane und die Hexe Platz genommen hatten, fuhr der erstere fort: „Mein bescheidener Name ist Hirohito. Ich darf mich noch einmal vergewissern: Ihr sucht nach Informationen über die legendäre Prüfungshölle der Daiyoukai, shiken jigoku? So seid Ihr wohl bereits auf diesem magischen Pfad?“

„So ungefähr, ja.“ Inuyasha nahm nicht an, dass sein Halbbruder mit Menschen reden wollte: „Und die eigentlichen Prüfungen sollen im Nordosten sein, in den Bergen von Seikki.“

Hirohito und Hinode tauschten einen besorgten Blick, ehe der Schamane antwortete: „Dieses Dorf liegt bereits außerhalb der von Menschen bewohnten Gegenden. Weiter nach Norden endet der Wald. Jenseits davon habe ich kaum Nachrichten bekommen, aber es gibt dort ein Gebirge, hoch mit allerlei….gefährlichen Bewohnern. Darf ich Euch mehr darüber berichten?“

Sesshoumaru nickte. Das war immerhin der erste Hinweis darauf, wo das Ziel lag, das er so schnell wie möglich zu erreichen wünschte, um anschließend den Hunderat komplett ins Jenseits zu befördern.

„Meine Vorfahren wanderten ehemals durch diese Gegenden. Darum wusste ich auch von diesem Ort und seiner Magie, die es uns ermöglicht, den Bannkreis aufrecht zu erhalten. Ich kann Euch den Weg weiter beschreiben, zumindest ein Stück.“

„Und?“ fragte Inuyasha sofort, ebenfalls bemüht diese überaus lästige Prüfung rasch hinter sich zu bringen, um zu Kagome zurückkehren zu können. Kaum war er eine Woche zuhause gewesen.....

„Wenn der edle Fürst und Ihr, junger Herr, unser Dorf in Richtung Nordost verlasst, wird der Wald wird dort dichter und es leben viele Tiere darin. Ich bin sicher, dass nichts Euch gefährlich werden kann, aber es existieren dort auch Tiere, die nirgendwo anders leben.“ Der Schamane überlegte, wie er das ausdrücken sollte: „So könnte es durchaus geschehen, dass eines bedenkenlos genug wäre, Euch zu attackieren.“ Er hatte schon die Bekanntschaft der seltsamen Wesen gemacht – und nur dank seiner Magie überlebt. Aber es wäre wohl äußerst unhöflich, ja, lebensgefährlich, einem Daiyoukai gegenüber auch nur anzudeuten, dass er nicht in der Lage wäre gegen solche Tiere zu bestehen. „Doch dann kommt man in den Bereich der Todesseile, nein, den Wald der Todesseile. Ich selbst war noch nie dort, dazu waren die Warnungen meines Meisters zu deutlich, aber ich hörte, dass immer wieder Menschen verschwinden, die unvorsichtig genug waren, sich dorthin vorzuwagen. Ich weiß bedauerlicherweise nicht, warum der Wald so heißt…Nun, wenn man ihn durchquert hat, gelangt man an den Fuß des Gebirges von Seikki. Und wenn man über einige Pässe wandert, soll man die Hochebene erreichen, wo der Legende nach die mächtigsten aller Youkai sich bei einem dunklen Turm trafen oder treffen.“

„Klingt ja schon mal ganz gut“, kommentierte Inuyasha: „Mehr weißt du nicht?“

„Bedauerlicherweise nein, junger Herr.“ Aber Hirohito bemerkte, dass der Daiyoukai vor ihm nachdenklich geworden war und wartete lieber.
 

Der dunkle Turm….als der Schamane das gesagt hatte, war es Sesshoumaru gewesen, als ob er diese Bezeichnung schon einmal gehört hatte. Während Hirohito nun schwieg, stieg in ihm die Erinnerung an eine Waldlichtung auf, auf der er einst mit seinem Vater gesessen hatte. Wie alt war er da gewesen? Nun, eindeutig noch ein Kind. Sein verehrter Vater hatte ihm von den Dämonen der dortigen Berge erzählt, als er plötzlich aufgesprungen war und sich vor ihn gestellt hatte.

Ehe er selbst gewusst hatte, was los sei, hatten drei Youkai die Lichtung betreten, alle drei bewaffnet. Der hinterste und letzte hatte den Kopf geneigt, die anderen jede Höflichkeit beiseite gelassen.

„Inu no Taishou….unser erhabener Gebieter ist es Leid deinen Gestank wahrzunehmen. Solltest du dich dem Duell mit unserem mächtigen Herrn beim dunklen Turm verweigern, haben wir Befehl deinen Welpen umzubringen.“

Sesshoumaru entsann sich nur zu gut, wie das Youki seines Vaters aufgeflammt war. Selten genug hatte er ihn derart wütend erlebt. Er selbst hatte nicht einmal Besorgnis empfunden, zu sicher war er, dass sein verehrter Vater mit diesem jämmerlichen Abschaum fertig werden würde.

Im nächsten Moment hatte der Inu no Taishou den Sprecher an der Kehle gepackt – selbst seinem Sohn war schleierhaft, wann er sich bewegt hatte.

„Du, der du ein Nichts bist und einem Nichts dienst, wagst es, mir jede Höflichkeit zu verweigern, ja, mir zu drohen? Du solltest froh sein, dass ich mich herablasse dich eigenhändig zu töten.“

Sesshoumaru erinnerte sich daran, dass nur Sekundenbruchteile später zwei der Youkai tot am Boden gelegen hatte und sich sein Vater dem Letzten zugewandt hatte, der sich flach auf die Erde warf.

„Abschaum“, hatte der Herr der Hunde gesagt: „Wenn du deinen… hm…Gebieter wieder siehst, kannst du ihm ausrichten, dass ich mich dem Duell mit ihm stelle.“

„Ja…“ brachte der Überlebende heraus, ehe ihm die Bedeutung des Satzes dämmerte und er eifrig nickte, ohne zu wagen das Gesicht aus dem Staub zu nehmen: „Ja, ich werde es ihm ausrichten, oyakata-sama…“

„Du warst ein wenig höflicher als deine Kameraden. Das rettet dir das Leben - für heute. Verschwinde.“ Als der Youkai davongerast war, hatte sich der Inu no Taishou umgewandt.

Sesshoumaru wusste, dass er ihn verwundert angesehen hatte: „Ihr wollt Euch einer derartigen Drohung beugen, verehrter Vater?“

„Ich werde ihn nicht in die Hölle schicken, weil er mir droht, Sesshoumaru. Ich werde ihn dorthin schicken, weil es mir ein Vergnügen ist. Komm. Ich werde dich zu deiner Mutter bringen.“
 

Jetzt blickte der Hundeyoukai auf. Es herrschte schon eine Weile Schweigen, aber nicht einmal Inuyasha hatte es für ratsam gehalten ein Wort zu verlieren. Zu sichtbar war gewesen, dass Sesshoumaru in Gedanken versunken war.

„Der dunkle Turm.“

„Du hast schon mal von ihm gehört?“ erkundigte sich sein Halbbruder, der ihn doch lange genug kannte, um aus Andeutungen raten zu können, Streitigkeiten und Zweikämpfe hin oder her.

„Es gab dort ein Duell.“

Hinode und Hirohito wechselten einen raschen Blick. Das klang nach Streit unter mächtigen Daiyoukai. Nichts, wobei Menschen auch nur etwas verloren hatten. Der Schamane verneigte sich noch einmal tief, wagte nun aber noch weniger als zuvor ungefragt zu sprechen.

Sesshoumaru nahm die Höflichkeit zur Kenntnis und erhob sich: „Gehen wir.“

„Klar….“ Inuyasha sprang auf. Natürlich. Je eher sie diese Prüfungshölle hinter sich hatten, desto besser.

Die Hexe und der Schamane sahen den Besuchern ebenso nach, wie alle Bewohner des Dorfes, ehe Hinode meinte: „Wir errichten besser den Bannkreis unverzüglich wieder, mit aller Magie, die wir gemeinsam aufbringen können. Ich nehme an, dass es in der nächsten Zeit im Nordosten zu…Turbulenzen kommt.“

„Ja. Und Streit unter Daiyoukai ist nichts, was noch so zauberkundige Menschen beeinflussen können.“ Hirohito wandte sich um: „Wobei ich ehrlich zugeben muss, dass sie mir für Wesen ihrer Art und ihrer Macht recht umgänglich schienen. Das Dorf steht und niemand wurde auch nur verletzt, nicht einmal du.“

„Worüber ich froh bin. Aber ich denke, dass das nichts mit Liebenswürdigkeit zu tun hatte. Sie haben ein Ziel – Hunde auf der Jagd.“

„Du hältst sie für Inuyoukai.“

„Sie gehören mit zu den stärksten unter allen Geschöpfen – und nur ein sehr mächtiges Wesen geht in die legendäre Prüfungshölle.“

„Da hast du Recht. Und Kitsune hätten anders reagiert. - Gut, schützen wir unser Dorf.“
 

Inuyasha sah seitwärts: „Der dunkle Turm, also?“

Schweigen.

„Ich fände es wirklich toll, wenn ich mal was erfahren würde, bevor eine Überraschung auftaucht!“ fauchte der Hanyou prompt. Erst wurde ihm nichts erzählt und dann hieß es, er sei töricht, das hatte er ja schon bei der Sache mit Takemaru und diesem dämlichen Sou´unga erfahren.

Sesshoumaru überlegte flüchtig, ob er das mitteilen sollte. Jedoch, das gab er nur sich zu, der Bastard hatte ihm bei der Begegnung mit Hinode wohl eine peinliche Lage erspart. Natürlich hätte er selbst die Falle irgendwann bemerkt und brechen können, aber…Ja, aber: „Ich war dabei, als Boten meinen verehrten Vater zu einem Duell beim dunklen Turm forderten.“

Meinen verehrten Vater, nicht unseren…Aber ehe Sesshoumaru anerkannte, dass sie wirklich Brüder waren, würde wohl vorher das Ende der Welt eintreffen. „Und er hat diesen Idioten besiegt. Nur, musste er da auch durch die shiken jigoku?“

Das war die Frage – oder auch nicht, dachte der Daiyoukai. Sie hatten jedenfalls keine Wahl, dafür hatte der Rat gesorgt. Und dafür würde er jeden einzelnen von ihnen bezahlen lassen, auch und gerade Kyuu und Inabikari, die die stärksten unter ihnen waren.

Inuyasha schloss aus dem Schweigen, dass sein Halbbruder das ebenfalls nicht wusste. Aber auch ihm war es eigentlich gleich. Und irgendjemand würde für diesen miesen Witz, ihn zu entführen und dieser dämlichen Prüfung zu unterziehen, teuer bezahlen.
 

**
 

Immerhin haben sie schon etwas wie eine Wegbeschreibung erhalten – anheimelnder Weg. Im nächsten Kapitel stellt sich heraus, dass es unterschiedliche Ansichten gibt: bei den Hundejungen und im Rat.
 

bye
 

hotep

Unterschiedliche Ansichten

Der achtköpfige Hunderat starrte regungslos und schweigend auf das Tor des Anfanges, als ein Ratsmitglied laut fragte: „Was machen wir eigentlich, wenn sie zurückkommen?“

Kyuu fuhr ebenso herum wie Inabikari, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

„Wenn Sesshoumaru zurückkommt,“ erwiderte der silberhaarige junge Daiyoukai fast irritiert: „Erkennen wir alle ihn als neuen Taishou an. Und dann werde ich ihn zum Duell um diesen Rang fordern, Ratsmitglied Nacissos – und zuvor übrigens jeden, der mich daran hindern will.“

Das ignorierte der Angesprochene lieber, da er nur zu gut wusste, dass er weder gegen den männlichen noch den weiblichen Hundedämon vor sich eine Chance hätte. Nicht jeder schaffte es zum Daiyoukai, mochte er auch im Rat sein. Er erkundigte sich jedoch: „Und der Hanyou? Auch er ist der Bluterbe.“

„Er wird nicht zurückkommen.“ Kyuu lächelte sanft: „Ein Mischling mit Menschenblut – wie sollte er da bestehen, wo bereits Daiyoukai versagten. Überdies kann Sesshoumaru ihn nicht ausstehen, und wir alle wissen, was das bedeutet.“

„Er scheint bislang überlebt zu haben, mein liebes Ratsmitglied Kyuu.“ Nacissos blickte zu einem anderen Hundeyoukai, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah.

Der nickte: „Mein Bruder hat Recht. Wenn beide zurückkommen, stünde dem Hanyou die Stellvertretung, ja, die Nummer Zwei unter allen Hunden, zu.“

„Keine Sorge.“ Kyuu lächelte noch immer, legte jedoch die Hand an ihr Schwert: „Da das ehrenwerte Ratsmitglied Inabikari sich mit Sesshoumaru anlegen möchte, werde ich mich eben um den kleinen Hanyou kümmern.“ Und erst danach mit dem doch sicher angeschlagenen Sieger aus dem Duell um den Titel, aber das musste sie nicht erwähnen. Inabikari reagierte manchmal ungewöhnlich für einen Dämon, nur weil er annahm, etwas sei nicht ehrenhaft. Sie selbst würde auch nie ehrlos handeln, aber er übertrieb bisweilen, fand sie.

„Nun, das wäre Eure Sache, meine lieben Ratsmitglieder,“ erklärte Nacissos: „Hat nur irgendwer von Euch, uns allen, schon einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass Sesshoumaru es nicht gerade schätzt zu etwas gezwungen zu werden?“

„Das ist gleich,“ meinte ein anderer: „Angst, Ratsmitglied Nacissos? Die Prüfungshölle heißt nicht ohne Grund so. Eine ganze Reihe selbst von Daiyoukai kehrten nie mehr zurück, nennen wir es so. Und ich willigte ein ihn zu entführen, weil ich genau darauf hoffe. Ich kann ihn nicht leiden.“

Die beiden Zwillinge unter den Ratsmitglieder sahen sich an, ehe Nacissos nur erwiderte: „Falls er zurückkommt, werdet Ihr einen sehr guten Grund dafür haben.“ Nun, sie alle, denn ein derartiger Ratsbeschluss musste einstimmig gefasst werden. Er selbst und sein Zwillingsbruder hatte sich ja Inabikaris Meinung angeschlossen, dass ein starker Anführer von Nöten sei und man nach dem Gesetz vorgehen musste, sprich, erst die Bluterben tot sein mussten, ehe die anderen auch nur an Kämpfe um den Titel denken konnten, aber er hatte inzwischen mitbekommen, dass Kyuu und ihre Anhänger anscheinend durchaus eine persönliche Fehde mit den Halbbrüdern austragen wollten. Das entsprach nicht dem Recht, nicht den alten Sitten, aber nun war es passiert. Falls die Söhne des verstorbenen Inu no Taishou die shiken jigoku überlebten, würde der Rat ganz sicher ihr erstes Ziel darstellen: „Denn, auch, wenn Ihr, Ratsmitglied Kyuu, behauptet, die Halbbrüder seien verfeindet und der Hanyou würde durch Sesshoumaru getötet werden – Ihr irrt.“

„Ach ja?“ Die ranghohe Hundedame musterte ihn kalt: „Was bringt Euch zu dieser Erkenntnis?“ Irrte sie auch in seinen Augen als Frau automatisch?

Nacissos blieb sachlich: „Als der Hanyou erwachte, sprang er sofort auf, die Hand am Schwert, bei dem es sich übrigens um das berühmte Tessaiga handelt. Das ist die Reaktion eines Kriegers. Er gab den Griff frei, als er Sesshoumaru sah – und fragte nicht etwa, wer wir sind, was los sei oder sonst etwas, geschweige denn, dass sie sich angriffen. Nein, er erkundigte sich bei seinem älteren Bruder nur, ob es einen Grund gäbe, warum er nett zu uns sein müsse. Und der sagte übrigens nein. Das klingt nicht nach Gegnern.“ Nun, nicht untereinander. Gegenüber dem Rat würde es anders aussehen.

„Das spielt keine Rolle, Ratsmitglied Nacissos,“ erwiderte Inabikari: „Ich fordere den Überlebenden, wenn es sein muss, alle beide.“

„Nein, der Hanyou gehört mir!“ Kyuu knurrte es ein wenig, peinlich berührt, von einem anderen Ratsmitglied sachlich begründet auf einen Fehler aufmerksam gemacht worden zu sein. Denn sie hatte den Gerüchten geglaubt – und Nacissos hatte Recht. So verhielt sich niemand, der sich gegenseitig an die Kehle gehen wollte. Nun, falls der Halbmensch überlebte, würde sie ihn eben eigenhändig ins Jenseits befördern – und als Belohnung auch noch das legendäre Tessaiga bekommen. Sie hatte den Seitenblick durchaus bemerkt, den Inabikari auf sie warf. Und sie konnte es sich nicht leisten ihn zu verärgern. Ein Kampf gegen ihn war für sie mit einem anderen als tödlichen Risiko behaftet. Verlor sie, würde er sie nicht töten sondern zur Ehefrau wollen, als Mutter für einen starken Erben. So war es durchaus Brauch und altmodisch wie er nun einmal war, würde er dies durchziehen. Das war der Fluch ihrer Geburt eine Frau zu sein. Wieder einer.

Inabikari dagegen musterte die anderen sechs Ratsmitglieder. Nein, keiner von denen, ob Mann oder Frau, war eine echte Herausforderung für ihn. Vielleicht Kyuu, aber auch, wenn sie die Stufe zum Daiyoukai überwunden hatte, so fehlte ihr doch das kämpferische Können ihn an seine Grenzen zu treiben. Es sei denn natürlich, sie hätte bislang nicht alles gezeigt. Das war durchaus möglich, er selbst ja schließlich auch nicht. Ihm war seit Kindertagen klar gewesen, dass er sich mit jedem einzelnen, jeder einzelnen Hundeyoukai auseinandersetzen musste, um sein Ziel zu erreichen der Taishou, ihr Anführer, zu werden. Er war stark geworden, ein so fähiger Kämpfer, dass er praktisch keine Gegner mehr hatte. Nun, Sesshoumaru war sicher ein Maßstab für ihn, sollte der die shiken jigoku überleben. Siegte er in diesem Kampf, konnte er seinen vorherbestimmten Platz einnehmen. Wenn nicht, nun, so starb er eben durch die Hand eines Besseren und konnte seinem Vater in der anderen Welt gegenübertreten. Im Moment blieb bedauerlicherweise nichts als Warten.
 

Die Sonne stand schon fast an ihrem höchsten Punkt, als Inuyasha plötzlich stehen blieb und herumfuhr. Sesshoumaru, der in den vergangenen Monaten und den endlosen Kämpfen gegen Naraku durchaus gelernt hatte, dass das Halbblut über eigene Fähigkeiten verfügte, folgte etwas langsamer diesem Beispiel. Nichts war zu erkennen, weder für Nase noch Ohren oder gar Augen. Der Daiyoukai versagte sich gerade noch seine Bemerkung, was denn los sei.

Der Hanyou blickte zu ihm: „Ich hätte schwören können, dass uns was ansieht.“ Mist. Er sollte sich daran gewöhnen, hier nicht mit Kagome und den anderen unterwegs zu sein, sondern mit dem Typen, der ihn noch immer und sowieso nicht für voll nahm.

Der Ältere war alarmiert. Er war sicher, dass Inuyasha eher gestorben wäre als sich ihm gegenüber einen Fehler zu leisten. Aber es war wirklich nichts zu erkennen.

Sie befanden sich in einem schüsselförmigen Waldtal, dessen Grund unbewachsen war, sah man von Flechten und Moosen, sowie vereinzelten Gräsern ab. Aber das besagte natürlich nicht, dass sich nicht ein törichter Fleischfresser hinter den Bäumen oberhalb von ihnen verbergen würde. Immerhin hatte dieser Schamane etwas von seltsamen Tieren erwähnt.

„Komm, Inuyasha.“

Der wollte schon auffahren, erkannte dann jedoch, dass er immerhin mit Namen angesprochen worden war - und dass sein Halbbruder durchaus aufmerksam den Wald musterte. Also glaubte der ihm, aber da nichts zu festzustellen war, wäre es wohl auch sinnlos, hier einfach herumzustehen. So kam er erneut an die Seite des Hundeyoukai, als sie immer weiter Richtung Nordosten wanderten.
 

Sesshoumaru blieb auf halber Höhe des Tales stehen. Sie hatten fast erneut den Beginn des Waldes erreicht. Noch immer war das Gebirge nicht zu erkennen – und dort würden überhaupt die eigentlichen Prüfungen beginnen. Er wusste nicht, was dort getestet werden sollte, aber die Prüfungshölle war eine Legende, die schon einigen Daiyoukai aller Arten zum Verhängnis geworden war. Nun, er würde shiken jigoku bestehen – und sei es nur, um dem Rat ein für alle Mal klarzumachen, dass sie soeben ihren letzten Fehler im Leben begangen hatten.
 

Inuyasha hatte die bewaldeten Berghänge über ihnen gemustert. Erneut hatte er das immer drängender werdende Gefühl beobachtet zu werden, ja, zur Beute geworden zu sein. Auf diesem unbewachsenen Untergrund boten sie sich auch geradezu wie auf dem Präsentierteller an. Als er den Schatten über den Boden rasen sah, richtete sich sein Blick erstmals in den Himmel. Und er erkannte, was da auf ihn zuschoss…auf sie zuschoss.

Ohne weiter nachzudenken, reagierte er instinktiv und warf sich vor, riss den vollkommen überraschten Daiyoukai mit sich, unter sich zu Boden.
 

Sesshoumaru war sich sicher nur selten so wütend auf das Halbblut gewesen zu sein. Was fiel dem denn auf einmal ein? Im nächsten Moment hörte er ein Fauchen, das er nur wenige Male vernommen hatte, dann war die Lawine aus Feuer auch schon über ihnen. Und er erkannte, dass ihn Inuyasha mit seinem Körper gegen den unvermuteten Angriff deckte.

Verdammt, was sollte das? Nahm dieser hirnlose Bastard etwa an, ihm, Sesshoumaru, würde Drachenfeuer etwas ausmachen? Er spürte, wie der Jüngere zusammenzuckte, hörte ein leises Stöhnen. Na bitte. Mochte das Gewand aus Feuerratten den auch beschützen…

Er unterbrach seine Gedanken, als er einen Geruch in die Nase bekam, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte. Drachenfeuer? Nein. Es fühlte sich nur so an. Zusätzlich war dort aber auch etwas Ätzendes enthalten, wie er es selten so beißend gewittert hatte. Er schob den an Kopf und Händen angebrannten und anscheinend bewusstlosen Hanyou von sich und sprang auf.

Das gab es doch gar nicht. ER – und bekam Hilfe von einem Halbblut? Das widersprach vollkommen seinem Stolz. Was hatte sich dieser Idiot denn dabei nur gedacht? Hatte er ihm nicht schon in einigen Kämpfen gegen Naraku und ähnlichem Abschaum gesagt, dass er das weder wolle noch brauche? Wie lange war es her, als er ihm einmal bei einem Kampf um Tessaiga geraten hatte, stolz auf die Hälfte seines Blutes, natürlich die dämonische, zu sein und stets allein zu kämpfen? Konnte der sich denn nicht einmal wirklich gute Ratschläge merken?

Er hatte sein Schwert bereits in der Hand, ehe er stand und erkannte, was den Angriff ausgelöst hatte. Ein derartiges Wesen hatte er nie zuvor gesehen. Die Flügel, die aus dem gepanzerten Rücken ragten, waren mit Federn bedeckt, als einziges. Ansonsten erinnerte es ihn mehr an einen Käfer – nur mit dem Unterschied, dass er nie zuvor einen riesigen, fliegenden Käfer gesehen hatte, der mit seinem sicher einen Meter langen Rüssel Feuer speien konnte. Dieser wendete gerade ein wenig schwerfällig für einen erneuten Angriff. Das hatte der sich so gedacht

Unwillkürlich blieb er zwischen dem verletzten Hanyou und dem seltsamen Käfer stehen. Sein Stolz würde nie zulassen, dass jemand starb, der ihm hatte helfen wollen, egal, wie sinnlos diese Aktion auch gewesen sein mochte. Und gleich gar nicht jemand, der ihm gegenüber durchaus schon eine gewisse Solidarität gezeigt hatte – und vermutlich ohne ihn nie in der Prüfungshölle gelandet wäre, da der Rat kaum von seiner Existenz wusste. Er hob Bakusaiga, als der Riesenkäfer angeschwirrt kam und den Rüssel für einen erneuten Feuerangriff senkte – dessen letzte Bewegung.
 

Noch während die rauchenden Teile des Wesens zu Boden fielen, drehte sich der Daiyoukai um und schob sein Schwert zurück. Wie er erwartet hatte, sah Inuyasha zwar an den unbedeckten Körperteilen etwas verkohlt, aber durchaus lebendig aus. Und er war sicher derjenige, der am meisten davon verstand, was dieser so alles überleben konnte. Natürlich auch dank Tessaiga.

Ein wenig stöhnend rieb sich der Hanyou über das Gesicht. Nase und Augen schienen förmlich unbrauchbar gemacht worden zu sein. Diese verdammte Säure – er hatte nur an das Feuer gedacht und zu spät erkannt, dass sich auch etwas Ätzendes dabei befand. Allerdings war er sicher, dass er genauso gehandelt hätte, hätte er es zuvor bedacht. Immerhin schien Sesshoumaru nicht sehr wütend auf ihn zu sein, obwohl er ihn zu Boden gebracht hatte. Soweit er wusste, tat das niemand und lebte anschließend weiter - nun ja, außer ihm in gewissen Kämpfen.

„Wage es jetzt nicht zu sterben.“ Wie geht es dir, hätte der Hundeyoukai nie sagen können.

„Keh, so leicht bin ich nicht umzubringen, wie du wohl am besten weißt.“ Aber er würde ein wenig Zeit brauchen, um sich zu regenerieren. Zeit, die sie vermutlich nicht hatten. Bei Prüfungen in Kagomes Heimat gab es immer Zeitbegrenzungen und hier womöglich auch. Er war ja nie zuvor in einer gewesen. Mühsam raffte er sich etwas auf. „Gib mir nur ein paar Minuten, dann bin ich wieder kampfbereit.“

Statt einer Antwort drehte sich Sesshoumaru um und musterte den Himmel über dem Tal. Wer wusste schon, ob diese Käfer wie Bienen zusammenlebten. In diesem Fall würden sie vermutlich bald Gesellschaft bekommen. Mit gewisser Verwunderung stellte er fest, dass er tatsächlich „sie“ gedacht hatte.

Inuyasha nahm sich zusammen. Er fühlte sich noch ein wenig angeschlagen, aber das hätte er nie zugegeben. Schließlich wollte er sich nicht als Schwächling darstellen. Überdies stand zu erwarten, dass diese dämliche Prüfungshölle noch ganz andere Überraschungen bieten würde. „Gehen wir“, sagte er nur, als er neben seinen Halbbruder trat, durch nichts zu erkennen gebend, dass er kaum auch nur verschwommen sah und nichts riechen konnte.

Ohne ein Wort machte der sich wieder auf den Weg.
 

Der dichte Wald verhinderte, dass die Hundebrüder weit sehen konnten, selbst, als sich Inuyasha langsam von dem Säureangriff erholte, aber sie spürten nur zu deutlich, dass sie immer wieder Hügel überquerten, vermutlich den Fuß der Berge von Seikki. Aber keiner von ihnen hatte die Warnung des Schamanen vergessen, dass sich hier irgendwo ein Wald der Todesseile befinden sollte, der Menschen gefährlich wurde. Beide waren zwar sicher, dass sie keinerlei Probleme damit bekommen würden, aber das wäre ein Hinweis nahe am Ziel zu sein.

„Wer ist das denn?“

Inuyashas Frage war berechtigt. Vor ihnen zwischen den Bäumen stand ein Lebewesen, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatten. Ein wenig erinnerte es an einen Flaschenkürbis, war es doch grün und besaß diese Form, aber überdimensioniert große Augen und ein ebenfalls unverhältnismäßig großer Mund mit spitzen Zähnen deutete darauf hin, dass es sich eher um ein Tier oder einen Youkai handelte. Aber es reichte ihm gerade bis zur Taille, da konnte es doch kaum gefährlich sein. Zwei schmale, peitschenähnliche Schwänze ragten aus dem rundlichen Hinterteil des Kleinen. Er hatte mit keiner Antwort gerechnet und war erstaunt, als sein gewöhnlich so schweigsamer Begleiter erwiderte:

„Das Kind.“

Der Hanyou warf einen Blick beiseite und erkannte, dass sich sein Halbbruder etwas gedreht hatte, auf diese Weise hinter sie sah, die Hand am Schwert. So wandte er rasch den Kopf weiter. Hinter ihnen standen zwei größere Ausgaben des Kleinen vor ihnen, sicher fast fünf Meter hoch. Sie hatten sich lautlos angenähert, ja, sie anscheinend in die Falle treiben wollen. „Sind das Youkai?“

Als ob irgendein Youkai mit einem Funken Selbsterhaltungstrieb sich an ihn wagen würde, dachte Sesshoumaru prompt. Aber er suchte Blickkontakt mit den unbekannten Kreaturen. Gewöhnlich flüchteten selbst Raubtiere, wenn sie mitbekamen, dass sie keinem Menschen gegenüberstanden, sondern einem stärkeren Wesen. Und ein Kampf gegen Tiere war nichts, das er sonderlich schätzte, beinhaltete der doch keinerlei Herausforderung. Die beiden fremdartigen Geschöpfe starrten ihn auch an, ehe sie bewiesen, dass Größe und Intelligenz verschiedene Dinge waren.

Der Boden bebte, als die beiden auf die Hundebrüder zuschossen, die zwei Mäuler mit den spitzen Zähnen weit geöffnet. Inuyasha riss Tessaiga heraus: „Kaze no kizu!“

Trotz der Eile hatte er gut gezielt und als sich der Staub legte, zeigte sich eine gewaltige Schneise im Wald und zwei regungslose Gestalten. „Sie leben noch“, meinte er unwillkürlich zu dem Kleinen hinter ihm: „Aber echt, du solltest deinen Eltern mal sagen, an wen sie sich nicht heranwagen sollten….“

Der kleine Kürbisartige ließ durch nichts erkennen, dass er das verstanden hatte, als er an den Hundebrüdern vorbei zu seinen Eltern lief, die sich langsam zu bewegen begannen.
 

Tatsächlich, dachte Sesshoumaru, er hat die Windnarbe in der Mitte durchgejagt, statt diese törichten Tiere zu töten. Mitleid, eine sehr menschliche Eigenschaft. Was interessierte ihn denn der Kleine? Ohne ein Wort zu verlieren, wandte er sich um und ging weiter.
 

Der Hanyou war sofort neben ihm: „Du hast nichts getan!“ beschwerte er sich.

„Energieverschwendung.“

Hieß das jetzt, dass der Herr Halbbruder angenommen hatte, er und Tessaiga würden schon mit den Biestern fertig werden? War das jetzt Zutrauen oder Faulheit? Eigentlich waren beides Eigenschaften, die er ihm nicht zubilligen konnte. „Keh!“ machte er daher bloß.
 

Abrupt hörte der Wald auf. Vor ihnen lag eine grasbewachsene, scheinbar leere Savanne, die bis zu den steil aufragenden Bergen am Horizont reichte, sicher das Gebirge von Seikki. Direkt vor ihnen befand allerdings ein ausgedehntes, fast kreisrundes Waldgebiet und keiner der beiden bezweifelte, dass es sich um den ominösen Wald der Todesseile handeln würde. Um ihn herumzugehen war reine Zeitverschwendung, zumal sie in schweigsamer seltener Gemeinschaft davon ausgingen, dass nichts und niemand ihnen gefährlich werden konnte. So marschierten sie geradewegs auf den dunklen Forst zu, immer die genaue Richtung Nordosten haltend.
 

**

Der Rat beginnt nachzudenken^^

Inuyasha sollte seinem Bruderherz erzählen, wie man sich durch Videospiele spielt und umgedreht Sesshoumaru erwähnen, was es mit dem Rat und der Prüfungshölle auf sich hat.

Das nächste Kapitel spielt jedenfalls im Wald der Todesseile.

Im Wald der Todesseile

Der seltsame, fast kreisrunde Wald war dunkel, finsterer, als es eigentlich der Baumbewuchs zugelassen hätte, und Inuyasha spürte erneut das unbehagliche Gefühl beobachtet zu werden. Aber es war nichts zu sehen, nicht einmal ein Hase zu wittern. Es war, als ob der Wald vollkommen ausgestorben wäre. Womöglich hatte das ihm seinen Namen gegeben. Menschen würden sich hier gleich noch einen Deut unwohler fühlen. Aber wieso eigentlich Todes-Seile? Es warf einen Blick herum. Nichts war zu erkennen außer hohen Bäumen, sicher weit über hundert Jahre alt, moosbewachsen und selbst an den dicksten Ästen grün. Er ging hinter seinem Halbbruder, der anscheinend mühelos die schnurgerade Richtung Nordost einhielt. Es gab auch keinerlei Unterholz hier. Das war der befremdlichste Wald, in dem er je gewesen war, und er hatte auf seinen langen Wanderungen, zuerst allein, später dann mit seinen Freunden auf der Jagd nach Naraku wirklich eine Menge gesehen. Irgendetwas stimmt hier nicht, veränderte die Luft, aber da Sesshoumaru nichts sagte, und der von ihnen doch die bessere Nase hatte, mochte es eine reine Einbildung sein.
 

Sesshoumaru, ja.

Seit der anerkannt hatte, dass er, Inuyasha, Tessaigas rechtmäßiger Besitzer war, hatte er ein eigenes Schwert, Bakusaiga, aus sich selbst heraus bekommen und einen neuen zweiten Arm dazu. Und er selbst…nun, eigentlich war es ihm so ähnlich ergangen. Als er geglaubt hatte, dass es für Kagome sicherer und besser in ihrer Zeit war, er sie nach Hause gebracht und auf sie verzichtet hatte – drei Jahre später hatte er sie zurückbekommen. Sie war erwachsen geworden, und er eigentlich auch. Kaede hatte ihn sogar, wenn auch nur einmal, weise genannt. Auch er hatte lernen müssen, auf das, was ihm so wichtig gewesen war, zu verzichten, um es zu bekommen. Und jetzt war er erwachsen geworden, nicht mehr ganz so aufbrausend wie früher, nicht mehr ganz so leicht zu jedem Kampf bereit. Er hatte endlich ein Zuhause gefunden und war zufrieden.

Bis auf einen Punkt, korrigierte er sich ehrlich. Sein Vater hatte ihn anerkannt, ihm einen Namen gegeben und damit war er ein vollwertiges Familienmitglied. Und doch hatte ihn Sesshoumaru als Schande für die Familie bezeichnet, nahm ihn einfach nicht für voll. Das war noch immer sein eigener, gefühlsmäßiger Schwachpunkt. Und dabei war es vollkommen unrealistisch. Ehe Sesshoumaru ihn als Bruder anerkannte, von „unserem“ Vater sprach, würde die Welt untergehen. Für einen so hochrangigen, vollblütigen Youkai, der noch dazu die Schwelle zum Daiyoukai überwunden hatte, ja, angeblich stärker als Vater geworden war, würde er immer der Schwächere sein, immer der Bastard, das Halbblut.

Er entsann sich nur zu gut, wie nach Kikyous Wiedereinmalermordung durch Naraku Sesshoumaru auf seine Vorwürfe nur antwortete: Inuyasha, der, der die miko nicht beschützte – das war nicht ich. Und das war die bittere Wahrheit gewesen.

Ein Youkai tat nichts, was ihm nicht nützlich war – und Kikyou hatte nun einmal nicht zu den Begleitern seines Halbbruders gezählt sondern zu den seinen.

Ärgerlich, aber irgendwo auch verständlich.

Hatte er gerade verständlich gedacht? Er verstand den ach so tollen Daiyoukai? Doch, wohl schon, jedenfalls eher als der ihn. Er hatte wirklich dazu gelernt in den letzten Jahren, vor allem in dem Moment, in dem Sesshoumaru zu ihm gekommen war und ihn gebeten hatte...ja, gebeten hatte, auf Rin aufzupassen, sie in dem Dorf leben zu lassen. Zuvor hatte er sich ja doch meist gewundert, was Sesshoumaru und Rin verband, aber dann hatte er es begriffen: für seinen Halbbruder bedeutete Rin das, was Kagome für ihn war, wenn auch auf einer anderen Ebene: das Wesen, dem nichts zustoßen durfte, für das man bereit war, auch auf den eigenen Vorteil zu verzichten.

Er warf einen Blick auf den Vorangehenden. Ganz sicher machte der sich Sorgen um Rin, auch, wenn er es nicht weiter ausführte. Keiner von ihnen war jetzt bei Kagome, Rin und den anderen. Und wer wusste schon, ob dieser dämliche Rat nicht auf den nächsten mehr als dummen Einfall kam.

Er konnte jedenfalls die kleine Stimme im Hinterkopf wieder einmal hören, dass er sich danach sehnte, einmal von Sesshoumaru als Bruder anerkannt zu werden, als vollwertiges Familienmitglied. Ein Traum, wie er nur zu gut wusste, aber war es nicht ebenso nur ein Traum gewesen, ein Zuhause zu finden, Freunde…? Und es war ihm gelungen.
 

Sesshoumaru prüfte immer wieder die Luft. In einem solchen Wald war er noch nie gewesen und das Fehlen der gesamten Tierwelt war alarmierend. Nicht einmal Ameisen krochen auf dem Boden herum, keine Fliegen schwirrten, keine Pflanzen blühten und die Luft war seltsam stickig und abgestanden. Aber nichts verriet eine Gefahr und er hätte sich lieber selbst einen Nagel ausgerissen, als sich gegenüber Inuyasha Unbehagen oder gar einen Fehler zu leisten. Fehler machte schließlich nur der.

Den Wald der Todesseile hatte das der Schamane genannt und auch, wenn davon auszugehen war, dass dies nur der Name war, den törichte Menschen ihm gegeben hatten, so neigten selbst die nicht dazu, einen Phantasienamen zu wählen. Selbst das Gebirge von Seikki war von dem Wort für Jahrhundert abgeleitet worden, das Gebirge der Jahrhunderte. Hier waren Menschen gestorben, da war er sicher. Nur, warum Seile? Unwillkürlich warf er einen Blick herum. Aber zwischen den Bäumen war nur leerer Grund, kein Unterholz, nicht einmal Pilze, Moose oder Flechten. Eigentümlich, in der Tat.
 

„Sesshoumaru!“ Inuyasha flüsterte es unbewusst.

Das Gehör des Hundeyoukai war gut genug und er drehte sich um, etwas erstaunt, dass der Blick des Halbblutes nach oben ging. So sah auch er empor. Dort, in der Krone eines dichten Baumes hing ein menschliches Skelett, das zu ihnen herunterstarrte, scheinbar mit dem Ast verwachsen, auf dem es saß. Nun, er hatte ja gewusst, dass hier derartige Wesen gestorben waren: „Er tut dir schon nichts“, meinte er daher ein wenig spöttisch.

„Idiot. Siehst du das denn nicht?“ fauchte der Jüngere prompt.

Jetzt blickte der Daiyoukai doch noch einmal empor und fand seinen ersten Eindruck bestätigt. Dieser Mensch musste vor so langer Zeit da gestorben sein, dass er inzwischen mit dem Baum verwachsen war. War er dort hinauf geklettert, um einer Bedrohung für ihn auszuweichen und nicht mehr hinunter gekommen, dann jämmerlich verhungert? „Er ist mit dem Baum verwachsen, “ erwiderte er jedoch, um sich nicht der Dummheit zeihen zu lassen. Warum sollte es ihn eigentlich interessieren, was Inuyasha von ihm hielt, dachte er gleichzeitig. Aber die Antwort war klar: keinen Fehler gegenüber dem Bastard zeigen, keine Schwäche.

„Eben. Ist das etwa deiner Ansicht nach normal?“

„Wenn er dort lange genug war, warum nicht.“ Aber wieso reagierte der so intensiv auf einen toten Menschen? Er sollte genug gesehen haben. Da war doch nichts Erstaunliches oder gar Gefährliches dabei?

Der Hanyou betrachtete das Skelett. Möglich, dass der Mensch dort oben gesessen hatte, der Baum in die Höhe gewachsen war und schließlich teilweise in das Skelett….Aber das dauerte doch. Und er wusste nur zu gut, wie rasch menschliche Knochen zerfielen, nicht mehr in einem Stück blieben. Irgendetwas stimmte nicht, da war er sicher, auch, wenn es hier mitten im Wald keinen Wind gab. Die dicken Äste waren alle mit grünem Moos bewachsen. War das irgendwie Schuld?

Sesshoumaru ging weiter und so folgte er ihm, um dann an seine Seite zu springen. Was auch immer diesen Menschen getötet hatte, sollte sich an ihnen beiden verschlucken.
 

Sie entdeckten noch zwei weitere menschliche Skelette, ebenfalls hoch oben in den Bäumen, desgleichen eng mit einem Ast verbunden. Auch der Hundeyoukai gab nun, wenn auch nur in Gedanken zu, dass das ungewöhnlich war. Denn es war kaum davon auszugehen, dass sie rein zufällig alle Opfer dieses Waldes treffen würden. Hier musste es viele derartige Skelette geben. Was immer vorgefallen war – sie würden die Lösung wohl bald herausfinden.

Er betrachtete den Waldboden um sich, die dicken Stämme der Bäume. Ein uralter Wald, in der Tat, aber wenn sich jemand anschleichen wollte, musste er von Stamm zu Stamm gleiten – und das geräuschlos und ohne gewittert zu werden. Das war zwar gewiss bei Menschen möglich, aber nie bei ihm. Ein rascher Seitenblick verriet ihm, dass auch das Halbblut angespannt war, die Luft prüfte, die allerdings immer dumpfer wurde, fast, als ob hier nie ein Wind Frische bringen würde, ja, man sich im Inneren eines abgeschlossenen Raumes befinden würde.

Als es endlich geschah, wurden beide Hundebrüder überrascht.
 

Wie Peitschenschnüre schossen von allen Seiten lange, grüne Ranken auf sie zu, die von den Ästen der Bäume fielen, scheinbar gelenkt von einem einzigen Willen, klammerten sich an Arme und Beine, während weitere sich um die Oberkörper schlangen, sie fest aneinanderpressten.

„Verdammt…..“ war alles, was Inuyasha murmelte, als er feststellen durfte, dass er sich nicht nur nicht mehr bewegen konnte, sondern kopfüber an seinen Halbbruder gedrückt wurde. Er versuchte, die heimtückischen Schlingen zu zerreißen, aber das erwies sich als unmöglich.

Auch Sesshoumaru hatte bereits erfahren, dass selbst seine Kraft nicht gegen die Todesseile ankam. Immerhin wusste er nun, woher dieser Name stammte.

„Ah..“ brachte der Hanyou noch heraus, als ein scharfer Ruck erfolgte und sie plötzlich in fast zehn Metern Höhe baumelten, er mit dem Kopf nach unten, um seine Lage wohl noch ein wenig würdeloser zu gestalten. Seine Hände waren aneinandergefesselt und das zu allem Überfluss an die Knöchel seines Halbbruders. Um das Ganze noch besser zu machen, musste er seine Beine weit spreizen, um die von den Dornen der Rüstung des Hundeyoukai abzuhalten. Er zog erneut an den Schlingen.

Wie überaus verdrießlich, dachte auch Sesshoumaru. Nicht nur, dass diese Seile ihn einfach überfallen konnten, den Hanyou so an ihn drückten, nein, sie widerstanden auch seinen Versuchen, sie mit den Klauen zu zerreißen. Sie schienen nachzugeben, blieben aber unzerstörbar. Und seine Hände wurden so gehalten, dass er die Arme ausbreiten musste, folglich nicht an seine Schwerter kam. Diese Todesseile verfolgten einen perfiden Plan, das war klar – und jemand steuerte sie.

Er spürte nur zu deutlich selbst durch seinen Panzer, wie sich der Hanyou mit dem gesamten Körper wand, zu befreien versuchte: „Bleib still.“ Das fühlte sich geradezu…peinlich an.

Inuyasha versuchte vergeblich seinen Kopf wenigstens etwas zu drehen, da sein Gesicht gegen ein Metallblatt des Unterkörperschützers des Hundeyoukai gedrückt wurde – nun, immerhin, dachte er plötzlich, als ihm einfiel, was geschehen wäre, wäre das nicht da. Eine noch verdrießlichere Situation konnte er sich nicht vorstellen. „Glaubst du etwa, es macht mir Spaß kopfüber an dich gepresst hier herumzuhängen?“

Das bezweifelte Sesshoumaru, ging es ihm doch ebenso. Sie musste schleunigst wieder auseinander. Aber dieser Idiot sollte aufhören, sich so bewegen, selbst, wenn das eine Erklärung bedeutete: „Du kannst diese Schlingen nicht zerreißen. Und keiner von uns kommt an sein Schwert.“

„Stimmt. Das ist so, als ob diese dämlichen Seile mitdenken können. – Jedenfalls ist jetzt klar, was mit den Menschen passiert ist.“

„Die Bäume fressen sie.“

„Äh, ja.“ Das so ruhig ausgesprochen zu hören, wenn man sich nicht befreien konnte, war auch nicht gerade angenehm. „Und, keine gute Idee?“ Er verschluckte gerade noch die Anrede als „großer Bruder“. Was war nur mit ihm los? Kam er selbst auf nichts mehr?

„Dokka-so.“

Giftklaue, dachte Inuyasha. Das müsste doch funktionieren. Er spürte einen Ruck an den Seilen, ohne sehen zu können, was geschah. Er würde sich allerdings darauf verlassen können, dass Sesshoumaru eher sonst etwas tat, als so an ihn gepresst in den Tod zu gehen. Ein zweiter Ruck und sie stürzten, da es dem Hundeyoukai gelungen war, die Fesseln um seine Handgelenke zu zerstören. Allerdings hielten die anderen Todesseile sie noch immer und so fand sich Inuyasha plötzlich aufrecht wieder, während nun sein Halbbruder mit dem Kopf nach unten hing – eine Haltung, die ihn für gewöhnlich amüsiert hätte, aber es war zu ernst dazu. Überdies hatte er vor wenigen Sekunden noch nur zu gut erfahren, wie unangenehm das war: „Mach weiter“, drängte er daher: „Ehe diese komischen Bäume noch mehr Ranken schicken.“

Und ehe er selbst seine Selbstbeherrschung verlor, dachte der Daiyoukai prompt, ehe er sich etwas aufrichtete, um mit seiner Giftklaue seine Beine von den Händen seines Halbbruders zu lösen: „Zieh Tessaiga!“ Sie hingen nur noch mit den Oberkörpern aneinander.

„Was?“

„Tessaiga,“ wiederholte Sesshoumaru fast knurrend. Hatte der denn immer noch nicht verstanden, worin das Wesen dieser Falle bestand?

Das hatte Inuyasha in der Tat nicht in vollem Ausmaß, aber er gehorchte, erfreut, auch etwas unternehmen zu können.

Als die Seile durch die Giftklaue auch um ihre Hüften verschwunden waren, stürzten beide aus acht Metern auf den Waldboden, nichts, was ihnen etwas ausmachte. Sofort jagte der Hanyou einen Angriff durch den Wald, um die Bäume aus ihrer Richtung zu bringen, ehe sie beide losrannten, einig in der Meinung, dass sie auf eine solche Demütigung jederzeit wieder verzichten konnten und würden. Einige Todesseile schossen ihnen nach, fielen wieder von den Bäumen, aber sie waren zu schnell.
 

Erst, als sie aus dem Wald heraus waren, und ein Stück entfernt, blieben sie stehen.

Inuyasha schob sein Schwert zurück: „Na, jedenfalls ist jetzt klar, warum das Wald der Todesseile heißt. Hier sollten wir auf dem Rückweg nicht durchgehen.“

Was für eine durchdachte Feststellung. Aber er hatte die Sache wohl noch immer nicht im Ganzen gesehen: „Das ist kein Wald.“

„Äh, Sesshoumaru, eine Gegend, wo viele Bäume stehen, nennt man Wald…“

„Das ist ein Lebewesen.“

„Hm. Ich habe schon Youkai gesehen, die wie Berge waren. So etwas?“ Keine Antwort, also wohl ein Ja. Immerhin hatte er es ihm erklärt. Der Hanyou blickte noch einmal auf den kreisrunden Wald. In der Tat, wenn man es wusste, konnte man erkennen, dass da etwas wie eine Aura um den Forst schwebte. Gewöhnlich war wohl nichts zu entdecken. Eine böse Falle. Man lief buchstäblich ahnungslos in das Lebewesen hinein. Kunststück, dass da weder Rehe noch Hasen zu erkennen gewesen waren. Und wenn man tief genug drin war, oder auch genügend abgelenkt, fingen einen die Todesseile ein, damit das Opfer schlussendlich von den Bäumen verdaut wurde. Was für ein grässlicher Tod.

Aber jetzt war etwas anderes wichtig.

Vor ihnen erhoben sich die hohen Berge, sicher das Gebirge von Seikki. Was die Menschen, die im diesem Wald gestorben waren, wohl nur in dieser Einöde gesucht hatten? Die Berge stiegen steil auf, waren eindeutig unbewachsen. Ackerbau war unmöglich. Ob sie wohl auf Gold oder Silber gehofft hatten?

Aber da war etwas Unangenehmes, nun, der Herr Daiyoukai würde es sicher ebenso schon bemerkt haben, es wäre jedoch vielleicht ein passender Zeitpunkt auch einmal gut dazustehen.

„Dieses ganze dämliche Gebirge ist mit einem Bannkreis gesichert.“

Sesshoumaru wandte ihm den Kopf zu: „Ein Bannkreis.“ Ja, doch, er spürte jetzt ebenfalls etwas, aber wie ärgerlich, dass das ausgerechnet dem Halbblut als erstem aufgefallen war: So sollte er jetzt zusehen, dass der ihn nicht für magisch unfähig hielt: „Er verhindert das Durchschreiten jeder Lebensform.“

„Das rote Tessaiga könnte ihn öffnen.“

„Shiken jigoku wurde auf Daiyoukai ausgelegt, wenn du einmal mitdenken würdest.“

„Schon, aber wir können doch hier nicht wie die Idioten stehen bleiben.“ Einen Versuch wäre es doch wert – und immerhin waren er und Tessaiga ein gutes Team. Traute ihm sein Halbbruder denn wirklich gar nichts zu?

„Es gibt eine Öffnung, wohl ein Portal, durch das man gelangen kann.“

Oh, das erleichterte die Sache. Dann war das also ein sachlicher Grund gewesen und keine Beleidigung: „Gehen wir.“ Inuyasha hatte zwar keine Ahnung, wo sich diese Öffnung im Bannkreis befinden mochte, aber er war zufrieden, auch einmal magische Fähigkeiten zeigen zu können. Schließlich war das nicht gerade seine starke Seite.

Seit wann wagte es dieses Halbblut ihm Befehle zu erteilen? Aber es war nur sinnvoll und so ging der Hundeyoukai schweigend weiter über die grasige Ebene, in Richtung auf das steile Gebirge, wo er das Portal im Bannkreis spürte.

Obwohl das Flachland übersichtlich schien, achteten beide sorgfältig auf ihre Umgebung, auch auf den Himmel über sich. Sie waren zwischenzeitlich schon allerlei seltsamen und unfreundlichen Wesen begegnet, so dass sie nicht ausschließen konnten, dass es weitere gab.
 

Bald zeigte sich ein, wenn auch kaum erkennbarer, Pfad, der sich hinauf in das Gebirge zog, bestimmt eine alte Passstraße. Sesshoumaru erkannte es zufrieden. Das musste der Weg zu dem Portal sein. Die einstigen Erschaffer der Prüfungshölle brauchten schließlich eine Möglichkeit dorthin zu gelangen. Und das Tor musste sich dann dort oben in den Bergen vor ihnen befinden. Denn der Bannkreis, der das gesamte Gebirge umgab, war wirklich nicht schlecht. Er selbst…nun, ganz sicher würde er irgendwie durchkommen, aber Inuyasha sogar mit Tessaiga kaum. Überdies zeigte der Bannkreis ganz eindeutig die erheblichen magischen Fähigkeiten desjenigen, der shiken jigoku erschaffen hatte. Nein. Es hieß, wer den Pfad verließ, kam elendig um. Es war klüger gewesen, sich der Erpressung zu beugen.
 

Als sie die erste Höhe ohne Zwischenfälle erreicht hatten, trat Inuyasha neben seinen Halbbruder: „Was meinst du….wie weit ist es noch?“

„Müde?“ kam die prompte Antwort.

„Keh, Blödsinn! Aber ich dachte an Kagome und Rin…ich meine, wenn…wenn…“

Da der Hanyou eigentlich nicht zu Sprachstörungen neigte, wandte Sesshoumaru den Kopf und erkannte, dass dieser abgerutscht war. Nicht aus Unvorsichtigkeit. Auch der Hundeyoukai war sicher, dass das Loch im Felsboden zuvor nicht dort gewesen war. Jetzt öffnete sich an dieser Stelle eine Art kreisrunde Höhle unbekannter Tiefe. Inuyasha war es immerhin gelungen, sich an einem schmalen Vorsprung in gut einem Meter unter der Erde festzuhalten.

„Was ist das denn…?“ fragte er, um zu ergänzen: „Igitt…das klebt hier ja…“

„Dann komm raus.“

„Wenn sich der Herr Halbbruder vielleicht erinnert – ich kann nicht fliegen. Und wenn ich diesen komischen Felsen hier loslasse, rutsche ich weiter ab.“

„Leim und du rutscht ab?“ Irgendwoher kannte er das doch?

„Leim?“ Alarmiert betrachtete Inuyasha die Tiefe unter sich: „Also, was immer das hier ist – es sieht eigentlich nach Felsen aus. Aber ich kann da unten eine Flüssigkeit riechen.“ Er versuchte mit der freien Hand einen anderen der feinen, nach oben gebogenen Vorsprünge zu erreichen. Klar, das hätte er sich ja denken können, dass eher der Himmel einstürzte, als dass sich Sesshoumaru niederkniete und ihm die Hand entgegenstreckte.

„Beweg dich nicht, du Narr!“

„Soll ich hier vielleicht übernachten?“ Aber da erkannte auch der Hanyou, dass es sich in der Tat nicht um Felsen handelte. Die hauchdünnen Vorsprünge, wie er auch an einem hing, waren Haare, die sich nun wie eine Reuse über ihm zu schließen begannen. In der Tat. In dieser Gegend wohnten sehr seltsame Lebewesen – alle anscheinend mit einem Appetit auf Hanyou.
 

**
 

Nun ja. Inuyasha sollte zusehen, dass er da rauskommt. Im nächsten Kapitel, in den Ruinen von Zugaikotsu, zeigt es sich, dass nicht alles, was tot ist, es auch ist....Und ihr lernt den Herrn der Prüfungshölle kennen.

Die Ruinen von Zugaikotsu

Da einige nachfragten: die Idee zu dem Wald der Todes-Seile entsprang einem Schleimpilz:

http://www.planet-wissen.de/natur_technik/mikroorganismen/schleimpilze/index.jsp. Ich sah in einer Fernsehsendung, wie ein solches Wesen einen Regenwurm mit Schlingen fängt.
 

5. Die Ruinen von Zugaikotsu
 

Inuyasha betrachtete die sich über ihm schließende Haarreuse mit nichts weniger als großer Begeisterung. Eine Hand benötigte er, um sich an dem Haar festzuhalten, nicht in die unbekannte Tiefe zu stürzen, wo anscheinend eine ätzende Flüssigkeit auf ihn wartete. Einen Klauenangriff mit der anderen? Gegen die Haare? Womöglich konnte er so verhindern, dass er eingeschlossen wurde, aber dann? Er konnte nicht fliegen und hochspringen war ein Ding der Unmöglichkeit.

Tessaiga war auch keine Option. Würde er das seltsame Lebewesen töten, würde er auch dort hinunterfallen. Und der Geruch der Flüssigkeit erinnerte ihn unangenehm an den Magen des Eremiten, in dem er einst gesteckt hatte. Selbst tot würde ihn das Wesen wohl noch verdauen.

Wie er es auch drehte und wendete – es sah nicht so aus, als ob er von allein aus dieser Lage kommen konnte. Aber um Hilfe bitten? Noch dazu Herrn Ich-bin–ja-so-toll–und-allwissend? Die Abfuhr konnte er sich ebenso sparen wie die darauf folgende Beleidigung. Nein. Es musste ihm etwas einfallen. Er war schon öfter in unangenehmen Lagen gewesen und hatte sich stets daraus befreien können. Ganz sicher würde ihm etwas einfallen. Nur ruhig bleiben.
 

Sesshoumaru musterte seinen Halbbruder durch die sich langsam schließende Haarreuse. Er war ein wenig erstaunt. Weniger darüber, dass der keine Anzeichen von Panik zeigte, Mut hatte er ihm noch nie absprechen können. Auch, dass der anscheinend nachdachte, nicht aufgeben wollte, war nicht verwunderlich. Sturheit besaßen sie alle beide, das wusste er nur zu gut. Aber er fand es überraschend, dass der Jüngere zu stolz war, ihn um Hilfe zu bitten. Nun, er selbst hätte sich auch lieber die Zunge abgebissen, aber er wäre natürlich längst schon empor geflogen. Und fliegen konnte der Bastard nun einmal nicht.

Sollte er abwarten, bis das Halbblut auf eine Idee kam? Oder sollte er die Sache abkürzen und ihn hochziehen? Wer wusste schon, ob es bei dieser shiken jigoku nicht eine Zeitbegrenzung gab. Alles, was er je gehört hatte, wies darauf hin, dass der Prüfling erst in der eigentlichen Prüfungshölle erfuhr, um was es ging. Noch etwas, das er dem Rat auf dessen schwarze Liste setzen konnte. Und mit Verlängerung dieser stieg auch die Sicherheit, dass es dann acht tote Hundeyoukai mehr auf der Welt geben würde. Jedenfalls stellte er fest, dass er nicht so ohne Weiteres bereit war dem Halbblut beim Sterben zuzusehen, nur, um damit dem Rat einen Gefallen zu tun.

Er trat näher an das Loch heran und versteifte die Finger, während er bereits sein Fell von der Schulter gleiten ließ. Noch während sein Klauenangriff die Haare der Reuse zerriss, ermöglichte er seiner Boa hinab zu fallen und sich um den Hanyou wickeln.

Inuyasha dachte fast, er spüre und sehe nicht richtig, als er fühlte, wie er fest um die Taille gepackt und empor gerissen wurde. Seit wann neigte der Herr Halbbruder denn zu Rettungsaktionen? Nun, zumindest würde noch eine Beleidigung kommen.

Aber der Ältere zog nur sein Fell an sich und wandte sich schweigend zum Gehen.

„Äh...danke…“ murmelte der Hanyou daher, in dem ungewissen Gefühl, sich doch bedanken zu sollen, auch, wenn ihm das, zumal Sesshoumaru gegenüber, mehr als eigenartig vorkam. Da wieder keine Antwort kam, machte er, dass er an dessen Seite sprang. Was war denn nun los? Aber nachfragen würde sicher keine Aufklärung bringen. Er sollte froh sein, die Hilfe bekommen zu haben und sich bei passender Gelegenheit revanchieren. Genau das würde er tun, beschloss er. Und natürlich besser auf den Boden unter ihm achten. Wer wusste schon, ob es hier noch mehrere dieser eigenartigen Fallen gab.
 

Dies entsprach den Tatsachen. Einmal öffnete sich die Erde unter Sesshoumaru, der seinen Schritt zu einem Flug verlängern musste, um wieder auf festem Grund zu sein, einmal sah sich Inuyasha gezwungen einen weiten Satz zu machen. Dann jedoch stieg der uralte Weg wieder steil zwischen Felsen empor und sie nahmen zu Recht an, dass sich hier keine Fallen mehr befanden – zumindest keine Löcher.
 

Nach einer scharfen Kehre blieben die Hundebrüder etwas überrascht stehen. Vor ihnen dehnte sich ein kleines, mit Bäumen und Sträuchern bewachsenes Plateau. Die Pflanzen bedeckten kaum die Tatsache, dass hier einst ein Dorf gelegen hatte, das Menschen erbaut hatten. Menschen in dieser Einöde und für diese mehr als gefährlichen Gegend? Kein Wunder, dass es nun nur mehr Ruinen waren.

Die Sonne war schon am Untergehen und beide beschlossen in stummer Eintracht weiterzugehen. Sie hatten bereits einen ganzen Tag auf der Wanderung verbracht und sie waren sich selten einig, diese ganze unsägliche shiken jigoku möglichst rasch hinter sich zu bringen – um sich anschließend den Hunderat vorzuknöpfen. Hätten sie gewusst, dass der andere ebenso dachte, wären sie mehr als überrascht gewesen.
 

Sie hatten den ehemaligen Dorfplatz erreicht, als etwas leise klirrte. Alarmiert blickten sie sich um, die Hände bereits an den Schwertgriffen. Es war nichts zu riechen, weder Youkai noch Mensch, denn alles hier stank nach Tod, ja Verwesung.

Inuyasha nahm an, dass die letzten Dorfbewohner von Dämonen oder wilden Tieren überfallen worden waren und nicht mehr begraben werden konnten, ehe er eine nur zu bekannte Witterung nach Metall und Leder in die Nase bekam: „Da sind Zombies!“

Sesshoumaru zog wortlos Bakusaiga.

Die Halbbrüder tauschten einen raschen Blick, ehe sie sich Rücken an Rücken stellten, um die untoten Krieger zu erwarten, die aus allen Richtungen der beginnenden Nacht auf sie zu wankten, untot aber nicht ungefährlich, das verrieten ihre scharfgeschliffenen Schwerter.

„Kaze no kizu!“

Der Angriff des Hanyou zeigte ebenso wie der gleichzeitige des Daiyoukai, dass die Überfallenen keineswegs wehrlos waren. Wie sie es allerdings schon erlebt hatten, setzten sich die Untoten wieder zusammen.

„So ein Mist! Ich hasse diesen Totentanz!“ murmelte Inuyasha: „Moment mal. Kaguras Totentanz!“

„Wovon redest du?“

„Ach, da warst du nicht dabei. Kagura...“ Er sollte aufpassen, was er über sie sagte, denn, wenn er sich recht entsann, hatte sein Bruderherz gewisses Interesse an ihr gezeigt: „Sie hatte da eine Möglichkeit, mit ihrem Fächer Tote auferstehen und für sich kämpfen zu lassen, sogar Youkai.“ Nun, Wolfsyoukai, was ja Kouga dann auf einen Rachefeldzug getrieben hatte: „Und das hier sind doch Youkai!“ Er jagte einen neuen Angriff los.

Ebenso Sesshoumaru: „Ja.“ Doch, das hier waren tote Youkai, wenn auch keine besonders mächtigen. Hm. Sollte das Halbblut einmal Recht haben? Andererseits – der kannte Kaguras Fähigkeiten sicher. Nur: „Kagura ist tot.“

„Das weiß ich, du warst ja bei ihr. Aber jemand steuert doch diese Idioten!“

„Such ihn.“

„Äh, und du?“

Traute ihm das Halbblut etwa nicht zu, gegen ein paar Untote so lange standzuhalten, bis der seinen Teil erledigt hatte? Oder war der zu feig?

Inuyasha bemerkte, dass der Daiyoukai wortlos seine Schwerter tauschte. Natürlich. Tenseiga würde jeden dieser Zombies endgültig in das Jenseits schicken. Dennoch war das eine solide Übermacht. Er sollte sich beeilen.

Mit einem gewaltigen Sprung setzte er auf das noch halbwegs stehende Dach einer Hütte und sah sich um. Gut fünfzig Zombies hatten sie überfallen. Nur, wo war der Verantwortliche dafür? Wittern war fast unmöglich. Alles hier stank nur nach denen. Er warf noch einen raschen Blick zu seinem Halbbruder, der mit einer eleganten Drehung soeben drei der Untoten endgültig beseitigte. In diesem Moment erkannte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung und starrte in die hereinbrechende Nacht. Da stand doch jemand bei einer zerfallenen Hütte, nein, einem Schrein, eine grauhaarige Frau, in dunkelroter, bodenlanger Kleidung, die ihre klauenartigen Hände bewegte.

Fäden.

Sie spielte mit den Zombies als Marionetten.

Das ließ sich ändern.

Er hob Tessaiga. Und der Macht der Windnarbe hielten die Fäden nicht stand.

Die alte Frau schrak zusammen, als ihre Verbindung zu den Marionetten plötzlich abbrach, diese haltlos in sich zusammenfielen – und zwei weißhaarige junge Männer aus der Dunkelheit vor ihr erschienen: „Bitte, nicht....“ stammelte sie unwillkürlich.

Erst einen überfallen und dann auf harmlos machen, dachte Sesshoumaru ein wenig verstimmt, schob jedoch Tenseiga weg. Sein Ziel war der Rat, da musste er sich nicht mit jedem lästigen Youkai am Wegesrand herumärgern – falls der etwas Sinnvolles beitragen konnte: „Shiken jigoku.“

Sie begriff nun durchaus, wen sie hier überfallen hatte lassen, - und dass die Möglichkeit, immerhin noch Auskunft geben zu dürfen, schon eine großzügige Verlängerung ihres verfallenen Lebens war: „Ihr seid mächtige Daiyoukai auf dem Weg in die Prüfungshölle. Das habe ich nicht erkannt, ich bitte um Vergebung, edle Herren. Soll ich Euch den Weg weiter beschreiben?“ Zwei Inuyoukai, sicher Hundefürsten. Ging es darum, wer der neue Taishou werden sollte? Sie hatte gehört, dass der alte ermordet worden war. Dann sollte sie beten, dass sie sie für zu uninteressant hielten, um ihre Zeit mit ihrem Tod zu verschwenden – obwohl sie sie sicher verärgert hatte.

„Also,“ meinte Inuyasha, sein Schwert ebenfalls wieder in der Scheide: „Wie geht es weiter und was sollte eigentlich das kleine Überfallkommando hier?“

„Ich lebe hier, ehrenwerter Herr. Dies sind die Ruinen von Zugaikotsu. Meine Untoten sind Youkai, die die shiken jigoku sich anmaßten, ohne durch die beiden Hindernisse zu gelangen. So ist die Regel. Sie gehören dann mir, damit ich mit ihnen Youkai oder Menschen jagen kann, die sich in mein Gebiet wagen. Aber es war schon lange niemand mehr hier.“ So langsam hatte sie beschlossen, wegzuziehen, in bewohntere Gebiete.

„Klingt ja aufbauend. Und was sind das für zwei Hindernisse, ehe man überhaupt die dämliche Prüfungshölle betreten kann?“

„Das...das weiß ich nicht genau. Nur, wenn Ihr, edle Herren, diesen Pfad weiter emporsteigt, gelangt Ihr durch einen schmalen Pass auf die andere Seite dieser Berge. Danach führt Euer Weg über eine kleine Ebene, sie soll nur wenige Stunden breit sein, genannt die Ebene der Raben, ehe Ihr den Pass der Schmerzen erreicht. Was dort geschieht weiß ich nicht, Hayasa-sama lässt mir nur die Toten bringen.“

Das war mal ein Name, mit dem sich was anfangen ließ: „Und wer ist dieser Hayasa?“

„Er ist der erste Daiyoukai, der die shiken jigoku schuf. Er hat sich freiwillig bereit erklärt, die Prüfungen zu leiten. Es ist aber nicht nur seine Magie, die das alles aufrecht erhält.“

„Ist er tot?“ Hier war ja alles möglich.

„Ich weiß nur, dass er sehr alt und mächtig ist.“ Die alte Frau zögerte etwas. Sollte sie um ihr Leben bitten? Aber das wäre sinnlos. Schließlich war sie selbst eine Youkai und diese taten, was sie wollten. Immerhin ließen sie sie noch reden, das gab ihr etwas Hoffnung. „Vor allem in seiner Magie, da er auch alles kontrollieren kann, was an Zauber von anderen hineingegeben wurde. Er wird sich Euch sicher zeigen, wenn Ihr die Hindernisse überwunden und die Hochebene der Prüfung erreicht habt.“

„Du warst nie in der shiken jigoku?“

Sie hob fast erschreckt die Klauen: „Oh nein, edler Herr. Ich bin nur eine harmlose kleine Youkai, die überleben will. Ich würde dies nie bestehen.“

„Dann solltest du jetzt auch verschwinden,“ riet Inuyasha, fast ein wenig überrascht, dass Sesshoumaru sie so lange hatte reden lassen. Nun ja, sie waren beide doch in den ganzen Abenteuern der letzten Jahre etwas erwachsener geworden. Es hatte schon Zeiten gegeben, in denen der Herr Halbbruder Leute aus weit weniger Ursache ins Jenseits befördert hatte.

Das ließ sich die alte Youkai nicht zweimal sagen. Als sie sich in einigermaßen sicherer Entfernung umsah, entdeckte sie in der Dunkelheit, wie die beiden mit den langen weißen Haaren sich weiter den Pfad empor machten.

Hätte sie ihnen sagen sollen, wie der erste Pass hieß? Das fiel ihr nun ein, aber es war sicher zu spät. Und sie würden das Hindernis am Pass der Illusionen bestimmt selbst finden müssen. Sie sollte sich ihnen nicht noch einmal unter die Augen trauen. Immerhin hatte sie Daiyoukai überfallen und lebte noch. Soweit sie wusste, war das noch niemandem passiert. Da sollte man das Schicksal nicht zu sehr herausfordern. Andererseits: sollten diese zwei hübschen Jungs am Pass der Illusionen oder am Pass der Schmerzen scheitern, wären sie eine nette Ergänzung ihrer Totenmarionetten, zumal sie es geschafft hatten, einige davon für ewig ins Jenseits zu befördern. Eine interessante Fähigkeit, von der sie nie zuvor gehört hatte.

Genau, beschloss sie. Sie würde hier abwarten, ob sie die Hindernisse bestanden oder nicht. Wenn ja, sollte sie wirklich wegziehen, wenn nein, hatte sie zwei nette neue Marionetten.
 

„Hayasa-sama!“ Die Stimme des kleinen Youkai hallte in der Grotte unterhalb des dunklen Turms. Zögernd, fast furchtsam blickte er in die Dunkelheit. Der Herr liebte es nicht, bei seiner Ruhe oder Meditation gestört zu werden – aber diese Nachricht war zu wichtig. Er entdeckte eine große, mächtige Gestalt, die sich langsam streckte, schwarz in der Schwärze, ehe sie sich gemächlich auf vier Beine erhob.

„Was gibt es, Roba?“ Scharfe Fangzähne blitzen und der kaum einen Meter große Diener verneigte sich eilig, ehe er berichtete:

„Die Raben brachten die Neuigkeit, dass zwei junge Krieger auf dem Weg empor zum Pass der Illusionen sind. Ein Hundeyoukai und ein Hanyou.“

„Zwei auf einmal?“ Die tiefe Stimme klang amüsiert: „Wollen sie shiken jigoku gegeneinander bestehen und sich dann duellieren? Das haben der Inu no Taishou und dieser andere Hund damals auch getan. Es war sehr erheiternd, wie einfach der Herr der Hunde im Zweikampf siegte. Dieser dumme Kerl, dessen Namen ich vergessen habe, hatte wohl glatt übersehen, was das Höllenschwert anrichten konnte. Aber es soll ja nun spurlos verschwunden sein, hattest du mal erwähnt. - Moment. Ein Hanyou? Der ist dann vollkommen irrelevant. Er wird schon am Pass der Illusionen scheitern, spätestens am Pass der Schmerzen.“

„Sollen die Raben sie weiter beobachten, Hayasa-sama?“

„Nein. Aber schicke zwei Krieger auf diese Seite des Passes der Schmerzen, für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Sollte der Hundeyoukai durchkommen, werde ich mich ihm zeigen und ihm die Prüfungshölle erklären, wie es der Brauch verlangt. Danach sehen wir, ob er ein wahrer Daiyoukai ist – oder er wird in der shiken jigoku einer werden. Oder natürlich sterben.“

Roba verneigte sich erneut: „Ja, Hayasa-sama. Und den Hanyou ignorieren wir.“

„Du ignorierst ihn,“ korrigierte der Hüter der Prüfungshölle fast sanft. „Falls er tatsächlich hierher gelangen sollte, wird er mich zu sehen bekommen und eine besondere Probe erhalten, um zu testen, ob ihm der Hundeyoukai half oder nicht. Siegt er dort, dann, mein treuer Diener, ist er wirklich eine Besonderheit und er darf die Prüfungen der mächtigsten Dämonen betreten. Um zu sterben oder auch zu bestehen. - Immerhin, wenn sie bereits am Pass der Illusionen sind, haben sie den Weg vom Tor des Anfanges geschafft. Womöglich half ihm der Hundeyoukai, aber vielleicht auch nicht. Der Weg ist nicht harmlos und ich habe zu lange gelebt, um nicht alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Wir werden sehen. Ich meditiere noch ein wenig. Wenn das Bannsiegel im Pass der Schmerzen gebrochen wird, werde ich es spüren – und dann auch meine neuen Gäste begrüßen. Seit der Inu no Taishou ging, hatte ich keine neue Unterhaltung mehr.“ Nun ja, außer den Berichten, die die Raben brachten.

Roba hätte um ein Haar die Schultern gezuckt. Jahrelanger vertrauter Umgang mit seinem Herrn ließ ihn jedoch sagen: „Hayasa-sama, ohne Notwendigkeit stellt sich niemand mehr der shiken jigoku. Es kehrten schon zu viele nicht zurück.“

Ein Knurren: „Und viele taten es. Was ist nur aus den Youkai geworden! Keinen Ehrgeiz mehr besser zu werden, keine Lust am Kämpfen, keine Freude daran ein guter Krieger zu werden, kein Spaß an der Lebensgefahr. Immerhin nun zwei junge Krieger, sagtest du, Roba?“

„Ja, so lautete der Bericht der Raben.“

„Nun, dann hoffe ich doch, dass sie mir den Glauben an die Macht unseres Volkes zurückgeben. Wieder zwei Hunde, nun diesmal wohl auch nur ein halber....Zu bedauerlich, dass es niemand meiner Art mehr wagt.“

„Sie fürchten Euer Vorbild, Hayasa-sama.“

„Sie fürchten sich davor, mir unter die Augen zu treten und mir zu sagen, dass sie schwächer sind als ich.“

Roba schwieg lieber. Es war nicht sonderlich klug, den Herrn daran zu erinnern, dass er schon längst verstorben war und kein Duell mehr bestreiten konnte. Nur seine Magie und die der Prüfungshölle, mit der er sich verbunden hatte, hielten ihn noch in seinem Körper fest. Allerdings, ja, er war sicher einst der Stärkste von allen gewesen. Seine Zauberkraft war jedenfalls nach seinem Tode noch gewachsen.
 

Kyuu seufzte fast. Dieses Herumstehen und Warten, ob Sesshoumaru und der Halbmensch zurückkehrten oder sich das Tor des Anfanges schloss, als Zeichen, dass sie tot waren, war ein wenig nervtötend. Sie schätzte mehr Bewegung, Übungen, ein Dorf dieser jämmerlichen Kreaturen zu überfallen. Nicht, dass sie Menschen fressen würde. Ihr schauderte, wenn sie daran zurückdachte, dass sie das früher durchaus vermocht hatte. Nein. Ein Daiyoukai benötigte weniger, war er doch zu einem Wesen mit mehr Energie aus seinem Youketsu als sonst ein Sterblicher geworden. Nur Götter höheren Ranges konnten da noch mithalten.

Inabikari wandte sich ihr mit einem leisen Lächeln zu: „Euch ist doch nicht langweilig, Ratsmitglied Kyuu?“ Der Spott war kaum hörbar. Selbstdisziplin war einer ihrer größten Schwachpunkte und das würde er in einem Kampf ausnutzen.

Kyuu presste die Zähne zusammen, ehe sie bemüht sachlich antwortete: „Seid Ihr es etwa gewohnt, Ratsmitglied Inabikari, stundenlang herumzustehen, nicht zu trainieren, nicht zu meditieren? Erstaunlich, wie Ihr dann Eure Macht erreichen konntet.“

„Wir könnten ja eine kleine Übungseinheit einlegen, meine teuerste Kyuu, und unseren Kampf vorziehen. Siege ich, kämpfe ich gegen den oder die Überlebenden allein. Und Ihr dürft mir als Gemahlin folgen.“

Das hatte sie befürchtet: „Ich würde Euch zu gern besiegen – aber unter dieser Bedingung lehne ich ab. Ich möchte selbst gegen den Halbmenschen antreten, falls er es irgendwie schaffen sollte, shiken jigoku zu überleben. Und da Ihr bereits erklärtet, mein bester Inabikari, Euch Sesshoumaru vornehmen zu wollen....“

„In der Tat. Der neue Taishou könnte eine wirklich interessante Herausforderung darstellen.“

Da das natürlich bedeutete, dass sie selbst keine wäre, musste sich Kyuu zusammennehmen, ihre Selbstbeherrschung vor den anderen Ratsmitgliedern nicht zu verlieren. So erwiderte sie nur: „Ratsmitglied, Ratsmitglied. Ihr solltet nie so leichtfertig sein, nach dem Geschlecht oder bereits gezeigten Fähigkeiten zu urteilen.“

„Das tue ich nicht, mein teures Ratsmitglied Kyuu. Aber vielen Dank für den Rat. In der Tat, Ihr werdet eine passende Gemahlin sein. Ich schätze Intelligenz.“

Zum Glück konnte er ihre Gedanken nicht lesen, dachte Kyuu, denn sonst hätte er ihr vermutlich am liebsten den Hals umgedreht. Schließlich wollte sie ihn besiegen, mit dem Schwert in der Hand, und nur, wenn das nicht funktionieren sollte, ihn zähneknirschend heiraten. Natürlich würde sie ihm dann die perfekte Partnerin sein – nur so könnte sie dann den neuen Taishou, den stärksten aller Hundeyoukai, dirigieren und beeinflussen, denn sie zweifelte nicht daran, dass Inabikari in der Lage war Sesshoumaru zu schlagen. Der hatte nie an einem offiziellen Duell teilgenommen, besaß folglich kaum die nötige Kampferfahrung gegen einen anderen Inuyoukai – und hatte die Schwelle zum Daiyoukai wohl noch nicht überschritten. Inabikari dagegen besaß alle diese Voraussetzungen und verfügte dazu über eigene mächtige Magie. Nein, der würde siegen – und sie entweder ihn schlagen oder zumindest später als seine Gefährtin und Ratgeberin ihn beeinflussen. Regentin war auch ein durchaus interessantes Ziel, das hatte nicht zuletzt Sesshoumarus Mutter bewiesen.
 

**
 

Armer Inuyasha, keiner nimmt ihn für voll. Allerdings scheinen der Eine oder die Andere auch Sesshoumaru zu unterschätzen.

Die Halbbrüder erreichen im nächsten Kapitel das erste Hindernis, um überhaupt in die Prüfungshölle zugelassen zu werden, den Pass der Illusionen – und dessen Weber.

Illusionsweber

Der steile Pfad war manchmal mit Steinen blockiert, aber das bot für die zwei Halbbrüder kein Hindernis. Springen konnten beide. So gelangten sie auf immer weiter verschlungenem Weg höher und tiefer in das Gebirge von Seikki, zu dem ersten Pass von Zweien, die angeblich Hürden zu bieten hatten.
 

Plötzlich, kurz nach Morgengrauen, verengte sich der Durchgang zu einer Passhöhe, einem trichterförmigen Tal, auf dessen beiden Seiten die Berge steil und unfruchtbar emporstiegen. Der Einschnitt selbst war flach, fast zweihundert Schritte breit und schien vollkommen übersichtlich. Nicht einmal Felsbrocken lagen herum. Dennoch witterten beide sorgfältig, bemüht, es dem anderen nicht zu zeigen, ehe sie es nebeneinander betraten. Es gab schließlich keinen Grund misstrauisch zu sein. Auf fast fünfhundert Schritte bot der Pass Einsicht und danach konnte man die folgende Bergkette erkennen, was darauf hindeutete, dass es ab da wieder steil abwärts ging. Leider. Der Weg zu diesem dunklen Turm und der jiken shigoku schien weiter zu sein, als sie gedacht hatten – und damit würde der Pfad der Prüfungshölle auch länger dauern. Ein guter Grund für beide, sich stillschweigend einig zu sein, dass Eile geboten war. Da existierten noch acht Hundeyoukai, mit denen sie ein Hühnchen zu rupfen hatten.
 

Dennoch, dachte Inuyasha plötzlich: was roch hier so eigenartig? Es waren steile, einfache Felswände, nur auf einer Seite, dem Südhang, mit Flechten oder Moosen bewachsen. Woher kam nur diese Witterung nach Staub, ja, Höhlen? Er betrachtete die kahlen Berghänge über ihnen sorgfältig. Gab es hier auch noch solche seltsamen Käfer? Auf einen weiteren Feuerüberfall konnte er gut verzichten, schon gar von mehreren. Und eigentlich bot man sich hier gegen einen Angriff aus der Luft wie auf einem Präsentierteller an.

Sesshoumaru bemerkte durchaus, dass der Jüngere angespannt wurde. Auch er hatte gewittert, dass sich die Luft verändert hatte, aber es war nichts zu erkennen, was diesen eigenartigen Geruch verursachen konnte. Dennoch: es war hier, in diesem Pass. Und hier war auch die Falle. Nur, welche? Es musste eine sein, die selbst Daiyoukai das Leben schwer machen konnte, wenn natürlich auch nicht ihm. Was gab es also?

Sie blieben gleichzeitig stehen und sahen sich noch einmal gründlich um, jetzt sicher, dass da etwas war – und dass es der andere auch spürte. Aber keine dämonische Energie, irgendetwas Anderes, Fremdes, Magisches, das ihnen dennoch bekannt vorkam....
 

Im nächsten Moment wussten es beide. Die Umgebung veränderte sich, schien zu verschwimmen. Inuyasha riss Tessaiga hervor, nur zu sicher, dass es sich um einen Bannkreis handelte. Waren sie in eine Falle gelaufen?

Aber die Klinge seines Schwertes wurde nicht rot. Also war es doch kein Zauber? Aber woher kamen plötzlich die dichten Spinnweben an den Bergwänden, vor und über ihnen? Nur hinter ihnen waren keine. Die waren doch vorher nicht da gewesen. Und das zuvor scheinbar breite Tal war auch nur mehr eine, keine zwanzig Schritt breite, Schlucht. Gleich. Nichts würde ihn aufhalten: „Kaze no kizu!“

„Narr!“ sagte der Hundeyoukai noch, ehe beide mit einem gewaltigen Satz der Windnarbe ausweichen mussten. Die scheinbaren Spinnweben hatten sie reflektiert.

„Ach ja“, gab Inuyasha zurück: „Der Herr Daiyoukai weiß alles besser? Was ist das denn hier?“

„Illusionsweber.“ Er hatte von ihnen gehört, aber sie sollten schon lange ausgestorben sein. Und leider waren das keine Geschöpfe, die man so einfach umbringen konnte, zumal, wenn wie hier ein ganzes Volk am Werk war. Ihre Magie war legendär und machte selbst Daiyoukai das Leben schwer. Kein Wunder, dass das als Hindernis galt. Wie hatte sein Lehrer damals gesagt, das einzige Gegenmittel sei, die Weben rechtzeitig zu erkennen, ehe sie ihr Opfer umschlossen und in die Irre leiteten. Nun, das schien funktioniert zu haben.

„Illusionsweber, und weiter? Wie kann man sie umlegen?“ Der Hanyou hielt noch immer Tessaiga in der Hand, ein wenig überrascht, dass Sesshoumaru nicht zog: „Nicht mit dem Schwert?“

Womöglich sollte er doch einmal ein intensiveres Gespräch mit Myouga führen, dachte der ältere Halbbruder. Schon bei den Todesseilen zuvor hatte Inuyasha sein Unwissen in Punkto magische Dinge gezeigt – und das konnte in der shiken jigoku unangenehm werden, ein überaus lästiges Zusatzpäckchen für ihn, wenn er die Aufgabe dieses senilen Flohgeistes übernehmen sollte und das Halbblut selbst aufklären musste, um die Prüfungshölle zu bestehen: „Sie jagen Youkai.“ Und er verdrängte erfolgreich die kleine Stimme in seinem Hinterkopf, dass es sowieso eigentlich die Aufgabe des großen Bruders wäre, nach dem Tode des Vaters den Jüngeren an seine Ausbildung heranzuführen.

„In der Tat.“ Die weibliche Stimme ließ die Hundebrüder die Köpfe drehen. Solch ein Wesen hatten beide noch nie gesehen, wie es hier aus einem Höhleneingang kroch. Die Weben teilten sich vor ihr wie ein Vorhang. Eigentlich wirkte sie wie eine mannshohe Spinne, aber sie besaß zwei spinnenartige Körper zusammengewachsen nebeneinander und sechzehn Beine. Zwischen den beiden Leibern zeigte sich jedoch ein weibliches, fast menschlich anmutendes Gesicht mit langen Haaren, das mit zwei seilartigen Hälsen an den Schultern hing: „Zumindest gewöhnliche Youkai,“ ergänzte sie: „Ihr seid ungewöhnlich. Noch wenige haben hier die Weben so rasch entdeckt.“

„Was willst du denn?“ erkundigte sich Inuyasha: „Lass uns weiter, wir haben es eilig.“

„Die Königin will euch sprechen.“ Etwas wie ein Lächeln: „Schiebe dein Schwert weg, junger Krieger der Youkai. Ihr seid keine Jagdbeute, sagt sie.“ Sie hob vier Vorderbeine: „Allerdings, wenn ihr auch nur versucht mich oder eine meine Schwestern zu töten, sieht das anders aus.“

„Schwestern?“ fragte der Hanyou irritiert und war etwas überrascht von unerwarteter Seite eine Antwort zu erhalten:

„Es ist ein Volk.“ Sesshoumaru hatte beschlossen, der mehr oder weniger nachdrücklichen Einladung Folge zu leisten. Das würde im Zweifel schneller gehen als zu versuchen den Illusionen der Weber zu entkommen. Angeblich waren diese in der Lage jeden in die Irre zu führen und in den Wahnsinn zu treiben, gleich, wie stark der war, weil das Volk nur ein Bewusstsein und damit eine Magie hatte. Und da die Weben immerhin schon der Windnarbe standgehalten hatten ohne auch nur einen Faden zerlegt zu bekommen, ja, diese reflektiert hatten, fragte sich wie gut oder schlecht Bakusaiga wirken würde – und ob nicht im Zweifel dadurch der ganze Pass samt ihm verschüttet werden würde, ohne dass das diese Wesen störte. Leider. Überdies hatten die Weberinnen ihre Magie wohl nun zurückgezogen, denn nichts verriet mehr einen Zauber. Die Fäden schienen jetzt täuschend harmlos: „Gehen wir.“

Inuyasha schob schulterzuckend Tessaiga zurück. Aber er sah sich gezwungen, sich auf das Wissen seines Halbbruders zu verlassen. Von Illusionswebern hatte er noch nie etwas gehört. Nun, auch von dem Wald der Todesseile nichts. Was tat dieser Flohopa eigentlich, wenn er nicht wegrannte? Er hatte ihm schon viel erklärt, ja, aber offenbar waren da ebenso weite Lücken gelassen worden. Ärgerlich und auch peinlich, immer als der unwissende kleine Bruder dastehen zu müssen. Irgendwo kein Wunder, dass ihn Sesshoumaru nicht für voll nahm. Das würde noch ein Nachspiel für diesen dämlichen Myouga haben.

Während die Halbbrüder gemeinsam der Führerin in ein Labyrinth aus Tunneln in den Berg folgten, meinte der Hanyou daher nur: „Kein Kampf.“

„Noch nicht.“ Nun, wirklich nicht, aber er wollte doch nicht vor dem Jüngeren auch nur andeutungsweise als feig da stehen: „Noch sind wir Gäste.“

Die Führerin hatte es gehört. Ohne sich umzuwenden, meinte sie: „In der Tat. – Mein Name ist Anzu. Königin Chizu will euch sprechen.“ Und wie alle Weberinnen war auch sie ständig mit dem Bewusstsein der Königin verbunden, die auf diese Art ihr Volk lenkte.

Sie hob die Vorderbeine.

Zur Überraschung der Besucher wurden die Wände heller, der Gang erleuchtet – eindeutig ein Service für sie. Und auch, wenn sie es nicht zwingend benötigt hätten, so war das doch ein gutes Zeichen.
 

In einer gewaltigen, durch das matte Licht der Wände beleuchteten Halle unter dem Berg wurden sie von mehreren Illusionsweberinnen erwartet, Inuyasha schätzte an die hundert. Dann jedoch wurde sein Blick auf die riesige Kreatur im Hintergrund gelenkt. Das musste die Königin sein, Chizu. Sie war sicher viermal so groß wie die anderen, eigentlich kein Wunder, besaß sie auch vier Spinnenleiber und die dazugehörige Beinzahl. Zwischen den beiden vordersten Körpern hing, wie bei den anderen auch, ein scheinbar menschliches Gesicht. Da Sesshoumaru einfach vor ihr stehen blieb und sie betrachtete, trat er an dessen rechte Seite, wenn auch zwei Schritte auseinander, instinktiv bemüht, beiden den Waffenarm freizulassen.

„So jung und so interessant“, sagte die Königin. Das Gesicht zwischen ihren Leibern lächelte, während sie mit einem Vorderbein elegant ihr Haar zurückstrich: „Aber ich sehe schon: zwei Hundeyoukai aus gutem Hause, ja, Daiyoukai. Das erklärt, warum die Illusion nicht bis zum Ende wirkte, ihr die Weben aus heller Magie schon entdecktet, ehe sie euch ganz umschlossen.“

Zwei Daiyoukai? Inuyasha konnte nicht umhin sich geschmeichelt zu fühlen, während Sesshoumaru unwillkürlichen Ärger verspürte. Der Meinung war diese Zombiehexe wohl auch schon gewesen. Aber beide schwiegen.

Chizu nickte etwas: „Sehr selten, dass so etwas passiert. Der letzte Daiyoukai kam vor vielen Jahren her. Auch ihm machten unsere Weben nichts aus. Kurz zuvor war ebenfalls einer gekommen. Und nur einer dieser beiden überlebte.“ Der mit den Öhrchen war doch auch ein Hundeyoukai? So jemanden hatte sie noch nie gesehen, aber wenn sie gemeinsam hier war, waren sie auch von einer Art.

Die alten Geschichten interessierten den Hanyou weniger: „Kannst du uns etwas über shiken jigoku erzählen?“

Die Königin zuckte ihre acht Schultern: „Es ist manchmal langweilig hier. – Ihr könnt unbehelligt gehen. Jetzt, sofort, oder ich erzähle euch etwas über den weiteren Weg. Ihr habt es ja wohl eilig. Anzu könnte euch eine Abkürzung zeigen. Die Bedingung dafür ist: Kampf.“ Und da beide unverzüglich in einer seltsam gleichartigen Bewegung die Hände an die Schwerter legten: „Wie voreilig, junge Krieger der Inuyoukai. - Kampf Mann gegen Mann gegen zwei…Krieger, die ich aussuche. Ohne Schwerter, denn ich vermute, ihr könntet damit unsere Höhle zum Einsturz bringen.“

„Du willst zwei Krieger opfern?“ erkundigte sich Sesshoumaru sachlich.

„Es sind unsere Illusionen. Wenn auch sehr reale. Ihr werdet Verletzungen erleiden oder sterben können.“

Die Hundebrüder tauschten unwillkürlich einen raschen Blick, ehe Inuyasha sagte: „Einverstanden.“ Alles, was diese Prüfungshölle beschleunigen würde, war gut. Und so lange würden sie nun auch nicht brauchen, um mit zwei Illusionen fertig zu werden. Er konnte von seiner eigenen Wut auf den Hunderat mühelos auf die seines Halbbruders schließen.

Chizu nickte erneut: „Ich habe nichts anderes erwartet. Ihr seid nicht nur magisch fähig, sondern auch wahre Krieger. Nur solche können es wagen, die shiken jigoku aufzusuchen, und Aussicht haben sie zu bestehen.“ Sie hob ein Vorderbein und tippte auf einen ihren Körper: „Dazu braucht man Herz, Verstand und Mut und eine gewisse Magie. – Gut. Ich erzähle es euch ohne Gegenleistung, junge Krieger der Inuyoukai. Vor langer Zeit baute ein mächtiger Daiyoukai den dunklen Turm und beschäftigte sich dort mit Magie. Viele kamen und forderten ihn zum Kampf. So erschuf er auf der Hochebene ein Labyrinth aus Prüfungen, um selbst stärker zu werden, und stellte sich auch dort seinen Gegnern. Viele verloren ihr Leben, aber, wer bestand, schuf eine neue Prüfung dazu, heißt es. So wurde es immer schwerer sie zu bestehen.“

„Äh, dieser erste Daiyoukai, ist das dieser Hayasa?“ fragte Inuyasha nach.

„Ja, genau. Du hast schon von ihm gehört. - Er wusste, dass wir hier schon seit Jahrtausenden leben, aber er schätzte uns als Wächter und ließ uns in Frieden. Nun schützen wir den ersten Pass zur Hochebene der shiken jigoku und wer nicht an uns vorbeikommt wäre auch nicht würdig den Prüfungen unterzogen zu werden.“

„Nur Daiyoukai kommen an eurer Illusion vorbei?“ erkundigte sich der Hanyou sofort. Immerhin war er keiner und hatte auch gemerkt, dass da was faul war. Übertrieben alle womöglich mit dieser Prüfungshölle? Hatte die nur einen Ruf wie Donnerhall und war eigentlich locker zu bestehen?

„Auch manche gewöhnlichen Youkai mit besonderen Fähigkeiten, oder die klug genug sind, uns einen Gefangenen zu geben, ehe sie hindurchziehen.“

„Menschen?“ fragte er unwillkürlich.

„Nein. Wir jagen Youkai und nur diese benutzen wir, wenn sie unsere Weben nicht bemerken, ehe sie sie umschließen. - Oh, du weißt nicht, dass wir sie nicht fressen? Wir sind Illusionsweber. Und wir leben von den Gedanken und Träumen derer, die wir fangen. Sie leben bei uns, werden gepflegt und gefüttert und schlafen einen tiefen Schlaf, bis sie irgendwann sterben.“ Danach gehörten sie wieder Hayasa-sama, der sie weitergab, wohin auch immer. Wer durch das Tor des Anfangs ging, so lautete die magische Regel, unterwarf sich allen Bedingungen der Prüfungshölle. Und niemand konnte sich diesem Gesetz mehr entziehen.

Das klang trotzdem nicht gerade angenehm: „Ja.“ Was sollte er dazu schon sagen. Das hätte wohl auch auf sie gewartet, wenn sie diesen Zauber nicht rasch genug bemerkt hätten. „Was weißt du jetzt noch über diese Prüfungen der Youkai?“

Sie waren mutig und zielbewusst, wie sie es erwartet hatte. „Hayasa-sama ist sehr alt und sehr mächtig, das war er schon, als er die ersten Prüfungen für sich selbst erschuf. Alle Youkai, zumal in Eurer Stärke, sind geborene Krieger. Ihr kämpft und tötet einander. So ist Euer Leben. Sicher, einfachere jagen auch Menschen, auch wir wurden schon Opfer, aber so ist es eben. Jedoch ist es der Wunsch eines jeden eurer Art stärker zu werden, die Herausforderung zu suchen, zumal bei Daiyoukai oder jenen, die auf der Stufe darunter stehen. So forderten einige auch Hayasa-sama heraus, der sie in die Prüfungen schickte, denen er sich selbst gestellt hatte, ehe sie gegen ihn kämpfen durften. Nur die Besten bestanden. Inzwischen kämpft Hayasa-sama schon lange nicht mehr selbst, aber der Begriff der Prüfungshölle entstand. Was genau dort geschieht weiß ich nicht. Dennoch – sie ist zu bestehen.“

„Wir schaffen das schon,“ versicherte Inuyasha prompt, wie immer optimistisch. Immerhin hatten sie ihre magischen Schwerter, jahrelange Kampferfahrung und waren alles andere als hilflos.

Sesshoumaru war einem anderen Gedankengang gefolgt. Vater hatte damals diesen unerträglich beleidigenden Hundeyoukai am dunklen Turm besiegt. Also war auch er an den Illusionswebern vorbeigekommen. War er das gewesen, von dem Chizu gesprochen hatte? „Die letzten Daiyoukai, die sich der jiken shigoku und einem Kampf am dunklen Turm stellten – hast du mit einem von ihnen gesprochen?“

Die Königin wollte ihren Gästen nicht sagen, dass sie es gewöhnlich aus gutem Grund vermied mit jemandem wie ihnen zu reden. Mächtige Daiyoukai hatten Illusionsweber stets gejagt, um sie von ihren Gefolgsleuten abzuhalten, und sie waren das letzte Volk ihrer Art. Nur Hayasa-samas Entschluss, sie als Wächter hierzulassen, hatte ihnen das Überleben ermöglicht. Dennoch – diese zwei waren sehr schnell darin gewesen, den Zauber zu erkennen, obwohl sie noch so jung waren, und das hatte sie selbst neugierig gemacht, Derart neugierig, dass sie sie nicht nur über die Weben betrachten wollte, sondern von Angesicht zu Angesicht. Noch fast halbwüchsige Krieger, die es wagten, sich der Höllenprüfung zu stellen....Zu sehr von sich eingenommen oder extrem fähig? Man würde es bald sehen. Hayasa-sama wäre sicher so freundlich, ihr das Ergebnis der shiken jigoku mitzuteilen. „Nein. Es gab keine Ursache,“ erwiderte sie jedoch.

Nun, das war etwas, was der selbst so schweigsame Hundeyoukai verstand. So nickte er nur: „Die Abkürzung?“

„Natürlich. – Ihr wollt die Prüfungen bestehen. Folgt Anzu. Es gibt eine Abkürzung an den Fuß des Gebirges, die allein uns bekannt ist und die auch nur wir betreten können. Und unsere Gäste. Ich werde euch viel Erfolg wünschen.“ Es waren schließlich ihre ersten Besucher seit Jahrtausenden. Keiner derjenigen, die das Netz aus heller Energie erkannt hatten, war so jung gewesen, hatte sie so interessiert. Ein wenig erinnerten sie sie an einen der anderen beiden Hundeyoukai, die zuletzt durchgegangen waren. Auch einer von denen hatte so langes, weißes Haar besessen. Aber das war wohl unter Inuyoukai nur zu üblich.

Die Illusionsweberin, die sie hier hergebracht hatte, eilte zu den Hundebrüdern: „Folgt mir.“ Sie machte etwas, das wohl ein Knicks vor ihrer Königin sein sollte, ehe sie sich abwandte und einen anderen Gang aus der Halle wählte, dabei erneut die dunklen Wände etwas aufleuchten lassend.

Die Halbbrüder folgten unverzüglich.
 

Eine Stunde später blieb Anzu stehen: „Vor uns befindet sich der Ausgang. Um zu ihm zu gelangen müsst ihr in diesen Schacht springen. Es ist eine Art glatte Bahn. Man kann sie eigentlich nur von hier betreten, aber zur Sicherheit stehen unten Wächterinnen. Sie werden euch jedoch nicht aufhalten, da sie wissen werden, dass ihr mit Erlaubnis kommt. Falls sie dennoch euch den Weg versperren, nennt ihnen meinen Namen.“

Inuyasha starrte in den runden Schacht, der sich am Boden öffnete, durchaus nicht sicher, ob das nicht eine Falle sein sollte. Sprangen sie nicht genau dorthin, wo die Illusionsweber ihre Opfer sammelten? Das Schicksal, das diesen drohte, war nicht gerade aufbauend, selbst wenn sie am Leben blieben. Ein heftiger Stoß ließ ihn hinab springen und er brauchte nicht überlegen, wer ihn geschubst hatte. „Sesshoumaru“, zischte er postwendend, während er instinktiv zu seinem Schwert griff, als er auf seinem Hinterteil immer schneller steil hinunterrutschte.

Aber dann hörte er, witterte, dass ihm der Hundeyoukai folgte. Zu schade, dass er das nicht sehen konnte, wie dieser rutschte, dessen Haare im Fahrtwind wehten. Vermutlich hatte der ihn genau deswegen als erstes hinunter geschickt. Und es wurde immer wärmer unter ihm. Wäre da nicht sein spezielles Gewand würde er Verbrennungen davontragen. Die Illusionsweberinnen besaßen Panzer aus Chitin, das sich nicht so erwärmte. Funken hinter ihm in der Dunkelheit zeigten, dass auch Sesshoumarus Panzerung heiß wurde und er bedauerte erneut, das nicht sehen zu können. Immerhin war das ein schnellerer Abstieg als es einer zu Fuß den ganzen Berg hinunter geworden wäre.
 

Endlich verlangsamte sich die Rutschfahrt und endete in einer ebenen, nur matt beleuchteten Höhle, in der mehrere Illusionsweberinnen standen, die sich erstaunt umblickten, sofort allerdings die Vorderbeine hoben, bereit, ihre Täuschungen herzustellen. So sprangen die Halbbrüder unverzüglich von der Rutsche, erleichtert, unten angekommen zu sein.

„Anzu schickte uns her auf Befehl der Königin“, erklärte Inuyasha prompt, der sich am liebsten sein Hinterteil gerieben hätte, aber doch annahm, das wäre nicht gerade seinem Image hier als „junger Krieger der Hundeyoukai“ förderlich: „Wir sollen aus den Höhlen gehen. – Sagt mal, wie kommt ihr hier eigentlich wieder hoch?“

„Es gibt einen, wenn auch langsameren Weg. – Folgt mir.“ Eine der Weberinnen wandte sich um, während sich die anderen entspannten, da die Königin ihnen Beruhigung schickte.
 

Nur wenige Minuten später blieb die Führerin erneut stehen, anscheinend vor einer Felswand. Aber die Nasen der Hundebrüder verrieten ihnen, dass dort vorn irgendwo Pflanzen wuchsen, frische Luft wehte. Es handelte sich wohl wieder um eine Täuschung. Tatsächlich verschwamm das Bild vor ihren Augen und eine Öffnung entstand, wenn auch umgeben von den Spinnweben.

Ohne weiteres Wort trat Sesshoumaru auf die vielleicht zwei Stunden Fußweg breite Ebene mit vereinzelten Bäumen und Büschen, jenseits derer erneut eine steile, düstere Bergkette aufstieg. Dort musste sich der Pass der Schmerzen befinden, und damit endlich auch der Beginn der eigentlichen Prüfungen.

Inuyasha folgte ihm eilig, wandte aber noch einmal den Kopf. Wie er erwartet hatte, verschwand hinter ihnen der Eingang in das Höhlenlabyrinth der Illusionsweber, als hätte es ihn nie gegeben. Er bemühte sich jedoch, die Stelle zu merken. Sie mussten hier ja auch wohl wieder zurück. Aber damit bewies er nur, dass er das Wesen der Prüfungshölle noch nicht verstanden hatte.
 

**
 

Man könnte versucht sein, Inuyashas Idee zu teilen, dass der Ruf der shiken jigoku unverdient sei, zumindest, wenn man über Kampferfahrung und magische Schwerter verfügt. Im nächsten Kapitel wartet allerdings der Pass der Schmerzen samt seinem magischen Amulett, einem Mayoke, und mit dem kann man auch als Hanyou nicht reden...

Mayoke

Worterklärung: ein Mayoke ist ein magisches Amulett, das z.B. einen Bannkreis aufrecht erhält oder einen anderen Zauber. Wird es zerstört, verschwindet auch der Zauber. Mayoke ist übrigens auch ein weiblicher Vorname...
 

7. Mayoke
 

Als die Hundebrüder ohne weitere Zwischenfälle mit Einbruch der Nacht erneut eine Passhöhe erreichten, blieben sie stehen. Auch Inuyasha spürte hier nur zu deutlich den mächtigen Bannkreis, der sich mitten durch das Gebirge zog, jeden Durchgang verwehrend. Aber direkt vor ihnen war eine Lücke im Zauber und so betrachteten sie das Gebäude, das den Weg von Felswand zu Felswand blockierte. Eindeutig wurde hier der weitere Weg durch den Pass der Schmerzen durch ein Tor versperrt. Allerdings war kein Portal zu erkennen, das den Durchgang verschloss. Die dunkle Öffnung durch die Mauer war eher geradezu einladend.

„Welcher Idiot baut denn ein Tor ohne Tür?“ entfuhr es Inuyasha. Immerhin war die Mauer aus Steinen erbaut, gewiss zwanzig Meter hoch: „Die Arbeit hätten sie sich sparen können.“

„Unwissend wie eh und je.“

„He, was soll das? Siehst du etwa eine unsichtbare Tür?“

Sollte er oder sollte er nicht…? Aber wie schon bei der Fallgrube erkannte Sesshoumaru, dass es wohl weniger an Dummheit lag, sondern an der schlichten Tatsache, dass einem Halbblut bestimmte Dinge eben verwehrt waren. Halber Youkai – halbes Können. Mochte Inuyasha auch der wahre Erbe Tessaigas sein – das änderte nichts an dem Fakt, den schon Bokuseno einmal erwähnt hatte. Er war und blieb ein Hanyou, wenn wohl auch der mächtigste, den es je gegeben hatte. Und er würde bestimmte Fähigkeiten, die er selbst besaß, nie erreichen können: „Es ist eine magische Falle.“

„Das heißt…?“ Inuyasha wollte nicht zu erkennen geben, wie erstaunt er darüber war, dass sich sein großer Bruder auf einmal wie einer benahm. Hatte der im Wald der Todesschlingen durch das zwanghafte Miteinanderkuscheln etwas Derartiges beschlossen? Eigentlich unwahrscheinlich. Vermutlich wollte er nur so schnell wie möglich diese dämliche shiken jigoku hinter sich bringen, um sich den Rat vorzuknöpfen. Was machte der eigentlich sonst außer arme Hundejungen zu ärgern? Anscheinend waren das starke und wichtige Youkai.

„Der Durchgang ist für Menschen tödlich. Wir werden sehen, ob das auch für Hanyou zutrifft.“

„Für Youkai natürlich nicht, oder?“ Es war ärgerlich immer wieder so unter die Nase gerieben zu bekommen, dass man in Punkto Magie ahnungsloser war. Aber andererseits erkannte er abermals, dass es eigentlich keine Beleidigung sondern nur eine Tatsachenfeststellung gewesen war. Er war ein Hanyou und sein Halbbruder hatte die Stufe zum Daiyoukai überwunden. Das war Fakt. Allerdings würde er dennoch ein nettes kleines Wörtchen unter vier Augen mit diesem Flohgeist reden – etwas nicht zu können und nie davon gehört zu haben waren doch zwei verschiedene Dinge.

„Oh, bitte…“

„Schon klar.“ Was auch immer in diesem Durchgang sein würde – er würde durchhalten und überleben. Schließlich war er nicht irgendwer.
 

So gingen die Halbbrüder nebeneinander in das dunkle Portal. Die Decke des Durchgangs spannte sich bogenförmig über ihren Köpfen. Ein Ausgang war eigenartigerweise in der Schwärze vor ihnen nicht zu erkennen.

In diesem Moment schlug die aufgestellte Falle des Passes der Schmerzen zu. Beide wurden von der Attacke überrascht – Inuyasha, weil er nach der Aussage seines Halbbruders mit einem Angriff auf seine menschliche Seite gerechnet hatte, Sesshoumaru, weil er entdecken musste, dass die Magie, die er von außen gespürt hatte, nur zur Tarnung des eigentlichen Hinterhalts gedient hatte.

Blitze begannen, um ihre Körper zu zucken, als die Magie der Bannfalle erwachte. Der Hundeyoukai rief sein volles Youki ab, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Was auch immer dieser Hinterhalt bewirkte – er konnte spüren, dass es sich an der Quelle seiner Energie zu schaffen machte. Und, dass es Schmerzen verursachte, wie er sie nie zuvor erlebt hatte. Er sah sich gezwungen, auf ein Knie niederzugehen. Das gab es doch nicht. Er würde doch dagegen halten können. Vater hatte hier doch auch bestanden...
 

Inuyasha konnte ebenfalls spüren, wie sein innerstes, dämonisches Wesen attackiert wurde – und, wie das Blut seines Vaters in ihm erwachte, um ihn zu schützen. Es war ein Glück, dachte er mühsam, dass er inzwischen gelernt hatte, sein Youkaiblut soweit zu beherrschen, dass er nicht durchdrehte. Ansonsten würde er verrückt werden, und auf das einzige Wesen losgehen, das in Reichweite war. Den eigenen Halbbruder umzubringen, um dann selbst in diesem Tordurchgang als wahnsinniges Monster zu enden, war nichts, was ihm sonderlich zugesagt hätte. Dieser verdammte Schöpfer der Prüfungshölle schien das witzig zu finden…Immerhin wusste er jetzt, woher dieser Pass seinen Namen hatte.

Er war japsend vor Schmerzen auf allen Vieren, als er spürte, wie sein menschlicher Anteil zurückgedrängt wurde – aber noch immer vorhanden war.
 

Auch Sesshoumaru keuchte. Das war hart. Diese Falle war nicht nur von einer sehr großen Macht aufgebaut worden, sondern dazu noch von jemand äußerst Abgefeimtem. Sich dagegen zu wehren tat weh und strengte sehr an. Er konnte spüren, dass der Bannkreis das Wesen seiner Energie verändern wollte, ja, zum Teil schon verändert hatte. Ein schwächerer Youkai wäre bereits so verwandelt worden, dass sich das eigene Youki gegen ihn wandte, ihn von innen heraus zerstörte. Und das war nur ein Hindernis auf dem Weg in die shiken jigoku? Was mochte dann erst dort auf ihn, nein, auf sie warten?

Moment, dachte er plötzlich. Inuyasha! Wenn dessen dämonisches Wesen so angegriffen wurde, würde Vaters Blut übernehmen - und dieser sich in eine Mordmaschine verwandeln. Das bedeutete, dass er demnächst gegen einen wahnsinnigen Hanyou kämpfen musste – und das in seinem angeschlagenen Zustand? Mühsam wandte er den Kopf, um zu sehen, ob sich der Jüngere bereits verwandelt hatte.

Hatte er.

Er konnte erkennen, dass die Klauen länger geworden waren, die Fangzähne sich entwickelt hatten. Rot leuchtende Augen wandten sich ihm zu.
 

Inuyasha war noch immer auf allen Vieren. Dieser magische Angriff war der heimtückischste, den er so je erlebt hatte. Aber was war nun los? Warum griff Sesshoumaru nach Bakusaiga?

Dann verstand er. Er hatte sich in seine vollwertige Youkaiform verwandelt – und sein Halbbruder hatte ihn wohl nie zuvor in diesem Zustand gesehen, ohne dass er tollwütig gewesen war.

„Ich ...ich bin klar…“ sagte er darum. Allein diese Wörter hervorzubringen schien die Schmerzen zu verstärken.

Das entsprach wohl den Tatsachen. Der Ältere nahm die Hand vom Schwert. Immerhin eine gute Nachricht. Denn so ging das hier nicht weiter. Wenn er nichts unternehmen würde, würden sie alle beide in diesem Tor bleiben müssen. Denn Inuyasha wäre kaum in der Lage eine derartige übersinnliche Falle zu entdecken, Youkaiform hin oder her. Dazu brauchte es ein Wesen mit enormen magischen Fähigkeiten – und die hatte er selbst eher in seiner wahren Gestalt. Allerdings sollte er das wohl ankündigen, nicht, dass der Hanyou noch annahm, er, Sesshoumaru, würde der Magie der Falle erliegen und womöglich versuchen, auf ihn loszugehen. Ein Unding.

„Ich …werde mich verwandeln.“

Der jüngere Halbbruder war ein wenig überrascht. Seit wann bekam er denn freiwillig etwas erklärt? Aber er erkannte rasch, dass er nun neben einem großen weißen Hund kniete, der fast den gesamten Durchgang ausfüllte. Was war denn jetzt los? Warum hatte dieser seine wahre Gestalt angenommen? Er bemerkte, wie der Hund den Kopf hob, anscheinend jetzt deutlich weniger durch die Bannfalle beeinträchtigt. Stimmt, dachte er. In dieser Form ist er mächtiger in der Magie. Hoffentlich kann er das bald abschalten. Für den Witz hier werde ich diesem tollen Rat die Leviten lesen! Von der Sache mit dem Hundejungennapping und der Prüfungshölle ganz zu schweigen.
 

Tatsächlich hatte Sesshoumaru in seiner wahren Form rasch die Quelle des Bannkreises gefunden. Ein äußerst starkes Mayoke, ein magisches Medaillon, befand sich an der Decke des Portals. So stark, dass selbst er es so nicht zerstören konnte. Er verwandelte sich zurück.

„Inuyasha!“

„Ja?“ Der raffte sich auf. Schließlich wollte er nicht als schwach dastehen.

„Dort oben. Zerstöre das Amulett.“

Ha, dachte der Hanyou erfreut, als er Tessaiga zog. Er war aus zwei Gründen angetan: zum einen, weil es einen Weg aus der Falle gab und zum zweiten, weil er sich als nützlich erweisen konnte. Tessaigas Klinge verwandelte sich und färbte sich rot.

Selbst das von einem Daiyoukai entwickelte Mayoke konnte dem Hanyou und seinem Schwert nicht standhalten.
 

Fast unverzüglich brach die Magie ab und ließen die Schmerzen nach. Noch während Inuyasha Tessaiga in die Scheide steckte, wusste er, dass er sich bereits zurückverwandelte. Ein direkt angenehmes Gefühl. Zugleich war ihm bewusst, dass er allein nie aus diesem Tordurchgang hinausgefunden hätte. Das Amulett dort oben zu entdecken, geschweige denn, als magischen Mittelpunkt des Bannkreises zu erkennen, wäre ihm versagt gewesen. Andererseits war es wohl selbst Sesshoumaru unmöglich gewesen, die Zauberei dort oben zu zerstören. Andernfalls hätte er kaum gesagt, dass er dies tun solle.
 

Auch dem Älteren war klar, dass sie nur gemeinsam dieses Hindernis hatten überwinden können – ein Punkt mehr, den er diesem achtköpfigen Rat auf seine schwarze Liste setzen konnte. Wie verdrießlich, auf ein Halbblut angewiesen zu sein. Nun gut, immerhin handelte es sich um einen Sohn seines verehrten Vaters. Das machte es nicht viel besser, aber doch erträglicher. Wie dieser hier wohl durch gelangt war? Oder die anderen Daiyoukai? Lag es daran, dass man mit zunehmendem Lebensalter auch magisch stärker und geübter wurde? War er einfach eigentlich noch zu jung für die Prüfungshölle? Gleich. Er würde alles überstehen.

Er drehte sich wortlos um und ging weiter, da nun der Ausgang deutlich sichtbar war.
 

Hinter dem Tor öffnete sich ein neues Tal, umgeben von weiteren Bergen, die weit entfernt scheinbar im Kreis zu laufen schienen. Nur noch ein kleines Stück und sie hatten die Hochebene der shiken jigoku erreicht.

Inuyasha warf einen Blick auf den aufgegangenen Mond. Er hätte gern Pause gemacht, eine Mütze voll Schlaf genommen. Diese eigenartige Magiefalle hatte ihm doch ganz schön zugesetzt. Und wer wusste schon, was noch kam. Andererseits wollte Sesshoumaru sicher so schnell wie möglich shiken jigoku hinter sich bringen, wie auch er selbst. Also würden sie wohl weitergehen, da er nicht den mindesten Wunsch verspürte, sich noch einmal zu blamieren, gar als Schwächling dazustehen. Aber da erkannte er mit gewissem Erstaunen, dass sich sein Halbbruder auf einen Stein setzte. War auch der etwas mitgenommen durch diesen Hinterhalt? Während er dem Beispiel folgte, meinte er: „Was löste dieses Mayoke eigentlich aus? Es griff das Youketsu an…“

„Ja.“

„Oh, danke, für diese ausführliche Erklärung!“

Wusste er es wirklich nicht, obwohl er mit dem geschuppten Tessaiga eine Technik besaß, die genau diese Energiequelle angriff? „Kein Youkai kann ohne Youki leben.“

„Ja, das weiß ich auch. Aber ….“

Einmal für Hanyou: „Und diese Falle sollte dafür sorgen, dass das eigene Youki einen angreift, tötet. Natürlich langsam.“

„Natürlich. Dieser komische Kerl, der die Prüfungshölle erschuf, scheint zu den Typen zu gehören, die es witzig finden, andere Leute zu ärgern. Wie auch dieser Hunderat.“ Und da der Herr Halbbruder ungewöhnlich mitteilsam schien: „Was machen die eigentlich sonst? Ich meine, wen beraten die?“

Sesshoumaru warf dem Hanyou einen mehr als überraschten Blick zu. Wirklich, er sollte mal mit ein ernstes Wort mit einem alten Flohgeist reden. Was in aller Welt hatte der denn überhaupt erklärt? „Er führt die Hundeyoukai und alle, die sich ihnen unterworfen haben.“

„Ich dachte, dazu gibt es den Taishou.“

Ohje. Myougas Verehrung gegenüber Vater hatte da wohl zugeschlagen: „Ein Taishou ist der Anführer im Krieg, nicht im Frieden, wenngleich natürlich seine Stimme schwer zählt.“ Er blickte zu dem Hanyou. Warum sah ihn dieser denn so an? Diese leuchtenden Augen erinnerten ihn an Vater, wenn der sich einmal über etwas gefreut hatte, was er selbst getan hatte. War Inuyasha etwa so froh, dass er ihm die Magie der Falle erklärt hatte? Dankbarkeit wäre eine neue Eigenschaft.

Das war nicht der Grund. Der jüngere Halbbruder war erfreut, dass er auf Fragen Antwort bekam, ja, aus diesem seltsamen Loch vor den Illusionswebern gezogen worden war. Warum auch immer Sesshoumaru beschlossen hatte, einen auf großer Bruder zu machen – es tat irgendwo gut. Sie hatten nicht mehr gegeneinander gekämpft, seit der anerkannt hatte, dass Tessaiga ihm gehörte, aber nie zuvor hatte er das Gefühl der Zusammengehörigkeit so deutlich spüren können wie gerade jetzt. Und Inuyasha gab sich in diesem Moment nur zu gern der Empfindung hin, wirklich einen Bruder zu haben, nicht nur im Blut, eine Illusion, wie er nur zu gut wusste. Aber es war sein Traum und er träumte ihn gern.
 

Nach einer gewissen Rast gingen die Hundebrüder weiter. Die schmale Mondsichel und die Sterne boten genug Licht, dass sie dem alten Pfad durch das Gebirge folgen konnten. Zumindest, bis sie erkannten, dass sich vor ihnen eine Gabelung befand. Zwei schmale, unbewachsene Canyons öffneten sich vor ihnen, einer nach Nordwesten, einer nach Nordosten führend.

Inuyasha sah seitwärts, die instinktive Anfrage an den großen Bruder. Sesshoumaru nahm das mit einem seltsam angenehmen Gefühl zur Kenntnis, auch, wenn er zugeben musste, dass er keine Ahnung hatte in welcher Richtung sich nun der Turm befand., der ja anscheinend den Beginn der eigentlichen Prüfungshölle darstellte.

„Trennen wir uns.“

„Äh…was?“

„Du gehst dort hinein. Nach fünftausend Schritten drehst du um. Wir treffen uns wieder hier.“

Also wusste auch der Herr Daiyoukai nicht, welchen Weg sie nehmen sollten. Aber da der ihm zuvor geholfen hatte, sollte er wohl besser nicht weiter darauf herumreiten: „Gut.“

Ein wenig überrascht, dass der impulsive Hanyou einer Anweisung ohne Murren folgte, wandte sich der Ältere um und ging in die westliche schmale Schlucht.

Als er die angegebene Distanz zurückgelegt hatte, wollte er bereits umdrehen, als er im Dunkel erkannte, dass sich der Canyon vor ihm deutlich weitete. Das war zu überprüfen, zumal ihm seine Nase verriet, dass sich dort irgendwo ein oder mehrere Youkai befanden. So ging er weiter.
 

Der Krieger, der diesen Zugang zum Inneren des Gebietes seines Herrn bewachen sollte, lehnte gelangweilt an der Felswand. Er wusste, dass dort unten der Pass der Schmerzen mit dem Tor der Todesmagie lag. Wer sollte da schon durchkommen? Seit er für Hayasa-sama arbeitete, waren nur zwei Daiyoukai hier durchgekommen – und das waren schon Jahrhunderte. Zum einen war wohl kaum jemand stark genug der Magie Widerstand leisten zu können, zum zweiten keiner verrückt genug sich der shiken jigoku zu stellen. Soweit er von Roba-sama gehört hatte, waren in der Zwischenzeit einige Youkai an den Illusionsweberinnen oder auch im Portal hier gescheitert und waren an eine alte Hexe ausgeliefert worden, die sonst etwas mit ihnen tat.

Er war sicher, dass er nichts gehört hatte, als ihn eine Witterung alarmierte. Er fuhr auf und zog bereits, ehe er erkannte, dass vor ihm ein weißhaariger junger Mann stand, ein Youkai, ein großes Schwert schräg vor sich haltend. Verdammt. Wo war der hergekommen?

Sesshoumaru betrachtete den Krieger mit gewisser Anerkennung: „Du willst kämpfen?“

„Ich werde dich in die Hölle schicken!“ Der Krieger bewies, warum er hier als Posten stand: aus seinem Schwert schoss rötlich glühender Funkenregen.

Der Hundeyoukai bewegte sich mit kühler Berechnung nur um einen Schritt seitwärts, um dieser Attacke zu entgehen, ehe er Bakusaiga auf den Boden schlagen ließ: „Stirb.“ Er drehte sich um, das Schwert bereits wieder zurückschiebend. Dort drüben lag eine weite Hochebene, wie ihm seine Nase verriet. Das musste das Ziel sein.

Der Krieger starrte ihn verwundert an. Was sollte das? Im nächsten Augenblick erfasste ihn eine bläuliche Energie, die aus der Erde selbst zu dringen schien. Im letzten Moment seines Lebens begriff er, dass er sich soeben mit einem Daiyoukai angelegt hatte.
 

Inuyasha war die östliche Schlucht entlang gewandert. Diese war nicht so lang wie die andere und er fand sich bald in einem weiten Hochtal wieder.

„Ein Besucher?“

Der Hanyou fuhr herum. Warum hatte er den Krieger nicht gewittert? Während er bereits zog, erkannte er die Antwort. Was auch immer das für ein Youkai war – er besaß keinerlei Eigengeruch. Seltsam, aber durchaus möglich. Ob der wohl schon zu Hayasa und seiner Prüfungshölle gehörte?

„Oh, du willst kämpfen, kleiner Junge?“

„Kleiner Junge? Keh! Mich zu unterschätzen wird dein Tod sein!“

Der Youkai betrachtete ihn: „Hayasa-sama wird sicher glücklich sein, zu hören, dass ich einen Hanyou gefangen habe.“ So etwas hatten sie hier noch nie gehabt.

„Träum weiter.“

„Ich unterschätze dich nicht.“ Der Krieger nickte ein wenig: „Du hast es durch das Tor am Pass geschafft. Magie ist wohl dein Spezialgebiet.“

Das war es sicher nicht, dachte Inuyasha, aber dann würde der Idiot ihn eben anders unterschätzen. Die Windnarbe mochte der andere kennen, aber ob er mit dem geschuppten Tessaiga zurande kommen würde? Er suchte das Youketsu seines Gegenübers, während sich seine Klinge bereits veränderte: „Verschwinde einfach“, empfahl er: „Ich will nichts von dir.“

Der Youkai hob sein Schwert: „Du bist doch in der Tat ein Hanyou? Nichts als ein Mischling zweier Rassen…eines erbärmlichen Menschen und eines minderwertigen Youkai, der unter seinesgleichen keinen Partner fand…“

„Keh!“ machte Inuyasha leise: „Ich wollte dir eine Chance geben. Aber wenn du meine Eltern beleidigst, wirst du mich kennen lernen!“

„Na, da freue ich mich drauf.“ Der Posten war trotz des Spottes angespannt. Nie zuvor hatte er ein Schwert gesehen, das sein Aussehen einfach so ändern konnte. Verfügte dieser Bastard etwa wirklich über enorme magische Fähigkeiten? Von solch einem Hanyou hatte er noch nie gehört.

„Es ist eine kurze Bekanntschaft!“

Die geschuppte Klinge Tessaigas schlug durch die Luft und traf ihr Ziel, die Energiequelle des Youkai. Noch während der zu Boden ging, begriff er, dass all sein Wissen über Bastarde null und nichtig war.
 

Roba trat in die Grotte seines Herrn, nicht überrascht, dass dieser bereits ihn erwartend stand, ihn nun aber ansah und ein wenig die Lefzen fletschte, ehe er nur konstatierte: „Sie haben den Pass der Schmerzen überwunden.“ Er hatte gespürt, wie sein Mayoke zerstört wurde.

Der Diener verneigte sich: „Ja, Hayasa-sama. Und sie haben die beiden Krieger getötet, die dort Wache halten sollten. Dem Bericht der Raben nach waren diese dumm genug, sich den Zweien in den Weg zu stellen. Was übrigens gegen ihre Anweisung war.“

„Nun, dann werde ich meine beiden jungen Gäste doch empfangen. Sie werden bald die Hochebene erreicht haben.“ Er dehnte ein wenig seine mächtigen Muskeln, ehe er seine Grotte verließ, gefolgt von Roba.
 

Als Inuyasha zum vereinbarten Treffpunkt zurückkehrte, fand er seinen Halbbruder bereits vor. „Hast du jemanden getroffen?“ erkundigte er sich.

„Abschaum.“

„Also ist er tot. Ich habe den Krieger auch erledigt. Und jetzt?“

„Komm.“
 

**
 

Im nächsten Kapitel lernen die Hundejungen den Herrn der Prüfungshölle kennen – und wir werfen mal wieder einen Blick auf den Hunderat und Kagome und Co...

Der Herr der Prüfungshölle

Da einige fragten, was für ein Youkai Hayasa sei: das Bild in der Charakterbeschreibung war eine Vorlage, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Inostranc_lati2DB.jpg&filetimestamp=20080609153555 eine andere. Er war schon ein Youkai, ehe Dinosaurier die Welt beherrschten....
 

8. Der Herr der Prüfungshölle
 

Die Hundebrüder gingen nach einer kurzen Pause weiter. Es war kaum davon auszugehen, dass der Herr der Prüfungshölle nicht mitbekommen hatte, dass sein Mayoke zerstört worden war. Das bedeutete, er würde entweder Krieger schicken oder aber sie als neue Testobjekte begrüßen. Beides wäre eine mögliche Reaktion, das war den Zweien unausgesprochen klar.

Inuyasha warf einen Blick seitwärts: „Du machst dir Sorgen um Rin?“ Keine Antwort. So fuhr er fort: „Ich mir ja auch um Kagome. Sie werden im Dorf schon sicher sein. Dieser bescheuerte Rat war nur hinter uns beiden her, da werden sie die Menschen doch in Ruhe lassen. - Du kümmerst dich ziemlich um die Kleine, das muss man dir lassen.“ Und er gab zu, dass er sich manchmal schon gedacht hatte, es wäre schön gewesen, wenn er so einen großen Bruder gehabt hätte, der sich um ihn gekümmert hätte, ihm Sachen gebracht, ihn beschützt hätte, vor allem nach Mutters Tod. Ohne weiter nachzudenken, sprach er es aus: „Weitaus mehr, jedenfalls, als du dich um deinen Halbbruder gekümmert hast.“ Im nächsten Moment erkannte er, dass das wohl ein Fehler gewesen war. Sicher kam jetzt wieder etwas von erbärmlichem Halbblut, Schande für die Familie….Mindestens.

Sesshoumaru sah geradeaus: „Ich habe an niemanden mehr Worte verschwendet als an dich.“

Das mochte sogar stimmen, dachte der Hanyou. Und vermutlich hatte er auch nie versucht, jemand anderen so oft zu töten. Auch eine Form der Aufmerksamkeit, in der Tat – wobei das eigentlich kaum eine war, die jemand zu schätzen wusste.
 

So wanderten sie schweigend weiter, ehe beide erstarrten. Inuyasha, der an der rechten Seite seines Halbbruders gegangen war, machte einen unwillkürlichen weiten Satz nach rechts, um dessen Schwertarm freizulassen, selbst bereits die Hand an Tessaiga.

Vor ihnen war scheinbar aus dem Nichts ein großes seltsames Wesen aufgetaucht, das entfernt an einen Hund, aber auch an eine Katze erinnerte. Unter dem kurzen, schwarzen Fell zeichneten sich deutlich das Spiel des Muskeln ab. Der Körper mochte dem einer Katze ähneln, die Zähne in dem langgestreckten Maul und der Schwanz deuteten mehr auf einen Hundeartigen. Trotz der Tiergestalt verriet dieses Wesen nur zu deutlich Youki und der Hanyou suchte vorsichtshalber schon einmal nach dessen Youketsu, auch, wenn er annahm, dass es sich um den Typen handeln musste, der die shiken jigoku erschaffen hatte. Und damit wäre er kaum umzubringen – zumindest, wenn man hier wieder weg wollte.

Dieser schien zu lächeln, als er seine Fangzähne zeigte: „Ein unerwarteter und doch erfreulicher Besuch. Ihr sucht die Herausforderung der shiken jigoku?“

„Suchen ist gut,“ murrte Inuyasha: „Uns blieb ja wohl nichts anderes übrig...“

„Eine interessante Geschichte? Ihr könnt sie mir gern erzählen, wenn ihr hier bestanden habt. Mein Name ist Hayasa. Ich bin der Prüfungsleiter. Wie sind eure Namen?“

„Ich bin Inuyasha. Und das hier ist Sesshoumaru, mein Halbbruder.“

Der Blick des mächtigen Wesens glitt von einem zum anderen: „Der Jüngere redet? Wie unhöflich. - Sesshoumaru, also. Ich werde dir das Vorgehen in den Prüfungen erklären. Mir will scheinen, trotz deiner Jugend hast du es bereits vermocht, die Stufe zum Daiyoukai zu überspringen. So ist es nur recht, dass du in den Aufgaben der shiken jigoku dich noch einmal Herausforderungen stellen willst, stärker und mächtiger werden willst. - Mit dir, Inuyasha, gibt es allerdings ein Problem.“ Und da der Hanyou schon auffahren wollte: „Schweig! Hat dir nie jemand Respekt vor Älteren beigebracht? Wer war denn dein Vater?“

„Der verstorbene Inu no Taishou. Aber der starb bei meiner Geburt.“ Der jüngere Halbbruder murrte es nur, aber ihm war klar, dass er diesen Typen besser nicht verärgern sollte, wollte er nicht hier ewig festsitzen. Noch vor fünf Jahren hätte er einen Streit oder einen Kampf vom Zaun gebrochen, aber er hatte doch dazugelernt.

„Dann hast du, Sesshoumaru, es wohl versäumt, ihn zu erziehen. Euer Vater war ein höflicher Mann.“ Der dunkle Blick des Wesens galt dem Älteren.

„Er ist mir gleich,“ kam prompt die Antwort des Hundeyoukai, wenn auch etwas peinlich berührt, für die Impulsivität und Ungezogenheit des Jüngeren verantwortlich gemacht zu werden. Schließlich hatte der doch seine Mutter gehabt und diesen Flohgeist. Hatten die ihm denn gar nichts beigebracht? Sein Gespräch mit Myouga würde wohl etwas länger ausfallen – und schmerzhafter für diesen Narren.

Hayasa dachte kurz nach. Er sei ihm gleich? Dann hatte er ihm nicht durch die Hindernisse geholfen? Konnte er sich die Probe für den Mischling sparen? Nein. Es sollte alles seine Ordnung haben. „Nun, wir werden sehen. Die Prüfung findet auch für jeden einzeln statt, es ist kaum möglich einander zu helfen. - Zu dir, Inuyasha. Wie du wohl weißt, ist shiken jigoku ein Ort, an dem die mächtigsten unter allen Youkai antreten, um besser zu werden. Ein Hanyou war hier noch nie. Um zu sehen, ob du mit Hilfe oder gar irgendwelchen Hinterlisten hierher gelangt bist, suche ich dir einen Gegner. Verlierst du, bist du tot, siegst du, kannst du in die Prüfungen. - Roba, suche einen Krieger.“

Sesshoumaru sah zu seinem Halbbruder. Der und einen Kampf verlieren? Dazu war der viel zu stur. Und er war wohl derjenige, der das am Besten beurteilen konnte.

Inuyasha meinte auch nur: „Keh, du scheinst ja auf eine Menge Leute verzichten zu können.“

„Nun, du hast keine Ahnung, was meine Krieger vermögen, aber du schwingst große Reden,“ knurrte der schwarze Daiyoukai unwillig: „Im Übrigen bin ich gewohnt, dass man mich mit Ihr und Hayasa-sama anspricht, Hundebengel!“

„Ich bin nicht gerade gut drauf,“ erklärte der Hanyou sofort: „Wir alle zwei übrigens nicht. Wir wurden überfallen, entführt, durch das Tor des Anfangs geschleift und auf diesen dämlichen Höllenpfad gesetzt. Wenn das hier erledigt ist, braucht der Hunderat eine verdammt gute Entschuldigung, falls er das Zusammentreffen mit uns überleben will. Und jetzt kommst du hier mit Höflichkeit daher!“

Hayasa stutzte: „Ihr seid nicht freiwillig hier?“

„Nein. - Falls das eine Bedingung ist, können wir ja gehen.“

„Unsinn, du redest ja wie ein Hundebaby mit weniger als einfachster Ausbildung. Magie ist Magie, da lässt sich nichts daran ändern. Sesshoumaru sollte das wissen.“

Der presste die Zähne aufeinander. Wenn Inuyasha noch einmal ein falsches Wort sagte, würde er ihm einen Faustschlag verpassen, ehe er selbst sich noch einmal von einem derart alten und mächtigen Youkai schräg anreden lassen musste. Und auch noch zu Recht, wie er zugab. Es würde dem vorlauten Halbblut nicht schaden, einige Wochen zur Ausbildung zu seiner Mutter zu gehen...

„Nun, Roba?“ Der Herr der shiken jigoku wandte den Kopf.

Sein Diener kehrte mit einem Hundeyoukai zurück: „Das Halbblut ist ein halber Hund, so erschien mir ein Inuyoukai doch angemessen.“

Inuyasha betrachtete den Hundeyoukai vor sich. Er hatte einen menschenähnlichen Körper, darauf saß allerdings einen hundeartigen Kopf, alles bewachsen mit goldfarbenem Fell. Auf seinem Kopf trug er, ebenso wie er selbst, Hundeohren. Interessanter war freilich die Tatsache, dass er auch ein Schwert besaß, das er quer über den Rücken trug, allerdings keine Rüstung. Benötigte er keine? Lange Kampferfahrung ließ den Hanyou unwillkürlich stutzen.

Roba sah zu seinem Herrn: „Wünscht Ihr einen Schwertkampf, Hayasa-sama?“

„Nein. Das Schwert, das unser junger Hanyou da trägt, hat es in sich. Und wir wollen doch einen Test durchführen, was er selbst vermag. Nichts, was deinen Krieger stören dürfte.“

„Selbstverständlich nicht. – Ihr habt es gehört. Legt die Schwerter ab.“
 

Mist, ärgerte sich Inuyasha. Dieser komische Hayasa hatte anscheinend bemerkt, dass Tessaiga nicht nur ein Stück Metall war. Na ja. In Magie schien der echt was drauf zu haben. Was leider natürlich auch bedeutete, dass es die shiken jigoku erst recht in sich haben dürfte.

So machte er einen Satz hinüber und zog sich sein Schwert samt Scheide ab. „Pass drauf auf, Sesshoumaru.“ Zum ersten Mal in seinem Leben gab er ihm Tessaiga freiwillig – aber das einfach nur auf den Boden zu legen, war ihm hier zu riskant. Wer wusste, auf welche Ideen diese komische Mischung aus Hund und Panther noch kommen würde.

Der ältere Halbbruder griff wortlos nach der Scheide, sicher, dass der Bannkreis des eigentlichen Schwertes ihn auch hier und jetzt abweisen würde. Tessaiga gehörte Inuyasha, und auch, wenn er selbst lange gebraucht hatte das zu akzeptieren, er hatte es getan. Die Scheide dagegen war aus dem gleichen Holz wie die Tenseigas, von dem alten Magnolienbaum Bokuseno, und wies ihn trotz aller in ihr wohnenden Magie nicht zurück.
 

Auch der unbekannte Hundeyoukai hatte sein Schwert abgelegt, es Roba gegeben. Nun blieb er gegenüber Inuyasha stehen und legte die Finger aneinander: „Ein Hanyou, also. Edles Hundeblut verunreinigt. Nun, es wird sicher nicht lange dauern.“

„Im letzten Punkt sind wir ganz einer Meinung“, gab der Hanyou etwas ärgerlich zurück: „Aber zu Punkt eins: wer so was zu mir je sagte, sieht schon lange das Gras von unten.“

„Das wird dir schwer fallen, Bastard. Du hast noch nie gegen einen Youkai wie mich gekämpft, das kann ich dir versprechen. - Doppelgänger-jutsu.“

Zu Inuyashas gewisser Überraschung erschien die gleiche Person noch einmal neben der anderen: das gleiche Aussehen, aber nicht die gleiche Witterung: „Na und?“ meinte er daher: „Glaubst du, mich damit verwirren zu können? Ich weiß immer, wer du wirklich bist.“

„Oh, natürlich, das ist mir klar. Nenne es meine….Versicherung. Er wird auch nicht in den Kampf eingreifen, keine Angst.“

„Als ob ich vor einem Hund je Angst gehabt hätte.“ Und dieser Idiot mochte nicht daran denken, dass er nicht immer ein Schwert getragen hatte. Auf seinen langen einsamen Wanderungen zuvor hatte er sich gegen Youkai stets nur mit den Händen und Klauen wehren können.

„Das solltest du aber….“ Mit hoher Geschwindigkeit schoss der Hundeyoukai auf seinen Widersacher zu.

Inuyasha entkam dem gleichzeitigen Krallenschlag nur durch einen Überschlag in der Luft, ließ aber noch im gleichen Moment seine Klaue durch die Luft fegen: „Sankontessou!“

Er wusste, dass sein Krallenangriff getroffen haben musste, aber sein Gegner landete offenbar vollkommen unverletzt. Hatte der etwa auch ein Feuerrattengewand an? Aber dann fiel sein Blick seitwärts auf den still da stehenden Doppelgänger. Dort zeigten sich Kratzspuren, die sich tief in den Rücken gegraben hatten – allerdings kein Blut.

Verdammt, dachte er nur. Er entsann sich dieses Spiegeldämons, den Kanna kontrolliert hatte. Naraku hatte sie gezwungen, die Verletzungen zu übernehmen. Und sie war daran gestorben. Nun, immerhin schien es sich hier um keine lebende Person sondern eben nur eine erschaffene Deckung zu handeln. Das aber bedeutete, das wusste er von damals, dass er zuerst das Spiegelbild zerstören musste. Nur, wie? Denn der Krieger griff ihn bereits wieder an.
 

Kagome betrachtete den Wald wie schon so oft in den vergangenen Tagen, zuerst im Zorn, der im Laufe der vergangenen drei Tage sich immer mehr in Sorge verwandelt hatte. Auch Shippou hatte keine Spur von Inuyasha finden können. Es war, als sei er buchstäblich vom Erdboden verschluckt worden. Und das, wo er doch wusste, dass sie extra für ihn kochen wollte.

„Kagome!“

Sie fuhr herum, gerade noch rechtzeitig, um dem Stich in ihren Hals zu entgehen: „Myouga-jiji!“ Sie bot ihm die Hand: „Inuyasha ist verschwunden!“

„Ja, das ist es ja, eine Katastrophe!“ Der alte Flohgeist wirkte erschöpft: „Ich bin hergeeilt, als ich das von Jaken erfahren habe. Der Hunderat muss völlig durchgedreht sein! Sie haben Sesshoumaru-sama und Inuyasha-sama entführt und auf den Pfad der Prüfungshölle gesetzt!“

„Was ist das? Ist es gefährlich?“

„Oh ja,“ kam ein Kommentar von dritter Seite.

Sie erkannte Jaken, der offenkundig ebenso müde aussah.

„Und wer ist dieser Rat? Kommt, gehen wir zu Sango und Miroku. Wir müssen doch etwas unternehmen.“

Jaken schüttelte den Kopf, ebenso wie Mypouga, der ergänzte :„Oh nein, da könnt ihr nichts unternehmen. Shiken jigoku ist eine Prüfung die für Daiyoukai geschaffen wurde. Sesshoumaru-sama mag noch Chancen haben, das zu überleben, aber doch nie ein Hanyou.“

„Sesshoumaru-sama schafft das!“ giftete der Krötendämon prompt, worauf es Kagome sinnvoller fand, die beiden zu trennen:

„Jaken, gehe doch zu Rin und lenke sie etwas ab, bringe ihr Grüße oder sonst etwas. Myouga, komm“ Mit noch größerer Besorgnis eilte sie samt dem Flohgeist zu ihren Freunden. Nachdem Sango ihre Kinder mit Shippou zum Spielen geschickt hatte, hörten sie sich den etwas ausführlichen Bericht Myougas zum Thema der Prüfungshölle an.

„Und es gibt schon einige Daiyoukai, die das nicht überlebt haben,“ schloss er: „Niemand weiß, was dort geschieht. Nun gut, der Herr hat damals überlebt, so hoffe ich, dass auch Sesshoumaru dort Chancen hat, aber doch nie Inuyasha-sama. Oh, dieser vermaledeite Rat! Verräter sind sie, sonst nichts.“

„Was oder wer ist denn dieser Rat?“ erkundigte sich Miroku.

„Sozusagen die Regierung der Hundeyoukai,“ erklärte der Flohgeist: „In Kriegszeiten ist allerdings der Taishou der Anführer und sein Wort wiegt auch schwer im Rat. Nach dem Tod seines Vaters, meines Herrn, stünde der Titel des Taishou eigentlich Sesshoumaru zu. Und wer diesen Titel erlangen will muss gegen ihn auf Leben und Tod kämpfen. So will es das Gesetz. Stattdessen haben sie ihn nun entführt und der shiken jigoku ausgesetzt. So wären sie ihn und auch Inuyasha als zweiten Bluterben los und könnten selbst den Titel erlangen, ohne sich einem der beiden im Duell stellen zu müssen. Sicher hat das Inabikari oder eher Kyuu angezettelt.“ Inabikari war der aus der Art geschlagene Sohn eines ehrlosen Vaters – ein aufrechter Kämpfer, dem er solche Intrigen weniger zutrauen würde. Ehrgeiz, ja, aber keine Ehrlosigkeit. Von Kyuu wusste er nichts, aber eine Frau, die sich so hochgearbeitet hatte....

„Dann kann der Rat sie zurückholen? Wir müssen ihnen nur sagen....“ Kagome brach ab, da Myouga den Kopf schüttelte:

„Das ist eine magische Bindung. Niemand, der durch das Tor des Anfangs ging, oder in diesem Fall, geworfen, wurde, kann zurück ohne shiken jigoku durchgekämpft zu haben – oder zu sterben. Auch der Rat kann nichts daran ändern – und ihr könnt ihnen nicht helfen, denn Menschen kommen da gar nicht hin. Es geht um sehr viel Magie. Ich weiß durchaus, was ihr könnt, aber.....“ Er seufzte: „Ich kam her, weil ich annahm, dass ihr euch schon Sorgen macht.“ Und Jaken hatte ihn alarmiert, in der Hoffnung, dass die Menschen etwas unternehmen konnten, aber das wollte er nicht sagen. Die Freunde des jungen Herrn waren so schon kampfbereit genug. Nicht, dass sie noch auf dumme Ideen kamen.

„Oh ja,“ meinte Kagome nachdrücklich: „Und das, was du erzählt hast, ist auch nicht gerade dazu angetan, sie zu verkleinern.“ Es tat ihr jetzt richtig Leid, einen Abend so wütend auf ihren Hanyou gewesen zu sein, anstatt sich zu denken, dass ihm etwas zugestoßen sein musste, schließlich aß er zu gern ihre Kochkünste. „Nun ja, hoffen wir das Beste. Ich meine, Inuyasha hat Tessaiga bei sich, und auch Sesshoumaru. Im Notfall werden die beiden doch zusammenarbeiten.“ Es war besser für ihre Gemütsruhe, dass sie Myougas zweifelnden Blick nicht bemerkte.

„Ja,“ meinte auch Sango, die das sehr wohl gesehen hatte: „Sie werden gemeinsam auf diesen Rat sauer sein – das könnte bei der Eintracht helfen. Im Übrigen möchte ich nicht an der Stelle des Rates sein, wenn sie zurückkommen. Inuyasha war noch nie jemand, der sich gern entführen ließ.“ Von seinem Halbbruder ganz zu schweigen.

„Und uns bleibt ganz sicher nichts, außer zu warten?“ erkundigte sich Kagome noch einmal: „Ich meine, meine Pfeile sind nicht von schlechten Eltern und wenn man damit jemanden vom Rat überzeugen könnte....“

„Es ist einfach unmöglich!“ Myouga rang seine vier Hände: „Das ist es ja. Es liegt allein bei den beiden, was aus ihnen wird. Und natürlich der Höllenprüfung.“

„Schön.“ Sie biss sich etwas auf die Lippen: „Dann warten wir auf das Ergebnis. Aber das eine sage ich dir, Myouga-jiji – wenn Inuyasha etwas passiert ist, wird dieser Rat lernen, warum er es nie hätte wagen dürfen, meinen Mann zu entführen!“

Myouga nickte eilig. In diesem Zustand war mit ihr nicht gut Kirschen essen – und das würde auch der Rat zu spüren bekommen, wenn die Dinge schlecht liefen. Aber er hoffte doch, dass die beiden Söhne seines verstorbenen Herrn nicht dort scheitern würden, wo dieser bestanden hatte.
 

Der Hunderat wartete geduldig vor dem Tor des Anfanges, allerdings hatten sich Grüppchen gebildet. Während Kyuu sich mit den beiden Ratsmitgliedern unterhielt, die ihr folgten und Inabikari mit seinen Zweien, standen Nacissos und sein Zwillingsbruder etwas abseits.

„Noch lebt zumindest Sesshoumaru,“ meinte Nacissos und nickte zu dem Tor, dessen steinerne Öffnung sich noch immer nicht verschlossen hatte.

„Natürlich, denn du musst bedenken, dass es von hier bis zu den Bergen von Seikki ja auch ein Weg ist. Das bedeutet nur, dass entweder die eigentliche Prüfung noch nicht begonnen hat oder aber er bislang alles bestanden hat. Was dagegen den Hanyou betrifft....“

„Ich habe ein ungutes Gefühl, großer Bruder. Wir hätten nicht zustimmen sollen, einen halben Menschen zu entführen und in die Prüfungshölle zu schicken, Bluterbe hin oder her.“

„Er ist nun einmal der Sohn des verstorbenen Inu no Taishou und damit, sollte Sesshoumaru...hm...ausfallen, der Erbe des Titels. Es wäre unlogisch gewesen, nur Sesshoumaru in die Prüfung zu schicken. Hast du etwa Mitleid mit ihm?“

„Ich bin nicht weich, wenn du das meinst. Dennoch – er machte auf mich den Eindruck, weder zu wissen, wer wir sind, noch etwas von Hundeyoukai zu wissen.“

„Unwissenheit ist kein Schutz. Er ist ein Bluterbe und wenn Sesshoumaru versäumt hat, ihm das zu sagen, sollte er auf seinen älteren Bruder wütend sein. Auch das würde für einen von ihnen die shiken jigoku rasch beenden.“

„Danach sind Kyuu und Inabikari dran – zunächst gegen den Überlebenden, dann gegeneinander. Ich denke, Inabikari ist sicher zu gewinnen. Aber er unterschätzt Kyuu.“

„Sie haben beide bislang nicht das gezeigt, was sie können, Nacissos. Dir wäre Inabikari als Sieger wohl lieber?“

„Er ist ein Krieger in tiefster Seele. Und darum meines Erachtens geeigneter für den Posten und Titel des Taishou.“ Und nie zuvor hatte es einen weiblichen Taishou gegeben.

„Das mag stimmen. Aber Kyuu ist keine schlechte Kämpferin – und sie kann Leute überzeugen, das hat sie nicht zuletzt dadurch bewiesen, dass sie uns, den Rat, dazu brachte, einstimmig für die Entführung und die shiken jigoku zu stimmen. Aber, das sehen wir. Wenn Sesshoumaru und womöglich auch dieser Inuyasha zurückkehren, wird das unter den Daiyoukai ausgemacht. Ich werde mich da sicher nicht einmischen.“

„Glaubst du ich, großer Bruder?“ Aber Nacissos verschwieg seine Idee, dass alles vom Rat, was nicht gerade eines Kampfes wert war, sofort dem Erdboden gleich gemacht werden würde, kehrten die Halbbrüder zurück. Er kannte Sesshoumaru seit langen Jahren, dessen beide Eltern – und nahm nicht an, dass der zweite Sohn des verstorbenen Taishou seinem Halbbruder so vollkommen unähnlich sei.
 

**
 

Da könnte er recht haben...

Wenn Inuyasha über seinen Gegner siegt, beginnt im nächsten Kapitel also der Weg durch die Prüfungshölle.

Die Prüfung beginnt

Two simple rules the devil hands us:

Make your mistakes, but no second chances.

Every time you stand up is another chance to fall
 

Survivor Series WWF: 1998 Theme Song: Deadly Game
 

Inuyasha gelang es den erneuten Angriff des Hundeyoukai abzuwehren, aber ihm war klar, dass das sein geringeres Problem war. Die wichtigere Aufgabe lag darin, diesen eigenartigen Doppelgänger zu zerstören. Denn solange der da stand, würde er jede Blessur, die er selbst seinem Gegner zufügen konnte, abfangen und dieser dagegen blieb unverletzt – im Gegensatz zu ihm. Zwar schützte ihn das Gewand aus Feuerratten, das er trug, aber, wie er nur zu gut wusste, auch das würde irgendwann nachgeben.

Nur: wie zerstörte man diese Kopie? War das mehr eine Illusion oder tatsächlich etwas, das da stand? Ein Spiegelbild?

Nun, er sollte es wohl einmal antesten. Mit einem gewaltigen Satz wich er sowohl dem nächsten Angriff aus, als er sich auch in Angriffsweite zu dem Doppelgänger brachte, einen Faustschlag gegen dessen Kinn ansetzte.

Er erwartete nicht, dass dieser sofort in tausend Stücke brechen würde, hoffte aber, dass der wenigstens wackelte oder gar umfiel. Leider passierte gar nichts. Nicht einmal eine Spur einer Verletzung oder eher Beschädigung war zu sehen. So fuhr er stattdessen wieder zu seinem eigentlichen Widersacher herum, sicher, dass dieser bereits die nächste Attacke eingeleitet hatte. Zumindest kannte er das so von seinen Kämpfen gegen einen anderen Hundeyoukai, seinen Halbbruder.

Aber der hier stand fast vier Meter von ihm entfernt und starrte ihn fast wütend an, ehe er sich über den Mund rieb: „Jetzt wirst du sterben, Bastard.“

„Soll ich dir mal aufzählen, wie oft ich diese Ansage schon gehört habe?“ gab der Hanyou zurück: „Keh, wenn ich jedes Mal dafür einen Ryou bekommen hätte, wäre ich ein reicher Mann.“ Warum wischte sich dieser Hund Blut vom Mund? War er unglücklich gestürzt? Er hatte davon zwar nichts mitbekommen, aber das bewies immerhin, dass dieser Krieger bei weitem nicht so fähig war, wie er tat. So machte er einen Satz: „Sankontessou!“

Der Hundeyoukai nahm den Klauenhieb an, ohne mit der Wimper zu zucken – schließlich wurde erneut nur sein Doppelgänger verletzt. Und falls dieses dämliche Halbblut glauben sollte, auf diese Art zuerst das Gegenbild und dann ihn zu erledigen, so hatte es sich getäuscht. Falls der Doppelgänger wirklich zerstört würde, könnte er jederzeit einfach einen weiteren erschaffen, das war buchstäblich Sekundenwerk. Und bis dem Hanyou das gelang, wäre er schon selbst verletzt, kampfunfähig oder gar tot. So versuchte der Krieger, diesmal mit einer direkten Attacke in den Nahkampf zu gehen, um mit einigen gezielten Schlägen den Anderen aus der Fassung zu bringen und im Endeffekt zu schwächen.
 

Inuyasha sprang zurück, nicht, ohne sich mit einem weiteren Klauenangriff dafür zu revanchieren. Das tat weh, gab er zu, aber er hatte schon ganz andere Verletzungen gehabt. Noch waren es Prellungen, schmerzhaft, aber bei weitem nicht gefährlich: „Idiot, ich kann eine ganze Menge einstecken, auch ohne so einen dämlichen Doppelgänger“, meinte er nur und warf einen unwillkürlichen Blick auf die regungslose Gestalt. Deutlich zeigte sich dort der Erfolg der Sankontessou-Attacken, leider nur dort. Immerhin, womöglich konnte er den so zerstören? Aber aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Hundeyoukai dann eben einen neuen erschaffen. Allerdings wäre der dann abgelenkt…

Also musste er eben weiter angreifen, auch, wenn es ein wenig nervtötend war, keinerlei Wirkung bei seinem Widersacher zu sehen.

Im nächsten Moment sah er sich allerdings gezwungen, einem deutlich verstärkten Klauenangriff seines Gegners auszuweichen, was ihm nur durch einen Seitwärtshecht gelang. Mit einem Überschlag stand er wieder. Der Kerl schien jetzt echt aufs Ganze gehen zu wollen.
 

„Dein Halbbruder hält sich nicht schlecht“, stellte Hayasa langsam fest: „Nun, für einen halben Hund.“

Sesshoumaru verschwendete keinen Atem an eine Antwort. Er wusste, mit welcher Ausdauer Inuyasha kämpfen konnte – und hier ging es um sein Leben. Warum also ließ er sich jetzt gerade wieder auf einen Nahkampf ein? Ein vollblütiger Hundeyoukai war doch stärker als er, fähiger. Oder hatte er etwa einen Plan? Inuyasha und Plan in einem Satz war zwar gewöhnlich eine Unmöglichkeit, aber wenn er keinen besaß, würde er sterben. Denn das hier war der Beginn der Prüfungshölle – und wer nicht fähig genug war kam darin um.
 

Der Hanyou sprang keuchend etwas zurück und warf erneut dem Doppelgänger einen Blick zu. Nein, so direkt im Nahkampf war dem leider kaum etwas anzusehen. Zwar immerhin mehr als bei dem direkten Schlag zuvor, der diesem Abbild ja nun überhaupt nicht geschadet hatte, sondern eher noch seinem Besitzer, der da wohl gestolpert…Moment mal.

Inuyasha verstand plötzlich. Er hatte den Doppelgänger geschlagen – und sein wahrer Gegner wurde an dieser Stelle im gleichen Augenblick verletzt, anscheinend, ohne dass etwas passiert war. Die beiden hingen offenbar wechselseitig zusammen. Das bedeutete, alles, was er mit dem Doppelgänger anstellen würde, würde dieser dumme Hund zu spüren bekommen.

Ohne weiter nachzudenken rannte er los – und entkam auf diese Weise gerade noch einem gewaltigen Krallenhieb, der ihn sicher trotz seines Gewandes schwer verletzt hätte, so jedoch nur tiefe Kratzer in den Boden schlug. Er legte beide Hände um den Hals des regungslosen Doppelgängers und drückte fest zu.

Der Hundeyoukai starrte ihn fassungslos an, ehe seine Finger zu seinem Hals zuckten. Er bekam keine Luft mehr. Verdammt, wie hatte der Bastard das herausgefunden? Aber zu dieser Frage war es nun zu spät. Er spürte, wie er unbarmherzig gedrosselt wurde, seine Lungen vergeblich nach der rettenden Luft rangen. Und es war ihm unmöglich geworden, dieses Halbblut direkt anzugreifen, sich aus der Klemme zu befreien. Sein Klauenangriff ging ins Leere, als er langsam in die Knie brach.

Der Hanyou ließ nicht nach, zu erfahren darin, was man als Hundeyoukai alles ertragen – und noch weiterkämpfen – konnte.
 

Sesshoumaru betrachtete seinen Halbbruder fast ein wenig erstaunt. Der konnte tatsächlich denken und war hinter den Trick des Kriegers gekommen? In der Tat, das war ein recht fähiger Kampfpartner. Nicht, dass er je so jemanden benötigen würde, aber womöglich wäre es bei der shiken jigoku, die ihm der Rat hier aufgehalst hatte, angenehm, einen derartigen Helfer dabei zu haben.

Der Hundeyoukai schien bewusstlos geworden zu sein.
 

Inuyasha spürte, wie der Doppelgänger unter seinen Händen buchstäblich schwand, und kam zu dem gleichen Ergebnis. So sah er zu Hayasa: „Ich denke mal, ich habe gewonnen.“

Der Wächter der Prüfungshölle nickte: „In der Tat. Du hast eine gewisse Stärke und Verstand bewiesen. So soll auch dir erlaubt sein, die shiken jigoku zu betreten.“ Er hob die Hand. Keine zwei Meter neben ihnen erschien etwas, das man am ehesten mit einer leuchtenden Tür vergleichen konnte: „Hier beginnt die Prüfungshölle. Sobald ihr eine Aufgabe erfolgreich erledigt habt, wird vor euch wieder ein derartiges Portal erscheinen. Solange es nicht erscheint, seid ihr in dieser Welt gefangen. Natürlich, da ihr zu zweit seid – besteht einer die Prüfung, kann er gehen. Der zweite muss dann eben dort bleiben. - Ein Hinweis noch. Die Welten der Prüfungshölle wurden von mir geschaffen.“

Und das bedeutete, dass alles dort nur nach seinen Vorstellungen und Plänen ablief – gleich, was immer er auch geplant hatte, das war beiden Halbbrüdern klar. Das mochte noch ein Problem darstellen. Aber eine Wahl hatten sie nicht. So wandte sich Sesshoumaru nur um und machte ohne Zögern den Schritt durch die leuchtende Tür. Inuyasha folgte ihm eilig.

Dahinter erwartete sie eine unangenehme Überraschung. Es fühlte sich wie ein freier Fall im Nichts an. Als sie auf dem Boden aufkamen und sich umsahen, entdeckten sie, dass jeder allein war. Das Portal hatte sie inmitten eines dichten Dschungels abgesetzt – getrennt.
 

Roba trat zu seinem Herrn: „Die ersten Prüfungen sind nicht sonderlich schwer, das sollten sie hinbekommen.“

„Das sollte man denken. Aber ich entsinne mich einiger, durchaus mächtiger, Youkai, die bereits relativ lange in den ersten Prüfungen festsaßen, ehe sie die Lösung fanden. Aber ich gebe dir Recht: diese ersten Prüfungen sind nicht lebensgefährlich, eher prüfen sie den Charakter. Später kommen die riskanteren. Nicht zu vergessen, die Brücke der Selbsterkenntnis, an der schon viele scheiterten.“ Und in den bodenlosen Abgrund stürzten.

Roba nickte: „Aber sie sind schon bis hierher gekommen. Der Weg vom Tor des Anfanges beinhaltet durchaus Probleme und Hindernisse.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“ Der riesige schwarze Daiyoukai zeigte im Lächeln seine Zähne: „Aber nicht deswegen sind die beiden Hundejungen bemerkenswert. Vom Tor des Anfanges bis zu mir hat es noch nie jemand so schnell geschafft. Und das bedeutet, dass sie weder am Pass der Illusionen noch am Pass der Schmerzen lange Verzögerungen hatten, ja, wohl direkt durch den Wald der Todesseile gingen. Das hat noch keiner gewagt und bestanden, soweit ich mich entsinne. Höchstens ihr Vater, aber da bin ich mir nicht sicher. Überdies müssen die Weberinnen ihnen ihre Abkürzung gezeigt haben, da sie sonst nie die erste Gebirgskette so rasch überwunden hätten. - Ich bin wirklich neugierig, was sie in den Prüfungen zeigen, vor allem in den späteren Kampfprüfungen, wenn sie feststellen dürften, dass ihre Schwertermagie nicht mehr so funktioniert.“

„Oh, daran dachte ich gar nicht. Ihr erwähntet zuvor, dass das Schwert des Hanyou einige besondere Fähigkeiten hätte.“

„Auch Sesshoumarus zwei Klingen. Ich bin wirklich neugierig. Nun, heute ist doch auch ein guter Tag zum Sterben, nicht wahr?“

„Wie jeder Tag, Hayasa-sama,“ erwiderte der Diener höflich, schließlich war sein Gebieter bereits seit einigen hundert oder gar tausenden Jahren verstorben.
 

Inuyasha beschloss, einen der Berge empor zu springen, die vor ihm aus dem dichten Grün des Urwaldes ragten. Das Ganze war anscheinend ein Tal, von beiden Seiten mit steilen Hügeln begrenzt. Vielleicht konnte er von oben erkennen, wo Sesshoumaru steckte oder auch das Ende der Prüfung – oder einfach auch, was hier bitte sehr geprüft werden sollte. Was sollte ein Test, wenn man gar nicht wusste, um was es ging?

Er erreichte schon nach kurzer Zeit einen Vorsprung, eben wie eine Platte, und blieb an dessen Steilabfall stehen, um sich den gewünschten Überblick zu verschaffen. Unter ihm dehnte sich das Tal, aus dem er gekommen war. Selbst hier, hundert Meter über den Kronen der riesigen Bäume, war der Duft der Blumen dieses Dschungels mehr als deutlich. Feuchte, warme Luft trug die Witterung empor. So deutlich drang das in seine Nase, dass er fast nicht bemerkt hätte, dass sich nur ein Stück neben ihm, an der nächsten aufstrebenden Felskante, ein Nest befand. Eindeutig war es eines, das kannte er von Vögeln, aber darin lag kein Ei, sondern eine kleine Eidechse reckte ihren Kopf heraus. Seit wann bauten Eidechsen denn Nester?

Nun, gleich. Wichtiger war es, Sesshoumaru zu finden und diese Etappe der shiken jigoku zu bestehen. Leider war von dem Herrn Halbbruder nichts zu sehen oder zu riechen. Wo steckte der nur? Sie waren doch praktisch gemeinsam durch die Tür gegangen? Oder trennte die Prüfungshölle alle?

Ihm wurde jäh bewusst, dass der Boden unter ihm zitterte, und er machte einen unwillkürlichen Satz von der Kante zurück, in Richtung auf das Nest, ehe er sich umsah. Da näherte sich etwas sehr Großes, Schweres.

Warum hatte er nicht an die Kürbiswesen gedacht, die ihnen in dem einen Wald begegnet waren? Auch hier war jetzt hinter ihm eine größere Ausgabe der Eidechse im Nest erschienen – ob Vater oder Mutter war für ihn nicht zu erkennen. Jedenfalls stand diese nicht nur da, sondern kam langsam auf ihn zu.

Er wich zurück. Ein Tier umzubringen, das eigentlich nichts von ihm wollte, kam ihm übertrieben vor. Aber als er spürte, dass er das Nest berührte und sich im gleichen Moment spitze Zähne durch sein Feuerrattengewand in seine Wade schlugen, beschloss er, dass er doch etwas unternehmen sollte. An ein Jungtier verfüttert zu werden entsprach nicht seiner Vorstellung von einem achtbaren Tod. Andererseits, mit der Windnarbe gegen eine, wenn auch sehr große, Eidechse loszugehen, die anscheinend zu dämlich war, einen Hanyou zu erkennen, wenn sie ihn sah, entsprach auch nicht gerade der Ehre. Da war wohl Rückzug die bessere Taktik. Er trat das Junge von sich weg. Mit einem gewaltigen Sprung setzte er über die Kante und den Steilhang hinab in die Tiefe des Tales, sich immer wieder auf Steinen und Felsvorsprüngen abstoßend.

Die Echsen blickten ihm nach.
 

Sesshoumaru hatte sich kurz in der dichten, grünen Vegetation orientiert. Inuyasha war weder zu sehen noch zu riechen. Letzteres war in dem intensiven Blumengeruch auch kaum möglich. Sie waren getrennt worden. Hatte jeder eine separate Prüfung in der Prüfungshölle erhalten oder waren sie nur an verschiedenen Ecken abgesetzt worden? Er vermutete fast letzteres. Das hier schien sich um ein Tal mit Urwald zu handeln und es fragte sich, worin die Aufgabe bestand. Es roch nach allerlei Tieren und Pflanzen, die er nicht kannte. Aber dies war eine Welt, die Hayasa geschaffen hatte, und es war nicht gesagt, dass er sich an die Realität gehalten hatte. Und, was auch immer die Prüfung war, würde sich bald zeigen – und er würde bestehen. Wenn ihn sein Geruchssinn nicht trog, befanden sich linker Hand Felsen. Von dort aus sollte er einen Umblick haben, besser herausfinden können, wo er war – und entweder die Aufgabe oder zumindest Inuyasha finden. Womöglich war es so einfach, dass sie sich wieder treffen sollten?

So machte er sich auf den Weg.

Wenige Minuten später blieb er stehen. Gut tausend Schritte vor ihm stiegen in der Tat Felsen auf, ein Gebirge, fast senkrecht aus dem Wald. In der Tat, es handelte sich um ein Tal. Interessanter war freilich das riesige Wesen, das sich vor ihm nun erhob und alle sieben Köpfe zeigte, die auf schlangenartigen Hälsen saßen. Spitze Zähne hätten ihm auch ohne die Witterung nach verwesendem Fleisch verraten, dass dies ein Beutejäger war. Eigentlich verspürte er nicht die mindeste Lust, sich mit einem Tier herumzuärgern. Ein solcher Kampf bot weder eine Herausforderung noch Vergnügen. Aber als er einen Schritt seitwärts machte, bewegte sich auch sein Gegenüber in diese Richtung. Das sah so aus, als ob dieses Wesen trotz seiner sieben Köpfe nicht in der Lage war abzuschätzen, wem es gegenüber stand. Er fasste nach Bakusaiga und erstarrte. Dies war sein eigenes Schwert, entstanden aus ihm selbst und er konnte fühlen, dass etwas damit geschehen war. In dieser magisch erschaffenen Welt würde es nicht so funktionieren wie in der Realität, wo der vernichtende Angriff alles zerstörte. Und das mochte durchaus noch ein unerwünschtes Hindernis darstellen. Aber da die Köpfe auf ihn zuschossen, zog er blank.
 

„Wie überaus interessant,“ murmelte Hayasa, was seinen Diener ihn anblicken ließ. So ergänzte er: „Inuyasha wählte eher den Rückzug, als die Tiere umzubringen und auch Sesshoumaru zögerte, die Hydra anzugreifen. Er kämpft nun aber gegen sie.“

„Dann hat der Hanyou bestanden.“

„In der Tat. Sollte Sesshoumaru die Hydra töten hat er versagt. Das sind Tiere, Youkai unterlegen und ein guter Kämpfer ist nicht blindwütig, sondern gibt Unterlegenen eine Chance. - Nun, das Portal ist erschienen und Inuyasha wird es auf jeden Fall passieren können. Wir werden sehen, was mit dem älteren der beiden Hundejungen geschieht.“

„Sesshoumaru, der perfekt tötet – sein Name scheint Programm zu sein,“ erklärte Roba.

Der uralte Daiyoukai wiederholte nur: „Wir werden sehen.“
 

Sesshoumaru hatte unterdessen bemerkt, dass sein schlangenköpfiger Gegner in der Tat ein Problem darstellte. Gleich, wie viele Köpfe er abschlug, sie wuchsen immer wieder in raschem, ja, sich steigernden Tempo nach. Dieser Kampf war so nicht zu gewinnen. Andererseits, sobald er versuchte auszuweichen, stieß diese seltsame Schlange nach. Sie schien auf einem Kampf bestehen zu wollen. War das hier etwa der erste Test? Dann musste er gewinnen.

Hm. Schlug er einen Kopf ab, so wuchs dieser nach – das sollte folglich verhindert werden. Da er ja wieder beide Hände besaß, konnte er auch eine andere Vorgehensweise wählen. Er wechselte Bakusaiga in die linke Hand und spannte die Finger der Rechten an. Als erneut ein Schlangenkopf auf ihn zuzuckte, hieb er ihn mit einem Schlag ab. Gleichzeitig setzte er mit der anderen Hand die Giftklaue frei und verbrannte damit die Halswunde. Mit einem Überschlag sprang er zu Boden. Zufrieden bemerkte er, dass diesmal kein Kopf nachwuchs. Das sollte doch eigentlich genügen, diesem dummen Reptil klarzumachen, dass es keine Chance gegen ihn hatte und besser aufgeben sollte. Die Schlange besaß kein Youki, also handelte es sich wirklich um ein Tier – und an dessen Tod war er definitiv nicht interessiert.

Es erfolgte auch kein weiterer Angriff, sondern die mehrköpfige Schlange rollte sich zusammen. Wollte sie erneut attackieren und suchte nur seine Schwachstelle? Er behielt sie aufmerksam im Auge, sein Schwert noch immer in der Linken. Da jedoch nichts weiter passierte, schob er es weg und machte einen kleinen Bogen, um sie zu umgehen und endlich die Höhe zu erreichen.
 

„Dachte ich mir, dass du hier bist.“ Inuyashas Kommentar ließ seinen Halbbruder innehalten und sich umdrehen.

Er brauchte nicht zu fragen, wie der Hanyou ihn gefunden hatte. Im Zweifel hatte dieser den Blutgeruch der Schlange trotz der Blütendüfte wahrgenommen und daraus geschlossen, dass er hier sein musste.

„Ich habe eine gute Nachricht,“ verkündete der Jüngere: „Ich war dort drüben auf dem Berg. Nette Eidechsen wohnen da und ziemlich hungrige. Nun, egal. Als ich hinabsprang entdeckte ich in dieser Richtung so ein leuchtendes Portal.“

Das war in der Tat eine gute Nachricht, bedeutete das doch, dass die Prüfung bestanden war. Nur, worin um alles auf der Welt hatte der Test bestanden? Hatten sie sich doch schlicht nur finden sollen? War das so einfach? Aber die shiken jigoku sollte ihren Namen doch nicht zu Unrecht tragen. Oder war nur ihr Anfang so simpel und kamen dann weitaus schwerere Proben? Sollte ein einfacher Einstieg die Prüflinge täuschen? Gleich. Er würde diese Prüfungshölle bestehen und sich dann den Hunderat vornehmen. Zunächst allerdings sollte noch etwas geklärt werden: „Zieh Tessaiga.“

„Hä?“ Inuyasha hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit. Eine solche Aufforderung hatte er schon wiederholt von seinem Halbbruder erhalten – eigentlich immer eine Einladung zu einem Duell auf Leben und Tod. Aber was sollte das? Jetzt und hier? Und das, nachdem er doch eine gute Nachricht gebracht hatte? Aber er sprang zurück, die Hand am Schwertgriff, durchaus kampfbereit.

Sesshoumaru war für einen Augenblick irritiert, ehe er erkannte, dass seine Aufforderung – durchaus zu recht, wie er zugab – missdeutet worden war: „Probiere seine Techniken,“ erläuterte er daher.

„Oh. Soll das heißen, dass Bakusaiga nicht wie normal funktioniert hat? Na, Klasse.“ Inuyasha zog.

Zwei Minuten später stand fest, dass nur mehr die Windnarbe wie eh und je den Wald flachlegte. Das war alles. „Dieser dämliche Hayasa scheint das witzig zu finden,“ murrte der Hanyou. Er sah sich und sein Schwert als Einheit – und so von den Errungenschaften abgeschnitten zu sein, bedeutete für ihn fast eine Kastration. In der Hoffnung, einen Leidensgenossen zu haben, fragte er, Tessaiga wegschiebend: „Was kannst du noch?“

Sesshoumaru antwortete nicht. Er sah keinen Grund, dem Mischling auf die Nase zu binden, dass sein eigenes Schwert im Moment nur noch über sein Youki funktionierte. Das aus ihm selbst entstandene Bakusaiga bot ihm nur mehr die gleichen Möglichkeiten, die ihm einst das aus dem Zahn eines Oni entstandene Toukejin gegeben hatte. Frustrierend. „Gehen wir.“
 

**
 

Es sollen ja nicht die Waffen die shiken jigoku bestehen sondern deren Besitzer...

Im nächsten Kapitel beginnt der Weg der Fallen und Prüflinge und Prüfer lernen sich so näher kennen....

Der Weg der Fallen

Inuyasha stöhnte ungeduldig auf, als er erkannte, dass er allein da stand. Anscheinend würde jedes Portal sie trennen. Wie lästig, wenn man zusätzlich zu irgendeiner dämlichen Aufgabe auch noch den Herrn Daiyoukai suchen musste. Wobei er zu bezweifeln wagte, dass der auch nur einen Gedanken an ihn verschwenden würde. Aber er selbst hatte keinen Gefährten im Stich gelassen, seit er welche besessen hatte, und er wollte nicht ausgerechnet bei seinem eigenen Bruder damit anfangen. Wo war er hier nur gelandet?

Es handelte sich um einen gemauerten Gang, dessen Wände durch Fackeln in regelmäßigen Abständen matt beleuchtet wurden. Andere Wege zweigten davon ab. Auch die Decke schien aus Ziegeln zu bestehen. War das ein Gefängnis oder ein Irrgarten? In diesem Fall konnte die Aufgabe nur lauten hier herauszukommen. Und womöglich gab es auch noch andere Fallen oder Hindernisse in der Dämmerung. Gleich. Er sollte zusehen, dass er den Ausgang fand. Welchen Weg sollte er nehmen, um sich nicht noch mehr zu verlaufen? Alle Gänge, in die er blickte, sahen gleich aus, die Fackeln brannten in gleichmäßigen Abständen.

Na, toll. Hier würde auch eine gute Nase nichts helfen, Ohren und Augen schon gar nicht. Dieser Hayasa schien es witzig zu finden, sie zu trennen, jeden auf sich zu stellen. Sollte er rufen? Nein, wie sah das denn aus? Als ob er nichts allein auf die Reihe brachte oder gar Angst im Dunkeln hatte.

Er betrachtete nachdenklich die Ziegelwand vor sich. Wer sagte denn eigentlich, dass der direkte Weg verboten war? Wenn er mal mit der Windnarbe so eine Mauer antestete?
 

Sesshoumaru fand sich ebenfalls in einem Labyrinth wieder. Erneut waren sie getrennt worden. War das Absicht in der shiken jigoku, die ja immerhin als Prüfung für jeden Einzelnen ausgelegt war? Oder aber, da Hayasa die Prüfungshölle ursprünglich als Übungsplatz für sich gebaut hatte, eine Folge dessen, dass der von seinen eigenen Fallen hatte überrascht werden wollen? Nun, gleich. Die Aufgabe hier konnte nur lauten, den Irrgarten zu verlassen, in dem vermutlich irgendwo mindestens ein, eines Daiyoukai würdiger, Gegner wartete.

Die Wände sahen alle gleich aus, jede, wie auch die Decke, aus Ziegeln, ausnahmslos erleuchtet mit Fackeln. Die Witterungen waren auch in jeder Richtung identisch.

Er fuhr herum, als er einen Geruch in die Nase bekam, den er erkannte. Er hatte gerade noch die Zeit, Bakusaiga zu ziehen, dann war der Hanyou bei ihm.

„Du Mistkerl!“ schrie der, als er mit Tessaiga zuschlug.

Was sollte das? Trotz seiner Verwunderung presste der Daiyoukai Klinge auf Klinge und schob den Angreifer zurück. Sicher, Inuyasha war schon immer impulsiv, aber das schien doch eine Stufe höher als gewöhnlich. „Lust auf etwas Schwertübung?“ fragte er spöttisch.

Ohne weiteres Wort griff der Hanyou erneut an, sichtlich zornig und verbissen.

Sesshoumaru sprang zurück. Da stimmte doch etwas nicht. Er konnte sich keinen Grund vorstellen, warum Inuyasha mitten in einer fremden Welt, ja der Prüfungshölle, so irrsinnig reagierte, angriff, ohne zumindest vorher große Reden zu schwingen. Das hatte der ja nicht einmal bei Naraku geschafft.

Dann unterbrach er lieber seine Gedanken, denn ein kaze no kizu lief auf ihn zu und er hatte alle Hände voll damit zu tun es abzulenken. Die Ziegelmauer neben ihm zerfiel buchstäblich zu Staub. Verdammt!

„Das reicht jetzt. - Souryuha!“
 

Inuyasha hatte gerade beschlossen die Wand einzureißen, als ein Grollen jenseits ihn zurückspringen ließ und er durch die neu entstandene Mauerlücke in einen weiteren Gang starren konnte. Zu seiner Verwirrung erkannte er jenseits sich selbst, der gerade mit Tessaiga die Windnarbe geschlagen hatte. War das hier ein Spiegel, der einem zeigte, was gleich geschehen würde, oder was sollte der Quatsch? Dann erst entdeckte er Sesshoumaru schräg vor sich. Und er kannte die ruckartige Bewegung, mit der dieser seine blau leuchtende Klinge hob:

„Das reicht jetzt,“ sagte der eisig: „Souryuha!“

Mit einem gewissen eigenartigen Gefühl im Bauch sprang der Hanyou durch die zerstörte Mauer in den anderen Irrgartengang, nachdem sich sein sozusagen anderes Ich buchstäblich in Luft aufgelöst hatte: „Was soll das denn hier? Labyrinth mit Doppelgänger – das ergibt doch keinen Sinn!“ Hoffentlich würde ihn der Herr Daiyoukai jetzt nicht auch für eine Illusion halten. Zur Sicherheit legte er schon einmal die Hand an Tessaiga.

„Als ob deine Existenz Sinn macht,“ erwiderte Sesshoumaru kühl wie eh und je, als er Bakusaiga zurückschob.

Inuyasha nahm letzteres durchaus erfreut zur Kenntnis, das erstere überhörte er lieber: „Sag mal, wolltest du mich umlegen oder woran hast du gemerkt, dass das nicht ich bin?“

„Er benahm sich noch törichter als du gewöhnlich.“

„Na, immerhin kann ich sicher sein, dass du echt bist,“ zischte der Hanyou unverzüglich: „Und jetzt erkläre mir mal, wieso dieser Hayasa auf mich als Gegner kommt.“

Sollte er schon wieder einen auf älterer Bruder machen? Na schön. Wer wusste, was noch in diesen Gängen wartete. Unvorbereitet würde der impulsive Hanyou womöglich falsch reagieren: „Dieses Labyrinth scheint einem Gegner aus den eigenen Erinnerungen zu zeigen.“

„Ich habe keinen getroffen. Nun ja, ich wollte eigentlich gerade die Wand einreißen, als das mein Doppelgänger wohl gerade erledigt hat. - Was hättest du eigentlich gemacht, wenn das doch ich gewesen wäre?“

„Du hättest die Drachenwelle dank Tessaiga überlebt.“

Das stimmte. Die Scheide würde ihn dagegen schützen, wie sie es schon getan hatte: „Du denkst wohl immer an alles, wie, Herr Daiyoukai?“

Das verdiente keine Antwort, dachte Sesshoumaru. Es war eher die Frage, wie man wohl am schnellsten hier herausfinden konnte, ohne auf weitere lästige Erinnerungen zu treffen. Auf einen Kampf mit einem Doppelgänger von Naraku konnte er verzichten. Moment. Was hatte Inuyasha da vorgehabt? Das dürfte in der Tat der schnellste Weg hier heraus sein – und verboten war er kaum, schließlich hatte auch der Doppelgänger eine Mauerlücke geschaffen. „Dann schlage ein Loch in diese Wand.“

„Hä?“ Aber der jüngere Bruder zog erneut. Anscheinend hatte er eine gute Idee gehabt, eine so gute, dass auch Sesshoumaru keine bessere hatte. Das war ja mal ganz etwas Neues – und direkt angenehm: „Kaze no kizu!“

Dahinter erschien eine ein weiterer Gang mit Fackeln, aus Ziegeln. Noch ehe der Hanyou wieder losschlagen konnte, jagte die bläulich schimmernde Drachenwelle an ihm vorbei. Anscheinend wollte auch sein Halbbruder ein wenig Spaß haben.
 

„Mein schönes Labyrinth!“ Hayasa schüttelte etwas den mächtigen, hundeähnlichen Kopf.

Roba sah zu ihm auf: „So war das doch nie geplant, Hayasa-sama?“ erkundigte er sich vorsichtig.

„Nein, gedacht ist es so, dass man Gegner trifft, die den eigenen Erinnerungen entspringen, und nebenbei den Ausgang suchen muss. Zumindest haben ich und alle anderen es bislang so gehalten. Ich muss zugeben, diese...direkte Methode ist neu. Aber sie wurde ihnen nicht verboten. Also ist es zulässig. Langsam wird mir allerdings klar, wie sie es so rasch vom Tor des Anfanges bis hierher schaffen konnten. Das sind die lebenden Beispiele für das Wort chaotische Zerstörung. Sende doch einmal Raben aus, ob der Wald der Todesseile noch ganz oder teilweise existiert. Ich frage mich langsam wirklich, was sie mit dem - oder denjenigen tun werden, die sie gegen ihren Willen in die shiken jigoku geschickt haben.“

„Falls sie die Prüfungshölle überleben, Herr.“

„Natürlich. Aber auf jeden Fall sind sie interessant. Hinzu kommt, dass einer ein Hanyou ist.“ Und in der Stimme des verstorbenen Daiyoukai lag Amüsement: „Jetzt werden sie sich allerdings einer Prüfung gegenübersehen, in der schlicht Wände einreißen nichts nützen würde. Aber das werde ich ihnen selbst mitteilen.“

„Jetzt schon?“ erkundigte sich Roba erstaunt. Gewöhnlich zeigte sich der Herr der Prüfungshölle erst wieder bei den lebensgefährlichen Prüfungen.

„Ich fürchte, sonst habe ich anschließend kein Übungsgelände und keine heiße Quelle mehr. Und sie hätten verloren. Denen muss man die Aufgaben mitteilen – ehe sie zu...hm....radikal werden.“ Hayasa wandte sich um. Diese Hundejungen hatten es tatsächlich bereits aus dem Labyrinth geschafft und das nächste Portal gefunden. Soweit er wusste, war das Rekordzeit. Er sollte sich wirklich beeilen, ihnen die nächste Prüfung mitzuteilen.
 

Die Halbbrüder blieben nebeneinander stehen, nachdem sie das folgende Portal durchschritten hatten, beide unwillkürlich froh, den anderen dabei zu haben, auch, wenn sie das selbst unter Folter nie zugegeben hätten. Vor ihnen dehnte sich eine Landschaft aus Sand aus, sicher die neue Prüfungswelt. Aber das Interessanteste war zweifellos das Haus direkt vor ihnen und keiner der Zwei stellte in Frage, dass dort die nächste Aufgabe auf sie wartete.

„Nun, meine jungen Freunde...“

Die Anrede ließ sie sich umdrehen. Vor ihnen stand ein menschenähnlich aussehender Mann in bodenlanger Garderobe, dessen spitze Ohren und klauenartigen Hände allerdings den Youkai verrieten. Seine Haut war dunkel, seine Augen fast schwarz. In den langen, schwarzen Haaren reflektierte sich das Licht der hiesigen Sonne. Sie wussten nicht, dass dies Hayasa in seiner Menschenform war, nahmen aber an, dass er irgendwie zu der shiken jigoku gehören musste.

„Also, um was geht es?“ erkundigte sich Inuyasha daher.

Der alte Daiyoukai hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt. Der jüngere dieser beiden Chaotenbrüder war eindeutig impulsiv, ja, vorlaut. „Ihr seht das Haus. Dort wartet die nächste Prüfung auf euch, auf jeden einzeln. Sesshoumaru, du beginnst. Gehe hinein. Dort wirst du auf der linken Seite eine warme Quelle sehen. Geradeaus befindet sich noch eine Tür. Dahinter ist ein Weg, den du nehmen musst. Bist du dort hindurch, steht dir auch die Quelle zur Verfügung, wenn du möchtest. Danach kannst du durch die dortige Tür das Haus wieder verlassen und das nächste Portal erscheint. Anschließend nimmt Inuyasha den gleichen Weg. - Wenn ihr durch das nächste Portal gelangt seid, werde ich euch die folgenden beiden Prüfungen erklären. Ab dann trägt die Prüfungshölle ihren Namen zurecht, denn dann werden die Proben lebensgefährlich. Sollte einer von euch beiden den Weg durch diese Prüfung hier übrigens nicht schaffen, wird er solange in dieser Welt bleiben müssen, bis er es vermochte. Noch Fragen?“

Statt einer Antwort drehte sich Sesshoumaru um und ging auf das Haus zu. Was auch immer dort wartete, er würde damit fertig werden.

Hayasa sah fragend zu dem Hanyou, aber der folgte seinem Halbbruder mit dem Blick. So verschwand er mit einem leisen Lächeln. Stur und stolz waren sie ja alle beide – und es mochte gut sein, dass diese Prüfung ihnen als weitaus härter erschien als später der Kampf gegen eine Übermacht. Hier ging es um Selbstbeherrschung und Demut – letzteres war sicher nichts für den Hundeyoukai. Und was Inuyasha anging, so wagte der Herr der Prüfungshölle zu bezweifeln, dass er auch nur eine dieser beiden Eigenschaften besaß. Aber das würde man bald sehen.
 

Der Hanyou wurde ungeduldig. Was dauerte denn da so lange? Sesshoumaru war doch schon vor einer halben Stunde in dieses Haus gegangen? Oder war es schon länger her? Das war doch wirklich zu lästig, sich hier wie ein Idiot die Beine in den Bauch stehen zu sollen.

Endlich erkannte er, wie auf der linken Seite des Hauses ein Portal erschien und sein Halbbruder darauf zuschritt. Für einen Moment wandte der ihm glatt das Gesicht zu, ehe er in der leuchtenden Tür verschwand. Irrte er sich oder war der neugierig gewesen – neugierig, wie er sich schlagen würde? Na, wo der durchgekommen war, würde auch er es schaffen, das stand doch ganz außer Frage.

So ging er auf das Haus zu und öffnete die Tür. Es stimmte, da auf der linken Seite war eine einladende, warme Quelle. Aber die durfte man ja wohl erst nach der eigentlichen Prüfung benutzen. Diese wartete dann also hinter der nächsten Tür.

Er öffnete sie – und starrte irritiert auf das, was dahinter lag. Kein gewöhnlicher Weg, wie er angenommen hatte, sondern ein vergitterter Gang, kaum einen halben Meter hoch. Sowohl der Boden als auch dessen Decke waren mit magischen Bannsprüchen versehen, schmerzhaft und läuternd, wie er erkannte. Um das Ganze noch besser zu machen, war der Boden morastig. Aber es half wohl nichts. So legte sich der Hanyou auf den Boden und robbte vorsichtig hinein, wenn auch in dem gewissen Bedauern, nicht mit angesehen zu haben, wie der Herr Halbbruder mit seiner aristokratischen Nase hier in dem Matsch gewühlt hatte. Kein Wunder, dass da die Quelle war. Nach diesem Schlammbad hier brauchte man Wasser.

Nach nur wenigen Metern hatte er gelernt, dass man dem Schmerz des läuternden Bannes auf dem Boden nicht entgehen konnte. Man musste die Zähne zusammenbeißen und ihn ertragen. Wenn man allerdings flach blieb und wirklich mit der Nase auf dem Boden, entkam man wenigstens dem Brennen der oberen Zauber.

Nun, Schmerzen konnte er ertragen, und es wäre doch gelacht, wenn er hier scheitern würde. So robbte er vorsichtig den Parcours entlang, der sich scheinbar endlos hinzog. Kein Wunder, dass Sesshoumaru so lange gebraucht hatte. Hier durch und dann noch ein Bad – denn so makellos, wie der ausgesehen hatte, hatte der eines genommen. Wirklich, zu schade, dass er das nicht mitangesehen hatte. Obwohl, vielleicht war es ganz gut so, dass das eine Einzelprüfung war. Immerhin hätte der arrogante Mistkerl dann auch ihm zusehen können – und da er schon einmal gesagt hatte, es sei die Bestimmung eines Hanyou im Dreck zu kriechen....Nein. So war es doch wohl besser.
 

Je länger der Weg dauerte und je intensiver der Schmerz wurde, den die Bannsprüche vor allem im Gesicht und an seinen bloßen Händen und Füßen erzeugten, umso mehr musste er sich allerdings zwingen, noch weiterzukrabbeln, immer eine Hand vor die andere zu setzen, bereits in Erwartung der läuternden Qual. Aber aufgeben kam ja nicht in Frage. In dieser Welt bleiben zu müssen, bis man das hier einmal durchgeschafft hatte, nein danke. Überdies würde er Hayasa, diesem vermaledeiten Rat und vor allem Sesshoumaru zeigen, dass ein Hanyou alles schaffen konnte, was auch ein Daiyoukai konnte. Überdies war hier womöglich auch Vater gewesen – schließlich hatte der sich doch dem Duell mit einem anderen gestellt - und beide vermutlich zuvor die shiken jigoku bestanden. Sicher, der hatte Sou´unga bei sich gehabt, aber das Höllenschwert wäre bislang in den Prüfungen nicht gerade hilfreich gewesen. Mal ganz abgesehen davon, ob die Magie Sou´ungas hier überhaupt funktioniert hätte.

Plötzlich entdeckte er vor sich wieder das Haus. Der Gittergang endete dort an einer Tür. Dahinter wartete ein warmes Bad auf ihn und so kroch er erleichtert die letzten Meter, ehe er sich aufrichten konnte. Nach dem langen Robben war das eine direkt ungewohnte Haltung und er reckte sich ein wenig, ehe er hineinging, wo das dampfende Wasser ihm verlockend wie nie zuvor schien.
 

Vor dem Tod des Anfanges wartete der Rat der Hundeyoukai noch immer geduldig. Inabikari betrachtete Kyuu nachdenklich. Seine beiden Gefolgsleute im Rat, aber auch Nacissos und dessen Zwillingsbruder, die sich gewöhnlich aus Intrigen heraushielten, hatten zumindest andeutungsweise gemeint, sie habe in der shiken jigoku nur ein Mittel gesehen, die beiden Bluterben aus dem Weg zu schaffen. Stimmte das und er war auf ihre Rede hereingefallen? Nun, gleich. Er hatte zugestimmt und würde zu seiner Entscheidung stehen. Kehrte Sesshoumaru zurück, würde er ihn fordern. Kehrte der Hanyou ebenfalls zurück, so sollte Kyuu ruhig das Vergnügen haben ihn zu töten. Dass nur das Mischblut zurückkam, schloss der junge Daiyoukai auf jeden Fall aus.

Er missachtete Sesshoumarus Stärke durchaus nicht – aber es war fraglich, ob der die Stufe zum Daiyoukai überwunden hatte. Das tat man nur in endlosen Übungen und Kämpfen gegen zumindest fast gleichstarke Gegner – und das hatte der Älteste des verstorbenen Taishou nie getan. Nun, soweit er wusste, und Inabikari hielt sich und vielleicht noch Kyuu für die einzigen adäquaten Übungspartner, seit sie beide den Sprung in die Oberklasse geschafft hatten. Dennoch – womöglich gelang es Sesshoumaru durch die Aufgaben der Prüfungshölle. So oder so wäre es ein äußerst interessantes Duell, das ihn vielleicht einmal an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit treiben würde. Und danach würde er Kyuu besiegen - und zur Mutter seines Erben machen. Ein flüchtiges Lächeln spielte um seinen Mund. Dies schien eine ansprechende Woche zu werden.
 

Nacissos hatte das Lächeln gesehen. Nun ja, für einen junge Daiyoukai war Kyuu sicher die erste Wahl für eine Gefährtin in dieser Generation. Weibliche Daiyoukai waren nicht gerade häufig, nun, außer Kyuu und angeblich auch Sesshoumarus Mutter gab es unter den Hundeartigen keine. Sie schätzen den Kampf weniger, suchten eher magische Fähigkeiten. Und so wurde man eben kein so überaus mächtiger Youkai. Er selbst hatte auch nicht vermocht, die Stufe zu überspringen, obwohl er durchaus viel gekämpft hatte, auch gegen Widersacher, die stärker als er gewesen waren – irgendetwas anderes gehörte noch dazu, ohne dass jemand hätte sagen können, was.

Er warf einen Blick auf den aufgegangenen Halbmond. Auf jeden Fall lebte zumindest einer der Halbbrüder noch, im Zweifel Sesshoumaru, denn das Tor hatte sich noch nicht wieder geschlossen. Er oder sie mussten den harten Teil der Prüfungshölle überleben, dann würden sie zurückkehren. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass der rote Schatten über dem Mond Unheil ankündigte.
 

Auch Kyuu hatte Inabikaris Musterung und sein Lächeln gesehen und musste sich zwingen, ihren aufkeimenden Zorn zu unterdrücken. Männer! Sie war eine Daiyoukai! Wie konnte dieser arrogante Mistkerl sich so sicher sein, dass er sie besiegen würde? Nur, weil sie eine Frau war? Er hatte keine Ahnung von ihren verborgenen Fähigkeiten, von ihren mühsam erworbenen Kampftechniken. Das einzige Duell ihrerseits, bei dem er je zugesehen hatte, war das um den Platz im Rat gewesen – und sie hatte mühelos gewonnen. Nun gut, das war auch kein Daiyoukai gewesen und sie war nicht genötigt gewesen, mehr als reine Schwerttechnik zu demonstrieren. Allerdings hatte sie damit vor allen Ratsmitgliedern gezeigt, dass sie nun eine Daiyoukai war – und die entsprechende Höflichkeit einfordern konnte. Selbst der damals noch lebende Taishou hatte ihr seinen Respekt ausgesprochen. Und Inabikari hielt sie für leichte Beute? Der sollte sich wundern. Nach seinem Kampf gegen Sesshoumaru wäre er sicher angeschlagen – während sie nur den Halbmenschen umbringen musste. Das wäre ein Handicap für ihn. Und sollte tatsächlich Sesshoumaru siegen – nun, dann galt für ihn das Gleiche. Und ihre Chancen, der Taishou zu werden, stiegen. Sollte der Hanyou shiken jigoku nicht überleben, wovon sie eigentlich ausging, wäre es umso günstiger für sie. Im schlechtesten Fall würde auch Sesshoumaru nicht wiederkommen, dann müsste sie einem ausgeruhten Inabikari gegenübertreten. Nun gut. Ihre Techniken würden ihn überraschen - und umbringen. Sie würde beweisen, zu was eine Hundedämonin fähig war.
 

**
 

Wenn der Rat so weitermacht, könnte es da zu einem Duell kommen, ehe die Brüder zurück sind.

Die Hundejungen sehen sich im nächsten Kapitel einer buchstäblich eisigen Prüfung gegenüber - und der ersten tödlichen.

Die Eisprüfung

Sesshoumaru war durch das Portal gegangen und hatte etwas irritiert seine neue Umgebung gemustert. Schlicht nichts war zu sehen, zu wittern oder zu hören. Er schien zu schweben. Was nun? Dieser Prüfer hatte gesagt, er würde kommen und die neue Aufgabe erklären. Sollte er jetzt hier etwa herumschweben, bis Inuyasha mit der Aufgabe fertig war? Das konnte dauern. Obwohl, so stur, wie der Bastard war, würde er nicht aufgeben wollen. Und Schmerz konnte der ertragen, oh ja. Er entsann sich, dass dieser noch in der Lage war, mit einem Loch im Körper weiterzukämpfen, genauer, mit seiner Hand darin. Nun ja, das waren noch die Kämpfe um Tessaiga gewesen. Vergangenheit.

Er sah auf, als er eine Witterung in die Nase bekam. In der Tat, der Prüfer. Moment. Das war der gleiche Geruch, den Hayasa gehabt hatte. Also war das der Leiter der Prüfungshölle in seiner menschlichen Form. „Hayasa-sama.“

Dieser schwebte heran: „Ich war schon neugierig, wann du mich erkennen würdest. Dein kleiner Bruder hat die Prüfung ebenfalls bestanden. Wenn er gebadet hat, wird er herkommen und ich euch beiden dann die folgenden Aufgaben erklären. - Wer hat euch denn eigentlich in die shiken jigoku geschickt?“

„Der Rat der Hundeyoukai.“

„Ich nehme keine Sekunde an, dass du begeistert darüber warst.“

Das erforderte keine Antwort, dachte Sesshoumaru.

So schwiegen die beiden, bis sich eine leuchtende Tür zeigte und der Hanyou hindurch kam.

„Huch,“ kommentierte er die Tatsache, dass er im Nichts einer unbekannten Schwärze zu schweben schien: „Mal ganz was Neues. - Hallo. Wie geht es weiter?“

Hayasa sah zu dem älteren der Halbbrüder. Sesshoumaru überlegte für einen Moment wirklich, ob er zu handfesten Erziehungsmethoden greifen sollte. Nur der Umstand, dass der Leiter der Prüfungshölle darauf zu warten schien, ließ ihn davon absehen. Er tat nie, was andere von ihm wollten.

Inuyasha hatte bemerkt, dass er schon wieder zu vorlaut gewesen war. Durfte man denn hier nie seine Meinung sagen? Was sollte das denn? Er war kein ach so ehrwürdiger Daiyoukai, sondern ein Hanyou, der entführt worden war, genervt war - und so langsam Hunger bekam. Aber bitte schön, dann sagte er eben nichts mehr. Den Blick, den ihm sein älterer Bruder zuwarf, kannte er nur zu gut. Der würde ihm am liebsten den Kragen umdrehen.

Da Hayasa etwas zufrieden bemerkte, dass Ruhe herrschte, meinte er: „Es wird sich demnächst vor euch ein neues Portal öffnen und euch in eine Welt aus Eis und Schnee bringen. Dies ist die erste Prüfung, bei der ihr sterben könnt...“ Er stellte fest, dass keiner der beiden diese Möglichkeit auch nur in Betracht zog. Selbstsicher waren sie ja. „Vor euch befindet sich dann das Eistor. Es ist verschlossen und wird von vielen Kriegern bewacht, deren Anführer den Schlüssel trägt. Diese werden euch angreifen und verhindern wollen, dass ihr durch das Tor gelangt. Solltet ihr es öffnen können...Nun, dahinter befindet sich eine Eishöhle, die durch den gesamten Berg führt. Eure zweite Aufgabe lautet: gelangt hindurch. Auf der anderen Seite des Berges wird euch das nächste Portal erwarten.“

„Dann müssen wir deine Krieger umlegen,“ konstatierte Inuyasha sachlich, bemüht, nicht schon wieder als der dumme, vorlaute kleine Bruder dazustehen.

„Du kannst nichts töten, was nicht lebt, junger Freund. Sie sind, wie alles in shiken jigoku, von mir erschaffen worden. Ihr könnt sie zerlegen, ja. Aber sie werden sich wieder zusammensetzen und auf den nächsten Prüfling warten. Umgekehrt können sie euch natürlich verletzen und töten.“ Hayasa betrachtete die beiden. Hundejungen, das waren sie, noch recht jung und doch so sicher zu gewinnen? „Ich vermute, dass ihr schon gegen eine Übermacht gekämpft habt.“

„Natürlich,“ erwiderte der Hanyou: „Was Kämpfen betrifft, sind wir ganz gut in Übung.“

Eigenartigerweise bezweifelte der Herr der Prüfungshölle das nicht. Er verschwand buchstäblich im Nichts, während sich vor den Hundebrüdern das nächste Portal zeigte.
 

Eisiger Wind und Schneetreiben empfing sie auf der anderen Seite. Vor ihnen ragte ein steiler Berg empor, an dessen Fuß sich ein Tor befand, dass sicher gut zwanzig Meter hoch war. Das musste ihr Ziel sein. Dazwischen befanden sich allerdings an die hundert Krieger unbekannter Stärke, die ihnen langsam entgegenkamen.

„Tja,“ meinte Inuyasha und griff nach Tessaiga: „Das sieht nicht so aus, als ob sie uns einfach so durchlassen würden.“

Was für eine Feststellung! Sesshoumaru zog Bakusaiga: „Kümmere du dich um das Tor,“ sagte er jedoch.

„Hm?“ Der Hanyou war etwas überrascht, ehe ihm einfiel, dass ja anscheinend auch das Schwert des Herrn Halbbruders nicht mehr alle Fähigkeiten besaß – und wohl auch die Zerstörungswelle nicht mehr. „Schön, dann machen wir erst mal den Weg frei.“

Das kaze no kizu und die Drachenwelle fegten buchstäblich nebeneinander über die Ebene auf die Krieger zu, schlugen eine Schneise in diese. Inuyasha spurtete sofort los, verteidigte sich gegen die ersten, die ihn direkt angriffen, Stahl auf Stahl, bemüht, näher an das Tor heranzukommen, um es gewaltsam zu öffnen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass Sesshoumaru ihm folgte, allerdings etwas langsamer, da er nach rechts und links Energieattacken schlug, um die Krieger in Distanz zu halten. Zufrieden, dass sein Halbbruder ihn tatsächlich mit deckte, blieb der Hanyou ein Stück hinter den letzten Kriegern stehen, denen die Kehrseite zudrehend und ignorierend, dass sie herumfuhren.

Der Hundeyoukai sprang hinter ihn, Rücken an Rücken, sicher, dass das Tor der Windnarbe nicht standhalten würde. Alles, was er selbst nun tun musste war, möglichst die Krieger daran zu hindern heranzukommen. Und das bedeutete noch einige Drachenwellen. Aufgeben würden die Gegner nicht, dafür hatte Hayasa sicher gesorgt.

„Kaze no kizu!“ Inuyasha schlug mit aller Kraft zu. Es war doch eine ziemliche Übermacht und sie sollten hier nicht zu lange brauchen. Immerhin waren diese Krieger der Prüfungshölle anscheinend zu überrascht gewesen, um gleich und alle zusammen anzugreifen. Waren sie etwa nicht gewohnt, dass sich die Prüflinge wehrten? Das konnte er sich nicht vorstellen. Hier spazierten ja in der Regel nicht gerade Anfänger durch sondern Daiyoukai.
 

„Schön,“ seufzte Hayasa ein wenig deprimiert: „Ich habe ihnen nicht gesagt, dass sie das Tor ganz lassen sollen. Ich sagte nur, es sei verschlossen. In aller Regel suchen die Prüflinge dann nach dem Schlüssel und dem Anführer der Krieger. Manche besiegen ihn im Zweikampf, andere wandten sich gegen alle Krieger in Duellen – aber so etwas.....“

„Darf ich fragen, was passiert ist?“ erkundigte sich Roba.

„Diese Hundebengel haben schlicht ignoriert, dass sich ihnen da hundert Männer in den Weg gestellt haben. Sie schlugen einige Energieangriffe – und ich muss zugeben, dass die nicht von schlechten Eltern waren – und sind jetzt durch. Während Sesshoumaru die Krieger auf Distanz hielt, zerstörte Inuyasha das Tor.“

„Mit Verlaub, Hayasa-sama, wenn die beiden durch die shiken jigoku sind, werdet Ihr einige Zeit brauchen, um alles wieder zu reparieren.“

„Das glaube ich auch. Nun, es war erst neulich, als ich dachte, wie langweilig meine Existenz hier geworden sei. - Da kannte ich diese Zwei noch nicht.“

„Mich überrascht, dass sie noch immer über ihre Schwerter Energieangriffe durchführen können. Sollte die Magie der Prüfungshölle das nicht verhindern?“

„Sie haben eindeutig weniger Fähigkeiten als gewöhnlich,“ erklärte der uralte Daiyoukai langsam: „Aber irgendwie sind diese beiden Schwerter mit ihren Herren verbunden. Sie können nicht einfach in Metallteile verwandelt werden. Ich vermute fast, dass zumindest Sesshoumarus Schwert, nun eines der zwei, aus ihm selbst entstanden ist.“

„Er ist ein Daiyoukai, ja. Aber dennoch ist das eine seltene Fähigkeit, die nur bei extrem hohen Youkipotential entsteht.“ Und bei Hanyou unmöglich – oder?

„Wie sagte ich, nicht von schlechten Eltern. Ich denke, es hätte ihren Vater gefreut, zu sehen, was aus seinen Sprösslingen geworden ist. Er erwähnte damals, dass er sich ein wenig Sorgen um seinen Sohn mache, wohl den Älteren. Was ich bedauerte, denn er war ein ehrenhafter Mann. Er versprach mir, das Höllenschwert nicht einzusetzen und er tat es auch nicht.“ Hayasa nickte: „Nun, wir werden sehen, wie sie sich in der Eishöhle schlagen. Denn da hilft ihnen kein Energieangriff, nicht, ohne alles einzureißen....“ Er blickte zu seinem Diener: „Und nein, so verrückt werden sie dann doch nicht sein. Sie würden sich selbst begraben.“

Roba schwieg.
 

Die Halbbrüder hatten unterdessen die Eishöhle betreten, wobei sie zufrieden bemerkten, dass die Krieger ihnen nicht folgten. Anscheinend war deren Aufgabe wirklich in dem Augenblick abgeschlossen, in dem der Prüfling durch das Tor gelangt war. Für einen Moment betrachteten sie die fremdartige Welt vor sich. Mattgrün schimmerte das Tageslicht durch Spalten in der Decke, hüllte den Gang aus Eis vor ihnen in Dämmerung. Der Boden der Höhle war glatt und kalt, aus schierem Eis, wie Inuyasha zu seinem Bedauern feststellte. Das würde über gewisse Zeit mit bloßen Füßen unangenehm werden. Aber Jammern würde auch nicht helfen. Er musste die Prüfungshölle überstehen oder würde sterben – unnütz zu erwähnen, dass er ersteres wollte. Schon allein, um dem Herrn Halbbruder zu zeigen, was er drauf hatte. Und selbstverständlich diesem uralten Schwätzer Hayasa und dem Hunderat. Die konnten sich schon mal auf das Wiedersehen mit ihm freuen. Natürlich auch mit Sesshoumaru, denn er nahm schwer an, dass dessen Stimmungslage der seinen entsprach.

Der Daiyoukai setzte sich langsam in Bewegung. Das würde unangenehm werden, kalt. Überdies würde hier noch eine Falle lauern. Hayasa hatte gesagt, die Aufgabe laute hindurch zu gelangen – das würde kaum ein Spaziergang werden.

Aber fast eine Stunde lang geschah nichts. Die Hundebrüder wurden unmerklich angespannter. Je friedlicher alles hier schien, umso sicherer waren sie sich unausgesprochen einig, dass hier eine Falle wartete. Sie erreichten eine weitere kleine Halle, wie sie schon einige durchquert hatten. Säulen aus Eis stützten die Decke. Auch hier drang das Tageslicht soweit ein, dass eine gewisse Dämmerung herrschte. Hayasa achtete anscheinend darauf, dass seine Prüflinge eine Chance hatten. Schön zu wissen.

„He, Sess....“ Inuyasha hauchte es nur.

Aber auch der Hundeyoukai hatte die Witterung wahrgenommen und war herumgefahren.

Beide hatten die Hände an den Schwertern, als sie mit einem seltsam gleichartigen weiten Satz nach rechts sprangen, wo sie Lebewesen hinter einer Eissäule riechen konnten.

Mit einem Aufschrei pressten sich die vier Frauen an das Eis.

„Yuki onna – Schneefrauen!“ sagte der Hanyou erstaunt. Er kannte sie. Sie lebten oft auf hohen Bergen und der Sage nach jagten und fraßen sie Menschen. Nun, das waren keine Wesen, die ihnen gefährlich werden konnten. Aber was machten sie hier in der shiken jigoku?

„Tut uns nichts, edle Herren...“ bat eine.

„Schon gut,“ versprach Inuyasha etwas leichtfertig, da er nicht bedachte, damit seinem Halbbruder vorzugreifen: „Hält euch Hayasa hier etwa gefangen?“

„Nicht Hayasa....das Monster.“

Die Hundebrüder tauschten unwillkürlich einen raschen Blick. Da war also die Falle. „Was für ein Monster?“ erkundigte sich Inuyasha dann.

„Es ist groß und aus Schneekristallen. Seine Außenhaut ist massiv und spiegelt das Licht,“ erwiderte die yuki onna.

Eine weitere ergänzte: „Das Kristallmonster kommt....hört ihr es?“

Tatsächlich waren entfernt Schritte zu hören, eher ein Knirschen auf dem Eis.

„Seht zu, dass ihr hier verschwindet,“ empfahl der Hanyou: „Und ich...wir kümmern uns um dieses Monster. Am besten, ihr bleibt hier an der Wand der Höhle und rennt dann da raus.“

Sesshoumaru hatte Bakusaiga losgelassen. Es wäre geradezu hirnrissig, in einer Höhle Souryuha oder die Windnarbe einzusetzen – also war davon auszugehen, dass Inuyasha genau das vorhatte: „Kein Schwertangriff,“ sagte er nur.

„Hältst du mich denn für komplett bescheuert?“ fauchte der Jüngere zurück: „Mir ist klar, dass wir damit den ganzen Berg einreißen würden. Nicht, dass mir das was ausmachen würde....“ ergänzte er, um sich nicht der Feigheit zeihen zu lassen. Aber die Schneefrauen sollten ja auch entkommen.

Die yuki onna standen auf und flohen zur Außenwand der Höhle, als ein fast drei Meter großes, zweibeiniges Wesen in die Halle trat, schneeweiß und das wenige Licht glitzernd reflektierend.

„Der würde glatt deine Drachenwelle zurückwerfen,“ murmelte Inuyasha. Da musste man sich etwas anderes einfallen lassen. Nun ja, warum nicht direkt? Immerhin hatte der Riese sie jetzt bemerkt und wandte sich den unerwünschten Besuchern zu.
 

Hayasa seufzte in Gedanken. So war das nicht geplant gewesen. Eigentlich sollten die yuki onna die Prüflinge überfallen,. Sie hatten ihre scharfen Zähne nicht zum Salatessen. Erst danach sollte das Kristallmonster einen Kampf beginnen. Aber schon einige Probanten hatten die Schneefrauen beschützen wollen, darunter auch ihr Vater. Hundedämonen waren nun einmal gut darin andere zu verteidigen. Das war schlicht eine Tatsache. Nun gut. Mal sehen, wie sie mit dem Kristallmonster zurande kamen. Immerhin schienen sogar die beiden Hundebengel eingesehen zu haben, dass man in einer Eishöhle nicht mit Youki arbeiten konnte. Das Wesen würde sie allerdings töten, wenn ihnen nichts Gutes einfiel. Eigentlich schade. Die zwei Halbbrüder waren eine amüsante Abwechslung in seinem eintönigen Leben.

„Roba?“

„Hayasa-sama?“

„Sind die Raben zurück?“

„Ja. Im Wald der Todesseile befindet sich eine Schneise. Sie haben sich anscheinend den Weg aus dem Inneren des Waldes freigekämpft.“

„Dachte ich mir. Weiter.“

„Vor dem Tor des Anfangs warten acht Hundeyoukai, vermutlich der Rat.“

„Wenn es diese beiden Hundebengel durch die Eishöhle geschafft haben, werde ich mit denen einmal reden. Wie können sie es wagen, Leute ohne ihre Zustimmung der Prüfungshölle auszusetzen, ja, mich für ihre Machtspielchen zu benutzen?“ In der Stimme des uralten Daiyoukai lag ein Grollen.

Sein Diener ignorierte dies aus Neugier: „Sie sind noch in der Höhle? Die yuki onna haben sie überfallen?“

„Nein, die haben sie schon mal vorausgeschickt, um sie zu schützen. Sie haben es jetzt mit dem Kristallmonster zu tun. Und....“ Hayasa erstarrte, als er in seinen Gedanken mitbekam, was in der Höhle geschah.
 

Inuyasha hatte gehandelt. Das Kristallmonster würde jeden Angriff zurück spiegeln. Überdies hatte Sesshoumaru Recht: in der Höhle sollte man nicht gerade die Windnarbe einsetzen. Es war zwar ärgerlich, wenn der mal Recht hatte, aber Tatsachen hörten nun einmal nicht auf zu bestehen, nur, weil sie einem nicht gefielen, das hatte er doch in den letzten Jahren gelernt.

Aber es gab ja auch noch eine andere Möglichkeit. In den langen Jahren nach Mutters Tod, in denen er allein durch die Lande gezogen war, hatte er sich auch nur mit Klauen gegen all die Youkai und Oni verteidigen können, die in dem kleinen Hanyou ein Essen gesehen hatten. Und diese Erfahrung sagte ihm nun, dass es eine simple Variante gab. Der Boden der Höhle war aus Eis – und das war nun einmal nicht nur kalt sondern von allem glatt. Alles, was er tun musste, wäre, diesen Riesen zu Boden zu bringen.

So hatte er einen gewaltigen Satz auf das Kristallmonster zugemacht und sich hingeworfen, um mit beiden Beinen gegen dessen rechtes Knie zu treten. Der Riese geriet ins Wanken, stürzte jedoch nicht.

Sesshoumaru hatte diese Attacke etwas erstaunt beobachtet, Selbstmordgedanken allerdings ausgeschlossen. Der Bastard war stur und würde nie aufgeben. Überdies hatte er in den Kämpfen gegen Naraku und auch hier in der shiken jigoku gesehen, dass der auch auf gute Ideen kam, zumindest, wenn es um sein Leben ging. Und jetzt begriff der Hundeyoukai, was der Jüngere vorhatte. Das war zwar nicht ganz ehrenhaft, aber mit dem Handicap der Eishöhle um sich und dem Risiko, mit einem Schwertangriff alles einzureißen....Es war eine Möglichkeit, diese Aufgabe zu bestehen.

So sprang er seinem erstaunten Halbbruder zur Seite, packte den rechten Unterschenkel des riesigen Wesens. Mit gewisser Erleichterung fasste Inuyasha mit zu. Zu zweit gelang es ihnen, den Stand auszuhebeln und das Kristallmonster auf den Rücken fallen zu lassen. Noch ehe der durch den Sturz etwas benommene Riese wieder auf konnte, wurde er mit Schwung und aller Kraft, die die Hundebrüder aufbringen konnten, weg geschleudert und rutschte hilflos, sich drehend, über das Eis gegen die nächste Wand.

Und die beiden machten, dass sie den Schneefrauen hinterher kamen.
 

Nur wenige Minuten später fanden sie sich am Ufer eines Meeres wieder. Vor ihnen schwebte das nächste Portal. Von den yuki onna fehlte jede Spur, aber da hinter ihnen ein Brüllen aus der Höhle scholl, beschloss Inuyasha, dass diese wohl durch die leuchtende Tür hatten flüchten können. Hoffentlich würde dieser alte Hayasa den Schneefrauen nichts tun.... Er drehte sich um, Tessaiga bereits in der Hand. Jedenfalls sollte das Kristallmonster sich erst einmal nicht an die Verfolgung machen können.

„Nein!“ Der stumme Aufschrei des Herrn der Prüfungshölle verhallte auch ungehört, als die Windnarbe den Gang unter einer Lawine aus Eis und Schnee verschüttete.

Sesshoumaru hatte unterdessen die neue Tür betrachtet, uninteressiert an dem, was in seinem Rücken geschah. Eine neue Prüfung. Eine neue Aufgabe. Wie viele es wohl noch gab? Gleich. Vater hatte hier bestanden, also würde es ihm auch gelingen. Er spürte, hörte, dass sein Halbbruder neben ihn kam und machte den Schritt durch das Portal, nicht überrascht, dass Inuyasha an seiner Seite blieb.
 

Nach der Kälte der Eiswelt war der Schock umso größer, in einem feucht heißen Urwald zu stehen, ähnlich dem, der sie in der ersten Prüfung erwartet hatte.

„Na, toll.“ Inuyasha sah sich um: „Und der alte Zausel ist auch nicht da, um einem zu erklären, was hier abgeht?“

„Er ist ein sehr alter und mächtiger Daiyoukai.“

„Oh, ja. Und er nervt. Ehrlich, ich will langsam hier wieder raus. Eine Aufgabe nach der anderen....Immerhin. Bislang haben wir alle geschafft.“

„Da du das vermutlich noch nicht in den Hohlraum gebracht hast, der sich unter deinen Ohren befindet: ich bin ein Daiyoukai.“

„Sag mir doch mal was, das ich noch nicht weiß. Ja, du bist ein Daiyoukai und ich bin nur ein Hanyou – aber irgendwie bin ich auch noch immer da, nicht wahr? Der Unterschied kann also nicht ganz so groß sein.“ Inuyasha war wütend. Wieso schaffte es dieser Mistkerl immer so einfach, ihn mit zwei Worten niederzumachen? Warum ließ er sich so leicht provozieren? Bei allen anderen klappte das doch auch nicht mehr? Aber er wusste, warum. Das war sein Familienmitglied, das Einzige,das er noch besaß. Und er sehnte sich nach der Anerkennung durch seinen Bruder, na ja, Halbbruder. So fuhr er fort: „Bei Gelegenheit kannst du mir ja auch mal erzählen, warum du immer so auf mir herumhackst, obwohl ich nicht irgendwer bin. Vater hat mir einen Namen gegeben, mich anerkannt. Ich bin ein anerkanntes Familienmitglied!“

Sesshoumaru überlegte kurz, ob es wirklich notwendig wäre, sich zu rechtfertigen, aber da der Bastard schon wieder mit der Hand an Tessaiga dastand und ein Duell in der shiken jigoku doch unsinnig gewesen wäre, entschloss er sich zu antworten: „Hätte chichi-ue dich nicht anerkannt, wärst du keinen Tag alt geworden.“

Sollte das etwa heißen, wenn Vater ihn nicht anerkannt hätte, hätte der Herr Halbbruder ihn schon als Baby ermordet? „Na, reizend. Ach ja, und so hast du gewartet, bis ich älter bin?“

„Du hast dich nie verteidigen können.....bis zu dem Kampf um Tessaiga.“

Inuyasha zwang sich auf die Zunge zu beißen. Ja, bei diesem Kampf hatte er seinem Bruder den Arm abgeschlagen – aber das war nötig gewesen, um sich und Kagome zu retten. Immerhin hatte der gute Sesshoumaru alles dran gesetzt, sie beide umzubringen. Und es stimmte, der hatte da gesagt: du kämpfst ja immer noch wie ein kleines Kind. Das war allerdings dann das letzte Mal gewesen. Danach hatte er ihn durchaus als echten Gegner betrachtet. „Lag vielleicht auch an der Kleinigkeit, dass du ein bisschen älter bist, als ich? Sollte ich dir etwa dankbar dafür sein, dass du wirklich warten wolltest, bis ich mich verteidigen kann? Danke, dann, für die Schläge und Halberwürgversuche vorher.“

Der Hundeyoukai schwieg dazu lieber. Warum nur reagierte der Hanyou so überaus gefühlsmäßig? Sie hatten sich seit Monaten kein Duell mehr geliefert, nun, seit dem Moment, an dem er im Meidou erkannte, dass Tessaiga in der Tat Inuyasha gehörte. Und er selbst Bakusaiga bekommen hatte. Mit seltsamer Erleichterung sah er einen alten Mann durch den dichten Urwald auch sich zukommen: „Die nächste Prüfung.“

„Hm?“ Irrtiert drehte sich Inuyasha um: „Oh, mal wer anderes....? Was sollen wir machen?“
 

**
 

Die Stimmung sinkt...Das kann noch heiter werden.

Im nächsten Kapitel lernt allerdings der Hunderat Hayasa-sama und dessen Meinung zu Intrigen kennen – und die Halbbrüder sehen sich einer sehr unerwarteten Prüfung gegenüber.

Dialoge und andere Gespräche

Der gesamte Hunderat fuhr herum, als sie das ungeheure Youki spürten, das sich da plötzlich hinter ihnen aufgebaut hatte, alle bereits die Hände an den Schwertgriffen. Überrascht erblickten sie das riesige, schwarze Tier, das noch keiner je gesehen hatte, ein wenig hundeartig und doch katzenähnlich. Aber keiner von ihnen bezweifelte, dass es ein Wesen der eigenen Art war, wenngleich viel mächtiger – und selbst bei beiden jungen Daiyoukai unter ihnen fühlten sich plötzlich wieder wie Welpen. So gaben alle ihre Schwerter frei und verneigten sich leicht, etwas eingeschüchtert. Seit dem Tod ihrer Väter und auch des alten Taishou waren sie so jemandem noch nicht mehr begegnet – nun, eigentlich nie.

Inabikari übernahm die Begrüßung, in der Gewissheit, einem viel älteren Daiyoukai gegenüberzustehen, der Respekt erheischte: „Ich darf Euch begrüßen, Ehrwürdiger. Mein Name ist Inabikari. Was führt Euch her?“

Der Angesprochene entblößte sein prachtvolles Gebiss: „Mein Name ist Hayasa. Ihr seid also der Rat der Inuyoukai und habt diese beiden Halbbrüder in meine shiken jigoku entführt.“

„So sind sie tot?“ erkundigte sich Kyuu prompt.

„Nein. Bislang haben sie alle Prüfungen bestanden, auch, wenn die tödlichste noch vor ihnen liegt.“ In der Stimme des uralten Daiyoukai lag etwas wie Donnergrollen: „Freue dich nicht zu früh, Mädchen!“

So war Kyuu auch schon lange nicht mehr tituliert worden. Sie bemerkte durchaus den erheiterten Blick der anderen Ratsmitglieder, allerdings sagte niemand etwas dazu. Sie war stark und aufbrausend.

Hayasa fuhr fort: „Wie könnt ihr es wagen, mich und die Prüfungen in eure lächerlichen Machtspielchen hineinzuziehen! Das Erste, was ich tun werde, wenn die shiken jigoku sich wieder schließt, ist, sie umzubauen. Nie wieder soll jemand gegen seinen Willen auf den Pfad der Prüfungshölle geschickt werden können. Das widerspricht vollkommen ihrem Wesen.“

„Das liegt in Eurem Ermessen, Hayasa-sama,“ antwortete Inabikari höflich: „Nur, erlaubt mir die Feststellung, dass es sich nicht um unser Vergnügen handelte, sondern um die Notwendigkeit, den Hundeyoukai und allen, die sich ihnen angeschlossen haben, einen neuen Taishou zu suchen. Da diese beiden nun einmal die Söhne des verstorbenen Herrn aller Hunde sind und damit die Bluterben, suchten wir nach einer Möglichkeit, sie dazu zu bringen, sich für den Posten ihres Vaters zu qualifizieren. Bislang zeigte niemand von ihnen Interesse an der Macht.“

„Weil ihr Machtbewusstsein ein ganz anderes ist als das eure. Oder sollte man sagen, Kampfbereitschaft?“ Hayasa war durch die Höflichkeit etwas beruhigter, auch, wenn er solche Intrigenspielchen schon seit Jahrzehntausenden hasste.

„Oh, ich bitte Euch, unterstellt mir das nicht. Wenn Sesshoumaru zurückkehrt, wird er mich zu einem Duell mit ihm bereit finden. Es lag nie in meiner Absicht mich zu drücken.“ Inabikari klang - und war - indigniert, dass ihm von einem derartig mächtigen Wesen Feigheit unterstellt wurde.

„Das glaube ich dir sogar, Junge.“ Aber der Blick des uralten Daiyoukai galt Kyuu.

Daher beteuerte diese eilig: „Und ich werde mich dem Bastard stellen, da Ratsmitglied Inabikari bereits seinen Vorrang bei Sesshoumaru angekündigt hat.“

Viel Spaß, dachte Hayasa, der sich seines zerstörten Labyrinthes, des Eistores und des verschütteten Kristallmonsters entsann. Aber noch war nicht gesagt, dass die beiden Hundebengel die nächsten Prüfungen überleben würden.

„Ihr erwähntet, Ehrwürdiger,“ meinte Nacissos mit einer gewissen höflichen Verneigung: „Dass die tödlichste Prüfung noch vor ihnen liegt. Darf ich fragen, wie hoch da die Sterblichkeitsrate ist?“

„Drei von fünf Prüflingen sterben,“ erklärte Hayasa prompt: „Aber ich werde keine Auskunft darüber geben, um was es sich handelt.“

„Selbstverständlich,“ erwiderte Inabikari: „Aber bislang hat auch der Hanyou alles gemeistert? Ich dachte, diese Prüfungen sind auf Daiyoukai ausgelegt, damit sie sich verbessern können.“

„In der Tat. Und falls du denkst, er hätte Hilfe gehabt – nein. Es sind auch Prüfungen dabei, die nur einzeln zu bestehen sind. In manche schickte ich sie zu zweit, ja. Aber täusche dich nicht in Inuyasha.“ Erneut sah Hayasa zu Kyuu.

Diese biss sich etwas auf die Lippen, da sie das durchaus als Kritik empfand: „Ich werde mich ihm stellen,“ wiederholte sie. War das peinlich, von einem so alten, mächtigen Wesen Dummheit oder Feigheit unterstellt zu bekommen. Immerhin ritt er nicht darauf herum, dass sie bloß eine Frau sei – was leider seine Aussage nur sachlicher und unparteiischer und damit unangenehmer werden ließ.

„Ich werde das Tor des Anfanges schon einmal versiegeln.“ Er machte einige Schritte darauf zu: „Shiken jigoku ist kein Spielzeug für bedenkenlose Kleinkinder.“

Nacissos nahm seinen Mut zusammen um seine unziemliche Neugier zu stillen: „Darf ich Euch noch eine Frage stellen, Ehrwürdiger? - Ein Wesen wie das Eure habe ich nie zuvor gesehen. Ihr seid kein Hundeyoukai und uns in unserer wahren Gestalt doch ähnlich.“

Hayasa blieb stehen und wandte seinen riesigen Kopf: „Nein, ich bin kein Hundeyoukai. Wesen wie mich gab es schon lange, ehe es Hundeyoukai gab. - Ihr habt alle noch nie jemanden wie mich gesehen?“ Oh oh, dachte der alte Daiyoukai. Entweder der Hunderat war noch unerfahrener als er gedacht hatte, oder aber...nein, das war unmöglich. Sie waren unter den mächtigsten Beutejägern gewesen, mächtig auch in ihrer Magie. Wie konnten sie verschwinden? Vielleicht sollte er die beiden Hundebengel dazu befragen. Die schienen ja für ihr Alter schon weit herumgekommen zu sein. Leider vergaß der uralte Dämon, dass er selbst schon sehr lange verstorben war – und dass es seit seinen Lebzeiten durchaus zu Veränderungen hatte kommen können. Sein Irrtum war verständlich. Keiner seiner Diener wagte es in der Regel, ihn auf seinen Tod aufmerksam zu machen. Und da er mit der Prüfungshölle in der Magie verbunden war, fühlte er sich noch recht lebendig.
 

Die Halbbrüder erwarteten den alten Mann in rotem haori und hakama, der durch den Urwald auf sie zukam, ohne ihre Gereiztheit zu zeigen. Es würde nichts helfen, den Prüfer zu töten. Nur, wenn sie alle Aufgaben der shiken jigoku bestanden hatten, entkamen sie ihr wieder. Das war der Fluch einer solchen Magie.

„Guten Tag,“ meinte dieser: „Ich bin euer Prüfer, von Hayasa-sama geschaffen. Kommt und begleitet mich.“

Wortlos schlossen sich die Hundebrüder ihm an. Er war unbewaffnet und schien recht alt zu sein, aber er war bestimmt ebenso eine Illusion wie die Krieger vor dem Eistor. Also konnte man ihn überhaupt nicht umbringen.

Er führte sie durch den Urwald, einen steileren Hügel empor. Der Bewuchs wurde immer lichter und sie konnten bald das Geräusch eines Wasserfalles hören. Nach einer halben Stunde hatten sie diesen erreicht. Der Fluss stürzte sich aus einer großen Höhle in die Tiefe. Anscheinend bewässerte er den Dschungel, der nun ein Stück unter ihnen lag. Am Rande des Wasserfalles befand sich eine Hütte.

Der Prüfer blieb stehen: „Ich werde euch eure Aufgabe einzeln stellen, denn dies ist mir so vorgegeben. Wer von euch möchte anfangen?“

„Ich,“ erklärte Inuyasha sofort. Hoffentlich war das alles hier bald vorbei. So langsam aber sicher verspürte er wirklichen Hunger. Und Kagome hatte doch kochen wollen, als er entführt worden war. Sie konnte ja aus ihrer Zeit nichts mehr holen – und das bedauerte er vor allem bei den Keksen mit den kleinen Hunden darauf – aber die alte Kaede hatte ihr schon einiges beigebracht und es schmeckte ihm. Jedenfalls besser, als es ihre ersten Versuche getan hatten, vor..fünf Jahren musste es schon gewesen sei, als sie beim Würzen nicht an seine Hundesinne gedacht hatte. Sein Protest hatte ihm einige Sitz-Befehle eingetragen. Zum Glück war sie auch erwachsener geworden. Und ruhiger. Sein Rücken dankte es ihm, auch, wenn er ihre Kette noch immer trug. Sie hatte ihn so darum gebeten...Und er vermisste sie jetzt schon wieder sehr.

Da kein Einwand des Älteren kam, nickte der Prüfer nur: „Dann folge mir in die Hütte. - Du wartest hier, bis ich dich hole.“

In den Augen des Daiyoukai blitzte ein unheilvoller Schimmer auf, aber ihm war nur zu klar, dass er keine Wahl hatte. Dieser Hunderat würde schon noch sehen, was er, Sesshoumaru, von dieser Entführung und dem kleinen Ausflug in die Prüfungshölle hielt.
 

Inuyasha setzte sich in der einfachen, leeren Hütte dem alten Mann gegenüber, Tessaiga neben sich legend. Was sollte das denn nun schon wieder werden? Immerhin schien es nicht auf einen Kampf hinauszulaufen.

Der Andere schien seine Gedanken gelesen zu haben: „Ein wirklich mächtiger Youkai muss auch andere Dinge als kämpfen beherrschen. Es geht auch um Politik, das Verständnis für andere und einen gewissen Grad an Weisheit.“

Und was hatte er damit zu tun? Ging es schon wieder um diesen dämlichen Posten des Taishou? Aber das half hier wohl wenig weiter, zu sagen: ich mag gar nicht. Die Prüfungshölle trug ihren Namen zu Recht. Dauernd solche nervigen Sachen. „Und was jetzt?“

„Mein Name ist Kagumi. - An was denkst du gerade?“ Der alte Mann erwartete Antworten wie: „ich will mich konzentrieren, um die shiken jigoku zu überstehen, jetzt deine Fragen zu beantworten“. Nichts in seiner bisherigen Existenz hatte ihn auf die schlichte Antwort vorbereitet, die der Hanyou ehrlich gab:

„Ich habe Hunger.“

„Äh...Nun gut. Nach der Prüfung hast du keinen mehr, das verspreche ich dir.“ Dann wäre er tot, wenn er sich nicht zusammennehmen würde. Was war das denn für ein Prüfling? Das klang ja eher nach Kleinkind und...nun ja Der war wirklich noch sehr jung. Fast noch ein Welpe. Und Hayasa-sama hatte doch erwähnt, dass er nicht einmal freiwillig hier sei.

„Oh, klingt gut. Dann leg mal los.“

Das klang vor allem so, als ob der Junge im Ernst erwartete, er würde anschließend für ihn kochen. Kagumi seufzte in Gedanken, ehe er sagte: „Nun gut. Stelle dir vor, du wärst der Herr der Hunde, verantwortlich für das Wohlergehen aller Inuyoukai und derer, die sich ihnen unterworfen haben. Was würdest du tun, wenn eine schwierige Lage auftaucht? Wie zum Beispiel, ein anderes Youkaivolk euch den Krieg erklären will, weil du deren Anführer beleidigt hast? Du trägst die Schuld am Krieg, aber auch die Verantwortung für alle, die dir folgen.“

Ja, was würde er dann tun? Ohne weiter nachzudenken, antwortete Inuyasha: „Sesshoumaru fragen.“

Irritiert meinte Kagumi: „Was? - Oh, deinen älteren Bruder? Nein, das geht nicht. Du kannst ja nur der Taishou sein, wenn er tot ist.“

Seltsamerweise spürte Inuyasha ein eigenartiges Gefühl bei dieser Vorstellung: „Also kann ich ihn nicht fragen?“ wiederholte er.

Das war ja wirklich kein ausgewachsener Daiyoukai. Nein, ein Hanyou sollte das ja sogar sein: „Nein. Also, was würdest du tun?“

„Kagome fragen.“

„Wen?“

„Meine Frau.“

Kagumi holte tief Luft. In der Hoffnung, Hayasa-sama würde ihn verstehen, meinte er: „Du würdest also IMMMER um Rat fragen? Ja? Wunderbar. Ein weiser Entschluss, wenn man so jung und unausgebildet ist. Bestanden. - Gehe dort zur hinteren Tür hinaus und warte neben dem Wasserfall auf Hayasa-sama. Er wird dir die nächste Prüfung erklären.“

„Und mein Essen?“

„Das kommt sicher gleich.“ Kagumi nahm an, dass der Herr der Prüfungshölle ihnen zugehört hatte. Sie hatten nie zuvor einen hungrigen Prüfling gehabt, aber das sollte nicht das Problem sein. Der Herr war mächtig in seiner Magie und würde sicher etwas durch Roba organisieren lassen können, das ein Hanyou aß. „Geh nun.“ Er selbst stand auf, ehe er den zweiten der Hundebrüder hereinholte, und wieder Platz nahm.

Sesshoumaru blieb stehen: „Was willst du?“

„Mein Name ist Kagumi. Setze dich und beantworte meine Frage.“

Mit gewissem inneren Seufzen ließ sich der Inuyoukai nieder: „Nun?“ So schnell wie möglich wollte er diese lästige shiken jigoku hinter sich bringen.

„Um ein wahrlich mächtiger Youkai zu sein, genügt es nicht, kämpfen zu können. Man muss auch denken können, soziale Intelligenz zeigen.“

Und diese Prüfung hatte Inuyasha so schnell bestanden? Dann konnte es nicht so schwer sein.

„Stelle dir vor, du bist der Taishou und es kommt zu einer schwierigen politischen Situation. Zum Beispiel, der Hunderat wendet sich gegen dich.“

„Schon geschehen,“ knurrte Sesshoumaru, der sich daran erinnert fühlte, dass er noch einen Massenmord plante.

„Äh, deine Untergebenen greifen dich an...du wirst jeden Tag überfallen.....“

„Schon geschehen.“

„Deine Familie will dich töten?“ schlug Kagumi etwas verzweifelt vor.

„Meine Mutter hat mich schon in die Unterwelt geschickt. Inuyasha wollte mich töten.“

Was waren das denn für Typen? Aber der Prüfer hielt sich an den rettenden Strohhalm: „Äh, der Hanyou? Dein Halbbruder?“

„Ja.“

Kagumi atmete aus: „Dann hast du bestanden. Du kannst dich sogar mit deinen Todfeinden wieder versöhnen. Ein weiser Mann. Du darfst gehen.“

Etwas irritiert stand der Hundedämon auf. Egal, was der alte Zausel dachte, Hauptsache, er hatte die nächste Prüfung bestanden. Das war alles, was zählte.

Als er jedoch aus der hinteren Tür trat, war er für einen Augenblick wirklich fassungslos, ehe Zorn in ihm aufstieg. Das galt weniger dem Herrn der Prüfungshölle, der in seiner Menschenform neben dem Wasserfall stand, sondern seinem Halbbruder, der dort saß und mit Begeisterung eine Portion Ramen in sich hineinstopfte. Was war das denn für ein Benehmen! Der Bastard war in der Tat eine Schande für die Familie. Kein Stolz, kein Anstand! In Gegenwart eines so uralten und mächtigen Lebewesens zu essen, noch dazu Menschennahrung!

Inuyasha sah auf: „Magst du auch was?“

Das verdiente keine Antwort, dachte der Daiyoukai und wandte sich an Hayasa: „Nun?“ Immerhin hatte der Bastard irgendwie auf ihn, Sesshoumaru, Rücksicht nehmen wollen, sogar seine Mahlzeit mit ihm teilen wollen. So unsinnig das auch war – es zeugte doch von einem gewissen Respekt gegenüber ihm als Älterem.

Der Leiter der Prüfungen hatte den aufwallenden Zorn durchaus bemerkt: „Inuyasha ist halb ein Mensch und unterliegt damit gewissen menschlichen Bedürfnissen,“ erklärte er friedlich: „Ich muss zugeben, noch nie einen Hanyou durch die shiken jigoku begleitet zu haben, darum dachte ich nicht an seine Nahrung. Aber es wäre ungerecht, ihn weiter zu schicken, ohne dass er seine notwendigen Energiereserven auffüllen konnte. Vor euch liegen die tödlichsten Prüfungen. - Wenn ihr hier am Wasserfall emporsteigt, gelangt ihr in die Höhle des Flusses. Ein schmaler Weg führt an seinem Ufer entlang, bis in die Mitte des Berges. Dort ist eine riesige Höhle.“

„Ach nein,“ stöhnte Inuyasha: „Nicht schon wieder eine Höhle!“

„Das ist Absicht, junger Freund. Dort können die Prüflinge keine Youkiattacken einsetzen, das erschwert es. Im Übrigen: lerne erst zuzuhören, ehe du Kommentare abgibst.“

Blabla, dachte der Hanyou, kümmerte sich aber lieber um sein Essen. Der Herr Halbbruder erweckte erfolgreich den Eindruck, ihn killen zu wollen. Immerhin. An der Tatsache, dass er es noch nicht versucht hatte, war doch eine deutliche Verbesserung ihres brüderlichen Verhältnisses abzulesen.

Der Herr der Prüfungshölle fuhr fort: „Dort verlasst ihr den Fluss und werdet auf den bodenlosen Abgrund treffen. Dieser trägt seinen Namen nicht zu Unrecht. Wer dort hinunterstürzt, ist rettungslos verloren. Fliegen ist in dieser Höhle nicht möglich. - Über den Abgrund führt jedoch die Brücke der Selbsterkenntnis. Jeder von euch muss sie einzeln betreten. Versagt ihr bei ihren Fragen, so verschwindet sie und ihr fallt hinab. Drei von fünf Prüflingen sind bislang an dieser Aufgabe gescheitert. Stärke hilft nichts, nur Wahrheit. Aber zunächst einmal müsst ihr bis dorthin gelangen. Und versucht dabei nicht mehr als notwendig zu beschädigen!“ fügte er aus mittlerweile gewonnener Erfahrung hinzu.

„Klingt ja aufbauend.“ Inuyasha sah auf: „Also gibt es in dieser Flusshöhle noch ein bisschen andere Unterhaltung?“

Hayasa schwieg dazu. Dieser Welpe war eindeutig unerzogen und so warf er nur dem älteren Bruder einen vorwurfsvollen Blick zu.

Ich bringe Myouga um, dachte der erneut: was hatte der gleich noch einmal dem Bastard beibringen sollen? Und was hatte der alles nicht getan? Und warum hatte diese dämliche Izayoi ihren Nachwuchs nicht besser ausgebildet?

Soweit er sich entsann, war sie doch eine Prinzessin gewesen, da konnte man doch etwas Benehmen erwarten. Und was sollte dieser Vorwurf des alten Daiyoukai? Konnte er, Sesshoumaru, denn etwas dafür? Oder dachte Hayasa etwa, dass er sich wenigstens in Zukunft um die Erziehung kümmern würde? Da konnte der lange warten. Diese Mühsal sollten nur Myouga und Kagome übernehmen. Ja, Kagome....hm. Leider war sie auch nur ein Mensch und würde kaum die passende Dämonenetikette beherrschen. Aber Myouga, ja. Der sollte das können. Und mochte ihm sonst wer gnädig sein, wenn er nach ihrer kleinen Unterhaltung das wieder nicht schaffte.

„Gehen wir,“ sagte er nur, ein wenig zufrieden, dass der Hanyou tatsächlich unverzüglich die Schüssel beiseite stellte und und aufstand. Zugleich konnte er den Gedanken nicht unterdrücken, mit was er hier schon zufrieden war.
 

Hayasa blickte den Halbbrüdern etwas nach, als sie den schmalen Pfad entlang des Wasserfalls hintereinander empor eilten, mit weiten scheinbar mühelosen Sprüngen, dann wandte er sich um: „Kagumi.“

„Herr?“ Der Prüfer kam aus seiner Hütte.

„Du hast es ihnen leicht gemacht.“

„Nicht wirklich, Herr. Nicht leichter oder schwerer als anderen. Sie sind nur ungewöhnlich.“

„Das Gefühl hatte ich auch. Nur – weise?“

„Die eigenen Grenzen zu erkennen ist weise, Hayasa-sama. Und spätestens bei der Brücke der Erkenntnis werden wir sehen, wie weit dies ihnen auch sonst gelingt. Der Hanyou erschien mir jedenfalls deutlich verständiger als der Ältere.“

„Inuyasha? Der Welpe?“ Der uralte Daiyoukai bemühte sich nicht, seine Überraschung zu verbergen.

Kagumi suchte seine Entscheidung zu rechtfertigen: „Er würde immer seinen großen Bruder oder seine Frau fragen. Für einen Noch-fast-Welpen ohne genügende Ausbildung eine äußerst kluge Entscheidung.“

„Da magst du Recht haben. Und was fandest du an Sesshoumaru so weise?“

„Die Halbbrüder haben schon auf Leben und Tod gekämpft, sagtet Ihr. Und doch vertragen sie sich hier. Es ist Recht, auch vom Feind zu lernen, Vergangenes ruhen zu lassen. Und für einen Herrscher durchaus sinnvoll. Man sollte sich nicht durch Gefühle und Erinnerungen der Vergangenheit beirren lassen.“

„Du wurdest geschaffen, diese Prüfung zu stellen. Darum will ich dir auch nicht dareinreden, Kagumi. Nur hat es mich überrascht, wie schnell du die beiden weiterschicktest.“

„Sie sind eben ungewöhnlich.“

„Ja. Und wir werden sehen, mit was sie in der Höhle des Flusses ohne ihre Schwerter und deren Youkiattacken gegen meine kleine Überraschung bestehen. Und natürlich, wie sie sich auf der Brücke anstellen. Ich muss zugeben, ich fände es schade, wenn sie hinunterstürzen sollten. Irgendwie erheitern sie mich. Jedenfalls mehr als dieser Hunderat. Wobei – Inabikari scheint so zu sein, wie ich es mir von einem Daiyoukai erhoffe. Kyuu ist mehr auf Macht im Sinne von Herrschaft aus. Aber sie wirkt auch vorsichtig, ja, verbittert. Eines mag das andere bedingen. - Nun, mal abwarten, was in der Flusshöhle und an der Brücke geschieht. Überstehen die Hundebengel dies, haben sie es fast geschafft. Nur noch durch die Wüste der Toten ...“

„Auch dort starb schon mancher.“

„Ich weiß. Und auch mancher durch die Blumen an ihrem Rand. Verkaufen wir das Fell der Hundejungen nicht, ehe sie tot sind. Sie waren schon für einige Überraschungen gut.“
 

´**
 

Soziale Intelligenz? Brücke der Erkenntnis? Hayasa scheint in der shiken jigoku nicht unbedingt das testen zu wollen, was der Hunderat und die beiden Prüflinge so erwartet haben.

Gut oder schlecht für einen Hanyou?

Höhlen und kleine Überraschungen

Whoever said: play it save,

never played the game

It´s a deadly game.
 

Survivor Series WWF 1998 Theme Song: Deadly Game
 

Die Halbbrüder folgten dem schmalen Pfad am Rande des kleinen Fluss immer weiter in die Tiefen des Gebirges. Beide fühlten sich nicht sonderlich wohl unter der Erde, aber keiner verlor ein Wort darüber. Sie wollten shiken jigoku überleben, also mussten sie alle dämlichen Aufgaben erfüllen, die ihnen Hayasa aufhalste. Danach...nun, beide verschwendeten keine Gedanken mehr an das Danach. Der Hunderat würde jedenfalls bitter bereuen, sich je mit ihnen eingelassen zu haben.
 

Der Weg wurde immer enger und der vorangehende Sesshoumaru stellte zu seinem gewissen Bedauern fest, dass der Herr der Prüfungshölle Recht gehabt hatte. Hier konnte er nicht fliegen. Wenn er abrutschen sollte, wäre das ein ziemlich würdeloser Sturz in den reißenden Fluss – und vermutlich sein sicherer Tod. Der einzige Vorteil war, dass Hayasa so nett gewesen war, für etwas Beleuchtung zu sorgen. Die Felsen um sie glitzerten ein wenig – genug für Youkaiaugen. Er hörte kaum, dass der Hanyou hinter ihm war. Inuyasha vermochte tatsächlich ebenso lautlos zu gehen wie er selbst. Überraschend. Oder war es eigentlich noch erstaunlicher, dass ihn das Halbblut noch immer überraschen konnte?

Im matten Schein des Gesteins erkannte er, dass die Höhle vor ihnen scheinbar endete. Das Wasser des Flusses wurde durch einen Spalt gepresst und schoss ihm entgegen. Nur – wo führte der Pfad weiter? Erst nach einigen Schritten entdeckte er die Steinstufen, die steil und schmal direkt in die Höhe führten, ehe sich ein zweiter Spalt zeigte. Ohne ein Wort zu verlieren sprang er dort hinauf. Bedauerlicherweise musste er sich durch die Enge dort förmlich quetschen, sich drehend, um seinen Schulterschutz hindurch zu bringen. Das sah hoffentlich nicht so würdelos aus, wie es sich anfühlte. Immerhin sagte Inuyasha nichts.

Dieser hütete sich. Er kam zwar etwas leichter durch, trug er doch keine Rüstung, musste sich aber ebenfalls eng am Gestein entlang quetschen, eine Tatsache, die er unter den Augen des Ich-bin-Mr. Perfect nur vertrug, weil der zuvor das durchgemacht hatte. Und wer wusste, was hier noch an netten Überraschungen in der Höhle wartete. Dieser Opa Hayasa hatte da so etwas angedeutet – und danach wartete angeblich die tödlichste Falle von allen auf sie. Mal sehen, was das schon wieder Nervendes sein sollte.

Wieso blieb Sesshoumaru jetzt stehen?

Vorsichtig trat er hinter diesen und versuchte nachzusehen.

Sie befanden sich nun in einer weiten Höhle. Im Schimmer des Gesteins war der enge Pfad vor ihnen zu entdecken, der in halber Höhe des Steilhanges geradeaus führte. Der Grund der riesigen Halle füllte ein grüner, kalt wirkender See aus, den der von den Felsen gestaute Fluss hier bildete. Es sah hübsch aus, dachte der Hanyou, und hätte Kagome sicher gefallen. Nur, warum war der Herr Halbbruder hier stehen geblieben? Angst weiterzugehen konnte er ihm kaum unterstellen.

„Was ist?“ Er flüsterte es unwillkürlich.

Der Daiyoukai hätte um ein Haar etwas von „dämlicher Hanyou“ gesagt, ehe ihm klar wurde, dass Inuyasha kleiner als er war – und hinter ihm stand: „Wittere selbst.“

Keh. Bevor der ihm etwas erklärte....nun, er gab ja zu, dass sein älterer Halbbruder auf diesem Trip durch die Prüfungshölle ihm schon einiges erklärt hatte. Oder noch besser, hatte erklären müssen, da Myouga in seiner eigenen Ausbildung wohl mehr als große Lücken hinterlassen hatte – das würde der Flohopa noch zu hören bekommen. Aber er folgte dem Hinweis. Ja. Etwas war da. Irgendwo vor ihnen, aber er konnte es nicht einordnen. Jedenfalls roch es anders als nach Wasser und Felsen – aber der Geruch des flüssigen Elements dominierte und verwischte die Witterung. Aber Inuyasha nahm keine Sekunde an, dass das, was immer in dieser Höhle auf sie wartete, harmlos war. Zumal, wenn man berücksichtigte, dass er unter der Erde ebenso wenig die Windnarbe einsetzen konnte wie Sesshoumaru seine Drachenwelle. Am liebsten würde er Hayasa die Ohren langziehen, aber der konnte ja nichts dafür. Seine Aufgabe war es, shiken jigoku zu bewachen und die Aufgaben mitzuteilen. Mehr nicht. Und in aller Regel stellten sich die Verrückten ja freiwillig der Hölle. Nur sie hatten eben das Pech gehabt, dass der Hunderat es witzig gefunden hatte, sie zu entführen. Er wollte schon sagen: Geh weiter, aber natürlich tat das der Herr Halbbruder bereits. Nein, feige war der nicht.
 

Sie gingen beide langsamer hintereinander voran, bemüht, weder in den See zu stürzen noch die Falle zu übersehen, die hier sicher auf sie wartete.

Aber lange geschah nichts. Erst, als sie die Hälfte des Weges durch die Seehalle zurückgelegt hatten und deren Ende vor sich entdecken konnten, schoss aus den Tiefen des Sees ein Alptraum.

Beide Hundebrüder erstarrten. Sie hatten keinen Blick für die wie Smaragde glitzernden Augen oder die golden glänzende Haut des geflügelten vierfüßigen Drachen, sondern nur für dessen großes Maul mit den spitzen Zähnen, das mit hoher Geschwindigkeit auf sie zuraste.

Ohne weiter nachzudenken, schubste Inuyasha seinen Halbbruder voran: „Hau ab! Ich werde mit diesem Salamander schon fertig,“ zischte er noch, ehe er emporsprang: „Sankontessou!“

Sesshoumaru war nicht willens, sich das gefallen zu lassen. Auch er schlug mit einem Klauenangriff zu, wohlweislich zunächst gegen den Drachen, so gern er auch diesem vorlauten Halbblut demonstriert hätte, was er von solcher Behandlung hielt.

Leider verfehlten ihre Attacken die beabsichtigte Wirkung. Zwar zeigten sich auf der Haut des Drachen leichte Kratzer, aber das war schon alles. Und seine Zähne verpassten sie nur um Haaresbreite, als sie gerade noch rechtzeitig auseinander sprangen. Es gab ein hart klingendes Geräusch, als die Zähne keine dreißig Zentimeter rechts und links neben ihnen aufeinander prallten. Der Drache zog unverzüglich seinen Kopf zurück, und schlug heftig mit den Flügeln durch die Luft – eindeutig mit dem Ziel, sie von dem schmalen Weg in den See zu fegen. Da wären sie komplett hilflos.

„Verdammt, weg hier, sagte ich!“ zischte Inuyasha, empört darüber, dass Sesshoumaru noch immer praktisch an seiner Seite war, wenn auch beide sich nun bemühten, den Pfad entlangzulaufen und dennoch möglichst sicheren Stand zu behalten. Die Windwirbel, die die riesige Echse verursachte, waren nicht von schlechten Eltern – zumal hier Fliegen unmöglich war. So half nur voran zu springen, sich dann einen möglichst festen Stand auf dem Weg suchen und einen neuen Klauenangriff losjagen – und das nebeneinander und gemeinsam.

„Ich fliehe nicht,“ konstatierte Sesshoumaru in einer Atempause und doch weiterlaufend.

„Denkst du ich, Blödmann? Wir müssen hier durch. Willst du dich gern noch mit dem Drachen unterhalten?“

Der Hundeyoukai sparte sich die Antwort, als er aus den Augenwinkeln erkannte, dass das Seeungeheuer zu Plan B griff und den Kopf zurückzog, das Maul geöffnet. Das wurde ein Feuerangriff, da war er sicher, und er fuhr weiter herum, die Rechte erhoben, zwei Finger nur ausgestreckt. Inuyasha hätte ihn um ein Haar über den Haufen gesprungen und schaffte es gerade noch zu stoppen, ehe er ihnen beiden ein feuchtes Bad und damit das Ende bescherte, als er auch schon die dünne Leine aus dämonischer Energie erkannte, die aus der Hand seines Halbbruders schoss und sich um die Schnauze des Drachen legte. Mit einem Ruck brachte Sesshoumaru diese aus der Bahn, so dass die Hauptwucht des Feuerangriffs den Weg vor ihnen traf.

Das, was sie abbekamen, genügte, sie anzusengen, aber beide waren in der Lage Schmerzen zu ertragen und sich rasch zu regenerieren. So verloren sie keinen weiteren Gedanken daran und machten, dass sie weiterkamen, und über die entstandene Lücke im Pfad sprangen, ehe sie weiter liefen.

Inuyasha drehte sich noch einmal um und legte einen Klauenangriff nach, um den Drachen daran zu hindern, eine weitere Feuerattacke in ihren Rücken loszulassen. Der zuckte bei dem Treffer in sein Auge auch prompt zurück, ehe er erneut tief Atem holte.
 

Mit gewisser unausgesprochener Erleichterung passierten die Hundebrüder eine weitere Spalte und hatten die Seehöhle verlassen. Nur das Brüllen der Echse folgte ihnen in die schmalere Grotte, in der erneut der Fluss ruhig dahinzog.

Sesshoumaru blieb stehen und drehte sich um. Seine Fellboa und sein Haar war etwas angesengt, aber das störte ihn momentan weniger. Seine Bemerkung gegenüber dem Halbblut wäre kaum freundlich geworden, aber Inuyasha kam ihm zuvor.

Ein wenig außer Atem und ebenfalls deutlich angebrannt, knurrte der: „Ich sagte, du sollst abhauen und dass ich mit der Echse allein fertig werde! Kannst du mir denn nicht EINMAL vertrauen?“

Der hatte ihn schon wieder beschützen wollen? Wie bei dem Käfer? Für was hielt ihn dieser jämmerliche Bastard eigentlich? Und gar sich? Aber dann wurde ihm bewusst, dass der Hanyou jeden seiner Begleiter beschützen wollte – gleich, ob Mensch oder Youkai oder gar ihn. Ohne Grund hatte er ihm schließlich nicht Rin anvertraut.

Und er erkannte plötzlich unter dem Zorn etwas, das er nie zuvor so gesehen hatte – die Sehnsucht nach Anerkennung. Ebenso, wie er das sich so sehr von seinem Vater erhofft hatte. Aus jähem, ungewohnten Verständnis sparte er sich seinen eigenen Kommentar und meinte nur sachlich: „Das tue ich schon seit geraumer Zeit.“ Er wandte sich um.

Inuyasha war so verblüfft, dass er eine volle Minute brauchte, um hinterher zu gehen.
 

Hayasa schüttelte ein wenig den Kopf, schwieg jedoch.

Sein Diener hatte es gesehen: „Die Höhle, ich meine der Drache.....?“

„Die Höhle existiert ebenso noch wie der Drache. Ich hätte nie geglaubt, dass ich das einmal für erwähnenswert halten würde.“

Roba äußerte seine Meinung dazu lieber nicht. Diese hätte nur darin bestanden, die beiden Hundebengel mal übers Knie zu legen oder so etwas in der Art. Aber der Herr schien sich über sie zu amüsieren, ja, sie zu schätzen, und so wäre es töricht gewesen eine derartige Aussage zu treffen: „Darf ich Euch etwas fragen, Hayasa-sama? Sie müssten ja bald die Brücke der Erkenntnis erreichen. Soweit ich weiß, ist das die tödlichste Prüfung von allen, obwohl sie doch nur aus Fragen besteht.“

Der riesige Youkai schien eine nicht vorhandene Augenbraue hochzuziehen: „Nur aus Fragen? Lieber Roba. Wer diese Fragen falsch beantwortet, stürzt in den Abgrund. Und in diesem Höhlensystem kann auch ein noch so starker Youkai nicht fliegen. Wobei, die erste Frage haben alle bestanden, die Frage, ob sie bereits getötet haben. Das hat noch jeder, der herkam.“

„Sonst wären sie kaum Daiyoukai.“

Hayasa ignorierte den unpassenden Einwurf: „Aber die nächste Frage hat schon einen anderen Hintergrund. Warum töteten sie? Mordlust? Waren ihm die Opfer gleich, war es ein faires Duell, wollte er gar jemanden beschützen? Ein guter Krieger ist nicht nur tapfer oder mutig, er verfügt auch über ein gewisses Mitgefühl, Ehre und Aufrichtigkeit. Und Treue zu sich, seinem Herrn oder auch seinen Eltern. Das ist im Endeffekt das, was shiken jigoku überprüft.“

„An welcher Frage scheitern die meisten?“

„An Zweien. Die Frage: wen beschützt du, wird in der Regel negativ beantwortet und führt zur Eliminierung. Die Frage: hast du schon einmal einen Fehler begangen – das ist dann die mit der höchsten Todesrate. Und ich fürchte, da werden unsere beiden arroganten Hundejungen das gleiche Schicksal erleiden.“

„Bislang haben sie nie das getan, was Ihr von ihnen erwartetet.“

„Da hast du allerdings Recht.“ Der Herr der Prüfungshölle ließ seinen mächtigen Kopf auf seine Vorderpfoten sinken, als er sich wieder auf seine Kandidaten konzentrierte.
 

Kyuu wäre am liebsten auf und abgegangen, aber sie zügelte ihr Temperament. Das fehlte noch, dass sie Inabikari eine Steilvorlage für eine spöttische Bemerkung lieferte. Warum nur dauerte das so lange? Wie schwer und lang war shiken jigoku? War der Hanyou endlich draufgegangen und kämpfte sich nur noch Sesshoumaru durch? Dieser uralte Daiyoukai hatte ja erwähnt, dass beide noch lebten. Und sie gab zu, dass sie das einem Halbmenschen nicht zugetraut hatte. Natürlich besaß er das legendäre Tessaiga, das ihm sicher eine große Hilfe war. Hm. Das bedeutete logischerweise, dass sie in dem Duell, das sie mit ihm kämpfen würde, wenn er wider Erwarten zurückkehrte, es auch mit diesem Schwert zu tun bekommen würde. Das konnte durchaus ein Problem werden, wenn sie nicht aufpasste. Was hatte sie noch einmal darüber gehört? Es könnte mit einem Schlag hundert Youkai töten? Das war natürlich schwierig. Also durfte der Bastard keinen Schlag anbringen. Sie musste sofort nach Beginn des Duells sich auf ihre besonderen Fähigkeiten stürzen, ihn daran hindern zuzuschlagen. Es war davon auszugehen, dass der Halbmensch wusste, wie er seine Klinge zu führen hatte. Immerhin lebte er noch, obwohl ihn ja angeblich Sesshoumaru nicht leiden konnte, ja es schon zu Kämpfen zwischen beiden gekommen sein sollte. Allerdings lebte auch der noch. Entweder, der Bastard konnte doch Tessaiga nicht richtig führen oder die Gerüchte, sie seien verfeindet, waren schlicht übertrieben. Nacissos hatte vor einiger Zeit ja gemeint, dass nichts in ihrem Verhalten, als sie nach der Entführung aufwachten, darauf hingewiesen hätte. Davon sollte sie ausgehen und nicht hoffen, das legendäre Schwert könne nicht wirken. Lieber vorsichtig sein. Immerhin wartete anschließend ein weiterer Kampf auf sie, sei es gegen Sesshoumaru oder Inabikari. Da konnte sie sich keine Verletzungen leisten. Nein. Sie musste vorsichtig planen, ihre Verteidigung nicht außer Acht lassen – allerdings auch aufpassen, ihrem nächsten Gegner nicht alle ihre Fähigkeiten zu verraten. Sie war kein Irgendwer, sondern eine Daiyoukai, das würde sie schaffen. Allen würde sie es zeigen, die sie je verachtet hatten.
 

Inabikari war mit seinen Gedanken ebenfalls bei den Kämpfen, die vor ihm lagen, denn er war sicher, dass Kyuu nicht nachgeben würde – und der Hanyou wohl auch nicht, sollte er sie besiegen. Das war zwar unwahrscheinlich, aber der junge Daiyoukai hatte durchaus die Schlussfolgerung aus Hayasas Bericht gezogen. Also würde er gegen Sesshoumaru kämpfen und dann ein Duell gegen Inuyasha oder Kyuu bestreiten. Verlor er gegen den neuen Taishou, nun, so starb er von der Hand eines Besseren. So war das Leben, wie er es sah. Der Schwächere ging unter, und es gab keinen Grund, daraus ein Drama zu machen. Planen, wie er gegen Sesshoumaru antreten würden, war völlig nutzlos. Er hatte keine Ahnung von dessen Kampffähigkeiten, oder auch von dem, was der in der Prüfungshölle erworben hatte. Er würde es sehen und darauf reagieren. Immerhin trug der zwei Schwerter, eines das legendäre Tenseiga, das Zwillingsschwert seines Halbbruders, die Klinge, die angeblich nicht töten konnte aber eine andere, unheimlichere Macht besaß. Dennoch hatte Sesshoumaru, als er nach der Entführung erwachte, die Hand an das zweite Schwert gelegt. Dies bevorzugte er also im Kampf. Es würde interessant sein, festzustellen, worin dessen Techniken und Fähigkeiten lagen.

Er warf einen Blick seitwärts. Kyuu dachte nach. Wollte sie etwa den Kampf gegen den Hanyou voraussehen? Das wäre ungeschickt. Niemand von ihnen wusste, was der jüngere Halbbruder vermochte, nur, dass der Tessaiga trug. Und ganz sicher nicht zur Dekoration. Er war fast noch ein Kind gewesen, als der ehemalige Inu no Taishou seinen Vater besucht hatte – zum letzten Mal in Frieden. Und dabei hatte er nicht den Eindruck gewonnen, dieser sei ein Idiot. Er hatte sich die beiden Klingen schmieden lassen, sie seinen Söhnen vererbt. Damit konnten sie sicher auch umgehen. Aber Kyuu zeigte, bei aller vorhandenen Intelligenz, ein Manko: sie war ungeduldig. Schon darum wäre sie als Taishou denkbar ungeeignet. Ein Kriegsführer musste planen können, seine Ruhe und den Überblick bewahren können. Wie er selbst zum Beispiel.
 

Die Hundebrüder erreichten eine gigantische Kuppel. Wie auch der bisherige Weg wurde diese Halle von den Felsen, aus denen sie bestand, erhellt. Genug, dass sie in der Mitte des Bodens einen breiten, quer verlaufenden Spalt entdeckten. Inuyasha, der sich an die linke Seite seines Halbbruders gestellt hatte, um diesem den Waffenarm freizulassen, meinte:

„Das muss der Abgrund sein, von dem der alte Hayasa geredet hat. Nur, wie soll man da rüberkommen? Hat der nicht etwas von einer Brücke der Selbsterkenntnis gefaselt?“ Und von einer Brücke war weit und breit nichts zu sehen. Naja, dort vorn, direkt am Abgrund lag ein einzelnes Brett, aber damit konnte man doch nichts anfangen?

„Höflichkeit muss man dir wirklich noch beibringen!“ donnerte Hayasa, der soeben die Halle betreten hatte: „Hundebengel!“

Der Hanyou bemerkte gerade noch, dass Sesshoumaru seine Hand zur Faust ballte und meinte eilig, einige Schritte voran machend: „Ja, Entschuldigung. Aber hier ist doch keine Brücke.“ Und das war schlicht eine Tatsache, Höflichkeit hin oder her.

„Dieses Brett dort ist der Beginn. Einer von euch stellt sich dort hinauf. In diesem Moment werden ihm die Sinne genommen. Er wird nichts mehr hören, sehen oder riechen können. Das Einzige, das er zu hören bekommt, sind die Fragen der Brücke in seinem Kopf. Wenn die Frage beantwortet wurde, wird gesagt, wie viele Schritte er weiter gehen kann. War die Antwort richtig, so bilden sich weitere Bretter, entsprechend den Schritten, die man vorangehen kann. War die Antwort falsch, so wird der letzte Schritt in den bodenlosen Abgrund führen. Und niemand, der dort hinunterfällt, hat das überlebt.“

„Äh, Moment mal...“ Inuyasha sah sich kurz instinktiv nach seinem älteren Bruder um: „Heißt das, man bekommt erst, wenn man fällt, mit, dass die Antwort falsch war?“

„So sagte ich.“

„Na, das klingt ja spannend. Und da man nichts sieht oder hört, ist das eine nette Überraschung, oder wie?“

Hayasa sparte sich die Antwort: „Wer von euch anfängt, ist mir gleich. Jeder muss über die Brücke. Dort drüben führt euer Weg weiter. Nach einer Stunde werdet ihr dann das Höhlensystem verlassen. Du, Sesshoumaru, wirst danach auch wieder fliegen können. Nicht, dass es viel nutzen wird, denn dann liegen die letzten Prüfungen vor euch.“ Er bemerkte das unwillkürliche Aufatmen der Hundejungen: „Drei von fünf Kandidaten scheitern an dieser Brücke. Nun, euer Vater hat hier bestanden, so hoffe ich, dass es euch auch gelingt.“ Lügen, die Unwahrheit sagen, sich durchmogeln, war hier unmöglich. Und auch der direkte Angriff, den beide bevorzugten, brachte nichts. Dies war eine Seelenprüfung auf die Tugenden, die ein Youkai, ein Daiyoukai, zumal, haben sollte. Inuyasha würde es vielleicht schwerer fallen, aber, das würde man sehen. Er war nur der Beobachter, der Leiter der shiken jigoku. Nicht mehr und nicht weniger. Persönliche Meinungen hatten hier nichts verloren. „Wer beginnt?“

Die Halbbrüder tauschten einen raschen Blick, ehe der Jüngere sagte, um sich ja nicht der Feigheit zeihen zu lassen: „Ich.“

„Dann tritt auf das Brett. Ich gehe. Ihr werdet mich erst am Ende der Höhle wiedersehen.“ Hayasa verschwand, ohne zu erwähnen, dass er die Fragen und Antworten mitbekommen würde.
 

Der Hanyou trat vorsichtig zu dem Brett und blickte in den Abgrund. Die Schwärze dort war dicht und kein Boden zu erkennen. Kühl wehte ein Wind von unten, brachte die Witterung von abgestandenem Wasser und Moder. Nein, das war nichts, wo man hineinfallen sollte. Brücke der Selbsterkenntnis, keh! Was sollte das denn nur für eine nervige Aufgabe sein? Nun ja, das hier noch und dann noch ein paar Prüfungen und schon war man durch die Prüfungshölle. Das sollte doch zu schaffen sein. So setzte er einen Fuß auf das Brett, dann den zweiten. Im nächsten Moment hätte er um ein Haar aufgeschrien. Hayasa hatte es ja erwähnt, aber er hätte sich nicht vorstellen könne, wie unangenehm das war. Buchstäblich in einem Augenblick konnte er nichts mehr sehen, hören oder riechen. Alles, was ihm zur Orientierung noch blieb, war das Holzbrett unter seinen bloßen Füßen. Also, das war wirklich eine mehr als unangenehme Sache. Und es würde kaum besser werden, wenn er weitergehen sollte – mit der dauernden Option, dass der nächste Schritt sein letzter wäre. Wirklich, super gemacht, danke Hunderat, dachte er zynisch. Schlimmer hätte es nur noch werden können, wenn diese Idioten Kagome mit ihm in die shiken jigoku geschickt hätten, statt Sesshoumaru. Der hatte sich doch bislang ganz gut selbst helfen können.

„Willkommen, Prüfling,“ sagte eine Stimme in ihm, bei der er nicht erkennen konnte, ob sie männlich oder weiblich wäre: „Bereit für die Brücke der Selbsterkenntnis?“

„Ja.“ Das stimmte, dachte er.

Etwas wie ein Lächeln schien in der Stimme zu liegen: „Du musst nicht laut antworten, ich kann deine Gedanken lesen.“

Oh. Nun, vielleicht war das besser. Immerhin stand dort hinten irgendwo noch der Herr Halbbruder herum und der musste ja nicht unbedingt alles mitbekommen.

„Die erste Frage: Hast du schon getötet?“

„Ja.“

„Youkai, Oni und Menschen?“

„Keine Menschen. Das...das hatte ich Mutter versprochen.“ Ihm fielen die sieben Krieger ein – aber das waren ja keine lebenden Menschen gewesen.

Die Brücke stimmte ihm wohl zu, denn sie meinte: „Aber Youkai und Oni. Warum?“

„Zuerst, weil sie mich fressen wollten, dann, weil sie meine Freunde und mich überfallen haben oder fressen wollten, weil sie Menschendörfer angegriffen haben...so was.“

„Also aus Selbstverteidigung oder um andere zu schützen. Dann darfst du fünf Schritte voran gehen.“

Es war ein mehr als eigenartiges Gefühl einen Schritt dorthin zu machen, wo gerade eben noch ein Abgrund gewesen war, und Inuyasha erkannte durchaus, dass es Furcht war, die seinen Magen unangenehm nach unten sacken ließ. Zu seiner gewissen Erleichterung spürte er dort jetzt Holz und machte vier Schritte. Er hatte nicht vergessen, dass Hayasa erwähnt hatte, der letzte führe in den Abgrund, wenn die Antwort falsch gewesen war.

Die Stimme in ihm lachte: „Die nächste Frage bekommst du erst nach fünf Schritten. Gib dich keiner Hoffnung hin.“

„Keh!“ Und der Hanyou machte den letzten Schritt und stand erneut auf einem Brett. Um sich konnte er den Windzug aus dem Abgrund spüren: „Weiter?“

„Du willst deine Freunde und Menschen beschützen?“

„Ja, sagte ich doch schon.“ Erinnerungen stiegen in ihm auf: Kikyou, Kagome, Miroku und Sango...die alte Kaede...

„Geh erneut fünf Schritte.“
 

Sesshoumaru beobachtete regungslos die seltsame Brücke, die vor den Füßen Inuyashas scheinbar aus dem Nichts erschien. Bislang schien der alle Fragen richtig beantwortet zu haben – und er ertappte sich bei dem Wunsch, dass das so bleiben möge. Seltsamerweise fühlte er sich nicht sonderlich gut bei der Vorstellung zusehen zu müssen, wie sein Halbbruder dort in den bodenlosen Abgrund stürzen würde.

Moment.

Was hatte er da gedacht? Doch. Es war sein Halbbruder, sie teilten sich die Hälfte ihres Blutes, gleichwertig waren sie allerdings nicht.

Er würde jedenfalls den Hunderat dafür büßen lassen, wenn Inuyasha hier etwas zustieß. Das Vorrecht ihn zu töten besaß allein er.
 

**
 

Im nächsten Kapitel geht es für Inuyasha auf der Brücke der Selbsterkenntnis weiter – allerdings erst in vierzehn Tagen, da ich in Urlaub bin.
 

Bye
 

hotep

Die Brücke der Selbsterkenntnis

Inuyasha stand wie im Nichts auf der Brücke der Selbsterkenntnis. Ohne sehen, hören oder riechen zu können, fand er das Ganze noch einmal weitaus lästiger – und natürlich auch die Aussicht, in diesen endlosen Abgrund unter sich zu stürzen, wenn er nach Meinung der Brücke etwas falsch beantwortete. Leider konnte ihm hier Tessaiga nicht helfen. Aber die ersten beiden Fragen hatte er anscheinend richtig erraten. Na ja, war ja auch nicht so schwer gewesen.

Irgendwo dort hinter ihm, noch auf dem festen Boden dieser gigantischen Höhle, stand Sesshoumaru und sah ihm zu – hoffentlich blamierte er sich nicht. Nun, wenn er falsch lag, wäre das wohl das letzte Mal, dass ihn sein Halbbruder für einen Idioten hielt. Danach wäre er tot.

„Sag schon die nächste Frage,“ drängte er in Gedanken.

Die Stimme der Brücke in seinem Kopf klang amüsiert: „Ungeduldiger Welpe! In der Tat, du bist noch sehr jung. Und kein Daiyoukai sondern ein Hanyou.“

„Ja, und? Was dagegen?“ fauchte Inuyasha unverzüglich.

Die Brücke blieb ebenso sachlich wie ihr Schöpfer: „Nein. Hayasa-sama hat dich zur Prüfungshölle zugelassen, und es obliegt allein ihm. Immerhin bist du bis hierher gekommen. Das deutet darauf hin, dass du weder schwach noch dumm bist. - Die nächste Frage lautet: hast du schon einmal einen Fehler gemacht?“
 

Hayasa hielt unwillkürlich den Atem an. Das war eine der problematischsten Fragen. Viele, zu viele, Daiyoukai hatten hier mit „Nein“ geantwortet. Und Inuyasha hatte bislang auf ihn nicht gerade sonderlich reumütig oder weise gewirkt. Obwohl, Kagumi hatte ihn rasch bestehen lassen, da er seiner Meinung nach für einen Noch-fast-Welpen schon recht abgeklärt wirkte. Und Kagumi war für eine solche Entscheidung erschaffen worden.
 

Inuyasha zuckte etwas die Schultern, ehe er ehrlich in Gedanken zugab: „Klar. Ich war ein Idiot, als ich versuchte, mir mit Gewalt ein neues Zuhause zu schaffen. Ich wusste es allerdings nicht anders. Ich war klein, allein – und habe in den einsamen Jahren auch verlernt zu lachen oder zu weinen. Kagome hat mir das alles wieder beigebracht. Auch, wie man Freunde findet und so. - Meinst du solche Fehler?“ Rechtschreibfehler würden diese komische Brücke ja wohl kaum interessieren. Kagome....er vermisste sie so. Statt sie im Arm zu halten musste er solche dämlichen Fragen über sich ergehen lassen – und zu allem Überfluss mit dem Risiko der Todesstrafe.

„Geh fünf Schritte weiter.“

Das war nicht gerade die Antwort, die er hatte hören wollen, aber was blieb ihm schon übrig. Vier Schritte machte er relativ schnell, dann den letzten etwas langsamer, allerdings, ohne zu zögern. Zu seiner Erleichterung spürte er auch hier wieder Holz unter seinen Füßen. Es war wohl richtig gewesen. „Wie viele Fragen kommen denn noch?“ erkundigte er sich.

„Soll ich mich wiederholen? - Wenn du nachdenkst, wirst du es wissen.“

„Hä?“ Aber dann wusste er, was diese seltsame Brücke meinte: er hatte den Scheitelpunkt überschritten. Jetzt ging es leicht abwärts, so wie er stand.

„Na, siehst du,“ erklärte die Stimme: „Du solltest lernen, erst zu denken, dann zu reden.“

„Vielen Dank für den Tipp!“ Als ob ihm das nicht Kagome schon hundert Mal gesagt hatte. Nun ja, wenn er ehrlich war, auch Sesshoumaru oder Hayasa oder....Aber er war eben impulsiv, auch, wenn er sich schon deutlich verbessert hatte im Verhältnis zu vor fünf Jahren oder so: „Weiter.“

Die Brücke war zu sachlich, um nicht weiterzumachen: „Die nächste Frage: was ist ein perfekter Youkai?“

„Sesshoumaru,“ antwortete Inuyasha postwendend: „Also, der da hinten.“ Er wagte nicht sich umzudrehen. Schließlich wusste er nicht, wie breit die Bretter waren, auf denen er stand.

„Dein Halbbruder.“
 

Hayasa atmete etwas auf. Hier war der zweite Stolperstein im wahrsten Sinne des Wortes für den Kandidaten. Wer an dieser Stelle mit „ich“ antwortete, war verloren. Nun, es blieb abzuwarten, wie sich der Ältere bei diesen Fragen schlagen würde. Kagumi hatte durchaus Recht gehabt. Für so einen Hundejungen war Inuyasha bemerkenswert selbstkritisch. Was man bei seinem großen Mundwerk nicht vermuten sollte. Ob das der Einfluss dieser Kagome war, mit der er verheiratet war? Denn sein großer Bruder hatte ihn kaum erzogen, wenn er, Hayasa, das so richtig mitbekommen hatte. Warum auch immer. Aber der Junge hatte wirklich etwas drauf. Hanyou hin oder her: bislang entsprach dieser allen Maßstäben, die er an einen Daiyoukai legte, nicht zuletzt an sich selbst. Schließlich hatte er shiken jigoku ursprünglich als Proben für sich selbst gesehen.
 

„Dann gehe diesmal zehn Schritte, Inuyasha.“

Der gehorchte und spürte mit gewisser Erleichterung, dass ihn der neunte Schritt auf Felsboden brachte. War es vorbei und er hatte diese Brücke überstanden? Als Antwort bekam er sofort seine Sinne zurück. Herrlich, wieder etwas sehen, riechen und hören zu können!

Er drehte sich um und betrachtete seinen Halbbruder, der anscheinend gelassen nun auf den Abgrund zukam, um sich der Prüfung zu stellen. Durch nichts zeigte dieser, dass er tatsächlich ein wenig froh gewesen war, als der Hanyou sicher auf der anderen Seite angekommen war.
 

Sesshoumaru betrat das Brett mit dem gleichen regungslosen Gesicht wie immer. Nichts verriet nach außen, dass er wirklich einen Anflug von Panik verspürte, als mit einem Mal Augen, Nase und Ohren vollkommen nutzlos waren, er im Nichts zu stehen schien. Inuyasha hatte hier bestanden, also stellte sich nicht die Frage, dass auch er selbst erfolgreich sein würde.

„Willkommen, Prüfling,“ sagte die Stimme der Brücke in seinem Kopf: „Bereit?“

Natürlich, dachte der Hundeyoukai.

„Gut. Dann die erste Frage. Hast du schon getötet?“

„Ja.“ Was sollte denn diese Frage?

„Menschen, Youkai und Oni?“

„Ja.“

„Warum Menschen?“

„Sie haben mich überfallen.“

„Hast du sie gefressen?“ Die Brücke bemerkte durchaus den unwillkürlichen gedanklichen Schauder und fuhr fast amüsiert fort: „Schon gut. Und warum tötest du sonst?“

„Wer mir im Weg steht, stirbt.“

„Sagst du vorher, dass sie aus dem Weg gehen sollen?“

„Ja.“

„Dann darfst du fünf Schritte weitergehen.“

Fünf Schritte – und der fünfte war womöglich der letzte seines Lebens. Nichts zeigte ihm an, ob sich die Brücke weit genug aufgebaut hatte, die Antworten richtig gewesen waren. Mit gut verborgener Erleichterung stellte er fest, dass sich unter ihm noch immer Holz befand. Nur der leise Windhauch aus dem Abgrund um ihn war zu spüren.

„Die zweite Frage: Gibt es jemanden, den du beschützen willst?“

Wie lange war es her, dass sein verehrter Vater ihm die gleiche Frage gestellt hatte, damals, am Meer? Nein, seine Meinung war noch immer die gleiche: er, Sesshoumaru, beschützte niemanden. Und doch konnte er nicht verhindern, dass Erinnerungen in ihm aufstiegen: Jaken und der Drache, Rin und diese unsäglichen Saymiosho, Rin....Und nicht zuletzt, wie er im Kampf gegen So´unga Inuyasha beiseite gestoßen hatte, um selbst die mörderische Attacke mit Hilfe von Tenseigas Bannkreis abzufangen. „Ich beschütze niemanden,“ erklärte er noch einmal, wenn auch nur in Gedanken. Das fehlte noch, dass Inuyasha das hörte und womöglich, vorlaut wie er war, etwas ausplauderte.

„So gehe fünf Schritte.“
 

Hayasa war etwas amüsiert. Ach ja, dieser Hundeyoukai beschützte niemanden? Da war er aber nicht ganz ehrlich sich selbst gegenüber. Oder, genauer, sich selbst gegenüber schon, aber nicht gegen andere. Als ob er diese Gedanken vor der Brücke verbergen könnte. War es ihm so peinlich, jemanden zu beschützen? Oder eher: wen? Ein Menschenmädchen und ein kleiner Dämon – und seinen Halbbruder, also. Aber jetzt kamen die beiden schwereren Fragen – und die tödlichsten.
 

Sesshoumaru blieb erneut stehen. Er konnte unter seinen Füßen spüren, dass sich die Brücke vor ihm neigte. Anscheinend befand er sich auf dem Höhepunkt. Dann konnte es nicht mehr viele Fragen geben. Sehr gut.

Die Stimme der Brücke klang wieder in ihm: „Hast du schon einen Fehler begangen?“

Hatte Inuyasha die gleichen, scheinbar vollkommen sinnlosen, Fragen beantworten müssen? Fehler? Er war schon versucht mit „nein“ zu antworten. Ein Youkai wie er beging keinen Irrtum. Er tat, was er wollte, und lebte mit den Konsequenzen. Aber es hieß Brücke der Selbsterkenntnis und es war vor jemandem, der seine Gedanken las, wohl sinnlos zu verheimlichen, dass er einen Fauxpas begangen hatte. „Tessaiga,“ dachte er.

„Tessaiga ist das Schwert deines Bruders.“

Bruder? Halbbruder. Soviel Zeit musste sein: „Ich wollte es besitzen und habe erst später begriffen, dass er in der Tat der rechtmäßige Besitzer ist.“ Als er auf Tessaiga verzichtet hatte, hatte er dafür Bakusaiga bekommen, ein eigenes Schwert aus sich selbst, laut des alten Toutousai der Beweis, dass er Vater übertroffen hatte. Und, dass er erwachsen geworden war.

Zugegeben, seither hatte er auch Inuyasha nicht mehr angegriffen, sich besser mit ihm vertragen, ja, ihm sogar Rin anvertrauen können. Auch in der shiken jigoku hatte sich dieser als Begleiter als nicht ganz unnütz erwiesen.

„Gehe fünf Schritte weiter.“

Er gehorchte, ohne seinen Unwillen unterdrücken zu können, derart herumkommandiert zu werden.
 

Hayasa nickte ein wenig beifällig. Sesshoumaru mochte an der gleichen Einbildung leiden wie manch anderer Youkai, keine Fehler zu machen, aber er war doch klug genug, einen zu erkennen. Es gab niemanden, der keine Irrtümer beging. Nur wer das gelernt hatte war ein wahrer Daiyoukai, wie es in der Prüfungshölle gefordert wurde. Aber nun folgte die schwierigste Antwort, die tödlichste.
 

„Die letzte Frage an dich lautet: was ist ein perfekter Youkai?“ Die Stimme der Brücke verriet kein Gefühl, obwohl die Anspannung des Prüfungsleiters sich auch auf sie übertrug. Inuyasha hatte seinen Halbbruder als perfekten Youkai bezeichnet. Wenn sich die beiden einig waren, würde Sesshoumaru mit „ich“ antworten – und in die Tiefe stürzen.

Der Hundeyoukai zögerte keinen Moment: „Das war mein Vater.“

„Euer Vater? Hast du nicht zuvor gerade noch erwähnt, dass du ihn übertroffen hast?“

Euer Vater, wiederholte der Angesprochene missmutig. Nun ja, es stimmte. „Ich habe mehr Macht als er,“ erläuterte er jedoch. War das unangenehm, so Rede und Antwort stehen zu müssen. Aber besser als zu sterben. Immerhin war ihm langsam klar, warum das hier shiken jigoku hieß. Prüfungshölle, in der Tat.

„Mehr Macht, aber dir fehlt noch etwas?“

„Ja.“ Wozu das auch noch vertiefen. Vater war nicht nur der Stärkste unter allen gewesen, sondern war auch ein guter Anführer im Frieden, hatte den Rat dominiert, ohne es sie merken zu lassen. Dazu fehlte ihm selbst schlicht noch die Lebenserfahrung, das hatte nicht zuletzt die Tatsache bewiesen, dass es dem Rat möglich gewesen war, den gemeinsamen Überfall auf ihn und diese Entführung zu planen, ohne, dass er es mitbekommen hatte. Nun, abgesehen von der Tatsache, dass er nicht die mindeste Lust auf Ratssitzungen verspürte. Und überdies noch ein größeres Hühnchen mit den Acht zu rupfen hatte.

„So gehe zehn Schritte weiter.“
 

Kaum, dass Sesshoumaru den Felsboden betrat und seine Sinne wieder arbeiteten, sah er sich einem deutlich erleichterten Hanyou gegenüber.

„Auch schon da,“ sagte der zwar nur, aber in seiner Stimme lag noch die Anspannung, die er gehabt hatte, als er hilflos mitansehen musste, wie sich sein Halbbruder auf der Brücke schlug. Und obwohl er nicht wusste, was die Fragen sollten oder welche dieser zu beantworten gehabt hatte – es war schön, dass der nicht abgestürzt war. Irgendwie würde er den Idioten vermissen. Überdies hätte er keine Ahnung gehabt, wie er Rin das beibringen sollte.

„Gehen wir,“ antwortete der Daiyoukai nur und setzte sich in Bewegung.

Inuyasha war unverzüglich an seiner rechten Seite.
 

Wie es der Herr der Prüfungshölle gesagt hatte, erreichten die Hundebrüder nach einer Stunde den Ausgang des Höhlensystems, scheinbar mitten im Nichts. Wortlos blieben sie nebeneinander vor der leuchtenden Tür, die sich dort vor ihnen zeigte, stehen und sahen sich um. Hayasa hatte doch hier erscheinen wollen?

Tatsächlich kam dieser durch die Dunkelheit des Raumes in seiner menschlichen Form herangeschwebt und blieb vor ihnen stehen: „Sehr schön, mein jungen Freunde. Ihr habt die Brücke der Selbsterkenntnis überlebt. - Wenn ihr durch diese Tür geht, gelangt ihr in die Wüste der toten Seelen.“

„Oh nein, nicht schon wieder Zombies!“ stöhnte Inuyasha prompt auf, der sich nur zu gut an das Überfallkommando der Hexe in den Ruinen von Zugaikotsu erinnerte.

Sesshoumaru stimmte ihm wortlos zu, sah jedoch zu Hayasa, ob da schon wieder etwas von wegen Unhöflichkeit gegenüber älteren Respektspersonen käme. Das etwas nachdrücklichere Gespräch mit Myouga musste er so rasch wie möglich führen, damit dieser Unglückshund von Halbbruder ihn nicht noch öfter durch schlechte Manieren blamierte. Er bemerkte nicht, dass ihm das früher vollkommen gleichgültig gewesen wäre.

Aber der Leiter der shiken jigoku schwieg dazu. Er hatte in den vergangenen Prüfungen, vor allem bei der Brücke nur zu gut gesehen, was sich hinter dem losen Mundwerk des Hanyou verbarg. Und, dass die Unhöflichkeit auf mangelnde Erziehung zurückzuführen war, keine Absicht: „Keine Zombies, falls du damit die Wesen meinst, die in Zugaikotsu waren. - Übrigens, die Hexe ist weggezogen, nachdem sie euch traf. Eine Idee, warum das so sein könnte?“

Der Hanyou zuckte die Schultern, bemerkte dann jedoch, dass er wohl in ein Fettnäpfchen gesprungen war. Der Herr Halbbruder guckte schon wieder so. Er sollte wohl besser antworten: „Äh, nein, also, wir haben nur mit ihr geredet und sie nach der Prüfungshölle gefragt. Aber sie meinte da, dass sie weggehen wolle, weil so wenige Leute mehr vorbeikommen.“

„So. - Nun, die toten Seelen in der Wüste sind eine Art Zwischending. Sie leben nicht, aber sie sind auch nicht tot, wie es die Zombies, wie du sie nennst, in Zugaikotsu waren. Nichtsdestotrotz werden sie euch wohl angreifen. Ihr könnt also im Gegensatz zu ihnen sterben. Oh, und ihr solltet euch vor den Blumen der Wüste in Acht nehmen. Das war alles, was ich euch dazu zu sagen habe. - Nur eines noch. Wenn ihr durch die Wüste gelangt seid, wird euch das letzte Portal zum Ausgang der shiken jigoku bringen.“ Wie die Hundejungen aufatmeten, möglichst ohne es zu zeigen. Stur und stolz waren sie, alle zwei. „Dann geht.“

Mit gewissem Vergnügen beobachtete er, wie die beiden Bengel ihm prompt gehorchten. Das dürfte auch nicht vielen passieren. Aber jetzt hatte er noch einen kleinen Besuch abzustatten.
 

Nur kurz darauf sah sich der Hunderat wieder dem riesigen, schwarzen Daiyoukai gegenüber.

Inabikari übernahm erneut die Begrüßung: „Ehrwürdiger...“ Nein, es wäre unziemlich gewesen, zu fragen, was der so viel Ältere hier wollte. Er würde es schon sagen.

Hayasa entblößte sein prachtvolles Gebiss: „Ich möchte euch mitteilen, dass beide Halbbrüder die tödlichste Prüfung der shiken jigoku überlebt haben und sich nun in deren letzten Teil befinden.“ Er sah zu Kyuu, die sich unwillkürlich etwas aufrichtete, jedoch schwieg. „Wenn sie auch die letzten Prüfungen bestanden haben, werden sie ohne Zweifel herkommen. Es wird euch kaum überraschen, dass sie nicht sonderlich gut auf euch zu sprechen sind.“

„Sie werden ihre Kämpfe bekommen,“ erwiderte Inabikari höflich: „Es lag, wie ich bereits erwähnte, nie in meiner Absicht mich zu drücken.“

„Ich weiß durchaus, was du sagtest, Junge. Und ich glaube es dir. Die Frage, die ihr euch stellen solltet, lautet jedoch: sind die Brüder an Duellen überhaupt interessiert?“ Hayasa gab zu, dass das eine gewisse Boshaftigkeit seinerseits war. Aber dieser Rat, und hier vor allem Kyuu, hatten seine schöne, prickelnde Herausforderung der Prüfungshölle der Daiyoukai für ihre Machtspiele benutzt, ihn benutzt. Abgesehen von dem Vergnügen, die beiden Chaoten kennengelernt zu haben, blieb ihm jetzt jede Menge Arbeit für den Wiederaufbau, Beschäftigung für die nächsten Jahrhunderte. Sechs der Acht pressten auch die Zähne etwas zusammen, da sie wohl ihre Aussichten doch richtig einschätzen konnten. Immerhin. Er hatte durchaus schon bezweifelt, dass dieser Rat alt genug für realistische Meinungen war.

Inabikari meinte jedoch: „Ich verstehe nicht ganz, Ehrwürdiger. Ja, Sesshoumaru hat sich nie einem direkten Kampf um die Macht gestellt, vom Hanyou weiß ich es nicht...“

„Nicht aus Feigheit,“ erwiderte der alte Daiyoukai sofort: „Sondern, weil sie mittlerweile nur an euer aller Tod interessiert sind?“

„Sie können sich nicht zu zweit gegen uns acht stellen,“ sagte Kyuu: „Das schafft niemand. Immerhin sind Ratsmitglied Inabikari und ich Daiyoukai, und auch die anderen sind nicht gerade schwach!“

„Liebes Kind,“ meinte Hayasa betont fürsorglich, was die aufbrausende Hundeyoukai um ein Haar dazu brachte, etwas Unhöfliches zu sagen oder gar zu tun: „Ich sehe mich genötigt, dich daran zu erinnern, dass sie soeben durch meine Prüfungen gehen und ich Fähigkeiten sehr wohl abschätzen kann. Nun, wir werden sehen, was geschieht.“

Er ließ sich gemütlich nieder und legte den Kopf auf die Vorderpfoten, sichtbares Zeichen, dass er keine Unterhaltung mehr führen wollte. Der Rat sah sich gezwungen, sich daran zu halten – und keiner wagte es, in Gegenwart des uralten Lebewesens eine Unterhaltung zwischen den Mitgliedern zu beginnen. Und so begann sich jeder für sich zu fragen, ob die Idee, die Bluterben in die Prüfungshölle zu schicken, nicht womöglich der dümmste, ja kindischste Einfall gewesen war, auf den sie hatten kommen können. Unter solchen Gedanken vergeht Zeit langsam...
 

„Ein Glück, dass es hier nicht heiß ist,“ war Inuyashas erster Kommentar, als sie in der neuen Prüfungswelt angekommen waren. Zu ihrer unausgesprochenen Erleichterung zu zweit. Um sie herum lag eine Ebene, die mit kleinen Kieseln bedeckt waren. Nur vereinzelt ragten trockene Gräser aus der Einöde. Im Hintergrund entdeckten sie sandige Hügel von verschiedener Höhe. Kein Lebewesen war zu sehen oder zu wittern. Eine helle Sonne brannte von einem geradezu unwirklich blauen Himmel.

„Erspare mir deine überflüssige Meinung.“

„Oh, schon gut.“ Hatte er gedacht sie würden sich annähern? „Also, lebende Tote sind hier nicht zu entdecken.“ Mist, ärgerte er sich prompt. Das hätte er auch nicht sagen sollen.

Sesshoumaru schwieg dazu, nicht willens, sich zu wiederholen. Außerdem war es wichtiger herauszufinden, in welche Richtung sie nun gehen sollten, wo der Ausgang aus dieser Welt lag. Den mussten sie erreichen, dann war die Prüfungshölle bestanden. Und weder tote Seelen noch irgendwelche Blumen würden ihn aufhalten. Hayasa hatte diese Pflanzen bestimmt nicht ohne Grund erwähnt. Nun, am besten würde man von diesen Sanddünen dort vorn einen Überblick erhalten können. Als er den ersten Schritt machte, stellte er zu seiner gewissen Überraschung fest, dass Inuyasha die gleiche Bewegung im gleichen Moment machte.
 

Vom Kamm der Düne aus hatten die Halbbrüder in der Tat einen Rundblick. Die Sonne senkte sich gegen den Horizont, der Wind frischte etwas auf, und ihnen wurde klar, dass eine Nacht vor ihnen lag. Leider verriet nichts, wo hier der Ausgang wäre. Eine dunkle Linie am Horizont zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Mit einem weiten Satz sprang Sesshoumaru den Sandhügel hinab in diese Richtung.

„Keh!“ Mit einem leisen Fluch beeilte sich Inuyasha hinterher zu kommen. Konnte der Mistkerl nicht sagen, was er vorhatte? Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie Jaken das die ganze Zeit nur aushielt. „He! Wohin willst du?“

„Geradeaus.“

Immerhin hatte er eine Antwort bekommen: „Ich habe da nicht gerade den Ausgang gesehen. Du etwa?“

Der Daiyoukai ertappte sich tatsächlich bei dem Gedanken, dass er das erklären müsste. Einmal für kleine Halbbrüder ohne jede Ahnung von Strategie: „Dort ist eine dunkle Linie, Pflanzen oder etwas anderes. Hayasa erwähnte Wüstenblumen nicht ohne Grund.“ Und wenn er diesen unseligen Flohgeist in die Krallen bekam konnte der etwas erleben. Magische Geschöpfe hatte der ebenso vernachlässigt wie Strategie, höfische Erziehung und der Himmel wusste, was noch alles.

Inuyasha war überrascht, aber durchaus nicht unangenehm berührt, dass sich sein großer Bruder wie einer benahm. Nun ja, er gab zu, dass der das, seit sie in die Prüfungshölle entführt worden waren, öfter getan hatte. Vielleicht würde er ihn eines Tages doch als richtigen Bruder anerkennen, von „unserem“ Vater sprechen, sich sein Traum erfüllen. So sagte er nur: „Dann werden wir uns durchkämpfen.“

Sesshoumaru schwieg zu dieser Selbstverständlichkeit.
 

**
 

Das nächste Kapitel führt die Prüflinge also in die Wüste – und in die vielleicht ärgste Probe der shiken jigoku. Myouga dagegen sollte sich vielleicht ohne Hinterlassung einer Adresse in Urlaub begeben...

Die Wüste der toten Seelen

Die kurze Dämmerung in der Wüste brach herein, dann wurde es Nacht. Zum Glück, wie Inuyasha befand, ohne das freilich zu sagen. Die Sonne hatte erbarmungslos niedergebrannt und Hanyou hin oder her, es war ihm ziemlich heiß geworden. Nun ja, auch für seinen schweigsamen Begleiter mochte es unangenehm geworden sein, aber der sah irgendwie noch immer weiß, unberührt und elegant aus. Wusste der Himmel, wie Sesshoumaru das anstellte. Selbst die von dem Drachen in der letzten Prüfung versengten Haare und Boa waren wie neu. Nun gut, auch sein Körper hatte sich rasch erholt – aber dieses weiche Fellteil hätte ihn schon interessiert. Sesshoumaru konnte es bewusst steuern – aber war das nun ein Teil seines Körpers oder nicht? Fragen konnte er schlecht, ohne schon wieder als der dumme kleine Bruder dazustehen. Allerdings war das doch eine Auskunft, die ihm Myouga sicher geben konnte. Wie auch so einige andere. Der Flohopa konnte sich schon einmal auf ihre nächste Unterhaltung freuen.

Hier gab es also tote Seelen, was auch immer das sein sollte. Hayasa hatte ja davon gesprochen, dass die sie angreifen würden. Sollten sie. Bislang waren sie einzeln oder auch zu zweit mit jedem Hindernis der Prüfungshölle fertig geworden und selbst der Hüter der shiken jigoku hatte zugegeben, dass an der Brücke die meisten scheiterten. Warum, verstand Inuyasha nicht so ganz. Das waren nur fünf Fragen gewesen, die zu beantworten eigentlich keine Schwierigkeit dargestellt hatte. Nicht für ihn und wohl auch nicht für den Herrn Halbbruder, schließlich war auch dieser recht schnell drüben gewesen – ohne in den Abgrund zu stürzen. Gab es etwa Daiyoukai und Daiyoukai? Und manche waren eben zu dumm, diese simplen Fragen zu beantworten?

Zu welcher Sorte dann wohl der Rat gehörte? Obwohl, wenn er sich recht entsann, war die Energie vor allem bei der Hundedame, die mit ihnen gesprochen hatte, recht bemerkenswert gewesen und bei noch einem Mann. Das waren dann wohl die einzigen beiden, die Sesshoumarus Level erreichten. Und damit natürlich auch seines, denn dem Hanyou war bewusst, dass ihre Kämpfe gegeneinander meist mit einem Sieg seinerseits geendet hatten. Maximal unentschieden, denn ansonsten wäre er schon längst tot.

Schön, in der letzten Zeit hatte es keine Probleme dieser Art mehr gegeben, und er hoffte, dass sich ihr brüderliches Verhältnis nicht zuletzt durch diese Wanderung nochmals verbessern würde, aber das war noch immer etwas anderes, wie sich Kagome gegenüber ihrem kleinen Bruder verhielt, oder Sango zu Kohaku und umgekehrt. Das war jedoch wohl auch zuviel verlangt bei einem vollblütigen Youkai der obersten Klasse gegenüber der Familienschande. Immerhin hatte ihm Sesshoumaru hier schon einiges erklärt, ihn sogar aus diesem Loch vor dem Pass der Illusionen gezogen. Auch das hatte er ihm nicht vergessen.
 

Sesshoumaru war angenehm überrascht, dass sein manchmal redseliger Halbbruder schon seit zwei Stunden den Mund hielt. Lernte der etwa langsam, wie man sich zu benehmen hatte? Das wäre erstaunlich. Oder auch nicht, denn er hatte ja während dieser unsäglichen Wanderung durch die Prüfungshölle gesehen, dass vieles von dem, was er ihm an Verhalten ankreidete, allein auf eine Ursache zurückzuführen war: Myouga. Inuyasha hatte die Grundregel des Benehmens nicht gelernt, hatte wenig bis keine Ahnung von magischen Lebewesen oder auch nur von der Politik und den Hintergründen der Hundeyoukai. Wenn er sich recht entsann, hatte der Flohgeist von seinem verehrten Vater den Auftrag bekommen, ehe der in den Kampf gegen die Drachen zog, sich um seinen Jüngsten zu kümmern, soweit es die Mutter nicht vermochte. Izayoi mochte zwar eine Prinzessin gewesen sein, aber sie war auch nur ein erbärmlicher Mensch. Und hatte damit von genau diesen Punkten keine Ahnung gehabt, zumal sich Vater in ihrer Gegenwart kaum wie ein Youkai verhalten hatte. Was also hatte Myouga getan? Sicher, der war ein Feigling und floh, wenn er nur den geringsten Anlass sah, aber der Hanyou war doch nicht Jahre, Jahrzehnte stets in Lebensgefahr gewesen.

Stimmt, dachte er. Jedes Mal, wenn ich Inuyasha aufgesucht habe, um festzustellen, ob er endlich soweit wäre, dass ich ihn legitim umbringen könnte, weil er sich wehren könnte, war der Flohgeist nicht bei ihm.

Dann war er selbst intensiver auf die Suche nach Tessaiga gegangen, zumal er gehört hatte, dass eine menschliche Priesterin es geschafft hatte, den Hanyou zu bannen. Das war ihm dann als ein recht passendes, peinliches Ende für den erschienen und er hatte sich erst wieder mit ihm befasst, als er feststellen musste, dass er Tessaiga nicht allein finden konnte. Dann, in Vaters Grab, war es zum ersten ernsten Kampf zwischen ihnen gekommen – und Inuyasha hatte es mit Hilfe des legendären Schwertes vermocht ihm den linken Arm abzuschlagen. Das erste vieler folgenden Duelle, ehe er erkannt hatte, dass Tessaiga wirklich seinem Halbbruder gehörte. Seltsam erschien es ihm nun, dass er so verblendet in die falsche Richtung gesucht hatte, um stärker zu werden, er seine Grenzen nicht erkannt hatte. Erst, als er genau das geschafft hatte, darauf verzichtet hatte, mit Hilfe eines Schwertes mächtiger zu werden, hatte er nicht nur seinen Arm zurückerhalten, sondern auch Bakusaiga, sein eigenes Schwert, nicht die Klinge seines Vaters. Und er hatte endlich begriffen, dass ein wahrer Daiyoukai nur aus sich selbst stärker werden konnte, dazu keines Hilfsmittels bedurfte – und ein Hanyou letzteres eben schon. Selbst, wenn Myouga seinen Befehl ausgeführt hätte, blieben Inuyasha bestimmte magische Fähigkeiten versagt – Bokuseno hatte da schon recht gehabt. Hanyou blieb Hanyou und würde niemals ein vollblütiger Youkai werden.

Dafür allerdings, gab er plötzlich mit gewisser Anerkennung zu, schlug sich der in der shiken jigoku der Daiyoukai wahrlich nicht schlecht. Es war fraglich, ob alle vom Rat bis hierher überlebt hätten. Nun ja. Eben Vaters Blut, Vaters Sohn.
 

Mit Beginn der Nacht frischte der Wind weiter auf und wirbelte den feinen weißen Sand empor. Dieser belästigte die Sinne der beiden Hundebrüder zunehmend, aber ihnen war klar, dass sie weitergehen mussten. Nur, wenn sie das nächste, und letzte, Portal erreichten, konnten sie shiken jigoku verlassen. Je schneller das geschah, umso besser, da waren sie sich stillschweigend einig. Schließlich warteten da noch acht Kleinigkeiten auf das Wiedersehen mit ihnen.

Der Sturm wuchs jedoch immer weiter an, und aus der Belästigung durch die Sandkörner wurde ein förmlicher Beschuss, der Augen und Nasen weitgehend unbrauchbar machte. Unwillkürlich versuchten beide, sich durch ihre Ärmel davor zu schützen, aber immer heftiger wirbelte der Staub um sie, nahm ihnen die Möglichkeit, sich zu orientieren, ja, auch nur mehr den anderen zu entdecken. Selbst in den Ohren setzte sich der Sand fest, als ob das Geheule des Windes nicht schon genug dazu beitrug, mit diesem Sinn nichts mehr wahrnehmen zu können. Ohne zu wissen, was der andere tat, reagierten sie gleich: sie blieben stehen, bemüht, sich gegen den um sie wirbelnden Sturm zu schützen, möglichst flach einzuatmen, um nicht Sand in die Lunge zu bekommen, und so gut es ging, beiseite zu blicken. Wo war der Halbbruder?

Aber mitten in einem Sandsturm war es unmöglich auch nur einen Schritt weiterzusehen und selbst Sesshoumaru war bewusst, dass es sinnlos war, zu versuchen gegen den Wind anzukommen. So peinlich und ärgerlich es war – er musste abwarten, bis der Sturm nachließ. Immerhin war ihm nun klar, warum Hayasa davon gesprochen hatte, dass er hier zwar wieder fliegen könne, das ihm aber nichts nutzen würde. Nun, selbst in der Prüfungshölle würde der Wind irgendwann wieder nachlassen und dann könnte er weitergehen. Allerdings mochten sich diese toten Seelen im Schutz des Sturmes anschleichen. Es war nicht gesagt, dass denen dieser etwas ausmachte. So blieb er stehen, sich mit dem linken Arm und Ärmel gegen den Sand schützend, die rechte Hand am Schwert, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass Inuyasha ebenso reagiert hatte.
 

Der Herr der Prüfungshölle bemerkte die Reaktion seltsam zufrieden. Sie waren junge Krieger der Youkai, in der Tat, und vergaßen nicht, dass sie sich gegen die ihnen unbekannte Gefahr schützen sollten, gleich, wie die Elemente um sie tobten. Wie hatte Inuyasha vor der Eisprüfung gesagt: was Kämpfe betraf, wären sie ganz gut in Übung? Ohne Zweifel.

Der uralte Daiyoukai warf einen flüchtigen Seitenblick auf den Hunderat. Inabikari und Kyuu freuten sich auf ihre Duelle mit den Chaotenbrüdern? Ob ihnen so ganz klar war, worauf das wohl hinauslaufen würde? Nun, der junge Mann dort schien ja seine, Hayasas, Anforderungen an einen Daiyoukai zu erfüllen, auch bereitwillig sein Leben aufs Spiel zu setzen, aber die Hundedame war zu impulsiv, ja, eher unbeherrscht für ein Wesen dieses Ranges. Und sie war eindeutig verbittert – warum auch immer, aber das war nichts, das einem Daiyoukai ziemte. Der Leiter der shiken jigoku konnte nicht umhin, sich zu fragen, wie sich wohl die beiden in seinen Proben geschlagen hätten, in die sie die Halbbrüder so bereitwillig geschickt hatten.

Interessanter war nun freilich, wie diese reagierten. Denn die vorletzte Prüfung war keine, die einer durch Stärke oder Tapferkeit bestehen konnte.

Die toten Seelen der Wüste waren keine realen Lebewesen – nun, so wirklich, wie nur etwas, das er erschaffen hatte – sondern das, was von einem Kandidaten blieb, wenn er hier versagte. Und nicht sie waren das Problem, es sollte nur so scheinen. In der letzten Prüfung würden sich die zwei Chaoten dann jedoch abreagieren können. Seine Blumen sollten für die Halbbrüder nicht unbedingt ein Hindernis darstellen. Aber womöglich waren sie dann leichtfertig.

Nun, er würde nicht den Fehler begehen, das Fell der Hundejungen zu verkaufen, ehe sie tot waren, wie es der Rat hier getan hatte.
 

Myouga war keuchend erneut in das Dorf gekommen, und hatte der besorgten Kagome Bericht erstattet. Jetzt wiederholte er vor Sango und Miroku seine Mitteilung: „Der Hunderat steht noch vor dem Tor des Anfangs. Das ist auch immer noch geöffnet. Also sind die beiden noch immer in der Prüfungshölle. Zumindest einer muss noch leben.“

Kagome funkelte ihn finster an. „Beide!“ betonte sie: „Inuyasha ist doch nicht der Typ, der leicht aufgibt. Er hat nie aufgegeben! Und Sesshoumaru ...naja, er ist eben Sesshoumaru. - Ich habe Rin noch nichts davon gesagt, dass sie in Schwierigkeiten stecken, und auch Jaken darum gebeten. Sie würde sich doch nur Sorgen machen. Es wäre gut, wenn ihr auch nichts sagt.“

„Ja, schon klar,“ sagte Sango: „Dauert diese Prüfung denn immer so lange, Myouga?“

Der kleine Flohgeist hob alle vier Arme: „Ich..das weiß ich nicht. Tage schon. Es sollen ja schon mehrere Tagesreisen sein, ehe man überhaupt vom Tor des Anfangs zu den eigentlichen Prüfungskammern kommt. Als der Herr sich damals diesem Daiyoukai, Inabikaris Vater, dort stellte, kam er nach zehn Tagen zurück.“

„Eben,“ erklärte Kagome nachdrücklich: „Ihr Vater hat dort bestanden, da werden sie es auch. - Oder was hast du uns noch nicht erzählt, Myouga-jiiji?“

Der Flohgeist sah sich instinktiv nach einer Fluchtmöglichkeit um, erklärte dann jedoch mit gewisser Resignation: „Der Rat wartet nicht mehr allein. Dort liegt ein sehr mächtiger Daiyoukai in seiner wahren Form und wartet mit ihnen. So ein Wesen habe ich noch nie gesehen, aber ich vermute, da selbst Inabikari und Kyuu sich vor ihm überaus höflich benehmen, dass es sich um den Herrn der shiken jigoku handelt. Und als damals mein Gebieter in der Prüfungshölle war und ich dort auf ihn wartete, kam der nicht.“

„Vielleicht, weil Inuyasha dabei ist?“ schlug Miroku vor: „Der verstorbene Inu no Taishou war ja ein Daiyoukai, Sesshoumaru ist einer, aber eben Inuyasha ist als Hanyou vielleicht eine Besonderheit. Darum ist der Leiter der Prüfungen so an ihm interessiert.“

Kagome nickte, sichtlich erleichtert.

Als er später mit Sango allein war, meinte diese allerdings: „Deine Idee, dass der Leiter der Prüfungshölle nur wegen Inuyasha beim Rat ist, mag Kagome beruhigt haben, aber...“

„Was meinst du?“

„Myouga sagte doch, dass der Rat Verräter seien, die die Halbbrüder als Erben des letzten Taishou in die shiken jigoku schickten. Wohl, um sie elegant loszuwerden. Vielleicht hat sich der Herr der Prüfungshölle mit ihnen verbündet. In diesem Fall sieht es schlecht für die beiden aus. Denn er sucht doch die Proben aus, die sie bestehen müssen – oder sterben.“

„Möglich. Aber willst du das Kagome sagen? Oder Rin? Noch bleibt uns die Hoffnung.“

„Ja. Erst, wenn der Rat von dort verschwindet und die beiden nicht mehr aufgetaucht sind, ist es aus. Und wir wissen alle, wie stur Inuyasha im Kampf sein kann. Sesshoumaru ist auch kein Irgendwer.“ Sango stand auf. „Ich werde mit Kaede reden. Sie soll Kagome mit viel Arbeit beschäftigen, damit sie abgelenkt ist. Ohne natürlich Rin etwas zu erzählen. - Wo ist eigentlich Myouga hin?“

„Ich glaube, er wollte wieder zu diesem Tor, um den Rat und den unbekannten Daiyoukai aus gewisser Distanz zu beobachten und uns zu sagen, wenn etwas passiert.“

„Nun, die gewisse Distanz wird ziemlich groß sein, wenn ich ihn richtig kenne.“ Sie lächelte und ihr Mann gab das Lächeln zurück:

„Wir kennen ihn alle. Aber gewisse Loyalität gegenüber Inuyasha können wir ihm auch nicht absprechen.“
 

Endlich ließ der Sturm aus wirbelndem Sand nach. Der Hanyou wagte zum ersten Mal seit ungezählten Minuten tiefer einzuatmen. Wie viel Zeit war vergangen? Scheinbar eine Ewigkeit. Er rieb seine Augen und Nase etwas freier und versuchte, etwas in der nächtlichen Dunkelheit um sich zu erkennen. Noch immer wehte der Wind und trieb die Körnchen vor sich her, aber es war nicht mehr fast unerträglich. Wo steckte Sesshoumaru? Er konnte ihn nicht sehen. War der etwa von diesen dämlichen toten Seelen angegriffen worden? Er konnte sich nicht entsinnen, Kampfgeräusche gehört zu haben, obwohl das in diesem Toben wohl auch so gut wie unmöglich gewesen wäre. Aber der Herr Halbbruder war doch niemand, der sich mal eben überfallen ließ. Ein wenig hektischer bemühte er sich, seine Ohren freizubekommen. Sollte er nach ihm rufen? Das wäre auch wieder peinlich, würde es ja aussehen, als ob er allein Angst hätte. Die Augen brannten noch immer von dem Dauerbeschuss der letzten...Stunden? Es schien ihm endlos zu sein. Immerhin konnte er wieder frei atmen.

Endlich konnte er wieder etwas erkennen und endlich legte sich auch der Wind und er stand in der klaren, kalten Wüstenluft unter einem Sternenhimmel. Danke, Hayasa, dachte er zynisch. Das hätte der Leiter der Prüfungshölle auch schon vorher erledigen können. Was also sollte dieser Sandsturm, außer arme Hanyou zu ärgern? Oder Hundejungen im Allgemeinen? Mit der Hand an Tessaiga drehte er sich um die eigenen Achse. Er war allein.

Das gab es doch gar nicht. Oder doch? War der Herr Halbbruder einfach weitergegangen und hatte ihn hier in dem Sturm zurückgelassen? Das hatte er ihm nach den gemeinsamen Abenteuern der letzten Tage doch nicht zugetraut. Verdammt. Wenn er den erwischte, würde er ihm sonst etwas erzählen!

Moment mal.

Er entdeckte etwas Weißes ein ganzes Stück vor sich im Wüstensand. War das Sesshoumaru? Aber wieso sollte dem etwas ausmachen, was er selbst zwar als überaus lästig aber nicht gefährlich empfunden hatte? Oder waren doch die toten Seelen da gewesen, was immer das auch war? Konnten die doch jemandem wie seinem Halbbruder etwas anhaben? Immerhin war das hier shiken jigoku, ausgelegt auf die mächtigsten Wesen unter allen Sterblichen.

Er rannte eilig hinüber, noch immer die Hand an seinem Schwert, sich dabei umsehend. Aber hier war nichts und niemand zu sehen oder auch nur zu wittern. Was war bloß passiert?

Erschreckt, ja erschüttert, starrte er auf den regungslosen Körper vor sich im Sand. Der Panzer war geborsten, die Kleidung zerfetzt, Körper und Gliedmaßen von Wunden übersät. Noch immer krampften sich die Finger um Bakusaigas Griff. Nur das Gesicht war unversehrt. Wer oder was auch immer ihn angegriffen hatte, hatte ihn wohl so lange wie möglich bei Bewusstsein halten wollen.

„Sesshoumaru?“

Er bückte sich, wollte diesem Bakusaiga aus der Hand nehmen, zur Sicherheit, ehe der Daiyoukai im Aufwachen unbewusst ihn attackieren würde. Und dann erkannte er, dass kein Atemzug mehr die Brust bewegte. Das gab es doch gar nicht.

„Nii-san?“ Nie zuvor hatte er ihn als „mein großer Bruder“ angesprochen, es sich immer versagt, jemanden so höflich zu titulieren, der ganz andere Bezeichnungen für ihn selbst fand. „He, mach keinen Quatsch! Du weißt doch, dass du nur gegen mich verlieren kannst?“ Er kniete sich in den Sand und tastete vorsichtig nach der Halsschlagader. Nichts.

Verdammt! Er hatte immer geglaubt, dass Sesshoumaru praktisch unbesiegbar sei, dass den im Notfall Tenseigas Bannkreis noch schützte. Hatte das heilende Schwert seinem Besitzer in der Prüfungshölle nicht helfen können? Waren dem ebenso einige Fähigkeiten abhanden gekommen, wie auch den anderen Klingen? So, wie er mit Tessaiga nur noch über die Windnarbe verfügte? Aber dennoch...das war unmöglich! Hektisch tastete er nach Tenseiga. Er hatte wenig Ahnung, wie das Schwert wirkte, aber es konnte Tote lebendig machen. Toutousai hatte es den Sargbetrüger genannt. So hielt er es ein wenig hilflos über den regungslosen Körper: „Tenseiga,“ flüsterte er: „Mach schon, irgendwas....“

Nichts geschah.

Trauer und Wut überschwemmten ihn, als er beide Schwerter dorthin schob, wo sein Halbbruder sie immer getragen hatte.

Er stand auf und blickte zu dem Sternenhimmel auf, ehe er seine ganzen Gefühle in einen Aufschrei legte, der durch die Wüste widerhallte.

Dann sah er hinunter. Nein, er konnte ihn doch nicht hier liegen lassen. Und ihn einfach so in der Wüste der Prüfungshölle zu verscharren kam ihm auch nicht richtig vor. So bückte er sich und hob Sesshoumaru empor, ein wenig überrascht, wie leicht der ihm schien. Mit Tränen in den Augen machte sich Inuyasha auf den Weg.

Mochten die Götter diesem Hunderat gnädig sein. Er wäre es nicht.
 

**

….^^°

Die letzte Prüfung

Vielen Dank für eure lieben Geburtstagswünsche:)
 

Äh, und langsam solltet ihr doch hoteps law, wie es cistus mal nannte, gewohnt sein...
 

16. Die letzte Prüfung
 

Als endlich der Wirbelsturm aus Sand um ihn nachgelassen hatte, atmete Sesshoumaru zu ersten Mal seit scheinbar endlosen Minuten tiefer ein. Mit einer ärgerlichen Geste befreite er Augen und Nase von den unangenehmen Sandkörnern. Selbst in die Ohren waren sie gedrungen, hatten es, zusätzlich zu dem Getöse des Windes, verhindert, dass er etwas wahrnehmen konnte.

Jetzt gelang es ihm immerhin festzustellen, dass er allein war. Wo steckte Inuyasha? Hatten diese toten Seelen die Gelegenheit des Sturmes genutzt den Schwächeren von ihnen beiden anzugreifen? Aber, was hatten sie mit ihm vor? Er erinnerte sich nicht daran, die Windnarbe gewittert oder gehört zu haben, aber vielleicht hatte Hayasa genau darum den Sturm geschickt. Sei es, um zu verhindern, dass er selbst einen Kampf mitbekam, sei es gar, dass der Hanyou das kaze no kizu nicht einsetzen konnte. Freilich: gewöhnlich würde er leugnen, dass Inuyasha jemand war, den man einfach eben so überfallen, gar umbringen konnte, aber das hier war die Prüfungshölle der Daiyoukai. Und trotz aller Fähigkeiten seines Halbbruders und Tessaigas – Inuyasha war kein Daiyoukai. Das war ein Fakt.

Endlich legte sich der Wind völlig und er stand in der klaren, kalten Wüstenluft unter einem Sternenhimmel. So blickte er sich um und suchte die nur zu bekannte Witterung.

Nichts.

Das gab es doch gar nicht. Der war doch viel zu stur und menschlich, ihn hier allein zu lassen. Hatten es diese toten Seelen wirklich geschafft Inuyasha zu entführen? Oder gar Ärgeres?

Mit ungewohnter Besorgnis entdeckte er ein Stück vor sich etwas Rot-Weißes im Wüstensand. Erneut blickte er sich um, aber niemand war zu sehen oder auch nur zu wittern. Nicht einmal Magie war wahrzunehmen, aber das lag natürlich daran, dass dies hier Hayasas Welt war. Er ging hinüber, unwillkürlich angespannt. Was war mit seinem Halbbruder geschehen?
 

Sein regungsloses Gesicht verriet keines seiner Gefühle, als er den Körper vor sich im Sand betrachtete. Selbst das Feuerrattengewand hatte es nicht vermocht Inuyasha gegen den Angriff zu schützen. Es war zerfetzt, der gesamte Körper blutüberströmt. Noch immer hielt der Hanyou Tessaiga in der Hand.

Der Daiyoukai hütete sich näher zu kommen. Er hatte schon erlebt, dass Tessaiga sogar dann seinen Herrn schützte, wenn dieser bewusstlos war. So meinte er nur: „Inuyasha.“

Keine Reaktion. War der so tief in der Bewusstlosigkeit? Was war das für ein Angreifer gewesen, der ihm derart zusetzen konnte? Hatte Tessaigas Scheide ihren schützenden Bannkreis nicht entfalten können, weil das hier eben die Prüfungshölle war?

Nur zu versuchen den Hanyou um die Ecke zu bringen war mehr als ein hartes Stück Arbeit, das wusste er selbst zu gut – warum hatte er nichts von dem Kampf mitbekommen? Durch den Sturm? War die Magie der shiken jigoku am Werk? Wollte Hayasa nicht, dass er Inuyasha helfen konnte?

Moment.

Er konnte selbst in der Stille der Wüste keinen Atemzug vernehmen, keinen Herzschlag.
 

Noch einmal musterte er den Körper des Halbdämons, ehe er zugeben musste, dass es in der Tat kein Lebenszeichen mehr gab. Und er ertappte sich bei einer seltsamen Mischung aus Wut und Trauer, wie er sie kaum je zuvor erlebt hatte. Das hier war sein kleiner, dämlicher Hanyoubruder. SEIN Halbbruder. Und, wenn den jemand umbringen durfte, dann allein er.

Er brauchte nicht nach Tenseiga zu fassen, um zu wissen, dass die magischen Fähigkeiten des Himmelsschwertes in Hayasas Welt versiegelt waren. Er konnte nichts für den Jüngeren tun.

Auf jeden Fall musste Inuyasha bis zum Ende gekämpft haben, klassisch der. Tapfer, stur ein wenig dumm. Er hätte doch versuchen können, ihn, Sesshoumaru, um Hilfe zu bitten. Nein, das würde der nie tun...hätte der nie getan.

Ich habe mich geirrt, dachte er: du warst keine Schande für die Familie, sondern Vaters Sohn, mein kleiner Bruder.
 

Mit gewisser Bitterkeit und doch Vorsicht bückte sich der Daiyoukai und nahm die verkrampfte Hand, um Tessaiga zurück in die Scheide zu stecken. Zu sicher war er, dass der Bannkreis ihn selbst jetzt abwehren würde. Was sollte er nun tun? Inuyasha hier liegen lassen? Unmöglich. Ein Sohn des Inu no Taishou, sein eigener Halbbruder, der im Kampf gefallen war, hatte ein ehrenhaftes Begräbnis verdient, selbst als Hanyou. Das würde die letzte Aufgabe sein, die diese acht Ratsmitglieder vor ihrem eigenen Ende übernehmen durften.

Als er Inuyasha aufhob, um ihn weiterzutragen, war nichts mehr in seinen Gedanken außer Tod.
 

Hayasa entdeckte in sich gewisses Mitleid. In der Tat. Das waren Jungs nach seinem Geschmack. Die Prüfung der toten Seelen mochte hart sein, aber hier wurde Treue und Loyalität überprüft. Und wie konnte man das besser als bei dem Glauben ein Familienmitglied verloren zu haben.

Einer seiner Trainingspartner hatte ihn vor langem zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass dies eine der wichtigsten Prüfungen wäre – natürlich nicht für ihn selbst, aber für die Neuen. So hatten sie diese Welt gemeinsam erschaffen.

Wäre jeder der Zwei hier allein gewesen, hätte er in ihren Erinnerungen suchen müssen, wen sie vermissen würden. Folglich hatte er angenommen, es sei der Halbbruder und sie im Sandsturm in zwei verschiedene Prüfungswelten geschickt. Denn nichts, was sie ihm bislang gezeigt hatten, hatte die Gerüchte des Hunderates bestätigt, dass sie verfeindet seien, ja sich gegenseitig umbringen wollten. Schön, sie waren nicht immer einer Meinung, der Ältere hatte die Ausbildung des Jüngeren verpasst, aber sie vertrauten sich ihr Leben an.

Und ihre Reaktion jetzt bewies, dass sie sich schätzten. Allerdings sollte er die Sache besser auflösen ehe sie hier ankamen, beide in dem Glauben der andere sei tot, und den Rat schon mal umlegten, bevor sie merkten, dass es nur eine Prüfung gewesen war. Am besten, er baute da noch rasch ein Portal ein, ehe es zu den Blumen ging – die ihm jetzt schon Leid taten. Da wäre jemand vermutlich froh, sich abreagieren zu können. Und so stark waren seine Pflanzen trotz aller Macht nun auch nicht. Sie waren die letzte Hürde der shiken jigoku, die Falle, wenn die Kandidaten durch die bisherigen Tests körperlich und seelisch angeschlagen waren, leichtfertig wurden. Die Schwerter würden freilich noch nicht wieder voll funktionieren, aber...

Ja, aber. Das hier waren die Chaotenbrüder. Und das noch in ziemlich geladenem Zustand.
 

Die beiden Halbbrüder betraten jeder für sich das nächste Portal – und stellten fest, dass sie sich gegenüberstanden. Für einen Moment hatte jeder den Eindruck, selbst in den Armen des anderen gelegen zu sein, bis sie nur noch sich sahen.

„Nii-san!“ Inuyasha atmete durch.

Großer Bruder? So hatte der ihn noch nie genannt. Hatte etwa auch der Jüngere geglaubt, wiederum, er sei tot? Sesshoumaru gab sich zu, dass er erleichtert war, dass der noch lebte. Nicht, dass das an seiner Meinung über den Hunderat viel geändert hätte. Immerhin wusste er nun, warum das hier die Prüfungshölle hieß. „Gehen wir.“

„Oh ja....“ Jetzt erst sah sich der Hanyou um. Sie befanden sich noch immer in einer Wüste, wenn auch anscheinend an deren Rande. Blaue Pflanzen wuchsen um sie, etwas entfernt. Blumen in der Wüste. War da nicht etwas gewesen?

Der Daiyoukai schritt bereits weiter. Es konnten nicht mehr viel Prüfungen vor ihnen liegen, falls Hayasa nicht gelogen hatte. Aber der Herr der shiken jigoku hatte bislang fair gespielt.

„Äh, Ses---nii-san?“ Er sollte dabei bleiben. Immerhin war das die richtige Anrede, mein älterer Bruder. Und, wenn er sich nicht völlig geirrt hatte, hatte der ihn getragen. Jeder von ihnen schien geglaubt zu haben, der andere sei tot, und hatte um den Halbbruder getrauert. Dies war für ihn eine gewisse Überraschung, das konnte man jedoch schon honorieren. Sicher, sie hatten das Beste gegeben um sich gegenseitig umzubringen, aber das war doch etwas anderes gewesen. Sozusagen eine Familiensache.

Der Angesprochene wandte den Kopf.

„Die Blumen da....“

„Hör auf, wie Rin zu reden!“

„Glaub mir, die würde sie nicht pflücken wollen.“ Inuyasha legte die Hand an Tessaiga, was den Hundeyoukai bewog sich umzudrehen.

Diese Pflanzen waren in der Tat näher gekommen. Sie waren blau, liefen auf zwei Beinen – aber das zweifellos Interessanteste an ihnen waren die spitzen und scharfen Zähne, die sich in der gelben Blüte zeigten.

Wie töricht. Er zog und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sein Halbbruder diesem Beispiel folgte. Hatte Inuyasha etwa abgewartet? Kannte er diese Geschöpfe wieder einmal nicht und wollte nun wissen, was das war und wie man es beseitigen konnte? Das war etwas Neues. Und legte nur erneut den Verdacht nahe, dass alle Eigenschaften, die ihn an dem Hanyou störten, schlicht und ergreifend Myougas Versäumnis waren. Falls sich dies bestätigte, konnte sich der alte Flohgeist schon einmal auf ein nettes Begräbnis einrichten.

Nach dem Rat, natürlich.

„Souryuha!“

„Kaze no kizu!“ kam es fast gleichzeitig von Inuyasha.
 

Beide legten ihre Gefühle der letzten Stunden in ihre Angriffe und Hayasa, der wie immer zusah, bedauerte seine Pflanzen. Aber damit hatte er gerechnet. Und er musste sie ja nur wieder erschaffen – wie eine Menge in der shiken jigoku. Nun, die beiden Chaoten hatten die Prüfungshölle bestanden, es würde keine weiteren Hindernisse für sie geben.

Nachdenklich blickte er seitwärts zum Hunderat. Sollte er sie vorwarnen? Nein. Sie sollten nur ernten,was sie gesät hatten. Und wer Wind säte, erntete eben Sturm, wenn man sich mit Profis anlegte – und das waren diese Zwei.

Mochten Inabikari und Kyuu auch die Stufe zum Daiyoukai überschritten haben – von der wahren Macht und Verantwortung eines solchen hatten sie – noch - keine Vorstellung. Sie waren alle so jung und in dieser Generation der Hunde schien es keine Älteren zu geben, die sie angeleitet hätten. Was wohl aus denen allen geworden war?
 

Die Halbbrüder hatten unterdessen ihre Schwerter zurückgesteckt und sich erneut umgesehen. Mit gewisser unausgesprochener Erleichterung erkannten sie das nächste – und wie sie schwer hofften, letzte - Portal. Ohne zu zögern schritten sie hindurch.

Fast unverzüglich spürten sie, wie sich etwas veränderte, ihre Klingen schwerer wurden. Und beiden war klar, dass sie nun wieder Zugriff auf alle magischen Fähigkeiten ihrer Waffen hatten. Sie standen auf einer Wiese, direkt vor ihnen befand sich ein weiteres Portal, das dem sehr ähnlich war, durch das sie auf den Pfad der Prüfungshölle geschickt worden waren. Also konnte es sich nur um den Ausgang handeln.

Wenn man den Anfang schon nicht zerstören konnte ohne sich ungewisse Schwierigkeiten einzuhandeln, sollte das doch für das hier nicht gelten, beschlossen sie in schweigender Einigkeit und zogen erneut. Dem gemeinsamen Angriff konnte das Tor keinen Widerstand leisten und sank mit einer riesigen Staubwolke in sich zusammen.
 

Mit gewissem Erstaunen bemerkten die Hundebrüder, dass sie sich plötzlich in Sichtweite des Tores des Anfanges wiederfanden, der dort wartende Rat sie fassungslos anstarrte – und der Herr der Prüfungshölle sie ebenfalls dort erwartete. Nun ja, also hatten sie es geschafft. Und jetzt gab es da acht Hundeyoukai mit denen sie noch ein größeres Hühnchen zu rupfen hatten.

Hayasa erhob sich gemächlich auf seine vier Pfoten, während er den buchstäblich explosiven Auftritt sachlich kommentierte: „Sie haben also die Prüfungshölle bestanden. Hier kommen die beiden, die ich nicht nur als perfekte Youkai kennengelernt habe, sondern auch als das Synonym für Zerstörung, ja, wandelnde Katastrophen. Viel Spaß mit ihnen. Ich glaube, sie haben hier noch eine Kleinigkeit zu erledigen. - Ich werde shiken jigoku wieder aufbauen, dank euch.“ Es war wohl besser hier nicht im Weg herumzustehen. Er konnte das Ganze auch anders beobachten.
 

Der Rat starrte die Herankommenden an, ohne darauf zu achten, dass sich Hayasa buchstäblich in Luft auflöste. Das deutlich gezeigte Youki der Hundebrüder verriet ihren Zorn – und die Energie war selbst bei dem Hanyou bemerkenswert.

Inabikari ging höflich auf ein Knie nieder: „Willkommen zurück, mein Taishou.“ Das brachte auch die anderen Mitglieder des Rates, selbst Kyuu, dazu sich zu Boden zu begeben. Allerdings fuhr der junge Daiyoukai fort, zu Sesshoumaru aufsehend: „Falls Ihr nicht zu erschöpft seid, wäre es mir eine Ehre mit Euch sogleich um eben diesen Titel zu kämpfen.“

„Ich bin in keinster Weise erschöpft,“ gab Sesshoumaru eisig zurück. Damit hatte er gerechnet. Das bedeutete, er könnte mit den anderen Ratsmitgliedern erst abrechnen, wenn er Inabikari besiegt hatte – sonst könnte man ihm Feigheit unterstellen. Ein Unding.

„Und ich fände es passend, wenn ich dich...Euch, Inuyasha-sama, ins Jenseits befördern könnte,“ ergänzte Kyuu prompt, sich gerade noch auf die Höflichkeit besinnend. Immerhin war dieser Halbmensch mit Bestehen der Prüfungshölle die Nummer Zwei der Hierarchie. Nun, er würde sich an diesem Titel nur kurz erfreuen können. Gegen einen wahren Daiyoukai kam er nicht an, da war sie sicher. Schließlich würde ihm sein großer Bruder in den Proben der shiken jigoku geholfen haben.

„Keh,“ machte der Hanyou sichtbar genervt: „Aber sonst geht es dir gut? - Hör mal, Kyuu, oder wie du heißt, ich, wir sind nicht gerade gut auf euch alle hier zu sprechen, uns auf diesen netten kleinen Höllentrip gesetzt zu haben. Aber ein Duell gegen dich? Ich will dich eigentlich nicht umbringen.“

„Zu feige?“ höhnte sie unverzüglich.

Inuyasha richtete sich etwas auf und nicht nur sein Halbbruder hatte plötzlich das Gefühl, sie seien sich mehr als ähnlich: „Halt einfach die Klappe. Das wäre gesünder für dich. Du hast keine Ahnung, wer ich bin und was ich kann.“

Inabikari fand es noch immer besser, auf Knien zu bleiben und der Rat folgte diesem Beispiel. Jetzt aber wandte er ein: „Kyuu möchte um die Ehre eines Duells mit Euch bitten, auch, wenn sie es ein wenig unglücklich formuliert hat, Inuyasha-sama. Sobald sie gegen Euch verloren hat, und der Taishou mir zustimmt, werden er und ich kämpfen. Sollte ich gegen Euren Halbbruder siegen und Ihr damit ohne Verwandten sein, möchte ich Euch anbieten, mein Bruder zu werden.“ Er bemerkte, dass ihn nun alle anstarrten: „Ich sehe Eure Stärke – aber auch Euer Alter. Ihr seid fast noch ein Welpe und benötigt weitere Anleitung. In Anbetracht der Tatsache, dass Ihr bereits jiken jigoku überlebt habt, gehe ich davon aus, dass Eure Familie Euer beachtliches Potential richtig einschätzte und zunächst, da Ihr ja ein Hanyou seid, die Erziehung auf Kämpfe beschränkte. Ein Hanyou, ja, aber ich wäre bereit zu schwören, dass Ihr der erste und einzige Daihanyou seid, den es je gab. Ich würde mich daher auch um Euer geistiges Potential, Höflichkeit und andere Dinge kümmern. Bis zu dem Tag, an dem Ihr so weit seid, mir ein ebenbürtiger Gegner zu sein. Und dann wäre es mir ein Vergnügen Euch gegenüber zu treten. Natürlich auch, Euch zu töten.“

Die Halbbrüder hörten ihm sprachlos zu, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Inuyasha war schlicht perplex. Das war ja quasi ein Adoptionsantrag? Inabikari ging davon aus, dass er, der Hanyou, ein würdiger Gegner wäre? Allerdings auch davon, dass der Gute Sesshoumaru um die Ecke bringen konnte. Und das deutete eigentlich auf gewisse Selbstüberschätzung hin. Aber dennoch war das irgendwie nett gemeint. Daihanyou, das hörte sich schon mal ganz anders an als Schande der Familie – wobei er zugeben musste, das schon länger nicht um die Ohren bekommen zu haben.

Der Ältere der Halbbrüder spürte in sich einen gewissen Zorn aufsteigen. Was fiel diesem Inabikari denn eigentlich ein? Wieso faselte der etwas von Welpe? Inuyasha war ein Jugendlicher, ja, noch nicht ganz erwachsen, aber doch kein Welpe mehr.

Oder?

Mit gewissem Unbehagen überlegte er zum ersten Mal, wie eigentlich Hanyous alterten. Er war davon ausgegangen, dass es so weiter ging, wie in den ersten Jahren, als Inuyasha wie ein Mensch gewachsen war. Nun gut, die fünfzig Jahre am Baum gebannt hatte er unbeschadet überstanden, aber da war auch Magie am Werk gewesen. Nur – sollte Inabikari recht haben und ein Hanyou alterte nur zunächst wie die menschliche Seite, ehe die dämonische übernahm? Erklärte das zusätzlich zu Myougas Unfähigkeit gewisse Mankos bei seinem Halbbruder? War der eben nicht schon fast erwachsen – sondern eher noch ein Welpe?

Nein. Immerhin war der verheiratet, so arg konnte es nicht sein. Sicher nicht.

Dennoch, so ging das nicht an: „Inabikari, du solltest nicht Dinge planen, zu einem Zeitpunkt, an dem du längst tot bist.“
 

„Mit Verlaub, mein Taishou,“ erwiderte der höflich: „Ich bewundere Euren Halbbruder, das gebe ich zu. Euch selbstverständlich auch, aber gerade, weil ich ebenfalls die Schwelle zum Daiyoukai überwunden habe, kann ich mir vorstellen, dass dies für einen halben Menschen noch schwerer sein muss.“

Er hat Tessaiga, hätte Sesshoumaru um ein Haar gesagt. Aber das wollte er nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, Inuyasha doch nicht antun. Sollte der sich nur in Inabikaris Anbetung sonnen. Das würde nur von kurzer Dauer sein, dann wäre dieser Hanyouverehrer Geschichte. Allerdings war da auch noch Kyuu und ihre Herausforderung.

„Inuyasha.“

„Hm? - Ach du meinst ich solle mir echt diese Kyuu vorknöpfen? Na bitte schön.“ Der Hanyou trat etwas zurück.

Die Hundedame sprang unverzüglich auf: „Natürlich nur, falls die Prüfungshölle nicht zu sehr an dei....Euren Kräften gezehrt hat.“

„Die shiken jigoku ist äußerst nervig, lästig, aber nicht zu anstrengend.“ Er legte die Hand an Tessaiga: „Und für dich reicht es immer.“

Da sich Inabikari erhob taten dies auch die anderen sechs Mitglieder des Rates, nutzen allerdings die Gelegenheit, sich möglichst unauffällig rückwärts aus dem Staub zu machen. Sie alle wussten, wie heftig Kämpfe dieser Art und dieser Macht werden konnten und hegten nicht das geringste Bedürfnis eine Attacke des legendären Tessaiga oder Kyuus abzubekommen.

Sesshoumaru warf dagegen nur einen Blick auf seinen potentiellen Gegner, der seitwärts nickte: „Ich vermute, Taishou, dass Ihr anschließend zu kämpfen wünscht. Ihr werdet mich jederzeit bereit finden. - Darf ich vorschlagen, dass wir dort hinübergehen?“

Höflich und ehrbar war er ja, dachte Sesshoumaru. Warum nur war dieser Idiot ebenso darauf versessen Taishou zu werden wie es schon dessen Vater gewesen war? Sein...ihr eigener Vater hatte ja das Duell gewonnen – warum gaben diese Idioten nicht auf? Was versprachen sie sich denn nur davon? Oder anders gefragt: warum hatte sich Inabikari nicht mit Kyuu auseinander gesetzt und ihn außen vor gelassen? Er hatte nie gegenüber dem Rat oder sonst wem zu erkennen gegeben, dass er Interesse an der Politik hätte. Und das musste er auch nicht, stellte er fest. Die schlichte Tatsache, dass er und Inuyasha die Bluterben waren, hatte Inabikari genügt. Und an ihm war niemand vorbeigekommen. In der Tat, der dachte ehrenhaft, wollte niemanden übervorteilen. Direkt schade, dass er schon bald in der anderen Welt sein würde.

Sesshoumaru ahnte gar nicht, wie recht er hatte.
 

Inuyasha und Kyuu warfen einen unwillkürlichen Blick herum, um zu sehen, wohin die sechs Ratsmitglieder gegangen waren, der eine, um sie nicht aus Versehen zu verletzen, die andere um eine möglichst gute Vorstellung ihrer Macht und Stärke präsentieren zu können. Siegte sie, würde der restliche Rat so oder so nicht mehr an ihr vorbeikommen. Und später würde das Duell gegen den angeschlagenen Gewinner des anderen Kampfes endgültig ihren Platz an der Spitze sichern. Sie zog ihr Schwert. Der Hanyou mochte Tessaiga besitzen, aber es war fraglich, wie gut er damit in Wahrheit umgehen konnte. Es war ein Youkaischwert und diese pflegten mit ihrer Magie durchaus mit ihrem Träger um die Vorherrschaft zu kämpfen, zumal, wenn sie mächtig waren, oder dessen Seele buchstäblich zu zerstören. Bislang schien das bei Inuyasha nicht der Fall zu sein. Also konnte er entweder einigermaßen mit Tessaiga kämpfen – oder aber er wedelte nur damit herum, hatte die Magie noch nicht aktiviert.

Hatte er, stellte sie prompt fest, als er ebenfalls zog und sich die Klinge rasch verbreiterte. Nun, das würde interessant werden.

„Ich hoffe, du hast deinen Gedenkstein schon ausgesucht, Hanyou!“

„Keh! Den brauche ich erst in vielen Jahren. Mal antesten, was du so drauf hast: kaze no kizu!“

Die Windnarbe, also. Kyuu machte einen Satz auf die Seite. Ihr Arm schoss vor und ihre Klinge wickelte sich scheinbar um den energiereichen Angriff, ehe sie ihn zurückwarf und sich ihr Gegner mit einem Sprung in Sicherheit brachte.

„Nicht schlecht für einen Halbmenschen.“

„Nicht schlecht für jemanden mit so einer großen Klappe,“ gab Inuyasha zurück: „Du kannst sie sehen.“

„Das ist doch wirklich kein Problem.“

„Ich weiß.“ Also konnte sie womöglich auch der Bakaryuuha etwas entgegensetzen. Na und? Erstens war das noch auszuprobieren, zweitens besaßen er und Tessaiga noch ganz andere Fähigkeiten und drittens – ja, eigentlich wollte er sie nicht umbringen. Schön, der Rat hatte sie da auf dem Pfad der Höllenprüfung ausgesetzt, aber bis auf wenige Momente war das doch eigentlich nicht so schlimm gewesen und sie hatten das ja anscheinend aus Politik und nicht aus Boshaftigkeit gemacht.

„Kono mae!“ Kyuu hatte nun ihrerseits einen Energieangriff mit dem Namen „das letzte Mal“ gestartet, etwas überrascht, dass der Hanyou nicht auswich. Glaubte er etwa, sie sei so schwach, dass...

„Na also! Bakaryuuha!“

Verdammt, er konnte ihren ersten Angriff zurückwerfen? Nicht schlecht, gab sie noch zu, dann hatte sie alle Hände voll damit zu tun, die verdoppelte Energie beiseite zu schleudern, nicht darauf achtend, dass sich in der Gegend der Rat befand, der eilig wegspringen musste.

„Ich hoffe, dass du noch ein bisschen was mehr auf der Pfanne hast,“ erklärte Inuyasha: „Sonst wird es nämlich langweilig.“

„Es war nur ein Test, Halbmensch!“ knurrte sie.
 

Inabikari hätte um ein Haar genickt. Es war nur ein gegenseitiges Abtasten, aber anscheinend hatte Inuyasha bereits ihre große Schwäche erkannt: ihre Ungeduld. Er reizte sie mit Worten und diesen kleinen Spielereien, denn der Hundeyoukai nahm keinen Moment an, dass das schon alles war, was der jüngere Sohn des verstorbenen Taishou auf Lager hatte. Um sich eine Bestätigung zu holen, warf er einen Blick seitwärts. Sesshoumaru stand regungslos neben ihm und musterte den Kampf – eher gelangweilt. Nun, bei ihrem eigenen Duell würde er sich gewiss nicht langweilen – sie beide nicht.

Diesmal liefen die zwei Gegner aufeinander zu und drückten in einem weiten, letzten Sprung ihre Klingen aneinander, ehe sie landeten. Es war ein reines Kräftemessen, und Inuyasha gab zu, dass er selten einen so starken, weiblichen Widersacher gehabt hatte. Nun, er hatte ja auch kaum gegen weibliche Daiyoukai gefochten – und......

„Mist, was ist das?“ brachte er noch hervor, ehe er erkannte, dass auch Kyuu ihn überrascht, ja, vorwurfsvoll ansah.

Um sie herum war ein schwarzer Kreis im Boden entstanden, der sich rasch vergrößerte, so schnell, dass er auch noch Sesshoumaru und Inabikari erfasste, die zurückspringen wollte, sich allerdings in dem entstehenden schwarzen Wirbel gefangen fanden, ebenso wie Inuyasha und Kyuu.
 

Und dann waren alle vier vor den Augen des verwirrten Rates verschwunden.
 

**
 

Im folgenden Kapitel darf Inabikari eine selten dumme Idee seines Vaters beichten: Der Jahrhundertplan bringt nicht nur die vier Duellanten sondern die Welt in Gefahr.
 

Oder hat jemand von euch geglaubt, wie die Jungs, so etwas ähnliches wie die Hölle sei allein die shiken jigoku?

Der Jahrhundertplan

Sobald sie festen Boden unter den Füßen spürten und den Halbbruder neben sich erkannten, wandten sich die Hundejungen um und musterten die Gegend. Kyuu stellte dabei fest, dass nicht nur sie und Inabikari ignoriert wurden, sondern sich die beiden auch den Rücken zuwandten – deutliches Zeichen des Vertrauens. Aber auch sie betrachtete die scheinbar friedliche Landschaft um sich: Wiesen, bewaldete Hügel, in der Ferne ein kleines Dorf und Felder.

Inabikari holte tief Luft, was Sesshoumaru dazu bewog, zu ihm zu sehen: „Was ist passiert.“ Und darin lag keine Frage.

„Nun, es scheint, der Jahrhundertplan meines verehrten Vaters trat in Aktion. Es war nur nie beabsichtigt, jemand anderen als mich durch die Zeit zu schicken.“

„Das solltest du erklären.“ Der Tonlage nach war das dem Hundeyoukai auch dringend anzuraten.

Inabikari neigte denn höflich den Kopf: „Es tut mir Leid, dass nun auch Ihr, Taishou, Inuyasha-sama und Ratsmitglied Kyuu davon betroffen seid. Wie Ihr Euch wohl erinnert, trafen sich unsere Väter vor langer Zeit, also genau heute, am Fuße des Semiyama mit ihren Gefolgsleuten zu einer Schlacht, die der damalige Taishou gewann. Mein verehrter Vater konnte entkommen – und plante, diesen Ablauf zu verändern. Er wies mich an, jede Ausbildung zu durchlaufen, die er für mich vorsah, und arbeitete an seiner magischen Macht. Bereits, als er den damaligen Taishou zum Bestehen der Höllenprüfung und dem Duell am schwarzen Turm forderte, wusste er, dass sein Plan am Laufen war, gleich, wie der Kampf dort ausgehen würde. Nun bin ich hier und kann ihm, wie er befahl, zur Seite stehen. Und er wird siegen.“

„Keh!“ machte Inuyasha prompt. Was für ein hinterhältiger Plan: mit der Zukunft zu spielen, um doch noch zu gewinnen: „Und du glaubst ehrlich, ich stehe hier herum und drehe Däumchen, während du gegen meinen Vater kämpfst? Unseren Vater?“ korrigierte er sich eilig, um nicht den gleichen Fehler wie sein Halbbruder zu begehen.

Inabikari zuckte ein wenig die Schultern: „Das war so nicht geplant, aber ich habe wenig Zweifel, dass dann eben das Duell zwischen mir und Euch, Sesshoumaru-sama, auf dem Schlachtfeld stattfinden wird. - Ihr entschuldigt mich. Ich muss meinem verehrten Vater gehorsam sein.“

„Das wirst du nicht!“

Diese unbekannte Stimme scheinbar aus dem Nichts bewog die drei Daiyoukai und den einzigen Hanyou die Köpfe zu drehen. Ein Mann, vielleicht Mitte der Dreißig scheinend, in vornehmer Garderobe erschien und näherte sich langsam, sichtlich wütend. Selbst Inuyasha spürte das Genki, die göttliche Energie.

„Ich verstehe nicht ganz,“ erklärte Inabikari jedoch: „Der Befehl meines Vaters....“

„Ist mir voll und ganz gleichgültig. Er ist ein Vollidiot. Wie konnte er es wagen, heimlich mit der Zeit herumzuspielen, ja, sie zu manipulieren, und das auch noch so stümperhaft, dass ihr nun zu viert hier seid? Die Zeit ist der Same des Universums, die Grundlage dieser Welt!“ Der Unbekannte holte tief Atem: „Bedauerlicherweise ist das meine Verantwortung und ich kann jetzt zusehen, wie ich die Schöpfung meiner Eltern rette und euch alle vier wieder in eure Zeit zurückbringe. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ihr euch selbst hier über den Weg lauft. Womöglich wird ein Paradoxon ausgelöst und die Zeit bleibt stehen. Damit wäre die Welt zerstört.“

„Tsukiyomi-sama....“ Sesshoumaru verriet damit, dass er den Gott der Zeit und des Mondes erkannt hatte: „Ihr kennt einen Weg zurück?“

„Nicht direkt. - So etwas ist noch nie passiert. Es dürfen jetzt einige Dinge nicht passieren, hörst du, Inabikari? Unter keinen Umständen. Ihr dürft weder euren Väter noch euch selbst begegnen, ihr dürft niemanden in dieser Zeit töten...“ Das galt Sesshoumaru und Inuyasha: „Und ihr habt zuzusehen, dass ihr so rasch wie möglich hier wieder verschwindet. Also geht ihr alle vier zum Berg der Hexe Aoi, dem Nishisaki, den ihr wohl alle kennt. Sie hat schon öfter für mich gearbeitet. Bis ihr dort anlangt habe ich hoffentlich eine Lösung. Oh, und ihr geht zu Fuß. Kein Portal, kein Fliegen, da ihr sonst auffallt. Falls sich jemand nicht an meine Anweisungen hält, lade ich ihn höchstpersönlich zu einem Grillfest bei meiner verehrten Mutter ein.“ Er verschwand.

„Seine Mutter?“ Inuyasha dachte kurz aber umso schärfer nach, schließlich wollte er sich nicht vor gleich drei Daiyoukai blamieren, ehe er die Lösung hatte: „Sie ist doch die Herrin der Unterwelt?“

„Und die Schöpfergöttin, ja.“ Inabikari atmete tief durch: „Ich muss meinem Vater doch gehorsam sein....“

„Nicht um den Preis, dass die Welt aufhört zu bestehen.“ Sesshoumaru wandte sich um, sicher, dass ihm die anderen folgen würden – und, dass sein Halbbruder unverzüglich an seine Seite kommen würde. Gleich, wie loyal Inabikari zu seinem Vater stand, er war klug genug, um zu wissen, dass der Gott der Zeit nicht erschien, um einen Witz zu machen. Sie mussten zum Nishisaki, um mit der Hexe zu sprechen. Und das nach dem Gang durch die Prüfungshölle. Nein, heute war nicht sein Tag. Er ertappte sich allerdings bei dem Gedanken, dass es wohl auch nicht gerade Inuyashas war. So oder so war heute ein guter Tag zum Sterben.
 

Ohne jeden Zwischenfall erreichte das ungleiche Quartett den Berg Nishisaki, der wie ein steiler Vorposten vor der Gebirgskette aufragte.

„Was ist das denn?“ erkundigte sich Inuyasha bei niemand bestimmten. Das Tal vor ihnen, das sie direkt zu dem Berg der Hexe führen sollte, war in dichten, schwarzen Nebel gehüllt.

Sesshoumaru blieb statt einer Antwort stehen. Das vor ihnen war Magie, eine der übelsten Sorte. Inabikari und Kyuu, die sich höflich hinter den Hundebrüdern gehalten hatten, es sogar schweigend nebeneinander ausgehalten hatten, schlossen auf.

„Kein gewöhnlicher Bannkreis,“ sagte die Hundedame sachlich.

„Nein,“ bestätigte Inabikari: „Das ist nicht nur ein schützender Zauber, Taishou, wie Ihr sicher selbst seht,“ ergänzte er hastig.

Sesshoumaru warf ihm einen kühlen Blick zu. Er schätzte es in keinster Weise, wenn ihm andere zuvorkamen, gleich, bei was. Nur, um in die andere Richtung zu sehen, wo sein Halbbruder gerade konstatierte:

„Im Zweifel verjage ich den Nebel mit meinem roten Tessaiga.“

„Das wird nicht gehen.“ Kyuu hätte sich eher die Zunge abgebissen, als den Halbmenschen mit der ihm eigentlich zustehenden Höflichkeit anzusprechen.

Der Hanyou sah sie prompt an: „Du traust mir echt nichts zu, hm?“

Inabikari griff lieber ein. Wenn er Klärung haben wollte, wie er doch noch seinem Vater helfen konnte ohne sich gleich mit den ranghöchsten Göttern anzulegen, brauchte er den Rat der Hexe. Und im Zweifel sollten sie dort zu viert ankommen: „Ich bin sicher, Inuyasha-sama, Rats...Kyuu wollte Euch nicht beleidigen. Aber das dort ist Todesmagie.“

„Das ist völlig egal, was das ist. Wenn wir zu der Hexe wollen, um hier wieder wegzukommen, müssen wir eben da durch, oder, nii-san?“

Sesshoumaru wusste nicht, ob er über die höfliche Anrede, zumal vor den anderen beiden Daiyoukai, angetan sein sollte, oder seinem kleinen Bruder wegen seiner vorlauten Art mit der Faust antworten sollte. Tenseiga enthob ihn einer Erwiderung, denn es begann zu pulsieren. Unwillkürlich legte er die Linke an den Griff. Natürlich. Das Schwert des Himmels würde ihnen hier helfen. Es war nur die Frage, ob allein er oder sie alle in den schützenden Bannkreis gelangen konnten. Aber Inuyasha hatte tatsächlich Recht. Sie mussten da durch – oder sie wären allesamt nicht nur in der Unterwelt, sondern überdies bei einer über die Gefährdung ihrer Schöpfung aufgebrachten Göttin. Auch, wenn er zugab, dass er sich gern bei Inabikaris Vater für diese kleine Reise bedankt hätte oder wenigstens seinem eigenen geholfen hätte – der Herr der Zeit war niemand, dem man widersprechen sollte. „Gehen wir.“ Immerhin würde sein verehrter Vater diesen Idioten von ehrgeizigen Hundeyoukai im Duell töten.
 

Die Vierergruppe blieb erneut stehen, als sie keine zweihundert Schritte mehr vor der geheimnisvollen schwarzen Nebelwand waren. Dunst drehte sich dort, schwarz in der Schwärze und die eiskalte Ausstrahlung war nun deutlich zu spüren – eine Warnung an alles Lebendige, sich hier fernzuhalten.

„Die Hexe scheint keine Gäste zu wollen,“ stellte der Hanyou fest.

Sinnloserweise, wie alle drei Hundeyoukai fanden, aber sie schwiegen und betrachteten die sich drehenden Nebel in der Dunkelheit. Sesshoumaru spürte nur zu deutlich, wie Tenseiga pulsierte und wusste, er würde sich auf dieses Schwert auch dort verlassen können. Und das Andere – nun, jeder würde wohl selbst versuchen müssen, hindurch zu gelangen. Er bemerkte, wie Inuyasha nach Tessaiga griff, erkannte dann dessen Leuchten. Auch dieses Schwert würde seinen Träger schützen.

„So´unga,“ meinte der Hanyou und sah zu seinem Halbbruder. Das Höllenschwert hatten sie mit einer gemeinsamen Attacke geschafft – da sollte so ein Nebel doch auch zu beseitigen sein.

„So´unga?“ warf Inabikari ein: „Keiner von Euch trägt das magische Schwert Eures Vaters...Wo ist es?“ Das war doch eigentlich wirklich keine Sache, die man aus der Hand legen sollte: „Ich dachte, nur jemand aus Eurer Familie kann es tragen.“

„So ist es.“ Sesshoumaru klang eisig, daran erinnernd, wer hier der Ranghöchste war.

Inuyasha war hilfsbereiter - und an Protokoll desinteressierter: „So´unga ist in der Unterwelt.“

„Aber wer...?“ begann Kyuu, ehe sie lieber schwieg.

Der Hanyou zuckte denn auch schlicht die Schultern: „Wir haben das dämliche Teil versiegelt, ehe es noch mehr anstellt.“

Die beiden Ratsmitglieder bezweifelten nicht, auf wen sich das „wir“ bezog, und blickten nur fragend zu Sesshoumaru. Dieser hatte noch nicht auf den Namen des Höllenschwertes reagiert – und damit auf den Vorschlag seines Halbbruders.

Jetzt sagte er: „Nein.“ Nun ja, er sollte es diesem, Magie so unkundigen, Halbhund wirklich erklären – und sich die Strafe für Myouga aufheben: „Das hier ist ein Todeszauber. Nicht der der Unterwelt.“

Schade, dachte der Hanyou, aber er wusste, dass er weniger Ahnung von Magie hatte. Immerhin konnte er sicher sein, dass ihn Tessaigas Bannkreis schützen würde. Wenigstens war es ihm erklärt worden. Er sollte wirklich bei der „großer-Bruder“ - Anrede bleiben, wenn sich Sesshoumaru schon so bemühte nett zu sein. Der Weg durch die shiken jigoku schien da Wunder gewirkt zu haben. Er bedachte nicht, dass auch er offener geworden war, bereiter, sich der Führung des Älteren zu überlassen.

Ohne weiteres Wort traten die beiden Hundebrüder direkt vor die schwarze, eiskalte Nebelwand. Inabikari hielt sich hinter seinem Taishou, Kyuu folglich hinter dem Hanyou, was ihr demonstrativ unter die Nase rieb, dass sich ihr Ratskollege für ranghöher hielt. Und die impulsive Hundedame musste sich klar machen, dass im Zweifel alle drei anderen auf sie losgehen würden – und, dass sie hier vor einem ganz anderen Problem stand, einem elementaren.
 

Nur wenige Sekunden, nachdem die Vier den schwarzen Dunst betreten hatten, war es um sie so dunkel, dass selbst Youkaiaugen nicht mehr ihren Nachbarn wahrnehmen konnten. Die Luft war nicht feucht, aber dennoch auf unheimliche Weise klamm, schien wie eine Wand vor ihnen zu sein. Kein Windhauch war zu spüren, kein Laut war zu hören. Aber die Kälte des Todes umhüllte sie, als sie weitergingen, drang mit dem Nebel durch die Kleidung, schien sich durch die Haut zu fressen. Sie hatten keine Ahnung, wie viele Schritte sie schon in dieser Nebelwand gelaufen waren, als selbst die Youkai das Gefühl hatten, bis auf die Knochen durchgefroren zu sein, eine Empfindung, die ihnen gewöhnlich fremd war.

Inuyasha spürte, dass er zitterte, nicht vor realer Kälte. Er wusste, dass sie hier in etwas gegangen waren, hinter dem die Einsamkeit des Todes lauerte, und verdrängte Ängste stiegen in ihm auf. Das hier war die Vorankündigung einer Welt, die eines Tages auch ihn erfassen würde. Tessaiga an seiner Hüfte begann zu pulsieren und er griff Halt suchend hin, spürte seine Klinge, seinen Partner in so vielen Kämpfen. Ja. Eines Tages würde er sterben, wie alles, aber dieser Tag war noch weit entfernt.

Kyuu spürte zum ersten Mal in ihrem Leben Todesangst. Bislang hatte sie, ebenso wie der neben ihr gehende Inabikari schlicht angenommen, dass dies nichts sei, das für sie gelte und nun...Es war so real, dass sie sich fragten wie sie je hatten vergessen können, dass sie mächtige, aber nicht unsterbliche Lebewesen seien.

Die Dunkelheit, Lautlosigkeit und die Kälte stumpften die Sinne ab, der Kopf wurde leer. Alles war gleich geworden. Übrig blieb nur eine ungeheure Müdigkeit, das Bedürfnis, einschlafen zu wollen. Noch fünf Schritte weiter und sie ließ sich zu Boden sinken, direkt neben ihren Ratskollegen.
 

Auch Sesshoumaru war der Kälte und Einsamkeit des Todesnebels fast erlegen, aber das schmerzhafte Pulsieren Tenseigas hielt ihn bei klarem Bewusstsein. Überdies war er schon in der Nähe des Todes gewesen, in jenem Kampf, der ihm seinen linken Arm wiedergegeben und Bakusaiga geschenkt hatte. Da hatte er sich nicht gebeugt und er tat es auch hier nicht...

„He, nii-san? Sesshoumaru?“ drang es irgendwo rechts von ihm aus der Schwärze: „Ich glaube, Kyuu und Inabikari ist was passiert....“

„Inuyasha.“ Bis zu diesem Moment hatte er vollkommen vergessen gehabt, dass er in Begleitung gewesen war. Was tat dieser Zauber selbst mit Daiyoukai?

Im nächsten Moment spürte er eine Berührung, dann hielt sein Halbbruder seine Hand:

„Ich hörte etwas fallen,“ berichtete Inuyasha, froh, wenigstens etwas zu fühlen, wenn er schon nichts sah. Tessaiga freilich schmerzte fast, aber das war nur gut, hielt ihn bei Bewusstsein: „Wir müssen sie suchen.“

„Rufe sie.“

„Ach, und warum du nicht? Oh, ich vergaß, der Taishou, hm? - He, Kyuu, Inabikari? Hallo?“ Sie waren doch direkt hinter ihnen gewesen? Aber irgendwie musste es dieser dämliche Nebel geschafft haben, sie zu überrumpeln. Nun ja, sie hatten wohl keine solchen Schwerter wie sie: „Kyuu? Inabikari?“

Keine Antwort. Auf die Nase konnte man sich hier nicht verlassen. So bückte sich der Hanyou und tastete, wohlweislich allerdings ohne Sesshoumaru loszulassen, der das schweigend duldete. Es war notwendig, da hatten Gefühle keinen Platz. Falls sie nicht zu viert bei der Hexe erschienen, war ihnen vermutlich der Zorn Tsukiyomis sicher – und das unverzügliche Zusammentreffen mit der Totengöttin.

„Hier ist Inabikari..und hier Kyuu....sie sind anscheinend bewusstlos.“

„Weck sie mit der Windnarbe.“

„Wie...?“ Na schön. Das waren immerhin Daiyoukai und er musste ja nicht gerade einen Volltreffer landen. So zog er, hielt allerdings nach wie vor Händchen.
 

Sesshoumaru behielt Recht. Er kannte seinen Halbbruder gut genug, um zu wissen, dass der daneben zielen würde. Aber auch die Ausläufer taten weh und der brennende Schmerz weckte die beiden. „Steht auf!“ befahl er scharf.

Die Ratsmitglieder begriffen. Sie waren eingeschlafen, hatten versagt, gegen diesen Todesnebel verloren.

„Verzeiht, Taishou.“ Inabikari stand bereits und suchte. Selbst auf diese Distanz konnte er die Hundebrüder vor sich weder sehen noch wittern.

Auch Kyuu sprang auf die Beine: „Verzeiht...“ sagte sie ebenfalls, verärgert, dass anscheinend ausgerechnet der Halbmensch ebenfalls noch stand. Dessen Angriff war von oben gekommen. Stimmte es doch, waren Männer einfach stärker? Aber auch Inabikari schien zu Boden gegangen zu sein.

„Gehen wir.“

Sesshoumaru entzog nun doch seine Finger denen des Hanyou, als er sich umdrehte.
 

Und dann standen sie vor der Nebelwand. Der Dunst endete so plötzlich, wie er begonnen hatte. Aber ohne, dass sie es bemerkt hatten, mussten sie den Anstieg bewältigt haben. Oder war auch hier Magie im Spiel?

Vor ihnen befand sich eine steile Felswand, in der ein Spalt in das Innere führte. Alle Vier witterten dort seltsames Gebräu, Rauch und eine Person. Keiner bezweifelte, dass es sich um die Höhle der Hexe Aoi handeln musste. Hoffentlich konnte diese ihnen weiterhelfen.

Ohne sichtbares Zögern setzte sich Sesshoumaru wieder in Bewegung. Der Spalt war nicht groß genug um nebeneinander zu gehen und so betraten sie hintereinander die Grotte, die Hundebrüder voran und Kyuu zu ihrem Ärger als letzte.

Dort öffnete sich eine von Öllampen erleuchtete fast kreisrunde Höhle. In deren Mitte befand sich ein steinerner Tisch, über dem eine leuchtende Kugel schwebte. Die alte Frau, die dahinter saß, blickte auf. Sie war fast vollständig in weite Gewänder gehüllt, trug ihr Haar allerdings offen.

„Ahja, die Chaotenbrüder samt Anhang.“

Das war keine Begrüßung, die ihre unwilligen Besucher freundlich stimmte.

Aoi fuhr ungerührt fort: „Ihr seid also schnell durch meinen Nebel gekommen, Respekt. Das schaffen selbst Daiyoukai in aller Regel nicht ohne Weiteres. Nun, wie mir mein Gebieter mitteilte, seid ihr kurz davor die gesamte Welt zu ruinieren. Darum müsst ihr unverzüglich zurück in eure Zeit. - Ich werde euch den Weg sagen, aber das wird nicht einfach.“ Da sie alle vier schweigend ansahen: „Ich vermute, dass selbst ihr einen geknüpften Teppich kennt. Die eine Seite und die andere sind vollkommen unterschiedlich, aber sie bedingen sich. Löst man auf einer Seite die Webarbeit ist alles zerstört. So.“ Sie stand auf: „Wir befinden uns auf der einen Seite des Teppichs. Ein verdammter Narr – ah, das war also dein Vater – hat es geschafft, den Teppich zu biegen, in dem er ihn verdrehte. Durch Magie hat er es solcherart vermocht euch hierher zu bringen. Das Problem ist nun, dass es keine Möglichkeit gibt, euch auf dieser Seite des Teppichs zurückzusenden. Alles, was ich mit Hilfe meines Gebieters tun kann, ist, euch auf die Rückseite des Teppichs zu schicken. Das ist eine andere Welt, keine, die der unseren entspricht. Selbst die Götter wissen nicht, was dort ist. Alles, was ich euch mitgeben kann ist, dass ihr dort immer gen Mitternacht gehen müsst. Tsukiyomi-sama wird derweil versuchen, in eurer Zeit einen Ausgang erschaffen zu lassen, ebenso, wie er mir hier hilft. Dort drüben seid ihr jedenfalls auf euch gestellt. Noch Fragen?“

Die Halbbrüder blickten sich an: sollte etwa die Prüfungshölle gerade ein Training für das gewesen sein?

Inabikari dagegen fragte: „Dann gibt es keine Möglichkeit, wie ich meinem Vater helfen kann? Sein Befehl...“

„Er ist oder war ein Vollidiot. Die Zeit ist nichts, mit dem man spielen sollte. Geh doch, und hilf ihm. Du handelst dir nur Ärger mit den ganz Großen ein.“ Die Hexe sah zu Sesshoumaru: „Du hier scheinst ja der Anführer zu sein. Immerhin hast du als einziger diesen großen Schwanz.“

Diese Titulierung der Boa entlockte Inuyasha ein Grinsen, die drei Hundeyoukai erstarrten, wenngleich möglichst unmerklich. Immerhin war das ein legendäres Rangabzeichen, das weder Inabikari noch Kyuu ohne den Titel des Taishou zu tragen gewagt hätten.

„Also: ich öffne jetzt das Portal und ihr geht hindurch. Dann immer nach Mitternacht – Norden, sagt ihr wohl. Irgendwann werdet ihr den Ausgang finden, wenn der Herr jemanden auftreibt, der ihn zu öffnen vermag.“

Sie wandte sich um und trat zu einem Regal an der Höhlenwand, auf dem allerlei Tiegel und Töpfe standen. Ohne, dass sie etwas sonst getan hätte, schwenkte das Regal beiseite und zeigte im Stein ein schwarzes Portal. Darin schimmerte es wie Goldflitter.

Die Hundebrüder fühlten sich erneut an shiken jigoku erinnert und gingen los. Die Ratsmitglieder, die sich nicht der Feigheit zeihen lassen wollten, folgten unverzüglich.

Erst, als das Hundequartett verschwunden war, fiel Aoi auf, dass ihre Besucher kaum ein Wort verloren hatten. Na, ob das gut gehen würde? Wenn nicht, so hatte ihr der Herr gesagt, würde die Zeit aufhören zu existieren. Aber er konnte sie weder begleiten noch dort drüben eingreifen. Mit gewissem Seufzen setzte sie sich wieder an ihre Glaskugel. Leider würde sie selbst damit kaum zusehen können.
 

**
 

Das Quartett - und ihr - werdet es erleben: im nächsten Kapitel geht es um Pilze und andere Wälder...
 

bye
 

hotep

Pilze und andere Wälder

Die Welt, in der sie landeten, überraschte die drei Daiyoukai ebenso wie den Hanyou.

Sie schwebten scheinbar in einer dunklen Nacht, umgeben von riesigen runden, leuchtenden Gebilden, die Inuyasha an die Bälle erinnerte, mit denen Souta, Kagomes Bruder gespielt hatte: Luftballons. Sowohl er als auch Sesshoumaru waren auf den lautlos durch die Luft gleitenden Bällen gelandet und standen dort, während sie die Gegend betrachteten, zur Sicherheit die Hand am Schwert.

Inabikari und Kyuu folgten dem Beispiel, nachdem sie zuerst schweben geblieben waren, etwas ärgerlich, ohne es freilich zu zeigen, dass sie offfenbar nicht die Nerven wie die Hundebrüder besaßen, die diese fremde Umgebung anscheinend für völlig normal hielten. Ob das an den Abenteuern in der shiken jigoku lag? Nun, die Prüfungshölle sollten sie wohl besser nicht erwähnen, die beiden daran erinnern, wer ihnen die letzten Mühen und Gefahren aufgehalst hatte. Immerhin hatten die Zwei sie jetzt hier mitgenommen, und beide Hunderatsmitglieder schworen sich, dass sie ihnen beweisen würden, dass sie dessen würdig waren, ja, mehr.

Sesshoumaru sah sich nach einem Ende dieser Gegend um, einem Portal oder auch einem Widersacher, während Inuyasha mehr nach einem Boden Ausschau hielt. Auf solch wackeligem Untergrund zu stehen, war nicht seine Sache. Immerhin konnte er nicht fliegen und er war heilfroh, dass er sicher auf diesen eigenartigen fliegenden Kugeln hatte landen zu können. Nur kurz darauf entdeckte er unter sich in der Dämmerung seltsame Gebilde,noch einmal darunter etwas wie Sand. Ohne Zögern sprang er hinab, um sich dort umzusehen.

Das war mit Sicherheit der seltsamste Wald, in dem er je gewesen war, den der Todesseile eingeschlossen. Das waren doch keine Bäume, eher Pilze. Und von deren Hüten stiegen anscheinend diese Luftballons auf. Etwas anderes gab es hier nicht. Oder waren die Bälle ganz etwas anderes? Er sah empor: „ He, nii-san, hier ist Sandboden. Keine Lebewesen.“

Sesshoumaru folgte unverzüglich dem Hinweis, mit dem Gedanken, dass das für seinen Halbbruder eine erstaunlich sachliche Meldung gewesen war. Lernte der dazu? Nur dadurch, dass er mit ihm unterwegs war statt mit diesem törichten Flohgeist?

Fliegen können hin oder her, auf dem Boden war es doch angenehmer. Er betrachtete die Gebilde über sich, die gut zehn Meter in die Höhe ragten. Pilze? Mit seltsamen Kugeln? Wie eigenartig. Aber das spielte keine Rolle. Sie mussten sich nach Norden halten, wollten sie dieser Welt wieder entkommen. Er bemerkte zufrieden,dass die anderen beiden Hundeyoukai ihm unverzüglich gefolgt waren. Das würde die Sache doch erleichtern, wenn Inabikari und Kyuu nicht in dieser anderen Welt einen Kampf um den Rang vom Zaun brechen wollten. Nicht, dass er daran gezweifelt hatte, zu gewinnen, aber womöglich mussten sie zu viert hier wieder herauskommen, wenn sie so hereingegangen waren, um nicht die Zeit in Unordnung zu bringen oder Ärgeres.

Kyuu holte tief Atem, witterte so prüfend, dass Sesshoumaru sie ansah. War hier etwas? Er kannte sie kaum, aber er wusste, sie wollte Taishou werden. Entweder war sie zu sehr von sich überzeugt oder aber sie besaß besondere Fähigkeiten.

Sie verstand die Aufforderung und hob etwas den Finger. Ein leuchtender Punkt erschien, der unverzüglich empor loderte. Hastig schüttelte sie die Hand, um den Funken zu löschen. „Die Luft hier enthält sehr viel Atemluft, wie man es nennt. Feuer würden hier rasch aufflammen.“

Inuyasha bewies sofort, dass seine Lernstunden bei Kagome in der Zukunft mit Mathe und Physik – oder genauer gesagt die ihren, während er dabei gesessen war - nicht umsonst gewesen waren: „Sauerstoff? Dann können wir hier keine Energieangriffe einsetzen ohne alles abzufackeln.“

Kyuu war erstaunt, dass ihre mühsam erworbenen wissenschaftlichen Kenntnisse ausgerechnet von einem Halbmenschen verstanden wurden: „Ja, das wäre mein Vorschlag,“ meinte sie höflich, jedoch an ihren Anführer gewandt.

Sesshoumaru drehte sich um, um weiterzugehen. Das war ärgerlich, aber er nahm nicht an, dass sich Kyuu irren würde. Und er war sicher, sein kleiner Halbbruder hätte sich eher selbst sonst was angetan, als sich vor ihm erneut zu blamieren. Vor den anderen beiden ganz zu schweigen. Keine Energieangriffe, also. Aber dieses seltsame Land unter den Pilzen schien lebensleer zu sein. Was nur bedeutete, dass man im Moment weder etwas sehen noch wittern noch hören konnte, nicht, dass hier nichts wäre. Schon der Herr der Zeit und auch die Hexe hatten darauf hingewiesen,dass hier nichts so wäre wie in ihrer Welt. Dann war das im Moment lästiger als die Prüfungshölle. Hayasa hatte sie nach seinen Vorstellungen erschaffen, aber er war ein Wesen der realen Welt, nun, von der anderen Seite des Teppichs, wie es der Herr der Zeit genannt hatte, wie sie auch. Hier mochten alle ihre Sinne, ihre Möglichkeiten mehr als beschränkt sein.

Während Inuyasha sofort an die linke Seite seines Halbbruders sprang, sah Inabikari zu seiner Ratskollegin: „Ihr überrascht mich, teure Kyuu. Ich hätte Euch solche intellektuellen Kenntnisse gar nicht zugetraut.“

„Ohne Zweifel, weil ich eine Frau bin, lieber Inabikari?“ Sie nahm mit gewisser Bitterkeit wahr, dass er ihr nicht mehr ihren Titel zubilligte. Nun, das konnte sie auch.

„Nein.“ Er war zu ehrlich: „Aufgrund Eures Temperaments hätte ich Euch solche Geduld zum Lernen nicht zugetraut. Nun, ich bin neugierig, welche anderen Fähigkeiten Ihr mir zeigen werdet auf dieser Reise.“

„Keine!“ fauchte sie. Mist! Jetzt würde er bei einem Kampf wissen, dass sie wissenschaftliche Grundkenntnisse besaß. Sie musste höllisch aufpassen, ihm nicht noch weitere Hinweise zu liefern, sonst wurde das Duell, das sie mit Überraschungen zu gewinnen gedachte, nur schwerer. Das galt ebenso für diese Halbbrüder vor ihr. Immerhin hatte auch Inuyasha gerade bewiesen, dass er nicht der vollkommene Trottel war, für den sie ihn bislang gehalten hatte. Da sollte sie auch wachsam sein und lernen, was er sonst noch konnte. Nicht, dass auf einmal sie selbst im Kampf die bösen Überraschungen erleben würde. Das Duell gegen Inabikari oder Sesshoumaru würde schwer genug werden und sie an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit treiben, das war ihr bewusst. Umso wichtiger war es, dass sie mit dem Hanyou rasch zu Rande kam.
 

Die vorangehenden Hundebrüder blickten erneut um sich, suchten in der immer schwerer zu atmenden Luft nach Andeutungen von Leben. Etwas stimmte hier nicht, da waren sie sicher – und ihr Maßstab war der Wald der Todesseile. Auch dort war kein Lebewesen zu sehen gewesen, zu Recht.

Irgendetwas legte die Gedanken lahm, lenkte ab und sorgte dafür, dass die Konzentration nachließ. War es doch der erhöhte Sauerstoffwert der Luft oder diese scheinbar so bunten und harmlosen Ballons, die oben über den Pilzen schwebten?

Im nächsten Moment streckte Sesshoumaru seinen linken Arm aus.

Inuyasha prallte mit der Brust dagegen. Noch ehe er sich zur Rebellion aufraffen konnte – und der Kommentar wäre sicher nicht nett geworden - bemerkte er den Blitz, der knapp vor ihnen zwischen zwei Pilzen zuckte. „Ja, so ein Mist....“ Danke, nii-san, hätte er doch nicht sagen können, sschon gar nicht vor den anderen beiden.

„Sie haben uns entdeckt.“ Inabikaris Kommentar bewog Sesshoumaru dazu, sich umzudrehen, zumal der fortfuhr: „Was nun, Taishou?“

Hä? dachte Inuyasha, ehe er begriff, dass die einzigen Lebewesen dieses Waldes in der Tat die Pilze waren – und die jagten anscheinend mit den Blitzen.

Auch Sesshoumaru hatte verstanden. Aber die Frage: was nun, kam ihm so unbekannt vor. Sicher, Jaken fragte das auch, aber von anderen Daiyoukai so abwartend angesehen zu werden, fühlte sich anders an. Er hatte nie Wert auf den Titel oder das Amt gelegt und in diesem Moment wusste er auch warum. Ja, was nun? Der Einzige, von dem eine Idee kommen konnte, war noch ausgerechnet sein kleiner, ahnungsloser Hanyoubruder, die anderen beiden würden garantiert den Mund halten. Für andere verantwortlich zu sein fühlte sich in der Tat so mies an, wie er es schon immer erwartet hatte. Und hier war kein Jaken, dem er dann die Schuld geben konnte...

Moment mal. Was hatten Inuyasha und Kyuu da von sich gegeben? Keine Energieangriffe, denn irgendein Stoff in der Luft würde für Feuer sorgen? Aber, wenn diese Pilze dann so jagten...?

Er überprüfte die Luft, auf der Suche nach einem winzigen Molekül, dass sowohl seine Ahnung als auch die Aussage der beiden bestätigen könnte. Schmoren. Ja. Irgendwo in den Pilzen schmorte es. Unverzüglich sprang er wieder empor auf die schwebenden Bälle. Dort unten würde es mit Sicherheit gleich ungemütlich werden.

Zu seiner gewissen Befriedigung war sein Halbbruder ihm praktisch unverzüglich gefolgt, die beiden Ratsmitglieder brauchten etwas länger. Im nächsten Moment flammten unter ihnen auch die beiden Pilze zu einer überaus hitzigen Fackel auf, loderten kurz und fielen zu einem Häufchen Asche zusammen – nicht, allerdings, ohne ähnlich bunte Kugeln freizugeben, wie die, auf denen sie standen. Das waren anscheinend die Nachfolger. Sobald ein Pilz jagte, starb er – und setzte die Sporen frei. Das ließ nur die Frage offen: von was lebten diese?
 

„Wir sollten hier nicht rumstehen, nii-san,“ kam es von Inuyasha, der als einziger keine Schuhe trug: „Diese Luftballone sind irgendwie ätzend.“

Auch, wenn der ihm vorgegriffen hatte, so stimmte das und Sesshoumaru sprang schweigend weiter, von einem dieser Bälle zum anderen, immer weiter Richtung Norden, gefolgt von den anderen dreien, in der mittlerweile bekannten Reihenfolge. Kyuu hatte allerdings vor, das bald zu ändern. Der Kampf gegen Inabikari und Sesshoumaru mochte in der unbekannten Welt riskant sein, aber sie hatte inzwischen einen Schluss gezogen: der Hanyou konnte bloß so mächtig sein, weil er die legendäre Klinge Tessaiga trug. Ohne die war er eben nur ein Halbmensch. Und mit dem konnte sie leicht fertig werden. Alles, was sie tun musste, war, dieses Schwert an sich zu bringen.
 

Endlich entdeckten sie vor sich das nächste Portal und das Quartett sprang ohne zu Zögern hindurch. Also war dieser Pilzwald nur eine Zwischenwelt gewesen und sie waren wohl nun in Wahrheit auf der anderen Seite angelangt.

Sie befanden sich in einem Wald, wie sie ihn eigentlich alle kannten. Bäume, Unterholz, die Witterung nach einzelnen Tieren, auch, wenn sie die Gerüche nicht so ohne weiteres einordnen konnten. Auf jeden Fall roch es hier nicht nach Fleischfresser. Und diese Witterung war so eindeutig, dass sie sich doch auch in dieser fremden Welt nicht großartig ändern sollte.

Sesshoumaru bemerkte etwas entnervt, dass alle ihn ansahen. Wirklich, wie konnte man nur nach dem Amt eines Taishou streben? War das Vater auch so ergangen? Er entsann sich diverser Boten, die gekommen waren, dass man ihn dann zu Mutter oder weggeschickt hatte...ja, doch. Es musste sogar eher noch ärger gewesen sein, schließlich gab es Kriege und viel mehr als bloß diese drei Anhängsel. Und er hatte immer schon geglaubt Jaken wäre lästig. Rin war es dagegen nie. Sie gab sich Mühe im Rahmen ihrer Möglichkeiten und....ja, schon gut, gab er zähneknirschend zu. Das tat auch Inuyasha, das hatte er in den Kämpfen gegen Naraku und nicht zuletzt in der Prüfungshölle bewiesen, und die anderen beiden sollten besser zusehen, dass sie das ebenfalls erreichten, ehe er selbst die Geduld mit ihnen verlor. Nein, heute war nicht sein Tag und der Nächste, der ihm in die Quere kam, würde schnurstracks im Jenseits landen.

Ohne weiteres Wort setzte er sich in Bewegung, Richtung Norden. Die Himmelsrichtungen zu bestimmen war selbst hier kein Problem für einen Youkai, geschweige denn für sie. Auch Inuyasha besaß diese Fähigkeit.
 

Irgendwann blieben die vorangehenden Hundebrüder abrupt stehen und blickten sich um. Ihre beiden Begleiter stoppten vorsorglich ebenfalls.

„Was ist?“ erkundigte sich Kyuu prompt und kassierte einen ungläubigen Blick ihres Nachbarn:

„Meine teure Kyuu, ich hielt Euch für impulsiv aber nicht für taub.“

„Dann erklärt mir, mein teurer Inabikari, was sich hier gerade geändert hat. Ich höre noch immer nur die Waldgeräusche.“ Sie bemerkte durchaus den kurzen Seitenblick Sesshoumarus, der ihr galt. Hörten die drei männlichen Wesen etwas, das ihr entging? Eigenartig. „Was hört ihr?“ fragte sie nochmals.

„Da singt jemand.“ Inuyasha war zu hilfsbereit, um sie dumm sterben zu lassen. Er wusste nur zu gut wie es war, wenn einem nichts oder nur die Hälfte erklärt wurde: „Hörst du es nicht? Da kommt eine Frau singend durch den Wald.“

„Nein, ich höre nichts anderes als zuvor. Seltsam.“ Kyuu spannte sich jedoch etwas an. War das peinlich! Wieso konnte sie das Lied nicht hören, keine weibliche Stimme? Immerhin zeigte ihr ihre Nase nun, dass sich wer näherte, und im nächsten Moment erkannte sie auch die Gestalt, die unbekümmert durch das Unterholz auf sie zukam. Es handelte sich um eine junge, durchaus schön zu nennende Frau – und eindeutig weiblich. Sehr eindeutig, denn nichts blieb der Phantasie überlassen. Sie trug keinerlei Kleidung, selbst für die Hundeyoukai ein sehr eigenwilliger Anblick.

Die Unbekannte blieb stehen, als sie das Quartett vor sich sah und betrachtete die Vier, nun nur mehr summend.

„Willkommen, Fremde, in meinem Wald,“ sagte sie dann lächelnd: „Ich bin Onana, die Herrin dieser Gegend. Wollt ihr mich begleiten? Ich habe eine Hütte, nicht weit von hier, und die Nacht wird bald hereinbrechen.“ Wieder begann sie zu summen.

„Nein, danke,“ erwiderte Inuyasha prompt. Kagome würde ihm sonst etwas erzählen, wenn er mit einer splitternackten Frau in einer Hütte schlief. Und er wusste, er war zu ehrlich, um ihr das bei seiner Heimkehr nicht zu beichten. Das würde ein „Osuwari“ -Blitzgewitter geben, wie seit Jahren nicht. Gewöhnlich ließ Kagome ihren Befehl schon länger bleiben, aber sie hatten sich geeinigt, dass er die Kette weiterhin trug. Schließlich wären sie ohne diese kaum zusammengekommen. Es war ein Souvenir.

Sesshoumaru fühlte sich unangenehm an Hinodes Falle gleich am Anfang des Weges durch die Höllenprüfung erinnert und musterte die Fremde schweigend.

„Oh, das ist sehr freundlich von Euch,“ meinte Inabikari dagegen: „Diese Einladung nehmen wir gern an, nicht wahr, Taishou?“

Mit einem Lächeln ging er, zu Kyuus Überraschung an ihr, dann an dem Hanyou vorbei. So unhöflich und unbeherrscht war er doch sonst nicht. Und wieso starrte er diese Frau so fasziniert an?

Im nächsten Moment befahl Sesshoumaru: „Inuyasha, Kyuu, haltet ihn fest! - Glaubst du wirklich, Abschaum, dass ich nicht durch deine Deckung blicken kann?“

Die Fremde antwortete nicht, stellte auch ihr Summen nicht ein, während der jüngere Halbbruder und Kyuu, wenn auch erstaunt, gehorchten. Ihre Überraschung wuchs, als sich Inabikari zu wehren begann. Jetzt fiel auch Inuyasha Hinodes Zauber ein, der Youkai anlockte, umso mehr, je stärker sie waren. Ihm war die ganze Sache nur seltsam vorgekommen, da sie sie zum Essen eingeladen hatte – aber das hier war ja wohl so ähnlich.

„Lasst mich!“ Der Daiyoukai versuchte sich aus dem Griff der beiden zu lösen, die ihn an den Armen gepackt hatten: „Sie ist so schön....so freundlich....“ Seine Hand versuchte zu seinem Schwert zu gelangen

„Keh!“ Der Hanyou klammerte sich an ihn: „Jetzt sei vernünftig, Inabikari. Mann, erst bringt dein Vater die Welt in Unordnung und jetzt rennst du so einer Frau nach, bloß, weil sie nichts anhat. Ihr seid eine lästige Familie!“ Aber der junge Hundeyoukai hörte nicht auf ihn und wehrte sich immer heftiger.

Genug ist genug, dachte Sesshoumaru, hob die Hand und versteifte drei Finger

Zur gewissen Überraschung der Ratsmitglieder – und der noch größeren der Fremden, erschien eine helle, leuchtende Schnur aus Youki, die mit einer kaum bemerkbaren Bewegung des Handgelenkes geschleudert wurde. Vermutlich bemerkte die Unbekannte nicht einmal mehr, dass sie zerteilt wurde.

Unverzüglich entspannte sich Inabikari: „Ich bin in Ordnung,“ sagte er dann, ein wenig kleinlaut: „Was...was war das?“ Er war etwas erleichtert, dass er losgelassen wurde, aber auch mehr als peinlich berührt, so auf die Fremde reagiert zu haben.

„Eine Art Sirene.“ Sesshoumaru wandte sich bereits wieder zum Gehen.

Natürlich, dachten auch Kyuu und Inabikari. Sie hatten von solchen Wesen gehört – und das war auch die Erklärung, warum das weibliche Ratsmitglied weder das Lied wahrgenommen hatte noch bezaubert gewesen war. Nur – was war mit den Halbbrüdern?

Kyuu stellte diese Frage prompt direkt an den Hanyou.

Inuyasha sah sie ehrlich irritiert an: „Ich habe doch Kagome,“ erwiderte er dann, als sei damit alles gesagt.

War es auch wohl, dachte sie bitter. Das bedeutete, dass zumindest der Halbmensch in sehr festen Händen war. Und wohl auch Sesshoumaru, denn der war ebenfalls nicht auf die Sirenenklänge hereingefallen. Schade. Sie hatte eigentlich gehofft, im Fall der Fälle, falls sie gegen ihn verlor, ihn zu heiraten. Offenbar war ihr da jemand zuvorgekommen. Nun gut, vielleicht konnte sie ihn, und natürlich auch Inabikari, wusste sie doch nicht, wer deren Kampf gewinnen würde, von ihren Vorzügen überzeugen. Weibliche Daiyoukai besaßen schließlich Seltenheitswert und nur von einer solchen konnte ein wahrhaft starker Sohn stammen. Ihr Blick fiel auf Tessaiga, das so friedlich an der Hüfte des vor ihr Gehenden baumelte. Besaß sie das, würden die beiden männlichen Inudaiyoukai doch sicher sie hoch schätzen. Nur, wie kam sie daran? Den Hanyou einfach darum zu bitten war unpassend, überdies würde er es kaum freiwillig herausgeben. Also, was tun? Während sie hier durch den Wald liefen, hatte sie sowieso nichts Besseres vor, als sich einen Plan zu überlegen.
 

Inabikari gab zu, froh darüber zu sein, dass weder der Taishou noch Inuyasha-sama, geschweige denn Kyuu, ein Wort zu seinem unpassenden Benehmen verloren hatten. Sein verehrter Vater hätte ihm gewiss nicht nur etwas erzählt, sondern ihn auch bestraft. Solche mangelnde Selbstbeherrschung ziemte keinem Krieger, keinem Youkai und schon gar nicht ihm. Wie ungemein peinlich diese Reaktion an sich schon gewesen wäre – noch unsäglicher war die Tatsache, dass die beiden Söhne des verstorbenen Taishou nicht eine Sekunde auf den Zauber hereingefallen waren. Nicht einmal der Hanyou. Nun, er hatte schon immer angenommen, dass dieser durch sein ererbtes Blut nicht zu unterschätzen wäre, er trug zudem auch noch das mächtige Tessaiga – aber Inabikari wurde bewusst, dass seine Einschätzung vor der Zeitreise mehr als richtig gewesen war: das war ein Daihanyou, gleich, wie seltsam das auch klingen mochte.
 

Inuyasha hätte diesen Gedanken schmeichelhaft gefunden, aber er bemerkte durchaus, wie Kyuus Blick auf seiner Waffe haftete. Nun, sollte sie sich doch an dem Bannkreis im wahrsten Sinn des Wortes die Finger verbrennen. Es war ihm jedoch bewusst, dass er vorsichtig sein sollte. Diese Hundedame wollte sich wirklich ernsthaft mit ihm anlegen – und sie war in einer Liga, die fast seiner gleichkam. Allerdings hatte sie keine Ahnung von ihm, Tessaiga und ihren gemeinsamen Fähigkeiten. Fast konnte sie einem Leid tun. Aber es war wohl unmöglich, dass er Sesshoumaru bat ihr da einen Tipp zu geben. Auf den würde sie zwar hören, aber das würde höchstens dazu führen, dass er wieder einmal einen Kampf gegen seinen Halbbruder führen durfte. Man, waren diese Hundeyoukai ein arroganter und schwieriger Haufen!
 

Die Dämmerung brach herein, wie es die fremde Frau schon angekündigt hatte. Nicht, dass die Augen der Vier nicht gut genug gewesen wären, aber alle spürten eine Veränderung um sich, in sich. Keiner der drei Daiyoukai hätte das allerdings zugegeben – und auch Inuyasha hütete sich irgendein Wort zu verlieren. Es war unangenehm, aber irgendwie kam es ihm bekannt vor.

Ach du Schande, war der erste Eindruck, den der Hanyou bekam, als er das nur zu vertraute Gefühl endlich erkannte. Er verwandelte sich in einen Menschen. Diese Nacht hier war entweder eine Neumondnacht oder zeigte jedenfalls deren Wirkungen. Vor Sesshoumaru wäre das schon schlimm genug gewesen, aber auch noch vor den anderen beiden ach so tollen und vor allem arroganten Daihundeyoukai? Vor allem Kyuu hatte ihm ja schon zu verstehen gegeben, dass sie ihn nicht für voll nahm. Aber es half nichts. Gegen die Verwandlung konnte er sich nicht wehren und sie würden das alle mitbekommen. Na klasse. Heute war wirklich nicht sein Tag – oder auch seine Nacht.

Er wandte sich zu seinem Halbbruder, um dem das wenigstens noch zu sagen, ehe es passierte, als er bemerkte, dass dieser stehen blieb und irritiert an sich herunter sah. Das, was beide erblickten, genügte, sich umzuwenden und die beiden Ratsmitglieder zu mustern, die offenbar sich bemühten, die Contenance zu wahren.

In der Tat, dachte Inuyasha. Nicht nur er wurde gerade zu einem Menschen, sondern sie alle vier. Diese Nacht konnte ja noch heiter werden.
 

**
 

Das nächste Kapitel heißt denn auch: Menschennacht.

Menschennacht

Seltsamerweise, wie es sein Halbbruder sah, war Sesshoumaru der Erste, der die logische – und bittere – Konsequenz zog: „Wir werden zu Menschen. - Inuyasha.“

Dieser war etwas verwirrt, zumal, da nun alle Drei ebenso wie er selbst, schwarzhaarig und mit dunklen Augen in der Dämmerung standen, begriff dann jedoch. Er war der Einzige in diesem Quartett, der wusste, was ein menschlicher Körper konnte und was nicht. Dieses Vertrauen, zumal vor anderen Hundedämonen, hätte er vor der shiken jigoku kaum erhalten. So sah er sich rasch um. „Wir wissen nicht, was hier alles sich so nachts rumtreibt. Unsere Schwerter funktionieren ohne Dämonenenergie nicht. Also sollten wir die Nacht auf Bäumen verbringen.“ Erneut war er überrascht, dass kein weiterer Kommentar von einem der ach so hyperstolzen Daiyoukai kam, sondern sie sich nur umblickten, auf der Suche nach einem passenden Baum. Er konnte sich vorstellen, dass keiner der Drei je auf einen Baum geflüchtet war, ja, überhaupt einen Gedanken daran verschwendet hatte. Aber ebenso logisch, dass keiner zugeben würde, wie bescheuert sich das im Moment anfühlte. Er kannte diese Hilflosigkeit ohne Youki, die mehr als verringerte Sinneswahrnehmung, die Schwäche und Verletzlichkeit eines menschlichen Körpers ja zumindest, für die anderen jedoch musste es eine Art Hölle sein.

„Inabikari,“ sagte Sesshoumaru allerdings nur, als er mit ungeübten Bewegungen einen Stamm emporkletterte, hoffend, es möge nicht so unschicklich aussehen, wie es sich anfühlte. Ohne dämonische Energie war man so schwach....Damit musste dieses jämmerliche Volk auskommen, und ein Hanyou zumindest einmal im Monat? Das eigentlich Verwunderliche war, warum diese Spezies überlebte.

Der Angesprochene folgte wortlos, bemüht, sich in den engen Grenzen seines augenblicklichen Körpers zurechtzufinden. Das fühlte sich ja schlimmer an, als wenn man verletzt war... Er kam sich blind, taub und ohne Geruchssinn vor – leider entsprach das den Tatsachen. Aber dies war einen Tatsache und damit musste er leben.
 

Inuyasha hatte sich ebenfalls einen Baum ausgesucht und stieg mit weitaus trainierten Handgriffen empor.

Kyuu kletterte ihm nach, ohne zu zeigen, dass es sie erneut störte, dem jüngeren, rangniedrigeren der Halbbrüder zugewiesen worden zu sein. Man widersprach dem Taishou nicht, schon gar nicht in einer fremden Welt und unter solch beschämenden Umständen. Aber es weckte bittere Gefühle in ihr. Jeder hielt Inabikari ohne weitere Prüfung für stärker, ranghöher als sie – und der einzige Grund, den sie entdecken konnte, war die Tatsache, dass er eben ein Mann und sie eine Frau war. Die Tatsache, dass auch er nun nur in einem menschlichen Körper steckte, ebensowenig wie sie selbst erkennen konnte, was um sie war, bot keinen Trost.
 

Der Hanyou setzte sich lässig auf einen dicken Ast und lehnte sich gegen den Stamm, wie er es schon so oft getan hatte. „Komm schon, Kyuu. Da ist auch etwas bequemes. Schlafen können wir sowieso nicht. Wir haben ja keine Ahnung, wer noch so alles in diesem Wald wohnt. Diese komische Sirene wird kaum die Einzige sein.“

„Wollt Ihr mir Feigheit unterstellen?“ fragte sie prompt, nahm jedoch auf einem dicken Ast Platz, froh, dass sie, Kämpferin, die sie war, Hosen und Rüstung trug.

„Nicht wirklich. Aber für dich und die anderen ist es das erste Mal....“ Er brach ab, aber sie zog schon die Schlussfolgerung:

„Dann wird ein Hanyou ab und an zum Menschen? Wie...“ Sie brach ab und korrigierte sich: „Ungewöhnlich.“ Immerhin WAR er der zweite Sohn des verstorbenen Taishou, der Bruder des jetzigen und er HATTE die Prüfungshölle lebend überstanden.

Na schön, er hatte gepatzt. Aber jetzt konnte er kaum zurück: „Sag ruhig peinlich. Und natürlich gefährlich. Wie du sicher merkst, sind menschliche Sinne nicht gerade berauschend.“

Das stimmte, dachte sie. Es fühlte sich schrecklich an, höchstens die Hälfte zu hören, kaum mehr etwas zu riechen, praktisch nichts zu sehen, da nun die Dunkelheit vollständig eingetreten war. Damit musste ein Hanyou leben? Sie hätte gern gedacht, dass es wiederum ein Beispiel seiner Schwäche sei, aber sie kannte hilflose, einsame Nächte im Wald nur zu gut, als dass sie nicht geahnt hätte, was auf jemanden in dieser beschämenden Form zukommen mochte.

Inuyasha war etwas überrascht, dass keine dumme Bemerkung erfolgte. Er hielt sie nicht nur für eine stolze Hundedame sondern für arrogant, und sie hatte auf ihn bislang nicht so gewirkt, als ob sie Hanyou wertschätzte. So drehte er etwas den Kopf, ohne sie noch sehen zu können, zumal der Ast auf der entgegengesetzten Seite des Baumes war: „Normalerweise endet das mit Sonnenaufgang.“ Es sollte ein Trost sein.

Kyuu konnte darin freilich keinen entdecken: „Haltet mich nicht für schwach, nur weil ich eine Frau bin!“ zischte sie.

„Sicher nicht.“ Der Hanyou, der genug Erfahrung mit kampffähigen Frauen hatte, war überrascht: „Aber ich habe gedacht, dass du nie zuvor so hilflos in einem Wald rumgehockt bist.“

„Oft genug, wenn auch nicht in dieser schändlichen Form,“ entfuhr es ihr: „Aber davon wisst Ihr natürlich nichts. Eure Familie hat Euch ja immer beschützt, gerade in diesen Nächten, nicht wahr, oh Sohn des Inu no Taishou?“ Das klang bitter.

„Meine Familie?“ Er war verblüfft, meinte dann jedoch ehrlich: „Naja...mein Vater starb am Tag meiner Geburt, meine Mutter, als ich...na, sagen wir, sechs war. Und ab da musste ich allein zurecht kommen.“

„Aber Sess...ich meine, der Taishou...?“ Sie war mehr als verwundert, hatte sie doch ihre eigene Vergangenheit immer für die schlimmstmögliche gehalten.

„Hm.“ Wie sollte er es erklären, ohne die relativ neu gewonnene brüderliche Eintracht zu gefährden? „Sagen wir, der wollte soweit nichts von mir wissen. Dir wird ja bekannt sein, dass Youkai Stärke schätzen.“

„Nur bei Männern.“

„Was meinst du?“

Kyuu holte tief Atem: „Ihr wollt mir erzählen, dass Ihr noch ein Welpe wart, als Ihr allein in den Wäldern lebtet?“

„Ja. Und diese Nächte in Menschenform durchstand. Es war manchmal ganz schön knapp. Damals hatte ich Tessaiga nämlich noch nicht.“

Sie wandte den Kopf und versuchte ihn zu erkennen: „Ein Kind allein im Wald....Und noch dazu manchmal so....Dann war ich nicht die Einzige.“ Willkommen in meinem Leben, dachte sie.

„Wovon redest du?“

Sie verstand die Frage als Befehl: „Mein Vater war ein mächtiger Inuyoukai. Er starb, als ich und meine Schwester noch Welpen waren. Ich war die Älteste, aber weil ich ein Mädchen war, erkannte niemand meinen Erbanspruch an. Ja, mein Onkel wollte uns töten. Mutter hielt ihn auf und mein Kindermädchen half mir, indem sie mich aus dem Fenster warf. Ich rannte weg, wie sie es mir befahl – das rettete mir das Leben. Meine Mutter hat diesen Tag nicht überlebt. Wäre ich ein Junge gewesen, hätte niemand mein Erbrecht angezweifelt. Ihr wisst, wie es einem kleinen Kind in den Wäldern geht. Und glaubt nicht, dass ein Mädchen, wenn es heranwächst, nicht auch noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt ist als ein Junge. Ich lernte dort kämpfen, zu überleben. Eines Tages fand ich auch jemanden, der mir Schwertkampf beibrachte. Als ich dann, später, erfuhr, dass mein Onkel noch lebte, forderte ich ihn. Er weigerte sich mit mir zu kämpfen, weil ich ein Mädchen war!“ Sie presste die Zähne zusammen: „Erst, als er merkte, dass ich ihn so oder so töten würde, griff er zum Schwert. Ich will nicht erwähnen, was er da alles sagte. Nur soviel: auch meine Schwester war tot, gestorben an...seinen Kriegern. Ich bekam meine Rache. - Die Jahre allein im Wald halfen mir dann auch zu einer Daiyoukai zu werden und ich vermute, dass auch Ihr dort Euer Kampftalent erproben konntet.“

„So kann man es nennen.“ Inuyasha konnte sich in der Tat nur zu gut vorstellen, dass es auch für ein kleines Hundeyoukaimädchen allein im Wald nicht gerade einfach gewesen war. Aber das erklärte auch ihre Empfindlichkeit in Punkto Männer, ja, ihr deutliches Bemühen, Taishou zu werden. Sie wollte es allen zeigen – und er war sicher der Letzte, der das nicht verstehen konnte. So war er ja auch gewesen – nur hatte sie niemanden wie Kikyou und Kagome gefunden, die ihr gezeigt hätten, dass es auch anders ging. Armes Mädchen. Sie wusste, wie es war, nahe am Abgrund zu stehen, nicht mehr weitermachen zu wollen und es doch irgendwie zu schaffen, sie kannte das Gefühl allein in der Dunkelheit zu sitzen und nur noch Angst zu haben – und sie wollte das nie wieder erleben.
 

Als die Sonne aufging, waren beide Halbbrüder erleichtert, wussten sie doch, dass dieser Menschenfluch aufhörte. Nun, gewöhnlich war es so, aber hier, in dieser anderen Welt, war nichts so wie es sein sollte.

„Verdammt,“ murmelte Inuyasha, sah dann aber zu dem anderen Baum: „Nii-san, ich glaube, wir bleiben so,“ rief er.

Vielen Dank für diese Aufklärung, dachte Sesshoumaru verstimmt, dem das auch gerade klar geworden war. „Gehen wir.“ Er stieg bereits vom Baum ab. Es würde nichts bringen zu warten. Sie mussten weiter nach Norden, in der Hoffnung, dass es inzwischen dem Gott der Zeit gelungen war, einen Ausgang zu finden. Falls nicht – oh nein, daran wollte er nicht einmal denken. Und alles, was ihn trösten konnte, war die Vorstellung, dass sein verehrter Vater diesen Unglückswurm von Hundeyoukai, der ihnen das hier eingebrockt hatte, getötet hatte, gerade tötete – oder töten würde. Wie immer man das hier sehen mochte. Hoffentlich hatte keiner der anderen bemerkt, dass er sich auf die Boa gesetzt hatte, als der dicke Ast sich schmerzhaft mit seiner Sitzfläche rieb....Wie ungemein peinlich das hier alles war!
 

Tatsächlich war Tsukiyomi bei der einzigen Person aufgetaucht, deren überragende Magiefähigkeiten er seit Jahrzehntausenden kannte. Hayasa hatte nur geseufzt, als er die Nachricht hörte.

„Sie sind Chaoten, diese Halbbrüder. Und selbst, wenn sie mal nicht an etwas schuld sind, bleibt es ein Chaos. Das wird sehr schwer.“

„Dessen bin ich mir bewusst, Hayasa. Aber ich weiß nicht, was geschieht, wenn auch nur einer von ihnen dort drüben stirbt, geschweige denn, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. Ebenso wenig ist mir klar, was geschieht, wenn ich auch nur versuche selbst in die Sache einzugreifen. Das hat ein Youkai mit Dämonenenergie hinbekommen, wie auch immer, – also muss es auch ein Youkai wieder rückgängig machen. Genki und Youki heben sich schließlich auf.“

Der riesige schwarze Daiyoukai erweckte den Eindruck zu lächeln, als seine Zähne aufblitzten: „Sie finden schon eine Lösung das zu Überleben, hoffe ich. - Ich werde nachdenken und in meinen Aufzeichnungen nachsehen. Ich glaube, es gibt einen Weg. Allerdings kann diese Verbindung sicher nicht lange aufrecht erhalten werden. Ich habe es selbst nie versucht, mit der Zeit herum zu spielen, ebenso wie alle meine Bekannten. Zu gefährlich.“

„In der Tat. Umso erstaunlicher ist es, dass es diesem....gelang. - Dann sollten wir zuerst Inabikari und Kyuu herausholen. Die Hundebrüder werden schon noch durchhalten, bei was auch immer.“

„Da gebe ich Euch recht. Sie werden länger und anders durchhalten als jeder andere. Wie sagte Inuyasha, was Kämpfe betrifft, seien sie ganz gut in Übung.“

„Jeder Daiyoukai ist das, sonst wird man keiner. - Nun, dann sieh nach. Wir sollten uns beeilen. Immerhin haben nicht einmal meine verehrten Eltern eine Ahnung davon, was auf der anderen Seite des Teppichs passiert.“

„Des Teppichs?“

„Der Zeit.“
 

Die vier scheinbaren Menschen wanderten derweil immer weiter Richtung Norden, die Halbbrüder voran.

Auch, wenn Sesshoumaru sich eher selbst die Zunge abgebissen hätte als das auszusprechen, war es doch ein wenig beruhigend, jemanden dabei zu haben, der diese unangenehme Lage kannte, die Begrenzungen der fremden Körper abschätzen konnte. Es war sowieso unsäglich peinlich, diese Müdigkeit nach einer durchwachten Nacht zu spüren, biologische Notwendigkeiten anerkennen zu müssen, an die kein Dämon je einen Gedanken verschwendete.

Er blieb stehen, als sie vor sich ein Hindernis entdeckten. Einer der Berge, die sich seit geraumer Zeit links von ihnen erhoben, musste ein Vulkan sein. Ein Lavastrom war fast bis zu ihnen geflossen. Er schien erstarrt zu sein – aber bedeutete das auch, dass er abgekühlt war? Sie konnten in dieser beschämenden Form nicht fliegen und würden auf Hitze sicher empfindlicher reagieren als sonst. Inuyasha war ebenfalls stehengeblieben.

„Nun?“ fragte der unwillige Anführer daher.

„Da vorn steigen heiße Dämpfe auf, die wir, solange wir in einem menschlichen Körper stecken, umgehen müssen,“ erklärte dieser hilfsbereit. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seinem Bruderherz die Gesamtsituation sonderlich gefiel, schon gleich die Tatsache, dass er sich in einem Leib befand, der kaum seinen hohen Anspürchen genügen dürfte. Allerdings musste er zugeben, dass ein Sesshoumaru mit schwarzen Haaren und dunklen Augen ihm noch ähnlicher sah als sonst. Bruderschaft konnten sie nicht verleugnen. „Immerhin scheint es Felsboden zu sein. Das ist gut.“

War es das? Aber Sesshoumaru ging weiter. Zum einen wollte er gegenüber den anderen beiden Hundedämonen keine Schwäche zeigen, zum anderen – was blieb ihnen schon anderes übrig.

„Das sind Schwefelgase,“ sagte Kyuu, eigentlich an Inuyasha gerichtet. Sie hatte auf diesem Weg durch die unbekannte Welt schon mitbekommen, dass er weder dumm war noch so....menschlich, wie sie es vermutet hatte. Auch, wenn seine Mutter nichts als eine derart niedere Lebensform gewesen war, so war er stark genug gewesen, das Leben als Kind allein ohne Tessaiga zu überstehen. Und sie wusste nur zu gut, was es bedeutete, nicht behütet von Eltern aufzuwachsen, sich jedem dahergelaufenen Wurmdämon stellen zu müssen. Sie würde nie wieder auf ihn herabsehen.

Der Hanyou war ein wenig erstaunt, meinte jedoch: „Auch. Das Andere ist etwas anderes, aber das kann man so nicht riechen. Wir...also, nii-san, für Menschen gibt es Gase, die sie bewusstlos machen, giftig sind.“

„Ich weiß,“ knurrte der Angesprochene. Als ob er unfähig gewesen wäre auf Rin aufzupassen!

Inuyasha hatte den Unterton gehört. Mann, war der Umgang mit dem Typen schwierig, selbst, wenn man es gut meinte. Zumal, seit diese anderen Daiyoukai dabei waren. Da war der Herr Halbbruder wieder eisiger als in der Prüfungshölle, bedacht darauf, als Mister Supercool dazustehen, wie Souta so etwas mal genannt hatte. Souta, ja. Er dachte manchmal an ihn und Kagome sicher häufiger. Sie würde ihre Familie nie wiedersehen. Schade. Es war eigentlich schön gewesen durch den Brunnen zu können. Ob er wohl den Herrn der Zeit....nein, lieber nicht. Entweder, der hatte davon nichts mitbekommen oder es war bislang harmlos gewesen. So, wie der auf Inabikari losgegangen war, würde er kaum Kagome gestatten, wieder zwischen den Zeiten zu reisen. Anscheinend kam da leicht etwas durcheinander. Es war eben eine Ausnahme gewesen, die er und sie dem shikon no tama verdankten. Was immer das Teil sonst alles an Unheil bewirkt hatte – es hatte sie zusammengebracht.
 

Auch Inabikari war in Gedanken, wenn auch in vollkommen anderen, versunken. Er hatte Kyuus Gespräch mit Inuyasha in der Nacht mitbekommen. Ja, er entsann sich, davon gehört zu haben. Es hatte da einen gewissen Skandal gegeben, aber im Endeffekt hatte er sich nie um das Gerede gekümmert. Wer nicht stark genug war, starb, so war es. Und eigentlich hatte er nie vermutet, dass Kyuus Impulsivität, ihre Aggressivität gegen männliche Ratskollegen aus ihrer Kindheit herrühren würden. Auch der Hanyou hatte wohl alles andere als eine schöne Jugend verbracht, den verstorbenen Vater nie gesehen, sich dann allein durchschlagen müssen. Das wiederum bedeutete aber auch, dass Sesshoumaru noch nicht erwachsen gewesen war, als er den Vater verlor. Hatte der darum kein Interesse an dem Amt des Taishou? Fürchtete er sich davor, ebenfalls jung zu sterben? Unwahrscheinlich. Nichts an dessen bisherigem Verhalten hatte darauf hingedeutet. Und die Halbbrüder waren nicht nur heil durch die Prüfungshölle gelangt, sondern so, dass Hayasa-sama mit gewisser Achtung von ihnen sprach. Nun, auch sein eigener Vater war relativ früh gestorben, aber er hatte seiner Mutter und ihm klare Anweisungen hinterlassen, was er tun und lernen sollte – um ihm dann durch den Jahrhundertplan zu helfen, den damaligen – oder nunmehrigen - Taishou zu besiegen. Das hatte nicht funktioniert. Aber eines war ihm nun klar: von allen Vieren hier hatte er wohl die behüteste Kindheit hinter sich gebracht.
 

Der Boden wurde wärmer, aber nicht einmal für Inuyasha wurde es unerträglich, der ohne Schuhe ging. Er sah sich immer sorgfältiger um, sicher, dass dies auch Sesshoumaru, Inabikari und Kyuu taten. Aber ihm war auch klar, dass keiner der drei Daiyoukai, so fähig sie sonst sein mochten, sich mit dem Körper auskannte, in dem sie nun steckten. Immerhin hatte er da mal einen ungewohnten Vorsprung. Er war sicher der Einzige, der genau sagen konnte, ab wann es für Menschen riskant wurde.

Und das wurde es.

Der Weg zwischen den warmen Schwefelquellen, kochenden Dampfstößen und anderen netten Überraschungen wurde immer schwerer zu finden, aber sie konnten es sich nicht leisten, einen Umweg zu machen. Die Anweisung war eindeutig gewesen. Genau nach Norden. Und wenn sie auch nur die Hoffnung behalten wollten hier wieder weg und auch in ihre eigenen Körper zu gelangen, so wäre der Herr der Zeit und seine Möglichkeiten ihre einzige.

Als er erneut nur knapp einem Dampfstoß entkam, dachte nicht einmal Inabikari mehr freundlich an seinen Erzeuger.

Mit ähnlichen Gedanken legte Sesshoumaru unwillkürlich die Hand an Bakusaiga, aber es schwieg. In menschlicher Gestalt, ohne Dämonenenergie, funktionierten Youkaischwerter nun einmal nicht. Hoffentlich wurden sie wenigstens wieder zu Daiyoukai, wenn sie diese Welt verlassen konnten. Es war ganz sicher keine Option bis an das Ende seiner Tage in dieser beschämenden Facon herumlaufen zu müssen.
 

Der Boden unter ihren Füßen bestand eindeutig aus hartem Fels, durch den nur immer wieder vulkanische Gase und heiße Quellen traten. Ab und an gab es kleinere Sandflächen, denen der nun vorangehende Inuyasha auswich. Er wusste es durchaus zu schätzen, dass sein älterer Bruder ihm hier die Führung überließ, wenn auch wohl aus einem rein nützlichen Grund – es hatte Zeiten gegeben, in der der noch so gute Ratschläge von ihm nicht angenommen hatte. Diese kleinen Sandflächen strömten eine große Hitze aus, fast, als ob sie Schlote zum eigentlichen Lavaherd im Untergrund seien.

Sie hatten das Vulkanfeld fast hinter sich, als sich sein Verdacht bestätigte. Er entdeckte vor ihnen einen rechteckigen Schlot, von kaum zwei Schritt Breite. Dieser war allerdings nicht mit Sand aufgefüllt, auch, wenn sein Boden sandig war. Auch hier war die Wärme nur zu deutlich bemerkbar. Selbst in Toutousais Schmiede und der alles andere als anheimelnden Umgebung dort war es nicht derart heiß gewesen. Obwohl, das gab der Hanyou zu, er nie in Menschenform bei dem Schmiedeopa gewesen war. Er war mutig, aber nicht verrückt. Nun ja, meistens.

Er war der Einzige, dem der kleine Laut auffiel, und er fuhr herum. Etwas erstaunt wandten sich nun auch Sesshoumaru und Inabikari um. Kyuu war am Rande des offenen Schlotes ausgerutscht.

„Mist!“ Ohne sich weiter um die beiden männlichen Daiyoukai zu kümmern, rannte der Jüngste des Quartetts zurück.

Sie hatte sich abgefangen und stand – was durchaus ihr Reaktionsvermögen und ihre Kampferfahrung bewies. Jetzt sah sie allerdings hinauf, ohne ihre Gedanken zu verraten. Warum war der Hanyou umgedreht? Wer nicht stark genug war, starb – und sie hatte einen dummen Fehler begangen, für einen Moment vergessen, dass sie in dieser erbärmlichen Gestalt weit langsamer war. Sie hatte sich zu nahe an dieses Loch gewagt. Es war heiß hier und sie sah sich gezwungen unschicklich von einem Fuß auf den anderen zu treten, um sich auch nur einigermaßen zu schützen. Die schmalen Wände vor und hinter ihr strahlten ebenfalls die Wärme der Lava ab. Lange würde sie hier nicht durchhalten, das war ihr klar. Sie würde keine Hilfe bekommen. Kein Youkai half einem anderen Wesen. Was für ein erbärmlicher Tod, hier zu Tode geröstet zu werden. Ihr Onkel hätte wohl gesagt, dass das das passende Ende für ein Mädchen sei...

„Inuyasha.“ Leise Frage lag in diesem Namen. Sesshoumaru war eigentlich klar, dass sein Halbbruder eine Rettungsaktion plante. Nur, wie? Und warum? Kyuu war nicht sonderlich freundlich zu dem gewesen – aber, natürlich, korrigierte er sich dann. Wenn die Magie dieser anderen Welt es möglicherweise verlangte, damit sie hier wieder herauskamen, mussten sie wohl auch zu viert ankommen, oder für ewig hier bleiben. Nur, wie stellte sich der impulsive Hanyou in Menschengestalt das vor? Er konnte in den Schlot hinein springen, aber käme ebenso wenig wieder heraus wie Kyuu. Und die Hitze wäre ihr Ende. Aber gewöhnlich, das hatte er nicht zuletzt auf diesem Trip durch die Höllenprüfung gelernt, hatte der trotz aller Spontanideen keine Selbstmordgelüste. Also sollte er selbst abwarten.

Inuyasha hatte durchaus mitbekommen, dass der Herr Halbbruder wusste, dass er sie da herausholen wollte und nichts dagegen sagte. Ob er an Rin dachte? Eher unwahrscheinlich. Da das wohl eine Erklärung verlangte, meinte er: „Ich bin zwar auch ein Mensch, aber das Feuerrattengewand wird mich schützen.“

„Und wie wollt Ihr wieder emporkommen, Inuyasha-sama?“ erkundigte sich Inabikari mit rein wissenschaftlicher Neugier.

„Na, klettern.“

Und ohne weiteres Zögern setzte der Hanyou in die Tiefe.
 

**
 

Im nächsten Kapitel geht es heiß her: Feuertaufe.

Feuertaufe

Die Hitze traf Inuyasha wie ein brutaler Schlag, als er in den Schlot zu Kyuu sprang, die ihn etwas überrascht anstarrte. Niemand außer ihrer Mutter und ihrem Kindermädchen hatte in ihrem Leben auch nur versucht sie zu schützen. Und dann auch noch, wenn sie alle in dieser menschlichen Gestalt steckten. Gewöhnlich wäre sie mit einem Satz aus diesem Schacht wieder herausgekommen, ja, nicht einmal hineingerutscht, aber als Mensch war man nicht nur schwächer und in den Sinnen viel eingeschränkter als ein Youkai, noch dazu ein Daiyoukai, sondern auch noch ungeschickter. Überdies spürte sie, wie sie bedrohlich zu schwanken begann.

Auch Inuyasha hatte das bemerkt. Die Hitze würde jeden Menschen bewusstlos machen und wenn sie erst einmal im glühend heißen Sand lag, war sie verloren. Hier war es wirklich so warm wie in einer Schmiede und er wusste, dass er das auch nicht allzu lange ertragen konnte. Seine Fußsohlen waren abgehärtet aber es schmerzte dennoch. Nein, es würde nicht leicht werden, sie hier herauszuholen.

„Durchhalten,“ sagte er und legte den Arm um sie.

Kyuu spürte wieder eine unerwartete Empfindung – Verlegenheit und Anlehnungsbedürfnis zugleich: „Wie...wie wollt Ihr mich hier herausbringen, Inuyasha-sama?“

Er vergaß in diesem Moment, dass sie eigentlich eine Hundedämonin war, eine ja, Daiyoukai: „Wir klettern ein bisschen. Du musst mir nur vertrauen, ja?“

Sie spürte, dass er sie mit dem Gesicht zu sich drehte, sie an ihn zog, ehe er sich rückwärts an die Schachtwand lehnte. Das musste doch heiß sein – was hatte er nur vor? Dann merkte sie, dass er zuerst ein Knie an die gegenüberliegende Wand stemmte, dann das andere. Er hielt sich so mit Schultern und Knien fest, sie dabei auf sich, mit sich tragend. Er wollte doch nicht etwa so emporkommen? Das war heiß und überhaupt....Nie zuvor hatte sie eine solche körperliche Nähe zu einem Mann geduldet. Aber er hatte immerhin eine Idee und das war besser als alles, was sie gehabt hatte.

Inuyasha murmelte einen Fluch, als er seine Hände gegen die Wand drücken wollte, um sie beide emporzustemmen. Sie waren verbrannt worden. Verdammt, war das hier heiß – und er würde auch nicht sehr lange durchhalten, nicht in dieser Gestalt.

„Entschuldigung,“ flüsterte er, eingedenk der Tatsache, was Kagome mit ihm gemacht hätte, hätte er einfach ihre Kleidung am Rücken aus der hakama gezogen und knapp unter der Rüstung abgerissen.

„Tut, was Ihr wollt,“ murmelte Kyuu müde. Als ob das in dieser Lage eine Rolle spielen würde.

Er wickelte sich den Stoff um die Hände, ehe er sie erneut gegen die Schachtwand presste, sich und damit auch die Daiyoukai gut dreißig Zentimeter empor drückte. Das bedeutete, es wären noch gut zehn dieser „Schritte“. Konnte er solange durchhalten? Doch, er musste. Erstens wollte er leben und zweitens war doch keiner der anderen, nicht einmal Sesshoumaru, in der Lage so zu klettern. Für keinen der Drei war das je nötig gewesen – und er entsann sich durchaus der einen oder anderen Gelegenheit, als er Wölfen oder Dämonen auf diese Art in den Bergen entkommen war. Natürlich, ehe er Tessaiga hatte.

Er warf einen Blick nach oben. Irgendwie war es nett, dass der Herr Halbbruder am Rand stand und ihn fast etwas besorgt betrachtete – soweit man das je bei dem sagen konnte. Auch Inabikari war da. Gut. Dann konnten die ihm dann Kyuu abnehmen, denn ihm fiel nun erst ein, dass er sie kaum so loswerden konnte – nicht, wenn sie ohnmächtig wurde, was durchaus im Bereich des Möglichen lag. Sie war doch deutlich länger der Hitze ausgesetzt gewesen.

Wieder ein Schritt. Das war hart und sie war schwer, aber aufgeben kam für den Hanyou in Menschengestalt nicht in Betracht. Es waren nur noch sieben...Und so presste er die Zähne zusammen, bemühte sich den Schmerz in den Händen zu unterdrücken, die Tatsache zu ignorieren, dass die Hitze nun auch schon durch sein Feuerrattengewand zu dringen begann, seine Haare versengte.

Wieder ein Stück nach oben, das spürte Kyuu noch, ehe sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Bewusstsein verlor. Ehe sie völlig in die unbekannte Schwärze glitt, murmelte sie: „Es tut mir Leid, Vater, ich wollte nicht schwach sein.“

Inuyasha hatte es gehört. Gewisses Mitleid ließ ihn irgendwie hervorstoßen: „Schon gut...“ Vater, hatte sie gesagt, ehe sie ohnmächtig wurde. Hatte auch sie, wie Sesshoumaru, stets versucht, den Vater zu beeindrucken, zu erreichen? Sie war ein Mädchen gewesen, dem manches verbaut worden war, so wie ihm selbst als Hanyou. Sie beide hatten es von Geburt an schwerer gehabt – und eigentlich waren sie sich irgendwie ähnlich.

Noch ein Stück.

Warum ließ der Herr Halbbruder eigentlich sein Fell nicht runter? Damit hatte er ihn doch auch aus diesem Loch vor dem Pass gezogen? Konnte der es in Menschenform nicht? Natürlich nicht. Er musste schon sehr müde sein, wenn er das vergaß.

Langsam spürte er seine Hände, seine Knie nicht mehr, seine Schultern schienen fast in Flammen zu stehen. Nur noch ein bisschen, beschwor er sich. Wenn er nicht durchhielt und sie nach unten stürzten, wären sie alle beide tot. Und er hatte Kyuu doch versprochen, dass sie ihm vertrauen könnte, ja, sollte...

Wieder dreißig Zentimeter...

Er sah empor.
 

Inabikari kniete nieder: „Noch einmal, dann kann ich Euch Kyuu abnehmen, Inuyasha-sama.“

Der Hanyou war etwas erstaunt. Waren es nicht eigentlich Youkai, gerade Daiyoukai, die alles andere als Hilfsbereitschaft zeigten? Hatten die nicht alle als Motto: wer zu schwach ist stirbt eben? Aber es war eine schöne Aussicht gleich das zusätzliche Gewicht weg zu bekommen.

Inabikari hätte nie zugegeben, dass er beeindruckt war. Er selbst kannte den menschlichen Körper in dem er gerade steckte und dessen Beschränkungen erst seit wenigen Stunden, aber er hätte nie gewagt, dort hinabzuspringen, schon gar nicht, um jemand anderem zu helfen. Er hätte Kyuu dort sterben lassen. Sie hatte einen Fehler gemacht und musste dafür bezahlen. Aber er bewunderte den Willen und das Durchhaltevermögen des jüngeren Halbbruders des Taishou. In der Tat, ein Daihanyou. Und zum ersten Mal in seinem Leben fragte er sich, ob er sich das nicht als Vorbild nehmen sollte – anstelle seines Vaters. Immerhin hatte auch Sesshoumaru sich nun neben ihn gestellt...
 

Inuyasha drückte sich mit zusammengebissenen Zähnen noch einmal empor. Sofort sah er, spürte er, wie Inabikari Kyuu unter den Achseln fasste. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, stemmte er sich gegen den Schlot, als der Hundeyoukai seine bewusstlose Ratskollegin von ihm zog, sie ihm dabei auch über das Gesicht schleifte. Fast wäre er hinabgestürzt.

„Keh!“ war alles, was er hervorbrachte, selbst kaum mehr bei Bewusstsein.

Im nächsten Moment fühlte er Hände unter seinen eigenen Schultern.

„Stoß dich ab!“ kam der Befehl einer kühlen Stimme.

Nicht möglich, der Herr Halbbruder? Aber der Hanyou gehorchte erleichtert, fühlte sich mit gewisser Kraft aus dem Schacht gezerrt. Mochte Sesshoumaru auch ein Mensch sein – selbst in diesem Körper blieb er durchtrainiert. Keuchend blieb der Jüngere liegen, blickte jedoch seitwärts. Inabikari kniete noch immer da, Kyuu im Arm, sie fast besorgt betrachtend. Es war ein ungewohntes Bild, das letzte, was der Hanyou sah, ein seltsam anrührendes, ja, menschliches Bild.
 

Kyuu erwachte verwirrt. Was war geschehen? Noch mehr erstaunte sie, dass sie in Inabikaris Am lag. Hastig raffte sie sich auf und erhob sich noch etwas taumelnd. Er gab sie sofort frei.

„Ratsmitglied Kyuu,“ sagte er höflich, bemüht, sie nicht zu verletzen: „Ich bin erfreut, dass Ihr wohlauf seid.“

Sie war erneut verblüfft, diesmal über seine Rücksicht auf ihren Stolz. Verachtete er sie nicht, weil sie sich diesen dummen Fehler geleistet hatte? „Danke, Ratsmitglied Inabikari,“ gab sie jedoch zurück, ohne den Blick von dem Hanyou zu lassen, der sich ebenfalls bewegte, sie dann ansah.

„Keh,“ machte er leise: „Alles klar, Kyuu? Du wirst dich noch etwas wackelig fühlen, dass ist bei Menschen so.“ Sein zweiter Blick galt Sesshoumaru, der neben ihm stand und ihm den Rücken zudrehte, ehe er besorgt aufstand, mühsam die Schmerzen unterdrückend: „Wir sollten hier keine Wurzeln schlagen, nii-san. Die Sonne geht bald unter.“

Er hatte es ebenfalls bemerkt? Und das in seinem Zustand? Erstaunlich, dachte der ältere Halbbruder. Und noch erstaunlicher, dass ihn Inuyashas Fähigkeiten noch immer überraschen konnte. Sie wurden beobachtet, ein Gefühl, das er durchaus kannte. Allerdings hatte er nie zuvor den Eindruck erhalten, als Beute betrachtet zu werden. Ein Hundeyoukai war ein Jäger – Menschen allerdings eher die Gejagten. Aber er hatte sehr wohl begriffen, dass dies das Gefühl war, das Inuyasha vor dem fliegenden, feuerspeienden Käfer gewarnt hatte, als sie auf dem Weg in die Prüfungshölle waren. „Gehen wir.“
 

Hayasa seufzte etwas, als er zu seinem Besucher blickte: „Ich hoffe, sie merken es schnell genug.“

„Ich kann dir nicht helfen,“ gab der Herr der Zeit zu. „Ohne selbst alles durcheinander zu bringen. Wie lange kannst du das Portal offen halten?“

„Wenige Sekunden, denke ich. Und das wird schon alle meine Macht kosten.“

„Du musst es versuchen, zumindest zwei oder noch besser alle vier dieser Unglückshunde von dort wieder herzubringen.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Könnt Ihr auch nur abschätzen, ab wann dieser Aufenthalt in der anderen Welt gefährlich für diese wird?“

„Nein. Und wenn Inabikaris Vater nicht schon tot wäre, würde ich ihn eigenhändig umbringen. Solch ein Narr! - Nun gut, bereite dich vor, dann versuche es.“
 

Sowohl der Hanyou als auch die Daiyoukai fühlten sich noch etwas müde, aber keiner der beiden gab das zu erkennen. Kyuu betrachtete den wieder vor ihr Gehenden nachdenklich. Er hatte ihr geholfen, ohne zu zögern, ohne ein Wort darüber zu verlieren, hatte sich dabei selbst verletzt...

Es war schön, jemanden zu haben, der auf der eigenen Seite stand, stellte sie fest. Er hatte eine ähnliche Kindheit durchlaufen wie sie, war hilfsbereit und stark – und sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass er nicht schlecht aussah. Allerdings hatte er ja erwähnt, dass er bereits eine Gefährtin habe. Zu allem Überfluss hatte sie ihn zu einem Kampf herausgefordert, auf Leben und Tod, und es stand nicht zu erwarten, dass er davor zurückschrecken würde ihn wieder aufzunehmen. Auch ihr Stolz würde es nicht zulassen, dass sie das Duell nicht fortführten, wären sie zurück in der richtigen Zeit. Sie hatte ihn jedoch schätzen gelernt und würde es wirklich bedauern ihn töten zu müssen. Falls ihr das überhaupt gelang, denn langsam teilte sie die Einschätzung Inabikaris: das war kein gewöhnlicher Hanyou, kein gewöhnlicher Halbmensch.
 

Ihr Ratskollege hätte ihr zugestimmt. Auch er war in Gedanken. Warum nur war Inuyasha ohne zu zögern hinterher gesprungen? So ganz verstand er das nicht, nun, überhaupt nicht. In der Welt der Youkai überlebte nur der Stärkste. Hatte niemand das dem Hanyou beigebracht? Aber dieser hatte doch shiken jigoku überstanden, musste also stark sein. Oder war das eben der menschliche Anteil an ihm? Menschen halfen einander, das wusste auch Inabikari. Nun gut, er hätte es zugegeben in irgendeiner Art bedauert, wäre Kyuu dort gestorben. Sie war eine der wenigen weiblichen Daiyoukai, damit ein Verlust für die Art, wenn sie keinen Nachwuchs bekam. Vielleicht sollte er mit Inuyasha darüber sprechen? Nein. Er hatte nicht das Recht sich in dieses Duell einzumischen. Kyuu hatte den Hanyou gefordert und dieser Kampf würde weitergehen, sobald sie wieder in ihrer eigenen Welt und Zeit waren. Danach würde er sich Sesshoumaru stellen, denn dieser war auf seine Herausforderung eingegangen und würde sicher nicht zurückweichen. So oder so hatten die Inuyoukai einen neuen Heerführer.
 

Die Sonne begann zu sinken, als die Vier das Ende der Schneise erreichten, die der Vulkan geschlagen hatte. Hier wuchsen wieder Bäume und dichtes Unterholz.

Inuyasha sah seitwärts. Er wollte schon sagen: wir müssen uns verstecken, ehe er daran dachte, wie hyperstolz sein Halbbruder war: „Äh, nii-san, ich würde vorschlagen, dass wir uns ein Versteck für die Nacht suchen, das man auch gut verteidigen kann.“

Sesshoumaru sah sich statt einer Antwort um. Immer noch wurden sie beobachtet, das wusste er, aber mit dieser erbärmlichen Sinnenausstattung war es unmöglich festzustellen durch wen und wo dieser war. Leider waren auch ihre Schwerter im Augenblick nichts als bloße Metallteile, das mochte noch mehr wie lästig werden, wenn der oder die Unbekannten sie angreifen sollten. Überdies hatte er nicht die geringste Ahnung, wie fähig dieser jämmerliche Körper in einem Kampf war. Aber es brachte nichts sich darüber aufzuhalten. Irgendwann würde er seine gewöhnliche Form wieder erlangen, wie auch die anderen, und dann würde schon jeder sehen, was er davon hatte, ihm auf die Nerven gegangen zu sein.

„Taishou!“ Die leise Warnung Kyuus bewog alle drei Männer in ihre Richtung zu blicken, die Hände bereits an den Schwertgriffen.

Etwas wie ein Flirren war in der Dämmerung zu erkennen. Fünkchen tanzten in einem Oval, dessen Form sich immer mehr zu einer schwarzen Scheibe stabilisierte.

„Der Ausgang,“ kommentierte Sesshoumaru aber nur. Genau so hatte auch der Eingang bei der Hexe Aoi ausgesehen: „Kyuu, Inabikari!“
 

Während die Angesprochenen aus jahrhundertelang gewohnter Unterordnung unter den Ranghöchsten bereits gehorchten, sahen sich die Halbbrüder noch einmal um, schweigend einig, den stillen Beobachter nicht mit in ihre Zeit und Welt nehmen zu sollen, zum Schutz vor allem zweier bestimmter Mädchen.
 

„Mist!“ Inuyasha hatte gerade bemerkt, dass sich das Portal unverzüglich hinter den beiden Daiyoukai geschlossen hatte: „Hat dieser Idiot uns vergessen?“

„Dieser Idiot ist einer der ranghöchsten Götter!“ tadelte der Ältere prompt, allerdings ebenfalls nicht sonderlich glücklich über diese Entwicklung: „Es dürfte jedoch weder einfach sein ein solches Portal zu schaffen noch es aufrecht zu erhalten.“

„Na, immerhin hat er gerade bewiesen, dass es geht. Dann müssen wir nur noch abwarten.“ Der Hanyou setzte sich an den Rand eines Buschwerkes. Er benötigte Pause. Die Verbrennungen wären in seiner gewöhnlichen Form schon längst verheilt, aber als Mensch brauchte man einfach so lange für die Regeneration. „Wenn es geht, sollten wir auch Wasser finden,“ formulierte er daher bemüht höflich.

Sesshoumaru nahm das zwar zur Kenntnis, aber das hob seine Laune nicht. Dieses seltsame Gefühl im Bauch, das er spürte, war Hunger. Wie beschämend. Durst war ebenfalls erkennbar, nun, da das Wort Wasser ausgesprochen worden war.
 

Kyuu und Inabikari erkannten die beiden Personen, die sie auf der anderen Seite des Portals erwarteten und neigten höflich die Köpfe, ein wenig überrascht, dass der uralte Daiyoukai seitwärts auf dem Boden lag, nun die Augen schloss.

Im nächsten Moment spürten sie erleichtert die Verwandlung – sie waren wieder Hundeyoukai, ja, Daiyoukai. Nur...

„Wo sind der Taishou und Inuyasha-sama?“ erkundigte sich Inabikari bei dem Herrn der Zeit.

Dieser zuckte etwas die Schultern, blickte jedoch seitwärts: „Hayasa?“

Der schüttelte den mächtigen Kopf: „Ich konnte das Portal nicht länger aufrecht halten. Immerhin sind zwei hier. Wenn ich mich erholt habe, werde ich es erneut versuchen, Tsukiyomi-sama. Aber es ist überaus mühsam.“

„Dann erhole dich. Und ihr beide erzählt, was los war – und warum ihr hier nur als Menschen ankamt. Sind die anderen beiden auch so?“

„Ja,“ erwiderte Kyuu: „Was es nicht einfacher macht. Wir wurden zuletzt von Unbekannten beobachtet.“

„Die Zwei werden das schon hinbekommen. Sie haben anscheinend das Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen - allerdings auch wieder aus ihnen.“
 

Die Hundebrüder hätten sich über dieses Vertrauen kaum gefreut. Sie hatten, zumal für den Daiyoukai, ungewohnte Gefühle wie Hunger und Durst, Inuyasha dazu Schmerzen. Und jemand lauerte dort irgendwo um sie, in der zunehmenden Dämmerung.

Inuyasha legte die Hand an Tessaiga: „Nichts,“ murmelte er. Nun, wie es zu erwarten gewesen war: „Dagegen war die Prüfungshölle ja echt ein Spaziergang.“ Immerhin hatte er da noch die Windnarbe behalten.

Sesshoumaru sparte sich die Antwort. Dort war jemand und er kam immer näher, das verrieten ihm sogar seine augenblicklich menschlichen Sinne. Nein, nicht nur einer. Zuvor mochten es nur einer oder zwei gewesen sein, Beobachter, Kundschafter, aber nun war er sicher, dass es mehr waren. Manch ein Zweig knackte in der Dämmerung. Er bemerkte, dass sich auch sein Halbbruder erhob.

„Wir sind Beute,“ erklärte er ruhig.

Inuyasha nickte etwas: „Sie haben uns eingekreist. Und das, wo wir unsere Schwerter nur als Stahlwaren nutzen können. So ein Mist! Immerhin sind die anderen beiden weg.“
 

Im nächsten Moment brachen die Angreifer wie ein Sturm über die Halbbrüder herein. Sie versuchten sich noch zu wehren, so gut es mit menschlichen Kräften ging, aber die schiere Überzahl und die Tatsache, dass die Unbekannten sich wohl abgesprochen hatten, zwangen sie zu Boden. Inuyasha spürte, wie seine Hände, seine Arme nach hinten gerissen wurden, während ihn sicher sieben oder acht Krieger zu Boden drückten. Er wurde gefesselt. So ein...oh, ihm fielen jede Menge Möglichkeiten ein, wie er sich hätte befreien können, wäre er nur nicht gerade ein Mensch – und hätte Zugriff auf Tessaigas volle Fähigkeiten. Die Fremden waren bewaffnet, trugen Panzer – ja, es mussten Krieger sein. Vom Äußeren her erinnerten sie ihn etwas an den Hundeyoukai, gegen den ihn Hayasa vor Beginn der Prüfungshölle hatte kämpfen lassen. Allerdings ähnelten die behaarten Köpfe eher denen von Bären. Auch die Stärke passte dazu. Er wollte sich aufbäumen, wurde jedoch mit so roher Kraft wieder zu Boden gestoßen, dass er aufschrie, zumal mit den Verbrennungen zwischen den Schultern, auf die sie geschlagen hatten.

Er konnte nichts weiter sehen, aber er vermutete schwer, dass es Sesshoumaru nicht anders erging. Na, der würde eine Laune haben! Noch niemand hatte je gewagt den anzugreifen ohne mit dem Leben dafür zu bezahlen – das hier würde wohl die erste Gefangenschaft seines Lebens sein. Und das noch dazu als Mensch...Ohoh. Diese lieben Bären waren schon so gut wie im Jenseits, wenn auch nur einer von ihnen sich zurückverwandelte. Er wurde empor gezerrt und entdeckte seinen Halbbruder, in der Tat ebenfalls gefesselt.

Jemand kam heran – zur Überraschung der Hundebrüder viel kleiner als die Bärenkrieger und eindeutig eher Jaken-ähnlich.

„Lasst ihnen ja die Schwerter!“ keuchte dieser.

Einer der Krieger, wohl der Anführer, sah zu ihm: „Und warum? Es ist nicht üblich, Gefangene bewaffnet zu lassen.“

„Ich bin der Zauberer des Königs! Und nicht ohne Grund. Diese Schwerter bestehen nicht nur aus Metall. Auch, wenn sie im Moment zu schlafen scheinen, so besitzen sie Magie. Magische Schwerter jedoch sollten nie ihren noch lebenden Besitzern abgenommen werden. Erst, wenn sie tot sind, soll unser Herr sie an sich nehmen. Dann werde ich versuchen, sie ihm passend zu machen.“

Ach ja, dachte Sesshoumaru verstimmt, ohne sich jedoch zu bewegen. Gegenwehr wäre in Anbetracht aller Umstände nur unsinnig. Erst, wenn er sich zurück verwandelt hatte, wieder er selbst sein konnte, könnte und würde er zurückschlagen. Dann wären diese Bären Geschichte. Er warf einen Blick aus den Augenwinkeln zu Inuyasha. Immerhin schien auch der eingesehen zu haben, dass sie im Moment nichts tun konnten. Bei dessen Sturheit erstaunlich. Aber er hatte in den letzten Tagen und Abenteuern gesehen, dass er sich wirklich auf ihn verlassen konnte. Nein, so war es besser, als wenn er Kyuu oder Inabikari hier bei sich hätte. Nicht, dass er an deren Stärke zweifelte, aber er kannte Inuyashas Kampfart – er weigerte sich „Kampftechnik“ auch nur zu denken – besser als sonst irgendjemand. Sobald sie sich zurückverwandelten – und das musste einfach passieren – konnten sie die Sache endgültig erledigen.

Der Zauberer kam heran und musterte sie von unten, da er Sesshoumaru kaum bis zur Taille reichte: „Fremde, sind sie. Fremde hier, ich würde sogar sagen, in dieser Welt.“

Der Anführer nickte: „Umso entzückter wird der König sein. - Nehmt sie mit und passt auf, dass sie weder an ihre Schwerter gelangen noch sonst entkommen. Sie werden unseren Herrn köstlich amüsieren, da bin ich sicher. Fremde Krieger sind stets für ihn erheiternd.“

Das klang nicht gut und so tauschten die Halbbrüder unwillkürlich einen Blick. Hatten sie wirklich irgendwann geglaubt, shiken jigoku sei lästig? In der Tat. Heute war ebenso ein guter Tag zum Sterben wie sonst nur einer.
 

**
 

Das nächste Kapitel bringt: Schlechte Neuigkeiten.

Schlechte Neuigkeiten

Nach fast einer halben Stunde Fußmarsches erreichten sie das Lager der Bärenkrieger. Die gefesselten, stoisch schweigenden Halbbrüder wurden in einen Käfig gestoßen, der sich auf einem Wagen befand.

Das Lager wurde abgebrochen. Anscheinend waren sie die Beute gewesen, die die Krieger hier gesucht hatten.

„Keh!“ Inuyashas leiser Laut war die erste Äußerung, seit man sie gefangen hatte. Aber er hielt sich an das Beispiel seines älteren Bruders, nachdem er erkannt hatte, das wüste Beschimpfungen nichts an ihrer Lage ändern würden. Wie ungemein peinlich, gefesselt und in solch einen Käfig gesperrt zu sein!

Der kleine Zauberer in einer bodenlangen, lilafarbenen Robe kam heran und sah zu ihnen auf: „Magische Schwerter, ja. Und seltsame Wesen. Ihr seid nicht, was ihr scheint, nicht wahr?“

Der Kerl schien sein Handwerk zu verstehen. War das nun gut oder schlecht? Der Hanyou sah zu ihm hinunter: „Warum sollte ich mich mit dir unterhalten? Eure Begrüßung von Fremden gefällt nicht jedem.“

„Das denke ich mir. König Kuma schickt immer wieder Krieger aus, die Kämpfer suchen sollen. Bewaffnete Männer, denen man zutrauen kann, im Kampfspiel nicht zu versagen.“

„Kampfspiel.“

Der froschähnliche Zauberer zuckte die Schultern: „Mehr kann ich dir nicht sagen. Das entscheidet immer der König, was und wie er wen gebraucht.“

Das klang nicht gut, befand Inuyasha. Gar nicht gut. Er warf einen Blick seitwärts. Da er bemerkte, dass sich der Daiyoukai etwas breitbeiniger hinstellte, tat er es auch, zumal der Zauberer zurückwich. Der Wagen fuhr an. Mit den auf den Rücken gefesselten Händen war es schwer, das Gleichgewicht zu halten, da es keinen Weg gab und das Geruckel und Geschaukel heftig wurde.
 

Es musste schon gegen Mittag des folgenden Tages sein, als der Trupp Rast machte. Ein Krieger kam mit einem Krug zu den Gefangenen:

„He, wenn ihr Wasser wollt, kommt an das Gitter.“

Von einem von denen Wasser einfach in den Mund gekippt zu bekommen? Sesshoumaru spürte, wie sich sein Stolz aufbäumte. Aber seine Zunge klebte bereits am Gaumen und sein Verstand sagte ihm, dass es sinnvoller war kampffähig zu sein, falls sich auch nur der Hauch einer Chance ergab. So trat er an das Gitter. Nie zuvor war ihm Wasser so angenehm erschienen, auch, wenn es über seine Boa, seinen Panzer rann. Wie überaus peinlich und beschämend diese unsägliche Lage war! Und das Allerschlimmste: er hatte nicht die geringste Ahnung wie und wann er er sich wieder zurückverwandeln würde, wieder er selbst sein konnte. Aber das half alles nichts – er musste jetzt da durch, mit minderwertiger Sinnenausstattung, ohne Dämonenenergie, mit diesem schwächlichen Körper.

Inuyasha hatte etwas erstaunt zugesehen, ließ sich aber gleichfalls das Wasser geben. Ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Schlaf waren Menschen rasch schwach, das wusste er. Und auch, wenn er nur ein Mensch war, sie momentan nur Menschen waren, so sollten sich diese Bären doch an ihnen verschlucken.

Der Anführer musterte sie: „Gib ihnen Brot.“ Der Krieger warf zwei Fladen durch die Gitterstäbe auf den Boden und ging, während der Hauptmann stehen blieb. Dafür hatte er etwas übrig – zuzusehen, wie sich die Gefangenen hinknieten und mit auf den Rücken gefesselten Händen nur mit den Zähnen abbeißen konnten.

Der Hanyou war verblüfft, seinen normalerweise so arroganten Halbbruder in dieser Haltung zu sehen, aber er begriff rasch. Sesshoumaru hatte ebenfalls erkannt, dass es in einer solchen, bescheidenen, Lage, andere, wichtigere Dinge als den persönlichen Stolz gab. Allerdings bedeutete das auch das sichere Ende dieses Bärenvolkes, falls der je wieder Zugriff auf Bakusaiga bekam. So sagte er nur nach der mageren Mahlzeit: „Wir sollten versuchen etwas zu schlafen.“

Schweigend lehnte sich der Hundeyoukai an das Gitter. Inuyasha wusste, wie ein Mensch reagierte und so war es nur sinnvoll diesen Tipp anzunehmen. Vor dem Einschlafen vergnügte sich Sesshoumaru allerdings damit, sich diverse Tötungsarten für diese so genannten Bären zu überlegen.
 

Zwei Tage später erreichten sie eine Lagerstadt aus Zelten, in der andere des Bärenvolkes wohnten, aber auch andere, jaken-ähnliche Wesen wie der Zauberer. Der Trupp Krieger mit seinen Gefangenen zog allerdings zu einem hohen Berg, der steil aus der Ebene ragte. Die Hundebrüder vermuteten, dass dort der König hauste – und damit lagen sie richtig. Der gesamte Berg besaß ein Tunnellabyrinth mit einer Vielzahl von Räumen. Sie wurden hinunter geschafft, unter die Erde, wo die stickige Luft sie selbst in Menschengestalt nur schwer atmen ließ. Zusätzlich erschwerte die Tatsache, dass hier überall Fackeln brannten, dies zusätzlich. Der Zauberer und der Hauptmann waren verschwunden, und die Gefangenen nahmen an, dass sie dem König Kuma Meldung machten. Zu ihrem gewissen Verdruss wurden sie zwar losgebunden, aber erst, nachdem ihre Hände auf dem Rücken in eisernen Schellen steckten. Die Krieger ließen ihnen keine Chance. Verbissen dachte alle beide nur daran, dass sie eine erhalten würden. Sie musste darauf warten – und dann zuschlagen. Ihre Lage und Laune wurden allerdings auch nicht besser, als die Ketten straff nach oben gezogen wurden, so dass sie vornübergebeugt stehen mussten, wollten sie sich nicht die Arme ausrenken lassen.

Ich bringe sie um, dachte Sesshoumaru nur. Ich bringe sie alle um.
 

Nur Minuten später wichen die Krieger beiseite und die Gefangenen wussten, dass dort der König kommen musste.

„Hier, mein Herr,“ sagte der Hauptmann. „Der hier scheint der Ältere zu sein. Ich bin sicher, dass sie Brüder sind.“

„Wie ungemein amüsant.“ König Kuma packte das lange schwarze Haar und zerrte den Kopf des Hundeyoukai so empor, dass er ihm ins Gesicht sehen konnte: „Oh, da ist jemand aber wütend, hm?“

Sesshoumaru, der ihn am liebsten auf die qualvollste Weise getötet hätte, die ihm einfiel, schwieg.

„Ihr tragt eure Schwerter nicht zur Dekoration, aber Oyu meinte, dass ihr sie nicht richtig einsetzen könnt, da ihr womöglich gar nicht aus dieser Welt stammt. Nun, wir werden sehen.“ Er ließ Sesshoumarus Haar los und wandte sich zu Inuyasha, um dessen Kopf hochzuziehen: „Ah ja, doch...eindeutig Brüder. Mal sehen....“ Er gab ihn frei: „Gut. Ich habe mich entschieden. Ihr bekommt Halsbänder umgeschmiedet. Diese sind miteinander verbunden, mit Magie. Überdies beinhalten sie explosives Material. Stirbt einer, stirbt auch der Andere. Morgen möchte ich euch in Bestform sehen. - Legt ihnen die Halsbänder um, dann bringt sie in eine Zelle. Sie sollen essen und trinken. Und ich werde gehen und mir eure Gegner aussuchen. Ich hoffe, ihr bereitet mir viel Vergnügen.“

„Keh!“ machte Inuyasha unwillkürlich. Was war das denn für ein Sadist? Der hatte Vergnügen daran, wenn sich Leute gegenseitig umbrachten? Leider sah er nicht die geringste Möglichkeit, als Mensch etwas dagegen zu unternehmen. Nicht, solange Tessaiga nicht mehr als nur ein Stück Altmetall war. Immerhin konnte er sicher sein, dass Sesshoumaru das ebenso sah. Nur eine Chance, und sie würden zurückschlagen.
 

Keine halbe Stunde später befanden sich die Halbbrüder in einer dunklen, fensterlosen Zelle, in der es selbst für ihre augenblicklichen Nasen stank Das einzige Licht, das man ihnen zugebilligt hatte, war eine Fackel. Beide griffen unwillkürlich an die Metallreifen um den Hals, aber, wie sie eigentlich erwartet hatten, vermochte kein Mensch diese loszuwerden. Wie ungemein demütigend war es schon gewesen sie umgeschmiedet zu bekommen! Aber das half nichts. Immerhin hatten sie nun die Hände frei.

Inuyasha setzte sich: „Wasser und Fladenbrot, dazu eine Fackel,“ murrte er: „Dieser König Kuma versteht es wirklich, gastfreundlich zu sein!“ Er nahm ein Brot: „Du solltest auch essen, nii-san.“

„Sag mir nie, was ich tun soll!“ Der Hundeyoukai knurrte es nur, während er sich umsah. Keine Chance, dachte er frustriert. Weder zur Flucht noch auch nur dazu, das Halsband abzubekommen. Also musste er sich damit abfinden, morgen zur Unterhaltung dieses Bärenpacks kämpfen zu sollen, um auch nur am Leben zu bleiben. Und das auch noch in diesem mehr als limitierten Körper! Sesshoumaru war noch nie jemand gewesen, der sich um Entscheidungen drückte, und er bewies es, als er ruhiger fragte: „Wie kämpft man mit diesem Körper?“

Inuyasha schluckte verblüfft hinunter: „Naja...im Prinzip auch nicht anders...Also, ich meine, man ist viel verletzlicher und bekommt leichter blaue Flecken, und....“

„Zeige es.“ Ehe die Fackel erlosch, musste er wissen, welche Möglichkeiten dieser Körper bot. Den überaus beschämenden Tod als Mensch vor den Augen von Bären zu sterben, würde er sich um jeden Preis ersparen. Und – was waren eigentlich blaue Flecken?

„Äh, ja, in Ordnung.“ Der Hanyou stand auf: „Ohne Schwert, erst einmal....“

„Ja.“ Immerhin war der zu etwas wirklich nutze.
 

Als die Fackel erlosch keuchten beide, alle zwei fühlten die Begrenzungen eines menschlichen Körpers, aber sie waren auch beide zufrieden. Sie wussten nun, was sie konnten – und was nicht, und was der jeweils andere vermochte. Das konnte morgen nur zu wichtig werden. Im Dunklen aßen und tranken sie, ehe Inuyasha mehr ehrlich als diplomatisch geschickt sagte:

„Irgendwie bin ich froh, dass du hier bist.“

Er rechnete mit einer dummen Bemerkung oder auch einem Faustschlag, aber aus der Dunkelheit kam nur die Antwort: „Schlaf!“

Er war so erstaunt über diese Große-Bruder-Antwort, dass er gehorchte und auch tatsächlich fast unverzüglich einschlief.

Sesshoumaru benötigte etwas länger, die ungewohnte Ruhe zu finden, aber seltsamerweise dachte er, dass der Jüngere Recht hatte. Auch er war irgendwie froh, dass der hier war, er nicht allein war, nicht mit Jaken und auch nicht mit Inabikari.
 

Sie richteten sich erst auf, als die Tür geöffnet wurde. Ein kleiner Diener kam herein und wieder fühlten sich beide an Jaken erinnert. Er brachte eine neue Fackel, Wasser und Brot.

„Hier,“ sagte er: „Euer Frühstück. - Die Wachen werden euch in einer Stunde holen.“

„Und dann?“ erkundigte sich Inuyasha prompt.

Der Frosch schien erstaunt: „Ihr seid Krieger und werdet kämpfen.“

„Nur mal angenommen, wir wollen nicht....“

„Ihr tragt die Halsbänder und König Kuma hat deren Steuerung. Er würde euch töten, wenn ihr zu fliehen versucht. Wenn ihr euch aber weigert, an seinem Spiel teilzunehmen, würde er euch anders hinrichten....Es ist besser, ihr macht mit.“ Der Kleine nickte: „Der Tod im Kampf ist angenehmer.“

„Wieso hat der König so ein nettes Hobby?“

„Hobby?“

„Wieso mag er es, Leute kämpfen zu lassen?“

„Kampf bereitet ihnen allen Vergnügen. Aber für König Kuma wäre es Verschwendung seine eigenen Männer zu töten. Sie kämpfen auch untereinander, aber immer nach Regeln.“

„Das heißt, für uns gelten keine?“

„Nur die, die der König aufstellt....“

„Na, Klasse....Und ich dachte schon, Hayasa wäre nervend.“

„Wer?“

„Kennst du nicht, ziemlich groß und schwarz, Herr der Prüfungshölle.“

„Nein, den kenne ich nicht. Aber ich kann euch sagen, dass ihr es schwer haben werdet.“

„Keh!“ Inuyasha warf unwillkürlich etwas den Kopf zurück.

Der Diener sah sich hastig um: „Es gibt keinen Ausgang!“ flüsterte er: „Wenn ihr euch durchgekämpft habt, beginnt alles von vorn!“

„Danke für den Tipp,“ murrte der Hanyou: „Aber es gibt immer einen.“

„Lass ihn!“ befahl Sesshoumaru unwillig, der Jaken vor sich sah.

„Lass mich,“ knurrte Inuyasha zurück: „Ja, du gehst mit Jaken anders um, aber du solltest vielleicht auch mal daran denken, dass niemand es nicht wert ist, beachtet zu werden, Herr Daiyoukai!“

Der Kleine betrachtete den Hanyou, ehe er sagte: „Wenn ihr heute überlebt, werde ich euch etwas erzählen.“ Und damit war er weg.
 

Pünktlich wurden sie von Kriegern abgeholt. Beide trugen zwar ihre Schwerter, aber ihnen war klar, dass der reine Kampf Metall auf Metall schon schwer werden würde – zumal sie keine Ahnung hatten, was auf sie wartete. Der Gang war übergittert, dann standen sie in einem Oval, das rundum mit Männern des Bärenvolkes besetzt war, die aufjohlten, als sie sie sahen.Der Boden war Sand, mit kleineren Steinen durchsetzt. Zwischen ihnen und den Kriegern befanden sich ebenfalls Gitter, die wohl das Entkommen in die Zuschauertribünen verhindern sollten. In der Mitte der rechten Längsseite entdeckten sie den König.

Sesshoumaru ging schweigend dorthin, Inuyasha an der rechten Seite.

Kuma hob die Rechte mit einem Kästchen: „Falls ihr nicht mitmachen wollt, sagt es und meine Krieger werden euch sofort in den Kerker zurückbringen. Mit ein bisschen Glück seit ihr dann in drei Tagen tot.“ Er betrachtete die Gefangenen. Beide hatten übermäßig langes, schwarzes Haar und die dunklen Augen leuchteten ihn in ähnlicher, wütender Glut an. Ja, das waren Brüder und das mochte noch erheiternder werden.

„Ich sage euch die Bedingungen. Jeder von euch hat zunächst einen Kampf. Während dessen wird der Bruder dort angebunden.“

Unwillkürlich drehten die Hundejungen die Köpfe. Zuvor hatten sie nichts gesehen, aber nun befand sich auf einmal am anderen Rand dieser Arena ein Pfosten.

„Nur, damit ihr euch nicht helfen könnt. Die Regel ist klar: stirbt einer von euch, werden die Halsbänder dafür sorgen, dass es auch der Andere tut. Überlebt ihr diese beiden Kämpfe, gibt es noch einen. - Danach habt ihr für heute frei.“

Für heute. Dieser Mistkerl.

Es hätte sie gefreut, hätten sie gewusst, dass der andere ebenso dachte.

„Du da mit dem Fell geh zu dem Pfosten.“

So war Sesshoumaru noch nie angesprochen worden, aber er wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb. So ging er schweigend hinüber. Scheinbar aus der Wand tauchte ein Bärenkrieger auf und befestigte sein Halsband an dem Pfosten.

Angekettet wie einer der entfernten tierischen Verwandten! Wenn er Kuma erwischte, würde er ihn in faustgroße Stücke reißen und dann auch noch bedauern, nicht mehr für den tun zu können! Hoffentlich würde Inuyasha den Kampf überstehen. Nun gut. Der war viel zu stur um zu verlieren. Überdies kannte der die Beschränktheiten dieses jämmerlichen Körpers sicher weitaus besser als er selbst.
 

Inuyasha hörte, wie die Zuschauer aufschrien und wandte sich um. Tatsächlich. Da kam sein Gegner und er konnte nicht anders als unwillkürlich zu schlucken. Der war gut zwei Köpfe höher als er selbst, offenbar ebenfalls ein Bärenkrieger. Hinter einer Maske aus Metall, die der sich über Mund und Nase gelegt hatte, war das schwer abzuschätzen. Überall bekleidet, Handschuhe mit Nieten, und ein Brustpanzer. Auch Schienbeinschoner und Schuhe waren aus Metall. Das konnte ja heiter werden. Unwillkürlich fasste er nach Tessaiga, aber sein Schwert konnte ihm hier kaum helfen. Überdies trug der andere keines. Das würde wohl auf Handgreiflichkeiten hinauslaufen, wie er schon gedacht hatte. Nun ja, in den langen Jahren, ehe er Tessaiga erhalten hatte, hatte er auch gelernt, solcherart zu kämpfen. Dieser Teddy würde sich wundern! Er warf einen raschen Seitwärtsblick zu Sesshoumaru. Dem würde es gar nicht gefallen, so angekettet zu sein, dazu noch hilfloser Zuschauer. Nun gut. Er kämpfte um sein eigenes Leben und das seines Halbbruders – das sollte doch zu schaffen sein.

Der Andere blieb fünf Meter entfernt stehen: „Oh, du bist ja fast noch ein Kind. Schade. Das wird schnell vorbei sein.“

„Das glaube ich auch.“ Inuyasha duckte sich etwas ab, als er die Rechte etwas hob, die Linke leicht geballt an den Oberschenkel legte.

„Oh, du willst wirklich kämpfen....“

Das würde nicht einfach werden, dachte der Hanyou, aber er besaß einen Vorteil, von dem der andere nichts wusste oder auch nicht wissen konnte. Sein Feuerrattengewand. Das würde ihn auch schützen, falls dieser Bär mit den Metallschuhen zutreten wollte.

„Man nennt mich Hanaji. Warum, wirst du gleich erleben.“

Nasenbluten? Was war das denn für ein dämlicher Name? Aber das konnte eigentlich nur bedeuten, dass der Idiot immer auf das Gesicht losging. So ein Trottel, das seinem Gegner zu sagen. „Fein. Ich heiße Inuyasha.“

„Dann jaul mal, Hund!“ Hanaji schoss auf seinen Widersacher los.
 

Sesshoumaru konnte nichts anderes tun, als hilflos zuzusehen, wie die beiden in den engen Kontakt kamen. Sicher, Inuyasha hatte schon gegen andere gewonnen, aber....ja, aber. Da hatte nicht sein eigenes Leben daran gehangen. War das der Grund, warum er diesem Kampf deutlich besorgter zusah als dem vor der Prüfungshölle? Ja, das – und die Erinnerung an das Bild, als der Hanyou geglaubt hatte, er sei tot und ihn getragen hatte, die Erinnerung daran, wie loyal der sich in all den letzten Tagen gezeigt hatte.

Er hörte, wie Hanaji triumphierend aufschrie, sah, wie sein Halbbruder zurücksprang und den Kopf etwas schüttelte, um den wieder klar zu bekommen. Dort, wo ihn einer der mit Nieten beschlagenen Handschuhe an der Wange getroffen hatte, zeigte sich eine Schürfwunde. Und der Bär bewegte sich erneut vorwärts, trat mit hoher Geschwindigkeit und den Metallschuhen zu. Nur die Tatsache, dass das Haar der Feuerratten seinen Träger wie eine Rüstung schützte, verhinderte, dass der Oberschenkel gebrochen oder zumindest geprellt wurde.

Inuyasha warf sich beiseite, rollte ab und stand wieder, diesmal außerhalb der Reichweite seines Gegners.

Und der Daiyoukai ertappte sich dabei, dass er schon einige Zeit keine Luft mehr geholt hatte. Er sollte mehr Vertrauen haben, dachte er. Das war kein Irgendwer, das war Inuyasha, Vaters Sohn.
 

Verflixt, dachte der Hanyou. Dieser Hanaji war schnell und stark. In seiner gewöhnlichen Form wäre er mit dem locker zurande gekommen, aber als Mensch stand ihm leider weder sein Klauenangriff noch Tessaiga zur Verfügung. Es würde also irgendwie so gehen müssen. Bis ihm irgendetwas eingefallen war, müsste er zusehen, dass er weder in der Reichweite der Metallschuhe oder der geschützten Hände herumstand. Und das konnte schwer werden. Schließlich wollte er sich auch nicht wie ein verängstigtes Kaninchen durch die Arena jagen lassen.

Der Bär griff erneut an. Inuyasha wich etwas zurück, parierte die Schläge und Tritte so gut er konnte, im Vertrauen auf sein Feuerrattengewand. Dabei wich er immer wieder zurück, bemüht, am Rande der Reichweite zu bleiben.

Und erkannte zu spät, dass ihn Hanaji gegen die Wand getrieben hatte. Mit einem seitlichen Hechtsprung machte er, dass er an dem Bären vorbeikam. Ein fester Kick gegen seine Rippen brach den Satz ab. Hastig bemühte er sich, beiseite zu rollen, um den nachfolgenden harten Tritten keinen Widerstand zu bieten. Metall gegen menschliche Knochen und Fleisch war keine gute Quote, trotz des Feuerrattengewandes und er stöhnte vor Schmerz auf. Mehr instinktiv bäumte er sich auf und trat seinerseits zu, gegen das Gesicht seines Gegners zielend. Zwar traf er nur dessen Gesichtsschutz und das Metall schmerzte an seinen bloßen Füssen, aber er hatte damit Hanaji gezwungen, seine Angriffe abzubrechen.

Als der Hanyou keuchend wieder stand, bemerkte er das Blut, das unter dessen Halbmaske hervorann. Immerhin hatte der jetzt einen Zahn weniger oder so, dachte er. Allerdings war er selbst angeschlagen. Er hätte alle Stellen aufzählen können, die sein Widersacher getroffen hatte. Allerdings war er nur zu gewohnt, Schmerzen zu ertragen, selbst oder eher vor allem in dieser menschlichen Form. So war er noch lange nicht bereit aufzugeben, zumal, wenn das seinen eigenen Tod und den seines Bruders bedeutet hätte.
 

König Kuma sah amüsiert zu. Der Kleine wehrte sich nicht schlecht – aber das würde nicht reichen. Hanaji war einer seiner eigenen Krieger, dazu noch durch Metall geschützt. Jetzt griff der auch wieder an. Erneut wurde der jüngere der Brüder zurückgetrieben, parierte nur mit Mühe die Schläge und Tritte. Und der Bärenkönig musste nur einen Blick zum großen Bruder werfen, um zu sehen, dass auch dieser das Duell angespannt verfolgte.

Er hat einen Plan, dachte Sesshoumaru. Er muss ihn haben. Er hatte noch immer einen, seit uns der Hunderat auf diesen Höllenpfad setzte. Es geht um sein Leben, unser beider Leben. Seit ich ihn kenne, kämpft er am besten, wenn es um andere geht. Wie sagte er zu diesem Abschaum von Takemaru und So´unga? Menschen sind am stärksten, wenn sie etwas beschützen wollen.

Aber er konnte nur zusehen, wie Inuyasha erneut rückwärts gegen die Arenawand getrieben wurde, ja, unter den Schlägen zu Boden ging.
 

Verdammt, dachte der Hanyou, lange kann das nicht mehr so weitergehen.

Er spürte, wie seine erste Rippe unter den Tritten nachgab und rollte sich davon,so gut es eben ging. Aber es war nötig. Dieser Vollidiot von Teddy war zu stark und zu schnell, als dass er ihn einfach so hätte besiegen können. Er musste ihn täuschen. Allerdings fragte er sich nun, ob sein Vorhaben, dem einen Kampfplan vorzugaukeln, nicht fatal gewesen war. Er lag am Boden, der andere trat zu, und er konnte kaum mehr ausweichen.

Mühsam sah er bei der nächsten Rolle auf. Nur noch ein wenig....Es gab nur diese eine Chance und die musste er nutzen, für sich und für Sesshoumaru.
 

**
 

Im nächsten Kapitel sollte Inuyashas Plan besser klappen – und auch Sesshoumaru in menschlicher Bestform sein. Niemand, werter König, sollte allerdings Menschen unterschätzen, die um ihr Leben kämpfen.

In der Arena

Went the distance, now I`m not gonna stop

Just a man and his will to survive..
 

The Scorpions: Eye of the Tiger
 

Inuyashas Idee war schmerzhaft, hatte sie ihn doch dazu gebracht, mehr Tritte mit den Metallschuhen einstecken zu müssen als geplant. Er konnte jedoch viel ertragen, selbst in seiner Menschengestalt. Überdies war notwendig und so hielt er sich nicht weiter damit auf, als er in eine Rolle vorwärts sprang.

Sobald er mit den Füßen den Sand berührte, stieß er sich ab. Es wirkte wie eine einzige, geschmeidige Bewegung, als er anschließend empor sprang und die Arme hochriss, um sich an einer Querstange des Gitters festzuhalten, das den Zuschauerraum von der Arena trennte. Noch bevor ihn sein eigener Schwung gegen die Wand prallen ließ, hatte er die Beine vor gerissen und stützte sich erneut ab und schwang zurück. Seine Füße trafen seinen Gegner abermals im Gesicht. Der stürzte rückwärts zu Boden.

Der Hanyou ließ sich fallen und fuhr herum, beide Hände wieder abwehrbereit erhoben. Dieser Tritt sollte doch reichen, selbst einen Bärenkrieger etwas aus der Fassung zu bringen, hoffte er. Erfreut erkannte er, dass sich dieser deutlich langsamer als zuvor auf den Bauch rollte, um aufzustehen. Offenbar war der benommen, denn er wandte ihm den Rücken zu. Ohne zu zögern sprang er mit beiden Knien voran in dessen Kreuz, hörte, wie seinem Gegner die Luft aus den Lungen gepresst wurde, ehe er die ineinander verschränkten Hände mit aller Kraft in den Nacken des Bärenkriegers fallen ließ. Der brach zusammen, das Gesicht im Sand.
 

Keuchend stand der Hanyou auf, mehr als mühsam. Die Prellungen, Abschürfungen und auch noch die Brandverletzungen von Kyuus Rettung meldeten sich nachdrücklich, nun, nachdem er gewonnen hatte.

„Töte ihn!“ sagte König Kuma.

Inuyasha warf den Kopf zurück, dass seine schwarzen Haaare flogen: „Keh! Ich bringe keinen Bewusstlosen um.“

„Bei uns stirbt man oder siegt. So will es das Gesetz.“

„Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist – ich bin keiner deiner Untertanen!“

Der König lächelte etwas: „Nein. Ich werde es mir merken. - Bringt Hanaji um. Und du, Junge, gehst zu deinem Bruder. Dann wirst du angebunden und er darf kämpfen.“

Inuyasha war für einen Moment unsicher, ob er den Bewusstlosen nicht schützen sollte, aber er sah ein, dass er keine Chance hatte. Nicht erschöpft, wie er war, nicht ohne Tessaiga, nicht in dieser Menschenform – und nicht mit diesen Halsbändern an ihm und seinem Halbbruder. So ging er hinüber und ließ sich anketten. Warum nur war er nicht überrascht, dass Sesshoumaru nichts von „gut gemacht“ oder so sagte?

Dieser wurde von dem Pfahl freigemacht und machte sich wortlos auf den Weg auf die andere Seite der Kampfbahn. Der Hanyou hatte bewiesen, zu was man in diesem Körper fähig sein konnte, also würde er erst recht gewinnen, das stand außer Frage. Ob auf ihn nun ein Schwertkampf wartete? Wenn er diesen Bärenkönig in die Finger bekam und wieder er selbst war, würde er sich für diese unglaubliche Demütigung hier zur Schau gestellt zu werden rächen. Leider musste er zunächst erst einmal kämpfen, um die Rückverwandlung noch zu erleben.

Kuma nickte etwas: „Dein kleiner Bruder hat sich nicht schlecht im waffenlosen Kampf geschlagen. Ich vermute, dass du da sogar mehr Erfahrung hast. Also diesmal mit Waffen.“ Und da der Gefangene unverzüglich die Hand an ein Schwert legte: „Nein. Greifst du zu diesen sterbt ihr beide. Dein Gegner ist Totte.“

Sesshoumaru drehte sich etwas. Ohne Schwerter aber mit Waffen? Was das wohl bedeuten sollte? Da erkannte er, dass ein dunkelhaariger Mann menschlichen Aussehens in die Arena kam, ungefähr von seiner Größe. Er trug zwei Stäbe von gut Mannshöhe, und dem Hundeyoukai entkam ein flüchtiges Lächeln. Stockfechten? Sie mochten davon ausgehen, da er Schwerter trug, dass er davon nichts oder nur wenig verstand, aber er entsann sich durchaus der Übungsstunden, die ihm sein verehrter Vater gewährt hatte, und die er mit anderen Lehrern intensiviert hatte, um diesem auch dort ebenbürtig zu werden.

Stockfechten, hatte auch Inuyasha erkannt und einen etwas besorgten Blick auf seinen Halbbruder geworfen. Davon hätte er selbst herzlich wenig Ahnung gehabt, und er schloss aus dem kaum wahrnehmbaren Lächeln, dass es bei diesem anders aussah. Gut. Dann würde dieser Typ sein blaues Wunder erleben. Sesshoumaru war auch in dieser Form nicht gerade ein Schwächling und wenn er die Technik beherrschte...na, dann sollte das doch zu schaffen sein.
 

Totte warf einen Stab vor Sesshoumaru zu Boden, während er seinen mit einem Lächeln bereits zur Hand nahm, quer vor sich hielt.

Narr, dachte der Daiyoukai, als er sich nicht bückte sondern mit einem Fuß den Stock empor schleuderte und fasste. Glaubte der wirklich, er würde auf einen so billigen Trick hereinfallen? Dieser Totte schien ein Mensch zu sein, aber das musste nicht stimmen. Überdies trug er ebenfalls einen Brustpanzer. Der seine würde ihn vor Stockschlägen schützen, aber Kopf und Beine boten sich als Ziel an, wenn dieser Kerl mit einem Ende zustoßen wollte. Da musste er aufpassen. Gegen solch ein Etwas vor den Augen von Bären zu verlieren wäre ein unsäglicher Tod. Und er wäre auch noch an Inuyashas Ende schuld, würde sich in alle Ewigkeit von dem anhören dürfen, dass er schlechter als dieser gekämpft hatte. Nein, das war keine Option. Er konnte und musste siegen. So nahm er den Stock schräg vor sich, bereit zu parieren oder selbst mit einem Ende zuzustoßen.
 

„Du hast schon einmal einen Stock in der Hand gehalten,“ erklärte Totte ein wenig spöttisch. „Nun, wir werden sehen, wie gut du damit umgehen kannst.“

Er sprang mit einem gewaltigen Satz auf den Hundeyoukai zu und schlug mit der noch immer quer gehaltenen Stange zu.

Sesshoumaru parierte und drückte ihn weg. Kein Anfänger, diagnostizierte er - und leider ungefähr so stark wie er im Moment. Gewöhnlich wäre dieser Idiot kein Hindernis gewesen, aber in dieser unsäglichen Form...ja, eben.
 

Inuyasha starrte fasziniert auf den raschen Tanz der sich nun entspann, aus Drehen, Wenden, Stockhieben, Stößen, immer wieder pariert vom jeweils anderen. Nein, Sesshoumaru wusste, wie das ging und hatte sicher viel größere Chancen als er selbst besessen hätte. Eigentlich erstaunlich, dass dieser hyperstolze Typ sich mit solch einer Kampfart beschäftigt hatte. Oder gehörte das zur Ausbildung eines Youkaiprinzen ehe er sich mit Schwertern befassen durfte? Hatte womöglich gar Vater mit ihm geübt? Wieder einmal stellte er fest, dass er eigentlich gar nichts über seinen Halbbruder oder gar dessen Kindheit wusste.
 

Totte sprang etwas zurück und musterte aufmerksam seinen Gegner. Der hatte tatsächlich so schon gekämpft, geübt, aber das machte nichts. Sein Atem war schwerer geworden, wie auch der seine, aber nun würde es den entscheidenden Durchgang geben. Er hatte die ganzen Minuten hier immer nach dem gleichen Schema gekämpft, um ein Muster zu etablieren, dass der Ältere der beiden gefangenen Brüder sicher erkennen würde. Und er würde mit einem erneuten derartigen Angriff rechnen, nicht mit einem Trick.

So lief er die wenigen Schritte vor, täuschte einen Hieb, gezielt auf den Kopf an. Sesshoumaru riss unverzüglich seinen Stab quer empor, um zu parieren. Dort schützte ihn nichts und er konnte und wollte keine auch nur momentane Bewusstlosigkeit riskieren. Im nächsten Moment sprang Totte hinauf, in einen rückwärtigen Überschlag. Noch ehe der Hundeyoukai begriff, was das werden sollte, hatte der harte Tritt seinen Stab in zwei Teile gebrochen.

Und der Andere stand wieder, seinen Stock noch immer in der Hand. Verdammt. Er war auf einen der ältesten Tricks hereingefallen! Der Mistkerl hatte ihm das schlechtere Material gegeben. Verärgert warf er die nutzlosen Teile zu Boden. Alles, was ihm nun zu tun blieb, war, den ebenfalls zu entwaffnen. Denn sonst würde er mit Schlägen eingedeckt werden, ohne diesen auch nur mehr berühren zu können. Nur – wie? So waffenlos hatte er nie geübt oder gar gekämpft. Nun ja, gegen Inuyasha in dessen Zeiten ohne Tessaiga, aber da hatte ihn dieser ja nicht einmal berührt und er war auch nicht in diesem jämmerlichen Körper festgesessen.
 

Eiwei, dachte Inuyasha besorgt, der sich als hilfloser Zuschauer auch nicht sonderlich wohl fühlte. Das war nicht gut, gar nicht gut, zumal dieser dämliche Totte sofort zum Angriff überging. Er nutzte seinen Stab jetzt nur mehr als Stoßwaffe und zwang damit den Hundeyoukai auszuweichen, zurückzugehen, ohne auch nur die Chance zu haben selbst anzugreifen.

„Komm schon, nii-san, lass dir was einfallen,“ dachte er. Er selbst hätte einfach angegriffen und eben die Treffer eingesteckt, aber er kannte natürlich auch einen menschlichen Körper nur zu gut. Schließlich wurde er einmal im Monat zu einem – und es hatte schon viele derartige Nächte in seinem Leben gegeben. Sesshoumaru dagegen steckte zum ersten Mal in so etwas und hatte sich vermutlich nie Gedanken darum gemacht, wie ein solcher Körper reagierte, ja, es mochte gut sein, dass er zum ersten Mal in seinem Leben derartig Schmerzen empfand. Natürlich hatte es ihm wehgetan, als er ihm den Arm abgehackt hatte, die Windnarbe gefunden hatte und auch in so manchem Kampf gegen Naraku, aber das war doch etwas anderes. Als Mensch tat eben jede festere Berührung weh...

Jetzt war Totte durchgekommen und hatte die Stirn getroffen.

„Mist,“ flüsterte der Hanyou unwillkürlich, als er sah, dass Blut über das Gesicht seines Halbbruders lief. Und die Menge johlte auf.
 

Diesem Kommentar schloss sich Sesshoumaru vollinhaltlich an. Es tat weh, für einen Moment war er unfähig gewesen zu reagieren. Aber am schlimmsten war es, diesem Publikum auch noch ein derartig peinliches Schauspiel zu liefern. Nie zuvor hatte es irgendjemand gewagt ihn auszulachen, ihn so zu demütigen. War es das, was Inuyasha zu Höchstleistungen angetrieben hatte? Der Spott, die Tatsache, nicht für voll genommen zu werden? Aber der hatte gewonnen, also konnte er es auch. Er war der Ältere, der Bessere. Und er kämpfte hier um sein Leben, seines und das des Jüngeren. Der hatte immerhin schon vorgelegt und gewonnen, da konnte er doch unmöglich zurückstehen.

So.

Er spürte, wie er endlich wieder nüchtern dachte, spürte ein Prickeln in der rechten Hand. Erfreut, in dieser seltsamen Welt endlich etwas Vertrautes zu finden, ging er zum ersten Mal zum Angriff über.

Totte wurde überrascht und schaffte es gerade noch, seinen Stock auf den Rücken des ihm entgegen Springenden sausen zu lassen.

Sesshoumaru spürte es, aber sein Panzer hielt das Meiste von ihm ab. Im nächsten Moment richtete er sich vor seinem Gegner auf und schlug mit der Faust zu, nach dessen Stirn zielend. Totte taumelte zurück, für einen langen Augenblick unfähig zu reagieren. Ein nie empfundener Schmerz lähmte ihn für Sekundenbruchteile – lange genug, um verhindern zu können, dass der Hundeyoukai ihm seinen Stab aus der Hand riss und zurücksprang.

„Keh!“ machte Inuyasha leise. Er wusste nur zu gut, wie weh ein derartiger Schlag tat – nun ja, Sesshoumaru war da ein Youkai und er ein Hanyou gewesen, aber es war schon schmerzhaft, zumal sein lieber älterer Bruder damals auch noch seine Giftklaue eingesetzt hatte, über die er hier als Mensch ja leider nicht verfügte. Oder doch? Er sah genauer hin. Totte rieb sich die Augen, keuchte etwas, das er so nicht verstand.

Aber er hörte die kühle Antwort des Hundeyoukai: „Es ist nur verboten, dass ich zu meinen Schwertern greife.“
 

Sesshoumaru drehte mit einer Handbewegung die Stange. Er hatte bei weitem nicht so viel Gift in den Schlag legen können wie gewöhnlich, aber es war schön, wenigstens eine vertraute Fähigkeit behalten zu haben. Mehr an dokka-so würde ein menschlicher Körper wohl nicht überstehen. Und jetzt wurde es Zeit diese Farce zu beenden, solange Totte noch geblendet war.

Ohne sichtbare Gemütsbewegung stieß er den Stab mit der Spitze voran in die Kehle seines Widersachers. Totte brach zusammen und Sesshoumaru ließ den Stock zu Boden fallen. Dieser Mistkerl von König hatte doch noch etwas über einen dritten Kampf gesagt. Was nun? Er warf einen raschen Blick zu seinem Halbbruder, der erleichtert schien. Hatte dieser Narr etwa nicht daran geglaubt, dass er siegen würde? Eher unwahrscheinlich, nach allem, was in den letzten Tagen passiert war.
 

König Kuma nickte: „Sehr schön, sehr schön. Dann lebt ihr also beide noch nach zwei Kämpfen. Jetzt wollen wir doch einmal sehen, wie ihr euch gegen mein kleines Haustier schlagt. Bindet den Jungen los.“

Auch wenn es keiner der Hundebrüder zeigte, so waren sie doch froh, dass jeder selbst in den Kampf eingreifen konnte. Hilflos dazustehen und nur zusehen zu dürfen, passte keinem von ihnen. Und keiner der Zwei stellte sich die Frage, was der Bärenkönig unter einem kleinen Haustier verstand, zu sicher, mit allem fertig werden zu können, noch dazu zu zweit.
 

Inuyasha kam heran: „Deine Giftklaue scheint ja zu funktionieren. Nett.“ Er hätte nie zugegeben, dass er Schmerzen hatte. Überdies war wohl auch der Herr Halbbruder nicht so fit wie es wünschenswert gewesen wäre, da wollte er nicht jammern.

„Sie gehört zu mir.“

„Ja, komischerweise. Ich habe noch nie einen anderen Hundeyoukai gesehen, der das hatte.“

Das stimmte, und so sparte sich der Ältere den Atem, zumal sich eine Tür in der Arena öffnete.
 

„Meine liebe Saphahanai!“ Kuma schien sich köstlich zu amüsieren: „Ja, meine jungen Freunde: sie wird euch buchstäblich zum Fressen gern haben.“

Aus den Tiefen der Gänge hinter der Arena tauchte ein großes Wesen auf. Auf den ersten Eindruck erschien es spinnenartig, aber dann sahen die Halbbrüder, dass es nur sechs Beine besaß. Dafür allerdings vier Fangarme, die mit Tentakeln bestückt waren. Der gesamte Körper war mit Platten geschützt und vor dem Kopf trug sie zwei scharfkantige Beißscheren. Wenn die Tentakeln oder diese Scheren zugepackt hatten, war alles zu Ende, das war beiden klar.
 

„Da kommt man nicht mit dem Schwert durch?“ fragte Inuyasha mehr sich selbst, die Hand bereits an Tessaiga, und war überrascht, eine Antwort zu bekommen.

„Nicht durch die Platten.“

Erstaunt, aber auch erfreut, erwiderte er: „Na, klasse, nii-san. Dann mal auf in den Kampf. Denn, wenn dieser Kuma denkt, dass wir uns einfach so fressen lassen, hat er sich geschnitten.“

Statt einer Antwort zog Sesshoumaru und der Hanyou folgte diesem Beispiel.
 

Inabikari und Kyuu warteten höflich schweigend darauf, dass sich Hayasa wieder erholte. Der uralte Daiyoukai sah zu ihnen.

„Warum geht ihr eigentlich nicht zu euren Ratskollegen?“

„Es besteht die Möglichkeit, dass ich in irgendeiner Form Inuyasha-sama helfen kann,“ erwiderte Kyuu: „Ich schulde ihm mein Leben.“

„Sesshoumaru-sama ist der Taishou. Es ist meine Pflicht, ihn zu unterstützen,“ sagte Inabikari fast gleichzeitig.

„Und dennoch wollt ihr gegen sie auf Leben und Tod kämpfen, weil ihr es gesagt habt? Und obwohl ihr wisst, auf was euer Zusammentreffen mit diesen Chaotenbrüdern wohl hinauslaufen wird?“ Hayasa nickte etwas, als er die Blicke sah. Ja, sie wussten es, aber sie würden zu ihrem Wort stehen – und zumindest Inabikari hoffte auf ein Duell, das ihn an den Rand treiben würde, gleich, wie es ausging: „Gut. Das gefällt mir. Allerdings bezweifele ich, dass ihr ihnen helfen könnt oder auch nur müsst. Ihr könnt nicht auf die andere Seite des Teppichs zurück. Ein drittes Mal wird es mir nicht gelingen, das Portal zu erschaffen.“ Und es würde noch dauern, ehe er die Chaotenbrüder herholen konnte. Selbst seine Magie hatte sich verausgabt. Mit der Zeit spielte man nicht herum, zu gefährlich und anstrengend war dies, als dass er und all seine Bekannten in den letzten Jahrtausenden das bei shiken jigoku auch nur versucht hatten. Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass Inabikaris Vater solch ein Narr gewesen war, wie und warum auch immer der das geschafft hatte. Jetzt konnte er selbst nur noch zusehen, dass er die Halbbrüder dort wegholte. Allerdings wagte er sich nicht einmal vorzustellen, was sie in jener anderen Welt anstellen würden. Schön, sie waren wohl nur Menschen, aber das, so fürchtete Hayasa, würde kaum etwas besagen.
 

Die Saphahanai blieb stehen. Sie war gewohnt, dass ihre Opfer wegliefen, manche stellten sich auch zum Kampf mit dem Mut der Verzweiflung. Gleich zwei bekam sie selten serviert – und dazu noch welche, die ihre Schwerter zogen. Das gefiel ihr. Ihr Jagdinstinkt wurde geweckt. Einfach so sich fressen zu lassen bereitete ihr an dem Opfer kein Vergnügen. Das Schicksalsspiel musste bis zum Ende gespielt werden, das war das Gewürz daran.
 

Inuyasha hob Tessaiga etwas mühsam. Selbst, wenn sich seine Klinge nicht verbreiterte, wie sie es unter dem Einfluss von Youki tat, so schmerzten seine Verbrennungen an den Schultern bei dieser Bewegung. Aber das hier war zu ernst um wehleidig zu sein.

„Keh,“ machte er leise: „Gewöhnlich wäre sie schon Geschichte.“

Dem stimmte sein Halbbruder zu. Allerdings half das „Was wäre wenn“ nichts. Hatte das niemand dem Hanyou beigebracht? Wirklich, Myouga war fällig. Momentan war es jedoch wichtiger herauszufinden, wo sich der Schwachpunkt dieser Kreatur befand. Sie musste einen haben. Allerdings war fraglich, ob man in Menschengestalt sie wirklich verwunden konnte. „Wir greifen von zwei Seiten an,“ gab er jedoch nur zurück.

„Ja, dann kann sie sich aussuchen, auf wen sie losgeht. Vielleicht wird sie verwirrt,“ erwiderte Inuyasha nur und lief bereits los.

Nein, feige war der nicht, dachte Sesshoumaru noch, ehe er sich auf den Weg nach rechts machte.

Die Saphahanai kannte diverse Methoden, mit denen ihre Opfer versuchten, sie zu besiegen oder verwirren und konzentrierte sich unwillkürlich auf den, der zuerst bei ihr war. Ihre Tentakeln schossen auf Inuyasha los, der damit gerechnet hatte. Ohne auf seine Verletzungen zu achten, warf er sich auf den Boden, rollte beiseite. Allerdings nur, um erneut einen Hechtsprung zu machen, mitten in das Gewirr der sechs gepanzerten Beine hinein. Mit aller Kraft, die er im Sand liegend aufbringen konnte, stieß er Tessaiga zwischen die Panzerplatten, die zu seinem Leidwesen auch den Bauch des Wesens schützten.

Sesshoumaru hatte das Manöver zunächst irritiert mitbekommen, dann jedoch begriffen, dass der Hanyou versuchte, den vermutlich ungeschützten Bauch zu attackieren. In der Tat, der konnte in einem Kampf mitdenken. Um zu verhindern, dass die Saphahanai seinen Halbbruder packte, rannte er zu dem ebenfalls gepanzerten Schwanz und stieß dort die Klinge zwischen die harten Schuppen.

Die Saphahanai schrie wie am Spieß – an dem sie ja auch tatsächlich stak. Das war ungewohnt und machte sie wütend. Kaum jemand hatte je vermocht, sie zu verletzen. Wutentbrannt warf sie sich zu Boden, rollte sich über ihren Schwanz ab.

Beide Hundebrüder hatten jedoch die Kampferfahrung und die Nerven besessen, ihre Schwerter unverzüglich wieder zu ziehen und sich auf den Rückzug zu begeben. So standen sie keuchend abseits, allerdings mit der Wirkung ihres ersten Angriffes zufrieden. Falls dieses Wesen sie wirklich fressen wollte, konnte es für seine Mahlzeit ganz schön arbeiten. Leider halfen derartige Nadelstiche nicht viel, um auch zu siegen, sie zu töten. Sie stand bereits wieder, eindeutig wütend. Ihre Tentakeln, ihre Beißscheren bewegten sich nun rascher, als sie kurz zu überlegen schien, wen der beiden Unverschämten sie zuerst attackieren sollte.

Inuyasha hatte eigentlich vor, diese Angriffe zu wiederholen und war ein wenig überrascht, als er seinen Namen hörte. So versuchte er etwas seitlich zu laufen, um an der Saphahanai vorbeizusehen: „He, nii-san, hast du eine Idee?“

„Lenk sie ab.“

Und dann? Aber auch der Hanyou erkannte, dass es unklug gewesen wäre, seine Taktik quer durch die Arena zu schreien. Schließlich wussten sie ja nicht, wie schlau diese Kreatur war. Stark war sie ja, und gut gepanzert. Aber immerhin, wenn Sesshoumaru eine Idee hatte, würde es wohl auch was bringen. Inzwischen wusste er nur zu gut, dass der mehr von Strategie verstand als er selbst – und ein Plan war hier durchaus von Nöten, wollten sie auch nur den heutigen Tag überleben. Aber ablenken? Wie? Sein einziger Einfall dazu war so etwas wie selbstmörderisch, aber er musste eben darauf vertrauen, dass sein Halbbruder....sein Bruder, seinen Part des Kampfes übernahm. Und dieses Vertrauen brachte er ihm seit den letzten Kämpfen gegen Naraku, aber vor allem seit dieser dämlichen Prüfungshölle entgegen. Er hatte durchaus nicht vergessen, dass der ihn mitgedeckt hatte, ihn in den Armen getragen hatte, als er glaubte, er sei tot.

Das gab ihm die Ruhe frontal auf die Saphahanai zuzulaufen. Diese kannte die Reaktion. Viele Nahrungswesen, waren so verzweifelt, dass sie aufgaben, verwirrt durch Angst vor ihr, dass sie ihr förmlich in die Tentakeln liefen. Wie schön.

Inuyasha wurde von den Füßen gehoben, als sich die ersten Tentakel um ihr schlossen, dann, betont langsam, immer mehr. Mit aller Kraft umklammerte er Tessaiga, ohne die Beißscheren vor sich aus den Augen zu lassen, die aus dieser Nähe noch riesiger aussahen.
 

**
 

Es ist doch immer schön, wenn man sich auf den Bruder...Halbbruder verlassen kann.

Brüder

All I have is one last chance

I won´t turn my back on you

Take my hand, drag me down

When you fall then I will too

And I can´t save whats left of you
 

I can´t face the dark without you, Breaking Benjamin
 

Es war ein eigentümliches Gefühl ruhig zu bleiben, als sich Tentakel um Tentakel langsam um Körper und Arme schlang, nicht Tessaiga zu heben, sich nicht zu wehren, alles nur, um die Saphahanai abzulenken, von allem, was Sesshoumaru da tat oder tun wollte. Inuyasha konnte sich eigentlich nichts vorstellen, wie man an diesen sicher gepanzerten Körper kommen wollte. Selbst der Bauch der Kreatur war gut geschützt, das hatte sein eigener Angriff gezeigt. Aber er musste Vertrauen in seinen Halbbruder haben.

So zwang er sich auch dann noch ruhig zu bleiben, als sich die Tentakel an ihm festsaugten und die riesigen Beißscheren sich fast direkt vor seiner Nase öffneten. Zum ersten Mal konnte er so in die Augen des Wesens sehen, das ihn fressen wollte. Zu seiner Überraschung erkannte er durchaus etwas wie Bewusstsein. Nein, das war kein Tier. Eher vielleicht etwas Youkaiartiges, aber das war in dieser Welt schwer zu sagen. Er umklammerte Tessaiga ohne den Blick abzuwenden. Er musste sie ablenken, dass war seine einzige Chance, ihre einzige, das Hier und Heute zu überleben. Dieser Mistkerl von König Kuma hatte ja bereits angekündigt, dass es morgen weiter gehen würde. Vermutlich solange, bis sie doch einmal verlieren würden.

„Keh,“ machte er daher: „Wenn du mich wirklich fressen willst, kann ich dir die übelste Magenverstimmung versprechen, die es je gegeben hat.“

Statt einer Antwort hob die Saphahanai die letzte freie Tentakel und legte sie an seinen bereits an seinen Körper gepressten Waffenarm, ehe sie betont langsam noch einmal Tessaiga an ihr drückte.

„Ach ja? Du mich auch....“ keuchte der Hanyou unwillkürlich, als der Druck seiner lebenden Fesseln ihn an seine Schmerzen aus dem vorangegangenen Kampf und dem kleinen Abenteuer in dem Vulkanschacht erinnerte. Menschliche Körper heilten so schrecklich langsam....
 

Sesshoumaru hatte die geradezu lebensmüde Aktion seines Halbbruders zur Kenntnis genommen. Nein, feige war der wirklich nicht. Für Ablenkung zu sorgen, in dem man sich auf dem Präsentierteller als Futter anbot – in der Tat, das war Vaters Sohn.

Zufrieden damit, dass dieser seinen Part voll übernahm, ging er zu dem seinen über: so rasch er es in dieser jämmerlichen Gestalt vermochte rannte er zu dem Schwanzende der Saphahanai. Er hoffte, dass sie abgelenkt und selbstsicher genug wäre, nicht sonderlich auf ihn zu achten und, dass die Panzerplatten auch keine Eindrücke vermitteln konnten, was auf ihnen geschah. Als er hinauf sprang und oben auf dem riesigen Körper weiterhastete, konnte er die kleine Stimme in seinem Hinterkopf nicht unterdrücken, dass er wohl noch nie so langsam und unelegant gelaufen war, noch nie derart nach Luft gerungen hatte. Aber es musste jetzt alles schnell gehen. Dieses Wesen schien unbesiegbar, aber es hatte einen Schwachpunkt. Allerdings war der nicht von vorn anzugreifen, nicht einmal von der Seite: seine Augen. Sie waren durch den gepanzerten Kopf und die Beißscheren, sowie die Tentakel gut geschützt – aber eben nicht gegen einen Angriff von oben. Gewöhnlich wäre er einfach empor gesprungen, aber das ging eben nicht und er war zu nüchtern, um sich mit Unmöglichkeiten aufzuhalten.

Inuyasha entdeckte ihn erst, als er auf dem Kopf des Wesens stand und mit einer sicheren Bewegung Bakusaiga in dessen linkes Auge versenkte, allerdings sofort wieder herausriß.
 

Die Saphahanai brüllte im Schmerz auf und versuchte instinktiv den heimtückischen Angreifer zu fassen. Dabei musste sie Inuyasha loslassen. Der stürzte zu Boden, raffte sich jedoch sofort auf. Die Tentakeln griffen jetzt nach seinem Bruder und er musste den schützen.

Sesshoumaru versuchte noch kurz sich auf dem herumfahrenden Kopf zu halten, sah sich jedoch gezwungen hinunter zu springen, um wenigstens aus der Reichweite zu gelangen. Er war zu langsam, dachte er noch, ehe ihn eine Tentakel am Bein packte und zu Boden riss, in Richtung auf die Scheren zog.

Da war Inuyasha schon dazwischen und hieb mehr oder weniger blindlings auf alles ein, das sich bewegte. Mochte er auch weder die gewohnte Kraft noch Tessaiga seine üblichen Fähigkeiten besitzen, so zuckte das Wesen doch zurück.

Sesshoumaru stand wieder: „Weiter!“ befahl er, keuchend und erschöpft wie nie zuvor in seinem Leben: „Das andere Auge!“

Klar, dachte Inuyasha. Das war das Einzige, an dem die Saphahanai ungepanzert war, der einzige schwache Punkt. Früher einmal hätte er sich darüber geärgert, nicht selbst darauf gekommen zu sein, aber inzwischen wusste er nur zu gut, dass Strategie und das Wissen um magische Wesen etwas war, das in seiner eigenen Ausbildung mehr als vernachlässigt worden war. Wären sie je zurück konnte sich der gute Myouga schon mal auf das Gespräch mit ihm freuen. Schön, einiges konnte er nie, würde er nie können, er war eben nur ein Hanyou, aber wenigstens erklärt werden hätte es ihm doch....

Statt weiter zu denken, lief er erneut los. Sie wurden müde, das war ihm klar, und dieses Wesen war alles andere als dumm. Sie mussten es blenden, ehe es aus Zorn und Hunger erneut angriff, nur dann hatten sie eine Chance.

So rannte er zum gewissen Erstaunen seines Halbbruders direkt auf die Tentakeln zu, wich diesen allerdings aus. Wie er gehofft hatte, hatten die halbe Blendung und der Schmerz, dafür gesorgt, dass die Saphahanai nicht mehr genau zielen konnte.

„Tessaiga!“ Es war Aufforderung und Aufmunterung zugleich, als er sein Schwert empor schleuderte – direkt in das noch unverletzte Auge der Kreatur.

Die Saphahanai brüllte erneut auf, schlug fast hilflos mit den Tentakeln, mit den Beißscheren zu. Sie konnte nicht mehr zielen, nichts mehr sehen, aber sie traf Inuyasha, der zu Boden ging, unfähig, noch einmal aufzustehen. Irgendwie schaffte er es nach seinem Schwert zu greifen, das wie ein Bumerang zu ihm zurückgekehrt war. Aufgeben kam nicht in Frage. Sie waren so weit gekommen, da konnte man doch nicht einfach...

Er spürte, wie sich etwas um ihn legte, ihn emporzog und wollte sich instinktiv wehren, ehe er erkannte, dass es ein Arm war – Sesshoumaru.

„Weg hier!“ keuchte der.

Der Hanyou ertappte sich bei dem Gedanken, dass er seinen Halbbruder wohl noch nie so erschöpft oder außer Atem gesehen hatte. Nun, nie zuvor hatte er ihn auch mit schwarzen Haaren und dunklen Augen gesehen, war der ein Mensch gewesen. Und nie zuvor hatte der ihn umarmt, mit sich gezogen, noch dazu, wenn er selbst ein Mensch war.

Jemand rief etwas. War das dieser Bärenkönig?
 

„Ich steh schon!“ knurrte Inuyasha und machte sich los: „Wofür hältst du mich....“

„Es ist vorbei.“ Sesshoumaru hatte bemerkt, dass Krieger in die Arena liefen, sich um die verletzte Saphahanai kümmerten.

„Für heute.“

„Für heute.“

Die Halbbrüder tauschten einen raschen Blick, ehe sie zu König Kuma sahen.

Der nickte: „Ihr seid stark, das sehe ich. Darum werden wir für morgen eine Schwierigkeit einbauen. - Nehmen wir den Jungen.“

Der Hundeyoukai richtete sich auf, als er jäh begriff: „Nehmt mich.“

„Wirklich?“ Kuma musterte ihn: „Du weißt nicht, auf was du dich einlässt.“

„Ich weiß es.“

Inuyasha war etwas überrascht, zischte jedoch: „Lass den Quatsch, nii-san!“ Was auch immer das werden sollte – er konnte sich doch nicht blamieren, sich von Sesshoumaru retten lassen.

Der sah zu ihm: „Wenn wir wieder wir selbst sind, sind meine Selbstheilungskräfte höher als die eines Halbblutes. Es ist nur logisch.“ Er hätte nicht einmal selbst sagen können, was ihn dazu trieb. Logik in allen Ehren, aber es war etwas anderes. Als die Krieger zu ihm kamen, schob er wortlos Bakusaiga weg und folgte ihnen.

Inuyasha starrte ihm nach. Das war doch dieser eiskalte, hyperarrogante Typ, mit dem er die Hälfte seines Blutes teilte? „He, nii-san!“ rief er: „Irgendwie...danke.“

Sesshoumaru wandte den Kopf und zum ersten Mal hatte der Hanyou das Gefühl in einen Spiegel zu blicken. Ja. Sie waren Brüder.
 

Wenn jemand den Daiyoukai später gefragt hätte, was mit ihm geschah, so hätte er darauf keine Antwort gewusst. Er bekam nur am Rande mit, dass die Bärenkrieger ihn auszogen, misshandelten, er zum ersten Mal in seinem Leben vor Schmerzen schrie. Wichtiger war etwas anderes, ein Gefühl, das ihn überschwemmte, alles andere ausblendete, ihn in die Tiefen seiner Seele zog.

Gibt es etwas, das du beschützen willst?

Vaters Frage vom Meeresstrand, Vaters letzte Worte...

Er würde sie noch heute mit Nein beantworten. Und doch tat er es. Da waren Rin, Jaken und Inuyasha...sein kleiner Bruder. Nie zuvor hatte er sich so für ihn verantwortlich gefühlt wie in dieser fremden Welt.

Warum nur?

Aber im Prinzip kannte er den Grund. Schon als er ihm Tessaiga abgefordert hatte, auch zuvor – immer war er selbst der Angreifer gewesen, nie hatte der Jüngere das getan. Auch in den endlosen Kämpfen gegen diesen Naraku war der Hanyou stets bereit gewesen an seiner, Sesshoumarus, Seite zu stehen. Das war eigentlich auch der Grund, warum er ausgerechnet ihm Rin anvertraut hatte, trotz aller Streitigkeiten in der Vergangenheit. Inuyasha war zuverlässig, der Einzige, der ihn als Kampfpartner niemals enttäuscht hatte. Was der nicht konnte war der Tatsache zuzuschreiben, dass Bokuseno recht hatte: er war eben ein Halbblut. Und natürlich Myougas mehr als nachlässigem Unterricht.

Jetzt, in der shiken jigoku und dieser fremden Welt, hatte er endlich verstanden, was Vater ihm stets hatte beibringen wollen. Mutter irrte sich: der Stärkste war nicht am mächtigsten allein. Er war es, wenn er jemanden beschützen wollte. Inuyasha hatte es längst vor ihm begriffen.

Er entsann sich, eines Tages noch als Kind seinen Vater gefragt zu haben, wie man die Herrschaft bekomme – die Antwort war gewesen, man könne sie nur als Anerkennung geschenkt erhalten. Er hatte es nicht verstanden, so lange nicht begriffen. Jetzt, ausgerechnet in dieser menschlichen Gestalt, dieser überaus peinlichen Lage, fand er endlich die Lösung: Herrschaft lautete nicht Tod, keine Befehle, nicht Tyrannei – sie lautete Leben geben, schützen.

Mit diesem Gedanken glitt er in die unbekannte und doch ersehnte Ohnmacht.
 

In der Zelle wartete Inuyasha ungeduldig und unruhig darauf, dass die Bären seinen Halbbruder wieder zu ihm brachten. Aber zunächst kam der kleine Jaken so ähnliche Diener und brachte ihm Wasser und Brot.

„Was ist mit..mit meinem Bruder?“

„Er lebt.“

Das war ein sehr dehnbarer Begriff, wie Inuyasha nur zu gut wusste: „Was...was haben sie gemacht?“

„Willst du das wirklich wissen?“ Der froschähnliche Diener seufzte: „Sie haben nichts ausgelassen. Morgen wird er kaum kämpfen können. Und du bist allein auf dich gestellt.“

„Diese Mistkerle...“ zischte der Hanyou: „Ich bringe diesen Kuma um!“

„Du verstehst es nicht, oder?“

„Nein, ich verstehe es nicht. Wir werden überfallen, gefangengenommen, gezwungen, um unser Leben zu kämpfen, jetzt haben sie meinen Bruder misshandelt...was, bitte, soll ich verstehen?!“

„Ich werde mit Oyu reden. Er ist der Zauberer des Königs und wird es dir wohl erklären können.“

„Na, da bin ich ja mal gespannt. Wo...wo ist mein Bruder?“

„Sie werden ihn bringen, wenn sie sicher sind, dass er keinen Arzt benötigt.“

„Wie rücksichtsvoll!“ höhnte der Hanyou, der sich plötzlich bewusst wurde, dass er seit einiger Zeit nicht mehr an einen Halbbruder dachte, sondern seinen Bruder. Gleich, wie Sesshoumaru das sehen würde. Obwohl, er hatte ihn beschützen wollen. Ihn, das Halbblut, die Schande der Familie...Wozu auch immer dieser Höllentrip gut gewesen war, sie waren sich noch näher gekommen. Der Diener verschwand, aber Inuyasha versagte es sich zu essen und zu trinken. Wie hätte er das können, wenn er nicht wusste, was mit seinem großen Bruder passiert war?
 

Lange, bange Minuten später öffnete sich die Tür. Bärenkrieger warfen die Rüstung des Daiyoukai hinein. Inuyasha sprang auf – gerade zu Recht, um seinen Halbbruder auffangen zu können, der hinein gestoßen wurde, offenbar bewusstlos. Er setzte sich hin und zog ihn auf seinen Schoß, hielt ihn. So tat das doch auch Kagome immer, wenn er verletzt oder ohnmächtig war.

Das hatten sie mit ihm machen wollen, und Sesshoumaru hatte das auf sich genommen....

„Onii-san...“ Mein verehrter, großer Bruder. So höflich hatte er ihn nie zuvor angesprochen, aber auch nie zuvor war er so sicher gewesen, dass sie wirklich Brüder waren, nie zuvor hatte der ihn so beschützt. Nun ja, bei dem Kampf gegen So´unga hatte er ihn auch beiseite geschubst, das musste er zugeben. „He, Sesshoumaru...“ Eigentlich hatte der keine Verletzungen. Sie mussten sorgfältig vorgegangen sein – möglichst schwächen ohne der Attraktion des nächsten Tages den Wert zu nehmen. Mistkerle war noch untertrieben.
 

Er sah auf, als zwei Leute hereinkamen – der Frosch, der ihm das Essen gebracht hatte und Oyu, der Zauberer des Königs.

Dieser warf einen Blick auf den Bewusstlosen: „Er wird bald aufwachen, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

„Oh, vielen Dank aber auch.“ Inuyasha konnte nicht verhindern, dass er zynisch wurde: „Und morgen dürfen wir wieder kämpfen und dann wieder, oder? Bis wir irgendwann draufgehen.“

„Ja,“ bestätigte Oyu: „So ist das.“

„Wie gastfreundlich.“

„Ihr seid Fremde hier und ich weiß nicht einmal, ob ihr überhaupt aus dieser Welt stammt. Daher mag es dir ungerecht vorkommen, Aber es ist gerecht. - Ich weiß nicht, ob ihr schon viel herumgekommen seid, hier, aber das Leben ist gefährlich. Nur die Starken überleben. Und die stärksten sind die Bären. Alles hier hat sich unterworfen. Wer das nicht tat, ist tot. Nun ist es so, dass auch die Bären untereinander kämpfen. Und immer wieder fordern sie ein Volk, einen Stamm auf, ihnen ihren besten Krieger zu schicken. Dieser kämpft dann hier, wie ihr. Aber alle anderen bleiben leben. So ist es doch besser, nicht wahr? Die Bären schützen alle – und nur wenige müssen dafür sterben.“

„Keh!“ murmelte der Hanyou. „Ich kann dir nur sagen, dass diese Typen verdammtes Glück haben, dass wir nicht in Form sind, momentan. Sonst hätten wir hier schon alles dem Erdboden gleich gemacht. Heute ist echt nicht unser Tag, oder eher schon nicht unsere Woche. - Onii-san?“ Denn er hatte bemerkt, dass sich sein Halbbruder bewegte: „Alles klar?“ Er gab ihn frei. Schließlich wollte er sich keinen Ärger einhandeln.

Sesshoumaru setzte sich auf und griff wortlos nach seiner Rüstung, um sie anzuziehen, ohne die beiden zu beachten. Er hätte sich lieber die Zunge abgebissen als zuzugeben, dass es angenehm gewesen war, im Arm des Jüngeren zu liegen. Nie zuvor hatte das jemand getan. Nun ja, fast niemand. Er entsann sich der einen oder anderen Gelegenheit, als Vater ihn so gehalten hatte, aber da war er noch ein Welpe gewesen. Und zuvor – er hatte plötzlich ganz sicher gewusst, dass es chichi-ue freuen würde, wie er und Inuyasha nun miteinander umgingen, dass er endlich den wahren Kern in dessen Frage verstanden hatte: gibt es etwas, das du beschützen willst? Vater war für Inuyasha und seine Mutter gestorben, er hatte ihnen das größte Geschenk gemacht, dessen er fähig gewesen war – und er hatte Vaters Wunsch missachtet. Das würde er nie wieder tun.

„Herrschaft,“ sagte Inuyasha unterdessen: „Oyu, oder wie immer du heißt: ja, das heißt, jemanden zu beschützen. Aber doch nicht, in dem man befiehlt, dass irgendjemand eben mal willkürlich dafür draufgeht.“

„Nicht willkürlich. Nur die Stärksten überleben. So ist es. Mit Freundlichkeit, Höflichkeit...das macht weich und man stirbt.“

„Bei den Bären. Mann, wenn ich jeden umgelegt hätte, der schwächer war als ich, - oder hier, mein großer Bruder, dann wäre unser Land ganz schön entvölkert.“ Nun ja, hatten sie ohnehin, oder auch Naraku, aber das musste er nicht erwähnen. „Ich schütze meine Freunde, und die helfen mir. Und das ist das Beste, was einem passieren kann. Im Übrigen: du tust ganz so, als ob ihr so harmlose, arme Schweine seid – ich sehe, dass du da ein Messer im Gürtel hast.“

„Ja.“ Der Diener guckte irritiert nach unten: „Zum Brot schneiden, damit habe ich dein Brot geschnitten.“

„Ja, als ob das alles ist, was man damit schneiden kann.“

„Wir sind nur die bescheidenen Diener der Bären und des Königs Kuma.“

Inuyasha warf den Kopf zurück: „Keh! Und warum, bitte, sollten Diener keine eigenen Willen haben? Ihr habt Messer, seid Zauberer, also tut was. - Ihr seid zu feige, zu ängstlich, das ist alles. Ihr versteckt euch hinter den Bären, mehr ist es nicht.“

„Inuyasha!“ Sesshoumaru hätte fast geseufzt, als er dessen Hand packte. Sein kleiner Bruder mochte ja recht haben, aber viel wichtiger war das Portal, das sich in diesem Moment zu Öffnen begonnen hatte. Wenn der Hanyou hier einen Staatsstreich anstrebte, fein. Aber nicht um den Preis, dass sie nicht herauskamen.

Der Hanyou war so verblüfft, die Hand des Daiyoukai zu spüren,dass er sich ohne Widerstand mitziehen ließ, erst jetzt das schwarze Loch hinter sich erkannte, das sich bereits wieder zu schließen begann. So spurtete er mit, scheinbar gegen die Mauer der Kerkerzelle, in Wahrheit jedoch in eine andere Welt.
 

Für einen Augenblick erkannten die Hundebrüder Hayasa in seiner wahren Form, ehe der riesige, uralte Daiyoukai zusammenbrach, sahen, wie Inabikari und Kyuu sie anstarrten, ehe sie begriffen, dass sie sich zurückverwandelten, endlich wieder Hundeyoukai und Hanyou waren.

Das Allererste, was sie in einer völlig gleichartigen Bewegung taten, war der Griff nach dem Halsband, um es abzureißen und in den letzten Rest des Portals zu werfen.
 

„Mann, das war knapp,“ sagte Inuyasha und blickte zu Hayasa: „Du hast den Ausgang erschaffen? Dann ist...ist Tsukiyomi-sama nicht mehr hier?“ Lieber etwas zu höflich sein. Das war ein Gott und eine Aussicht auf eine Grillparty bei der Herrin der Unterwelt war nicht so prickelnd – zumal er sich denken konnte, wer in diesem Fall das Grillgut wäre.

„Nein,“ gab der alte Daiyoukai zurück: „Er hätte nichts tun können, der Herr der Zeit ist auch ihr Diener. Sonst ginge es drunter und drüber. Ihr wart also immer noch in Menschen verwandelt, habt aber überlebt. Wie war es?“

„Lästig,“ erwiderte der Hanyou prompt: „Da gab´s ein paar Bären, die glaubten uns herumschubsen zu können. Na, ich hoffe, ich habe ihnen ein nettes kleines Abschiedsgeschenk hinterlassen.“

Jede Menge Ärger, davon waren die anwesenden Daiyoukai alle überzeugt.

„Gehen wir,“ sagte Sesshoumaru nur: „Ihr werdet Euch sicher erholen, Hayasa-sama.“ Wie auch er selbst. Er spürte schon jetzt, dass er nicht nur seine vertrauten Fähigkeiten, seine volle Energie wieder hatte, sondern auch die Verletzungen und Schmerzen zu heilen begannen. Herrlich, wieder man selbst zu sein.

„Natürlich.“ Und dann die Prüfungshölle wieder reparieren, aber das musste er nicht erwähnen.
 

Der Hunderat war etwas erstaunt, als die vier Verschwundenen aus einer vollkommen anderen Richtung wieder auftauchten, aber keiner sagte etwas. Schweigend und regungslos warteten sie ab, was nun geschehen sollte.

Kyuu blickte seitwärts, ehe sie sich an den Hanyou wandte: „Inuyasha-sama, ich schulde Euch mein Leben. Dennoch würde ich gern unseren Kampf weiterführen.“ Schließlich sollte er nicht denken, sie sei zu feige oder zu schwach.

Wenn eines der anderen Ratsmitglieder ihr Wechsel in die höfliche Anrede verwunderte, so sagte niemand etwas. Das war eine Sache zwischen den Daiyoukai und dem Daihanyou.

Inuyasha seufzte unhörbar, sagte jedoch: „Irgendwie habe ich mir das so vorgestellt.“ In den wenigen Minuten, die er wieder in seiner gewöhnlichen Form war, waren seine Verletzungen schon deutlich abgeklungen. Mit dem nun wieder voll aktionsfähigen Tessaiga an der Seite, fühlte er sich in der Lage mit jedem fertig zu werden. Und er wollte nicht ausgerechnet von einem Mädchen, sei sie auch eine Daiyoukai, für feige gehalten werden. „Na, schön, wenn du darauf bestehst.“ Mit neu gewonnener Rücksicht warf er einen Blick seitwärts. Da Sesshoumaru nichts sagte sondern nur etwas zurückwich, nahm er es Erlaubnis und legte die Hand an Tessaiga.
 

**
 

Das nächste Kapitel heißt: Demolition....

Fast alle offenen Punkte werden geklärt.

Demolition

Here comes the Ax and here comes the Smasher

The Demolition, walking disaster

Search and destroy you, run and we'll find you

There's no place to hide, the Demos will get you!

Demolition

Better say, you act contrition
 

K. Derringer: Demolition, WWF
 

Inuyasha zog Tessaiga und blickte zu der ranghohen Hundedame, die ebenfalls ihr Schwert zur Hand nahm: „Bevor wir kämpfen, möchte ich dir allerdings noch etwas zeigen, Kyuu. Wie du schon sagtest, ich habe dein Leben gerettet und ich hasse es etwas umsonst getan zu haben.“

Inuyasha, dachte sein älterer Bruder, leicht resignierend. Aber der würde immer so sein, wie er eben war. Und so betrachtete Sesshoumaru nur regungslos die sich schwarz färbende Klinge Tessaigas.

Mit gewissem Erstaunen sahen Kyuu und der restliche Rat zu. Niemand kannte ein Schwert, dessen Klinge sich in diese Farbe, wenn überhaupt, verändern konnte.

Inuyasha wandte sich um und schlug zu, scheinbar ins Nichts gezielt. Zur Überraschung fast aller Anwesenden entstand vor ihm ein schwarzes Loch, dessen Sog unheimlich war. Kyuu und Inabikari fühlten sich unwillkürlich an den tödlichen Nebel der Hexe Aoi erinnert, aber auch den anderen war klar, dass dies der Geruch, das Gefühl jener Welt war, die nach dem Sterben wartete. Und jeder spürte den instinktiven Schauder. In der Tat. Das war ein Daihanyou, daran würde niemand der hier Anwesenden je wieder zweifeln.

Als die Schwärze verschwunden war, drehte sich Inuyasha zu seiner Gegnerin um: „Wenn wir jetzt wieder kämpfen, Kyuu, werde ich das meidou zangehtsu erneut einsetzen – diesmal gegen dich. Und gegen den Pfad der Dunkelheit gibt es kein Gegenmittel. Er wird dich direkt in das Nachleben schicken – noch lebend.“

Kyuu spürte erneut das Frösteln jedes Lebewesens vor dem Ende. Nein, dagegen half nichts: „Woher könnt Ihr das...?“ fragte sie jedoch, um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Aber eigentlich blieb ihr nur die Wahl zwischen Leben und Tod.

„Onii-san hat es mir gegeben.“ Seltsam, wie gut und warm sich diese Bezeichnung anfühlte. Zum ersten Mal hatte er es vor anderen in dieser Welt ausgesprochen.

Was natürlich nur bedeutete, dass Sesshoumaru, nein, der Taishou, noch ganz andere Dinge beherrschte, dachte der Rat der Hundeyoukai dagegen prompt. Neugierig sahen alle zu Kyuu, die sich aufrichtete, da sie zu einer Entscheidung gekommen war.

„Dieser Pfad der Dunkelheit ist die beste Attacke, die ich je sah. Würdet Ihr mich für feige halten, wenn ich den Kampf gegen Euch nicht weiter bestreiten möchte?“

„Nein,“ gab der Hanyou zu: „Ich würde es ja auch nicht machen und halte mich für mutig.“ Nun ja, das war nicht ganz die Wahrheit. Er hatte sich dem meidou schon gestellt, aber wozu sie noch zusätzlich demütigen. Sie hatte es schwer genug gehabt und er wusste nur zu gut, wie man sich so fühlte: „Wie gesagt, ich habe dir dein Leben gerettet und ich hasse Zeitverschwendung.“

„In diesem Fall unterwerfe ich mich Euch, Inuyasha-sama.“ Immerhin würde er sie nicht heiraten wollen, hatte er doch bereits eine Gefährtin. Diese Regel kam ihr noch immer bitter vor – verlor eine weibliche Hundeyoukai hatte der männliche Sieger das Recht auf Nachwuchs. Nun, in diesem Fall hatte sie verloren, aber musste sich nur ihm und seinen Anweisungen beugen.

„Gut.“ Der Hanyou schob erleichtert Tessaiga in die Scheide. Er hätte sie ungern getötet, nach allem, was er nun über sie wusste. Allerdings war ihm auch klar, dass die Sache zwischen Sesshoumaru und Inabikari nicht so ablaufen würde. Da prallten jetzt zwei hyperstolze Hundedämonen aufeinander.
 

Der Letztere sah auch beiseite: „So würde ich Euch um die Ehre eines Duelles bitten, Taishou... - Nur eine letzte Frage an Euch, Inuyasha-sama. Wenn ich siege...darf ich Kyuu dann heiraten?“

Etwas perplex erwiderte der Hanyou: „Das solltest du sie fragen. Sie kann doch für sich selbst entscheiden.“

Kyuu atmete tief durch. Trotz der Niederlage fühlte sie sich eben frei wie lange nicht, nun noch nie. Frei und sicher.

Und das durch einen Halbmenschen.

Nein.

Einen Daihanyou.
 

Inabikari dagegen meinte nur: „Wenn ich bitten dürfte, oyakata-sama?“

Statt einer Antwort sprang Sesshoumaru bereits mit einem weiten Satz beiseite, um sich von dem Rat zu entfernen, die Hand an Bakusaiga. Das würde nicht einfach werden, aber natürlich würde er gewinnen. Die überaus höfliche Anrede, mit der einst sein Vater angesprochen worden war, ihm aber zum ersten Mal zuteil wurde, weckte wieder die Erinnerungen, die Gefühle, die er während dieser gesamten Reise empfunden hatte. Inabikari war ein ehrenhafter Gegner – und er würde ihn ebenso behandeln. Er musste seinen eigenen Zorn, der in ihm über all die Zeit in der shiken jigoku angewachsen war, beherrschen, die Wut über die Demütigungen bei den Bären in sich verschließen, sonst würde er Inabikari einfach nur umbringen – das war keines von ihnen würdig.

Der sprang hinterher, Stärke und Können demonstrierend, während Inuyasha und der restliche Rat sich in die andere Richtung zurückzogen. Der Kampf zweier Daiyoukai würde die Landschaft hier deutlich verändern, da war es besser, nicht zu nahe daran zu stehen.
 

Inabikari zog, während er interessiert beobachtete, dass Sesshoumaru nicht das legendäre Tenseiga, das Gegenstück zu Tessaiga, zur Hand nahm, sondern das Unbekannte. Nun, er hatte ja auch schon zu Beginn der shiken jigoku gesehen, dass dieser das wohl im Kampf bevorzugte. Was natürlich bedeutete, dass es einiges an Fähigkeiten hatte. Er musste vorsichtig sein und das Duell rasch beenden.

Ohne eine weitere Andeutung zu machen, ließ er sein Schwert emporflirren. Youki, strahlend-hell, schoss auf Sesshoumaru zu, der unverzüglich sein eigenes zur Abwehr abrief. Für einen Augenblick trafen sich die beiden Energien so heftig, dass Inuyasha sich den Ärmel vor das Gesicht heben musste, um nicht geblendet zu werden. Er wusste, dass er sich nicht einmischen durfte, aber eigentlich schrie alles in ihm danach seinem Bruder zu helfen. Solange Inabikari sich jedoch an die Regeln hielt, würde er nur dessen Sieg damit besiegeln. Und schließlich war Sesshoumaru niemand, den man eben mal so um die Ecke bringen konnte, dafür war er selbst der beste Beleg.
 

Das Ratsmitglied hatte damit gerechnet, dass sein Angriff pariert werden würde. Das hier war noch ein Antasten, wie stark der Gegner war und er hatte zufrieden festgestellt, dass dieser Kampf eine wirkliche Herausforderung seiner Stärke und seiner Geschicklichkeit werden würde. Aber nun gut. Mal sehen, wie der neue Herr aller Hunde mit Magie umgehen konnte. Er machte einen Schritt vorwärts, das Schwert erneut erhoben, ehe er vor den Augen seiner überraschten Kollegen und der ebenfalls erstaunten Hundebrüder verschwand.

„Wie Naraku,“ kommentierte Inuyasha prompt: „Wenn´s heikel wird, sich unsichtbar machen.“

Sein großer Bruder witterte derweil, lauschte auf das winzigste Geräusch, dass sich sein Gegner ihm näherte. Inabikari hatte einen mächtigen Bannkreis erschaffen – aber der machte nur unsichtbar, also müsste er ihn riechen können. Sollte es diesem tatsächlich gelingen, auch seine Witterung zu verbergen, so war das ein ernstes Problem.

Sein Schwert ruckte in der Hand. Mittlerweile nur zu gewohnt den Hinweisen der Klingen zu folgen ließ er seine Hand herumreißen – gerade rechtzeitig, um den Schwerthieb abzufangen, der seinem Kopf gegolten hatte.
 

Für die Zuschauer bot sich ein seltsames Bild. Scheinbar sinnlos drehte sich Sesshoumaru, hob das Schwert, fast ein Tanz – jedoch ein tödlicher. Jedem war klar, dass es eine überaus heikle Situation war, in die Inabikari den neuen Taishou gebracht hatte – der Kampf gegen einen Unsichtbaren. Riet der auch nur einmal falsch, wäre er tot. Inuyasha hatte unwillkürlich die Hand an Tessaiga gelegt, wusste jedoch nur zu gut, dass er nicht eingreifen durfte. Noch nicht. Und schließlich kannte sich sein großer Bruder doch mit Magie aus – dem würde sicher bald ein Gegenmittel einfallen.
 

Sesshoumaru war klar, dass er dieses Spiel schleunigst beenden sollte – oder vielleicht auch nicht. Inabikari musste zur Aufrechterhaltung seines Bannkreises jede Menge Energie verbrauchen und würde rasch müde werden. Eigentlich war das Ganze simpel: es ging darum, ob zuerst der Gegner ermüdet war oder er selbst einen der unsichtbaren Schläge nicht mehr parieren konnte. Aber Bakusaiga schien genau zu wissen, was es tun musste, und er überließ sich seiner Klinge. Sie war aus ihm selbst entstanden und würde ihn nicht verraten, nun, mehr als das. Sie war die Verkörperung seines Willens, seiner Macht – und damit würde Inabikari nicht mithalten können.
 

Er schloss die Augen. Nutzlos, diese gegen einen unsichtbaren Gegner anwenden zu wollen. Und sinnlos, jetzt bereits die Zerstörungswelle einzusetzen. Noch war der Kampf amüsant, interessant. So ließ er nur sein Youki in sein Schwert fließen. Sollte Bakusaiga doch das Ziel finden. Ein Schwert war nicht auf Augen angewiesen: „Souryuha.“

Die bläulich schimmernde Drachenwelle schoss unverzüglich los.
 

Inuyasha dachte bei sich, dass es Inabikari wirklich schätzen sollte, dass er das so sah – er selbst wusste nur zu gut, wie die Souryuha aus der Sicht des Gegners wirkte. Das war schon beeindruckend. Und tatsächlich schien die Attacke gewirkt zu haben. Selbst für ihn als Magie nicht gerade Kundigen war deutlich, dass der Unsichtbarkeitsbann wankte. Inabikari hatte einen weiteren Bannkreis einsetzen müssen, um sich vor diesem direkten Angriff zu schützen.
 

Nur kurz darauf erschien der junge Daiyoukai. Tatsächlich war es schwer und kräftezehrend unsichtbar zu sein – und die Abwehr dieser Drachenwelle hatte ihm gezeigt, dass ihn der neue Taishou auch so finden konnte. Diese Technik brachte also nichts, außer, dass es ihn ermüdete. Aber dieses Duell war in der Tat eine Herausforderung. Ohne ein Wort zu verlieren, griff er sofort an, Stahl auf Stahl, nicht überrascht, dass diese Attacke pariert wurde. Aber er wollte herausfinden, wie stark Sesshoumaru körperlich war. Und das war in der Tat nicht schlecht. Stark, kampferfahren und magiekundig. In der Tat ein Daiyoukai.

Für einen scheinbar endlosen Moment wurden die beiden Schwerter gegeneinandergedrückt.

„Es ist ein wahres Vergnügen einen wirklichen Widersacher zu finden, nicht wahr, oyakata-sama?“ Inabikari lächelte.

Wer hatte ihn das nur schon einmal gefragt? Ach ja, dieser Abschaum, der sich selbst Feuergott genannt hatte. Ja, aber der war nicht so amüsant gewesen. Mit einem Überschlag löste sich Sesshoumaru aus dem Nahkampf und sprang fast zehn Meter weiter, nur, um noch in der Landung auf den Boden zu schlagen.

Mit gewisser Zufriedenheit erkannte er, dass Inabikari unverzüglich einen Satz in die andere Richtung machte und einen Bannkreis errichtete, noch ehe er genau wissen konnte, was kam. In der Tat – der war geschickt. So gelang es diesem auch, die plötzlich kurz vor ihm aus der Erde schießende Energie abzufangen, ja, sie einzufangen, und zurückzuwerfen. Wie die Bakuryyuha, dachte Sesshoumaru noch, dann war der Angriff bei ihm. Nur knapp einen Meter vor ihm prallte die Energie auf seine eigene, die er noch zur Abwehr aufgerufen hatte – und drängte in die Erde.
 

Inuyasha sah es. Und da er es für ratsam hielt, nicht nur „Mist“ zu sagen, sondern sich auch zu Boden zu werfen, folgte ihm Kyuu und damit der restliche Rat. Im nächsten Moment erschütterte denn auch ein Erdbeben den weiten Umkreis. Als die Zuschauer wieder hinblickten, befand sich zwischen den beiden Duellanten ein Loch, das tief ins Erdinnere reichen musste, da es sich rasch mit Lava füllte. Die Youkimenge zweier Daiyoukai war eben nicht zu unterschätzen, dachte der Hanyou, als er sich erhob. Zum ersten Mal überlegte er bewusst, wo er selbst auf der Liste stand – Sesshoumaru hatte wirklich schon sein Bestes gegeben um ihn umzubringen und er hatte überlebt. War er etwa so stark wie ein Daiyoukai? Hatten sie sich beide stets so gefordert, dass sie diese Grenze übersprungen hatten? Oder – hatte ihn sein großer Bruder gar nicht mit letzter Konsequenz umbringen wollen? Oder war es eine Mischung aus allem?

Aber dann konzertierte er sich lieber wieder auf den Kampf, der eine neue Phase erreicht hatte. Immer wieder griff einer der Duellanten mit Stahl und aus der Klinge dringenden Youki aus dem Laufen von einer anderen Seite an, während der Widersacher parierte, ehe er selbst weitersprang. Dies war eine Prüfung der Stärke und Geschicklichkeit des anderen – und würde beide ermüden. Allerdings hüteten sie sich davor, dem brodelnden Lavateich zu nahe zu kommen. Das war selbst für Daiyoukai ein wenig zu heiß und der Hanyou dachte unwillkürlich an den Schacht in der anderen Welt, aus dem er Kyuu geholt hatte.

Ermüdungstaktik, dachte er plötzlich mit steigender Besorgnis. Hoffentlich ging das gut. Sesshoumaru mochte stark sein, sicher, aber er hatte die Kämpfe gegen diesen Totte und die Saphahanai als Mensch bestimmt noch nicht ganz überwunden, hinzu kam die Schwächung durch die Folter dieser Mistkerle von Bären.

Mensch, nein, Dämon, großer Bruder! Hoffentlich weißt du, was du da machst!
 

Als Inabikari mit einem weiten Überschlag aus dem direkten Kampf sprang, bemerkten die Zuschauer durchaus Risse an den durch die Rüstung ungeschützten Teilen seines Körpers. Blut lief an einer Gesichtsseite herunter. Auch auf dem roten Brustpanzer zeigten sich dunkle Spuren von Verbrennungen.

Inuyasha betrachtete hastig seinen älteren Bruder, wurde aber dadurch beruhigt, dass der bei weitem noch nicht so schwer atmete wie nach dem Kampf gegen die Saphahanai. Nun gut, da waren sie ja auch alle beide Menschen gewesen. Allerdings wiesen die hellen Ärmel und die weiße Boa ebenso dunkle Spuren auf – Verbrennungen und kleine Blutfäden. Nichts, was Sesshoumaru sehr behindern würde, aber es zeigte immerhin auch Inabikaris Klasse.

Dieser hatte anscheinend eine neue Idee bekommen, denn er bewegte seine Klinge fast kreisend vor sich, die Spitze noch immer auf seinen Widersacher gerichtet, der vollkommen ruhig stehengeblieben war.

Im nächsten Augenblick schoss Youki aus Inabikaris Schwert, eine deutlich höhere Menge als er bislang eingesetzt hatte, auf Sesshoumaru zu, wirbelnd, kreiselnd in immer rascherem Tempo. Dieser erwartete den Angriff ohne sichtbare Regung, aber ihm war klar, dass das wohl praktisch alles war, was sein Gegner im Augenblick an Energie zur Verfügung hatte. Durchaus bemerkenswert viel und auch für ihn eine echte Herausforderung. Nicht einmal in Gedanken hätte er zugegeben, dass es gefährlich werden konnte, wenn er in der Abwehr einen Fehler beging.

Die Energiewelle war bei ihm und hüllte ihn in einen Kreisel aus hell strahlendem Youki, so dass er den Blicken der Zuschauer entzogen wurde.

Der Hunderat wandte gemeinsam die Köpfe zu Inuyasha, unwillkürlich nachsehend, ob das Duell nun etwa beendet wäre. Der Hanyou starrte mit unbewegtem Gesicht hinüber – und hatte wohl nur selten seinem Halbbruder derart ähnlich gesehen. Seine Entscheidung war gefallen. Wenn die Sache schief ging, wenn Sesshoumaru etwas zustieß, würde er auf der Stelle Inabikari zum Duell fordern.
 

Im nächsten Augenblick schien der wirbelnde Kreis aus Youki zu explodieren, ja, im Nichts zu verschwinden, als die Energie des Hundeyoukai sie förmlich pulverisierte, und Sesshoumaru stand allein da, scheinbar unbeeindruckt und nicht schwerer als zuvor verletzt, aber er griff nicht unverzüglich seinerseits an, was er bislang stets getan hatte.

„Nun, oyakata-sama?“ Inabikari keuchte, aber sah sehr zufrieden aus: „Gehen Euch die Ideen aus?“

Der nominelle Taishou fasste den Schwertgriff fester. Er musste das jetzt zu Ende bringen oder Inabikari würde ihn doch noch schwerer verletzen können, was eine gewisse Blamage in seinen Augen bedeutet hätte. So sprang er empor und blieb schweben, sein Schwert fast langsam hochhebend:

„Du kennst meinen Namen,“ sagte er nur kühl. Sesshoumaru – der vollendet tötet.

Bakusaigas Fähigkeit und Stärke – und die seines Eigentümers - zeigten sich unverzüglich. Aus der Klinge schoss eine gewaltige, grün und hell leuchtende Energiewelle. Inuyasha wusste, dass sie die Macht hatte, tausend Dämonen mit einem Schlag umzubringen – und dass diese rücksichtslose Zerstörung vernichten würde, was in ihre Reichweite kam. Das alles raste nun auf Inabikari zu, aber das war nicht der Grund, warum der Hanyou nach Luft rang, noch während er erkannte, dass das Ratsmitglied versuchte einen abwehrenden Bannkreis zu erschaffen.

„Ist der irre?“ stöhnte Inuyasha unwillkürlich auf. Da er die fragenden – und tadelnden - Blicke der Ratsmitglieder mehr spürte als sah, erklärte er rasch: „Bakusaigas Zerstörungswelle vernichtet alles, immer weiter. Hätte er sich nur um ein Haar verrechnet, wäre das in den Erdboden gegangen – und ich will nicht wissen, was dann passiert....“ Er brach ab, denn das Ende des Kampfes war erkennbar.
 

Die Zerstörungswelle überlief Inabikaris hastig errichteten Bannkreis, schien kurz innezuhalten, dadurch doch aufgehalten, ehe sie gegen den jungen Daiyoukai prallte. Der stürzte regungslos zu Boden, sichtbar verletzt, aber immerhin noch in einem Stück.

Sein Gegner landete fünf Meter neben ihm.

Sesshoumaru blieb einen Moment stehen und betrachtete den Unterlegenen, ehe er Bakusaiga zurückschob und näher trat, nach Tenseiga greifend. Ein ehrenhafter, mutiger und starker Kämpfer, eine wirklich amüsante Herausforderung....

Inuyasha atmete tief durch. Doch, sein großer Bruder hatte viel dazugelernt.
 

Eine Minute später richtete sich Inabikari mühsam auf und tastete verwirrt nach seiner Brust. Das Letzte, was er gesehen hatte, war, wie diese ungeheure Menge an Energie seinen Bannkreis durchbrochen hatte. Dann war da ein Schmerz gewesen, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte, ein seltsames Ziehen – und das Bewusstsein, dass es zu Ende war, dass Sess...nein, der Taishou Recht gehabt hatte: der perfekt tötet.

„Oyakata-sama...Tenseiga...?“ Er hatte natürlich von dem legendären Schwert gehört, ebenso wie Tessaiga, aber die Wirkung so direkt vorgeführt zu bekommen.....Und warum hatte ihn Sesshoumaru nicht tot belassen?

Der steckte das magische Schwert in seine Scheide und wandte sich ab: „Du bist ab sofort der Taishou der Hundeyoukai,“ sagte er nur sachlich: „Kyuu dagegen übernimmt die Leitung im Rat in Friedenszeiten.“

Jetzt verstand Inabikari – ebenso wie der restliche Rat - gar nichts mehr: „Aber Ihr...Ihr habt gesiegt, oyakata-sama...“

„Mich interessiert weder der Rat noch der Titel des Taishou.“ Er sah rasch zu seinem Halbbruder, der Einwände geltend machen könnte so übergangen zu werden, war sich allerdings sicher, dass der diese Auffassung teilte. Mit für ihn bemerkenswerter Geduld, da er die Aussicht hatte, die Sache mit dem Rat und der Prüfungshölle sei endlich zu Ende, wiederholte er: „Du bist der Anführer der Hundeyoukai im Krieg ab sofort und der Rat leitet sie unter Kyuu im Frieden. Aber ihr sollt immer wissen, dass wir da sind.“ Wir....Das fühlte sich seltsam warm an.

Und ihnen auf die Finger gucken, dachte Inuyasha, der das nur zu gut begriff. Sollten die sich doch im täglichen Kleinkrieg beschäftigen, wenn ihnen so danach war. Da er auch etwas sagen wollte, schließlich war er kein Irgendwer, ergänzte er: „Und, dass ihr sowieso auf unserer Liste der zu erledigenden Kleinigkeiten steht.“

Vielleicht war es in diesem Moment, in dem Inabikari, Kyuu und der restliche Rat begriffen, dass der uralte Daiyoukai Recht gehabt hatte. Das Machtbewusstsein dieser beiden war vollkommen anders gelagert als das ihre.

Hayasa-sama schätzte die beiden, sie hatten die Prüfungshölle bestanden und ein Abenteuer in einer fremden Welt, dennoch legten sie keinerlei Wert auf Rang und Titel– wie man es auch drehte und wendete: diese Hundebrüder waren unmöglich.
 

**
 

Im nächsten und letzten Kapitel folgt ein „Nachtrag“, denn die Halbbrüder haben durchaus nicht vergessen, wer da im Lehrplan ein wenig nachlässig war.

Nachtrag

Der Hunderat sah den Halbbrüdern lange nach. Erst, als deren weiße Haare nebeneinander verschwunden waren, trat Inabikari zu Kyuu.

„Wir haben nun beide, was wir wollten,“ meinte er leise: „Und da Inuyasha-sama Euch die freie Wahl ließ, werde ich Euch auch nicht fragen, ob Ihr meine Gefährtin werden wollt, Ratsvorsitzende Kyuu. Aber, falls Ihr Euch an die Vorstellung gewöhnen könntet einen Welpen zu wollen und einen Vater dafür sucht – fragt mich.“ Er verneigte sich mit einem flüchtigen Lächeln, das seine Sicherheit verriet, sie würde eines Tages auf ihn zukommen, ehe er sich abwandte und ging. Er hatte sein Ziel erreicht, er war der Taishou, der Ranghöchste der Hundedämonen – und bald würde er auch einen Sohn besitzen.

Kyuu lächelte ihrerseits, zum ersten Mal in Freiden mit sich selbst und ihrer Umwelt. Ja, sie hatten beide bekommen, was sie wollten. Aber Inabikari, so aufrichtig er war, hatte anscheinend die Tragweite der Entscheidung der Hundebrüder nicht verstanden. Er war der Taishou, der Heerführer, und sein Wort würde künftig im Rat noch schwerer wiegen als zuvor. Das stimmte und diesen Titel hatte er stets erlangen wollen. Aber Sesshoumaru-sama hatte sie und nicht ihn zur Ratsvorsitzenden gemacht – einen Titel, den es nie zuvor gab. Damit führte sie den Rat und die ihm Untergebenen in Friedenszeiten. Nur, wenn sie und ihre Diplomatie versagten, was selbstverständlich nie vorkommen würde, wäre Inabikari am Zug. Letzten Endes würde sie für die allermeiste Zeit die Führerin der Hundeyoukai sein. Das war genau das, was sie sich gewünscht hatte und sie hatte stets geglaubt, das nur über den Titel des Taishou und die zuvor notwendigen Kämpfe zu erreichen. Nun, Sesshoumaru hatte ihr gezeigt, wie ein wahrer Daiyouaki handelt und Inuyasha, wie ein Daihanyou. Großmütig und selbstsicher. Sie würde sich mehr als bemühen sie nicht zu enttäuschen, diese unmöglichen, unglaublichen Hundejungen. Sie hatten ihr die ersehnte Anerkennung, die Freiheit gegeben, wenn auch um den Preis, dass sie sich doch unterwerfen musste. Nun, wenn sie auch ihren Traum, die alleinige Anführerin zu sein, nicht erreicht hatte, so hatte sie doch ihr Ziel erreicht die oberste Hundedame zu sein, von jedenm Respekt einfordern zu können. Man konnte eben nicht alles haben, das hatte sie nur zu gut gelernt.
 

Die Halbbrüder kehrten in seltsamer, neu gewonnener Eintracht in das kleine Dorf zurück, wo sie freudig von Kagome und Rin begrüßt wurden, die vor der Hütte der alten Kaede gesessen hatten.

Zumindest die Ältere war sichtbar mehr als erleichtert und ließ ihren Hanyou erst los, als der sie etwas zurückschob, während es die Jüngere bei einem besorgten, nach Verletzungen suchenden Blick von unten nach oben beließ. Auch Sango und Miroku kamen heran, wahrten aber mehr die Ruhe.

„He, ist ja gut!,“ sagte Inuyasha: „Ich bin noch ganz heil.“ Aber er grinste. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht, das verursachte so ein warmes Gefühl im Herzen – auch, wenn sie es natürlich nicht tun sollte.

Kagome nickte, mehr als erleichtert: „Ja. Bei dir...euch auch? Myouga und Jaken kamen her und erzählten, dass der Hunderat sich mit euch angelegt hatte. - Äh...lebt der noch?“ergänzte sie mit einem raschen Blick zu dem Daiyoukai – ohne freilich den anzusprechen. Nicht, dass sie ihrem geliebten Hanyou noch Massenmorde zutraute, aber bei Sesshoumaru konnte man wohl nie sicher sein.

Inuyasha war ihrem Blick gefolgt: „Es mag dich überraschen, aber ja. Diese Idioten können sich auch mal nützlich machen. - Myouga? Ist der Flohopa noch hier? - Ah!“ Er machte einen Satz, der einem Kind, das einen Schmetterling fangen möchte, nur zu ähnlich war, ehe er sich aufrichtete: „Hallo, Myouga-jiji.“

„Ich...ich bin erfreut, Euch und Euch, Sesshoumaru-sama, gesund wieder zu sehen,“ murmelte der alte Floh bemüht höflich. Irgendwie gefielen ihm die spitzen Krallen an seinem Bauch nicht so ganz. Der Griff piekste und war sehr fest. Und der junge Herr sah ihn so an....

Kagome bemerkte das: „Inuyasha, lass ihn. Er hat sich doch solche Sorgen gemacht!“

„Nicht ganz zu Unrecht, oder, du dummer Floh? Hast du schon mal was von shiken jigoku gehört? Ja? Und mir leider nie gesagt? Oder dem Wald der Todesseile? Dem Hunderat? Oder jemandem namens Hayasa?“ Eine ganze Welt von Vorwürfen lag in der Stimme des Hanyou. Wie schon in der shiken jigoku dachte er sich, dass es eben einen gewaltigen Unterschied machte, ob man keine Ahnung von etwas hatte – oder es nur nicht konnte.

Schweißtropfen erschienen auf der Stirn der Angesprochenen. Da kam in der Tat Unheil auf ihn zu: „Äh, Inuyasha-sama....das wäre doch alles noch dran gekommen.....“

„Und wann? Wenn du mir immer alles hinterher erklärst, kann ich drauf verzichten.“

„Nun ja....Ich meine...“ Myouga überlegte, wie er aus der unangenehmen Lage kommen könnte: „Und ich habe doch Kagome und die anderen informiert, dass Ihr in der Klemme seid.“

Ungewohnterweise bezog der Hanyou das nicht nur auf sich: „Keh! Wir waren nicht in der Klemme. Das sind wir nie!“

„Jetzt lass ihn schon los, Inuyasha,“ wiederholte Kagome: „Es ist unfair, jemanden so viel Kleineren zu bedrohen!“ Sie überlegte schon, ob sie ihn nicht mit ihrem Befehl zu Boden bringen sollte. Aber zum einen hatte sie es ihm versprochen das nicht mehr zu tun, zum anderen: sie wusste ja nicht, was den beiden in dieser Prüfungshölle so alles widerfahren war. Womöglich hatte Myouga tatsächlich etwas Wichtiges vergessen, dass er hätte erzählen können. Jedenfalls ließ auch Sesshoumaru den Flohgeist nicht aus den Augen – was diesem wohl ebenso gerade aufgefallen war. Denn er versuchte aus Inuyashas Krallen zu entkommen.

Dieser ließ ihn los, wollte er sich doch keinen Ärger mit Kagome einhandeln. Er wusste nur zu gut ihre Zurückhaltung zu schätzen, immerhin konnte sie ihren Wünschen ja sehr nachdrücklich nachhelfen. Und überdies war er nach den Erfahrungen der letzten Tage absolut sicher, was gleich passieren würde.
 

Myouga sprang in hektischer Flucht los – und wusste im selben Moment, dass sich seine Lage nicht verbessert hatte. Erneut hing er in der Klaue eines Hundejungen – nur leuchtete die auch noch so grünlich. Vorsichtig sah er auf. „Sesshoumaru-sama....?“ Das klang mehr nach einem Fiepen.

„Eine Schnur, Inuyasha,“ befahl der kühl: „Myouga, du hast es gewagt, meinen Bruder nur halb auszubilden.“

WAS hatte der gerade gesagt? Aber das war später noch zu überlegen. Der älteste Sohn des Herrn neigte nicht zu Geduld, wenn es darum ging Antwort zu erhalten: „Äh....“ Der kleine Flohgeist suchte hastig nach einer besseren Erklärung als der Wahrheit: „Ich habe ihn ausgebildet, Sesshoumaru-sama,“ gab er dann an: „Aber, wie Ihr wisst, hatte ich vom Herrn auch den Auftrag erhalten, dessen Grab zu bewachen. Also musste ich hin und her gehen. Überdies....Inuyasha-sama führte ein durchaus aufregendes Leben und...“

„Du wirst an seiner Seite bleiben.“ Der Daiyoukai bemerkte, dass der Hanyou und seine Freunde durchaus verstanden hatten, auf was das hinauslaufen sollte, und hob etwas die Hand, so dass Inuyasha das Seil um den Flohgeist binden konnte, das ihm Sango wortlos gereicht hatte.

Allerdings wandte der Jüngere ein: „Ich habe ihn ja schon mal an mich gebunden gehabt, aber das nervt. Und außerdem, ich meine, onii-san. ich bin verheiratet und es wäre doch etwas peinlich...naja...“

„Du wirst einige Wochen nicht hier sein.“

„Äh, nein?“ Aber der Hanyou band in neugewonnener Kleiner-Bruder-Manier gehorsam den nur leise seufzenden Floh auf seiner Schulter fest.

„Meine Mutter wird dir beibringen, wie du dich zu verhalten hast.“

Jetzt blieb Inuyasha doch der Mund offen, ehe er verblüfft sagte: „Das...das ist nicht dein Ernst!“ Er war ein Hanyou und sie eine Daiyoukai, überdies war er der Sohn der zweiten Ehefrau ihres Mannes – schön, sie würde sich wohl Sesshoumarus Anweisung nicht widersetzen, aber.....Das war eine völlig neue Stufe ihres Verhältnisses, die endgültige Anerkennung als vollwertiges Familienmitglied durch seinen Bruder. Sein Traum war eben in Erfüllung gegangen.

„Sesshoumaru-sama,“ keuchte Myouga, allerdings vollkommen entsetzt. „Ihr wisst, wie sie zu Menschen steht....und zu mir! Das überlebe ich nicht.“

„Ich werde euch begleiten.“ Das war vermutlich in der Tat die einzige Möglichkeit, dass Inuyasha das erste Treffen überlebte. Leider. So gern und häufig besuchte er seine Mutter wirklich nicht und der letzte Besuch hatte ihm nur zu gut wieder einmal gezeigt, warum dem so war.

Kagome, die durchaus einen gewissen inneren Widerstand bei dem Hundeyoukai erkannt hatte, ergriff die Initiative, nicht willens, sich schon wieder von ihrem Hanyou zu trennen: „Wäre es dann nicht vielleicht sinnvoller, wenn ihr beide gleich hier bleibt? Ich meine, Rin würde sich freuen, dich einmal wieder etwas länger um sich zu haben, du könntest Inuyasha ja auch etwas beibringen und Myouga auch...und du ihn überwachen.....“ Irgendwie stellte sie fest, dass sie immer leiser wurde, je länger sie redete. Da waren die seltsam gleichartig kühlen Blicke der Halbbrüder, der entsetzte des alten Flohs....

Rin war ein Argument und das Andere natürlich auch. Sesshoumaru beschloss, dass seine Mutter gern noch ein paar Jahrzehnte auf seinen Besuch warten konnte, ein wenig erstaunt, dass Kagome ihn so gut abschätzen konnte. Nun, was sollte es, es war die bessere Lösung: „Myouga – du beginnst morgen mit dem Unterricht. Von Sonnenaufgang bis Mittag.“

„Keh! Onii-san...“ begann Inuyasha, der seine friedlichen „Wächterstunden“ bei der kräuterpflückenden Kagome in weite Entfernung schwinden sah, als besagter großer Bruder von unerwarteter Seite Hilfe bekam:

„Oh ja,“ strahlte die junge Priesterin: „Da lerne ich ja auch bei Kaede-obaa-sama und so sind wir beide sozusagen in der Schule. Nachmittag besuche ich die Kranken, ehe ich dann koche....“

„Nachmittag,“ fuhr Sesshoumaru ruhig fort: „Hast du Schwerttraining.“

„He!“ fuhr der Hanyou empört auf: „Ich kann kämpfen!“

Mit ebenso neu gewonnener Großer-Bruder-Attitüde erklärte der Daiyoukai knapp: „Das kannst du. Aber nur Tessaiga beherrscht Techniken. Und du wirst ohne es auskommen müssen.“ Denn Technik war dieses Kämpfen nicht. Er war mutig, stur und schwer umzubringen – aber kein filigraner Kämpfer.

Inuyasha dämmerte etwas, das ihn zwischen „angetan“ und „gewisser Besorgnis“ schwanken ließ: „DU willst mit mir üben?“ Das würde kaum leicht werden, wenn er sich der gewissen bisherigen „Übungen“ entsann, nicht zuletzt der auf Vaters Körper....

Sesshoumaru sparte sich die Antwort und machte den Schritt zu seinem Halbbruder. Myouga keuchte entsetzt, als er sich erneut zwischen den spitzen Krallen des Daiyoukai fand – und fiel vorsorglich in Ohnmacht. Ohne darauf zu achten ritzte dieser die Kleidung des Flohgeistes am Ärmel auf und dessen Haut. Inuyasha sah etwas besorgt zu, beruhigte sich aber ob der geradezu klinischen Präzision. Nein. Sesshoumaru wollte Myouga nicht umbringen. Aber, was sollte das dann? Da trat Blut aus dem Alten, das sein älterer Halbbruder mit dem Finger auftupfte, ehe er sich an ihn wandte:

„Hier.“

Er sollte doch nicht wirklich....? Aber der Hanyou öffnete den Mund und schluckte mit gewissem Widerwillen das Blut vom Finger des Daiyoukai, den er so zum ersten Mal spürte. Es beruhigte ihn allerdings dann doch, dass Sesshoumaru erneut Blut aufnahm und selbst schluckte. Es war wohl nötig – nur, für was? „Was...?“ begann er, als Myouga erwachte.

Der Flohgeist richtete mit zwei Armen seine Kleidung, während er mit den anderen beiden wedelte, noch während er auf der Schulter des Hanyou aufstand: „Oh nein, Sesshoumaru-sama! Ihr...Ihr habt den Aufspürbann erweitert?“

„Was für einen Aufspürbann?“ erkundigte sich Inuyasha prompt: „Mal wieder etwas, was du mir bislang nicht erzählt hast?“

Myouga seufzte etwas, beschloss dann jedoch, dass es gesünder für ihn wäre zu antworten. Er saß auf der Schulter des Jüngeren, angebunden, der Ältere war keinen halben Schritt entfernt....Und beide waren impulsiv - und offenkundig sauer auf ihn. „Das ist ein Blutbann, durch den es Sesshoumaru-sama möglich ist, mich jederzeit und überall zu finden.“

„Ich kann das dann jetzt auch.“

Oh je. Resigniert erwiderte der Floh: „Ja, dann wohl auch. Aber dann....könntet Ihr mich losbinden.“ Immerhin gab es nun keinen Ort unter der Sonne mehr, an dem ihn die Hundebrüder nicht finden würden. Wunderbar. Trübe Aussichten an einem doch so schönen Tag. Das hatte er davon, dass er sich um diese beiden Chaoten Sorgen gemacht hatte. „Ich werde dann morgen früh mit dem Unterricht beginnen...“

Sesshoumaru nickte geistesabwesend. Während Inuyasha die Schnur durchtrennte und der alte Floh erleichtert zu Kagome sprang, dämmerte dem Daiyoukai, was ihn einige Zeit schon gestört hatte. Abrupt fragte er seinen Halbbruder: „Wer hat dich aufgeklärt?“

Der wurde prompt rot: „Äh...“

„Ich,“ sagte Kagome, um unter dem kühlen Blick etwas verlegen fortzufahren: „In meiner Zeit ist es üblich, dass auch Mädchen Bescheid wissen, wie es geht....“

Also hatte Inuyasha das nicht getan. Was wiederum zu Myouga führte...Es wurde wirklich Zeit, dass er die Ausbildung des Jüngeren in die eigenen Klauen nahm. Der hatte sich ja vor seiner Angetrauten schon blamiert. Nicht auszudenken, wenn er an eine Youkai geraten wäre! Das hätte in allen Hundekreisen schnellstens die Runde gemacht, die Familie und damit nicht zuletzt ihn gründlich dem Spott preisgegeben. „Tu das auch bei Rin,“ erwiderte er allerdings nur. Schließlich konnte er das ja schlecht übernehmen, war er doch weder weiblich noch ein Mensch – trotz seiner leidvollen Erfahrung der letzten zwei Tage. Ohne weiter auf die Blicke der anderen zu achten ging er zum Dorfrand, um sich dort unter einem Baum niederzulassen.
 

„Dann haben wir heute noch frei. Fein, Inuyasha,“ sagte Kagome: „Dann werde ich für dich etwas Besonderes kochen. Ich bin wirklich heilfroh, dass du heil wieder da bist. Ich meine, du bist doch heil?“

„Ja, schon gut. Ich meine, das ist alles schon so gut wie weg. Aber wir waren da Menschen und...naja.“ Zuviel sollte er wohl lieber nicht ausplaudern. Oder zumindest überlegen, was Sesshoumaru nicht gern ausgeplaudert haben wollte. Das neue, brüderliche Verhältnis war zu schön, um das aufs Spiel zu setzen. „Ich erzähle es dir schon noch.“

„Diese Prüfungshölle ist ja wirklich dann etwas Gemeines.“ Auch, wenn sie gern gesehen hätte, wie Sesshoumaru so ausgesehen oder sich gar benommen hatte.

„Ähm, Inuyasha-sama....“ mischte sich Myouga ein: „Dann ist jetzt Sesshoumaru-sama der Taishou?“

„Nein, Inabikari.“

„Sesshoumaru hat gegen den verloren?“ erkundigte sich Kagome unverzüglich ungläubig.

„Oh, nein, er hat gewonnen. Und Kyuu hat sich mir ergeben,“ beteuerte der Hanyou, bemüht weder sich noch seinen Bruder in schlechtem Licht dastehen zu lassen.

„Muss ich das gerade verstehen?“

Der Flohgeist schloss sich dem an: „Also seid Ihr zwei dann die Nummer Eins und Zwei?“

„Ja, aber Kyuu soll den Rat leiten und Inabikari, weil er sich so drum gerissen hat, der Taishou sein. Das macht doch nichts. Sollen die doch die Arbeit machen.“

Myouga und Kagome tauschten einen raschen Blick. Also hatten es die zwei Chaoten geschafft, die Ehre einzuheimsen ohne sich der Arbeit annehmen zu müssen. - Nun, solange die anderen beiden Hundedaiyoukai damit fertig wurden. Und es müsste schon etwas Gravierendes sein, dass diese das nicht schafften.

So zuckte die junge Priesterin die Schultern: „Ihr seid unmöglich, aber das weißt du. - Komm jetzt, genießen wir unseren freien Tag. Morgen bei Sonnenaufgang möchte ich wetten, dass du wach sein sollst.“

„Ja, werde ich schon sein.“ Der Hanyou fasste ihre Hand, glücklich, wieder hier bei ihr zu sein: „Dann gehen wir. Ich habe wirklich Hunger.“
 

Sesshoumaru bemerkte, dass Rin ihm gefolgt war und nun in einiger Entfernung stehen blieb. Sie würde ihn nicht fragen, ob sie statt bei der alten Priesterin bei ihm schlafen dürfte, das wusste er. Sie ging ihm nie mit überflüssigen Fragen auf die Nerven. Und er war wirklich froh, dass er einige Zeit wieder sie um sich haben würde. Wie lange war es her, dass er Inuyasha spöttisch gefragt hatte, was an diesen Menschenmädchen so besonderes sei? Warum sie vermissen, warum sie beschützen, warum sie lieben? Aber inzwischen war so viel geschehen. Und er verstand seinen Bruder, seinen Vater. „Komm her.“ Sie gehorchte mit einem Lächeln – diesem Lächeln, das er immer wieder sehen wollte. Und würde.

Zumindest eine gewisse Zeit lang. Menschenleben waren wirklich sehr kurz bemessen. Umso wichtiger, jeden Tag zu nutzen.
 

**
 

Das war diese Geschichte über die Hundebrüder.

Nächste Woche Samstag, beginnt ein 9-Kapitel Sesshoumaru-Krimi. Danach kommt entweder eine AU-Geschichte über die beiden Chaoten oder eine Brüdergeschichte, je nachdem, was ich bin dahin fertigbekomme.

Am Mittwochstermin läuft Klingen des Kaisers, mal ganz etwas anderss, eine Mantel und Degengeschichte.
 

bye
 

hotep



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Von:  Krylia
2011-09-25T20:15:35+00:00 25.09.2011 22:15
Aww, Sesshoumaru ist für Inu der perfekte Youkai! Allerdings muss das ja nicht unbedingt was Gutes bedeuten... Naja, inzwischen hat er ja doch eine viel bessere Meinung von seinem Halbbruder.
Jedenfalls hat mir die Brücke der Selbsterkenntnis wirklich sehr gut gefallen. Ich liebe solche Prüfungen.

Ob Hayasa zusehen will, wie der Rat vermöbelt wird? Jedenfalls hat er sich eine wirklich fiese kleine Foltermethode für sie ausgedacht, dieser ausgefuchste alte Dämon.
Ich finde ihn klasse. :)


LG, Krylia
Von:  00schnepel8
2011-09-25T20:06:33+00:00 25.09.2011 22:06
Also ich muss schon sagen, je mehr Kapitel diese FF bekommt, desto mehr tut mor Myoga Leid...^^

Die Brücke der Selbsterkenntnis war toll, anders kann ich's nicht sagen.Auch wenn irgendwie klar war das sie nicht in den Abgrund stürzen, aber die Antworten der Beiden waren doch wieder einmal sehr aufschlussreich.Sesshomarus Antwort aud die Frage obb er jemanden beschütze war äußerst amüsant...da gebe ich Hayasas Scmunzeln recht.:)

Ich frage mich ob Hayasa beim Rat bleibt um die Kämpfe mit ansehen zu können, aber es hat sich schon danach angehört.
Aber jetzt mal zum Thema vorlaut, die liebe Kyuu hat aber auch ein ganz schönes Temperament, sie weiß sich zwar noch zu zügeln, aber wie das ohne gute Erziehung ausgesehen hätte möchte ich garnicht wissen.

Auf diese merkwürdigen Untoten bin ich schon gespannt.Unter, weder tot noch lebendig, kann ich mir nicht allzu viel vorstellen.Außerdem eine Wüßte die nicht heiß ist??Nun gut, da warten einige Überaschungen auf uns...
Aber mal eine Frage: Hayada warnte die Beiden ja vor den Blumen.Durfte er das??Ich meine klar durfte er, ist ja seine Prüfungshölle, aber haben sie damit nicht einen Vorteil, oder hat er das allen Prüflingen gesagt??

Ich freue mich auf's nächste Kapitel...
Von:  ayakoshino
2011-09-25T15:30:57+00:00 25.09.2011 17:30
Ein sehr schönes Kap! Die Brücke hat mir wirklich gut gefallen, auch Sesshomarus Antworten waren gut, typisch für ihn. Er würde öffentlich nie etwas zugeben was eine Schwäche bedeuten könnte, aber selber für sich weis er es sehr wohl!
Der Rat macht sich langsam Gedanken ob es wirklich ein so guter Plan war. Kyuu kann sich nicht vorstellen das die Brüder es mit allen 8 gleichzeitig aufnehmen können, aber die beiden sind ja immer wieder für Überraschungen gut, wie man bemerkt hat.^^
Mal sehen ob Hayasa da bleibt bis die Jungs kommen und sich das ganze Spektakel anschaut.
Ich freu mich jedenfalls schon auf das nächste Kap!
lg ayako
Von:  Kagomee16
2011-09-24T21:09:35+00:00 24.09.2011 23:09
das war ein echt intressantes kapi^^
bin gespannt ob hayasa noch eine schow bekommt wenn die beiden dort auftauchen^^
lg kagomee16
Von:  filia-infernorum
2011-09-24T16:38:01+00:00 24.09.2011 18:38
wie lange habe ich auf dieses kapitel gewartet? ^^
die 2 wochen kamen mir echt ewig lang vor. aber jetzt ist es endlich da ^^

bald ist die prüfungshölle also zu ende und die beiden hundebrüder werden sie verlassen udn dann dem hunderat begegnen.... eine echt interessante begegnung ^^
ih bin gespannt, wie sie ihre meinungsverschiedenheiten klären wollen.

auf den ersten blick waren das einfache fragen die auf der brücke der selbsterkenntnis gestellt wurden, aber wenn man genauer drüber nachdenkt nciht mehr. zu sehr verlangt der stolz doch zu sagen, dass man selsbt der beste sei, aber zum glück haben beide die fragen richitg beantwortet. ^^

lg
filia-infernorum
Von:  Sasuke_Uchiha
2011-09-24T12:22:30+00:00 24.09.2011 14:22
Juhu, endlcih das neue Kapitel.

Die Brücke der Selbsterkenntnis war toll.

Ich frage mich, ob Hayasa beim Rat bleibt und wartet, bis Inu Yasha und Sess ankommen um dem Rat ihre Meinung zu diesem Trip mitzuteilen :)


Von:  ayakoshino
2011-09-19T21:20:51+00:00 19.09.2011 23:20
Also ich muss schon sagen, die Beziehung der beiden ist wirklich verwirrend. Einmal wollen sie sich am liebsten an die Gurgel und kurze Zeit später erzählt Sess das er Inuyasha vertraut. Das fand ich übrigens sehr schön, Inu war ja auch gleich leicht perplex.*g*
Der Rat wartet also immernoch und überlegt, zumindest Kyuu, wie der Kampf wird und was sie für eine Technik anwenden soll...
Jetzt sind die Brüder ja an der Brücke der Selbsterkenntniss, ich bin so gespannt wie der Kleine sich weiterhin anstellt. Obwohl ich der Meinung bin, dass er es vielleicht etwas "leichter" hat als Sesshomaru... Dessen Prüfung erwarte ich natürlich auch schon gespannt, Hayasa sicher auch.*g*
lg ayako

Von:  Weissquell
2011-09-15T18:58:14+00:00 15.09.2011 20:58
Hihi, da hat der gute Sessi unsern lieben Hanyou ja ganz schön aus dem Konzept gebracht. Wirklich nobel von Sesshomaru, seinem Bruder mal das zu geben, was er sich wohl innerlich dioch wünscht, Anerkennung. (Erinnert mich ein bisschen an eine Szene zwischen Jiraya und Naruto, als dieser Naruto ein Eis mitbringt, das sie sich teilen können, weil er erkannt hat dass Naruto mal bei aller Härte ein bisschen Zuspruch benötigt... hach ja... *seufz*)

Und nun zur Brücke der Selbsterkenntnis. Interessante Sache. Beängstigende Situation, von den meisten Reizen abgeschnitten zu sein, aber so kann keiner Vorsagen. ;-) Regt durchaus zu Spekulationen an. Welcher Mechanismus analysiert und bewertet die Antworten. Welche Richtlinien werden bei dem Wahrheitsgehalt angelegt. Immerhin sind das ja Fragen, die eher abstrakt als konkret sind (aber das sind Warum-Fragen wohl immer) Zählt da eigentlich auch die Zeit dazu wenn sein Dämonenblut hochkocht und er im Blutrausch tötet? Oder geht es nur um seine momentane Persönlichkeit. Knifflige sache. Wie gesagt, wäre interessant zu wissen nach welchen Kriterien das bewertet wird.

Und bin mal gespannt was noch für Fragen kömmen. Naja, n paar wurden ja schon verraten. Ich hätte vermutlich drauf verzichtet sie schon im Vorfeld zu verraten, das nimmt etwas die Spannung, ich hätte vielleicht einen direkten kleinen Szenenwechsel zu Hayasa gemacht bei den einzelnen Fragen, oder hinterher in kleinen Blöcken mit dem Vermerk halt, wie die anderen Kandidaten bei den einzelnen Fragen abgeschnitten haben. So nimmt es doch schon einiges vorweg.

Aber mal sehen wie die beiden sich schlagen werden.

Dir noch n schönen Urlaub.

L.G. Weissquell
Von:  Sasuke_Uchiha
2011-09-14T20:10:34+00:00 14.09.2011 22:10
Tolles Kapitel.

Mal sehen, was Inu Yasha noch alles beantworten muss.
Und wie sich erst Sess auf der Brücke schlägt.

Inabikiri scheint mir ein aufrechter Kämpfer zu sein. Wäre schade, wenns ihn erwischt.
Von:  Teilchenzoo
2011-09-14T11:44:54+00:00 14.09.2011 13:44
Wäääh ... gerade jetzt. Ich mache mir keine Sorgen, dass Inuyasha weiter kommt, aber trotzdem ...
Cliffhänger sind böse. Ich hoffe, der Urlaub war so schön, wie es sich anhörte, und verdient war er auf jeden Fall, aber trotzdem...

Selbst bei Sesshoumaru kann ich mir vorstellen, dass er die Fragen mit der Erfahrung der letzten Jahre meistern wird. Und, vor allem, mit denen, die er in genau diesem Augenblick macht, als er Inu zuguckt. Seinem Bruder.

Hayasa wird viel lernen. Man sollte nicht unterschätzen, wie menschlich diese Fragen sind.

Schönes Kapitel, wie schon das letzt.

Und ein Nachtrag. Ich mochte den Prüfer in der Hütte sehr ^^. Mit ihm hätte ich mich gerne mal unterhalten.

Lg


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