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Sakura

Damals unter dem Kirschbaum
von

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Oak-City Fair

Das Gelände, auf dem die Oak-City Fair abgehalten wurde, befand sich am nördlichen Ende der Stadt. Vor dem Kirschblütenhügel erhoben sich ein paar dutzend kleinere und größere Zelte in Bonbonfarben. Alles war mit Lichterketten geschmückt und würde jemand in der Nacht vom Hügel aus auf das Gelände hinabblicken, so könnte er meinen unter ihm fände gerade eine Prozession von Glühwürmchen statt. Auch der Kirschbaum auf der Spitze des Hügels war festlich dekoriert und leuchtete in dezentem rosa und knalligem orange.

Es schien, als ob der Kirschbaum in voller Blüte stünde.

Schon von weitem konnte Tomas den Duft von gebrannten Mandeln, Popcorn und gegrilltem Fleisch erahnen, der das ganze Gelände durchzog. Je näher er kam, desto lauter wurde das Gewirr aus Stimmen, Musik, dem Gelächter kleiner Kinder, den Schreien der Achterbahnfahrer und dem Bimmeln der Lokomotive die ihre Kreise um das Gelände zog.

Tomas zog sein Handy aus der Hosentasche und rief seinen besten Freund Ricky an, der schon seitdem Vormittag auf dem Jahrmarkt war. Er musste einen Augenblick warten, dann ging Ricky endlich an sein Telefon und sie vereinbarten ein Treffen im großen Festzelt, welches sich auf dem Hügel befand. Es war ein riesiges Zelt aus schwerem, weißen Stoff. In dessen Mitte befand sich der Kirschbaum, welcher sich durch ein Loch in der Mitte des Zeltes dem Himmel entgegenstreckte.

Um den Stamm des alten Baumes waren Tische und Bänke aufgestellt, auf denen zahlreiche Besucher saßen und sich vergnügten.

Ricky saß zusammen mit ein paar Anderen an einem runden Holztisch in der Nähe des Kirschbaumstamms. Tomas lief eilig zu ihm, als er mit einer jungen Frau zusammenstieß. Sie war jung, höchstens Anfang zwanzig. Mit ihrer hellen Haut, der zierlichen Statur und den langen, blonden Haaren wirkte sie wie ein Engel auf Erden. Ihr Haar schien ihm wie ein Meer aus Weizenähren die sich im Wind hin und her wiegten, ihre wachen, lebendigen Augen waren so blau wie der Pazifik, so klar wie ein Bergsee und tiefer als der tiefste See. In diesem Moment war es um ihn geschehen, die Sekunden schienen vorbeizufließen wie Jahre, die Zeit schien still zu stehen. Endlich löste sich seine starre wieder, schüchtern lächelte er sie an, sie blickte ihm tief in seine goldbraunen Augen…und lief weiter. Sehnsüchtig blickte er ihr nach, hatte jedoch nicht den Mut, ihr zu folgen, mit ihr zu reden.
 

Er war eben nur in seinen Träumen mutig, nur in seinen Fantasien traute er sich, mit jeder Frau zu flirten. Warum nur? Warum konnte er nicht mutiger sein? Warum traute er sich nie, Frauen anzusprechen? Er müsste endlich über seinen Schatten springen, seine Angst besiegen…Es war ihm doch schon einmal gelungen!

Damals...mit 16...
 

"Hallo Tomas", schrie eine Stimme die vom Baum herzukommen schien. Sie zerstörte seine Gedanken und warf ihn wieder auf den Boden der Realität.

"Tomas, komm und setz dich zu uns! Steh nicht rum wie eine Statue, du bist doch zum feiern da, nicht zum träumen!" Tomas erkannte in der Stimme seinen besten Freund wieder.
 

Ricky stand vom Tisch auf und lief zu Tomas, während er diesen erneut aufforderte mit ihnen zu feiern. Tomas folgte ihm und sie feierten eine Zeit lang unter dem Blätterdach des alten Kirschbaums. Sie sangen zur Musik die aus Lautsprecher kam, die um den Stamm angereiht waren, machten Witze, erzählten sich die skurrilsten Geschichten und tauschten Neuigkeiten aus. Die Zeit flog in Windeseile davon und schon war es Mitternacht.

Einige der jungen Festbesucher waren es Leid, nur dazusitzen, zu trinken und zu reden, also standen sie auf und tanzten ausgelassen herum.
 

Tomas sah ihnen eine ganze Weile beim Tanzen zu, als er plötzlich eine kühle, filigrane Hand auf seiner Schulter fühlte. Wie in Zeitlupe drehte er sich um, zögerte kurz... Tief im Inneren hoffte er, dass diese Hand zu dem blonden Mädchen von vorhin gehörte. Sein Puls stieg an, er schickte noch ein Stoßgebet zum Himmel. Und dann drehte er sich endlich um.

Und wirklich: Es war der Engel, den er angerempelt hatte. Tomas wollte in die Luft springen, die ganze Welt umarmen, seine Freude laut aus sich herausschreien, es der ganzen Welt mitteilen. Doch er blieb ruhig, lächelte sie an und berührte ganz zärtlich die Hand auf seiner Schulter.

Sie blickte zuerst nur stumm in seine Augen, ließ ihre Blicke an ihm auf und abgleiten, lächelte ihn dann an und sagte:" Hallo, ich bin Jane. Ich komme aus dem Südviertel von Oak-City."

"Ich heiße Tomas", antwortete er und blickte sie innig an.

Wieder standen sie einige Zeit komplett in ihr Gegenüber versunken da, bis Tomas ihr zuvor kam und fragte: "Hast du Lust, mit mir zu tanzen?"

Sie willigte ein und gemeinsam betraten sie die improvisierte Tanzfläche.
 

Zuerst tanzen sie in einigem Abstand zueinander, näherten sich aber immer mehr einander an und tanzten schließlich eng umschlungen zu einem ruhigen, schwermütigen Lied. Gedankenverloren wühlte Tomas in ihrem weizenblonden Haar, welches im Licht des Kirschbaumes wundervoll schillerte und glänzte. Sie lehnte sich an seinen starken Schultern an und von weitem sah es fast so aus, als seien sie verschmolzen. Es schien als wären sie eine Person.
 

Sie blickten einander tief in die Augen und es brauchte keine Worte, sie verstanden einander blind. Arm in Arm verließen sie zuerst die Tanzfläche.

Sie durchquerten das Zelt und traten hinaus in die klare Sommernacht,

Der Mond schien hell am Himmelszelt und die Sterne funkelten um die Wette. Sie liefen eine Weile bis sie an eine vom Fest unberührte Stelle kamen. Sie legten sich ins Gras und blickten hoch zum Mond. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen bis sie sich einander zudrehten und anlächelten. Er strich sanft über ihr blütenweißes Gesicht und beugt sich langsam zu ihr. Immer näher und näher kam er ihren Lippen, bis er sie fast mit seinen Eigenen berührte. Zuerst wich Jane erschrocken zurück doch nach einer Weile hielt sie ihn fest und küsste ihn leidenschaftlich. Sie blieben an der Stelle liegen, bis der Morgen graute.

Langsam erhob sich die Sonne am Horizont und tauchte den Himmel über Oak-City in ein sanftes rosa. Tomas schien es, als wäre der ganze Himmel eine einzige Kirschblüte. Er umarmte sie ein letztes Mal und verließ dann den Festplatz. Glücklich und Zufrieden sprang er herum und war richtig glücklich. Zuhause angekommen rief er sofort Jane an. Er musste eine Weile warten, bis sie endlich den Anruf annahm und ihm mit lieblicher Stimme mitteilte:

" Es war einfach wundervoll mit dir gestern!" "Fand ich auch," antwortete er und hakte gleich nach:" Was hast du die nächste Zeit so vor? Ich würde dich unglaublich gerne wieder treffen, es war einfach zu schön um es bei einem Treffen zu belassen..." "Tut mir Leid, ich haber nur wenig Zeit, vielleicht würde der Mittwoch gehen, ich weiß es aber noch nicht...Ich ruf dich an, sobald ich genaueres weiß!"

Sie verabschiedeten sich, Tomas legte auf und warf sich traurig auf sein Bett. Er verkroch sich tief in seiner grünen Baumwolldecke und fühlte sich einfach nur schrecklich. "Warum hat sie keine Zeit? Bin ich ihr nicht wichtig? Hat sie etwa einen anderen? Warum können wir uns nicht schon Morgen treffen? Ich muss sie sehen! Ich muss!" Betrübt schloss er seine Augen und dachte nur an Jane und ihr wundervolles, weizenblondes Haar.
 

Plötzlich wurde er durch das Läuten der Haustürklingel aus seinen Gedanken gerissen. Er rannte zur Tür, warf dabei sein halbes Inventar um und riss hastig die Haustüre auf, in der Hoffnung, Jane hätte es sich anders überlegt und wäre sofort zu ihm gefahren um ihn zu sehen. Doch welche Enttäuschung: Es war nur sein Kollege Ricky.

Ricky setzte sich im Wohnzimmer auf die braune Ledercouch und fragte Tomas:" Was war gestern los? Warum bist du einfach abgehauen ohne etwas zu sagen? Hast du etwa jemanden getroffen der wichtiger ist als deine Freunde?". Ricky lachte und ließ sich daraufhin alles über Jane erzählen. Er versank in nachdenkliches Gegrübel, redete leise mit sich selbst und sagte dann zu Tomas:" Schwierige Situation, in der du da steckst! Ich weiß nämlich warum sie dich so abgewiesen hat am Telefon! Mir ist eingefallen, dass sie aus einer sehr strengen, gläubigen Familie stammt. Der Vater, ein Geschäftsmann, sieht es nicht gerne, wenn seine Tochter mit Männern flirtet."

"Oh nein," schrie Tomas "dann kann ich es ja gleich vergessen! Dabei liebe ich sie doch so sehr! Sie kam mir vor wie eine Seelenverwandte, ich MUSS sie wiedersehen!"

"Triff dich mit ihr, sobald sie Zeit hat. Sei geduldig, hier nützt Eile nichts. Triff dich mit ihr, erzähle ihr von deinen Gefühlen und hoffe auf ein gutes Ende!", antwortete Ricky und holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank. In schnellen Schlücken leerte er sein Glas und verabschiedete sich von seinem Freund.

Tomas blieb eine Weile auf dem Sofa sitzen und dachte über Rickies Worte nach. Er kam zu dem Schluss, dass Geduld wirklich die einzige Lösung war und stand auf.
 

Die nächsten Tage verbrachte Tomas mit warten und arbeiten. Er war Angestellter bei einer Immobilienfirma und hatte so genug Ablenkung von den Gedanken an Jane und den heiß ersehnten Anruf.



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