Kontakt von Niekas ================================================================================ Kapitel 15: Bentornato ---------------------- „Ich hasse fliegen“, knurrte Gilbert, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. „Du hast es ja gleich hinter dir.“ Gilbert schnaubte wütend. „So viel Hektik für nichts und wieder nichts.“ Antonio schwieg teilnahmsvoll. Ihre Reise war tatsächlich alles andere als ergiebig gewesen. Er wusste nicht, wie schwer es Gilbert getroffen hatte, dass Ludwig ihn nicht einmal hatte sehen wollen. „Was willst du jetzt tun?“, fragte er. Dieselbe Frage hatte er Gilbert schon einige Male gestellt, aber nie eine andere Antwort als ein unwilliges Brummen bekommen. Gilbert seufzte tief und legte den Kopf in den Nacken. „Ich denke mal, ich kann dich nicht hängen lassen, Toni“, sagte er. „Jetzt, nachdem du...“ Sie hopsten beide auf und ab, als das Flugzeug auf dem Boden aufsetzte. Gilbert schüttelte den Kopf und sprach weiter. „Nachdem du mir geholfen hast, West zu finden, werde ich dir weiter bei deinen Plänen helfen. Wo wärst du denn ohne meine Großartigkeit?“ „Ihr wärt mir tatsächlich eine große Hilfe, dein Ego und du.“ „Gut. Dann ist es abgemacht.“ Antonio nickte, während das Flugzeug langsamer wurde. Er war erleichtert, Gilbert weiter in seiner Nähe zu wissen. Man wusste ja sonst nie genau, was er anstellte. Und wenn Gilbert etwas zu tun hatte, um sich von seiner Enttäuschung wegen Ludwig abzulenken, umso besser. Nachdem das Flugzeug stand, kramten sie ihr Gepäck zusammen, das sie während des mehrstündigen Fluges im Umkreis verstreut hatten, und stiegen aus. Sie brauchten eine Weile, um wieder zurück zum Terminal zu gelangen und ihre Koffer abzuholen. Nebeneinander zogen sie sie auf den Ausgang zu. „Glaubst du, jemand kommt, um uns abzuholen?“ „Ich weiß es nicht.“ „Francis vielleicht“, sagte Gilbert und grinste. „Hey, das wäre doch was.“ „Er weiß doch nicht einmal, dass wir weg waren. Wir haben keinen Kontakt zu ihm.“ „Warum eigentlich nicht? Wie wär's, wenn wir als nächsten Francis auftreiben?“ „Wir können es versuchen“, stimmte Antonio vergnügt zu. „Es wäre doch großartig, wenn wir...“ Sie traten in eine etwas größere Halle hinaus und blieben im selben Augenblick stehen. Hinter einem Absperrband standen einige Menschen, die auf andere Reisende warteten. Gleich vorne sah Antonio nebeneinander zwei Männer, die er kannte, und er wusste nicht, mit wem er weniger gerechnet hätte. Mit Romano, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und düster vor sich hin starrte. Oder mit... „Francis!“ Gilbert ließ seinen Koffer und seinen Rucksack einfach fallen, rannte auf Francis zu und fiel ihm um den Hals. „Mensch, alter Junge! Wo kommst du denn her?“ Francis lachte auf seine leicht nasale Art. „Gilbert, mon ami. Wie schön, dass du wieder gut gelandet bist.“ „Gelandet?“, wiederholte Romano missmutig. „Schön wär's. Der Kerl wird immer abgehoben bleiben.“ Etwas mühsam hob Antonio Gilberts Koffer und die Tasche auf und zerrte beides zu den anderen hinüber. „So eine Überraschung, Francis!“, sagte er fröhlich. „Ich hatte dich nicht erwartet.“ „Ich komme immer, wenn du mich nicht erwartest“, flötete Francis und küsste ihn auf beide Wangen. „Wie war euer Flug?“ „Ganz okay.“ „Pues, Francis, wie kommst du hierher? Hat Romanito dich etwa angerufen, um uns eine Freude zu machen?“ Gilbert stieß Antonio den Ellbogen in die Seite. „Glaubst du im Ernst, dein Romanito würde irgendetwas tun, um uns eine Freude zu machen?“ „Leider hat er das wirklich nicht getan“, sagte Francis und wurde plötzlich ernst. „Es ist anscheinend... etwas passiert, während ihr weg wart.“ „Was denn?“, fragte Antonio erschrocken. „Was ist passiert, Romanito?“ Romano senkte den Kopf, als alle ihn ansahen, und wurde rot wie eine Tomate. „Der Bastard ist weg“, murmelte er. „Welcher Bastard?“, fragte Gilbert grinsend. „Du kennst eine Menge Leute mit diesem Namen.“ „Feliciano!“, fauchte Romano, doch er konnte nicht verbergen, dass er eher besorgt als wütend war. „Der Bastard ist seit zwei Tagen verschwunden!“ „Jetzt erzählt doch einmal von Anfang an“, sagte Gilbert, als sie später im Auto saßen. „Was ist mit Feliciano passiert?“ Romano schob nur die Unterlippe vor. Francis, der auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich zu Gilbert und Antonio um. „Romano hat mich Donnerstag Abend angerufen“, berichtete er. „Er hat gesagt, Feliciano wäre seit dem Morgen verschwunden. Als Romano vom Einkaufen wieder kam, war er wohl nicht mehr da.“ „Aber wo soll er denn sein?“, fragte Antonio verblüfft. „Weiß ich es? In der Wohnung war alles in bester Ordnung... nun ja, so in Ordnung, wie es bei den beiden eben sein kann. Feliciano ist wohl aus dem Haus gegangen und nicht zurück gekommen.“ „Wo wollte er denn hin?“ „Das wissen wir auch nicht.“ „Moment“, sagte Antonio und sah Romano an. „Woher wusstest du, wie du Francis erreichen kannst? Ich dachte, ihr hättet keinen Kontakt mehr zu ihm.“ Francis lachte leise. „Ich hatte ihm meine Nummer gegeben“, erklärte er. „Für Notfälle.“ „Wieso hast du mir das nicht gesagt, Romanito?“ „Ich dachte, ich hätte sie längst weggeworfen. Und außerdem habe ich es eher für eine Drohung als für ein Hilfsangebot gehalten.“ „Aber Romano! Grand frere Francis ist jederzeit für dich da!“ „Genau das klingt für mich wie eine Drohung“, brummte Romano und sah starr nach vorn auf die Straße. „Jedenfalls“, fuhr Francis fort, „bin ich sofort aufgebrochen, um dem lieben Romano zur Hilfe zu eilen. Und da bin ich nun.“ Gilbert runzelte die Stirn. „Schön“, sagte er. „Also haben wir jetzt Francis gefunden, aber dafür haben wir keine Ahnung mehr, wo Feliciano steckt.“ „Was kann nur passiert sein?“, fragte Antonio besorgt. „Hast du denn keine Ahnung, wo er hingehen wollte, Romano? Vielleicht hatte er jemanden kennengelernt?“ „Vielleicht eine romantische Beziehung?“, schlug Francis begeistert vor. „Klar hatte er Beziehungen“, brummte Romano. „Und nicht zu knapp. Aber davon hat er mir immer lang und breit vorgeschwärmt, wenn er wieder was am Laufen hatte. In letzter Zeit kann ich mich nicht erinnern, dass er von einem Mädchen erzählt hätte.“ „Also kein Mädchen“, murmelte Antonio. „Ein Junge?“, schlug Francis augenzwinkernd vor. „Jetzt bleib doch mal ernst, Francis!“, sagte ausgerechnet Gilbert und legte die Stirn in Falten. „Er war doch ganz wild darauf, dir zu helfen, Toni.“ „Sí. Und?“ „Was, wenn er einen von uns aufgespürt hat... eine andere Nation, meine ich? Und wenn ihm auf dem Weg dorthin irgendetwas zugestoßen ist?“ „Auf dem Weg dorthin?“, echote Francis und zog die Augenbrauen hoch. „Mal eben so auf dem Weg in ein anderes Land, ohne Romano etwas davon zu sagen? Überleg mal, wie viele Länder man von Rom aus schnell erreicht. Schon nach Deutschland braucht man locker einen ganzen Tag, hin und zurück. Und das soll er Romano nicht erzählt haben? Nicht mit einem Wort?“ „Vielleicht ist er geflogen“, schlug Antonio vor. „Wie ein kleines Vögelchen?“ „Mit dem Flugzeug, Dummkopf.“ „Das hätte er mir trotzdem vorher sagen können, der Bastard!“, fauchte Romano. „Das stimmt allerdings“, murmelte Antonio und runzelte die Stirn. „Es ist seltsam, dass Feliciano es nicht erwähnt hat. Er ist ja sonst nicht gerade um Worte verlegen.“ Francis lachte auf. „Nein, das auf keinen Fall.“ Danach schwiegen sie und hingen ihren Gedanken nach, bis sie das Haus der Brüder erreicht hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)