Medicate von Mismar (Hijikata Toshizo x Okita Soji) ================================================================================ Kapitel 8: acht --------------- Seine Lunge hatte sich mit Blut gefüllt, er wollte husten, aber daran wurde er gewaltsam gehindert. Kichisaburo saß auf seiner Brust und presste seine Hände auf Sojis Mund. Er würde an seinem Blut ersticken! Anfänglich hatte sich der Shinsengumi gewehrt – Okita war sich sogar sicher, dass er ihm haushoch überlegen war -, aber nach nur wenigen Sekunden war sein Lebenswille gesunken. Warum die letzten Monate hinauszögern, wenn man diese nicht einmal bei den Menschen verbringen durfte, die man liebte? Obwohl er nicht an so einem erbärmlichen Tod sterben wollte… durch die Hand seines Doppelgängers. Amüsiert zückte der Killer mit einer schnellen Bewegung eine Wurfnadel, die bedrohlich im Mondlicht aufblitzte. „Vielleicht sollte ich dich am Leben lassen“, warf er nachdenklich ein, „und stattdessen zerschneide ich dir dein schönes Gesicht.“ Wie von einem, zur Besinnung bringenden Faustschlag getroffen, stieß Soji ihn mit aller Gewalt von sich runter. Töten war die eine Sache, aber er würde sich nicht von einer Kopie demütigen lassen! Er suchte sein Schwert auf und blockte rechtzeitig den, aus dem Hinterhalt kommenden Angriff ab. Das klirrende, ohrenbetäubende Geräusch von zwei aufeinander schlagenden Schwertern war zu hören. Soji wies nur die Hälfte seiner Kraft auf und dennoch war der Kampf nach wenigen Minuten entschieden: Kichisaburo war kein würdiger Gegner. Der Killer war zu Boden gegangen, hatte sich langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht aufgesetzt. Er hielt sich die blutende Brust. Die Wunde war weder tief noch lebensgefährlich, aber die Tatsache, eine auf Ewig sehende Narbe am Leib tragen zu müssen, entfachte Zorn in ihm. Kichisaburo stierte auf das Schwert, das Soji auf ihn gerichtet hatte. „Na los! Töte mich! Du kannst ja alles soviel besser!“ Auch wenn sein Leben keines war, das er anderen wünschte, so verlangte er nicht den Tod. Er wollte weiterleben, aber in Freiheit – zumindest das bisschen, was das Haus der Ewigen Nacht ihm gewährte – und nicht in einer Zelle, wo wollüstige, ungepflegte Männer ihre Gelüste an ihm auslassen würden. Dafür war er doch viel zu schön! Allein der Gedanke löste in ihm Übelkeit aus. „Nein, dann wäre ich kein Deut besser als du…“, sagte Soji leise. Sein Hals schmerzte, er sehnte sich nach Wasser, Tee, irgendwas Nasses zum Trinken. Er mochte nicht den metallischen Geschmack von Blut. „Der Aizu-Clan wird eine kleine, gemütliche Zelle für dich haben.“ Er brauchte ein Geständnis, der andere schien kein Mann zu sein, der aus Spaß ihn nachzuahmen versucht hatte. Nein, er wirkte regelrecht stolz auf sein Äußeres… jemand anders musste dahinterstecken und Soji konnte sich bereits denken, wer genau. Das Schwert zurücksteckend packte er ihn mit grober Gewalt am Arm. „Gut, lass uns gehen.“ Zufriedenheit. Erleichtert atmete er auf, damit würden sich die falschen Gerüchte endlich in Luft auflösen. Sie waren kaum zehn Schritte gegangen, da bemerkte Soji in der Ferne eine schemenhafte Person, die auf sie zugelaufen kam. Die Gangart erinnerte ihn an Hijikata. Ob er ihn suchte, weil der Samurai nichtssagend das Quartier verlassen hatte? Vielleicht war er sogar besorgt gewesen… zumindest wünschte es sich Soji vom ganzen Herzen und spürte kurzerhand einen Stich in der Brust. Sein Griff wurde lockerer, Kichisaburo konnte problemlos die Flucht ergreifen. Seine komplette Aufmerksamkeit war auf das dolchähnliche Messer gerichtet, das nur knapp sein Herz verfehlt hatte. Dennoch war die Wunde tief und würde ihm möglicherweise das Leben kosten. „Soji!“, hörte er die Stimme des Vizen rufen, schwach, unverständlich. Sein Bewusstsein verlor sich im Nichts, er ging orientierungslos in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und sagte stark nach Luft holend: „Toshizo…“ Und dann fiel er auch vornüber, direkt in die Arme des anderen. Verzweifelt fing er ihn auf, die Kleidung von Soji färbte sich rot. Ein kurzes Messer steckte in seinem Oberkörper, jede Minute könnte seine letzte sein. Er dachte nicht an Vorwürfe, an Gerüchte, an irgendwas. Wichtig war jetzt nur, dass ein Arzt ihm rechtzeitig helfen konnte. Er hatte ein Arzt mitten in der Nacht wecken müssen und obwohl dieser ihm wenig Hoffnung machte, schüchterte er ihn gut genug ein, damit er nicht nur um das Leben von Soji kämpfte, sondern auch um das eigene. Tausend Bilder schossen ihm durch den Kopf. Er zählte all die Feinde auf, die einen Grund gehabt hätten, ihn so zuzurichten. Selbst wenn er denjenigen am liebsten in die Hölle geschickt hätte, war jetzt Sojis Überleben viel wichtiger. Nachdem der Arzt sein Bestes gegeben und Okitas Oberkörper ordentlich verbunden hatte, nahm der Vize die Hand des Jüngeren in seine. Sie war so kalt. „Bitte stirb mir nicht weg…“, flehte er. „Nicht jetzt… nicht so.“ Aber die Worte erreichten ihn nicht, er lag wie ein Toter dort. Zum Glück war Matsumoto vor Ort. Damit war Hijikata nicht gezwungen, Okita bei dem fremden Arzt zu lassen – nicht, dass er ohne ihn weggegangen wäre, aber einen schwerverletzten Mann wie ihn konnte er unmöglich in ein arztloses Quartier schicken, selbst wenn Yamazaki Susumu in solche Aufgaben demnächst eingeweiht werden sollte. Sie erreichten das Lager und seufzend legte er Soji in sein Zimmer. Kondo und Okita Rintaro kamen dazu, ihre Gesichter zeigten Traurigkeit – obwohl er beim Zweiten eher glaubte, dass er nicht so genau wusste, wie er Sojis Verletzung seiner Frau erklären sollte. „Wie konnte das passieren?“, fragte Kondo verzweifelt. Er sah nicht zu ihnen, sein Blick war hauptsächlich auf Sojis Gesicht gerichtet. Er war so unnatürlich blass. „Ich weiß es nicht…“ Sie nahmen sich die Zeit, die Tatsache zu verarbeiten, aber in Rintaro machte sich eine Ungeduld breit – kein Wunder, er musste zurück, immerhin führte er in Edo eine Polizeieinheit namens Shinchogumi an. Er wandte sich an Kondo und merkte leise an: „Ich glaube, Soji ist hier in guten Händen. In diesem Zustand kann ich ihn unmöglich mitnehmen… aber, wenn Ihr bei Eurer Entscheidung bleibt, werde ich noch einige Tage auf seine Genesung warten.“ Der Kommandeur schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nötig. Wir werden ihn hier behalten, die Shinsengumi braucht ihn.“ Dieses Mal würde er sich von Hijikata nichts einreden lassen, selbst wenn dieser gute Gründe haben sollte. Sie verabschiedeten sich voneinander, Hijikata nahm davon keine Notiz, er schien regelrecht in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Er nahm neben diesem Platz, aber auch dies schien er nicht zu bemerken. „Wir werden ihn hier behalten, egal, was du sagst. Sannan hätte genauso entschieden.“ „Ja… er wird hier bleiben.“, sagte er wie in Trance. Er war besorgt, weil Soji bislang kein Zeichen von sich gegeben hatte. Aber die Anwesenheit von Kondo machte ihm Mut, auch wenn er dies nicht so offen zeigte. Es erinnerte Hijikata an alte Zeiten, einmal hatte Soji als junges Kind krank im Bett gelegen, sich kaum gerührt, aber Kondo und er waren nicht von seiner Seite gewichen. Seufzend lehnte er sich an den anderen. „Sobald Soji aufwacht, werde ich mit dem Rauchen aufhören.“, sagte Hijikata nach einiger Zeit. Ob er damit die trübe Stimmung heben wollte? Hijikata war ein Kettenraucher, seine Lunge litt bereits darunter. Vermutlich war er zum Arzt gerannt und hatte festgestellt, dass ihm das Atmen schwerfiel. Kondo lachte leise. „Das wird Soji sicherlich freuen.“ Erneutes Schweigen. Ein Jeder achtete auf Soji, aber dieser rührte sich nicht. Seufzend stellte Kondo ihm die Frage, die ihm bereits seit Stunden auf der Zunge lag. „Was hättest du gemacht, wenn man Soji nicht verletzt hätte?“ Seit sie hier waren, hatte er für keine Sekunde das Gesicht von Soji abgewendet. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er seinen langjährigen Freund. Darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht, aber vermutlich hätte er ihn tatsächlich weggeschickt – zumal es Rintaro gegenüber unhöfflich gewesen wäre, ihn hierher zu bestellen und grundlos wieder wegzuschicken. Er antwortete ehrlich: „Er wäre mit Rintaro gegangen…“ Kopfschüttelnd versuchte der Kommandeur seine lächerlichen Gedanken zu vertreiben. Für einen Augenblick hatte er sich gefragt, ob Soji das mit Absicht getan hatte – aber so etwas würde der Jüngere nicht machen. „Nun… jetzt ist er aber hier und bleibt auch hier.“ Hijikata nickte und stimmte ihm zu. Leicht lächelnd beobachtete er wieder den bewusstlosen Soji, der hoffentlich bald aus diesem furchtbaren Zustand erwachen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)