Kontakt von Niekas ================================================================================ Kapitel 27: But that's okay, we like it rough! ---------------------------------------------- Feliciano fuhr zusammen, als er aus weiter Entfernung einen Schuss hörte. Atemlos lauschte er, doch danach blieb es still. „Was ist los?“, murmelte Toris, der geschlafen hatte und gerade erst aufwachte. Er setzte sich auf und strich sich durch die Haare. „Ich weiß nicht“, sagte Feliciano zögernd, stand auf und lauschte an der Tür. Alles blieb still. „Was war das gerade für ein Knall?“ „Es klang wie ein Schuss. Ich habe Angst vor Schüssen...“ Toris machte große Augen. „Du hast vor so ziemlich allem Angst, oder?“ „Ja“, gab Feliciano zu und lachte nervös. „Warum? Du bist doch groß. Ich bin es hier, der Angst haben sollte.“ „Hast du welche?“ „Im Moment nicht. Es ist nur...“ Er wurde von einem neuen Knall unterbrochen, der wesentlich näher bei ihnen zu sein schien. Toris zuckte zusammen. „Was ist denn los?“ „Ich weiß es nicht“, sagte Feliciano unsicher, wich von der Tür zurück und setzte sich neben Toris. „Ich habe ein dummes Gefühl bei der Sache.“ „Vielleicht will uns jemand befreien“, sagte Toris hoffnungsvoll. „Glaubst du?“ Bevor sie weiter darüber diskutieren konnten, hörten sie aus einiger Entfernung einen dumpfen Schlag und eine Stimme, die etwas rief. Sie war so undeutlich, dass sie nicht zu verstehen war, aber Feliciano merkte trotzdem auf. „Fratello?“, fragte er. „Wer?“ „Das klingt wie Romano! Romano?“ Auf dem Gang erklangen hastige Schritte. Dann erklangen erneut Geräusche, als würde jemand gegen etwas schlagen, aber diesmal waren sie viel lauter. Auch die Stimme war diesmal deutlich zu verstehen. „Feliciano! Bist du da drin?“ „Ich bin hier!“, rief Feliciano, rutschte hastig vom Bett und lief zur Tür. „Wir sind hier, fratellino!“ Romano auf der anderen Seite verstummte kurz. „Keine Sorge“, sagte er dann. „Ich hol dich da raus.“ „Ti voglio bene!“, rief Feliciano. „Wer ist das?“, fragte Toris unsicher und zog die Decke über sich. „Mein Bruder Romano“, erklärte Feliciano und drehte sich zu ihm um. Tränen glitzerten in seinen Augen. „Er flucht viel, aber er ist schlau und stark und mein großer Bruder. Er holt uns hier raus.“ Romano hörte Felicianos Worte bruchstückhaft und biss sich auf die Lippe. Schlau und stark... „Schön wär's“, knurrte er und starrte die Tür an. Sie sah ziemlich stabil aus. Den Riegel konnte er zwar einfach beiseite schieben, aber da war noch das Schloss. Er konnte versuchen, es mit seiner Waffe aufzuschießen, aber aus irgendeinem Grund bezweifelte er, dass das in der Realität ebenso gut funktionierte wie in Filmen. Und das hier war kein Actionfilm. „Verdammt... Ich versuche, die Tür aufzubrechen, ja?“, schrie er Feliciano zu. „Tritt zurück!“ „Va bene!“, erklang Felicianos Antwort, gefolgt von hastigen Schritten. Romano trat einen Schritt zurück und fixierte die Tür trotzig. Er würde es schaffen, sie aufzubrechen. Das wäre doch gelacht. Zwar sah sie sehr stabil aus, aber... „Brauchst du Hilfe?“, erklang eine atemlose Stimme hinter ihm. Romano fuhr erschrocken herum und sah Ivan, der auf ihn zu rannte. Er hielt neben ihm an und stütze keuchend die Hände auf die Knie. „Kriegst du diese Tür auf?“, fragte Romano. Ivan blinzelte. „Sind sie dahinter?“ „Ja. Du bist ein bisschen... kräftiger als ich. Ich dachte, du könntest...“ „Natürlich“, sagte Ivan munter, wenn auch etwas außer Atem, nahm zwei Schritte Anlauf und rammte seine Schulter gegen die Tür. Sie splitterte aus dem Rahmen und Romano riss die Augen auf. Aus irgendeinem Grund wurde seine Furcht vor Ivan noch größer. „Gut“, sagte er und versuchte, sich wieder zu sammeln. „Dann können wir...“ „Fratello?“, fragte Feliciano und streckte den Kopf aus der Türöffnung. „Das war großartig! Wie hast du das...“ Er brach ab und starrte Ivan an. „Hallo, Feliciano“, sagte Ivan freundlich, beachtete ihn aber nicht weiter. „Wir müssen schnell weg. Die anderen lenken die Wachen noch eine Weile ab, aber wir sollten möglichst schnell den Weg nach draußen finden. Nach Möglichkeit, ohne erschossen zu werden.“ „Klingt lustig“, knurrte Romano und versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. „Gehen wir.“ „Wir müssen Toris mitnehmen!“, sagte Feliciano und drehte sich noch einmal um. „Toris! Komm mit, schnell!“ „Toris?“, flüsterte Ivan und wurde sehr blass. Feliciano streckte die Hand aus und Toris griff danach. Vorsichtig kletterte er über die Tür und betrachtete Romano und Ivan. „Das ist mein Bruder“, stellte Feliciano vor. „Und das ist...“ Plötzlich hörten sie Geschrei und schnelle Schritte von rechts. Romano zuckte zusammen. Bevor sich jemand rühren konnte, hatte Ivan sich Toris geschnappt und rannte mit ihm in die entgegengesetzte Richtung. „Wartet!“, rief Feliciano erschrocken. „Komm, Romano!“ Er packte seinen Bruder bei der Hand, und sie rannten hinter Ivan her, der schon einen kleinen Vorsprung hatte. Wenn sie als ansonsten grundverschiedenen Brüder eines gleich gut konnten, dachte Romano zynisch, dann war es weglaufen. Schon nach wenigen Schritten japste Ivan nach Luft und bekam Seitenstechen. Er hätte doch mehr auf sein Gewicht achten sollen, dachte er. Mit seinen großen Knochen war es schwierig genug, in Form zu bleiben. Aber er war nicht davon ausgegangen, jemals wieder in so gefährliche Situationen zu geraten wie zu seiner Zeit als Nation. „Ich kann niemanden sehen.“ Die Stimme ließ ihn zusammen zucken. Toris spähte über seine Schulter nach hinten. Seine kleinen Hände klammerten sich in den dicken Stoff von Ivans Mantel. Aber das war doch nicht Toris, dachte Ivan. Toris hatte nicht so kleine Hände und nicht so eine piepsige Stimme. Das war nicht Toris. „Sie sind hinter uns her“, keuchte Ivan und versuchte, noch schneller zu laufen. „Wir müssen hier raus.“ „Wer bist du?“ Die Frage traf ihn unvorbereitet. Eine ganze Weile lang keuchte Ivan nur vor sich hin und tat so, als sei er schlicht zu sehr außer Atem, um zu sprechen. „Ich heiße Ivan.“ Toris drehte den Kopf und sah ihn prüfend an. „Ivan?“, fragte er langsam. „Ich glaube, Feliks hat mir von dir erzählt.“ „So, hat er das?“, brachte Ivan hervor und spürte, wie er rot wurde. Feliks hatte sicher nichts Gutes über ihn zu erzählen gewusst. Aber er war nicht so, wie Feliks glaubte, dachte Ivan. Er hatte in seiner Vergangenheit viel Böses getan, ja. Er hatte Toris getötet, daran gab es nichts zu rütteln. Aber er hatte es nicht mit Absicht getan, dachte Ivan verbissen. Er hatte es nicht gewollt, und er würde es wiedergutmachen. Das würde er. „Er mag dich nicht“, sagte Toris und sah Ivan noch immer nachdenklich an. „Aber ich... ich weiß nicht. Vielleicht bist du ganz in Ordnung.“ „Das bin ich“, sagte Ivan überzeugend. „Du wirst es sehen, mein... Du wirst es sehen, Toris. Ich werde es dir beweisen.“ Toris sah ihn mit großen Augen an. Sein Blick wanderte langsam wieder nach hinten und er schrie erschrocken auf. „Feliciano! Hinter dir!“ Er hätte nichts zu sagen brauchen. Im nächsten Moment schlug ein Schuss in die Wand ein. Ivan zuckte zusammen, stolperte beinahe und rannte weiter. Feliciano schrie auf, aber es klang nicht, als sei er getroffen worden. Dann würde er anders klingen, dachte Ivan grimmig. „Wir müssen auf sie warten!“, rief Toris. „Bist du verrückt? Wir müssen uns retten! Wir dürfen auf keinen Fall warten!“ „Aber...“ Im nächsten Moment fiel ein weiterer Hagel von Schüssen. Romano brüllte auf, gefolgt von Feliciano. Es gab zwei dumpfe Laute nacheinander, als sei etwas Schweres, Weiches auf dem Boden gelandet. Dann bog Ivan um eine Ecke. „Wir müssen zurück!“, schrie Toris. „Sie sind verletzt! Wir müssen zurück und ihnen helfen, Ivan!“ „Ich bringe uns hier raus“, keuchte Ivan, ohne langsamer zu werden. „Uns beide. Hab keine Angst, Toris. Sie erwischen uns nicht.“ „Wir können Feliciano nicht allein lassen!“, kreischte Toris, und Ivan zuckte zusammen, als kleine Fäuste auf seinen Rücken trommelten. „Feliciano ist lieb! Wir können die beiden nicht allein lassen!“ „Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert!“, herrschte Ivan ihn an und legte eine Hand schützend auf Toris' Hinterkopf. „Ich habe schon einmal deinen Tod auf dem Gewissen, und ich werde ihn kein zweites Mal verantworten!“ Toris hielt plötzlich inne. Er schien in der Bewegung einzufrieren, während Ivan weiter den Gang hinunter lief. Er hatte es bald geschafft, dachte er. Seine Lungen brannten, seine Beine taten weh, aber er hatte es bald geschafft. Toris würde in Sicherheit sein. „Du warst das?“, flüsterte Toris. Es tut mir Leid, dachte Ivan. Wenn du wirklich Toris bist... Nein, ich kann dich nicht zwingen, mir zu verzeihen. Aber wenn du Toris bist, dann weißt du wenigstens, dass es die Wahrheit ist. Es tut mir wirklich Leid. Anstatt es zu sagen, sparte er sich die Kräfte, um Toris in Sicherheit zu bringen. Was Toris von ihm dachte, war erst einmal nebensächlich. Die Hauptsache war, dass er überlebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)