Das Leben danach von gluecklich (Worst-Case-Szenario) ================================================================================ Kapitel 1: Alles auf Anfang, I. ------------------------------- Die rostigen Angeln quietschten, als die Tür nach innen aufschwang und den Blick freigab auf ein von Staub erfülltes Halbdunkel. Eine Katze strich ihm um die Beine, er schob sie mit dem Fuß weg, trat ein und schloss die Tür wieder. Er versuchte, einen der Rollläden hochzuziehen, der daraufhin zusammenbrach und krachend zu Boden fiel. Also ging er im gesamten Erdgeschoss umher und riss jeden Rollladen vom Fenster weg. Bei keinem fiel es ihm schwer. Alle zerbröselten praktisch in seinen Händen zu Asche und Dreck. Obwohl die Fenster so schmutzig waren, dass die Welt draußen aussah, als sei sie von grauen Schlieren überzogen, schien nun einiges mehr an Sonne herein, was dafür sorgte, dass man noch deutlicher sah, wie viel Staub hier in der Luft lag. Zum Glück war seine Lunge so einiges gewohnt. Nachdem er sich in jedem Zimmer genauer umgesehen hatte, stieg er die knarzenden Treppen hinauf und begutachtete das Obergeschoss. Auch hier plumpsten Rollläden wie Wasserfälle aus ihren Halterungen, der Staub war allgegenwärtig und ließ ihn sogar ein paarmal niesen. Die Decken waren viel niedriger, als er in Erinnerung gehabt hatte. Aber er musste sich ja auch eingestehen, dass er zum letzten Mal vor fast zwanzig Jahren hier gewesen war. Alles hier war baufällig, ein paar Scheiben waren eingeworfen worden und die meisten Möbel hatte sich wohl längst irgendwer unter den Nagel gerissen. Die, die noch da waren, waren zu nichts zu gebrauchen. Die meisten waren mottenzerfressen, unter manchen fand er Maden oder ganze Armeen von Weberknechten, aus einem rannte ihm sogar eine weitere junge Katze entgegen. Alles hatte Löcher, Risse, oder war gar nur noch zur Hälfte erkennbar. Er probierte ein paar Wasserhähne aus; aus den meisten kam überhaupt nichts, aus einem kam, nachdem er höchst besorgniserregende Geräusche von sich gegeben hatte, ein Schwall braun-grünlicher Schlamm. Die Wasserleitungen waren ein Witz. Schon immer gewesen. Als er wieder unten war, durchsuchte er die Küchenschränke. Bis auf einen Haufen Schaben, Spinnen und Fliegen waren sie alle leer, nur in einem fand er noch eine gigantische Sammlung Konservendosen. Er holte eine raus und betrachtete das Etikett, konnte jedoch nicht mehr erkennen, was da mal hatte draufstehen sollen. Also öffnete er die Dose und schaute rein – und konnte immer noch nicht erkennen, was es darstellen sollte. Es sah ein bisschen aus wie gesammelter Dünnschiss. Sah aus, als müsse er hier noch gehörig renovieren, bevor er richtig einzog. Das machte nichts, er hatte Zeit. Zeit und vor allem genug Geld, um das Hotel, in dem er jetzt wohnte, noch eine ganze Weile lang zu bezahlen. So lang eben, bis er mit der Arbeit hier fertig war. Er tat selten Dinge, die im Endeffekt wirklich eine positive Wirkung auf sein Gemüt hatten, aber wahrscheinlich war das hier so etwas. Er hatte jetzt ein Projekt. Er würde einfach so viel Zeit wie möglich darin stecken, dieses Drecksloch hier wieder zu einem Haus zu machen, das seiner würdig war. Und damit würde Xanxus sich hoffentlich endlich effektiv von der Tatsache ablenken können, dass man ihm alles genommen hatte, was er mal sein Leben geschimpft hatte. Mit einem leisen Seufzen trat er vor die Tür, die ein wenig schief in den Angeln hing, und schloss sie wieder hinter sich. Und dann strich ihm schon wieder etwas um die Beine. Stirnrunzelnd senkte Xanxus den Blick und entdeckte die Katze, die ihm eben noch aus einem Loch im Sofa entgegen gerannt gekommen war. »Wenn du Futter suchst, bist du hier eindeutig falsch«, sagte er tonlos, was das Tier natürlich nicht verstand. Die Katze begann, zu schnurren, und seine Hosenbeine vollzuhaaren. Bevor Xanxus sich darüber aufregen konnte, hörte er lautes Knattern, drehte den Kopf zur Seite und konnte gerade noch beobachten, wie ein Moped um die Ecke geschossen kam und mit einer Geschwindigkeit an ihm vorbeiraste, die nahelegte, dass das Ding ordentlich frisiert war. Ausdruckslos sah Xanxus dem scheppernden Gefährt nach und dachte, dass der Junge, der darauf gesessen hatte, maximal dreizehn sein konnte. Als das Geräusch des lauten Motors sich wieder verflüchtigt hatte, hörte er irgendwo in der Ferne Feuerwehrsirenen, und ganz in der Nähe sang ein Betrunkener Total Eclipse Of The Heart von Bonnie Tyler. Scheiße, er hatte keine Ahnung, wo er überhaupt anfangen sollte. Wie schlug man Profit aus dieser Hölle? Xanxus war sich sicher, dass es möglich war, absolut sicher, weil nichts einen reichen, erfahrenen Mafioso so herzlich empfing wie ein verarmtes, von Kriminalität durchzogenes Kaff. Aber er hatte schlicht und ergreifend keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Es gab so viele Möglichkeiten. Die Schutzgeldbranche hier war gigantisch, er konnte dort anfangen und sich einfach an die Spitze setzen. Er konnte sich aber auch die Marktlücke in diesem Gebiet schnappen und für bessere medizinische Unterstützung sorgen. Oder er brachte ein bisschen Ordnung in den chaotischen Waffenhandel. Die junge Katze hatte begonnen, an seinem Schuh herumzukauen. Xanxus bückte sich, zog sie etwas mühsam von seinen Füßen weg und setzte sie im wilden Busch ab, der neben den stinkenden Mülltonnen wuchs. Sie fand das beschissen, aber Xanxus fand sie ja auch beschissen, also war das nur fair. Vielleicht sollte er einfach damit anfangen, seinem alten Viertel klarzumachen, dass er wieder da war. Dass nun andere Zeiten anbrachen, weil er das fortsetzen würde, was er als kleiner Junge bereits begonnen hatte. Ja, vielleicht sollte er damit anfangen, es die Leute wissen zu lassen. Xanxus war wieder zu Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)