Drei Jahre in Hong Kong von Minerva_Noctua (KaRe) ================================================================================ Kapitel 4: Coyly Curiousity --------------------------- COYLY CURIOUSITY Dieses Kapitel widme ich dem Gefühlschaos^^°. Enjoy reading! Es war bereits Anfang Juli und Rei hatte Kai seit über einem Monat nicht mehr gesehen. Nach dem Grillabend auf dem Hausboot hatten sie keine Zeit mehr gefunden sich zu treffen. Die Arbeit ließ ihnen keinen Freiraum und wenn, dann fanden sie auch auf keinen gemeinsamen Nenner. Eines Abends sollte es sich allerdings ergeben, dass der Schwarzhaarige mit vier Kollegen aus dem Krankenhaus den Arbeitstag im Thermalbad ausklingen ließ. „Hey Rei! Hast du Lust mit ins Freibecken zu kommen?“, fragte ihn einer seiner Kollegen, Kinay, ein Krankenpfleger. „Nein, lass mal. Ich geh noch kurz in die Sauna. Dann komm ich nach.“ „Okay.“ Kinay winkte ihm zu und zog mit den anderen ab. Als Rei mit einem Handtuch um die Hüfte in das Dampfbad ging, konnte er rein gar nichts erkennen. Heißer Dampf stieg von der Mitte aus auf und verwehrte die Sicht auf die andere Seite. Der Raum war viereckig, von Sitzgelegenheiten umrahmt und durch eine Trennwand von einem weiteren Raum abgegrenzt, der durch einen Rundbogen ganz rechts zu erreichen war. Außer ihm schien keiner da zu sein. Kein Wunder eigentlich. Die letzte Woche war sehr heiß gewesen und die meisten Menschen suchten das Kühle, doch im klimatisierten Krankenhaus war es fürs Personal gleich, ob es draußen stürmte oder schönstes Sommerwetter herrschte. Erschöpft legte er sich auf eine der Bänke, schloss die Augen und atmete den heißen Dampf tief ein. Allmählich schwanden das Surren in seinen Ohren, die Anspannung und der Stress der letzten Wochen. Seine sich schärfenden Sinne vernahmen dann auch ein Geräusch, ein Flüstern, dass aus der anderen Kammer kommen musste. Also war er doch nicht alleine hier. Der Schwarzhaarige wischte sich gleichmütig ein paar Strähnen aus der Stirn und streckte sich auf der Bank aus. Die anderen Menschen interessierten ihn nicht. Doch als sich andere Geräusche dazu gesellten, wurde er argwöhnisch. Weibliches Gestöhne gehörte sicherlich nicht zu der Art von Eindrücken, die man in einer heißen Sauna erwarten würde. Als er realisierte, was sich auf der anderen Seite abspielen musste, öffneten sich seine Augen und starrten skeptisch an die Decke. Er war nicht prüde, aber Sex in der Sauna war nicht nur durch diese Hitze idiotisch, sondern auch wirklich daneben. Sein Körper schien das allerdings anders zu sehen. Der fand diese Geräusche nämlich überaus anregend, wie Rei erschrocken registrieren musste. Hitze sammelte sich so schnell in seinem Unterleib, dass er gar nicht mehr dazu kam das Dampfbad zu verlassen, bevor er eine Erektion bekam. Wütend über das taktlose Pärchen und frustriert über den Verrat seines eigenen Körpers, rief er beim rausgehen laut: „Das ist ein öffentliches Thermalbad und kein Bordell! Sucht euch ein Zimmer!“ Das plötzliche Verstummen bestätigte ihm wenigstens, dass er gehört worden war. Zielstrebig und darauf achtend, dass man unter dem Handtuch möglichst nichts sah, ging Rei zum Kältebecken und stieg mit zusammengebissenen Zähnen hinein – mit Handtuch. Das eisige Wasser umschloss ihn mit tausenden Nadeln und es verging keine Sekunde bis seine Erregung abflaute. Das bestärkte den Schwarzhaarigen umso mehr den Entschluss, sich eine Freundin zuzulegen, endlich in die Tat umzusetzen. Die junge Anästhesistin Aliah, die ebenfalls mit ihnen hier war, wäre durchaus eine Option. Sie war nett, klug und hübsch. Was machte es schon, dass sie ein reiner Stadtmensch war? Sie lebten hier ja schließlich in einer.... Mit Gänsehaut auf jeder einzelnen Hautschuppe, stieg Rei wieder aus dem Becken, nicht ahnend, dass er jeden Augenblick wieder darin verschwinden würde. Denn der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm gar keine andere Wahl. Aus der Sauna, aus der er gerade gekommen war, kam nun ein Mann und als Rei ihn erkannte, duckte er sich automatisch wieder ins Wasser. Er war sich sicher auszusehen wie der letzte Trottel, so wie er mit offenem Mund und ungläubig geweiteten Augen über die Ecke spähte wie ein Verbrecher, als zweifellos Kai an den kalten Duschen und ihm vorbeiging. Als der Graublauhaarige weg war, schüttelte Rei seinen Kopf, um wieder einen klaren Gedanken zu erhaschen und stieg hinaus. Kaum war er wieder im Trockenen, öffnete sich die Saunatür erneut und heraus trat eine junge Chinesin mit langen schwarzen Haaren, braunen Augen und roten Lippen. Sie war hübsch, aber nichts Besonderes. Sie zupfte ihr Höschen noch einmal zurecht und verschwand zu den Umkleidekabinen. Es gab kaum einen Zweifel daran, dass diese Frau gerade Sex an einem öffentlichen Ort mit Kai gehabt hatte. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Freund in einer Millionenstadt nach fünf Wochen in einem Thermalbad beim Sex erwischte? Wahrscheinlich genauso gering, wie sein Malheure vom Steg zu fallen und gerade auf dem Boot zu landen, das Kai gemietet hatte. Etwas entnervt suchte der Schwarzhaarige das Männerklo auf, um sein pitschnasses Handtuch etwas unter dem Fön zu trocknen. Er konnte es kaum triefend in seinen Rucksack stecken. Doch wie es der Zufall wollte, kam ein gewisser Graublauhaariger just in diesem Moment von den Duschen hereingeschneit. „Rei!“ „Kai!“, rief auch er überrascht aus, den sarkastischen Unterton dabei nicht zurückhalten könnend. Der Graublauhaarige schien es jedoch nicht zu bemerken, denn er fuhr erfreut fort: „Das ist ja ein Zufall! Was machst du hier?“ „Baden.“ Etwas unsanft wrang er das nasse Handtuch fest aus, bevor er es unter den Händetrockner hielt, in der Hoffnung, dass es etwas bringen möge. „Das liegt im Bereich meiner Vorstellungskraft. Und mit wem?“ „Ein paar Kollegen. Das Krankenhaus ist in der Gegend.“ „Gut zu wissen.“ Rei musterte den Graublauhaarigen unauffällig. Er war immer noch muskulös, aber nicht mehr ganz so extrem wie früher und von der Statur her einfach erwachsen und ausgereift. Die roten Augen sahen ihn erfreut an, die Lippen zierten ein freundliches Lächeln. Der Chinese wunderte sich darüber, dass er etwas an dem anderen suchte, das seltsam war, aber da war nichts. Nur ein junger Mann, der sich ehrlich über ihr Treffen freute. Rei seufzte auf und erntete dafür einen fragenden Blick: „Was ist? Und was hast du mit dem Handtuch gemacht?“ Die goldenen Augen betrachteten Kai prüfend, ehe er neutral meinte: „Ich hab dummerweise vergessen es abzulegen, als ich ins Kältebecken gestiegen bin.“ Der Graublauhaarige nahm diese Information in sich auf: „Du warst in der Sauna?“ „Yepp.“ Rei zuckte unschuldig mit den Schultern. Kai schien zu überlegen. Und das Resultat dieser Überlegung verursachte ein verlegenes Blinzeln und wäre seine Haut von der Hitze der Sauna nicht so gerötet gewesen, wäre Rei Zeuge eines äußerst raren Rotschimmers auf seinen Wangen geworden. „Du warst es, der im Dampfbad geschimpft hat.“ „Bingo“, sagte Rei enthusiastisch mit einem zuckersüßen Lächeln. „Oh je, das tut mir leid.“ Der Graublauhaarige sah tatsächlich etwas zerknirscht unter seinem nassen Pony hervor. Der Schwarzhaarige war allerdings nicht in der Stimmung die Entschuldigung kommentarlos anzunehmen: „Es ist absolut unangebracht an so einem Ort Sex zu haben.“ Doch Kai ließ sich keine Standpauke halten: „Ach, komm schon, Rei! Hast du denn noch nie so etwas gemacht?“ „Doch, schon, aber nicht an einem Ort, wie diesen. Das ist unhygienisch und rücksichtslos. Habt ihr überhaupt verhütet?“ „Oh, jetzt kommt der Arzt zum Vorschein“, spöttelte er, „Ja, haben wir.“ „Mit was?“ „Mit einem Kondom“, grinste Kai schelmisch. „War das geplant?“, fragte Rei. Er fand es auch jetzt noch nicht lustig, was der andere sich da geleistet hatte. „Nein.“ Der Graublauhaarige machte sich einen Spaß daraus Rei aufzuziehen. Dieser verhielt sich aber auch zu köstlich. „Trägst du ständig Kondome in der Badehose mit dir herum?“, wollte der Chinese verständnislos wissen. „Ja.“ Kai funkelte ihn frech an. „Aha.“ Rei schüttelte das nur mehr feuchte Handtuch: „War... interessant dich getroffen zu haben. Ich muss jetzt zurück. Die anderen wundern sich bestimmt schon, wo ich bleibe.“ Er ging, ohne weiter auf ihn zu achten, an Kai vorbei, der ihm hinterher rief: „Seit wann bist du denn so ein Moralapostel?“ Die Antwort kam in Form einer gehobenen Hand. Kai blieb kurz unschlüssig stehen, ehe er wie geplant aufs Klo verschwand und anschließend wieder ins Bad zurückging und sich ins warme Wasser gleiten ließ. Sein Blick glitt durch die Halle, aber er konnte den jungen Arzt nirgends entdecken. Es war nicht geplant gewesen, aber diese Chinesin hatte ihm schon an der Kasse Avancen gemacht und da hatte er kurzentschlossen ein Präservativ aus seinem Portemonnaie genommen und in die Tasche seiner Badeshorts gesteckt. Nachdem sie ihn dann erneut angeflirtet hatte, war er ohne weiter darüber nachzudenken mit ihr ins Dampfbad verschwunden, wo es dann auch einfach passiert war. Nie im Leben hätte er daran gedacht, dass er auf Rei treffen könnte, geschweige denn, dass ausgerechnet er diese Sache mitbekam. Auch hatte er nicht daran gedacht, dass in diesem Land anders über Sex gedacht wurde und er womöglich im Knast hätte landen können, wenn es jemand anderes mitgekriegt hätte. In Deutschland gab es zwar auch Ärger, aber normalerweise musste man da nur Geld bezahlen. Nicht, dass es ihn schon mal erwischt hätte... Er sollte sich wohl besser auch außerhalb des Büros ermahnen, dass er sich hier anderen Sitten und Moralvorstellungen unterzuordnen hatte. Und obwohl es eine Chinesin war, die ihn quasi verführt hatte, so würde eher er als Fremder bestraft werden, nahm er zumindest an. Aber China war in so vielen Dingen ganz anders als Europa oder die arabischen Staaten. Es war schwer einzuschätzen. Allmählich schlich sich ein schlechtes Gewissen bei ihm ein. Nichtsdestotrotz sah er es nicht ein, sich erneut bei dem Schwarzhaarigen zu entschuldigen. Es war eine Blödheit gewesen und es reichte, wenn er das wusste. Die Erinnerung an Reis Gesichtsausdruck, als er sich von ihm verabschiedet hatte, ließ ihn unzufrieden aufseufzen. Es passierte wieder... Rei unterdessen begab sich mit seinen Kollegen wieder zu den Liegestühlen, von wo sie einen prächtigen Ausblick über das ganze Bad genossen. „So etwas sollten wir öfter machen“, seufzte Kinay entspannt. „Auf einmal? Wer hat denn vorher geschrieen?“, zog ihn Xiaomeng, eine Hebamme in Ausbildung, auf. „Pass auf, du darfst einen Mann doch nicht auf Fehler aufmerksam machen!“, scherzte die OP-Schwester Li. Kinay verzog lediglich das Gesicht, was allgemeines Gelächter auslöste. „Hilf mir, Rei! Die Hühner werden langsam ganz schön frech!“ Doch der schüttelte lächelnd den Kopf, während die Frauen weiter, auf Kosten des machohaften Krankenpflegers, diskutierten. „Ist das nicht Kai Hiwatari, der Beyblader?“, rief Xiaomeng plötzlich aus und brachte alle zum Schweigen. Sie sahen in die angedeutete Richtung und blickten auf einen jungen Mann mit graublauen Haaren, der am Beckenrand im Wasser lümmelte. „Ich kenne mich mit den ganzen Beybladern nicht aus“, gab Kinay zu Protokoll. „Das ist er doch, oder Rei?“, wollte die junge Frau ungeduldig wissen. Aliah schaute verwundert zu dieser: „Woher weißt du das?“ „Mein kleiner Bruder ist ein begeisterter Blader“, erklärte sie, schaute dann wieder zum Gynäkologen: „Das ist er doch, oder?“ „Ja“, gab Rei geschlagen zu. „Ihr ward doch in einem Team! Kannst du mich mit ihm bekannt machen oder mir nicht ein Autogramm von ihm besorgen? Mein Bruder würde ausflippen, wenn er noch ein Zweites von den Bladebreakers zum Geburtstag kriegen würde! Bitte!“ Etwas zweifelnd blickte er in diese großen grauen Augen, die ihn euphorisch und flehend anfunkelten. „Wir treffen uns manchmal. Bei der Gelegenheit kann ich ihn ja mal fragen.“ „Warum denn nicht gleich?“, wollte sie nun hibbelig wissen. Man merkte, dass sie noch sehr jung und unausgereift war. Normalerweise bedankte man sich und forderte nicht noch mehr, aber Rei störte sich nicht daran, zu sehr war er durch seine früheren Reisen die verschiedensten Umgangsformen gewöhnt. Nicht so die anderen, die alle etwas tadelnd zu der Jüngeren sahen. Der Schwarzhaarige wog die Möglichkeiten ab. Einerseits hatte er keine große Lust mit Kai zu sprechen, andererseits könnte er sich einen Spaß daraus machen, diese energiegeladene junge Frau auf den ruheliebenden Europäer loszulassen. Ein diabolisches Grinsen formte seine Lippen, als er antwortete: „Du hast recht, wir könnten gleich gehen. Lass dir nur gesagt sein, dass er etwas ruppig ist und kaum Chinesisch kann.“ „Danke! Dann rede ich halt Englisch.“ Voller Tatendrang kramte Xiaomeng in ihrer Tasche herum, die neben ihrer Liege lag. „Hast du was zu schreiben dabei?“ Die Anästhesistin sah mit krauser Stirn zu der Hebamme in spe. „Ja! Ich habe ein weißes Stofftaschentuch und einen wasserfesten, schwarzen Stift. Das muss reichen.“ Rei stand auf und zu seiner Überraschung auch der Rest. „Hast du geglaubt wir lassen uns dieses Schauspiel entgehen?“ Amüsiert zwinkerte Aliah ihm zu. „Natürlich nicht.“ Mit diesen Worten gingen sie runter. „Kai?“ Der Graublauhaarige hob überrascht den Kopf und war verwundert, als er eine ganze Meute Chinesen auf sich zukommen sah: „Ja?“ Rei sprach Englisch mit ihm, damit alle verstanden, was er sagte und redete dabei so sachlich mit ihm, als würde er ihm erklären, wie die bevorstehende OP verlaufen würde. Keine Spur von Sympathie schlich sich in die goldenen Augen. „Das ist Xiaomeng. Sie hat dich entdeckt und mich gebeten sie dir vorzustellen. Sie hätte gerne ein Autogramm für ihren kleinen Bruder, der ein begeisterter Beyblader ist.“ Jetzt schaltete sich die Frau in Question ein: „Es wäre wirklich unglaublich nett, wenn Sie mir diesen Gefallen tun könnten!“ Fünf Augenpaare starrten ihn abwartend an, davon drei neugierig und eins strahlend: „Okay. Und wo?“ Kai hievte sich aus dem Becken und stand nun vor der fast drei Köpfe kleineren Chinesin. Aufgedreht reichte Xiaomeng dem ehemaligen Profiblader ein Handtuch, welches sie vorsorglich mitgenommen hatte, damit er sich seine nassen Finger abtrocknen konnte. Dann gab sie ihm Stift und Taschentuch, bevor sie sich umdrehte und ihren Rücken als Schreibunterlage darbot: „Mein Bruder heißt Zuko.“ Emotionslos schrieb der Graublauhaarige seinen Namen auf das Tuch und widmete es Zuko, ehe er es der quietschfidelen Frau übergab: „Vielen Dank! Ganz nett!“, und zu Rei auf Chinesisch gewandt: „Er ist doch total süß und nett.“ Sie ahnte nicht, dass Kai das verstand. Rei zuckte nur mit den Schultern, als er höflich sagte: „Ich will dir meine Kollegen vorstellen: Die hochgewachsene Schönheit ist Aliah, unsere Anästhesistin, die geschickteste OP-Schwester im Krankenhaus, Li und unser Macho und Krankenpfleger Kinay.“ Alle verbeugten sich lächelnd und Kai nickte jedem einzelnen zu. Es war seltsam nach so vielen Jahren Gewohnheit wieder auf das Händeschütteln zu verzichten. „Es freut mich euch kennenzulernen“, erklärte Kai freundlich, wie er es von Geschäftswegen gewöhnt war, doch seine Augen waren unbewegt, wie Rei es von ihm kannte. Außer wenn sie beide zusammen waren... „Gut, dann gehen wir wieder. Danke für deine Zeit.“ Mit einem Abschiedsnicken der anderen ging Rei zurück zu ihren Liegen, wobei Xiaomeng schwärmte, wie sich ihr Bruder darüber freuen würde von seinem zweitliebsten Blader, nach Rei, auch eine Unterschrift zu bekommen. Kai erwiderte den Abschiedsgruß und stieg wieder ins Becken, diesmal schwamm er jedoch ein paar Runden, dabei dieses seltsame Verhalten des Schwarzhaarigen analysierend. Rei schien ernsthaft beleidigt zu sein, so distanziert, wie er mit ihm umgegangen war, ganz so als würde sie nicht mehr verbinden als ein gemeinsamer Teamname, den sie vor einer halben Ewigkeit gute zwei Jahre trugen. Selbst mit Kenny wäre diese Geschichte herzlicher abgelaufen. Es war bereits zehn Uhr nachts, als die Krankenhausangestellten in Aufbruchsstimmung gerieten. Sie mussten morgen alle arbeiten und dementsprechend bei Zeiten raus, außer Rei, der erst wieder am Abend ran musste und sich dazu entschied bis zum Badeschluss um elf zu bleiben. Nachdem er sich von seinen Kollegen verabschiedet hatte, entschloss sich der Schwarzhaarige unter den warmen Wasserfall zu treten, der von vier Metern in ein größeres Becken mit 37°C Wasser fiel. Es war zwar kein Vergleich zu dem, bei seinem Dorf, aber es würde ihn zur Ruhe kommen lassen. Dachte er. Er stand keine fünf Minuten dort und meditierte mit geschlossenen Augen vor sich hin, als er plötzlich an den Schultern nach hinten in die dunkle Mulde hinter dem Wasserfall gedrückt wurde. Reflexartig schlug er nach den Händen, die ihn anfassten, doch der andere zog sie rechtzeitig genug zurück, um nicht getroffen zu werden. Aufgebracht erkannte Rei, wer ihn da gestört hatte: „Mensch, Kai! Erschreck mich halt nicht so! Das geht auch sanfter.“ „Tut mir leid. Ich habe dich angesprochen, aber du hast mich nicht gehört.“ „Wie verwunderlich. Das ist kein Grund mich hier so herumzuschubsen“, fauchte der Schwarzhaarige weiter. Er hatte Kai schon eine Stunde lang nicht mehr gesehen und angenommen, dieser sei nach Hause gefahren. „Was willst du?“, wollte er nun etwas ruhiger wissen. Kai sah ihm direkt in die Augen, als wolle er seine Gedanken darin lesen, als er schließlich mit geebneter Stimme anfing: „Ich wollte nur wissen, ob du mir böse wegen vorhin bist.“ Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was er meinte. Rei ließ sich innerlich seufzend auf der Bank nieder, die sich etwa dreißig Zentimeter unter der Wasseroberfläche befand, vor ihnen der Wasserfall, der sie von den anderen Badegästen abschirmte. „Ich fand das halt nicht sonderlich witzig, finde ich auch jetzt noch nicht, aber du brauchst dir wegen mir keine Gedanken mehr darüber machen.“ Es besänftigte den jungen Arzt, dass Kai sich deswegen anscheinend Sorgen um ihre Freundschaft machte. Das sollte er nicht. Das wollte Rei nicht. Kai ließ sich erleichtert neben ihn ins Wasser auf die Bank sinken: „Deine Kollegen sehen sympathisch aus.“ „Es ist immer auf sie Verlass.“ „Auch auf diese Kleine?“ „Sie ist in Ausbildung und ja, sie ist sehr zuverlässig“, Rei merkte auf, „aber nichts für dich.“ Da er glaubte das verdient zu haben, erwiderte Kai nur: „Auf die Idee wäre ich bei der nie gekommen.“ „Außerdem habe ich das mal ausgerechnet, nachdem du mich so fassungslos angesehen hast. Demnach hatte ich alle 35,6 Tage einen One-Night-Stand. Da ich aber nicht mehr genau weiß, wie viele es genau waren, sagen wir mal, jeden Monat einmal. Ich finde, dass ist noch im Toleranzbereich“, fügte Kai sachlich hinzu. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah der Chinese zum Blaugrauhaarigen, der dem Blick neutral begegnete. Das war tatsächlich nicht so krass, wie es sich anhörte. Eine andere Frage tauchte auf: „Wie alt warst du eigentlich bei deinem Ersten Mal?“ Jetzt war es an Kai eine Augenbraue anzuheben: „Das musst du nicht wissen.“ „Nach deiner Berechnung müsstest du dann zwischen...“, das klang nun erstaunt, „zwischen 19 und 21 gewesen sein.“ „20. Und verkneif dir einen Kommentar.“ Wie konnte er einem Naturwissenschaftler auch eine Zahl nennen? Er hätte damit rechnen müssen, dass der es im Kopf fertig brachte auszurechnen. Er sparte sich den Kommentar, aber seine Mimik verformte sich dennoch zu einem belustigten Ausdruck. Genervt davon, wollte Kai wissen: „Wie alt warst du denn?“ „Auf den Tag 17“, schmunzelte Rei. Sie schwiegen eine Zeit lang, lauschten auf das Rauschen des Wassers und genossen die Wärme und Ruhe hier hinten. Rei dachte über Aliah nach. Sie verstanden sich gut, hatten geflirtet und er war sich sicher, dass sie sehr wohl Interesse an ihm, über das Berufliche hinaus, hatte. Dennoch waren sie bei manchen Dingen, die ihm wahnsinnig wichtig waren, so unterschiedlich, dass er sich keine längere Beziehung mit ihr vorstellen konnte. Und mit so einer Einstellung einen Versuch zu wagen, war nicht sonderlich sinnvoll. Was anderes kam jedoch nicht mit ihr in Frage. Sie arbeiteten zusammen, sahen sich täglich und er wusste von Li, dass sie nichts von One-Night-Stands hielt. Eine andere Frau kam zurzeit nicht in Frage. Alle potenziellen Kandidatinnen für Sex oder Beziehung waren vergeben und außerhalb des Krankenhauses kannte er zu wenige Leute. Das brachte ihn auf etwas anderes: „Wie hast du diese Frau eigentlich gefunden?“ Kai öffnete die Augen: „Sie hat eher mich gefunden. Schon an der Kasse.“ „Und wie ist es dann dazu gekommen?“ Der Graublauhaarige sah ihn zweifelnd an, sodass er weiter erklärte: „Ich verstehe nur nicht, wie man von einem Augenklimpern so schnell zu Sex kommt.“ Er begriff: „Man sieht die Absichten in den Augen und ich denke, dass der Fakt, dass ich ein Ausländer bin, vielleicht als berühmt erkannt werde, auch vieles dazu beiträgt, dass es so kommt.“ „Und in Deutschland?“ Kai deutete simpel auf seine Augen. In Reis Bauch bildete sich ein unangenehmes Knäuel. „Weißt du, wie sie hieß?“ „Nein, aber andersherum wahrscheinlich auch nicht.“ Sie schwiegen wieder vor sich hin, diesmal war es aber keine sehr angenehme Ruhe. Kai fragte daher ungewollt etwas lauernd: „Willst du auch so etwas ausprobieren?“ „Was?“, fragte der Schwarzhaarige aus dem Konzept gebracht. „Einen One-Night-Stand.“ Rei schüttelte den Kopf: „Nein, das wäre wirklich nichts für mich. Ich finde den Gedanken furchtbar so was ohne Gefühle tun zu sollen mit irgendjemandem, von dem man rein gar nichts weiß.“ Allein, was es für Krankheiten gab, die man sich dabei einfangen konnte! Der Graublauhaarige schmunzelte auf diese Antwort hin, was den Chinesen ärgerte: „Was ist daran so lustig?“ Die roten Augen sahen ihn belustigt an: „Du bist der erste Mann, außerhalb eines Klosters, von dem ich solche Worte höre.“ Das unangenehme Knäuel in Reis Bauch wurde zu heißer Wut, wie er sie schon seit Jahren nicht mehr empfunden hatte, als er diese Worte verbunden mit diesen Augen, die sich über ihn lustig machten, hörte und spie ohne nachzudenken aus: „Wie soll auch ein unsensibler Idiot wie du, der nicht weiß, was Liebe ist, verstehen können, was ich meine!“ Es tat ihm leid, was er gesagt hatte, kaum dass die Worte seinen Mund verlassen hatten, doch das änderte nichts an Kais Reaktion darauf. Kai fühlte sich, als würde er plötzlich von innen ertrinken, so sehr schmerzte sein ganzer Brustkorb und seine Augen starrten fassungslos und zutiefst verletzt zu dem Menschen, von dem er nie erwartet hätte, dass er absichtlich in eine offene Wunde bohren würde, von der er wusste, dass sie da war. Gleichzeitig erfüllte es den Graublauhaarigen mit Selbsthass, dass er es hatte so weit kommen lassen. Außer Yuriy – und noch nicht einmal der so richtig – kannte ihn keiner so gut wie Rei das tat. Und daran war er selbst schuld. Kai hätte besser aufpassen müssen, so wie früher. Er wollte einfach nur noch weg, nicht mehr in diese goldenen Augen blicken müssen, für die er zu viel übrig hatte und die ihm jedes Geheimnis zu entlocken wussten. Fahrig stand Kai auf und wollte gerade durch den Wasserfall schreiten, doch diesmal war es Rei, der ihn versuchte aufzuhalten, am Handgelenk packte und zu sich umdrehte: „Kai, nein! Bitte nicht! Das war nicht so gemeint.“ Der Graublauhaarige versuchte sich von dem eisernen Griff zu lösen, was ihm misslang. Als er seine zweite Hand zu Hilfe nehmen wollte, packte Rei auch diese und hielt ihn so überraschend fest, dass Kai es mit purer Kraft nicht mehr schaffte sich zu befreien. Daher zischte er bedrohlich leise: „Lass mich sofort los! Ich hasse das nämlich auch.“ „Bitte, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“ Rei blickte verzweifelt in rubinfarbene Meere, in denen ein Sturm aus negativen Gefühlen tobte und er wünschte sich, er könnte die Zeit zurückdrehen. „Lass mich sofort los oder du wirst es bereuen“, drohte Kai, keine zwanzig Zentimeter von Reis Gesicht entfernt. „Das werde ich auch, wenn ich dich loslasse“, erwiderte er leise und unnachgiebig. „Das hättest du dir vorher überlegen sollen.“ Er zog ein wenig, aber seine Handgelenke wurden wie in einem Schraubstock festgehalten. „Das war nicht so gemeint, ich...“ „Und ob das so gemeint war!“, fuhr Kai ihn plötzlich an und ging einen Schritt auf ihn zu, wobei Rei ebenfalls einen rückwärts tat. „Du hast genau gewusst, was du sagst. Du wusstest, dass du mich damit verletzten würdest und das wolltest du auch!“ „Nein, wollte ich nicht!“ Der Schwarzhaarige musste erneut zurücktreten. Der Graublauhaarige fing an sich heiß zu reden: „Glaubst du, ich habe mir dieses Leben ausgesucht? Ohne Eltern aufzuwachsen? In einer Abtei bis zum Exzess gedrillt zu werden, nie zu erfahren, was es bedeutet gemocht oder geliebt zu werden? Woher soll ich mir die Fähigkeit denn ziehen, vernünftige Beziehungen – egal welcher Art - zu führen?“ Der ganze Frust darüber kam nun zum Vorschein und das war allein die Schuld von diesem dummen Chinesen und seinen unwiderstehlichen Augen, dass er sich nicht beherrschen konnte. „Aber du hattest doch uns und ich denke, du unterschätzt dich da“, gab Rei fast kleinlaut von sich. Da hatte er eine ganz schöne Lawine losgetreten und warum? Aus purer Dummheit. Nicht einmal auf den Alkohol konnte er es schieben. Diese Aussage fachte Kais Wut nur weiter an, aber diesmal fuhr er bedrohlich leise fort: „Hattest, ja. Ich weiß, dass es meine Schuld ist, dass ich alleine bin und hör auf mir zu erzählen, ich würde mich unterschätzen.“ Nun stand der Schwarzhaarige mit dem Rücken zur Wand, die Bank in den Kniekehlen und Kai direkt vor ihm. Trotzdem ließ er seine Handgelenke nicht los. „Du hast doch Freunde und du hast mich“, Rei sprach leise und ernst, „auch, wenn ich zuweilen ein Arschloch bin und aus Frust schlimme Dinge sage, werde ich immer da sein, ob du es willst oder nicht.“ Der Graublauhaarige atmete von der Aufregung etwas schneller als gewöhnlich und war von oben bis unten angespannt, sobald der Schwarzhaarige jedoch diese Worte sagte, verebbte die Wut und hinterließ ihn nur mehr deprimiert. Er schloss seine Lider und atmete tief durch, ehe er wieder zu Rei sah, der seinen Blick besorgt erwiderte. Kai hatte gar nicht realisiert, wie nah sie voreinander standen. Er konnte die Wärme spüren, die der andere Körper ausstrahlte, jeden einzelnen Wassertropfen sehen, der über die wahrscheinlich weiche Haut perlte. Die schwarzen Haare waren übersäht mit im Halbdunkel glitzernden Tropfen und Kai verfluchte sich, dass er diese ganzen Details bemerkte, sie viel zu faszinierend fand und ihn über seine Enttäuschung hinwegtrösteten. Rei beobachtete den Wandel in den roten Augen. Sie verloren ihr wütend-trauriges Funkeln und nahmen einen undeutbaren Ausdruck an. Anscheinend beruhigte Kai sich, verzieh ihm vielleicht. Erleichterung machte sich in ihm breit und Rei musste erstaunt feststellen, wie dabei eine ungeheure Last von seinen Schultern zu fallen schien. Er fühlte sich auf einmal so unglaublich ausgelaugt. Sein Griff lockerte sich ebenfalls, allerdings eher unbewusst. „Was hat dich so wütend gemacht, dass du mir das gesagt hast? Ich verstehe es nicht“, flüsterte der Graublauhaarige, den Blick auf Reis Schlüsselbein gerichtet. „Ich“, begann Rei unschlüssig. Ja, was war es, das ihn so hatte durchdrehen lassen? Streng genommen waren Kais Worte nicht Grund genug dafür gewesen, ganz zu Schweigen davon, dass es überhaupt nicht seiner Natur entsprach so zu explodieren und auch noch auf so verletzende Art und Weise. Fragend sah er zum Graublauhaarigen, als fände er dort die Antwort. Er stand sehr nah bei ihm. Normalerweise hielten Menschen immer einen gewissen Abstand voneinander, meist eine gute Ellenbogenlänge bis zu einem Meter. Er konnte nicht noch weiter zurückweichen und Kai war anscheinend zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um sich daran zu stören. Rei sah gegen das Licht und konnte nicht alles so deutlich erkennen, trotzdem blieben seine Augen an den zweifarbigen Haaren hängen. Sie hingen Kai nass herunter und der Schwarzhaarige konnte nicht umhin diesen Anblick als interessant, neu und... irgendwie schön zu finden. Dann nahmen ihn die roten Augen gefangen, die in diesem Zwielicht beinahe violett wirkten. Kai war etwas besonderes - schon immer gewesen - und er konnte verstehen, warum die Frauen ihn nicht von der Bettkante stießen. Es war nur zu schade, dass keine von ihnen sich die Arbeit machen wollte hinter seine Schutzmauer zu blicken. Es war anstrengend, nervenaufreibend und beanspruchte einiges an Einsatz, aber man wurde früher oder später mit freudig glänzenden Augen, nackte Ehrlichkeit und Vertrauen belohnt. Und wenn man die hatte, dann war die Sache mit der schwankenden Loyalität bestimmt ebenfalls in den Griff zu bekommen. Und Rei konnte sich vorstellen, dass es beneidenswert sein musste von Kai geliebt zu werden. „Rei?“ Kais irritierte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Hm?“ Plötzlich spürte er die warme Haut unter seinen Fingern, welche die Handgelenke des Graublauhaarigen festhielten, überdeutlich. „Was denkst du?“, fragte Kai ehrlich verwundert. „Wieso?“ Er verstand nicht. Unvermittelt spürte er, wie Kai eine seiner Hände aus dem mittlerweile lockeren Griff befreite und mit den Fingern hauchzart über seine Wange fuhr, was ihn erschaudern ließ. Reis Sinne schienen auf einen Schlag auf Hochtouren zu laufen. Seine Haut fühlte sich plötzlich heiß an, dort wo die Finger ihn berührten. Er spürte Kais Atem auf seinen Lippen, was ein Kribbeln in seinem Bauch verursachte, das ihn allem Anschein nach in den Wahnsinn treiben wollte. „Der Ausdruck in deinen Augen...“ Heiße Schauder durchliefen ihn. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe die Bedeutung zu Rei durchsickerte. Als der Groschen letztlich fiel, kam es ihm vor, als würde alles anfangen zu verschwimmen. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch er wusste nicht was, schloss ihn wieder und kam sich dabei vor wie ein Karpfen. Was zum Teufel passierte hier? Träumte er? Das war doch grotesk. Ein ganzer Wirbel an Gedanken sauste durch seinen Kopf, als er noch wahrnahm, wie Kais Augen ihn verunsichert ansahen, ehe sich ihr Ausdruck erneut undeutbar veränderte. Das Nächste, was er wahrnahm, waren die Lippen des Graublauhaarigen, die seinen auf einmal so nah waren. „Was machst du mit mir?“, hauchte Kai gegen die seinen. Unfähig sich zu bewegen, erwiderte er: „Ich weiß nicht.“ Ganz vorsichtig überbrückte Kai die letzten Millimeter und berührte sanft die fremden Lippen. Beide seufzten auf, ob der kurzen Berührung, bevor sie sie erneut zaghaft verschlossen. Immer wieder hauchten sie einander zärtliche Küsse auf die Lippen, bis sich ihr scheues Verlangen nicht mehr in Schranken halten ließ und sie sich inniger küssten, die Lippen gierig aufeinander pressten. Dann öffneten beide, wie auf ein geheimes Signal hin, ihren Mund. Als könnte der jeweilig andere daran zerbrechen, streckten sie langsam die Zunge nach einander aus. Kaum berührten sich die Spitzen, stob Kai plötzlich davon, als hätte er sich verbrannt. „Scheiße!“, fluchte er vollkommen außer sich, starrte zu Rei, der verpeilt an der Wand stehen blieb. „Hm?“ Der Schwarzhaarige blinzelte ein paar Mal, versuchte wieder einen vernünftigen Gedanken zu fassen. „Was machen wir hier eigentlich? Verdammt!“, tobte der andere derweil weiter. „Was ist denn jetzt passiert?“ Rei war genauso durcheinander wie der Graublauhaarige. Er stieß sich von der Wand ab und ging zwei Schritte vor. Das warme Wasser kam ihm schlagartig unsagbar heiß vor und er brach in Schweiß aus. „Das würde ich gerne von dir wissen.“ „Wieso?“, fragte er innerlich zitternd. „Du hast mich so angesehen, als wolltest du gleich über mich herfallen“, gab Kai vorwurfsvoll von sich. „Aha.“ Diese Situation überforderte ihn. Erst mal musste er aus dem zu heißen Wasser raus. „Wohin gehst du?“ „Raus. Ich kriege hier einen Hitzschlag.“ Im Bad waren nur noch wenige Leute. Die Uhr zeigte halb elf. Bald würde die Glocke ertönen, die anzeigte, dass sie sich umziehen gehen mussten. Rei atmete tief die etwas kühlere Luft ein und war erleichtert, dass die Hitze etwas abnahm. Der Graublauhaarige war ihm gefolgt und stand jetzt unschlüssig neben ihm. „Warum hast du das gemacht?“, bohrte Kai anklagend nach. „Du warst doch auch noch da“, konterte Rei säuerlich. Kai war weder in der Laune, noch in der Lage sich weiter mit dem Chinesen zu beschäftigen. Er wollte nur noch nach Hause. Ohne ein weiteres Wort ging er zu den Duschkabinen, aber Rei ließ sich nicht so einfach abwimmeln. „Bleib gefälligst da! Wir müssen das jetzt klären.“ Er ging hinterher. „Müssen wir nicht. Vergessen wir’s einfach.“ Der Graublauhaarige ging in die Herrendusche. Außer ihnen war noch einer da, aber der packte gerade sein Handtuch zum Trocknen und würde jeden Augenblick gehen. Keine berauschende Aussicht. „Das kann man nicht vergessen, außer du pfeifst auf unsere Freundschaft. Die überlebt das dann nämlich nicht.“ Kai drehte sich wütend um: „Sah das für dich sehr freundschaftlich aus?“ Überrumpelt blickte Rei in die stürmischen Augen: „Willst du, dass wir jetzt jeden Kontakt abbrechen, oder was?“ Die Rubine sahen ihn perplex an, wichen seinem Blick dann erkennend aus: „Nein.“ „Dann sag mir, warum du mich geküsst hast.“ Es brauchte ganz schön Kraft, diese Worte auszusprechen, aber irgendjemand musste es schließlich tun. Doch Kai hatte anscheinend nicht vor zu antworten. Er starrte stur auf den Boden und schwieg eisern. Rei seufzte tief auf: „Gut, dann fang ich eben an.“ Das konnte ja heiter werden. Der Graublauhaarige hatte plötzlich sein Gehör wieder gefunden, denn er hob augenblicklich den Kopf und sah ihn abwartend an. Fieberhaft suchte der Schwarzhaarige nach den richtigen Worten, nur zum Schluss zu kommen, dass es sie nicht gab. Rei war meistens ein nüchterner Mensch, sachlich. Sein Beruf verlangte das neben Einfühlsamkeit und Verständnis. Und er hatte gelernt sich selbst zu analysieren, viel intensiver als in seiner Jugend, und sich nicht selbst zu belügen. Oft klappte es. Ihm war deswegen – vor allem nach diesem Kuss - nicht schleierhaft, warum er es zugelassen hatte, dass Kai ihn küsste, er ihn sogar zurück geküsst hatte. Die Symptome seines Körpers zeigten ganz deutlich, was mit ihm los war. Jetzt musste er sich nur noch dazu bringen es endlich zu akzeptieren und, noch schlimmer, es dem Graublauhaarigen gleich zu erklären, auch ohne die richtigen Worte: „Ich weiß nicht, wieso oder warum, aber irgendwie scheint es so, als hätte ich mich in dich verliebt.“ Unter anderen Umständen wäre Rei über Kais Gesichtsausdruck in schallendes Gelächter ausgebrochen, doch nun bemühte er sich darum nicht verunsichert dreinzuschauen und die Nerven zu behalten. „Du spinnst“, stellte Kai trocken fest, nachdem er sich von diesem Geständnis erholt hatte. Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief: „Wenn das so ist, dann will ich deine Erklärung hören.“ „Wahrscheinlich lag es daran“, fing er behutsam an, „dass du so lange keinen Sex mehr hattest.“ „Ach so! Und deswegen küsse ich ‘nen Kerl, der zufällig auch mein bester Freund ist. Hast recht, ich spinne.“ Beleidigt ging er zur Dusche und stellte kühles Wasser an: „Und außerdem habe ich nie gesagt, dass ich die ganze Zeit über auch nicht rumgeknutscht hätte.“ „Aber du bist hetero! Warum sollte sich das so plötzlich ändern?“ „Ich habe gesagt, was ich fühle, nicht, dass ich es auch verstehe.“ Das half Kai nicht gerade weiter. Rei sah ihn weiterhin an, sich dabei das Haarband öffnend: „Und was ist deine Ausrede deinen Freund geküsst zu haben? Wollust?“ Ein Blitzen ging durch Kais Augen: „Für wen hältst du mich eigentlich?“ Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern: „Du hast doch schon mit Männern geschlafen.“ Der Rotäugige sah ihn sprachlos an. Rei wusste, dass er ihn wieder beleidigt hatte: „Siehst du. Genauso nett finde ich deine Begründung für mein Verhalten.“ Der Graublauhaarige verschränkte die Arme vor der Brust: „Und was machen wir jetzt? Es vergessen?“ Rei sah ihn blank an, ehe er meinte: „Warum willst du immer vergessen?“ Der Graublauhaarige antwortete leise: „Ich denke, dass kriegst du schon heraus.“ Der Chinese hatte nicht die Nerven, um den heißen Brei zu reden. Es würde keine zehn Minuten mehr dauern, bis die letzten Badegäste in die Duschen strömen würden, sie keine Zeit mehr haben würden darüber zu reden. „Wie sollen wir zukünftig normal miteinander umgehen?“, fragte Rei schließlich, „Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass wir uns nicht mehr sehen, du?“ Kai sah ihn an wie ein Welpe. Mehr Antwort brauchte der Schwarzhaarige nicht: „Dann gibt es nur...“ Rei unterbrach sich und ging zu Kai, der ihn skeptisch ansah. „... die Möglichkeit...“ Die goldenen Augen verengten sich zu einem Schlitz und er musste Kai gar nicht mehr anfassen, um ihn ein paar Schritte zurückgehen zu lassen. Wenn er wollte, dann konnte auch Rei ziemlich respekteinflößend sein. Überrascht bemerkte der Graublauhaarige, wie er mit dem Rücken an die Wand einer Duschkabine stieß. „..., herauszufinden,“, mit diesen Worten zog Rei geschickt den Vorhang in seinem Rücken zu, „was daraus wird.“ So schnell konnte Kai gar nicht gucken, schon war Reis Gesicht direkt vor seinem. Er wollte den Schwarzhaarigen noch von sich schieben, etwas sagen, doch sobald weiche Lippen auf seine trafen, ihn liebevoll küssten, an seiner Unterlippe saugten, verrauchte sein Widerstandswille. Ergeben erwiderte er die sanfte Berührung, leckte über die Oberlippe des Schwarzhaarigen, bat um Einlass. Bereitwillig öffnete Rei seinen Mund, empfing die fremde Zunge sanft mit seiner, rieb sie zärtlich an ihr und hörte erfreut, wie Kai leise aufseufzte. Allmählich wurden sie forscher und erkundeten mutig den Mund des jeweils anderen, bis sie sich in einem leidenschaftlichen Kuss wiederfanden, der ihnen den Atem raubte. Als ihnen die Luft ausging, trennten sie sich voneinander und stellten beide verblüfft fest, dass sie die Arme umeinander geschlungen hatten. Rei hielt Kais Gesicht umfasst und dieser hatte ihn an der Taille an sich heran gezogen. Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue: „Jetzt sag mir nicht, dass es dir nicht gefallen hat.“ Kai antwortete mit einem kurzen Kuss auf die geröteten Lippen und wurde umgehend wieder in einen intensiven Zungenkuss verwickelt. Ein ohrenbetäubender Gongschlag ließ sie wieder auseinanderfahren. „Was war das?“ Kai sah stirnrunzelnd nach oben. „Die Badezeit ist zu Ende“, erklärte Rei außer Atem. Er sah in die verschleierten Rubine und fühlte sich so stark zu dem Graublauhaarigen hingezogen, dass er es nicht fertig brachte, sich von der Stelle zu bewegen. Er lehnte seine Stirn gegen die des anderen und genoss dieses berauschende Gefühl in seinem Bauch, das von dort durch seinen ganzen Körper strömte. Egal wie irrational diese Situation war, so falsch und unnatürlich konnte es nicht sein, wenn er so empfand. Zärtlich strich er mit seinen Händen von Kais Kopf über seinen Hals und runter zu seinen Oberarmen, dabei eine Gänsehaut auf der warmen Haut hinterlassend. „Kai?“, hauchte er. „Hm.“ Er versank regelrecht in den goldenen Augen, die ihn so sanft ansahen und ihn schaudern ließen. „Wenn ich jetzt gleich gehe, will ich, dass du mir vorher versprichst, nicht vom Erdboden verschluckt zu werden.“ „Ich muss eine Konventionalstrafe zahlen, wenn ich die nächsten zweieinhalb Jahre nicht hier arbeite.“ „Gut.“ Ruckartig löste Rei sich von dem Graublauhaarigen, wie sich herausstellte keine Sekunde zu früh, denn im selben Augenblick strömten die ersten Badegäste zu den Duschen. _______________________________________________________________________________________________________________________ Ich kann einfach keine vernünftigen Kussszenen schreiben. Es ist zum Heulen -_- Ich hatte ein paar Szenario im Kopf, wo das Kapitel spielen sollte. Es ist im Thermalbad gelandet, wie man unschwer erkennen konnte. Da hatte ich dann das Problem, dass die anderen Szenen nicht mehr so richtig hineingepasst haben. Das Resultat sind 6231 Wörter und jede Menge Hoch und Tiefs für die Protagonisten. Im nächsten Kapitel kommt es noch mal recht bunt und erklärt noch ein paar Sachen, die hier nicht mehr zu Wort kamen. Ich hoffe trotzdem, dass das Kapitel Anhänger findet, ansonsten freue ich mich über Verbesserungsvorschläge^^! Bye Minerva Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)