Medicate von Mismar (Hijikata Toshizo x Okita Soji) ================================================================================ Kapitel 4: vier --------------- Seine Einheit war gekränkt und gedemütigt bis in die Knochen. Heute schien Takeda besonders schlecht gelaunt zu sein. Sechs Stunden. Sechs ganze Stunden hatte sie es ausgehalten, er hatte sie alle zurechtgewiesen und Fehler aufgezählt, wo keine waren. Ja, die fünfte Einheit der Shinsengumi hasste ihren Anführer. „Schichtwechsel.“, merkte der großgewachsene Mann an, als wenn seine Männer jegliches Zeitgefühl verloren hätten. „Geht zurück, ich bleibe in der Stadt.“ Sein Blick fiel auf einen schönen, jungen Mann, jemand, den er bereits kannte. Nur dieser hatte von Takedas Anwesenheit noch keine Kenntnis genommen und bog in eine Seitengasse ein. Es war eine Abkürzung. Aber wenn er gewusst hätte, was aufgrund seiner, durch die Hektik angetriebene Entscheidung passieren würde, dann hätte er eine Verspätung in Kauf genommen. Schritte. Kaum hatte er sie gehört, wurde der junge Mann am Arm gepackt, herumgewirbelt und gegen die kalte Hauswand gedrückt. „So sehen wir uns endlich wieder.“, flüsterte Takeda ihm ins Ohr. „Lasst mich los!“ Ein barscher, respektloser Ton. Aber dieser überhebliche Mann hatte es nicht anders verdient. Dennoch verspürte er immense Angst, die ihn erzittern ließ. Er wiederholte seine Worte, dieses Mal flehend. „Vergiss es, du schuldest mir was. Hast du das etwa vergessen?“ „Ich denk nicht dran, Ihr macht mir keine Angst!“ Verzweifelt versuchte er sich aus seinem groben Griff zu befreien. Er schickte ein Stoßgebet in Richtung Himmel und stellte glücklich fest, dass jemand seinen Hilferuf vernommen hatte. Ein gutaussehender Mann trat an sie heran, das lange, natürliche Haar kokett nach hinten werfend. „Willst du dir nicht jemand in deinem Alter suchen?“, fragte er herausfordernd, fast, als würde er sich selbst anbieten wollen. Takeda verzog das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse. Das hatte ihm gerade noch gefehlt… der Truppenanführer der ersten Einheit war scheinbar in der Stimmung, ihm eine Predigt über angemessenes Verhalten zu geben. Schweigend löste er sich von dem Jungen. Er ignorierte das Verschwinden, seine Augen waren auf das schöne Gesicht von Okita gerichtet. „Spionierst du mir etwa nach?“ „Wer weiß.“ Kichernd kam er einen Schritt näher. „Und wenn es so wäre? Macht es dich etwa an?“ So nah wie jetzt hatte er noch nie vor Takeda gestanden. Vergnügt nestelte er am Hosenbund seines Hakama herum. „In gewisser Weise schon.“ Wie gebannt verfolgte er die Bewegung des anderen skeptisch. Versuchte da tatsächlich der Truppenanführer der ersten Einheit ihn zu verführen? Der musste schon am frühen Morgen betrunken sein. Takeda fand die Shinsengumi abstoßend, ekelhaft mit ihrer Schwert und Speer-Moral. Sie würde unterliegen, irgendwann. Doch jetzt bereitete es ihm sichtlich Vergnügen, Soji zu beobachten, wie er auf dem Boden kniete. Der Samurai lächelte süffisant. „Das trifft sich gut, mich ebenfalls.“ Bei einem Samurai, der sexuelle Erfahrungen nur mit Männern sammelte, hatte Kichisaburo wesentlich mehr erwartet. Er seufzte enttäuscht und klopfte sich den Dreck von der Kleidung ab. Schmunzelnd betrachtete er das zufriedene Gesicht seines Gegenübers. Kommentarlos würde er die Sache nicht einfach so stehen lassen können. „So langsam wundert es mich nicht, warum du dich hauptsächlich auf unerfahrene, junge Männer konzentrierst… bei deiner Ausdauer… streng dich beim nächsten Mal mehr an.“ Der Auftragsmörder lächelte arrogant und beobachtete mit Genuss, wie sich das Gesicht von Takeda zornesrot färbte. Er bot ihm keinerlei Gelegenheit, sich gegen diese Behauptung zu wehren. Schnell hatte er sich aus dem Staub gemacht, das würde die Wut des anderen nur anheizen. Der Truppenanführer ballte die Hände zu Fäusten. Beinahe hätte er die Beherrschung verloren und ihm ins Gesicht geschlagen. Dafür sollte er bluten! Nicht wortwörtlich, aber er würde ihn ebenfalls demütigen, aber vor der gesamten Mannschaft, vor Kondo und besonders vor Hijikata. Zumal er dafür nicht einmal lügen musste… Tatsunosuke machte sich viel zu viele Gedanken. Aber wieso musste sich sein jüngerer Bruder auch mit einem Truppenanführer streiten? Wenn er sich doch wenigstens bei ihm entschuldigt hätte! Seufzend und in Erinnerungen schwelgend malte er auf einem Notizblatt einen Revolver, weil er ständig an das Treffen mit Sakamoto Ryoma zurückdachte. Er konnte sich einfach nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Das Leben als Buchhalter war besonders dann anstrengend, wenn sich der eigene Bruder ständig in Gefahr begab und man in seinen Fähigkeiten eingeschränkt war, um diesem notfalls aus der Klemme zu helfen. Der Braunschopf bemerkte nicht, wie die Tür aufglitt, ein großgewachsener Mann den Raum betrat und unauffällig über seine Schulter, auf das Gemalte, blickte. „Du interessierst dich für Schusswaffen?“, fragte Takeda amüsiert, weil sie sich in dieser Hinsicht ähneln würden. Tatsunosuke fuhr erschrocken herum, ihm wäre beinahe das Herz stehen geblieben. „Takeda-san!“ Bei diesem Mann wollte er sich entschuldigen, aber erstmal musste er sich von seinem Schreck erholen. Schwer atmend griff er sich an die Brust. „Verzeiht, ich habe Euch nicht gehört.“ „Nein, ich hätte anklopfen sollen.“ Ein falsches Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich muss mit dir sprechen, es geht um deinen Bruder.“ Der Braunschopf richtete sich wütend auf. „Was hat er jetzt schon wieder angestellt?! Wie oft muss ich ihm noch sagen, dass er sich zu benehmen hat?!“ Es war immer die gleiche Leier: Überall, wo es Ärger gab, war Tetsunosuke nicht weit. Takeda rollte mit den Augen, dieser junge Mann machte sich ständig und grundlos Sorgen. Früher oder später würde sein Bruder ihn noch ins Grab bringen, dafür legte er sogar die Hand ins Feuer. „Nein, nein. Er hat nichts gemacht. Im Gegenteil: Ich will mich bei ihm entschuldigen. Scheinbar hat er mich vorhin missverstanden...“ Der Buchhalter legte den Kopf schief. Dieser Gefühlswechsel bei Takeda war ihm fremd, er hatte von diesem Mann nichts Gutes gehört, besonders das Gerücht über seine Homosexualität zog seine Kreise. „Aber ich finde ihn nicht. Kannst du das für mich übernehmen? Okita und ich haben uns bereits versöhnt, auf eine recht angenehme Weise, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er sprach das Letzte so anzüglich und zweideutig aus, dass niemand das falsch deuten konnte. Niemand, außer Tatsunosuke, der ein merkwürdiges, wenn nicht sogar asexuelles Verhalten zum Thema Liebe an den Tag legte. „Gut, ich werde es ihm ausrichten.“ Er lächelte knapp und fühlte einen gewissen Ansporn. Wortlos wandte sich der Truppenführer von ihm ab und musste ein Lächeln unterdrücken, als er den entsetzten Hijikata in der Tür stehen sah. Er hatte es also gehört, so war es zwar nicht geplant gewesen, aber diese Wendung schien vielversprechend lustig zu werden. Takeda verbeugte sich zur Begrüßung. „Hijikata-san.“, sagte er recht freundlich und ging an ihm vorbei. Diese zweideutige Bemerkung machte ihn rasend. Hätte er Takedas Aussage ein wenig früher verarbeitet, dann hätte er den Truppenanführer vor Tatsunosukes Augen verprügelt. So eine unverschämte Lüge sollte nicht unbestraft bleiben! Anderseits… warum sollte Takeda lügen? Er hatte nie etwas grundlos getan, besonders dann nicht, wenn er sich damit in eine sehr ungünstige, gar tödliche Lage brachte. „Hijikata-san!“ Tatsunosuke wedelte mit einem Stück Papier herum. „Ich habe die Rechnung an das Yamatoya-Stoffgeschäft fertig gestellt.“ Der Vize blickte ihn an. Verständnislos. Ehrlich gesagt war er mit seinen Gedanken ganz woanders. Egal was er gesagt hatte, er wollte sein Gefühlsleben nicht offen darlegen, nicht einmal vor Ichimura, auch wenn dieser schweigen konnte wie ein Grab – obwohl es vielmehr eine Vorsichtsmaßnahme war, nichts Falsches zu sagen. „Ist gut, danke.“ Er fasste sich an den Kopf, er musste mit Soji sprechen. Dieses Unwissen trieb ihn regelrecht in den Wahnsinn. Toshizo ging schnellen Schrittes aus dem Zimmer. Die Suche quälte ihn, warum war er ihm gegenüber so misstrauisch? Nein, er vertraute ihm. Er wollte nur aus seinem Mund hören, dass zwischen Takeda und ihm nichts geschehen war – und dann würde er diesen verlogenen Mann einen Kopf kürzer machen. Nachdem er einige Orte überprüft hatte, atmete er erleichtert auf, als er das vertraute Lachen aus einiger Entfernung hörte. Unbewusst beschleunigte er seine Schritte. Er sah seinen verhassten Feind, ausgerechnet neben Soji! „Ah, Hijikata-san.“, flötete Ito amüsiert. Okita wirbelte bei dieser Feststellung herum und lächelte breit. „Hijikata-san! Habt Ihr mich etwa vermisst?“ Aber sein fröhlich schauendes Gesicht nahm einen fragenden Zug an, als sich Hijikata stillschweigend abwandte und in die Richtung eilte, aus der er gekommen war. „Hijikata-san?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)