Der Hauch auf dem Spiegel von Weissquell (FF zu dem Thema: "Was geschah davor") ================================================================================ Epilog: Der letzte Weg ---------------------- Blut fällt in dicken Tropfen in den Schnee. Leise rauscht das Meer am Rande von Inu Taishous Bewusstsein. Ein kalter Wind schneidet ihm ins Gesicht, doch der Daiyoukai nimmt es kaum wahr, ebenso wenig den dumpfen Schmerz in seiner Seite, aus dem allmählich seine Lebenswärme entweicht. Das ist es nun, das Ende! Es war anders geplant, wie so vieles in letzter Zeit. Ein Sprichwort sagt: Ehre und Spiegel werden schon durch einen kleinen Hauch getrübt. Sein Hauch hat viele Namen. Izayoui, das Menschenmädchen, das sein Herz gewann und ihn seine Verantwortung vergessen ließ. Kossoridoku, dem er mehr zumutete als er moralisch verkraften konnte. Mimaru, deren Herz er brach und die daraufhin mit ihm brach. Ryuukotsusei, der bisher erste Gegner, der ihm ernsthaft gefährlich geworden ist und der für sein Ableben verantwortlich sein wird. Inu Taishou senkt den Blick. Ich habe so viele Fehler gemacht. Nur eine Sache bleibt jetzt noch, die es richtig zu machen gilt. Jetzt, da er auf dem Rückweg von Totosai von Ryuukotsusei angefallen und schwer verletzt wurde. Jetzt, da Myoga ihn über die Situation in Izayois Heimatschloss informiert hat. Jetzt, da es zu verhindern gilt, dass seine Geliebte für etwas getötet werden soll, dass er verursacht hat. Jetzt, da er seinen ältesten Sohn zum letzten Mal sieht. Sesshomaru steht hinter ihm. Warum er Myoga begleitet hat, kann er sich beinah denken. „Ihr wollt also gehen, Chichi-ue?“, vernimmt er die vertraute Stimme seines Sohnes. Inu Taishou hebt den Kopf. Wie erwartet. „Willst du mich aufhalten, Sesshomaru?“ „Nein, das habe ich nicht vor“, kommt die ruhige Antwort. Inu Taishou hebt leicht die Brauen. Das kommt überraschend. Billigt sein Sohn was er vorhat, oder scheut er selbst so noch den Kampf mit ihm? Doch schon ergreift der junge Daiyoukai erneut das Wort. „Aber bevor Ihr geht, überlasst mir, Sesshomaru, die beiden Reißzähne Sou'unga und Tessaiga!“, seine Stimme klingt jetzt sehr förmlich. Der Daiyoukai seufzt lautlos. Glaubt der Junge noch immer, dass es die Stärke ist, die einen Fürsten ausmacht? Wie weit würde er dafür gehen? Mit Sicherheit hat er seine Verfassung erkannt. Rechnet er sich nun Chancen aus? „Und wenn ich mich weigere? Tötest du dann mich, deinen Vater?“ Sesshomaru schweigt. Er muss ihn nicht töten, sein Vater wird ohnehin sterben, das spürt er. Er versteht zwar nicht, warum er das für eine gewöhnliche Menschenfrau in Kauf nimmt, aber es ist nicht an ihm, die Entscheidung seines Vaters anzuzweifeln. Doch sein Vater weiß, dass er sterben wird. Warum gibt er dann nicht die Herrschaft offiziell mit den beiden Schwertern an ihn ab? „Sehnst du dich so sehr nach Macht?“, reißt ihn die unvermutete Frage aus seinen Gedanken, „Warum verlangt es dich immer so sehr nach Macht?“, es klingt fast wie ein Bedauern. Sesshomaru zögert kurz. Wie kann er sein Anliegen nur deutlich genug erklären, ohne unhöflich zu werden? Auf einmal fallen ihm die Worte seiner Mutter wieder ein: „Mein Schicksal ist es zu herrschen und Macht ist das Mittel mit dem ich dieses Schicksal erfüllen werde.“ Inu Taishou senkt den Blick. „Das Schicksal zu herrschen?“, murmelt er. So kann man es auch sehen. Aber versteht sein Sohn auch, was es bedeutet zu herrschen? Dass herrschen mehr ist als nur Macht auszuüben? Dass Macht auch Verantwortung bedeutet? „Sesshomaru, hast du etwas, das du beschützen willst?“ Die Frage trifft den jungen Daiyoukai überraschend. „Etwas das ich beschützen will?“, wiederholt er bei sich. Würde das nicht bedeuten, Angst zu haben, etwas zu verlieren? Doch dann strafft er sich: „Ich, Sesshomaru, habe so etwas nicht nötig!“ Mit einer resoluten Geste untermauert er diese Behauptung. Der Fürst schließt die Augen. Sesshomaru, ich hoffe du wirst irgendwann feststellen, dass Liebe keine Schwäche ist. Im Gegenteil: Jemanden zu beschützen, ist der einzige Grund, weshalb man sein Leben aufs Spiel setzen sollte. Das gilt auch und ganz besonders für das Oberhaupt eines Volkes! Mit diesen Gedanken lässt er sein Youki fließen und nur wenige Augenblicke später bewegt sich ein gewaltiger Hund unaufhaltsam über den Himmel seinem Ziel und seinem Ende zu. Sesshomaru blickt seinem Vater noch eine Weile nach. Hast du etwas, dass du beschützen willst? Die Worte hallen noch immer in ihm nach. Ob sein Vater ihm doch etwas anderes damit sagen wollte? Jemanden beschützen. Diese Entscheidung kostet seinen Vater das Leben und seinen guten Ruf und das Reich kostet es seinen Fürsten. Was mag seinen Vater nur zu dieser Entscheidung getrieben haben? Das ist doch einfach nur... „Sinnlos!“ Mit diesem Wort wendet sich Sesshomaru zum Gehen. Schon bald werden neue, schwierige Aufgaben auf ihn zukommen. Bald, wenn er der neue Fürst des Westens ist und die beiden Schwerter aus dem Nachlass seines Vaters erhält. Schon bald! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)