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Der Weg zurück

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Reden besänftigt die Seele

„Du brauchst mich wirklich nicht nach Hause bringen, Oliver. Ich hab doch gesagt, dass ich noch spazieren gehen möchte.“, wiederholte sich Katie nun schon zum fünften Mal. „Ein Spaziergang kann mir auch nicht schaden. Außerdem sollten kleine Mädchen wie du nicht alleine durch die Nacht streifen.“ „Kleines Mädchen? Ich bin nicht klein und ich bin auch kein Mädchen mehr. Vielleicht solltest du endlich mal einsehen, dass ich nicht mehr die kleine Katie aus Hogwarts bin, die dir gerade nur bis zur Hüfte reichte.“, beschwerte sich Katie. „Du warst schon größer als meine Hüfte und ich weiß, dass du nicht mehr fünfzehn bist. Ich bin ja auch nicht blind.“

Eigentlich wollte sich Oliver nicht mit Katie streiten. Hatte es nie gewollt. Sie war immer der kleine Sonnenschein in seinem Team gewesen. An den Tagen, wo er fast verzweifelt war, weil sein Team einfach nur grottig war, hatte ein einziger Blick in ihr Gesicht genügt, um wieder Hoffnung zu schöpfen. Oder wenn er morgens ihr verschlafenes Gesicht am Frühstückstich gesehen hatte, konnte er ein Lächeln nicht verhindern, weil sie einfach so süß ausgesehen hatte. Allgemein hatte Katie für ihn immer süß ausgesehen. Wenn sie mit wehendem Haar durch die Gänge gerannt war, weil sie wieder einmal zu spät war; wenn sie sich vor ihm aufbaute, weil sie wieder meinte, dass er ungerecht zum Team gewesen war; wenn sie schlecht gelaunt war, weil sie wieder eine Hausarbeit nicht mit einem E oder O zurückbekommen hatte.

„Ach wirklich? Meiner Meinung nach sahst du doch nichts anderes als deinen Quaffel.“, neckte Katie ihn weiter. „Nur weil ich auf ein Ziel fixiert war, heißt das noch lange nicht, dass ich nichts um mich herum wahr genommen habe. Vielleicht war ich nicht einer von denen, die hinter jedem Mädchen her gepfiffen haben, aber das sagt doch immer noch nicht, dass ich nicht mitbekomme, wie du groß geworden bist, wie du zur Frau geworden bist, wie du schon wieder versuchst, uns in einen Streit zu verwickeln.“, erklärte Oliver sich. Beide bekamen nicht mit, wie die Menschen um sie herum sie anstarrten, hinter vorgehaltenen Händen tuschelten. Sie bekamen nicht mit, wie sie beinahe von einem Auto überfahren wurden oder wie sich der Autofahrer über sie beschwerte. Sie waren einfach wieder zu sehr auf sich fixiert. Wie schon in Hogwarts, wenn sie sich gestritten hatten. Niemals hatten sie mitbekommen, wie ihre Mitschüler über sie getratscht hatten. Wie sie fanden, dass sie ein super süßes Pärchen abgeben würden.

„Hast du wirklich mitbekommen, dass ich erwachsen wurde? Das habe ich nicht gemerkt. Du hast mich immer angesehen, als wäre ich das zwölfjährige Mädchen, dass du in dein Team geholt hast, weil es viel Energie hatte, weil es gut werfen konnte, weil sie sich schnell bewegen konnte, um einem Klatscher auszuweichen. Du hast mich immer angesehen und dabei nur an Quidditch gedacht. Nur an diesen bescheuerten Sport. Du hast nie mich gesehen.“ Tränen stiegen Katie in die Augen. Es kam alles wieder hoch. Ihr Schwärmereien für ihn. Sie waren vielleicht noch ein wenig die eines kleinen Mädchens, doch vor allem, waren sie die Gefühle einer erwachsenen Frau, die sich selbst nicht verstand. „Ich habe dich nicht gesehen? Wie sollte ich das nicht? Du warst ständig da. In meinem Spiel, weil ich ständig nach dir geschaut habe. In meinem Kopf, wenn ich mich auf andere Aufgaben konzentrieren sollte. In meinen Träumen, wenn ich am tiefsten schlafe. In einfach allem. Aber es durfte nicht sein. Darf vielleicht auch jetzt noch nicht sein.“ Oliver drehte sich von Katie weg.

Warum hatte er das gerade alles gesagt? Warum hatte er ihr gestanden, dass sie immer in seinem Leben war. Dass er sie nie losgelassen hatte. Warum hatte er nicht einfach seinen Mund gehalten? Geschwiegen, wie die ganzen sieben Jahre, die er sie jetzt nun anhimmelte. Selbst jetzt konnte er nur daran denken, wie sehr er sie liebte. Sieben Jahre… Nicht umsonst hatte er sich geschworen, sich nicht weiter mit Frauen zu treffen, die er nur mit Katie verglich.

„Warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte Katie leise nach. „Wie denn? Am Anfang warst du gerade mal zwölf, dann warst du im Team. In einem Team, das ich nicht zerstören wollte, nur weil ich eine Schwärmerei für dich hatte. Ja, ich hab es als Schwärmerei abgetan, aber es war mehr. Das habe ich mit der Zeit auch verstanden. Als du vierzehn wurdest, habe ich nur gedacht, jetzt ist sie endlich alt genug, doch dann gratulierten dir Fred und George und ich wurde wieder an das Team erinnert. Das beste Team, was Hogwarts jemals hatte, jemals haben wird. Also habe ich wieder geschwiegen. An meinem achtzehnten hatte ich mir dann geschworen, dass ich nichts unternehmen würde, solange du minderjährig bist. Dann warst du endlich alt genug und ich hatte nicht den Mut.“ Oliver sah ihr in die Augen und schüttelte den Kopf. „Es war nach dem Attentat mit der Kette, als du im St. Mungos lagst. Du warst im Koma und als ich dich da liegen sah, dachte ich zuerst du wärest tot. Mein Herz ist fast stehen geblieben, weil ich nicht in deine strahlenden Augen sehen konnte. Ich glaube, die ganzen Schwestern wären am liebsten Amok gelaufen bei dem Aufstand, den ich gemacht habe nur um zu dir zukommen. Das ganze Krankenhaus hat einen riesen Aufstand gemacht, dass niemand zu dir kommen durfte. Schutzmaßnahmen.“

„Du warst da? Du warst wirklich da?“, fragte Katie geschockt nach. „Ja ich war da. Ich habe die ganze Zeit nachts bei dir gesessen. Die Schwester waren anfangs sauer und wollten mich immer rausschmeißen lassen. Aber dann hatten sie mir abends immer was zu essen gebracht. Einen bequemeren Sessel. Wenn ich mal später kam, haben sie versucht mich zu erreichen. Sie meinten, dass es dir gut täte, wenn ich in der Nähe war. Also bin ich jeden Tag und so früh ich konnte gekommen. Die Schwestern habe ich dazu verdonnert, dass niemand von meiner Anwesenheit erfuhr. Meine Teamkollegen und Freunde wussten nicht, wo ich meine Nächte verbrachten, aber sie wussten, dass ich nicht viel schlief. Jeder hat es gemerkt und scherzhaft haben die Medien geschrieben, dass ich jede Nacht eine Orgie nach der anderen feiern würde. So bin ich auch zu meinem Spitznamen gekommen – Woodsox.“ „Und ich hab mich schon gefragt, wie die Leute darauf kamen.“, murmelte Katie, während sie in einem Schaufenster die Auslage betrachtete.

„Ja, und so komisch es klingen mag. Du kontrollierst mein Leben. Für dich würde ich von heute auf morgen den Kontinent wechseln. Ich würde meine Karriere aufgeben, wenn du es von mir forderst. Also sag mir noch einmal, dass ich nur Quidditch im Kopf habe.“, fuhr Oliver sie an. Er wusste nicht, warum er sauer war. „Sag mir nicht noch einmal, dass ich kein Mensch bin. Sag mir nicht, dass ich mich hinter Quidditch verstecke. Das tu ich nicht. Ich verstecke mich vor dir, verstecke mich vor meinen eigenen Gefühlen.“

„Warum?“, fragte Katie einfach nur. „Weil du Katie bist. Weil du dein eigenes Leben hast, in dem ich keinen Platz habe. Wo nie ein Platz für mich war. Du bist auf dem besten Weg Medimagierin zu werden. Wo wäre da ein Platz für einen schottischen Quidditchspieler?“ „Du liebst mich noch immer?“, fragte Katie und strahlte ihn an. „Bist du wirklich so oder tust du nur so?“, fragte Oliver sie leicht wütend, sodass sein schottischer Akzent durchkam. „Wie bin ich?“, fragte Katie nach, der das Lächeln vom Gesicht verschwunden war. „Na so begriffsstutzig. Aaron und Feli wissen seit Jahren, dass ich für dich schwärme, und meinen, dass es jeder sehen kann. Warum also kannst du es nicht sehen?“ „Vielleicht weil du, schottischer Idiot, dich immer in meiner Nähe wie das letzte Arschloch benimmst? Du schreist mich meistens an, ignorierst mich die meiste Zeit und siehst in mir nur eine Zwölfjährige, die ich schon seit Jahren nicht bin. So und wenn du jetzt nichts dagegen hast, würde ich gerne in meine Wohnung gehen und irgendetwas an die Wand schmeißen, weil du so ein Kröter bist.“ Katie drehte sich um und verschwand in dem Eingang des Altbaus.

Sie war so in das Gespräch oder besser gesagt in den Streit vertieft gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, dass sie nun vor ihrer Wohnung standen. Oliver blickte ihr kurz nach, dann wollte er sich umdrehen und selbst den Heimweg antreten, doch dann überlegte er es sich anders. Sie beschuldigte ihn, ein Idiot zu sein? Nur weil er bis jetzt nichts unternommen hatte? Sie lebten doch in einer emanzipierten Welt. Waren es nicht die Frauen gewesen, die so einen Trabbel gemacht hatten, um genau wie Männer behandelt zu werden? Warum also musste er den ersten Schritt machen? Wutschnaubend stieg Oliver die Treppe in den dritten Stock hinauf. Er wusste eigentlich nicht genau, wo Katie wohnte, aber irgendein Instinkt sagte ihm, dass sie im obersten Stockwerk wohnte. Und natürlich ohne Aufzug.

„Bell, mach sofort die Tür auf!“, schrie Oliver und hämmerte gegen ihre Wohnungstür. Natürlich öffnete sie nicht. Nach fünf Minuten des Hämmerns lugte hingegen ihre Nachbarin aus ihrer Wohnung heraus und bekam fast eine Herzattacke als sie ihn erkannte. Doch Oliver ließ sich nicht so schnell mehr abwimmeln. Er würde Katie jetzt zur Rede stellen. „Bell, wenn du nicht augenblicklich diese verdammte Tür auf machst, dann sprenge ich sie auf. Vergiss nicht, dass ich ein Zauberer bin!“ Als Antwort flog irgendwas gegen die Tür. „Katharina Marie Bell!“, schrie Oliver. „Verdammt, Wood, hau endlich ab. Ich habe keine Lust auf einen Streit!“, schrie ihm Katie von drinnen entgegen. „Ich will nicht streiten, sondern endlich Klartext reden. Komm schon, Bell.“

Wütend riss Katie die Tür auf. „Dann fass dich kurz. Ich muss morgen früh raus.“, knurrte sie ihn an. Ihre Augen verhießen auch nichts Gutes. Am besten wäre es wirklich, wenn er Reißaus nehmen würde. Aber natürlich kam diese Idee nicht in seinen schottischen Dickkopf.

„Katie, es tut mir leid. Vielleicht hab ich mich nicht immer richtig verhalten, aber verdammt, warum werde nur ich hier fertig gemacht. Du hättest auch mal was sagen können.“ Oliver konnte irgendwie doch nicht das Fluchen lassen. Es ärgerte ihn, dass sie ihn als Arschloch sah. „Wieso ich? Du bist immer noch der Ältere.“, fauchte Katie. „Entschuldige mal. Du bist doch so für die Gleichberechtigung und dass ich in dir nicht mehr die Zwölfjährige sehe. Warum also muss alles von mir ausgehen?“ „Weil immer der Mann den ersten Schritt wagt.“, murrte Katie. Oliver verdrehte seine Augen und schritt weiter in die Wohnung hinein. Sie war nicht groß. Vielleicht nur ein Viertel von seiner eigenen, aber sie hatte einen Charme. Während in seiner Wohnung vor allem weiß und eher triste Farben dominierten, war hier ein wahres Farbenmeer. Und es passte alles zusammen, machte Katie aus.

„Lassen wir das lieber ruhen, denn sonst streiten wir doch nur wieder.“ Oliver setze sich einfach erst einmal. „Was macht deine Ausbildung? Müsstest du nicht bald Examen haben?“ „Ja, übernächsten Monat ist es soweit. Mir graut es jetzt schon davor. Aber dann habe ich es auch endlich geschafft. Und bei euch? Wie viele Spiele habt ihr noch vor euch?“ „Nächste Woche ist das Endspiel in der Liga. Drei Tage später ist das Finale der Europaleague und dann habe ich endlich Urlaub.“ „Dann fliegst du doch bestimmt irgendwo in die Südsee, oder?“ „Nein, ich wollte eine Woche nach Hause fahren. Meine Eltern vermissen mich. Danach wollte ich erst einmal irgendwohin, wo mich keiner kennt.“ Katie nickte nur und setzte sich neben ihn. „Dir geht das Berühmtsein auf die Nerven, was?“ „Jap. Ich spiele Quidditch weil es mir Spaß macht. Dieses Gekreische und dieser ganze Hype um die einzelnen Spiele ist einfach nicht meine Welt.“, gestand Oliver.

„Wie in Hogwarts. Du hast die Mädchen alle verabscheut, die Cedric Diggory anhimmelten. Du hast Angi, Ali und mir sogar gedroht uns aus der Mannschaft zu werfen, wenn wir auf den stehen würden. Zum Glück hast du nicht mitbekommen, wie Alicia zwei Wochen auf ihn gestanden hat.“, lachte Katie ihn an. „Alicia hat auf den Kerl gestanden?“, Oliver konnte es nicht fassen. „Hei, reg dich nicht auf. Es waren nur zwei Wochen und immerhin ist Cedric noch immer besser gewesen als Flint.“ „Willst du, dass ich Albträume kriege? Flint und eine von euch drei.“ „Kommen da etwa die Beschützerinstinkte auf?“, fragte Katie neckend. „Vielleicht, aber du stimmst mir doch zu, dass man bei Flint einen Würgereflex bekommt.“, brummte Oliver und Katie lachte nur auf.

Die beiden sprachen noch eine ziemliche Weile miteinander und vergasen dabei die Zeit. Als sie zum ersten Mal auf die Uhr sahen, war es bereits drei Uhr morgens. „Ich glaube, ich ollte mal langsam gehen. Du musst morgen früh raus…“, begann Oliver, doch Katie winkte ab. „Du kannst ruhig hier bleiben. Das Sofa kann man ausziehen.“ Oliver blinzelte eine Weile. Noch nie hatte ihm jemand gesagt, dass er auf dem Sofa schlafen sollte. Aber immerhin war immer das erste Mal. „Ich muss morgen dann aber auch früh gehen, bevor Gerüchte aufkommen…“ „Ich weck dich um sechs. Dann ist im Haus noch niemand wach. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Katie verschwand in ihrem Zimmer und Oliver machte sich daran sein Nachtlager aufzubauen.



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