Wahn & Sinn von Salamitaktik (Scheiße hält die Zähne sauber.) ================================================================================ Prolog: taking stock -------------------- Wahn & Sinn »and i'm singing: everything in you is poison, everything in you is broken.« Prolog. taking stock Als ich das Autoradio anstelle, läuft ein Lied von Casablanca, der Fahrtwind zerwühlt mein ordentlich gekämmtes Haar. The fundamental things apply as time goes by, ich bekomme keine Luft mehr und denke an die Zeilen, die in Hast auf ein Notizzettel geschmiert worden sind und ohne Absender auf meinem Küchentisch gelegen haben. Die Worte sind dünn gewesen, und tief in das Papier gedrückt. Meine Hand umschließt derart fest das graue Lenkrad, dass die Knöchel sich weiß darunter hervorarbeiten. Widerwillig fällt mein Blick auf die violette Schwellung an meinem Handgelenk – trotz der Tatsache, dass schon ein halbes Jahr vergangen ist, schmerzt und pocht dieses unschöne, madenartige Ding nach wie vor. Wie ein Schatten, wie Pech, das nicht vergisst. Ich lecke mir über die trockenen Lippen – meine Augen brennen. Mich friert und ich bin verloren. Das Lied hat sich ausgespielt und wird nun von der euphorischen Stimme des Moderators ersetzt, der über die nächste Party berichtet, die dieses Wochenende steigen wird und mit einigen hochkarätigen Disk-Jockeys auffahren wird. Ich möchte gerne dahin gehen. Aber die Adresse ist mir zu weit. Sie ist in meiner Heimat. Danach kommen die Nachrichten dran, ich erhöhe die Geschwindigkeit. „Topmeldung des Tages: … Leichnam geborgen, nach fünf Monaten … Motiv … unbekannt. Polizei … Eifersucht. Tatverdächtiger unauffindbar.“ Ich lächle dünn und fahre dann an den Straßenrand – der Nachrichtensprecher berichtet indes von einem Erdbeben in New Orleans, das eine ziemliche Katastrophe nach sie zog … ich schalte das Gerät ab. Nachlässig schnappe ich eine Trinkflasche vom Beifahrersitz und steige aus, gehe nach hinten, zum Kofferraum. Er öffnet sich knarzend. Er sieht müde aus. Wahnsinnig dünn und ungewohnt blass. Ich lege eine Hand auf seinen Schopf, der ehemals weich gewesen ist, nun aber wie eine verschwitzte, filzige Matte wirkt und platt an den Schädel gepresst ist. Er sieht mich trübe an, seine Augen, damals ausdrucksstark und niemals defensiv, sind blind wie eine ungeputzte Fensterscheibe. Fürsorglich lächelnd wandern meine Finger zu seiner Wange, ich beuge mich nach vorn, meine Lippen berühren sein Ohr: „Wenn du schreist, schneide ich dir den Schwanz ab.“ Er nickt ergeben, ist der geprügelte Hund, der seine Wunden leckt. Schnell reiße ich das Panzertape von seinen Lippen, er kann sich ein Keuchen nicht verkneifen. Ich schlage ihn mit der flachen Hand – er hat gesagt, meine Hände seien schön, fällt mir gerade ein. Ich sehe ihn herausfordernd an. Als ich keine Reaktion bekomme, zucke ich mit den Schultern, schraube den Flaschendeckel ab und halte die Öffnung an seine Lippen. Gierig schluckt er alles, einige Wassertropfen bahnen sich einen Weg zu seinem zuckenden Kehlkopf. „Dir macht es doch nichts aus, dass ich die Flasche mit dem Wasser einer Raststättentoilette abgefüllt habe, oder?“ Ich versuche, sanft zu lächeln, aber es fühlt sich eher an, als reißt mir jemand die Mundwinkel auseinander. Er zuckt kurz zusammen, trinkt dann aber weiter. „Du bist ein Tier“, sage ich ihm, dann ziehe ich die Flasche weg – für einen Moment sieht er aus, als wolle er sie wieder an sich reißen. Aber er weiß, dass dies ein fataler Fehler wäre. Rasch fingere ich eine Klebebandrolle aus meiner Hosentasche, ziehe ein Stück ab und verdecke wieder seinen Mund. Ich verstaue das Klebeband wieder und ziehe nun ein langes Jagdmesser aus meinem Hosenbund, für mich ungewohnt zärtlich streiche ich damit über eine hervorstehende Sehne an seinem Hals. Es gibt ein wunderbar schleifendes Geräusch und ich kann die Gänsehaut sehen, die sich über seinen nackten Körper ausbreitet. „Hm hm“, macht er und windet sich. „Magst du das?“ Ich spreche zu ihm, als sei er ein kleiner Junge. Ich muss an das Kinderlied Brüderchen, komm tanz' mit mir denken, obwohl wir gar nicht verwandt sind. Beinahe hätte ich sein Nicken verpasst – es erregt mich. Ich stöhne und merke, dass ich hart werde. Mein Blick fällt auf sein Gesicht und es scheint, als sei es gar nicht. „Was denkst du gerade?“, frage ich, „Liebst du mich noch?“ Ich stecke das Messer zurück, beuge mich ein weiteres Mal vor, küsse seine Schläfe und flüstere: „Träum' süß von mir. Lieb' mich für immer.“ Ich schlage die Klappe zu und entscheide, Richtung Osten zu fahren. Irgendwohin, wo die Sonne scheint. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)