Kontakt von Niekas ================================================================================ Kapitel 28: I really fucked it up this time, didn't I, my dear? --------------------------------------------------------------- „Er ist es nicht“, murmelte Feliks. „Was?“ „Er ist es einfach nicht.“ Verständnislos sah Ivan ihn an. Feliks saß auf der Kante seines Bettes, in das sie Toris gelegt hatten, und hielt dessen kleine Hand in seiner eigenen. Toris hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. „Er kann ja seine Wiedergeburt sein, so viel er will“, sagte Feliks entschieden, „aber wenn er sich nicht erinnert, ist er nicht Liet. So einfach ist das.“ „Was hast du denn plötzlich?“, fragte Ivan ratlos. „Du warst doch so wild darauf, Toris zu befreien, obwohl du wusstest, wie es um seine Erinnerungen steht. Wieso freust du dich nicht? Er ist wieder bei uns, und ihm wurde kein Haar gekrümmt.“ „Nein“, bestätigte Feliks, schnaubte und ließ die Hand los. „Du hast gut auf ihn aufgepasst, wie's aussieht.“ „So sieht es aus.“ „Ich nehme an, er hatte keine Angst vor dir?“ Ivan betrachtete Toris' entspanntes Gesicht. „Er wusste seine Angst schon immer gut zu verbergen“, wich er aus, um Feliks nicht zustimmen zu müssen. Feliks nickte grimmig. „Großartig. Ganz toll.“ „Was ist ganz toll?“ Anstatt zu antworten, hob Feliks den Kopf und warf Ivan einen Blick zu, der mehr sagte als Worte. Im Grunde wusste Ivan ohnehin, was los war. Es war nicht gerecht. Es war, als hätten Feliks und er jahrelang ein Spiel gegeneinander gespielt, und beim Übergang in die zweite Runde hatte der Schiedsrichter, der Toris war, plötzlich alle Punkte auf Null zurückgesetzt – obwohl Feliks weitaus besser gespielt hatte als er. Er musste sich ja betrogen vorkommen. „Vielleicht sollten wir gehen und Toris schlafen lassen“, schlug Ivan vorsichtig vor. „Das ist nicht Toris“, murmelte Feliks und rutschte vom Bett, ohne das Kind aus den Augen zu lassen. Seine Stimme wurde schrill. „Das ist nicht Toris! Was, wenn er nie wieder Toris sein wird?“ „Er wird sich erinnern“, sagte Ivan, fasste sich ein Herz und griff nach Feliks' Schulter. „Es wird bestimmt alles gut, wenn wir Geduld haben. Vielleicht sollten wir... etwas trinken gehen, Feliks, hmm?“ „Keinen Durst.“ „Aber wir können nichts für Toris tun, Feliks. Wir sollten ihm einfach die Zeit lassen, die er braucht. Das ist sicher das Nützlichste, was wir tun können.“ Einen Moment lang betrachtete Feliks das Kind noch mit verengten Augen, dann gab er sich einen Ruck und streifte Ivans Hand ab. „Also gut“, sagte er und atmete tief durch. „Gehen wir was trinken.“ Erleichtert, wie er war, war Ivan begierig, den Raum schnell zu verlassen. Weder er noch Feliks bemerkten die Träne, die aus Toris' geschlossenem Auge drang und seitlich an seinem Gesicht herunter lief. „Seid ihr verrückt? Ich hatte gesagt, ich will keine Verletzten!“ „Wir haben getan, was wir konnten“, erklärte der Mann am anderen Ende der Leitung trocken. „Wir haben die Wachen verringert und die beiden Gefangenen in einem wenig gesicherten Teil des Gebäudes untergebracht.“ „Und trotzdem wurde geschossen!“ „Wir sollten es doch aussehen lassen, als hätte uns etwas daran gelegen, die Befreiung zu verhindern, nicht wahr? Wir konnten ja wohl schlecht mit Platzpatronen schießen.“ „Aber...“, begann der Mann am Telefon, rieb sich dann die Schläfen und riss sich zusammen. „Also gut. Wo habt ihr die Verletzten untergebracht?“ Ein kurzes Zögern folgte. „Es war eine einfach formulierte Frage, oder? Wo sind...“ „Der Gefangene ist nicht verletzt.“ „Aber der zweite, der bei ihm war? Einer von den Befreiern, der ihm sehr ähnlich sieht? Ich habe von den anderen gehört, auf sie sei geschossen worden.“ „Der zweite ist getroffen worden und seinen Verletzungen an Ort und Stelle erlegen.“ Es dauerte einen Moment, bis der Mann am Telefon sich wieder rühren konnte. „Wie... er ist...“ „Er ist tot“, bestätigte der zweite Mann und schwieg kurz. „Wir konnten nichts mehr für ihn tun.“ Fassungslos ließ der erste den Hörer sinken. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht... Hinter ihm erklang ein leises Klopfen. Ohne eine Verabschiedung legte der Mann den Hörer auf und straffte sich. „Angleterre?“, fragte Francis und klopfte noch einmal gegen den Türrahmen. Langsam drehte Arthur sich zu ihm um. „Francis. Was gibt es?“ Francis betrachtete ihn auf eine Art, bei der es Arthur kalt den Rücken hinunter lief. Er sagte nichts. „Ich habe mit meinen Leuten telefoniert“, erklärte Arthur knapp. „Und ich fürchte, ich habe allen etwas zu berichten.“ „Das fürchte ich auch“, sagte Francis und betrachtete ihn. „Willst du mir vielleicht irgendetwas sagen, Angleterre?“ „Dir?“, wiederholte Arthur nervös und lachte auf. „Was sollte ich dir schon sagen wollen?“ Trotz allem, was sein Instinkt ihm sagte, ignorierte er Francis' ernsten Blick und ging an ihm vorbei zur Tür. Bis auf Feliks und Ivan, die noch mit Toris beschäftigt sein mussten, waren alle da. Die Stimmung war gedrückt. Ludwig hockte in einer hinteren Ecke, sah niemanden an und wirkte, als sei er in Gedanken überhaupt nicht anwesend. Antonio saß auf der Armlehne eines Sofas und rutschte nervös darauf herum. Er sah sofort auf, als Arthur herein kam. „Arthur! Hast du etwas herausgefunden?“ Arthur konnte seinen hoffnungsvollen Blick nicht ertragen und zwang sich, statt ihm Alfred anzusehen. „Ja“, sagte er knapp. „Aber ich fürchte, es sind nicht... nicht nur gute Nachrichten.“ „Was ist passiert?“, fragte Gilbert ernst. Francis betrat schweigend den Raum, setzte sich neben ihn und ließ Arthur nicht aus den Augen. Arthur beschloss, Francis genauso wenig anzusehen wie Antonio. „Soweit mich meine Männer informiert haben, geht es Feliciano gut. Er ist zwar noch immer ein Gefangener, aber unverletzt.“ Er sah, wie Ludwig den Kopf hob, mit einer Mischung aus Angst und Erleichterung auf dem Gesicht. Roderich nahm wortlos seine Brille ab, hielt sie auf dem Schoß vor sich und blinzelte kurzsichtig. „Und Romano?“, fragte Antonio. „Was ist mit Romano?“ Arthur senkte den Kopf und räusperte sich. Wie sollte er es sagen? „Er ist tot.“ Die Stille war beinahe unerträglich. Arthur sah niemanden an. „Tot?“, flüsterte Antonio ungläubig. „Als ob!“, sagte Gilbert wütend und schlug auf die Sofalehne. „Unkraut vergeht nicht! Als ob ausgerechnet Romano...“ „Es tut mir Leid“, murmelte Arthur. „Ja“, meldete sich Francis, der noch immer neben Antonio saß und Arthur reglos betrachtete. „Das sollte es wahrscheinlich.“ „Was meinst du damit?“, fragte Arthur etwas zu schnell. „Genau“, sagte Alfred verwirrt. „Was soll das heißen?“ Langsam stand Francis auf, gefolgt von den Blicken der meisten anderen. „Ich weiß nicht, wie es euch geht“, sagte er langsam. „Aber ich frage mich seit geraumer Zeit, wie Arthur so gut über alles Bescheid wissen kann, was unsere Feinde vorhaben.“ „Ich habe Spione!“, fauchte Arthur und spürte, wie er rot wurde. „Ich bin gut in sowas!“ „Wirklich, Francis“, sagte Roderich aus dem Hintergrund ungehalten und setzte seine Brille wieder auf. „Wir wissen, dass du Arthur nicht ausstehen kannst. Das ist wirklich kein Grund für so haltlose Anschuldigungen.“ „Haltlos?“, wiederholte Francis, dem, wie Arthur plötzlich bemerkte, die Hände zitterten. „Ich wünschte, sie wären haltlos, Roderich. Ich habe so lange den Mund gehalten, weil ich gehofft habe, es wäre nicht nötig, euch alle damit zu konfrontieren. Ich habe dir angeboten, unter vier Augen darüber zu sprechen, Angleterre. Aber du wolltest nicht.“ Francis sah ihn an, und auf seinem Gesicht lag Enttäuschung. Es machte Arthur Angst. „Da du also nicht allein mit mir reden möchtest, müssen wir es vor allen anderen tun. Ich frage dich: Hast du irgendetwas mit diesen Entführern zu schaffen?“ Er spürte sämtliche Blicke auf sich. In Antonios Augen standen Tränen. „Bitte, Angleterre“, sagte Francis leise. „Tu uns allen den Gefallen und mach dieser Farce ein Ende.“ Arthur holte tief Luft und fing Alfreds Blick auf. Er wollte es noch nicht glauben, dachte er. Sein ehemaliger Bruder wollte nicht glauben, dass Arthur fähig war, so etwas zu inszenieren. Eine Entführung zu konstruieren, eine Bedrohung, gegen die sie alle kämpfen mussten. Wozu sollte er so etwas denn auch tun? In Alfreds Blick lag Ungläubigkeit, aber gleichzeitig ein seltsamer Trotz. Er würde ihn nicht fallen lassen, dachte Arthur. Völlig egal, was er getan hatte. Alfred würde seinen großen Bruder niemals im Stich lassen. „Ja“, sagte er sehr leise. Niemand sagte ein Wort, bis Francis sich räusperte. „Ich hatte es befürchtet.“ „Also war alles deine Schuld?“, flüsterte Antonio. „Es tut mir Leid“, sagte Arthur und sah auf den Boden. „Wirklich. Ich hätte... Die Dinge sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Das ist... bedauerlich.“ „Bedauerlich?“, wiederholte Antonio fassungslos, der am ganzen Körper zitterte. „Bedauerlich? Romano ist tot!“ „Ich sagte ja...“, flüsterte Arthur. „Er ist tot, und es ist alles deine Schuld! Wieso bist du so ein Egoist, Arthur? Wieso musste Romano sterben?“ „Ganz ruhig, Toni“, sagte Gilbert düster und griff nach seinem Arm. „Beruhige dich. Es ist ja... nichts mehr daran zu ändern.“ „Nichts mehr zu ändern!“, schrie Antonio und riss seinen Arm aus Gilberts Griff. „Nichts mehr zu ändern! Romano ist tot, und es ist alles deine Schuld, Arthur! Alles deine Schuld!“ „Es tut mir Leid!“, sagte Arthur, der sehr blass geworden war. „Beruhige dich erst einmal, Antonio“, sagte Alfred zu Arthurs unendlicher Erleichterung und breitete die Arme aus. „Arty entschuldigt sich niemals. Dass er es diesmal tut, zeigt schon, dass es ihm wirklich Leid tun muss.“ Antonio rang nach Luft und blinzelte Tränen aus seinen Augen. „Ich... ich wollte das nicht. Ich bin zurück gekommen, um alle wieder zu sehen, und jetzt? Jetzt ist Romano nicht mehr da! Er fehlt mir! Er fehlt mir so sehr!“ „Toni...“ „Es tut mir-“ „Es ist mir egal, ob es dir Leid tut, Arthur! Das bringt mir meinen Romanito nicht zurück!“ „Antonio, was...“ „Toni, lass den Unsinn. Leg die Waffe weg!“ „Es war nicht meine Absicht! Ich wollte doch wirklich nicht...“ „Scheiße, leg sie weg, Toni! Was glaubst du, was du hier machst? Du kannst nicht...“ „Gib mir die Waffe, Antonio.“ Alfreds ausgestreckte Hand zitterte nicht einmal. „Ganz ruhig.“ „Ich will meinen Romanito zurück!“, heulte Antonio und drückte ab. Der Knall war seltsam flach und nicht laut. Er klang kaum anders als eine Papiertüte, die man aufgeblasen und zerschlagen hatte. Dennoch war es der Knall, der Antonio zurück holte. Er versuchte, das Rot vor seinen Augen durch Blinzeln zu vertreiben, und bemerkte, dass Tränen über sein Gesicht liefen. Im nächsten Moment packte jemand seine Hand, wand die Pistole heraus und verdrehte seinen Arm. Er schrie erschrocken auf. „Nicht so grob“, erklang Francis' leise Stimme. „Er hat sich jetzt beruhigt.“ „Man kann ja nie wissen“, murmelte Gilbert und stellte einen Fuß auf die am Boden liegende Waffe. „Was ist passiert?“, fragte Francis und sein Gesicht tauchte in Antonios Blickfeld auf. Es sah ungewöhnlich ernst aus. „Wie geht es dir, Toni?“ „Gut“, antwortete Antonio verwirrt. „Ich habe... ich glaube, ich habe Rot gesehen. Das ist mir seit Ewigkeiten nicht mehr passiert...“ Gilbert und Francis warfen sich einen stummen Blick zu und Francis senkte den Kopf. „Was ist denn passiert?“, fragte Antonio und wandte sich nach vorn. „Ich habe doch wohl nicht...“ Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Nur zwei Schritte weiter hockten Arthur und Ludwig auf dem Boden, auf beiden Seiten neben Alfred, der auf dem Rücken lag. Seine Augen waren einen Spalt weit geöffnet, aber sein Atem ging nur stoßweise. Arthur hielt seine Hand umklammert. „Du verdammter Idiot“, flüsterte er heiser. „Musst du denn immer den Helden spielen? Verdammter...“ Ludwig neben ihm sah zu Francis, Antonio und Gilbert hinüber. Seine Miene verdüsterte sich und er schüttelte leicht den Kopf. Antonios Blick wanderte von ihm zu Alfreds blassem Gesicht und zu dem Blut, das durch seine Jacke drang. Ihm wurde eiskalt. „Ich fürchte, ihr seid quitt“, sagte Francis leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)