Zeit, dass sich was dreht von Midnight_Poison (Wakabayashi X Schneider) ================================================================================ Kapitel 1: Die Feuertaufe ------------------------- Hallo ihr Lieben^^ Irgendwie hatte ich nach Ewigkeiten mal wieder Lust auf eine FF... seltsamerweise bin ich derzeit doch ziemlich auf dem "Captain Tsubasa"-Trip. Keine Ahnung wieso, es steht keine WM an, keine EM und nichtsdestotrotz habe ich mich mal an diese kleine Geschichte gewagt. Wie schon in der Zusammenfassung geschrieben, geht es primär um Karl-Heinz Schneider und Genzo Wakabayashi. Das Ganze wird sich, so spielt es sich zumindest derzeit in meinem Kopf an, doch sehr in Richtung yaoi orientieren. Also: Dont like it? DON'T READ IT! Wir wollen doch schließlich alle Freunde bleiben ;) Wer damit kein Problem hat und das Pairing genauso gerne liest wie ich, der ist hiermit herzlich eingeladen sich einen Keks zu schnappen und die Geschichte zu genießen. Disclaimer: Ich verdiene hiermit kein Geld, sondern bleibe so arm, wie ich bin. Keiner der Charaktere gehört mir, sondern Yoichi Takahashi. Das Recht an dem Lied "Zeit, dass sich das dreht" liegt bei Hörbi Grönemeyer ^.^ Genre: Romance/Friendship, get-together-story Rated: Noch nicht (würd ich mal bis jetzt so schätzen... später vielleicht, wenn ich mich traue etwas versautere Szenen zu schreiben^^) Warning: shounen ai/yaoi Pairing: Karl-Heinz Schneider X Genzo Wakabayashi Viel Spaß beim Lesen wünscht Midnight_Poison P.S. Comments are candy! ;)) Kapitel 1 Die Feuertaufe Wer jetzt nicht lebt,wird nichts erleben. Bei wem jetzt nichts geht,bei dem geht was verkehrt. "Das ist er also… das Torwartgenie aus Japan", knurrte Hermann Kaltz grießgrämig, während er den obligatorischen Zahnstocher von einem Mundwinkel in den anderen wandern ließ. "Sieht ganz schön mickrig aus. Findest du nicht?" Tonlos die Szenerie betrachtend, die sich ihm nur wenige Meter entfernt auf dem Trainingsplatz bot, zuckte der Angesprochene lediglich mit den Schultern. Der Trubel, den das Auftauchen dieser fernöstlichen Torwartgeheimwaffe ausgelöst hatte, war nicht zu übersehen. Redlich mühten sich seine Mannschaftskollegen damit ab, den Ball mit allen Mitteln hinter die weiße Linie zu bekommen, doch schien dies schlicht und ergreifend nicht möglich. Als hätte der Junge mit dem Käppi einen siebten Sinn für die Flugrichtung des Balls, sprang er ein jedes Mal intuitiv in die Richtige Ecke des Tores - seine Mitspieler derweil langsam aber sicher zur Verzweiflung treibend. Selbstzufrieden und mit einem gewissen Maß an erfolgsverwöhnter Überheblichkeit, reckte der Japanimport den mit nur einer Hand gefangenen Ball in die Höhe, wie eine Trophäe. Karl-Heinz Schneider, seines Zeichens Kapitän und bester Mann beim FC Grünwald, entlockte dieser Auftritt nur ein mattes Lächeln, während er die Arme eisern vor der Brust verschränkt haltend weiterhin wie gebannte auf das Spielfeld starrte. "Na komm, Hermann", brach er nach weiteren vergeblichen Torschüssen seiner Teamkollegen das Schweigen. "Lass uns dem Neuen mal zeigen, wie man in Deutschland richtig Fußball spielt." Das ließ sich Kaltz nicht zwei Mal sagen. Hämisch grinsend, warf er seinem Freund einen wissenden Blick zu, während er die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkte und ihm auf dem Weg Richtung Strafraum folgte. Er kannte diesen Ausdruck, den das Gesicht des Stürmers mittlerweile angenommen hatte nur zu gut. Wenn Karl-Heinz Schneider eines gut konnte, dann war es anderen ihre Grenzen aufzuzeigen. Sie erreichten die Elfmetermarke in just dem Moment, da der Neue einen Fernschuss mühelos mit den Fäusten hatte abwehren können. In hohem Bogen flog der Ball über die Köpfe der anderen Spieler hinweg, genau auf Hermann Kaltz zu. "Hermann, Flanke!" "Na dann woll'n wir mal..." Der bullige Spieler ließ sich nicht lange bitten, während er den zerkauten Zahnstocher auf den Boden spuckte. Gekonnt nahm er den Ball aus der Luft an, nur um ihn augenblicklich an seinen Kapitän zu flanken. Es roch angesengt, ein Hauch von verbranntem Leder schwebte in der Luft, als der Ball wild rotierend im Netz zum Stehen kam und Karl-Heinz Schneider nach einem eindrucksvollen Fallrückzieher wieder auf dem Rasen landete. Grinsend wandte er sich dem Torwart zu, der wie schockgefroren in der Mitte des Kastens stand, unfähig sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Erst als der Ball leicht eiernd an ihm vorbei aus dem Tor kullerte, schien sich seine Starre wieder etwas zu lösen. Er Ruck ging durch seinen Körper, als wären sämtliche Lebensgeister auf einmal in ihn zurückgefahren. Was zur Hölle war denn das? Kein Mensch kann so schießen… "Na Neuer, wie gefällt dir das? Jetzt weiß du mal wie es aussieht, wenn wir hier Ernst machen!", höhnte Kaltz und brach im Anschluss in schallendes Gelächter aus, in welches seine Teamkollegen herzhaft miteinfielen. Endlich hatte diesem unbekannten Neuling mal jemand gezeigt, wo es in Deutschland lang ging. Lediglich der Schütze des Tores verzog keine Miene. Sich den Reißverschluss seiner Trainingsjacke bis zum Kinn hochziehend, kam er langsamen Schrittes auf den Keeper zu. "Du bist also der neue Torwart aus Japan, von dem wir schon so viel gehört haben." Es war keine Frage, lediglich eine pragmatische Feststellung, während er sich mit gekreuzten Armen an den Torpfosten lehnte und sein Gegenüber eingehend musterte. Schwarze, leicht lockige Haare, muskulöse Statur, ungefähr seine Größe. Von der Erscheinung her absolut nicht außergewöhnlich und doch hatte man ihnen diesen Kerl als das Beste angepriesen, was der japanische Fußball bisher zustande gebracht hatte. Was definitiv noch zu beweisen galt. Sein Gegenüber schien Schneiders eingehende Analyse seiner selbst bemerkt zu haben und als unangenehm einzustufen, zumindest zog er das Käppi noch ein Stückchen tiefer ins Gesicht, sodass seine Augen unter dem Schild verborgen wurden. Mit steifen Bewegungen drehte er sich zu dem blonden Stürmer um, die fröhlichen Gesänge und Pfiffe seiner neuen Teamkollegen stoisch ignorierend. "Wie zur Hölle hast du das gemacht? Dieser Schuss... Ich... ich habe noch nie einen Menschen so schießen sehen. Es schien, als würde der Ball regelrecht in der Luft brennen…" Karl rang diese Erklärung nicht mehr, als ein schwaches Lächeln ab, hatte er diesen Ausdruck von Erstaunen und absolutem Unverständnis einfach schon viel zu oft gehört. Seit Jahren stellte man ihm wieder und wieder ein und dieselbe Frage: "Wie zum Teufel kannst man nur so schießen?" "Das war mein Feuerschuss", er verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen, ehe er weitersprach. "Der heißt nicht grundlos so." Der Torwart nickte nur schwach, noch immer schien er nicht ganz verstehen zu können, was da soeben passiert war. Sich räuspernd setzt er leise, eher zu sich selbst, als an Schneider gewandt an: "Und ich habe mich immer gerühmt, jeden Ball von außerhalb des Strafraumes halten zu können. Das war dann wohl nichts." "Das lässt sich ändern." Überrascht sah der Angesprochene auf, als sich Schneider entschlossen vom Torpfosten abstützte und einen Schritt auf ihn zukam. Seltsam zufrieden wirkend, streckte er ihm die Hand entgegen. "Mein Name ist Karl-Heinz Schneider. Ich bin Stürmer und Kapitän dieser Mannschaft. Und wie heißt du?" Der Anflug eines Lächelns kam zurück auf die Angespannten Gesichtszüge, das konnte Karl selbst unterhalb des Käppis ausmachen. Sich den Schild aus der Stirn schiebend, sodass sie sich nun in die Augen sehen konnte, ergriff der schwarzhaarige Junge Schneiders Hand. "Genzo. Genzo Wakabayashi. Freut mich sehr." "Mich ebenfalls, Genzo. Willkommen beim FC Grünwald. Ich glaube, wir werden noch viel Spaß miteinander haben. Nun, da du die Feuertaufe bestanden hast." Genzo wusste nicht recht, wie er die letzten zwei Sätze auffassen sollte. Feuertaufe? Ja, und was für eine! Und wenn Spaß für Schneider darin bestand, ihn bis ins Mark zu demütigen, indem er ihm einen Ball nach dem nächsten in den Kasten donnerte, ja, dann würden sie in der Tat sehr viel Spaß miteinander haben. Wenn der blonde Junge immer so schoss, wie am heutigen Tage, würde es eine verdammt harte Zeit in Deutschland werden. Schlimmer noch, als es sich Genzo in seinen düstersten Albträumen ausgemalt hatte. "Was ist jetzt Schneider? Willst du dort Wurzeln schlagen, oder kommst du jetzt vielleicht auch mal langsam?", riss die voluminöse und leicht angenervt klingende Stimme von Kaltz die beiden aus ihren Gedanken. "Wir sehen uns dann morgen früh beim Training." Mit diesen Worten machte Karl-Heinz Schneider auf dem Absatz kehrt und schlenderte langsam Richtung Tribüne. "Und sei pünktlich", setze er noch nach, ohne sich umzudrehen. Karl kam nicht umhin zu grinsen, als er den Fußballplatz verließ. Wohl wissend, dass die Blicke Genzo Wakabayashis an jedem seiner Schritte klebten. Immerhin konnte er seiner Analyse noch einen Punkt hinzufügen: Unglaublich braune Augen. Kapitel 2: Der Kaiser --------------------- Kapitel 2 Der Kaiser Zahl ist gefallen, die Seiten vergeben. Du fühlst, du träumst. Du fühlst, du glaubst, du fliegst. Hundemüde und mit dem Gefühl seit Tagen nicht geschlafen zu haben, ließ sich Genzo Wakabayashi hinterrücks aus sein Bett fallen, die Arme abwehrend vor den Augen verschränkend. Er wollte nichts mehr sehen und nichts mehr hören, die Außenwelt einfach nur noch stoisch abblocken. Dafür, dass er heute eigentlich nur "Hallo" sagen wollte und so gut wie nichts vom regulären Training des FC Grünwald mitbekommen hatte, fühlte er sich wie gerädert. Seine Hände waren vom vielen Abblocken und Fangen der harten Schüsse taub und kribbelig, seine Beine schwer wie Blei und es hämmerte unaufhörlich hinter seinen Schläfen, als würde dort jemand mit einem Presslufthammer zu Werke gehen. Feuerschuss… Karl-Heinz Schneider… diese beiden Namen gingen ihm einfach nicht mehr aus dem schmerzenden Kopf. Nachdem ihn Schneider und seine neuen Teamkollegen wie bestellt und nicht abgeholt auf dem Platz zurückgelassen hatten, hatte Genzo den verzweifelten Versuch unternommen, sich abzulenken - so gut dies eben ging, in Anbetracht der Tatsache, dass sein Selbstbewusstsein irgendwo im Bereich "unterirdisch" herumdümpelte und man ihn vorgeführt hatte, wie einen dummen Schuljungen – indem er einen kleinen Spaziergang durch die Hamburger Innenstadt machte. Doch selbst dort hatte ihn seine neuste Nemesis einfach nicht in Frieden lassen können. Die Popularität des FC Grünwald schien nahezu überwältigend. Überall in der Stadt sah er Menschen in Trikots, mit Schals und Käppis in den Vereinsfarben. An gefühlt jedem zweiten Haus hing eine grün-weiße Flagge und dieses siegessichere Grinsen Schneiders, welches Genzo die Galle hochkommen ließ, strahlte ihm in Überlebensgröße von einer Litfaßsäule entgegen. Interessiert studierte er den Text unterhalb des Bildes, schließlich musste er aber doch einen Passanten fragen, was genau unter dem Foto auf dem Plakat geschrieben stand. Um sich zumindest einigermaßen in Deutschland verständigen zu können, hatte Genzo in den letzten Monaten vor seiner Abreise Deutsch gelernt, wie ein Besessener – und war mit den Ergebnissen soweit auch durchaus zufrieden – aber mit diesem fremden Alphabet und den unbekannten Zeichen tat er sich nach wie vor schwer. Wie er nun in den schillerndsten Farben ausgeschmückt erfuhr, warb das Plakat für das Finalspiel der ersten Bundesliga. Das Topspiel des FC Grünwald gegen den FC Rothburg. Und natürlich würde der FC Grünwald haushoch gewinnen, davon war nicht nur der begeisterte junge Mann neben ihm überzeugt, sondern die gesamte Stadt schien diese Meinung zu teilen. Es dauerte keine Stunde, bis Genzo es in dieser weiß-grünen Hölle einfach nicht mehr ausgehalten hatte und somit war er hängenden Kopfes zurück in seine Wohnung geschlichen. Ein kleines Zweizimmerappartement in der Altstadt, aber mehr würde er auch nicht brauchen. So wie es aussah, würde er den Großteil seiner Tage in Deutschland ohnehin auf dem Platz und im Tor verbringen. Eigentlich sein großer Traum. Professioneller Fußballspieler bei einer international anerkannten Spitzenmannschaft. Und dennoch fühlte Genzo mehr und mehr den innigen Wunsch in sich aufkeimen, augenblicklich seine sieben Sachen zurück in die Koffer zu werfen und mit dem erstbesten Flieger nach Japan zurück zu kehren. So schnell wie möglich und das ein und für alle Mal. Mit fest eingekniffenem Schwanz, kommentiere Genzo verächtlich seine eigenen schmählichen Gedanken, während er die Arme hinter dem Kopf verschränkte und anfing die Deckenfliesen zu zählen. Es waren 27. Gut zu wissen. So recht konnte und wollte er es zwar nicht zugeben, aber er vermisste sie. Seine Freunde vom FC Nankatsu und von Shutetsu. Tsubasa, Taro, Ryo und Mamoru, sie alle fehlten ihm einfach. Ein müder Blick zum Telefon neben seinem Bett ließ ihn schließlich seufzend aufstehen. Es gab nur einen Menschen mit dem er über den heutigen Tag reden konnte. Mit dem er überhaupt darüber reden wollte. Entschlossen nahm er den Hörer ab und wählte die wohlbekannte Nummer, bereute seine Tat jedoch im selben Augenblick, da sich eine verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung meldete. Verdammt… die Zeitverschiebung… "Tatsuo Mikami?", nuschelte die gequälte Stimme seines ehemaligen Trainers am anderen Ende der Welt. "Hallo Herr Mikami", brachte es Genzo nach einigen Sekunden des erstarrten Zögerns beschämt hervor. "Ich hoffe ich habe Sie nicht geweckt… haben Sie schon geschlafen?" Selten dumme Frage, Genzo… "Genzo? Genzo, bist du das? Sag mal Junge, hast du eine Ahnung wie spät es ist?" "Hier ist es kurz nach halb acht abends", murmelte der Angesprochene verlegen, sich selbst dafür verfluchend, den Anruf überhaupt getätigt zu haben. "Hier ist es drei Uhr in der Früh", kam die knochentrockene Antwort seines engsten Vertrauten, jedoch schien sich dessen Laune langsam zu bessern. "Aber wenn ich dich schon einmal am Telefon habe, dann erzähl doch mal, wie gefällt dir Deutschland? Hattest du heute nicht deinen ersten Trainingstag? Wie ist es gelaufen?" Mit allem gerechnet habend, nur nicht mit dieser Frage, schnürte es Genzo bei jedem weiteren Wort Mikamis mehr und mehr die staubtrockene Kehle zu. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand mit aller Gewalt einen Stahlwolleknoten in den Rachen stopfen. "Gut", log Genzo hastig, wie aus einer Art Reflex heraus. Warum genau er log, wusste er selbst nicht. Er hatte mit Mikami über seinen heutigen Tag reden wollen, hatte ihm von Schneider, Kaltz und dem Feuerschuss berichten wollen und doch brachte er es einfach nicht übers Herz dem Menschen, der die größten Stücke auf ihn hielt und der ihm diese wahnsinns Chance überhaupt erst ermöglicht hatte, die Wahrheit zu sagen. Die traurige Wahrheit, dass er, Genzo Wakabayashi, auf ganzer Linie versagt hatte. "Wirklich gut, die Menschen hier sind sehr nett", setzte er noch hastig hinzu, als keinerlei Antwort zu vernehmen war und er hoffte inständig, dass er sich einigermaßen glaubwürdig anhörte. "Hast du denn auch schon den Kaiser getroffen?", fragte Mikami, mit einem Mal seltsam interessiert klingend. "Wen?" Verwundert schlug Genzo die Augen auf, eine seiner Augenbraue skeptisch in die Höhe ziehend. Nein, an einen Spieler namens "Kaiser" konnte er sich beim besten Willen nicht entsinnen. Vielleicht war er auch heute einfach nicht beim Training gewesen? Wenn Herr Mikami jedoch so explizit danach fragte… Gott nein, haben die etwa noch einen Spieler, der genauso gut, oder gar besser ist, als dieser Fußballteufel Karl-Heinz Schneider? "Na den jungen deutschen Fußballkaiser. Du hast doch bestimmt schon von ihm gehört", fuhr Mikami unbeirrt fort. "Sein Feuerschuss ist legendär." Beim Fall des Wortes "Feuerschuss" spitzte Genzo die Ohren, augenblicklich lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken, der ihn zusammenzucken ließ. "Meinst du... meinst du etwa Karl-Heinz Schneider?", murmelte er tonlos in die Sprechmuschel und sah vor seinem geistigen Auge den Fallrückzieher des vergangenen Morgens in allen Details revue passieren. Blonde Haare wehten im Wind, eisblaue Augen schienen regelrecht durch ihn hindurch zu blicken und der Ball… der verdammte, angesengte Ball zappelte im Netz, wie von Geisterhand dorthin befördert. "Na siehst du Genzo", riss ihn Mikamis erfreute Stimme aus seinen düsteren Gedanken, "dann bist du ihm ja doch schon begegnet. Kaiser ist nur sein Spitzname, aber ein sehr passender, wenn du mich fragst. Wenn du in Deutschland wirklich etwas lernen möchtest, dann halt dich an ihn. Wenn du seine Schüssen halten kannst, dann darfst du dich getrost als einer der besten Keeper der Welt bezeichnen. Gegen diesen Jungen sieht Tsubasa Ozora aus, wie ein Chorknabe." Genzo musste unwillkürlich lächeln. Tsubasa… Tsubasa Ozora hatte bisher immer seine größte Herausforderung dargestellt, doch im Vergleich zu diesem deutschen Schützen schien all das zu verblassen. Das reinste Kinderspiel… "Werde ich machen, danke Herr Mikami. Ich lasse Sie dann auch mal weiter schlafen… danke, dass Sie die Zeit hatten, zu dieser unchristlichen Stunde", Genzo lachte mit aufgesetzter Fröhlichkeit und übertrieben guter Laune. Seine eigene Stimme klang seltsam hohl und fern in seinen Ohren. "Genzo… ist wirklich alles in Ordnung bei dir?" Die Skepsis in Mikamis Stimme war unüberhörbar, wie ein Damoklesschwert schien sie über Genzos Kopf zu schweben. "Bestens, bestens… kein Grund zur Sorge", wiegelte er alle weiteren Einwürfe vehement ab. "Grüßen Sie die Jungs von mir, wenn Sie sie sehen. Wir sprechen uns dann in einer Woche, wenn Sie nach Hamburg kommen." "Werde ich machen, aber Genzo, ich-" "Gute Nacht, Herr Mikami." Genzo warf den Hörer des Telefons auf die Gabel, als hätte er sich urplötzlich in siedendes Eisen verwandelt. Er wusste selbst nicht, wieso er das Gespräch mit seinem guten Freund so schnell abgebrochen hatte. Es hatte ihm gutgetan einfach nur seine Stimme zu hören und dann… dann war doch wieder dieser gottverdammte Karl-Heinz Schneider auf der Bildfläche erschienen. Tsss… Fußballkaiser, dass ich nicht lache! Mit einem Mal voll innerer Wut und Anspannung, sprang Genzo von seinem Bett und schnappte sich seinen Rucksack. Es war ihm einfach nicht mehr möglich nur still da zu liegen und sein Schicksal zu verfluchen. Er musste etwas unternehmen, um seinen Kopf freizubekommen. * Mit einem lauten Knall prallte der Ball volley gegen die Latte. Erneut weit ausholend, schoss Genzo auch schon den nächsten Ball Richtung Tor. Er musste sich abreagieren. Dringend! Im verzerrenden Licht der Flutscheinwerfer drosch er nun schon seit Stunden wieder und wieder auf die Bälle ein, beförderte sie ins Tor, darüber hinaus, oder an die Latte. Was er traf war ihm herzlich egal, solange er nur mit voller Wucht auf irgendetwas eintreten konnte. "Davon werden deine Torwartkünste aber auch nicht besser!" Wie versteinert hielt Genzo mitten in der Bewegung inne, als er diese bekannte, leicht spöttisch klingende Stimme hinter sich vernahm. Er wollte seinen Ohren nicht trauen. Ein prüfender Blick über die Schulter bestätigte ihm jedoch schließlich, dass das schlechte Gefühl, welches sich in seiner Magengegend manifestierte, Recht hatte. Nicht der schon wieder… was macht er überhaupt hier? Er trug nicht mehr den Trainingsanzug des FCs, sondern eine dunkle Jeans und ein grünes T-Shirt, während er sich wenige Schritte hinter Genzo einen der Bälle auf den Fuß legte. Durch die grellen Flutlichter wirkten seine blonden Haare beinah weiß, seine Augen schienen aus purem Eis zu bestehen, während er Genzo einfach nur mit einem hauchfeinen, süffisantem Zug um die Lippen musterte. Der junge Fußballkaiser, wie Herr Mikami ihn soeben noch betitelt hatte. Karl-Heinz Schneider. Kapitel 3: "Stell dich ins Tor!" -------------------------------- So dale... diesmal recht lang und ein bisschen mehr zu lesen, aber wir wollen ja schließlich auch mal vorwärts kommen mit den beiden^^Ich hoffe es gefällt und vielen Dank fürs Lesen und die lieben Rückmeldungen. ^^ Kapitel 3 "Stell dich ins Tor!" Die Sekunden sind gezählt, Hoffnungen übergroß! Ein fauchendes Zischen war zu vernehmen und der unangenehme Geruch verbrannten Leders rauschte an Genzo vorbei, als ihm der Windstoß des nur wenige Zentimeter an seinem Kopf vorbei geschossenen Balls das Käppi vom Kopf riss. Wirr fielen ihm einzelne, verschwitzte Strähnen in das schlagartig leichenblasse Gesicht. Da war es wieder. Dieses Gefühl. Das Gefühl absoluter Unfähigkeit, am Rande einer vollkommenen Paralyse. Genzo war sich ganz sicher einen Phantomball gesehen zu haben. Ewas, das gar nicht existierte. Und doch… sich wild um die eigene Achse drehend, riss und zerrte der Ball am Netz - der einzige Beweis dafür, dass Karl-Heinz Schneider tatsächlich geschossen hatte. Bewegungs- und ausdruckslos stand der Topspieler des FC Grünwald dort vor ihm, als wäre nie etwas geschehen, als hätte Genzo sich diesen teuflischen Schuss nur eingebildet. Der blanke Wahnsinn! "Immer noch so erschrocken?", fragte der Schütze mit gespielter Verwunderung in der Stimme, während er langsamen Schrittes auf Genzo zukam und sich nach dessen Käppi beugte. "So langsam solltest du meinen Schuss doch kennen." Der Hauch eines Lächelns umspielte die Lippen des Kaisers, als er Genzo sein Käppi auffordernd entgegenhielt, was dieser jedoch vollkommen ignorierte. Noch immer drehten sich all seine Gedanken nur um diesen gottverdammten Schuss. Ich fasse es nicht… ich fasse es einfach nicht… ich konnte mich noch nicht einmal rühren, da war dieses verdammte Ding schon im Kasten… Erst ein leichter Druck auf seinem Kopf ließ ihn aufschrecken und erschrocken zusammenfahren, als Schneider ihm seine Kappe unbeholfen zurück auf die rabenschwarzen Haare setzte. Zufrieden besah er sich das schiefe Gebilde auf Genzos Kopf aus einem Meter Entfernung – mit einem Zug um die Mundwinkel, der Genzo absolut nicht gefallen wollte... "Wenn ich dir auch noch beim Anziehen deiner Jacke helfen soll, sag Bescheid." Das Grinsen war breiter geworden und - so kam es Genzo zumindest vor - schien es wieder einmal verdammt herablassend zu sein. Doch um genauer zu sein, wirkte sein Gegenüber wie eine seltsam ferne, unwirkliche Wesenheit, so wie er dort im grellen Licht der Strahler stand und mit entrücktem Ausdruck das Tor fixierte, als wolle er abschätzen wie hart er wohl schiessen müsste, um es zu treffen. Es hatte etwas Unheimliches an sich. "Nein danke, nicht nötig“, giftete Genzo gereizt, nun da er endlich seine Stimme wieder gefunden hatte, welche sich bis dato verschüchtert im hintersten Winkel seines Rachens versteckt gehalten hatte. "Das schaffe ich gerade noch alleine, aber ich werde mir dein Angebot merken." Wenn er nicht das leichte Zucken der Mundwinkel gesehen hätte, hätte Genzo geschworen, dass ihm sein Gegenüber gar nicht zugehört hatte. "Stell dich ins Tor." "Bitte was?" Überrascht starre Genzo zu Schneider herüber, dessen Blick noch immer ausdruckslos auf den Torlatten ruhte, so als würde er gar nicht wahrnehmen, dass sich außer ihm noch jemand auf dem Platz befand. "Ich sagte, du sollst dich ins Tor stellen. Das von heute Morgen und gerade eben soll doch kein Dauerzustand werden, oder?" Ohne eine Antwort abzuwarten, warf Schneider seinem Gegenüber nur einen undeutbaren Blick zu, während er zurück zur Elfmetermarke ging. Unterwegs kickte er einen Ball hoch, den er sich sogleich locker unter den Arm klemmte, nur um ihn anschließend an seinem Ziel angekommen haargenau zu positionieren. "Was ist jetzt?" Abwartend stemmte der blonde Stürmer die Hände in die schmalen Hüften, während er herausfordernd in die Richtung des jungen Japaners blickte, welcher noch immer nicht im Stande war sich vom Fleck zu rühren. Erst das laute Knallen des Balles gegen die Torlatte brachte ihn zurück in die Realität. Er und Karl-Heinz Schneider, mitten in der Nacht bei einem Duell auf dem Fußballfeld. "Na, jetzt endlich wach?", schrie es Schneider, als er zufrieden sah, wie Wakabayashi zurück in den Kasten hechtet und ihn in just dem Moment erreichte, da er hochsprang, um einen Fallrückzieher zu vollführen. Mit einer Kraft, die Wakabayashi nie für möglich gehalten hätte, zog Schneider ab. * "Lass uns aufhören, ich kann nicht mehr!" Vollkommen erschöpft und schwer atmend ließ sich Genzo der Länge nach hinterrücks auf den Boden fallen. Er spürte sein Herz laut und hart gegen seinen Brustkorb schlagen, sodass ihm die Rippen schmerzten. In seinem Kopf pulsierte es, während ihm das adrenalinversetze Blut noch immer in Sturzbächen durch die Ohren sauste. Er hatte ein jedwedes Gefühl für die Zeit verloren, während er es sich auf dem Rasen gemütlich machte und alle Viere von sich streckte. Er konnte schon seit geraumer Zeit nicht mehr sagen, wie lange er und Schneider auf dem Fußballplatz trainiert hatten. Es mussten Stunden gewesen sein, in denen ihm ein Ball nach dem nächsten um die Ohren geflogen war, als wären es Kanonenschüsse gewesen. Harte, zielgenaue Kanonenschüsse. Und wie wirkliche Kanonenkugeln waren sie allesamt absolut unhaltbar für ihn gewesen. Doch seltsam genug, obwohl ihm jeder Muskel einzeln wehtat - sogar Muskelpartien, von denen er noch nicht einmal geahnt hatte, dass er sie überhaupt besaß - fühlte er sich seltsam zufrieden. Erschöpft, ausgelaugt und dem Tode definitiv näher, als dem Leben, aber durchaus erfüllt und zufrieden. Und zu seiner eigenen Schande musste sich Genzo eingestehen, den Kaiser im Vorfeld vollkommen falsch eingeschätzt zu haben. Er war gut. Wirklich gut und dessen war sich der Stürmer auch vollends bewusst. Aber diese kühle Art, welche er an den Tag legte war keine Arroganz, wie Genzo es noch vor wenigen Stunden steif und fest behauptet hätte. Es schien viel mehr Schneiders Strategie zu sein, anderen Menschen etwas beibringen zu wollen. Eine nicht gerade elegante und durchaus brachiale Methode, aber offensichtlich die Einzige, die der blonde Spieler für richtig hielt, ihm beizubringen seinen Feuerschuss zu halten. Learning by doing, schoss es Genzo durch den Kopf und er musste leise lächeln, während er in die Nacht hineinlauschte. Ein lauer Wind wehte über das Feld und zerzauste sein schweißnasses Haar, kühlte angenehm seine glühenden Wangen. Er konnte in der Ferne das schwache Rauschen der Hauptstraße vernehmen, dann und wann das leise Zirpen der Grillen und das beständige, monotone Surren der Flutlichtsrahler. Ein Rascheln ganz in seiner Nähe ließ ihn schließlich die Augen einen Spalt breit öffnen, gerade weit genug, um zu sehen, wie sich Schneider seine Trainingsjacke anzog und sich neben ihm auf dem Boden niederließ. "Wenn du magst, kann ich hier jeden Abend mit dir trainieren", bot Schneider an, während er sich ebenfalls der Länge nach auf dem Rasen aussteckte und die Hände hinter dem blonden Haarschopf verschränkte. Vollkommen verdattert von diesem unerwarteten Angebot, brachte Genzo im ersten Augenblick keinen Ton heraus. "Meinst… meinst du das erst?" Der verschaukelt mich doch gerade nach Strich und Faden… Doch ein genauerer Blick in das Gesicht des Stürmers bedeutete ihm, dass dieser es durchaus nicht im Scherz gemeint hatte. Entschlossen sah er auf in die braunen Augen des Japaners, ehe er mit fester Stimme ansetzte: "Natürlich meine ich das ernst. Ich sage so etwas nicht im Spaß." "Aber…", händeringend suchte Genzo nach Worten, doch schienen sie ihm allesamt zu entgleiten. "Du… du wirst doch mit dem eigentlichen Training schon genug zu tun haben…", er schluckte schwer etwas hinunter, das sich ganz entschieden nach Stahlwolle anfühlte, ehe er etwas leiser hinzufügte: "Du bist schließlich nicht derjenige, der ein Zusatztraining benötigt." Das unbeholfene Gestotter des Torhüters rang Schneider ein erheitertes Lächeln ab. "So ein bisschen Fleißarbeit kann nie schaden", murmelte er abwesend, wie er so da lag und die Sterne hoch über ihnen beobachtete. "Aber deine Freunde…", fuhr Genzo energisch fort und klang dabei wesentlich barscher, als er es eigentlich beabsichtig hatte. Das absolut Letzte, was er wollte, war undankbar zu klingen, denn das war er ganz und gar nicht. Wenn er das Angebot Schneiders annehmen würde, wüsste er nicht wohin mit seiner Dankbarkeit, so tief würde er in der Schuld des Deutschen stehen. Er wusste selbst nicht genau warum, aber irgendetwas in ihm sträubte sich ganz gewaltig dagegen mit Schneider zu trainieren. Nicht, weil er es nicht gebraucht hätte, oder er sich für zu gut hielt… auch an Schneider selbst lag es nicht. Aber allein die Tatsache, dass dieser Fußballteufel seine eh schon knapp bemessene Freizeit allen Ernstes damit verbringen wollte, ausgerechnet ihm zu helfen, in diesem Land nicht vollkommen unterzugehen, stellte dem Keeper sämtliche Nackenhaare auf. "Was ist mit deinen Freunden und deiner Familie? Was werden sie dazu sagen, wenn du nun auch noch jeden Abend unterwegs bist? Du hast doch sicherlich schon jetzt kaum Zeit für sie." "Da mach dir mal keine Sorge." Die Antwort erfolgte abgehackt und unterkühlt. Überrascht beobachtete Genzo von der Seite her die Reaktion des Deutschen. Er konnte es sich selbst nicht recht erklären und war sich fast schon sicher, es sich nur eingebildet zu haben, aber bei dem Wort "Familie" schien sich der schlanke Körper seines Kapitäns urplötzlich sichtlich anzuspannen, regelrecht zu verkrampfen. Über das bis dahin so entspannte Gesicht war ein dunkler Schatten geschlichen. Nur für den Bruchteil von Sekunden, in denen sich die hellen Augenbrauen ebenfalls skeptisch zusammengezogen hatten. "Lass das nur mein Problem sein, das ist etwas, womit ich zurechtkomme", gab Schneider letztlich so lapidar, wie eben möglich klingend zurück und hoffte inständig, dass seine Antwort dem jungen Keeper genügen würde. Er wollte dieses Thema um keinen Preis weiter vertiefen. Um Gotteswillen nicht. Es hatte seinen Grund, dass er an diesem Abend zurück zum Trainingsplatz gekommen war, um sich abzulenken und abzureagieren. Er hatte es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten, das war es. Heute war es besonders schlimm gewesen und Karl bezweifelte, dass sein Vater in dieser Nacht noch einmal nach Hause zurückkehren würde… "Glaub mir", fuhr er daher mit belegter Stimme fort, die Bilder seiner sich lautstark streitenden Eltern und der in einer Ecke des Zimmers zusammengekauerten, leise weinenden Marie noch immer lebhaft vor Augen, "es ist in Ordnung so, wie es ist. Im Moment ist der einzige Ort, an dem ich sein möchte das Fußballfeld… schließlich bin ich doch auch jetzt hier, oder?" Schneider wandte seinen Blick von den Sternen ab und drehte sein Gesicht in Genzos Richtung, sodass er diesen nun einfach nur stumm aus tiefblauen Augen heraus ansehen konnte. Ein durchdringender, forschender Blick, jedoch nicht unangenehm, wie Genzo fand. Und es war das erste Mal, dass ihm diese eigenartige Farbe auffiel, die die Augen seines neuen Teamkapitäns aufwiesen. Unglaublich blau… Eine seltsame Mischung aus hellem Blau und einem Hauch von Grau, welche Genzo vage an den Himmel eines Regentages erinnerte. Er konnte sich nicht entsinnen jemals eine solche Augenfarbe gesehen zu haben. Vielleicht erstaunte sie ihn auch nur so, da in Japan die vorherrschende Farbe Braun war, aber dennoch konnte er einfach nicht anders, als sie wie gebannt zu fixieren. "Was hast du?", ließ ihn Schneiders verwunderte Stimme aus seiner Musterung hochfahren. "Nichts, nichts..." Peinlich berührt wandte Genzo den Blick ab und versuchte sich stattdessen auf die hell leuchtenden Sterne über seinem Kopf zu konzentrieren, auch wenn ihm dies nicht recht gelingen mochte. Sie waren einfach nur weiß. Weiß und kalt, nicht blau. Wunderbar Genzo… jetzt denkt er du bist vollkommen übergeschnappt, wenn du ihn über Minuten hinweg einfach nur anstarrst… wunderbar. Gratuliere! Versau es dir mit dem einzigen Menschen, der dir hier freundlich gesinnt zu sein scheint... "Denkst du an zu Hause?" Überrascht über diese Frage hob Genzo den Kopf ein Stück an, ehe er sich letztlich aufrichtete und seinen Oberkörper auf seine Unterarme stützte, den Blick derweil noch immer stumm auf die toten Lichter über ihnen gerichtet, um ja nicht in Versuchung zu kommen, Karl-Heinz wieder unverwandt anzustarren. Er überlegte einen kurzen Moment, ehe er schließlich matt nickte. Wenn ihm eine solche Ausrede schon auf dem Silbertablett präsentiert wurde, wäre es einfach nur fürchterlich dumm sie auszuschlagen. "Ja, ich denke oft an zuhause", gestand er leise seufzend und das war noch nicht einmal gelogen. Wie auf Knopfdruck brandeten all die Erinnerungen und Erlebnisse mit seinen Freunden zurück in seinen Geist, ließen ihn leicht frösteln. All die traurigen Gesichter, wie sie sich von ihm verabschiedeten, nachdem sie vollkommen fassungslos von seinem Plan nach Deutschland zu gehen erfahren hatten, zogen eines nach dem anderen vor seinem inneren Auge vorbei. Und er fühlte sich in diesem Moment einfach nur verdammt mies und egoistisch. Hatte er sie im Stich gelassen? Leise und unbemerkt von dem gänzlich in seinen Gedanken vertieften Wakabayashi, richtete sich auch Karl-Heinz auf. Er schlang die Arme wärmend um seine Knie, presste sie enger an seinen Körper, während er den neusten Teamzuwachs stumm von der Seite her beobachtete. Da hatte er ja ganz schön was angerichtet… Natürlich vermisst er seine Freunde und seine Familie, du Idiot!, schalt er sich in Gedanken selbst und biss sich hart auf die Unterlippe, nicht recht wissend, ob er etwas sagen, oder doch besser schweigen sollte. Streu noch Salz in die klaffende Wunde, sehr geschickt! Nicht jeder kommt aus so einem kaputten Elternhaus, wie du eines hast… und dann ist er auch noch zehntausende Kilometer von seinem Zuhause entfernt, in einem vollkommen fremden Land. Wie würdest du dich da fühlen, Karl? Noch immer schweigend und sich innerlich verfluchend, fuhr Schneider mit seiner Taxierung des so unendlich traurig und verloren wirkenden Japaners fort. Der Junge war gut. Zwar bei weitem noch nicht gut genug, um in seiner Liga zu spielen, aber mit dem richtigen Training konnte er einer von den ganz Großen werden. Und deswegen ist er auch nach Deutschland gekommen und hat dafür alles andere zurückgelassen, schoss es Karl-Heinz durch den Kopf, während er langsam seine leicht zitternde Hand ausstreckte. Ob sie vor Kälte, oder Nervosität bebte, konnte er nicht sagen. Um seinen Traum zu verwirklichen… Sanft, fast schon scheu und ohne jeglichen Druck legte Schneider seine Hand auf Genzos Schulter, was diesen dazu veranlasste überrascht seinen Blick von den Lichtpunkten loszueisen. Verwunderte braune Augen blickten Schneider verständnislos an. "Du schaffst das." Schneider lächelte. "Ich weiß es einfach." Die Antwort war ein kurzes, kaum wahrnehmbares Nicken, doch sprach die Erleichterung auf Genzos Gesichtszügen Bände. "Danke, Schneider." Kapitel 4: "Und... was machen wir mit dem?" ------------------------------------------- Huhu... vielen, vielen Dank für die lieben Kommentare, das freut das Autorenherz. ^.^ Merkt man, dass ich Kaltz einfach nur genial finde? Der Typ ist klasse *Fähnchen schwenk* ^.^ Kapitel 4 "Und... was machen wir mit dem?" Es wird Zeit, dass sich was dreht, was dreht, was dreht "Was zur Hölle ist denn mit dir passiert? Hast du die letzte Nacht durchgemacht, oder wurdest du einfach nur von einem Lastwagen überrollt? Du siehst ja aus, wie das schreiende Elend", stellt Kaltz pragmatisch fest, während er sich locker gegen das Waschbecken lehnte, in dem ein blonder Haarschopf gerade dabei war, sich selbst zu ertränken. Abwartend die Arme vor der breiten Brust verschränkend, wartete er darauf, dass sein Teamkapitän wieder auftauchte. "War einfach nicht mein Tag gestern", kam es kurz darauf aus den Tiefen der Keramik gestöhnt, ehe sich Schneider halbherzig das Wasser aus dem Gesicht wischte und einen verstohlenen Blick in den Spiegel warf. Vom Lastwagen überrollt ist ja noch optimistisch ausgedrückt… Die müde Gestalt, die ihn aus dem Spiegel heraus anstierte, sah wirklich mitleiderregend erledigt aus. Resigniert besah er sich die dunkelvioletten Ringe unter den viel zu tief in ihren Höhlen liegenden Augen, ehe er schließlich entschlossen den Blick abwandte. "Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen", gestand er und schnappte sich seine Trainingstasche. "Wieso das?", grunzte Kaltz, sich nachdenklich am Kopf kratzend. "Belagern die Groupies jetzt schon dein Haus und betreiben Telefonterror, oder was ist los?" "Das Spiel am Samstag liegt mir wahrscheinlich einfach etwas quer im Magen“, fuhr der Angesprochene nur desinteressiert mit den Schultern ruckend fort, was ihm ein ungläubiges Zischen seines Freundes einbrachte. "Tss… als wenn du dir jemals wegen eines Spieles solche Sorgen gemacht hättest, dass dein Schönheitsschlaf darunter leiden musste. Schön und gut, Bundesligaendspiel und das gegen Rothburg… aber die Flaschen haben wir doch schon in der Hinrunde vom Platz gefegt“, er vollführte eine abwehrende Handbewegung, als müsse er eine lästige Fliege von seiner Nase vertreiben, während er langsamen Schrittes neben Schneider aus dem Waschraum hinaus in das unwirkliche, blassblaue Licht eines noch sehr jungen Tages trat. Silbergraue Schlieren wabberten über den noch taunassen Rasen, während die Sonne nicht viel mehr war, als eine orange-rote Halbkugel, die träge über den fernen Horizont lugte. "Es wundert mich, dass die sich überhaupt bis ins Finale haben schleppen können, so wie die herumbolzen. Also erzähl mir nicht, dass du deswegen so aussiehst, als würdest du hier jeden Augenblick ein Döserchen auf dem Rasen veranstalten.“ Herausfordernd stemmte Kaltz die kräftigen Arme in die Hüften, den Zahnstocher in seinem linken Mundwinkel regelrecht malträtierend. Eine Antwort blieb ihm sein Kapitän jedoch schuldig. Schneider marschierte stoisch schweigend an Kaltz vorbei zur Bande, die durchaus berechtigen Einwände seines Freundes schlichtweg ignorierend. Was sollte er ihm denn sagen? Ach Hermann, weißt du, Mama und Papa sind sich gestern Abend mal wieder gegenseitig an die Gurgel gegangen und deswegen konnte ich nicht schlafen. Aber mach dir keine Sorgen, das machen sie ständig, ich kenn das schon… Eiskalte Finger umklammerten eisern das blanke Plastik der Spielfeldbande. Um Gotteswillen, bloß nicht. "Und was machen wir mit dem?", riss ihn Kaltz' schnarrende Stimme zurück aus den Erinnerungen an den vergangenen Abend und die darauffolgende Nacht. Wie er sich nach der Eskalation der gegenseitigen Vorwurfstiraden seiner Eltern einfach seine Jacke geschnappt hatte und aus dem Haus gestürmt war, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her gewesen. Der nicht enden wollende Weinkrampf seiner Mutter, als er um fünf Uhr in der Früh durchgefroren und mit klammen Kleidern zurück in die Wohnung geschlichen kam und das ausdruckslose, verquollene Gesicht der kleinen Marie, die er einfach nicht hatte trösten können. All das machte ihn wütend. So ungeheuer wütend. Aber in dieser gottverdammten Nacht hatte es immerhin einen kleinen Lichtschimmer für Karl gegeben. Eine Herausforderung. Eine Herausforderung mit so unsagbar durchdringenden Augen. Schneider erkannte ihn schon von Weitem. Und obwohl er nicht wesentlich mehr Schlaf bekommen haben durfte, als Schneider selbst, sah Genzo Wakabayashi aus wie das blühende Leben, wie er einem jeden Ball hinterherhechtete und mit einer Leichtigkeit fing, die definitiv ihres Gleichen suchte. "Sag mal, tapferes Schneiderlein, hörst du mir überhaupt zu?" Kaltz schnalzte mit der Zunge. Das missbilligende Zucken der blonden Augenbrauen amüsierte ihn auch noch nach Jahren ein jedes Mal. Er kannte ihn einfach zu gut. Wenn er Schneider mit seinem verhassten Spitznamen ansprach, war ihm dessen ungeteilte Aufmerksamkeit garantiert. Mit dem Daumen derweil in die Richtung des Keepers deutend, wiederholte Kaltz seine Frage, als ihn die verwundert dreinblickenden, blauen Augen des Stürmers verständnislos taxierten. "Ich sagte, was sollen wir mit ihm machen? Dem Japanbengel." Irritiert zog Karl die Schultern hoch, nicht recht wissend, auf was Hermann hinauswollte. "Junge, geh nach Hause und hau dich hin, du bekommst ja wirklich nichts mehr mit." Theatralisch hob Kaltz die Hände über den Kopf, als müsse er ein Stoßgebet gen Himmel schicken. "Na wegen des Spiels in zwei Tagen, das meine ich!" Bei diesen Worten stöhnte er, als habe er Schneider gerade zum mindestens zehnten Mal erklären müssen, dass man Fußball mit einem Ball und elf Spielern spielte. "Sollen wir den ins Tor stellen, oder es doch erst mal lieber dabei belassen? Ich meine Endspiel ist Endspiel. Flaschen hin, Flaschen her." "Er wird spielen." Entschlossen schwang sich Schneider über die Bande und ging federnden Schrittes auf den Teamzuwachs zu. "Bist du dir da sicher?", rief ihm Kaltz nur verwundert hinterher, indes verbissen darum bemüht, die weiße Zehn auf Schneiders Rücken mit Blicken zu töten. So richtig schlau geworden war er aus diesem blonden Fussballteufel ja noch nie, aber in diesem leicht benebelten, irgendwie entrückten Zustand, zweifelte Hermann doch stark an dessen Zurechnungsfähigkeit. Das Grölen seiner Teamkammeraden ließ ihn unweigerlich zusammenzucken. Ihm gingen gerade die Augen über. "Meine Güte, das gibt’s doch nicht..." Es war nicht viel mehr, als ein abwesendes Murmeln, das Hermann zustande brachte. Auf Schneiders müdes Gesicht hatte sich ein überlegenes Grinsen geschlichen. Wie aus dem Nichts hatte er auf das Tor des jungen Japaners geschossen und schon drehte sich der Ball mit dem altbekannten Spin im Netz. Aber das war es nicht, was Kaltz so verblüffte. Wakabayashi hatte sich bewegt. Kaltz konnte, nein er wollte es einfach nicht glauben. "Er... ist in die richtige Ecke gehechtet…" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)