Kontakt von Niekas ================================================================================ Kapitel 2: Mi mancano --------------------- „Soll das heißen, dass ihr überhaupt keinen Kontakt mehr zu irgendwem von den anderen habt?“ Romano hob finster den Kopf und starrte Antonio an. Sie saßen vor dem Fernseher und sahen die Nachrichten. Schon lange hatte niemand mehr etwas gesagt. „Ich meine ja nur“, sagte Antonio. „Ihr hättet ja auch einfach Freunde bleiben können.“ „Sind wir aber nicht, Bastard“, zischte Romano. „Du hast keine Ahnung, was mit uns los war. Du kannst es nicht verstehen.“ „Nein“, gab Antonio zu, „das kann ich nicht.“ „Dann sprich gefälligst nicht von Dingen, die du nicht verstehst!“, fauchte Romano. „So, wie es ist, läuft es seit Jahren sehr gut! Wir können keinen Kontakt zu den anderen gebrauchen!“ „Fratello“, sagte Feliciano beschwichtigend und griff nach seinem Arm. „Reg dich nicht so auf.“ „Fass mich nicht an, Bastard!“, keifte Romano. „Da taucht questo bastardo Spagna hier auf und hat nichts Besseres zu tun, als alles durcheinander zu bringen!“ „Ich mache doch gar nichts“, sagte Antonio erschrocken. „Tranquilo, Romanito...“ „Und du nennst mich nicht Romanito!“, schrie Romano ihn an. „Es hat sich ausgeromanitot! Ich will nicht, dass du hier auftauchst, als wäre alles wieder wie früher!“ „Aber das ist doch schön“, wandte Feliciano ein und lächelte Antonio an. „Wenn alles wieder wie früher ist...“ „Jetzt fang du nicht auch noch an! Wir haben uns darauf geeinigt, dass es niemals wieder wie früher sein wird! Wir werden niemanden von den anderen bastardi jemals wiedersehen, und wir werden niemals wieder in irgendeinen verdammten Krieg gezogen werden!“ „Das sagt doch niemand!“, widersprach Feliciano hilflos. „Wer sagt denn, dass wir uns wieder streiten müssen, wenn wir uns wiedersehen? Wieso können wir nicht einfach alle Freunde sein, fratellino?“ „Weil wir es eben nicht können!“, kreischte Romano. „Haben wir das noch nicht oft genug diskutiert? Wir müssen uns von einander fernhalten, das müssen wir! Das ist besser für uns alle! Du kannst doch nicht behaupten, du würdest irgendwen von diesen bastardi vermissen!“ Feliciano wischte sich mit dem Ärmel Tränen aus den Augen. „Doch“, sagte er leise. „Ich vermisse sie.“ „Bastard!“, brüllte Romano, packte ein Sofakissen und warf es in Felicianos Richtung. Mit einem erschrockenen Laut duckte Feliciano sich und hob die Arme schützend über den Kopf. Romano sprang auf und rannte aus dem Zimmer, ohne jemanden anzusehen. Antonio zuckte zusammen, als er die Tür zuknallte. „Ist dir etwas passiert, Feliciano?“, fragte er besorgt und rutschte auf dem Sofa zu ihm hinüber. Feliciano schluchzte in sich hinein und schob das Kissen mit einem Fuß beiseite. „Ich wollte ihn nicht wütend machen... fratellino... ich wollte doch nicht...“ „Komm her“, sagte Antonio mitleidig und zog ihn auf seinen Schoß. Feliciano blinzelte verwirrt die Tränen aus seinen Augen, blieb aber sitzen. Antonio fuhr mit den Fingern durch seine Haare, als würde er ein Kind trösten. Wenn er eines konnte, dann das. „Mach dir nichts aus dem, was Romano sagt. Er war doch immer so temperamentvoll. Er meint es nicht so.“ „Diesmal schon“, murmelte Feliciano und schluchzte erneut auf. „Ich kenne ihn, Spagna. Diesmal meint er es wirklich so. Er ist wütend... er wird immer wütend auf mich, wenn ich sage, dass ich die anderen vermisse...“ Antonio drückte ihn an sich. „Ist ja gut, Feliciano“, murmelte er. „Ich vermisse sie auch.“ Feliciano schwieg einen Augenblick lang. „Würdest du sie suchen?“, fragte er dann. Erstaunt hob Antonio den Kopf. „Ob ich was?“ „Würdest du sie suchen?“, wiederholte Feliciano und zog die Nase hoch. „Ich habe versucht, ein wenig nachzuforschen, aber das ist schon einige Zeit her. Romano wird immer wütend, wenn er mich dabei erwischt... und ich mag es nicht, wenn er wütend ist. Er ist doch mein Bruder... er ist der letzte, den ich noch...“ Er heulte auf und klammerte sich an Antonio fest. Antonio drückte ihn an sich und musste sich beherrschen, um nicht mit ihm zu weinen. „Es wird alles gut, Feliciano“, murmelte er. „Pssst. Es wird alles gut. Ich finde die anderen.“ „Wirklich?“, brachte Feliciano hervor. „Ich werde sie finden“, sagte Antonio entschlossen. „Ob sie wollen oder nicht.“ „Romano wird wütend sein.“ „Zu Anfang, ja, aber am Ende wird er mir dankbar dafür sein. Romano war schon immer jemand, den man zu seinem Glück zwingen musste.“ Feliciano lachte leise und wischte seine Tränen an Antonios Hemd ab. „Wirst du sie wirklich finden?“, fragte er, als könne er es noch immer nicht glauben. „Natürlich. Ich weiß nur nicht recht, wo ich anfangen soll.“ „Ich kann dir einen Anfang geben“, sagte Feliciano eifrig. „Ich habe Adressen. Ich weiß natürlich nicht, ob sie wirklich stimmen oder ob sie noch aktuell sind... aber du kannst dort anfangen.“ „Adressen“, wiederholte Antonio und lachte leise. „Über die ganze Welt verstreut, nehme ich an?“ „Ja.“ „Nun, dann werde ich eine Weile lang weg sein. Romano wird es so ganz recht sein.“ Feliciano schüttelte den Kopf. „Er hat dich vermisst“, sagte er. „Er will es nur nicht zugeben.“ Überrascht sah Antonio ihn an und lachte erneut. „Dann wird es ihm umso mehr recht sein, wenn ich verschwinde.“ „Aber verschwinde nicht für immer“, sagte Feliciano besorgt. „Bitte, Spagna. Selbst, wenn du niemanden findest... du musst wieder hierher kommen, ja?“ „Ich komme zurück“, sagte Antonio zuversichtlich. „Aber nicht allein.“ Etwa zur selben Zeit, aber an einem völlig anderen Ort, fand ein Mann in einem fast vergessenen Archiv ein Foto. Atemlos zog er es aus der mehr als fünfzig Jahre alten Akte, die er durchgeblättert hatte, und hielt es ins Licht der Lampe an der Decke. Der junge Mann auf dem Foto sah ihn direkt an. Entschlossenheit lag in seinem Blick. Wenn einer von ihnen noch in seiner Rolle zu finden war, wo er hingehörte, dachte der Mann, dann war es er hier. Er schob die Akte wieder in das Fach in einem der Regale, die bis zur Decke reichten, behielt das Foto aber in der Hand. Zielstrebig machte er sich auf den Weg aus dem Archiv hinaus und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Danach griff er zum nächsten Telefon und wählte eine Nummer. „Ich habe ein Foto. Ich faxe es euch.“ „In Ordnung“, antwortete die Stimme am anderen Ende. „Sucht nach diesem Mann, aber macht noch nicht auf euch aufmerksam. Ich muss wissen, wo genau er gerade lebt und was er tut. Sobald ich das weiß, können wir weiter sehen.“ „Das Foto sieht reichlich alt aus“, sagte der Gesprächspartner kritisch, der es offenbar gerade erhalten hatte. „Unser gesuchtes Objekt dürfte mittlerweile um die siebzig sein.“ „Das ist es nicht“, widersprach der erste Mann entschieden. „Es ist heute nicht älter als auf dem Foto.“ Der andere schwieg, als würde er das nicht glauben. Bei der Qualität des Fotos und der altmodischen Uniform, die die Person darauf trug, war es offensichtlich, dass das Foto nicht aktuell sein konnte, musste der Mann sich eingestehen. Aber er hatte hier das Sagen. Wenn er sagte, dass nach der Person auf dem Foto gesucht wurde, dann wurde nach genau dieser Person gesucht. „Wir werden unser Bestes geben“, erklang die Stimme am anderen Ende. „Sobald wir etwas herausfinden, werden Sie es erfahren.“ „Sehr gut“, sagte der Mann und legte auf. Noch immer sah er das Foto an, bis er den Blick hob und aus dem Fenster sah. „Ich vermisse ihn“, sagte er leise zu sich selbst. „Ich vermisse ihn wirklich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)