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Catch you if I can.

[Itachi/Sasuke- Centric]
von

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Prolog: warmness <> coldness


 

Prolog: warmness <> coldness

If you're alone, I'll be your shadow.

If you want to cry, I'll be your shoulder.

If you want a hug, I'll be your pillow.

– Author unknown
 

Überall im Haus seiner Großeltern wurde gut geheizt. In manchen Räumen noch mit Holz, weil sie das gemütlicher fanden, hatte seine Großmutter ihm sofort erzählt. In anderen ganz normal mit Gas über eine Heizung. Nachdem sie Sasuke ein wenig vom Haus gezeigt hatte – die anderen Familienmitglieder waren wohl nicht daheim – öffnete die Nakano eine Tür, die von der großen, geräumigen Küche in eine Art Garage führte. Es war keine richtige Garage stellte Sasuke fest. Er fröstelte leicht, als ihm ein Schwall kalter Luft entgegen kam.

„Die Heizung ist noch nicht intakt, aber Anfang nächster Woche kommt sofort jemand vorbei, um das zu beheben.“

Sasuke nickte verstehend. Es war wahrscheinlich zuvor zu kurzfristig gewesen. Vor Weihnachten nahmen weniger Firmen noch Aufträge an, konnte er sich vorstellen und seine Großeltern hatten bis vor wenigen Tagen wohl nicht mal gedacht, dass sie ihren Enkel noch über die Feiertage zu sich holen konnten.

Sasuke schaute sich in dem Zimmer um. Man konnte schon sehen, dass es eben kein normales Zimmer war, wie die restlichen des Hauses, die er bereits gesehen hatte, sondern eben eher eine Art Garage oder Werkstatt. Die Wände waren folglich aus Backsteinen, wie sie eher an einer Außenmauer zu sehen war und der Boden bestand ebenfalls aus Mauerboden. Es gab ein Fenster zum Garten heraus. Die dunklen Vorhänge waren geöffnet und ließen die letzten Sonnenstrahlen des kalten Weihnachtstages in das Zimmer. Neben dem Fenster stand ein kleines Regal, seitlich an der Wand ein Holzschreibtisch, samt Stuhl und einem zweiten Regal, wahrscheinlich für Schulsachen später. Auf der anderen Seite des Zimmers, näher an der Tür, stand ein Bett, bezogen mit einer breiten, dunkelblauen Tagesdecke. Hinter dem Bett stand ein klobiger Schrank und am Kopfende ein kleines Tischchen mit Lampe. Sasuke schätzte, jeder normale Teenager hätte dieses Zimmer nicht als besonders Einladend empfunden, aber es genügte ihm. Es sollte sein Zimmer werden, das war doch nicht schlecht, oder? Er hatte ein eigenes Bett, hatte sogar einen Schreibtisch und vielleicht durfte er, wann immer er wollte, die Türe schließen.
 

„Ich hoffe es ist in Ordnung für ein paar Tage“, hörte er seine Großmutter. „Nach den Feiertagen können wir gerne für ein paar Kleinigkeiten schauen gehen.“

Kleinigkeiten? Fragend schaute Sasuke seine Oma an, die weiter sprach: „Ein großer Teppich – der Boden ist ja nicht so einladend, nicht? Wir hatten keinen anderen Raum als Möglichkeit und dein Großvater hat sich bereit erklärt seine Werkstatt aufzugeben. Seit ein paar Jahren ist er hier aber wirklich kaum mehr gewesen um sich die Zeit zu vertreiben.“

Entschuldigend schaute Sasuke seine Oma an. Ihm war es schon jetzt nicht wohl dabei, so viele Unannehmlichkeiten bereitet zu haben.

„Nun, wie auch immer“, sprach seine Großmutter. „Du kannst gerne deine Taschen auspacken. Ich rufe dich dann zum Abendessen – dann sind die anderen auch da.“

„Ja“, nickte Sasuke, fragte sich, wer die anderen waren. Er wusste, dass seine Großeltern noch zwei Kinder hatten. Einen Sohn, der um einige Jahre älter war, als Sasukes Vater, aber der hatte, soweit Sasuke zurückdachte, nicht bei den Eltern gelebt, sondern mit einer Freundin – Verlobten oder was auch immer – in einem Haus an der Küste Englands. Vielleicht kamen die ja zu Besuch? Ob sie Kinder hatten? Sasuke hatte seine Familie schließlich seit vielen Jahren nicht gesehen. Er fragte sich auch, ob die Schwester seines Vaters Mann und Kinder hatte. Bestimmt, schließlich war das Leben außerhalb Sasuke innerer Welt, in der es hauptsächlich Kälte und Schmerz gegeben hatte, weitergegangen.
 

~~
 

Er fühlte sich verloren; fühlte sich so, als fehlte etwas. Seine Haare waren wirr, Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst, schon seit Stunden – so kam es ihm jedenfalls vor – saß er, nur mit dem Brief in der Hand, im Sessel. Das Bettzeug das Sasuke benutzt hatte, lag noch neben ihm auf dem Sofa, roch nach ihm und überhaupt strotzte dieses Zimmer nur so vor Sasukes Präsens. Der Tannenbaum, den sie zusammen geschmückt hatten, stand in der Ecke. Ein paar der großen Fenster waren geputzt, Andere nicht, weil Sasuke Schmerzen gehabt hatte und Itachi keine Lust mehr weiterzuputzen. Auf dem Regal lagen noch die Papiere von Stadt, Land, Fluss und die Spielkonsole war noch eingestöpselt. Die Bücher, die Sasuke von Itachis altem Jugendzimmer mitgenommen hatte, standen nun in dem Bücherregal. Wer soll denn jetzt meine Bücher lesen, fragte sich Itachi. Er selbst tat es doch nicht. Ab heute würden wieder andere Dinge in seinem Leben eine Rolle spielen. Die Gitarre, die für den Baum hatte weichen müssen und ansonsten nicht von Itachi beachtet wurden war, obwohl er sonst so häufig gespielt hatte. Wenn die Tage wieder wärmer wurden, konnte er mit seinem Moped durch die Gegend fahren und überhaupt konnte doch jetzt alles wieder entspannter werden.

Aber warum, verdammt, saß er dann so trübsinnig in diesem beschissenen Zettel und klammerte sich wie ein Ertrinkender an diesen Brief. An dieses Stück Papier. Ein Stück Papier…
 

Hallo Itachi,

Ich bin nicht gut, darin Briefe zu verfassen. Allgemein ist es ungewohnt für mich, wieder zu schreiben, aber ich möchte versuchen, Dir auf diesem Weg, das zu mitzuteilen, das ich einfach nicht habe sagen können. Du hast gemerkt, dass mir das Reden nie leicht gefallen ist. Du hast mich in den letzten Wochen, die ich bei Dir verbringen durfte, so verstanden, wie nur mein Vater zuvor und dafür – und für alles andere natürlich auch – möchte ich Dir danken. Ich weiß nicht, wie ich Dir das jemals gut machen kann, aber ich werde es irgendwie tun. Auch wenn ich es zunächst nicht wahrhaben wollte, weil ich glaubte, solche Gefühle nicht haben zu dürfen, ist deine Wohnung mehr ein Zuhause für mich geworden, als die Wohnung die ich mit meiner Mutter bewohnt habe. Du hast dich so um mich bemüht und bis zum Schluss habe ich nicht verstanden, warum.

Ich habe mich so wohl bei Dir gefühlt, sicher irgendwie. Du warst seit langer Zeit der erste Mensch, der mir nicht wehgetan hat. Im Gegenteil; Du warst immer so toll zu mir. Gerade deswegen tut es mir Leid, wie ich mich die ganze Zeit über verhalten habe. Ich habe dich behandelt, als wärst du genau wie die Männer, die mir wehgetan haben und ich habe mich angestellt wie ein totaler Idiot; ich habe nur geweint und dir Sorgen bereitet. Für all das möchte ich mich entschuldigen und auch dafür, dass ich Dir nur diesen Brief und nichts anderes geben kann. Aber auf irgendeinen Weg wollte ich Dir danken und das ist der einzige der mir in den Sinn gekommen ist.

Ich schätze ich werde nie ganz verstehen, warum du dich so um mich gekümmert hast, aber was auch immer dich dazu bewogen hat, hat mir diesen Winter das Leben gerettet. Ohne dich wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Straße gestorben.

Das werde ich dir nie vergessen; ich werde dich nie vergessen, denn – du musst mich für völlig dumm und naiv halten – für mich warst du ein Beschützer. Jemand hinter dem ich mich verkriechen konnte. Eine Wand, gegen die selbst meine größten Ängste nicht ankamen.

Frohe Weihnachten

Sasuke
 

~~
 

Sasuke saß an dem großen Esstisch aus Holz. Neben ihm seine Großmutter, die ihnen allen aus verschiedenen Töpfen aufgeschöpft hatte. Alle waren sein Großvater Kenta, sein Onkel Daiki und seine Tante Anko. Sie hatten nur einen kurzen Gruß für ihn übrig gehabt, als sein Großmutter ihn zum Essen gerufen hat. Daiki, ein kräftiger Mann mit breiten Schultern und dunklen, schütternden Haar hatte nicht mal den Kopf gehoben, war in der Position über seinen Teller gebeugt geblieben, während die junge Anko ihn gemustert hatte, wie ein falsch ausgesuchtes Möbelstück.

„Irland“, brummte sein Großvater. Sein Blick senkte sich auf den verschüchterten Teenager zu seiner Rechten. Sasuke biss sich auf die Lippe. Er hatte keine Stärke dazu, sein Heimatland – das von seinem Vater ausgewählt Land – in Schutz zu nehmen. Nicht vor den Menschen, die ihm Obdach boten.

„Kenta“, erklang nur die, nun harsch klingende Stimme der Großmutter.

„Was denn, Emi?“, brummte dieser, doch als seine Frau nicht antwortete, wandte er seinen Kopf murrend seinem Essen zu. Emi lächelte ihren Enkel wohlwollend an.
 

Sasuke aß ebenfalls ein paar Bissen, blieb stumm und versuchte einen guten ersten Eindruck zu machen. Er benahm sich gut, achtete sehr auf Tischmanieren und bat nicht um etwas zutrinken, obwohl er ein wenig Durst hatte. Er wusste schließlich nicht – da keiner der Anwesenden etwas trank – wie die Großeltern dazu standen, beim Essen zu Trinken. Trinken und Reden waren Dinge, die manche Familien beim Essen nicht dabei haben wollten. Sasuke erinnerte sich an das Weihnachtsessen der Familie Uchiha. Auch wenn sie da vielleicht nicht alle abgöttig liebten, war es voller Leben gewesen. Itachis Cousin und sein Onkel Obito, die Witze gemacht hatten, seine Mutter, die so lieb mit allen sprach, die Kinder, die vielen Gespräche und das Licht das nicht nur vom Leuchter an der Decke kam, sondern auch von den Kerzen auf dem Tisch und dem Lachen der dortigen Menschen. Hier schwiegen sie, niemand lachte und es gab keine Kinder, die den Geschenken entgegen fieberten.
 

„Hat deine Alte es wohl doch nicht auf die Reihe gekriegt?“, ertönte die harsche Stimme der jungen Frau. Sasuke biss sich auf die Lippe, schluckte und wusste nichts, was er antworten konnte. Doch anscheinend musste er das gar nicht, denn Anko war noch längst nicht fertig.

„Ich habe es deinem Vater immer gesagt. Such dir keine irische Frau und schon gar nicht so eine, hab ich ihm gesagt. Und nun? Hat sie versagt, huh?”

Also durfte man am Tisch doch reden. Sasuke wünsche sich augenblicklich, es wäre anders.

„Und ist sie danach direkt mit dem erstbesten in die Kiste gesprungen? Hast du deswegen die Fliege gemacht?“

Nein. Nein, wollte Sasuke sagen. Deswegen wäre er nicht auf die Straße gegangen, um da so elendig zu leben. Doch nicht nur deswegen. Seine Mutter hätte zwanzig Macker haben können und solange sie ihn nicht angefasst hätten, wäre das okay gewesen, solange sie es für okay befand.

„Ey, sag mal redest du nicht mit mir? Genauso ein eigenwilliger Stümper dein Vater“, brummte sie zum Schluss hin. Sasuke spürte die Spannung am Tisch. Sah die Hand seines Großvaters, die sich fest um die Tischplatte klammerte und dann, schon kurz danach, das Rucken des Esstisches. Er hörte einen Stuhl hart auf dem Boden aufkommen und dann zum ersten Mal seit Jahren die Stimme seines Onkels, der aufgesprungen war.

„Halt den Mund, Anko. Wenn du nicht verdammt noch mal den Mund hältst…“

„…Was denn? Willst du mir etwa drohen?“

„Ja“, zischte er nur, schien für einen kurzen Moment über sich selbst verwundert, doch es war der Alkohol, den Sasuke trotz der Entfernung wahrnehmen konnte. Hatte der etwa getrunken oder was? Sasuke unterdrückte ein Zittern. Vor Betrunkenen hatte er Furcht, seit er Kabuto und seine Freunde das erste Mal voll gesoffen erleben musste.

„Ich schwöre dir“, ertönte wieder die Stimme Daikis, „ wenn du falsches Stück nicht endlich aufhörst meinen Bruder in den Dreck zu ziehen… - Ich hab es endgültig satt, mir dein dummes Geschwätz anzuhören!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch hinunter. Teller klirrten, Emi Nanako schlug sich die Hand vor den Mund und die Stirn des Großvaters legte sich in tiefe Falten, während Sasuke sein Zittern nun nicht mehr unterdrücken konnte.
 

Einen Moment nur war der Schock in Ankos Augen sichtbar, bevor sie sich daran erinnerte, viel heftigere Dinge gesehen zu haben, wie einen Bruder, der besoffen seine Drecksfaust auf den Tisch knallte. Ihres Bruders der ein Versager war. Tiefer Zorn senkte sich auf Anko nieder, als sie eben so aufsprang und, ungeachtet der Feiertage, lauter wurde: „Geschwätz, hä?! Ist es nicht so, dass dieser Stümper sein Leben selbst ruiniert hat. Er war doch so ein Genie, oder nicht? Hätte er dann nicht sehen können, dass seine“, ihr Finger zeigte anklagend auf Sasuke, der mit vor Furcht und Verwunderung geweiteten Augen am Tisch saß und nun unmerklich zusammen zuckte, „Drecksmutter unfähig ist ein Kind zu erziehen und das deswegen uns nun am Hals hängt?“ Sie verstummte kurz, warf einen Blick zu Sasuke – einen ganz kurzen – und sah dann wieder ihren um einige Jahre älteren Bruder, mit dem sie sich nie wirklich gut verstanden hatte, an.

„Dieses Balg wird nur Probleme machen, wenn es auch nur ein Funken von beiden Eltern in sich trägt und darauf habe ich einfach keinen Nerv!“

„Noch ein Wort über sein Kind und ich werde dich quer durch den Raum prügeln!“

Wieder schlug Sasuke der Gestank des Alkohols in die Nase, der ihm mit diesen Worten weitere Angst einjagte. Daiki Nakano, sein Onkel, setzte sich für ihn ein und gleichzeitig verhielt er sich genauso, wie Kabuto, wenn er mit Worten Schläge angedroht hatte.
 

Die nächste Reaktion lies Sasuke erneut zusammen zucken, als Daiki plötzlich, ohne Vorwarnung den umgefallenen Stuhl mit seinem Fuß beiseite fegte und ohne ein weiteres Wort durch die Tür in den Flur rauschte. Zunächst kehrte Ruhe ein. Eine bedrückende Ruhe, bevor die Großmutter ausatmete und Kenta Nakano sich brummend nach hinten lehnte. Es war Anko, deren Schnauben Sasuke aufblicken lies, bevor auch diese mit einem entnervten, unverständlichen Grummeln aus dem Raum verschwand. Der Jugendliche fühlte sich unwohl. Auch ohne dass er auch nur ein einziges Wort gesagt hatte, war er der Grund für einen Geschwisterstreit gewesen. Er machte nur Umstände. Sasuke legte die Gabel beiseite, als er merkte, dass er sie die ganze Zeit fest umklammert hatte. Leise und mit gesenktem Haupt fragte er: „Darf ich… aufstehen?“

Seine Großeltern verstanden die Frage. Verstanden, dass Sasuke nicht nur aufstehen wollte, um sich die Beine zu vertreten, sondern, dass er darum bat, den Tisch verlassen zu dürfen. Es wunderte sie beide. Sie hatten nicht mit solch einer guten Erziehung gerechnet, nachdem sie erfahren hatten, dass Sasuke auf der Straße lebte. Sie hatten sich darauf einstellen müssen, vielleicht einen trinkenden, brutalen, chaotischen Bengel zu bekommen, aber das war Sasuke keineswegs. Deswegen nickte seine Großmutter und fügte an: „Ruh dich aus. Wenn du noch etwas brauchst – eine zusätzliche Decke beispielsweise, gib mir ruhig Bescheid.“

Sasuke nickte nur, schob den Stuhl leise zurück, stand auf und verschwand wieder durch die Tür in sein neues Zimmer. Sofort kam ihm wieder die kalte Luft entgegen. Er zog sich eilig die Jeans und den Pullover aus, nahm eine frische Boxershorts und die lange Stoffhose und das langärmlige Shirt aus dem Schrank. Er zog sich an, legte die dreckige Kleidung solange bis er sie seiner Großmutter geben oder selber waschen konnte, auf den Stuhl am Schreibtisch. Eilig und mit nun nackten Füßen, die sich durch den kalten Boden beinahe schon frostig anfühlten, löschte er das große Licht im Raum, schaltete die Nachttischlampe ein und zog die Tagesdecke und das Federbett zurück. Er deckte sich mit beidem zu, da es sonst zu kalt über die Nacht werden würde. Sasuke löschte auch die kleine Lampe nach einigen Minuten in denen er stumm auf seinem neuen Bett gelegen hatte und drehte sich dann, eingerollt und eingemummelt in die dicken Decke, der Wand entgegen. Ein bisschen Schlaf würde ihm mit Sicherheit gut tun.
 

~~
 

Es waren an die neun Uhr am Abend. Itachi hatte den Brief beiseite gelegt; schon vor ein paar Stunden – gut vielleicht nicht vor ein paar, aber ein oder zwei waren schon vergangen – und hatte sich dazu aufgerafft, sich selbst – sich und niemand anderem – etwas zu Essen zu machen. Eine Dosensuppe, deren Konserve schon so lange im Küchenschrank stand, dass sie beinahe abgelaufen war. Sie schmeckte nicht. Itachi kochte sonst immer frische Suppen, aber nun… für sich alleine? Warum? Er hatte natürlich auch vorher, bevor er Sasuke kennen gelernt hatte, für sich alleine gekocht. Oft und lang, aber jetzt machte das für ihn keinen Sinn mehr. Ungeduscht, weil er darauf keine Lust hatte und es somit auf den nächsten Morgen verschob, legte er sich mit einer dünnen Wolldecke aus seinem Schlafzimmer auf die Couch und starrte an die Decke. Das Kissen und die Decke Sasukes hatte er schon eben, vor dem Essen, in seine Abstellkammer geschmissen.

Von sich selber angenervt strich Itachi sich ein paar verirrte Ponystähnen aus dem Gesicht. Was für ein beschissener erster Weihnachtstag – er hatte sich so gefreut, auf den zweiten Weihnachtstag mit Kakashi und Iruka. Und mit Sasuke, der nun nicht mehr mitkommen konnte.

Seinen Gedanken nachhängend entschied Itachi aus einer Laune heraus, dass er wissen wollte, wie es Sasuke ging und da er noch keine Handynummer des Jungen hatte, weil dieser kein Handy besaß, griff er nach dem Telefon, dass noch – wovon auch immer – auf dem Couchtisch lag und wählte die Nummer der Großmutter, die er auswendig konnte, weil er den Zettel solange angestarrt hatte, bis er sich entschlossen hatte, Sasukes Brief zu lesen. Es tutete ein paar Mal, bevor jemand abhob.

„Nakano“, meldete sich eine tiefe Stimme. Itachi schluckte und antwortete freundlich: „Gutend Abend, Itachi Uchiha. Könnte ich kurz mit Sasuke sprechen?“

Stille kam vom andere Ende der Leichtung, dann ein Knistern und eine Frauenstimme, die nun in die Muschel sprach.

„Guten Abend, Herr Uchiha. Ich kann nachsehen, ob Sasuke noch wach ist.“

Er hörte Schritte durch den Hörer, dann ein Knarren der Tür und wieder die Stimme der Großmutter Sasukes.

„Er schläft. Ist es sehr wichtig?“

„Es ist nur kurz”, wich Itachi aus, wollte unbedingt mit Sasuke sprechen; ihn fragen ob alles in Ordnung war, sonst… Ja, sonst würde er ihn eigenhändig da raus holen, verdammt noch mal! Er würde doch niemals zulassen, dass man diesem wundervollen Jungen erneut so wehtat.
 

Itachi hörte das leise Rascheln der Bettdecke und Worte, die er nicht verstand, ehe Sasuke sich mit verschlafener Stimme meldete: „Hallo.“

„Hallo“, sagte auch Itachi, und dann: „Wie geht es dir?“

„Ganz… gut“, antwortete der Junge zögerlich und gab, obgrund der Temperaturen im Raum, ungewollt einen fröstelnden Laut von sich. Er war noch zu verschlafen, um diesen zu unterdrücken, hoffte das Itachi da nun kein großes Ding draus machte, es vielleicht einfach überhört hatte, aber an dem war es natürlich nicht. Itachi hatte Sasuke frösteln sehr wohl bemerkt. Sofort machte sich Sorge in ihm breit.

„Sag, ist auch wirklich alles in Ordnung?“ Er verstärkte de griff um das Telefon unbewusst, als es am anderen ende der Leitung still blieb. Itachi hatte sich sogar schon wieder aufgesetzt, als die leise Stimme Sasukes ertönte.

„Ja, alles in Ordnung. Es ist nur… nur etwas kalt.“ Er wollte Itachi wirklich keine Sorgen bereiten – er freute sich schließlich wahnsinnig, dass der Ältere anrief und mit ihm sprechen wollte – doch anlügen konnte er Itachi nicht. Nicht nach alledem, was Itachi für ihn getan hatte.

„Dann… dreh doch die Heizung höher“, meinte Itachi nach kurzem Überlegen und dann mit einem leichten Schmunzeln in der Stimme, das ihm sofort verging, als er Sasukes Erwiderung hörte.

„Geht nicht“, murmelte dieser und zog seine Decke etwas höher. Geht nicht?!, wollte Itachi fragen. Warum soll das bitte nicht gehen? Aufdrehen und fertig. Sekunde. Sekunde…

„Warum nicht?”, fragte Itachi. Er wollte wissen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag. Und wenn Sasukes Großeltern ihm verboten hatten, die Heizung an zu machen, dann würde er noch heute Nacht rüber fliegen und Sasuke da raus holen.

„Die Heizung… in meinem Zimmer… geht noch nicht“, gab Sasuke zu und hörte zunächst nur das Knirschen Itachis Zähne. Der zweiundzwanzigjährige hatte sich vom Sofa erhoben und stand nun am Fenster, schaute hinaus in die dunkle, irische Nacht. Es regte ihn auf – aber so was von – dass diese Menschen ihren eigenen Enkel in ein Zimmer steckten, in dem die Heizung nicht funktionierte. Sie sollten ihn gefälligst im Wohnzimmer schlafen lassen, solange oder einen kleinen Heizofen in sein Zimmer stellen. Was auch immer – sie sollten dafür sorgen, dass Sasuke nicht fror, denn das hatte er viel zu lange gemusst in den letzten Jahren.
 

Sasuke seinerseits spürte sogar durch das Telefon die Anspannung, die von Itachi ausging und sagte daher wahrheitsgemäß: „Meine Großeltern… haben sich aber… schon drum gekümmert. Ähm… nach den Feiertagen… wird’s uh… repariert.“ Er merkte selbst, wie unsicher er wieder war, aber auch für ihn war es neu, am Telefon zu sprechen, hatte das schließlich viele Jahre, bis auf das kurze Gespräch mit Kakashi bei Itachi, nicht mehr getan. Apropos Kakashi und Iruka. Er hatte ihnen gar nicht mehr ein frohes Fest wünschen können. Nun gut… sie hatten da bestimmt, auch wenn sie immer nett zu ihm gewesen waren, nicht wirklich wert drauf gelegt.

Sasuke vernahm ein Schnauben vom anderen Ende der Leitung und befürchtete Itachi nun, mit was auch immer, sauer gemacht zu haben. Doch als der Ältere weiter sprach, war seine Stimme ruhig, klang jedoch ein wenig besorgt: „Warum schläfst du dann nicht im Wohnzimmer?“

Der Teenager konnte selbst nicht sagen, warum er das nicht tat. Aber darum bitten würde er sicherlich nicht. Das konnte er einfach nicht, er hatte hier schon sein eigenes Zimmer und sollte verdammt dankbar sein, egal ob ihm kalt war oder nicht. Deshalb antwortete er nur wahrheitsgemäß: „Weiß nicht…“

„Sasuke“, hörte er nur seinen Namen aus Itachis Mund. „Du musst ihnen sagen, wenn es dir nicht gut geht. Sie müssen für dich Sorge tragen und du hast das Recht auf ein warmes Zimmer.“

„Ja…“, murmelte Sasuke nur, wollte Itachi nicht wieder sprechen, wusste aber, dass er sich nie trauen würde, genau das zu seinen Großeltern zu sagen. Sein Großvater hatte die Werkstatt für ihn aufgegeben. Er wollte einfach keine weiteren Probleme machen. Vor allem dann nicht, wo seine Heimat und seine Mutter eh bei den Nakanos in keinem guten Licht standen.
 

Es war eine Weile lang still zwischen den beiden und obwohl sie nichts mehr zu sagen wusste, wollte eigentlich keiner auflegen. Itachi wünschte sich, Sasuke wäre bei ihm. Er wünschte, er hätte die Sorge für den Jungen tragen können. Er hätte sich eine neue Wohnung gesucht, gleich nach den Feiertagen hätte er angefangen und er hätte Sasuke an einer Schule angemeldet, hätte das Sorgerecht beantragt und hätte es mit Hilfe seines Vaters, der schon so lange Anwalt war, mit Sicherheit durchbekommen, auch wenn er alleinstehend war. Aber es hatte Großeltern gegeben und die waren ihm nun mal zuvorgekommen.

Auch Sasuke wünschte, er wäre bei Itachi. Dort hatte er sich viel wohler gefühlt. Gut, in den ersten Tagen war er unheimlich ängstlich gewesen, aber er hatte immer so gut bei dem Uchiha schlafen können, war ihm so dankbar für alles und hatte sich nachher sogar getraut wirklich mit Itachi zu reden. Itachi war der Einzige, dem Sasuke so sehr vertraute, dass er ihm seine komplette Vergangenheit erzählen würde und er war auch derjenige, der am meisten wusste. Seine Großeltern hatten keinen blassen Schimmer und so, wie die Familie am Tisch über oder mit ihm geredet hatte, kam es Sasuke vor, als glaubten sie, seine Vergangenheit wäre nur lästig, nicht aber grausam und schrecklich, aber das war es, denn Kabuto hatte ihm sehr weh getan. Doch davon, davon wussten die Nakanos nichts und Sasuke würde auch seinen Mund halten.
 

„Behandeln sie dich gut?“ Leise und zögernd die Frage Itachi und sehr wohl vernahm Sasuke die Sorge, die sich, wie es schien, nur noch hinter einer winzigen Mauer versteckt hatte.

„Ja… Sie…“, Sasuke atmete tief durch und hoffte, das seine Worte keine Lügen waren. „Sie geben sich Mühe.“

„Gut“, meinte Itachi nur, verstummte für einige Sekunden und sagte dann – seine Worte klangen nach Abschied: „Ein Wort und ich bin da, okay? Du musst mich nur anrufen.“

Sasuke fuhr sich kurz über die Augen.

„Dankeschön“, sagte er leise, wusste trotzdem, dass Itachis Sorge nicht ganz verschwunden war.

„Okay… dann“, hörte er wieder dessen Stimme. Itachi wollte wohl – und das machte Sasuke irgendwie glücklich – genauso wenig auflegen wie er selber. „Ich schätzte du wirst müde sein. Ich… ich meld mich.“

Der Jugendliche nickte, merkte dann jedoch fast sofort, dass Itachi das durch das Telefon natürlich nicht sehen konnte und sagte deswegen wieder leise: „Ja. Tschüss.“

„Schlaf gut.“ Ein paar Sekunden Stille und dann war die Leitung tot. Sasuke legte das Telefon auf das Nachttischen – wollte nicht mehr aufstehen und wusste ja auch nicht wo es hingehörte – und nahm sich den Ipod vom Nachttisch. Er tat die Stöpsel in sein Ohr und stellte auf eines der knapp fünfhundert Lieder, die Itachi ihm drauf geladen hatte. Sie alle – jedes Einzelne, glaubte Sasuke – würden ihn an Itachi erinnern und das tat jetzt gut, als er sich, mit der Musik in den Ohren umdrehte und die Augen schloss. Er merkte selbst nur noch im Dämmerzustand und berieselt durch die Melodien in seinem Kopf, die Itachi so nah sein ließen, wie sich seine Hand um die beiden Anhänger der Kette schloss.
 

to be continued

by Jessa_

Kapitel 1: push forward


 

Kapitel 1: push forward

With three words I can sum up everything I've learned about life:

“It goes on.”

- Robert Frost
 

Ruhig und schon fertig angezogen saß Sasuke am Esstisch der Küche und löffelte sein Müsli. Sein Großvater schlief noch. Auch wenn er es nicht zugeben wollte - er war ja schließlich ein harter Mann - ging es zurzeit mit seiner Gesundheit bergab. Er brauchte mehr Schlaf, aß weniger und war schrecklich erkältet. Sasukes Großmutter und sein Onkel Daiki ließen sich den Morgen vor Sasukes erstem Schultag nicht entgehen. Auch Anko saß am Tisch, schaufelte Zucker in ihren schwarzen Kaffee und schaute missmutig aus dem Fenster in den großen Garten. Das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Bruder hatte sich keineswegs verbessert. Auch wenn sie kaum mehr ein böses Wort über Sasuke und dessen Eltern vor ihm gesagt hatte, war die Stimmung, sobald Anko und Daiki in einem Raum waren, beinahe am Nullpunkt. Sasuke beeilte sich ein wenig. Er musste zwar den ersten Tag nicht mit dem Bus fahren, aber er wollte denjenigen, der ihn bringen würde - wer auch immer das war - nicht unnötig warten lassen. Als er dann auch den letzten Löffel Müsli aufhatte, grinste sein Onkel in seine Richtung und sagte mit versucht freundlicher Stimme: „Können wir?“

„Ihr könnt gar nichts“, hörte er Ankos Stimme. „Du Idiot hast immer noch Promille im Blut. Hättest ja gestern nicht saufen müssen!“

„Was willst du denn?!“, zischte dieser sofort. „Ich werde doch wohl meinen Neffen zur Schule bringen dürfen! Blöde Schnepfe.“ Das Letzte war nur gebrummt und wurde überschattet von Emis bittender Stimme: „Daiki, lass Anko ihn hinbringen. Du kannst ihn doch heute abholen.“

Sasuke sah, wie sich Daikis Stirn in Falten legte, bevor er ohne ein weiteres Wort aus dem Raum verschwand. Sasuke blickte auf die Tischplatte. Gerde da Daiki immer nach Alkohol roch, ging er diesem aus dem Weg und sein Onkel respektierte das und sprach ihn seinerseits auch kaum an. Vielleicht merkte er, dass Sasuke sich vor Betrunkenen fürchtete und das eben dann auch vor Daiki, auch wenn dieser sehr ruhig war und sich nicht lächerlich benahm. Wahrscheinlich, glaubte Sasuke, hatte sich Daiki schon an den Zustand des Betrunkenseins gewöhnt, schließlich war er beinahe nie nüchtern. Sasuke hatte ihn in den letzten drei Wochen jedenfalls kein Mal wirklich nüchtern erlebt. Aber er fragte sich auch, warum Daiki immer trank. Er fragte sich, wie aus seinem damaligen so lustigen Onkel - und so hatte Sasuke ihn durch die kurzen Besuche, damals mit seinen Eltern, noch in Erinnerung - solch ein trunkener, trauriger Kerl werden konnte.
 

Sasuke war nervös, als er im Auto saß. Einerseits war er nervös, weil er das in Ankos Gegenwart immer war. Sie konnte ihn nicht leiden, hatte nicht mal ihren Vater leiden können, dabei kannte Sasuke niemanden, der seinen Vater nicht hatte leiden können. Aber er war auch riesig nervös vor seinem ersten Schultag. Die Weihnachtsferien waren heute vorbei und an diesem Mittwochmorgen musste Sasuke, nach mehr als einem Jahr, in dem er keine Schule mehr besucht hatte, wieder hin. Er sollte es in der zehnten Klasse versuchen und falls er in den ersten Wochen schon merkte, dass er nicht mitkam, würden sie ihn in die neunte versetzten, aber seine Großeltern hatten wohl die Hoffnung gehabt, dass er auch nur annähernd so klug war wie sein Vater und dass es ihm so nichts ausmachen würde, dass er in der neunten Klasse kaum anwesend war. Irgendwie machte es Sasuke so jedoch nur noch unsicherer. Wenn er sich nicht würde zurückversetzten lassen nach den paar Wochen, dann würde er schon in ein paar Monaten seinen Abschluss machen, noch vor seinem sechzehnten Geburtstag, der in den folgenden Sommerferien lag. Ja, deswegen war er nervös. Er blickte rüber zu Anko, nur aus dem Augenwinkel, weil er Angst hatte, sie würde deswegen wütend sein. In den knapp drei Wochen, die er nun schon bei seinen Großeltern lebte, hatte er einiges über sie erfahren. Das meiste aus Erzählungen seiner Großmutter, die gerne und viel redete. Anko war in der British Army, wie ihr Vater vor der Rente. Schon in ein paar Wochen – oder waren es ein paar Tage gewesen? – würde sie zurück zur Kaserne fahren und dort für einige Zeit wohnen. Sie pendelte immer, hatte seine Großmutter erzählt, deswegen hatte sie auch keine eigene Wohnung in London, sondern wohnte in der Zeit, die sich nicht auf dem Gelände der Army verbrachte, bei ihren Eltern, wo sie Miete für ihre zwei Zimmer, wovon eines ein eigenes Wohnzimmer und das andere ein Schlafzimmer war, bezahlte. Daiki, sein Onkel, zahlte keine Miete für sein Zimmer, obwohl er das ganze Jahr über dort lebte. Und das schon seit knapp vier Jahren, denn seitdem war er arbeitslos. Mehr über Daiki hatte sein Großmutter von sich aus nicht erzählt und Sasuke hatte sich nicht getraut nachzufragen, obwohl es ihn wirklich interessierte, warum er so viel trank. Über Anko redete sie lieber; die Mutter war stolz auf ihre Tochter und das, meinte Emi, wäre etwas, was Anko immer hatte haben wollen. Stolze Eltern, deswegen war sie bei der Army. Aber noch viel lieber sprach Emi Nakano über Sasukes Vater, auf den sie noch viel stolzer war und den, so klang es manchmal für Sasuke, sie von ihren Kindern am meisten liebte.
 

Sasuke wurde aus den Gedanken gerissen, als Anko an der Straße vor dem Schulgebäude hielt. Genervt trommelte sie mit den Fingerkuppen auf dem Lenkrad herum, sodass Sasuke, eilig, mit einem leisen: „Tschüss“, ausstieg und dabei seinen neuen, dunkelblauen Rucksack schulterte. Er ging durch das Tor der St. Gabriel School und war… scheißnervös. Er würde heute eine Menge neuer Leute kennen lernen und hatte Schiss. Wie lange er schon nicht mehr in einer Schule gewesen war! Sich auf die Lippe beißend, ging Sasuke der Ausschilderung nach zum Sekretariat, meldete sich dort und wurde zum Lehrerzimmer geschickte, wo eine recht kleine, blonde Lehrerin auf ihn wartete. Sie trug hohe Schuhe, einen Bleistiftrock und eine Bluse und als er ihr hinterher ging, versuchte er seine Nervosität zu vertreiben, doch sie vermehrte sich nur aufgrund des Klackerns ihrer Schuhe. Im ersten Stock trat er nach ihr in eine Klasse, die schon mit Schülern in seinem Alter besetzt war. Die Lehrerin begrüßte diese nur halbherzig, die Klasse selber war schließlich auch noch nicht leise und nicht jeder saß auf seinem Platz. Dennoch forderte die Lehrerin ihn mit ein paar kurzen Worten dazu auf, sich vorzustellen, weswegen er nur ganz leise sagte: „Hallo… ich bin Sasuke Nakano. Ich bin 15 Jahre… und … komme aus Irland.“

Obwohl ihm offensichtlich kaum einer zugehört hatte, schaffte es die Lehrerin nun beinahe jeden auf seinen Platz zu bekommen, zeigte nun auf einen leeren Stuhl und wies Sasuke somit an, sich hinzusetzten, was dieser auch eilig tat. Neben ihm saß ein Junge mit so blondem Haar, sodass sie beinahe schon silbrigweiß aussahen und auf seinem Schoß saß noch immer, obwohl die Lehrerin schon anwesend war ein rothaariges Mädchen, die nun von der Lehrperson angesprochen wurde.

„Karin, auf deinen Platz, aber pronto.“

Das Mädchen verzog ihr Gesicht, setzte sich nun aber auf ihren eigenen Stuhl, zwischen dem auf dessen Schoß sie zuvor noch gethront hatte und einem breiten Typen, der so orangefarbenes Haar hatte, dass er wie der beste Klischeeire hätte wirken können.

Ohne das Sasuke seine Mitschüler hätte weiter mustern können und ohne irgendwelche einführenden Worte der Lehrerin, forderte sie die Schüler auf, ihre Hefte rauszuholen, diktierte einige Aufgaben auf den Seiten in dem Mathebuch und setzte sich an den Schreibtisch um den Schülern beim Rechnen zuzusehen.
 

Sasuke schaute sich die Aufgaben an – die Bücher hatte seine Oma schließlich schon am Vortag abgeholt, als sie mit dem Bus in der Stadt gewesen war, die nahe an der Schule lag. Lineare Gleichungssysteme. Er blätterte ein paar Seiten zurück, las sich Regeln und Beispielaufgaben durch. Sah eigentlich alles ziemlich logisch aus. Er versuchte es bei einer der einfacheren Aufgaben der früheren Seiten und hatte den Dreh schnell raus, sodass er sich an die richtigen Aufgaben machte, mit denen er sogar fast fertig wurde, als die Lehrerin, deren Name er traurigweiße immer noch nicht wussten, zum vergleichen aufrief. Sie nahm, wahrscheinlich hatte sie das Mädchen auf dem Kieker, Karin ran, die zerknirscht nach vorne zur Tafel ging und die Aufgabe anschrieb. Sasuke wusste, er würde unheimlich unsicher sein, wenn er das erste Mal an die Tafel musste, denn auch jetzt in der Menge der Schüler fühlte er sich schon sehr nervös. Er schaute wieder an die Tafel, entging somit den Blicken der neuen Mitschüler und stellte fest, dass das rothaarige Mädchen schon beim ersten Schritt nicht weiterkam und das Gesicht verzog. Doch da gab die Lehrerin ihr auch keine Hilfestellung, sondern nahm einfach jemanden dran, der sich meldete. Karin schrieb nun das an die Tafel, was der andere Schüler diktierte und am Ende war Sasukes Aufgabe jedenfalls so weit richtig, wie er gerechnet hatte und er glaubte, auch den Rest hätte hinbekommen können. Er musste daheim auf jeden Fall noch ein paar Aufgaben machen um sich dabei sicherer zu sein. Sasuke wollte nämlich nicht der dumme Neue sein. Er wollte versuchen schulisch das Beste aus sich rauszuholen, schließlich wollte er nach der zehnten Klasse eine gute Ausbildung machen können oder einen guten Job finden, sodass er Itachi und seinen Großeltern schnellstmöglich alles Geld zurückzahlen konnte.
 

„Ich hasse meine Mutter“, hörte Sasuke die Stimme der Rothaarigen, als die Lehrerin nach Stundenschluss dem Raum verlies. „Immer muss diese Scheißkuh mich dran nehmen. Die weiß genau, dass ich das nicht kann!“

„Reg dich nicht auf, Karin“, versuchte der breite Junge sie zu beschwichtigen, während Sasukes Platznachbar aus seiner Wasserflasche trank und dann zu dem Mädchen blickte.

„Noch ein halbes Jahr, dann bist du sie wenigstens in der Schule los und außerdem wirst du das schon irgendwann können“, sagte er und brummelte: „Schließlich gebe ich dir ja Nachhilfe.“

„Aber die… die Scheißkuh macht mich auch Zuhause fertig, Sui.“

„Haha, doch keine Kosenamen mitten in der Schule“, lachte der Angesprochene, trank noch einen Schluck und küsste seine Freundin. Sasuke sah auf seine Rechensachen, kam sich schlecht vor, weil er zugehört hatte und blickte erst wieder hoch, als die nächste Lehrerin den Raum betrat. Es war wieder eine kleine, etwas ältere blonde Frau. Doch diese war etwas breiter und sah um einiges freundlicher aus. Sie legte ihre Tasche und die Unterlagen auf den Tisch, begrüßte ihre Klasse und kam dann persönlich zu ihm, um sich vorzustellen. Sie reichte ihm die Hand und sagte mit freundlicher Stimme: „Hallo, Sasuke. Mein Name ist Mrs. Yamada. Ich bin deine neue Klassenlehrerin, unterrichte die Klasse auch in Englisch und Politik und heiße dich im Namen der Klasse herzlich willkommen. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, kannst du dich gerne an mich oder den Klassensprecher“ – sie zeigte auf einen Jungen mit Brille, der vorne saß – „wenden. Ansonsten wünsche ihr dir eine schöne, angenehme Zeit an dieser Schule.“

Sasuke nickte höflich und sah der Lehrkraft hinterher, als sie nach vorne ging und sich ans Pult setzte. Sie fragte die Klasse nach den Ferien und manche erzählten etwas. Die drei neben ihm nicht. Karin und der Junge, den sie Sui genannt hatte tuschelten miteinander, während der mit den orangefarbenen Haaren aus dem Fenster blickte.

„Gut“, sagte Frau Yamada dann, als keiner mehr etwas über die Ferien erzählen wollte. „Wir haben viel zu regeln in den folgenden Tagen. Da nächsten Monat die Klassenfahrt ansteht, müsst ihr Wohngruppen bilden. Zwei Mädchenhäuser und drei Jungenhäuser.“

Nachdem sich jemand aus der Klasse gemeldet hatte, und gefragt hatte, wie viele den jeweils zusammen in einen Bungalow konnte, erklärte die Lehrerin genauer: „In den Jungenhäusern zweimal vier und einmal drei Leute. In denen der Mädchen einmal fünf und einmal vier.“
 

Sasuke sah den Schülern ruhig dabei zu, wie sie sich zu Häusern zusammenfügten. Die Jungs waren schnell in zwei Vierergruppen eingeteilt, ohne Sasuke eines Blickes zu würdigen, und die Mädchen waren es auch auch. Zu einem – wahrscheinlich dem kleinerem Übel, so wirkte ihr Gesicht – stellte sich Karin, während die beiden Jungs, die in der Reihe saßen allein dort am Fenster standen und ihn dann zu sich winken.

„Hey, Sasuke“, sagte der mit den hellen Haaren. „Komm einfach zu ins in Haus, okay?“

„Ja“, murmelte dieser und ging zu den Beiden, die sich ihm vorstellen.

„Suigetsu“, sagte der eine. Ah, deswegen Sui.

Und der andere: „Juugo Juin. Sag gefälligst deinen Hinternamen, Suigetsu!“

„Ist ja gut, ist ja gut. Suigetsu Hozuki“, lachte der und plötzlich waren die beiden Sasuke sympathisch. Sie waren coole, lockere Typen. Leute die ihn wie jeden andere behandelten, weil sie nichts wussten und das genoss Sasuke für eine Weile.
 

~~
 

Itachi saß auf einem der Wohnzimmersessel, hatte die Gitarre auf seinem Schoß, zupfte wahllos ein paar Seiten, bevor er ein Lied anstimmte, es aber schon nach wenigen Akkorden wieder abbrach und etwas rumklimperte. Ihm war einfach nach kaum etwas zu Mute. Schon seit Tagen – seit Sasuke fort war, musste er verknirscht zugeben – hatte er keine Lust zu nichts. Dennoch hatte er auf jede Einladung seiner Freunde reagiert. Er war wie ausgemacht, am zweiten Weihnachtstag bei Kakashi und Iruka gewesen, hatte das Babysitten für Yahiko übernommen, weil er es Konan und Pein, samt einem Essen im Restaurant, zu Weihnachten geschenkt hatte und war einmal mit Kakashi in der Kneipe gewesen. Er hatte sich – er wollte ja ehrlich sein – volllaufen lassen und wäre ohne Kakashi wahrscheinlich nicht heile Heim gekommen, geschweige denn in sein Bett. Und er hatte sich mit Shizune getroffen. Ein paar Mal. Hatte gute Abende mit ihr gehabt, hatte sie zum Essen ausgeführt, hatte sich abgelenkt und sie glücklich gemacht; hatte sie geküsst und mit ihr geschlafen. Shizune würde sagen, sie wären ein Paar und Itachi konnte da nicht gegen sprechen. Auf jeden Fall war da wieder was zwischen ihnen auch wenn Itachi ohne zu überlegen sagen konnte, dass sie ihn hundertmal mehr liebte, als er sie. Das war schließlich schon immer so gewesen, nur nun war Itachi traurig und verlassen genug, um ihr und ihrer Anhänglichkeit nachzugeben.

Wenn er mit Shizune im Bett war, vergaß er wie leer sich seine Wohnung anfühlte und wie einsam, besorgt und traurig er nach den Gesprächen mit Sasuke war.
 

Itachi stellte seine Gitarre beiseite, weil er keine Lust mehr hatte, ging in die Küche seiner Wohnung und machte sich einen starken Kaffee. Er zuckerte nur wenig, pustete ein bisschen und trank dann in kleinen Schlücken, während er auf den Kalender schaute, der neben dem Kühlschrank hing. Mittwoch, 13. Januar. 2010; wie doch die Zeit vergangen war. Heute war Sasukes erster Schultag an der neuen Schule. Itachi blickte auf die Uhr. 11.25. Er hatte bestimmt schon Pause. Itachi griff nach seinem Iphone in der Hosentasche, drückte auf die App fürs SMS-Schreiben und dann auf Sasukes Namen. Der Junge hatte seit einigen Tagen ein Handy. Die Großmutter hatte gesagt er solle sich eins aussuchen, da doch jeder Jugendliche eines hatte und er so von unterwegs anrufen konnte. Wenigstens waren sie da vernünftig genug drauf, dachte Itachi zerknirscht und tippte mit spitzen Fingern.
 

Hey Sasuke, hoffe die neue Schule gefällt dir und alles sind nett zu dir. Bin stolz auf dich, dass du es gleich in die 10te geschafft hast. Pass gut im Unterricht auf, dann läuft auch alles glatt. Bist schließlich ein kleiner Einstein^^ Lg Itachi
 

Nachdem Itachi auf Senden geklickt hatte, steckte er sein Iphone wieder in die Hosentasche und erschrak, als sein Haustelefon plötzlich klingelte. Was war denn jetzt los? Er stellte die Kaffeetasse auf die Küchentheke und ging in den Flur. Itachi nahm das Telefon von der Station und meldete sich mit seinem Hinternamen.

„Hallo, Itachi. Wie geht’s dir?“, fragte Shizune, die ihn liebte und musste wahrscheinlich sogar unterdrücken ihn Schatz zu nennen, weil sie wusste, dass er solche Kosenamen nicht mochte.

„Gut“, antwortete er kurz angebunden und dann netter, weil er sich daran erinnerte, dass sie seine Freundin war: „Was ist los?“

„Ich wollte nur fragen, wie es dir geht und ob du Freitag kommst.“

„Klar“, meinte er nur. „Bin gegen sieben da.“

„Schön, dann freue ich mich. Wir sehen uns. Lieb dich, Itachi.”

„Ja, bis Freitag”, sagte er nur, aber da war die Leitung auch schon tot. Itachi glaubte, Shizune wollte einfach nicht hören, dass er nicht sagen konnte, dass er sie liebte. Vielleicht ahnte sie, dass er selber nicht wusste, ob er es tat. Aber sie liebte ihn zu sehr, um ihn deswegen nicht glücklich machen zu wollen. Seufzend schlürfte Itachi ins Wohnzimmer und lies sich aufs Sofa sinken. Manchmal fragte er sich, ob es falsch war Shizune, die ihm eine gute Freundin war, so zu behandeln. Er mochte es mit ihr zu schlafen, er mochte es mit ihr essen zu gehen, sie zu küssen und er mochte es sogar mit ihr über Unverbindliches zu reden, aber er liebte sie nicht. Nein, das tat er nicht. Jedenfalls nicht über Freundschaft hinaus und nicht über die Erinnerungen an alte Gefühle hinaus. Er war nur zu einsam und wollte sich das selbst nicht eingestehen. Deswegen konnte er einfach keine Rücksicht auf Shizune nehmen, solange sie ihn so wollte, wie er war und mit dem, was er bereit war zu geben.
 

~~
 

Daiki war das erste Mal wirklich nüchtern, stellte Sasuke fest. Und er roch auch nicht nach Alkohol. War frisch geduscht – das sah man an den Haaren; und hatte die Zähne wahrscheinlich gerade erst geputzt – das roch man an dem Pfefferminzgeruch, der nun statt dem des Alkoholgeruchs kam, wenn der Mann ausatmete.

„Wie war die Schule?“, fragte er leise, als er den Motor startete und nach vorne auf die Straße schaute.

„Gut“, murmelte Sasuke, fürchtete sich dennoch alleine mit dem Mann, der sonst immer betrunken war, in einem Auto zu sitzen, wollte aber höflich sein und antwortete.

Sasuke vermisste Musik im Auto, die die Stille erträglicher machte, aber er wollte auch nicht den Ipod aus der Tasche holen und darüber hören. Das war viel zu unhöflich. Deswegen blickte er aus dem Fenster, ehe Daikis Stimme ertönte, der die Stille wohl genauso wenig mochte, wie sein Neffe.

„Wir müssen noch einkaufen. Mutter hat mir einen Zettel geschrieben. Soll ich dich… erst Zuhause absetzten?“

Sasuke schüttelte den Kopf, wollte keine Umstände machen, wenn er schon am ersten Tag zur Schule gebracht und wieder abgeholt wurde. Morgen musste er zum ersten Mal mit dem Bus fahren. Er war auch davor ein wenig nervös. Schließlich war er schon seit fast zwei Jahren nicht mehr mit dem Bus gefahren. Die letzten Monate daheim hatte er sogar zu Fuß den Schulweg von über einer halben Stunde gehen müssen. Das alles war wieder neu für ihn. Genauso wie es neu gewesen war, Schulsachen zu kaufen und ein paar Kleinigkeiten für sein Zimmer, in dem die Heizung mittlerweile funktionierte. Sie hatten einen großen Teppich besorgt, neue Gardinen, eine Zimmerpflanze, eine schicke Stehlampe und sogar ein Bild für an die Wand, die so gar nicht einladend aussah. Sasuke hatte sich auch ein Handy aussuchen dürfen, als sie in der Stadt gewesen waren; er sollte sogar meinten die Großeltern, so könnte sie einander wenigstens immer erreichen und um keine Umstände zu machen, hatte Sasuke sich ein ganz äffes, altes Handy ausgesucht, dass sehr billig gewesen war.
 

Apropos Handy. Er sollte es mal wieder anmachen, nachdem er es für die Schule ausgestellt hatte, schließlich hatte er nicht direkt am ersten Tag schlecht auffallen wollen. Im Grunde wollte er gar nicht unangenehm auffallen. Sasuke öffnete die Vordertasche seines Rucksackes, kramte sein Handy heraus, das neben dem Portmonee lag und verlos die kleine Tasche wieder. Er hatte einen Geldbeutel gebraucht, meinte seine Oma. Für Taschengeld, das er gar nicht wollte und für ein Busticket, dass sie angemeldet hatten, damit er nicht täglich die Busfahrten zahlen musste.

Sasuke tippte den PIN in sein Handy und stellte danach fest, dass er eine SMS hatte. Mit ein paar Knopfdrücken – es war schließlich ein ziemlich altes, billiges Model – öffnete er die Kurznachricht und las sie. Von Itachi. Wie schön. Sasuke schaute kurz zu seinem Onkel, hoffte dieser fand des nicht unhöflich, wenn er nun hier saß und eine SMS tippte, aber er wollte Itachi doch so gerne antworten. Deswegen beeilte sich Sasuke, obwohl ihm seine erste SMS nicht leicht fiel. Er hatte so was doch noch nie gemacht.
 

Hallo, die Schule ist gut, alle sind freundlich. Ich glaub, ich kann den Schulstoff verstehen, wenn ich mich anstrenge. Danke für deine SMS. Sasuke
 

„Wem schreibst du?“, hörte Sasuke die leise Stimme seines Onkels, der an einer Ampel hielt.

„… Itachi“, antwortete er zögerlich, steckte sein Handy in die Hosentasche der Jeans, die Itachi ihm gekauft hatte. Seine Großmutter hatte zwar gesagt, er solle sich auch noch paar neue Klamotten aussuchen, aber er hatte nur wenig genommen. Zwei neue, billige Jeanshosen, zwei T-Shirts und einen Pullover, sowie ein paar Socken und paar Boxershorts zum Wechseln. Im Grunde hatte er doch jetzt alles war er brauchte. Insgesamt vier Jeans, seine kaputte alte nicht mitgerechnet, und gut sechs T-Shirts sollten doch reichen, genau wie zwei Pullover, die eine Stoffhose zum Schlafen und das Langarmshirt. Wenn die beiden Sachen in der Wäsche waren, schlief er halt in Boxershorts und T-Shirt. Dafür musste er seinen Großeltern dann nicht noch unbedingt mehr Geld kosten. Sie gaben schließlich genug für ihn aus und bis er das zurückzahlen konnte, würden auch noch mindestens Monate ins Land ziehen. Außerdem musste Sasuke ihnen den Brief von der Klassenfahrt geben und die war auch nicht billig. Doch ehe Sasuke darüber nachdenken konnte, ob er nicht sagen sollte, er wolle gar nicht fahren, riss ihn die Stimme seines Onkels aus den Gedanken.

„Hast `ne kurze Zeit bei ihm gelebt, ne?“

„Ja“, murmelte Sasuke, wobei die Zeit so kurz gar nicht gewesen war. Wenn er zurückdachte waren es mehr als drei Wochen gewesen, oder?

„Und… was ist er für dich?“ Sasuke biss sich auf die Lippe. Was für eine dumme Frage, dachte er, hatte aber sofort ein schlechtes Gewissen. Wie konnte er so was nur über die Fragen anderer Menschen denken, die wahrscheinlich – auch wenn sie Trinker waren – mehr in ihrem Leben erreicht hatten, als er je erreichen würde. Schließlich hatte sein Onkel – jedenfalls der, den Sasuke damals als Daiki Nakano gekannt hatte – eine liebe Frau, ein großes Haus und einen tollen Job.

„Ein… Freund“, murmelte Sasuke wieder, wusste nichts anderes zu sagen und zu Ende hin hatte Itachi sie doch so bezeichnet. Als Freunde. Also waren sie es auch. Sonst würden sie ja jetzt nicht in Kontakt bleiben, oder?
 

Daiki parkte auf dem Parkplatz eines Supermarktes, stieg aus, schloss ab, als auch Sasuke draußen war und ging gefolgt von dem Teenager einen Wagen holen und dann in den Laden hinein. Während er die ersten Dinge in den Wagen legte, die Sasukes Großmutter aufgeschrieben hatte, sagte er leise: „Mutter meinte, du sollst dir alles nehmen, was du haben möchtest. Sie weiß ja schließlich nicht genau, was du gerne isst. Deswegen sollten wir auch fahren.“

„Uhm… okay“, stimmte Sasuke zögerlich zu, wusste aber, dass er sicherlich nicht von sich aus etwas nehmen würde. Nur weil diese Leute mit ihm verwandt waren, hieß das nicht, dass er nun etwas zu verlangen hatte. Das hatte er genauso wenig, wie bei Itachi, denn schließlich konnte er weder diesem noch seinen Großeltern so schnell etwas zurückgeben. Sasuke glaubte, selbst wenn sein Vater jetzt wieder am Leben wäre – durch irgendein Wunder – und ihn zu sich holen würde, wäre er auch bei diesem so zurückhaltend. Sasuke wusste, dass er einfach verlernt hatte, anders zu sein. Kabuto hatte ihm das rausgeprügelt.

Ruhig folgte Sasuke seinem Onkel, sah wie dieser allerlei Zeug in den Wagen räumte, sodass er immer voller wurde. Wahrscheinlich brauchten sie aber auch viel, schließlich waren sie nun mit fünf Personen und seine Großmutter kochte jeden Abend frisch. Als sie am Süßigkeitenregal ankamen und Sasuke selbst da nichts nahm, hakte Daiki nach: „Möchtest du nichts?“

Sasuke schüttelte nur zögerlich den Kopf und blickte zu Boden, während er darauf wartete, dass sein Onkel weiterging.

„Nun… warum nicht?“ Ja, nun… warum nicht? Was sollte Sasuke sagen? Er biss sich auf die Lippe. Weil Kabuto ihm auch das rausgeprügelt hatte. Dinge zu wollen, sich Dinge einfach zu nehmen. Darum nicht. Aber das konnte er nicht sagen. Deswegen zuckte er hilflos mit den Schultern.
 

Daiki wusste sich nicht zu helfen. Er hatte geglaubt mit einem fluchenden, motzenden Jugendlichen zusammenleben zu müssen. Mit einem der die Regeln brach und keine Manieren hatte. Damit wäre er klar gekommen. Den hätte er angebrüllt und dem hätte er – egal wie besoffen er selber war – den Kopf gewaschen. Seine Großeltern konnten so was nicht, aber er hätte das hingekriegt. Aber Sasuke war so nicht. Schon am ersten Tag hatte Daiki bemerkt, wie höflich der junge Kerl war und wie sehr er Daikis kleinem Bruder ähnelte. Nur war der nie so höflich gewesen und nie so still und folgsam. Sein kleiner Bruder – dieser verquerte Sturkopf – hatte damals nicht mal Bock drauf gehabt, in die Grundschule zu gehen. Dabei war er so ein Genie gewesen, der klügste Junge, denn Daiki je kennen gelernt hatte. Er selber war schon in der neunten oder zehnten gewesen, als er seinem kleinen Bruder erklärt hatte, je mehr er sich angestrengte, desto eher war er fertig. Und es stimmte. Daikis kleiner Bruder – Sasukes Vater – hatte sich unheimlich angestrengt, Klassen übersprungen und in Windeseile studiert. Aber höflich und all das war er nie gewesen. Laut und fröhlich und wild; mit offenen Armen der Welt entgegen und unheimlich charmant. Daiki seufzte leise, wurde wieder traurig bei den Erinnerungen an seinen verstorbenen Bruder und bevor dann auch noch die Erinnerungen an seine Frau und an… Okay, genug. Stopp. Sonst bekam er wieder Lust auf Alkohol. Keine Erinnerungen. Kein Alkohol. Er musste sich doch für seinen Neffen ändern. Für seinen kleinen Bruder und für Sasuke. Daiki griff wahllos nach ein paar Süßigkeiten, schmiss sie unachtsam in den Wagen und ging dann, nachdem er auch den Rest besorgt hatte und Sasuke ihm weiterhin still gefolgt war zu Kasse, ohne dem Regal mit den alkoholischen Getränken auch nur eines Blickes zu würdigen. Ein Blick und er würde verfallen. Deswegen nicht. Und weil er schauen musste, dass Sasuke heil nach Hause kam und sich später auf ihn verlassen konnte.
 

Nachdem Daiki bezahlt hatte und alles in den Wagen geräumt, setzte er sich neben Sasuke auf den Fahrersitz und machte sich zum Heimweg auf. Der Junge wirkte noch geknickter als zuvor und Daiki fragte sich augenblicklich, ob er was falsch gemacht hatte. Das wollte er nicht, schließlich hatte er seinem Bruder doch versprochen, sich um Sasuke zu kümmern, falls die Mutter es nicht konnte. Und er war der Einzige gewesen, der die Wahrheit wusste und… er hatte doch schon die letzten Jahre so versagt und über den Tod seines Bruder und den seiner schwangeren Frau nur knapp ein halbes Jahr später, das Leiden seines Neffen nicht bemerkt.

„Ich will… einfach keine Umstände machen“, hörte Daiki dann Sasukes leise Stimme.

Sasuke glaube, noch eine Antwort schuldig zu sein. Er fühlte sich schlecht und glaubte seinen Onkel böse gemacht zu haben, obwohl der sich doch alle Mühe gab und nur deswegen nüchtern war um ihn heute von der Schule abzuholen und einkaufen zu fahren. Das musste für den doch bestimmt auch lästig sein.

„Mach dir keinen Kopf“, meinte Daiki nur, konzentrierte sich auf die Straße und hasste die Stille, die ins Auto kam, sobald er nichts fragte, wie auf dem Hinweg. Sasuke war so leise. Dabei wusste Daiki, hatte seine Mutter gehofft, dieser Junge könnte die Lebenslust und den Lärm seines Vaters wieder nach Hause bringen. Im Grunde hatte auch er das gehofft und Sasuke war nun… eben völlig anders. Auch wenn Daikis Eltern das nicht zeigten, wusste er, dass sie enttäuscht darüber waren, dass Sasuke nicht der Klon ihres meistgeliebten Kindes war.
 

~~
 

Draußen war es schon dunkel und der Wind wehte kalt, als Itachi aus seinem Wagen ausstieg und die Treppen zu der Haustür Shizunes nahm, die direkt neben der ihrer Eltern lag. Er klingelte und wartete und als keiner öffnete, war ihm einfach nicht danach nach Hause zu fahren. Deswegen setzte er sich auf die Steintreppe vor Shizunes Haushälfte und schaute in den sternenklaren Himmel. Er hatte auf dem Sofa gelegen, hatte fern gesehen, aber nichts von der Handlung mitbekommen oder gar behalten, hatte versucht etwas Gitarre zu spielen oder zu lesen, aber auf all dass hatte er keine Lust gehabt. Sogar ein wenig zu arbeiten hatte er versucht, obwohl er eigentlich Urlaub hatte. Nur ein paar Akten zu erledigen, die nicht warten konnten und die sein Vater ihm vorbei gebracht hatte. Aber Itachi hatte durch die ganzen Aktivitäten, die er ausprobiert hatte, nicht nur gemerkt, dass ihm langweilig war, sondern auch, dass er, um 10 Uhr abends, völlig klar im Kopf aber auch sehr, sehr einsam war.

Shizune war es, die die Einsamkeit zumeist mit ihrer Anwesenheit – oder eher, Itachi wollte ja wenigstens zu sich selber ehrlich sein, mit dem Sex – vertreiben konnte. Itachi wartete, damit hatte er kein Problem. Selbst dann nicht, als seine Finger ein wenig steif wurden und er sich in sein Auto setzte um, berieselt von ein wenig Musik aus dem Autorradio, weiter wartete. Mitternacht war schon vorbei, als ihm einfiel, warum Shizune nicht nach Hause kam. War doch klar. Er schlug sich die Hand gegen die Stirn und hoffte, es habe niemand gesehen. Wer auch?, fragte er sich dann selbst. War doch niemand so doof um so eine gottlose Zeit an dieser Straße zu stehen, an der nicht mal ein Bus vorbeifuhr und an der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Shizune war es zu langweilig ohne Studium und Job zu sein, dieses halbe Jahr gesponsert von den Eltern konnte sie nicht genießen; deswegen war sie zurück ins Krankenhaus gegangen. Klar, und heute hatte sie Nachtschicht. Hatte sie doch erzählt. Itachi startete den Motor, versprach sich selbst halbherzig ihr nächstes Mal besser zuzuhören und fuhr zurück nach Hause. In eine Wohnung, in der er jetzt sehr einsam war, weil sie Sasuke einst – vor nicht all zu vielen Tagen noch – Zuflucht geboten hatte. Itachi gab es vor sich selbst innerlich zu. Er vermisste Sasuke schrecklich.
 

to be continued

by Jessa_

Kapitel 2: on a friday night…


 

Kapitel 2: on a friday night…

Weekends don't count unless you spend them doing something completely pointless.

- Bill Watterson
 

Der Wein in dem Glas war ziemlich dunkel. Das Sofa war hell und das Licht im Raum dämmrig. Es hätte eine sehr romantische Situation sein können. Doch das war es nicht und das lag dieses Mal nicht an den – zugegeben – sehr zweifelhaften Gefühlen die Itachi für Shizune hegte oder eben nicht hegte. Es lag viel eher an der kleinen Gruppe Mädchen die mit ihnen beiden auf dem Sofa saß. Zwei von den vier Teenagern kannte Itachi. Er kannte Sakura. Logisch, weil sie Shizunes Schwester war und er sie kennen gelernt hatte, da ging sie noch zur Grundschule. Heute hatte sie ihr Haar rosa gefärbt – warum auch immer, schien aber immer noch genauso ein liebes Mädchen zu sein wie eh und je. Davon abgesehen, dass er immer geglaubt hatte, sie könne ihn nicht besonders gut leiden. Es schien jedenfalls so, seitdem er das erste Mal mit der großen Schwester zusammengekommen war und Itachi glaubte, der einzige Grund warum sie ihm jetzt keine giftigen Blicke zuwarf, war wohl der, dass sie froh war, mit ihren Freundinnen hier auf die Jungs – wie sie gesagt hatten – warten zu können. Sonst hätte sie an ihrem sechzehnten Geburtstag, das wusste sogar Itachi, nicht weggehen und erst so spät, wie sie es geplant hatte, wieder heim kommen dürfen. Da sie und vielleicht eine oder zwei von den Freundinnen in Shizunes Gästezimmer schliefen und die Eltern ihr – weil sie ja schon so erwachsen und selbstständig war – mehr vertrauten als der jüngeren Tochter, durfte die Mädels wenigstens eine halbe Stunde länger ausgehen, da Shizune bei der Heimkehr ja noch wach war. Dass aus der halben Stunde Gnadenfrist viel mehr werden würde, war wohlmöglich allen bewusst, außer eben diesen fürsorglichen Eltern. Itachi, der als Jugendlicher selbst die Verbote seiner eigenen Eltern auf bester Weise zu umgehen gewusst hatte, war sich jetzt nicht mehr so sicher, ob es richtig war, Teenager um die sechzehn oder siebzehn so spät alleine rumlaufen zu lassen. Es gab so viel Böses in der Welt. Glücklicherweise hatte er das nicht zu entscheiden.
 

„Der Abend muss einfach toll werden, Mädels. Die ganze Oberstufe wird da sein. Passend an deinem Geburtstag, Sakura.“ Ino, die hübsche Blonde – soweit Itachi es bisher mitbekommen hatte – Sakuras beste Freundin. Sie unterhielt ihre Freundinnen schon seit längerem, war fröhlich, aufgeweckt und im Grunde, wie die Mädchen, auf die zu seiner Schulzeit immer ein Dutzend Jungs gestanden hatten. Unbeschwerte, laute Mädchen, die einfach glücklich waren und für die ein Freitagabend die Welt bedeuten konnte, wenn er mit tollen Jungs, ein wenig zu viel Alkohol für das junge Alter und genialer Musik zum Tanzen und natürlich mit den besten Freundinnen verbracht werden konnte. Das es auch anders ging – Kinder gab, die anders aufwuchsen – dass wussten diese Mädchen zumeist nicht.

„Stimmt“, lachte die Braunhaarige mit dem japanisch anmutenden Oberteil – TenTen – und wirkte dennoch ein wenig erwachsener als Ino und Sakura. Vernünftiger, nicht abgebrühter aber auch nicht ganz so naiv. „Sakuras erster Discobesuch. Sweet Sixteen.“

„Und Hinatas erster Discobesuch, obwohl sie schon seit ein paar Monaten Sechzehn ist“, warf die Blonde wieder ein. Itachi schaute aus dem Augenwinkel zu Shizune, die seinen mitgebrachten Wein genoss und den Mädels, die nur noch, aufgestylt, auf ihre Freunde warteten, kaum zuzuhören schien.

Hinata, das schüchterne, dunkelhaarige Mädchen war Itachi am sympathischsten. Sie war es außerdem, die er wenigstens vom Sehen her kannte und das war es, was ihn erschreckte. Sie erinnerte ihn an Sasuke. Nicht nur, weil sie auch so schüchtern war, sondern weil sie es gewesen war, die ihnen mit ihrem blonden Freund – der Sasuke gekannt hatte – beim Weihnachtseinkauf begegnet war. Wie klein die Welt doch war. Itachi seufzte lautlos, hoffte keiner hatte es mitbekommen und schreckte erst auf, als es die Türglocke ertönte und gleichsam Ino, ihr Colaglas abstellend, beinahe hysterisch zeterte: „Shit, shit, shit. Mein Nagel. Diese Doofköpfe. Ich bin den schnell machen…”
 

Damit, und bevor Itachi hatte vollstes verstehen können, was los war, eilte die Blondine auch schon mit ihrer Handtasche ins Badezimmer. Während Sakura ging, um die Tür aufzumachen, hörte Itachi Shizunes zweifelnde Worte: „Sie geht sich jetzt nicht ehrlich noch einen neuen künstlichen Fingernagel drauf machen?“

Darauf lachte TenTen und auch Sakura, die den Jungs wohl an der Tür schon die Story erzählt hatte und sie jetzt mit rein schleppte, kicherte.

„Das ist typisch. Sie ist einfach unheimlich ansträngend“, erklang bereits die Stimme eines braunhaarigen mit hohem Pferdeschwanz und dunkelgrüner Jacke, welcher sich mit einem knappen „Hey“, auf die Couch schmiss. Nur am Rande bekam Itachi mit, wie auch die drei anderen einen kurzen Gruß von sich gaben. Denn es war der Schwarzhaarige, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nur für einen ganz kurzen, unsinnigen Moment hatte er geglaubt, Sasuke würde wie aus dem Nichts in diesem Wohnzimmer stehen. Dieser junge Kerl sah ihm so unheimlich ähnlich, musste er sich eingestehen. Kinnlange dunkle Haare, feine Gesichtszüge, so blasse Haut, aber wenn Itachi näher hinblickte, sah er, dass sie eigentlich völlig unterschiedlich waren. Während in Sasukes Blicken immer eine zurückhaltende Scheue gelegen hatte, war in dem Blick des Jungen zunächst nur emotionslose Abgeklärtheit, bevor er sich neben Sakura setzte, einen Arm um sie legte und sie ihren Kopf auf seine Schulter bettete. Da war dann plötzlich so was wie Liebe in seinen Augen, als er ihre Wange küsste und ihr alles Gute zum Geburtstag wünschte.

„Hey, dich kenn ich doch!“, wurden seine Gedanken von Naruto grob beendet, holten ihn gänzlich von Sasuke fort und augenblicklich zurück in die Wirklichkeit.
 

„Klar, kennst du ihn, du unterbemittelter Freak. Das ist doch der Itachi Uchiha aus dem Werbespot! Das Model, du weißt schon, Blödmann.“

„Nicht so liebevoll, Ino“, kam es von TenTen, während Sakura nur kicherte und der Rest sich raus hielt.

„Ja, schon klar. Aber Hey“, Naruto wandte sich wieder an den Uchiha. „Wo ist Sasuke? Und warum meldet der Depp sich nicht bei mir?“ Er war kein Depp, wollte Itachi dem, in seinen Augen, unverschämten Typen um die Ohren schmeißen. Sasuke war ein großartiger Junge. Aber dann musste Itachi einsehen, dass er jetzt schon überreagierte. Das war jugendliche Mundart, nichts weiter.

Itachi wünschte sich innerlich, heute doch nicht hergekommen zu sein. Die Welt war wirklich zu klein. Warum musste, nur weil Hinata hier war, auch gleich dieser Typ kommen, der ein Teil von Sasukes Vergangenheit war? Warum, wenn Itachi sich mit seinen Besuchen bei Shizune doch davon ablenken wollte, wie leer die Wohnung ohne Sasuke war.

„Keine Ahnung“, presste Itachi heraus, war darauf bedacht, nicht zu hart zu klingen. „Hab ihn seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen.“ Stimmte ja auch, nur verschwieg Itachi, dass er regelmäßig mit Sasuke in Kontakt war – über Telefon und SMS – da er nicht mit Naruto, einen für ihn fremden Jugendlichen in Shizunes Wohnung, wo er die Einsamkeit nicht haben wollte, über Sasuke reden mochte.
 

~~
 

Sasuke hatte sich überreden lassen, nach der Schule mit zu Suigetsu zu gehen. Natürlich nicht alleine, sondern mit Juugo und Suigetsus Freundin Karin. Es war schon düster draußen, auch wenn es erst knapp acht Uhr am Abend war. Sasuke hatte eigentlich schon früher wieder heim gewollt, aber vor zehn konnte ihn sicherlich niemand abholen. Vielleicht erst um elf. Der Großvater war immer noch krank, die Erkältung hatte sich sogar sehr verschlechtert und Nierenschmerzen waren hinzugekommen, soweit Sasuke gehört hatte. Die Großmutter hatte keinen Führerschein und verlies das Haus, jetzt wo es dem Großvater so schlecht ging, eh nur ungern. Daiki hatte wieder getrunken, nicht viel, aber zu viel, meinte die Großmutter, um zu fahren, sodass sie darauf warten mussten, dass Anko nach Hause kam um ihn abzuholen. Sie war, soweit Sasuke wusste – viel sprach sie ja nicht mit ihm – auf das Kind einer Bekannten aufpassen, die so hatte mit ihrem Mann essen gehen können. Sasuke fand das passte gar nicht zu der so burschikos und hart wirkenden Frau, die allgemein ein bisschen zu viel fluchte. Nun gut, er sollte im Grunde über so was nicht urteilen. Vielleicht konnte sie sich besser um ein Kind kümmern, als er dachte. Und wenn schon, besser als seine eigene Mutter konnte sie es sicherlich, musste Sasuke zugeben.

„Boah, haben meine Alten mich heute wieder abgefuckt! Ich bin so froh, dass endlich Wochenende ist und ich wieder bei dir pennen kann, Sui.“

„Das die das überhaupt erlauben. Deine Alten“, kicherte Suigetsu und küsste seine Freundin, die zwischen seinen Beinen auf dem Sofa saß, hinters Ohr. Er schloss seine Arme fester um das rothaarige Mädchen.

„Das lass ich mir gar nicht verbieten“, murmelte sie und schloss, ungeachtete der beiden anderen Jungs, die Augen und blieb an ihren Freund gelehnt sitzen.
 

Sasuke fand, man merkte, dass sie sich bei Suigetsu wohl fühlte. In seinen Armen, in seiner Wohnung. War ja auch ein tierischer Unterschied. Sie hatte erzählt, dass beide Eltern Lehrer an der Schule waren, auf die sie ging und mit beiden verstand sie sich kaum. Sie wollten, dass sie eine gute Schülerin war, fleißig und folgsam, waren auf Erfolg und gutes Benehmen aus. Stattdessen hatten sie eine Tochter die mehr Metal als Popmusik hörte und mehr in der Wohnung ihres sechszehnjährigen Freundes hing, als zuhause um zu lernen. Suigetsu hingegen hatte niemanden, der sich großartig darum scherte, was er tat. Seine Eltern, so hatte er schon am Nachmittag erzählt, waren eigentlich deutschstämmig, hatten in Irland eine Schauspielschule besucht, ihre beiden Söhne dann irgendwann da gelassen und waren nach Amerika gegangen, weil da die Filmangebote besser waren. Das war vor vier Jahren gewesen, als Suigetsus Bruder Mangetsu achtzehn geworden war und somit alt genug, um sich um den Jüngeren zu kümmern.

„Ich wünschte, meine Eltern würden auch nur alle paar Monate mal reinschneien“, murmelte Karin irgendwann. Sie hatte wahrscheinlich dasselbe gedacht, wie Sasuke zuvor über sie und ihren Freund.

„Tja kannst deine Alten halt nicht einfach nach Amerika anschieben. Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, kicherte Suigetsu wieder mit schiefer Miene. Sasuke schaute den beiden, genau wie Juugo des tat, still zu. Es verwunderte ihn gleichsam, wie dass es eigentlich auch für ihn völlig logisch war, dass auch Kinder, die eigentlich auch guten Familien kamen, ihre Dinge hatten, mit denen sie kämpfen musste. Karin mit Eltern, die zu viel verlangten und zu wenig verstanden und Suigetsu mit Eltern, die fort waren, um Karriere zu machen und ihrem Sohn vielleicht ein wenig zu viel Freiheiten ließen, denn Suigetsu hatte gesagt, auch sein Bruder würde sich kaum kümmern, war lieber mit seinen Kumpels unterwegs, mit denen er Musik machte.
 

„Sei nicht so abwertend, Sui“, sagte Karin scharf. „Ich wünschte ich könnte auch an so aufregende Ort wie deine Eltern. Aber Nein, wenn wir Urlaub machen, dann immer nur in ganz anständigen Hotels mit vernünftigen Stränden an langweiligen Kulturorten. Ätzend. Wo waren deine Eltern noch zuletzt?“

„In Deutschland“, antwortete Suigetsu und piekte seiner Freundin in die Seite. „Also gar nicht so aufregend.“

„Aber davor. Was hattest du erzählt? In Tokyo oder? Für ein paar Szenen. Endcool!”

„Nun ja”, stimmte der Hellhaarige mehr oder weniger zu, ließ sein Mädchen los und stand vom Sofa auf, nahm seinen Laptop an sich, der auf dem Couchtisch stand und tippte ein wenig drauf rum.

„Apropos Deutschland. Schon mal deutsche Musik gehört?“, wandte er sich dann an Sasuke der beinahe die ganze Zeit über still gewesen war. Sasuke schüttelte den Kopf, wartete, bis Suigetsu den Laptop wieder auf den Tisch stellte und sagte, er solle sich das Musikvideo anschauen.

„Wer ist das?“, fragte Sasuke noch bevor es anfing. Der Andere grinste mit spitzten Zähnen und sagte locker: „Rammstein. Endcoole Band. Vor allem wenn man die Texte versteht. Die provozieren. Das ist cool.“

„Blödmann, warum zeigst du ihm das? Das singen die doch hauptsächlich englisch“, war Juugos Kommentar, während das Video noch lud. Gerade als es fertig war und begann, sagte Suigetsu mit schiefen Grinsen: „Weil es am meisten provoziert.“
 

Sasuke schaute auf den Bildschirm, auf eine Frau, die nur spärlich bekleidet tanzte, ein paar Sekunden lang, bevor die dunkel gekleidete Band kam und unterbrochen von Szenen mit andere halbnackten Frauen, anfing auf den Instrumenten zu spielen. Es war ein harter Ton, nicht wie die Musik, die Itachi ihm auf den Ipod geladen hatte. Als der Leadsänger der einen Frau auf den Hintern schlug und ein anderer Kerl einer weiteren von diesen jungen Dingern Geld in den Slip steckte, wurde Sasuke endgültig klar, dass das nicht sein Ding war. Er wollte sich so was nicht anschauen. So was sollte nicht in Musikvideos gezeigt werden. Wenn überhaupt sollte es hinter verschlossenen Türen geschehen. Sasuke nahm es Suigetsu nicht übel, dass dieser ihm solche Bilder zeigte – er wusste ja nichts von der Vergangenheit; von den schrecklichen Sachen, die Sasuke hatte erleben müssen. Der Schwarzhaarige zwang sich dennoch weiter zuzusehen, wollte den neuen Klassenkameraden nicht wütend machen, aber als man die ersten Männer und Frauen beim Geschlechtsverkehr miteinander sah; die ersten männlichen Glieder sah, hatte er eindeutig genug. Er wollte sich das nicht ansehen, weswegen er sich traute, wahrscheinlich nur knapp eine Minute vor Ende des Videos, zu sagen: „Mach’s bitte aus.“

Es war Karin die sich nach vorne beugte und den Stoppknopf drückte. Obwohl auch sie das nicht tat, ohne ihn nachher verwirrt anzusehen. Klar, es gab eine Menge Leute die Rammstein nicht abkonnten, aber die baten dann nicht so gequält wir Sasuke eben, dass das Video oder das Lied ausgemacht werden sollte.
 

„Sag nichts, Sasuke. Die sind genial! Keine Widerrede”, spaßte Suigetsu. Sasuke wusste nicht, ob er vor ein paar Wochen noch, bevor Itachi ihn ein wenig starker gemacht hatte, gekuscht hätte und an diesem Abend nichts mehr gesagt hätte und im Bezug auf diese Band oder überhaupt bei diesen drei Jugendlichen keine Widerworte mehr gegeben hätte. Aber er wusste, dass es nur ein Spaß war von Suigetsu. Nur ein Witz. Ähnlich wie Itachi es damals immer versucht hatte Witze zu machen. Nur da hatte Sasuke das noch nicht raushören können. Mittlerweile konnte er es. Ein wenig jedenfalls und bei diesem lustigen Typen war es besonders leicht, weil er beinahe alles ziemlich spaßig sagte. Aber Sasuke grübelte nicht weiter über die Worte dessen nach, viel eher liefen Szenen in seinem Kopf; von Dingen, die er mit Kabuto hatte tun müssen und es waren Worte - gleichsam auf diese Sachen, wie auch auf das Musikvideo bezogen - die er aussprach: „Es ist einfach… abartig.“

„Ach echt?“ Sasuke sah, wie Suigetsu eine Augenbraue hochzog und die Arme gespielt beleidig vor der Brust verschränkte. Zuerst hatte Sasuke jetzt doch ein wenig Schiss gehabt, zu weit gegangen zu sein, zu viel gesagt zu haben, aber schon bald merkte er, dass auch dies wieder nur ein Spaß von Suigetsu war, denn schon bald sagte der, begleitet von einem brummen Juugos und einem leisen Kichern Karins: „Was hört der brave Sasuke denn für Musik, huh?“
 

Sasuke blickte auf seinen Schoß, griff dann an Juugo vorbei nach seinem Rucksack und holte den Ipod heraus, weil er keine Antwort wusste. Sollte Suigetsu doch selber sehen, was er hörte. Er reichte dem anderen Jugendlichen den Musikplayer. Klar, wusste er wie einige Bands hießen und Songs, die er besonders gut fand, aber im Reden war er immer noch nicht gut, vor allem nicht, wenn man ihn nach solchen Dingen fragte. Über so was hatte er einfach viel zu lange nicht reden müssen oder können oder dürfen. Wie auch immer man es auslegen wollte. Sasuke hob seinen Blick und schaute Suigetsu dabei zu, wie er sich die Songs anschaute, die Kopfhörer in die Ohren steckte und wohl das ein oder andere Lied kurz anhörte, bevor er den Player irgendwann auf den Tisch legte.

„Was für Pussymusik“, meinte er lachend. „Wer hat dich denn auf so einen Scheiß gebracht? Coldplay und U2. Absolut langweilig.“
 

„Es reicht, Suigetsu. Nicht jeder hat deinen Musikgeschmack, also lass ihn“, wandte sich der sonst so stille Juugo ein. Sasuke blickte ihn aus dem Augenwinkel heraus verblüfft an. Er hatte zwar schon bemerkt, dass der große, breite Kerl verdammt in Ordnung war und anders, als es sein Erscheinungsbild vermuten lies, ziemlich nett und eben ruhig. Aber er hatte trotzdem nicht gedacht, dass Juugo ihn vor seinem langjährigen Kumpel Suigetsu in Schutz nahm. Juugo hingegen sah das als ganz natürlich an. Er war, auch wenn viele das nicht von ihm glaubten, ein ziemlich aufmerksamer Kerl. Er war jemand, der merkte, wenn es Leuten nicht gut ging oder wenn sie sich unwohl fühlten und das tat Sasuke seit dem Video eindeutig. Suigetsus Sprüche machten es dann nicht besser, auch wenn er es nicht böse meinte. Juugo war in den letzten Tagen – in den dreien jetzt, in denen er Sasuke kannte – aufgefallen, dass er sehr vorsichtig war, mit den Dingen die er sagte. Dass kannte Juugo von sich selbst. Von sich selbst, als er jünger war und bevor er in das Jugendheim kam, in dem er jetzt war und in dem es ihm unheimlich gut ging, obwohl er die Wochenenden doch lieber bei Suigetsu verbrachte, sobald er durfte. Das war einfach besser, freier und das – diese Freiheit in einer Wohnung ohne Eltern und Aufsehern – war das was Suigetsu, Karin und er so liebten.

„Ist ja gut, Fettie“, spaßte Suigetsu schon wieder, nahm seinen breiten – und nicht fetten – Kumpel die Worte nicht übel, warf sogar einen kurzen, entschuldigenden Blick zu Sasuke, bevor er sich tief ins Sofa lehnte und ratlos fragte: „Was machen wir jetzt?“
 

~~
 

Itachi hatte eine seiner Arme über die Augen gelegt und in der Hand des anderen hielt er eine Zigarette, an der ein letztes Mal zog, bevor er sie im Aschenbecher ausdrückte und zuließ, dass Shizune seinen nun freien Arm wieder in Beschlag nahm und ihren Kopf drauf bettete. Er wusste, dass sie es nicht leiden konnte, wenn er rauchte und vor allem die Zigarette danach missachtete sie. Aber trotzdem hielt sie den Mund, als sie nackt, nur unter einem dünnen Lacken, mit erhitztem Körper neben ihrem Freund lag. Itachi nahm den anderen Arm von seinem Kopf, lies ihn auf die Matratze fallen und blickte an die weiße Decke. Es war noch hell im Raum, sie hatten beide Nachttischlampen an und keiner von ihnen wollte sie löschen. Keine von ihnen beiden wollte schon schlafen. Itachi weil er sogar Lust auf eine weitere Runde hatte und Shizune, weil sie es genoss so in den Armen des Mannes zu liegen, den sie liebte. Sie strich über seinen nackten Oberkörper und küsste seinen Hals, während sie sich an die Worte erinnerte, die sie gesagt hatte, nachdem sie Sasuke zum ersten Mal gesehen und untersucht hatte. Sie würde eine Menge für Itachi tun. Das war schon so, seit sie sich kannten und Shizune glaubte, dass würde immer so sein. Auch wenn Itachi manchmal ein wenig unterkühlt war, glaubte und hoffte sie, sie könnte irgendwann eine Familie mit ihr gründen, weil sie wusste, dass er ihre große Liebe war. Und mit Kindern, dass hatte sie bei Sasuke gemerkt, konnte er umgehen, auch wenn er das ungern zugab.
 

„Vermisst du ihn?“, fragte Shizune dann unvermittelt, küsste wieder seinen Hals, sah daher nicht, wie Itachi sich schmerzhaft auf die Lippe biss, um nicht sauer zu werden. Sie hatte noch weniger das Recht ihn nach Sasuke zu fragen, als Naruto. Vor allem nicht in dieser Wohnung. In ihrer Wohnung, weil er hier doch nur vergessen wollte, wie einsam er sich in seiner eigenen ohne Sasuke fühlte, der – egal wie traurig und verletzt er auch gewesen sein mag – seinen vier Wänden leben eingehaucht hatte und ohne es zu merken, zu wollen oder es extra zu machen, hatte er Itachi Leben und sein Denken verändert.

„Du wirkst immer so traurig, in den letzten Wochen“, sagte sie und strich über seinen nackten Oberarm, legte ihren Kopf auf seiner Schulter. „Dabei… ist es doch gut, dass Sasuke nun bei seiner Familie ist.“

Das leise Schnauben ihres Freundes hörte sie nicht, sah nicht wie sich seine Hand verkrampfte und konnte einfach nicht sehen, dass er diese Dinge von ihr nicht hören wollte. Das waren Dinge, die er sich selber sagte: Dass es doch gut war, dass Sasuke wieder Familie hatte und so was. Das er doch genug mit seinem eigenen Leben zu tun hatte und dass sein Studium und der Job ihn sowieso ab Februar wieder einnehmen würden.

„Außerdem muss es für dich hart genug gewesen sein dich um ihn zu kümmern, so traumatisiert, wie er war. Ich denke, es ist nur gut, dass du nun wieder dein eigenes Leben leben kannst und nicht mehr Geld für zwei ausgeben musst.“ Sie wollte wieder zu einem Kuss ansetzten, um ihn aufzumuntern, aber er wand sich um, stand nackt wie er war, auf und verschwand im Badezimmer, das man durch eine Tür von ihrem Schlafzimmer aus erreichen konnte. Shizune setzte sich im Bett auf und fuhr sich durch ihr Gesicht. Warum reagierte er jetzt so? Sie hatte indirekt von seinem Traum des Bootsrestaurants gesprochen und nicht Sasuke Vorwürfe machen wollen. Sie wollte Itachis aufmuntern, alles tun, damit er sich gut fühlte, wenn er schon diesen Jungen vermisste. Shizune dachte, als sie das Rauchen der Dusche hörte, daran, dass sie glaubte, dass Itachi einfach nur gebracht werden wollte. Er brauchte, seit er dieses Kind kennen gelernt hatte – oder vielleicht schon früher, das wusste sie nicht genau – das Gefühl gebraucht zu werden.
 

Aber auch sie konnte es sein, die ihn brauchte. Sie könnten wirklich zusammenbleiben, vielleicht heiraten irgendwann und Kinder bekommen. Sie würde das mit ihm gemeinsam wollen. Wollte es schon, seit sie das erste Mal zusammen gewesen waren, nur da fand sie sich und ihn noch zu jung um überhaupt darüber zu reden. Aber sie wusste nun, dass er gebraucht werden wollte, also sprach doch nichts dagegen in naher Zukunft, wenn er auch wollte, ihre Beziehung zu festigen. Sich an diese Wünsche erinnernd, stand sie auch auf, zog ihren Slip wieder an und Itachis Shirt, weil sie seinen Geruch so liebte und weil es an ihr so schön weit war und ging zur Badezimmertür, wo sie sachte anklopfte und nicht öffnete, obwohl er nicht abgeschlossen hatte.

„Kommst du wieder ins Bett, Schatz?“ Sie lauschte kurz, hörte weiterhin nur das Rauchen des Wassers und sagte dann noch mal: „Bitte, Itachi. Es tut mir Leid. Kommst du?“ Das Wasser wurde ausgestellt, sie wartete eine Sekunden, bis die Tür sich öffnete und ein Itachi vor ihr stand, der ein wenig zu verloren wirkte für ihren Geschmack. Das Handtuch hing locker um seine Hüften und die Haare waren feucht und entließen Wasser, das auf die Fliesen tropfte. Ein milder Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, als sie näher ging, sich auf den Zehenspitzen hochreckte und ihn hauchzart auf die Lippen küsste.

„Ich liebe dich“, sagte sie und meinte es so, wohl wissend aber gleichzeitig verdrängend, dass sie nicht genau wusste, ob er dasselbe für sie empfand.
 

~~
 

Anko hatte sich um Viertel nach Elf endlich dazu aufraffen können, ihren Neffen bei seinen neuen Freunden abzuholen. Sie brummte entnervt als er einstieg und sagte motzend: „Du hättest auch mit dem Bus kommen können.“ Sie wusste natürlich dass so spät keine Busse mehr in Richtung des Hauses fuhren, in dem sie wohnten, aber er hätte sich früher auf den Weg machen können. Ganz einfach. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie ihn wirklich holen kam, nur weil ihre Mutter das vorgeschlagen hatte, denn von Anfang an hatte sie klargestellt, dass sie sich um dieses Kind – den Sohn ihres Bruders und dieser verschissenen Irin – nicht kümmern würde. Und jetzt kutschierte sie ihn schon zum zweiten Mal irgendwo hin. Hatte es nicht gereicht, dass sie ihn am ersten Morgen zur Schule gebracht hatte?

Sasuke blickte auf den Schulrucksack, den er auf seinem Schoß gebettet hatte und murmelte leise: „Entschuldigung.“ Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass man ihm solche Vorwürfe machen konnte. Sonst war er – wie bei Itachi Uchiha – selbst zu bescheiden gewesen, Pflegeprodukte zu benutzten oder warmes Wasser. Hier verließ er sich darauf, dass ihn Anko abholte, nur weil die Großmutter das gesagt hatte. Noch vor wenigen Tagen, glaubte Sasuke, wäre er im Schneesturm zu Fuß gegangen, um niemanden Umstände zu bereiten. Was war nur mit ihm los? Er war immer noch ein Nichts! Das sollte er nicht vergessen, nur weil er jetzt ein Zimmer mit funktionierender Heizung bewohnen und sein Eigen durfte und weil er zur Schule ging und es da Leute gab, die seine Vergangenheit nicht kannten und ganz locker mit ihm umgingen.
 

Sasuke blickte hinaus aus dem Fenster und wusste für sich selber, dass sich das wieder ändern musste. Er durfte nichts, aber auch rein gar nichts, als selbstverständlich wahrnehmen. Nur weil ein Handy in seiner Hosentasche stecke und er von seinen Großeltern einen Ipod zu Weihnachten bekommen hatte, war er kein anderer Mensch. Er lebte immer noch unter der Gnade von Menschen, die ihn – ob er wollte oder nicht wollte – schon am nächsten Tag raus schmeißen konnten, wenn er sich nicht benahm. Dessen war er sich bewusst. Sorgerecht hin oder her; das war doch nur eine Formalität.

Noch ganz in seinen Gedanken gefangen, bekam er nur am Rande mit, wie Anko sagte: „Dafür ist es jetzt auch zu spät. Hab mich ja schon erbarmt.“ Und wieder musste er ihr im Stillen zustimmen. Er hatte es auch wieder nur ihrem guten Willen zu verdanken – so wie er fast alle Dingen den guten Willen der Anderen zu verdanken hatte – dass er nun nicht um diese Uhrzeit zu Fuß nach Hause gehen musste, obwohl er gar nicht genau wusste, wie der Weg überhaupt gewesen wäre.

„Aber ehrlich. Nächstes Mal läufst du zu Fuß. Mir egal, wie spät es ist. Das wird nicht zur Gewohnheit, klar? Ich bin doch nicht dein Chauffeur.“

„Ja“, sagte Sasuke leise und sackte noch ein wenig mehr in sich zusammen. Er wollte sich noch mal entschuldigen, wollte das Anko ihm glaubte, dass es ihm Leid tat, aber er wollte sie auch nicht nerven, weswegen er seinen Mund hielt.

„Rede schon laut und deutlich, Mann. Das hält man ja nicht aus, wie du hier rumstammelst.“ Sie lachte kurz und meinte dann: „Ich stell mir grad vor wir würden beim Training so murmeln. Der Colonel würde sich in die Hose pissen vor Lachen.“

Sasuke war aber nicht bei der Army, er hatte schlicht durch die Hölle gehen müssen in der Wohnung seiner Mutter und im Beisein Kabutos, der ihm schreckliche Dinge angetan hatte. Er konnte doch nichts dafür, dass er, wenn man ihm Vorwürfe machte oder mit ihm schimpfte, nicht laut und deutlich reden konnte. Konnte nichts dafür, dass ihm das eigentlich immer schwer fiel. Sasuke wollte sich wieder entschuldigen, wusste aber das es nichts brachte und seine Tante es gar nicht hören wollte, weswegen er hinaus in die dunkle Nacht blickte und sich wünschte er wäre bei Itachi, denn er hatte es irgendwie immer geschafft, dass er sich gut und gewollt fühlte. Dieser Wunsch verfolgte ihn ungewollt bis nach Hause und auch als er sich mit einem kurzen und sehr leisen Nachtgruß verabschiedete und auf leisen Sohlen durch die Küche in sein Zimmer ging, war er noch präsent. Als er sachte, um niemanden im Haus zu wecken, der schon schlief, die schwere Tür hinter sich schloss und in den dunklen und trotz wärmender Heizung so kalt erscheinenden Raum betrat, fühlte er sich auf einmal so unendlich allein.
 

Diese Gefühle für ein paar Minuten unterdrückend, tasteten nach dem Lichteschalter, welchen er im gleichen Moment betätigte und der somit den Raum in kühle Helligkeit tauchte. Er setzte sich auf den Holzstuhl vor dem Schreibtisch, band seine Schuhe auf, zog sie aus und stellte sie ordentlich neben den Schrank, bevor er auch den Rest seiner Klamotten auszog, sie über den Stuhl hängte – teilweise um sie am nächsten Tag noch mal anzuziehen und den Rest um ihn dann in die Wäsche zu geben – und schlüpfte dann in Schlafsachen, mit denen er, nachdem er sein Handy und den Ipod auf den Nachttisch gelegt hatte, das große Licht gelöscht und das Nachtlämpchen angemacht hatte, ins Bett legte. Er starrte an die weiße Zimmerdecke und musste schwer Schlucken, als er spürte wie sich die zuvor verdrängten Gefühle erneut ihren Weg hinaufbannten.
 

Er kam sich minderwertig vor. Nein, er war es. Daran änderte auch die Tatsache nicht, dass er nun in einem warmen Bett lag, ein festes Zuhause hatte und eine Familie, von der ihn Teile doch irgendwo leiden konnte, ohne das er groß was dafür tat. Klar, er versuchte soviel wie möglich im Haushalt zu helfen, saugte Staub, machte mal die Wäsche und half seiner Oma beim Kochen. Er benahm sich, hatte Tischmanieren, nervte nicht rum, diskutierte nicht und hielt das Zimmer, das er bewohnen durfte, immer ordentlich. Aber das waren für ihn Selbstverständlichkeiten. Er konnte ja sonst nichts tun. Wenn er sechzehn wurde, im Juli, konnte er sich einen Nebenjob suchen; dann müssten ihm seine Großeltern kein Taschengeld mehr geben – das müssten sie jetzt auch nicht, Sasuke hatte sogar gemeint, dass er nichts brauchte, aber sie meinten das wäre normal und nur richtig – jedenfalls, müssten sie es dann eindeutig nicht mehr und er könnte ihnen sogar ein wenig zurückgeben.

Die Decke ein Stück höher ziehend, rollte er sich auf die Seite, schaute die Nachttischlampe an und fasste unbewusst nach seiner Kette, die ihn seinen Vater und Itachi immer so Nahe sein ließen.

Anko hatte Recht gehabt. Er hatte sich einfach nicht darauf verlassen, nicht mal den Vorschlag annehmen dürfen, dass er abgeholt wurde. Denn es war nicht selbstverständlich. Nichts was für ihn getan wurde, war es. Er war und blieb ein Niemand. Jemand der sein Leben nicht auf eigene Faust auf die Reihe bekam und daher jedem nur Probleme und Umstände bereitete, obwohl das alles andere als seine Absicht war. Itachi hatte er auch so viele Probleme gemacht. Immer und immer wieder und doch hatte dieser Mann sich nie beklagt, hatte sogar traurig gewirkt, als er wegfuhr und schien gerne mit ihm zu telefonieren, denn meistens war es Itachi der anrief, weil Sasuke sich von selbst aus nicht so wirklich traute, Angst hatte ihn zu nerven. Das wollte er nämlich nicht. Er wollte niemandem eine Last sein. Niemandem. Nicht Itachi, der sie so gut um ihn gekümmert hatte und ihn ein wenig stark gemacht hatte; noch seinen Großeltern, dem Onkel oder auch Anko, seiner Tante, die alle wegen ihm Kompromisse eingehen mussten, die sie mehr oder weniger freiwillig und gerne hinnahmen.
 

Sasukes Hand fand von selbst den Weg hinauf zu seinen Augen, als diese bereits gefährlich brannten und strich reibend über diese.

Und jetzt? Jetzt fing er auch noch an zu weinen, obwohl er gar keinen Grund dazu hatte. Was für ein Weichei er doch war. Anko würde ihn jetzt sicherlich auslachen, verspotten und Recht hätte sie damit gehabt. Er sollte nicht wie ein Baby hier heulen, schließlich war hier niemand mehr, der ihm weh tat, Kabuto war weit fort und er hatte Dinge, die er benutzten durfte, von denen er nicht zu träumen gewagt hatte und er ging zur Schule. Er sollte verdammt noch mal glücklich, zufrieden und unendlich dankbar sein.

Obwohl er es zu unterdrücken versuchte, schluchzte er leicht auf und wischte sich störrisch über die Augen, die Tränen aus dem Gesicht; nur die Traurigkeit wollte nicht schwinden und schon bald bildeten sich neue Tränen, die sich ihren Weg über seine Wangen, hinab ins Kissen suchten. An Itachi denkend und ihn unheimlich vermissend, griff er nach seinem Handy, tippte ein wenig herum und lass dann noch mal die wenigen SMS die Itachi ihn in den letzten zwei Tagen, seit der erste am Mittwoch geschickt hatte. Ein kleiner Einstein hatte er ihn darin genannt und in der zweiten hatte er nebenbei erwähnt, dass es in Irland schneite, was ihn ziemlich aufregte und in der letzten, der von heute morgen, hatte er ihm ein schönes Wochenende gewünscht. Traurig lächelte Sasuke. Itachi konnte ihn auch, von so weit fort, wenigstens ein bisschen aufmuntern. Er war immer so lieb und gab sich solche Mühe um ihn, dabei wäre es für Sasuke nur ganz natürlich gewesen, wenn Itachi den Kontakt zwischen ihnen jetzt abgebrochen hätte, wo Sasuke ein Zuhause gefunden hatte. Er stand mit nichts in Sasukes Schuld, hatte durch ihn nur Probleme gehabt, aber trotzdem schien es so, als wollte er unbedingt mit Sasuke in Kontakt bleiben und das machte den Jungen unheimlich glücklich, schließlich wäre er schon – auch wenn Sasuke eben verstanden hätte, wenn Itachi keinen Kontakt mehr wollte – sehr traurig darüber gewesen, denn Itachi war, dass musste Sasuke zugeben und meinte es völlig ernst – nach seinem Vater, der erste Mensch, der sich überhaupt um ihn geschert hatte.
 

Ganz in seinen Gedanken gefangen, tippte er ein paar Wörter, war sich nicht mal sicher ob er sie abschicken wollte, schließlich mochte er es nicht Itachi wieder zu nerven, doch noch bevor er sie löschen konnte, weil er wirklich glaubte, abschicken wäre blöd, drückte er, mehr oder weniger – er wusste es irgendwie selbst nicht – aus Versehen auf den Senden-Knopf.
 

~~
 

„Ich mag’s nicht wenn ihr so über ihn redet. Keiner von euch. Egal wer.“

Shizune schwieg, strich Itachi über die weiterhin nackte Brust, er hatte nur nach seiner Boxershorts gegriffen, die noch neben dem Bett lag, hatte ihr das T-Shirt überlassen und würde morgen – heute war er zu faul um zu seiner Tasche am anderen Ende des Raumes zu gehen – ein frisches anziehen.

„Er kann doch nichts dafür… nur das rallt ihr nicht“, sagte Itachi weiter und vergrub seinen Kopf in Shizunes dunklem Haar. Shizune fuhr in ihren Streicheleinheiten fort, wollte ihren Freund so auf andere Gedanken bringen, doch dieser Wunsch wurde je unterbrochen, als das Handy des jungen Mannes vibrierte. Er nahm sofort einen Arm, mit dem er sie umarmt hatte fort, griff nach dem Iphone und schaute nach, von wem er eine SMS bekommen hatte. Shizune wandte sich etwas hoch, war – zugegeben – auch neugierig, wer ihrem Freund um diese Urzeit, um kurz nach zwölf in der Nacht, noch eine Nachricht schrieb. Als sie die Kurznachricht gelesen hatte, wusste sie, dass sie jetzt wieder Nebensache in Itachis Gedanken war. Jetzt fragte er sich sicherlich, was mit Sasuke los war. Und genauso war es, denn beinahe sofort tippten seine Finger eine Antwort.
 

Was ist los, Sasuke? Ist irgendwas passiert?
 

Itachi schaute wie gebannt auf den Display seines Handys, wartete auf eine Antwort und wenn er keine mehr bekam, würde er anrufen, ganz sicher, egal wie spät es war und egal wie teuer seine Handyrechnung würde. Itachi tippte mit dem Finger wieder auf Sasukes SMS und las sie erneut.
 

Tut mir leid, dass ich so spät noch schreibe, ich wollte eigentlich nur fragen wie es dir geht, aber im Grunde ist das ziemlich dumm. Du wirst wahrscheinlich schlafen und ich gehe dir wieder auf die Nerven. Entschuldige
 

Das schrie doch danach, dass Sasuke einsam war, traurig vielleicht, und für Itachi klang es gerade so, als bräuchte er unbedingt jemanden zum reden und hatte niemand anderen als ihn.

Es vergingen fünfzehn Minuten, in denen Itachi mit nervösem Gemüt auf eine SMS wartete. Seine Finger der Hand, in der er nicht das Iphone hielt, klopften auf der Matratze herum, während er das Smartphone die ganze Zeit über anstarrte. Es war Shizune, der es zu viel wurde. Sie griff nach seinem Handy, legte es auf ihren Nachttisch und umarmte ihren Freund, nachdem sie das letzte Nachtlicht gelöscht hatte.

„Schlaf, Itachi. Wenn es klingelt, werden wir schon wach und außerdem schläft er bestimmt auch schon, sonst hätte er längst zurück geschrieben.“

Hoffentlich, dachte Itachi im Stillen. Hoffentlich schlief Sasuke schon, hoffentlich ging es ihm gut, hoffentlich irrte er sich und Sasuke war nicht einsam, war nicht traurig, sondern wollte wirklich einfach nur wissen wie es ihm ging. Itachi schloss die Augen, seufzte noch einmal tief in die Dunkelheit des Raumes und sank dann stetig in einen leichten Dämmerzustand.
 

~~
 

Doch Sasuke schlief nicht. Er hatte gerade die SMS von Itachi bekommen, tippte den ersten Buchstaben einer Antwort ein, ehe er hörte, wie sich die schwere Holztür zu seinem Zimmer mit einem Knarren öffnete. Es war seine Großmutter die eintrat und auf sein Bett zuging, nur knapp einen Meter davor stehen blieb und ihn anschaute. Sofort wurde Sasuke bewusst, dass sie auch in dem Dämmerlicht der Nachtlampe sehen musste, dass er geweint hatte. Das wollte er nicht. Er wollte nicht als schwächlich dastehen und noch weniger wollte er seiner Großmutter von seiner Vergangenheit erzählen und es könnte schließlich passieren, dass sie darauf zu sprechen kamen, wenn sie seine Tränen sah. In einer stockenden Bewegung versteckte Sasuke sein Gesicht halb im Kissen, wandte es so peinlich berührt ab. Es war seine Oma, die näher kam und sich auf die Kante seines Bettes setzte. Sie legte sachte ihre Hand auf seinen Arm und sagte mit besorgter Stimme: „Was ist los?“

Sasuke zwang sich, nicht zu schniefen und murmelte leise: „Nicht… alles okay.“

„Na komm, du weinst doch nicht ohne Grund. Hast du Heimweh? Vermisst… du deine Mutter?“

„Nein“, sagte Sasuke entschieden. Er hatte sicherlich kein Heimweh nach diesem Ort, an dem er so verletzt wurde. Klar, er würde seine Mutter irgendwie doch schon gerne mal wieder sehen, er hatte sie ja auch gerne, aber er wusste, dann würde sie und somit auch Kabuto ihm wieder nur weh tun. Sie würden nur weiterhin auf seiner Seele herum trampeln. Wen er wirklich vermisste, das war Itachi und vielleicht hatte er sogar ein wenig Heimweh, nach dem Ort, an dem er für ein paar Wochen hatte leben dürfen. Sicher und warm unter Itachis Obhut.
 

Als Sasuke nach mehreren Minuten, nicht von sich aus irgendwas erzählte, forderte ihn seine Großmutter freundlich, aber auch unbeholfen, da sie nicht wusste, wie sie mit ihrem traurigen Enkel umgehen sollte, auf: „Nun sprich doch mit mir, Sasuke. Ich möchte dir gerne helfen.“

Wieder war er einige Minuten lang leise, brachte sich selbst unter Kontrolle, wollte nicht vor ihr weinen; sich nicht wie ein kleines Kind benehmen. Und eben erst nach dieser Zeit, schaffte er es, immer noch gegen das Kissen murmelnd, zu fragen: „Ist es… wirklich in Ordnung… das ich hier bin?“

„Sasuke“, sagte seine Oma bedauernd und konnte sich schon denken, wer ihm solche Flausen in den Kopf gesetzt hatte. Ihre Tochter mal wieder. Dieses störrische Ding.

„Was hat Anko dir gesagt?“, fragte sie und erntete wieder nur Stummheit des Jungen und als diese anhielt, sprach sie selber, weiterhin die Hand auf seinem Arm haltend, weiter: „Sie ist immer ein wenig zu harsch und sagt Dinge, die ihr nachher Leid tun oder Leid tun sollten.“

Sasuke biss sich auf die Lippe, wollte seine Großmutter nicht ansehen, wollte nicht mit ihr reden, aber er konnte nicht mutig genug sein, um sie zu bitten, ihn allein zu lassen, denn er konnte sie doch nicht aus einem Raum schmeißen, der eigentlich ihr gehörte; den er nur nutzten durfte.
 

„Wir haben dich sehr gerne hier, Sasuke, du bist unser einziger Enkel und du bist schließlich sein Sohn, Sasuke, sein einziges Kind, dass er so sehr geliebt hat.“

Die letzten Tränen runterschluckend, setzte Sasuke sich auf und blickte seine Großmutter an. Sie sprach von seinem Vater. Von seinem geliebten Vater und dann nickte er. Ja, dieser wundervolle Mann hat ihn sehr geliebt, das stimmt und er war sein einziges Kind; der Junge für den sein Vater die Welt umgedreht hatte.

„Danke“, murmelte der Junge leise und zwang sich dazu seine Großmutter anzulächeln. Sie tätschelte seinen Arm und erhob sich dann schwerfällig von der Bettkante.

„Schlaf gut, Sasuke und träum was Schönes.“

„Ja, gute Nacht“, murmelte er auch, legte sich wieder hin, als sie aus dem Raum verschwand und nahm sein Handy zur Hand. Er löschte den ersten Buchstaben und tippte etwas Neues.
 

Irgendwo, ein paar Meilen weiter; über den Ozean; in einer anderen Stadt, einem anderen Land, war jemand, der von dem leisen Piepen aus seinem Dämmerschlaf erwachte und lesen musste, dass es Sasuke gut ging; dass er nur etwas traurig gewesen war. Da war jemand, der hinter diesen Worten tiefe Traurigkeit und tiefe Einsamkeit sah, ohne es selber zu wissen und jemand der sich im Stillen schwor, nicht zuzulassen, dass Sasuke erneut verletzt wurde. Nun war es an diesem Jemand, an Itachi Uchiha, die Augen und Ohren offen zu halten, weil es damals; vor ein paar Jahren – beinahe in einem anderen Zeitalter – niemand getan hatte, als das erste Mal auf Sasuke und seinem Seelenheil rumgetrampelt wurde. Itachi Uchiha würde Sasuke nicht fallen lassen, egal wie weit er fort war. Er schwor sich, dass er einfach da sein würde, wenn Sasuke ihn am meisten brauchte.
 

[ito be continued

by Jessa_

Kapitel 3: how people do what they consider to be right.


 

Kapitel 3: how people do what they consider to be right.

In any moment of decision,

the best thing you can do is the right thing,

the next best thing is the wrong thing,

and the worst thing you can do is nothing.

- Theodore Roosevelt
 

Das letzte Mal hatte Itachi an Shizunes großen Tisch im Wohnzimmer gegessen, als sie das Curry gemacht hatte; an dem Tag, an dem sie auf Sasuke aufgepasst hatte. An dem Tag, an dem er raus ging, um ihm und ihr Zeit zu gönnen und um selber frische Luft zu schnappen. An dem Tag, an dem er in dieser Gasse von diesem Arschloch vergewaltigt wurde. Von dem Arschloch, das schon zuvor Sasukes Leben zerstört hatte. Heute saß nicht der verschüchterte und ruhige Sasuke mit ihm an diesem Tisch. Heute war neben Shizune, die ihn anlächelte, eine Gruppe Mädchen mit am Tisch, von denen ein Drittel eindeutig einen Kater hatte und mit brummendem Schädel am späten Frühstück saß. Die Blondine hatte wohl zu tief ins Glas geschaut; zu hart gefeiert. Er schaute auf die Teenager, wollte verstehen, was ihn an Sasuke – der ja auch ein Teenager war – so fasziniert hatte. Ob sich seine ganze Sorge und die Freundschaft die sie beide aufgebaut hatten nur darauf bezog, dass er für Sasuke eine Stütze sein wollte, da er wusste, was diesem zugestoßen war. Deswegen beobachtete Itachi in letzter Zeit eigentlich gerne Teenager. Und je mehr er das tat, glaubte er, es lag nicht nur an Sasukes Vergangenheit, warum er diesen jungen Kerl so gut leiden konnte. Viel mehr lag es daran, dass Itachi ein wenig hinter die traurige Schale schauen konnte, ein wenig hinein in den Sasuke, der einst darunter gelebt hatte. Auf einen aufgeweckten, intelligenten Jungen, der seinen Vater geliebt hatte und der einmal großen Spaß am Leben hatte haben können. Aber auch daran lag es nicht ganz. Am meisten lag es daran, dass Sasuke ihm einfach eine Chance gegeben hat. Itachi war nie ein großer Redner gewesen; nie jemand der sie gut um andere hatte kümmern können, aber durch Sasuke hatte Itachi sich selbst neu entdecken können und er hatte Seiten an sich kennen gelernt, die ihm unheimlich gefielen. Itachi mochte es, sich um Sasuke zu kümmern; er hatte ihn gerne bei sich gehabt, um sich herum. Genau konnte Itachi also gar nicht sagen, woran es lag, dass Sasuke der erste Teenager war, der Itachi berührt hatte, mit den Dingen die er gesagt und getan hat. Nie würde Itachi vergessen, wie er sich durch Sasuke gefühlt hat. Gebraucht. Gebraucht hatte er sich gefühlt.
 

„Ich fühl’ mich so platt“, jammerte die Blonde, die am gestrigen Abend noch so enthusiastisch gewesen war. Wie war das noch mal gewesen? Der Abend musste einfach toll werden, genau. Der Morgen danach wohl nicht so. Itachi musste ein Grinsen unterdrücken. Er hatte als Jugendlicher auch den ein oder anderen schlimmen Kater gehabt. Itachi sah, wie Shizunes kleine Schwester Sakura ihre beste Freundin ein wenig umsorgte; ihr Saft eingoss und sogar ein Brötchen schmierte, obwohl sie wohl ein bisschen zu viel über den Durst getrunken hatte. Itachi hatte wach im Bett gelegen, Sasukes letzte SMS noch ein weiteres Mal gelesen und dabei gehört wie die Tür aufging. Es waren zwei paar hochhackige Schuhe gewesen, die unsicher getorkelt waren, eindeutig und zwei laute, stark angetrunkene Mädchenstimmen und eine, die sie sicher ins Gästezimmer bringen wollte. Das war TenTen gewesen, die Itachi auch schon am vergangenen Abend so verantwortungsbewusst vorgekommen war. Und TenTen saß nun grinsend am Tisch und verspeiste ein Nutellabrötchen.

„Wir sollten uns ein Beispiel an Hinata und TenTen nehmen, huh?“, sagte Sakura nach einiger Zeit und kicherte ein bisschen. Sie schob ihrer blonden Freundin das Brötchen zu und machte sich selbst eines.

„Pah“, machte die Blonde müde. „Hinata würde nichts vertragen und TenTen, du trinkst doch nur wegen Neji nicht. Weil der tooolle Neji das nicht haben will.“

„Sei ruhig, Ino“, zischte Sakura und stieß der Blondine in die Seite, doch es war TenTen die deren Sprüche locker abtat: „Ich trinke nicht, weil ich nicht trinken will. Neji und ich sind da nur einer Meinung. Und du Ino“, - TenTen Stimme wurde ein wenig schärfer – „solltest keine Urteile über meinen Freund fällen.“
 

Itachi kam nicht mehr mit. Mädchengezicke, schrecklich. Er lehnte sich zurück, trank einen Schluck Kaffee und erinnerte sich zurück an die erholsamen Frühstücke, die er gemeinsam mit Sasuke verbracht hatte. Er hatte sich immer gefreut, wenn er Junge was erzählt hatte und am Ende sich die Dinge, die er vom Frühstückstisch essen wollte, auch selber nahm, ohne ihn jedes Mal fragend anzusehen. Itachi war dann nicht einsam, aber auch nicht von Sasuke genervt gewesen. Es hatte ihn nicht gestört, wenn Sasuke so unsicher war, weil Itachi wusste, dass er da nie was für gekonnt hatte. Nein, Sasuke war nie nervig gewesen. Itachi trank noch einen Schluck Kaffee und stand dann auf.

„Wo gehst du hin?“, fragte Shizune. Itachi fuhr sich kurz durch die Haare und meinte dann: „Bin `ne Runde joggen.“

„In den Klamotten?“ Shizunes Stimme war zweifelnd, die Aufmerksamkeit der Mädels hatten sie nicht – die waren miteinander beschäftigt.

„Ne, geh mir noch was anderes anziehen Zuhause.“

„Wann bist du wieder da?“ Itachi mute sich zwingen nicht genervt aufzuseufzen. Die konnte Fragen stellen.

„Weiß nicht, ein, zwei Stunden oder so. Bis nachher.“ Er küsste seine Freundin flüchtig auf den Mund, nickte den Mädchen zum Abschied zu, verschwand in den Flur und zog seine Schuhe an, bevor er zu seiner Wohnung fuhr, dort Sportsachen anzog und sein Iphone schnappte, es in die Hosentasche steckte und die Ohrstöpsel in die Ohren. Er musste seinen Kopf freikriegen, unbedingt.
 

Die Luft war frisch, eigentlich ein wenig zu kalt zum joggen für seinen Geschmack, aber es ging und er wollte sich ja nicht beschweren. Sasuke hatte lange bei solchen Temperaturen draußen schlafen müssen; leben müssen. Er seufzte im Laufen. Immerzu dachte er an Sasuke. Der Junge hatte seine Gedanken eingenommen und Itachi vermisste ihn. Er vermisste es gebraucht zu werden und er sorgte sich, dass es Sasuke dort, wo er war, doch nicht so gut ging, wie er tat. Das Sasuke nur den Starken spielte, um ihm keine Sorgen zu machen.

Itachi beschleunigte sein Tempo. Frische Luft und das Laufen hatten ihn eigentlich immer beruhigt. Nach einem der elenden Modeljobs waren lange Laufstrecken immer sein Ausgleich gewesen. Er hatte sich dann am Abend gefreut, wenn er beinahe hundemüde ins Bett gefallen war. In der Zeit wo Sasuke bei ihm gewesen war – wieder Sasuke, immerzu Sasuke – hatte er nicht joggen gehen müssen. Klar, manchmal hatte er Lust dazu gehabt, aber er hatte auch einfach andere Sorgen. Er glaubte, wenn er es wirklich hinbekommen hätte, dass Sasuke bei ihm hätte einziehen können – also, dass sie sich eine neue Wohnung gesucht hätten, dann hätte er sicherlich wieder Laufen gehen können, um es zu genießen, abends todmüde ins Bett zu fallen, aber das konnte er jetzt nicht ausprobieren; nicht mal mit Sicherheit sagen, denn er und Sasuke hatten nie die Möglichkeit bekommen, es zusammen zu probieren. In einer gemeinsamen Wohnung. Itachi seufzte erneut. Seit wann seufzt man beim Joggen? Egal, er schüttelte den Kopf zu sich selber, machte wieder ein bisschen langsamer, weil er sonst bald aus der Puste wäre, und grübelte weiter, weil er es nicht abstellen konnte.
 

~~
 

Sie hatten gut gegessen – ein frisches Krautgericht nach deutschem Rezept, meinte seine Großmutter, die sich mal wieder selbst übertroffen hatte. Sie konnte sehr gut kochen, dass hatte Sasuke in den letzten Wochen schon des Öfteren bemerkt, aber sie kochte häufig nur Gemüse in allen möglichen Variationen mit ein bisschen Fleisch oder Kartoffeln. Es war schon ein Unterschied zu dem was Itachi gekocht hatte. Bei dem gab es auch mal Nudeln, Aufläufe oder Pizza, ungesunde Dinge. Aber das war Sasuke eigentlich auch irgendwie egal. Er war immer noch, obwohl er jetzt schon ein paar Wochen bei seinen Großeltern lebte, froh über jede warme Mahlzeit, auch wenn es am Tisch nie sehr fröhlich zuging. Daiki war immer noch häufig betrunken, auch dieses Mal wieder und saß deswegen mit unbewegter Miene am Tisch, während Anko ihrem Vater, der noch immer krank war, das Essen hochbrachte, und Sasukes Großmutter den Tisch abräumte. Sie stellte das Geschirr in die Spüle, ehe Sasuke auch aufstand und zu seiner Oma ging, die das frische Krautgemüse in eine Tupperdose füllte. Sasuke lies seine Hände in das Schaumwasser gleiten, wischte mit dem Schwamm über einen Teller, denn er dann auf die Metallplatte legte, um es später abzutrocknen. Während er in seinem Tun weitermachte, blickte er kurz zu seiner Großmutter, die ihn zweifelnd ansah.

„Du musst doch nicht immer abwaschen“, sagte sie und kam näher, um ihm die Arbeit abzunehmen, doch er schüttelte nur leicht mit dem Kopf und murmelte: „Ist doch… keine große Sache.“

„Na, gut.“ Die Stimme seiner Oma war zögerlich, ehe sie sich auch einen Lappen nahm, um über den Tisch zu wischen, an dem Daiki noch saß. Dieser nahm zunächst nur seine Arme von der Tischplatte, bevor er aufstand und, mit dem bedauernden Blick seiner Großmutter im Rücken, ins Wohnzimmer schlürfte.
 

Sasuke wusste, dass es seiner Großmutter nicht sonderlich gefiel, dass er so viel im Haushalt mithalf. Über ein bisschen Hilfe war sie froh, vor allem da ihre eigenen Kinder kaum einen Finger rührten, aber Sasuke machte ihrer Meinung nach zu viel und dass wusste er, aber er war seinerseits der Meinung, solange sie es ihm nicht verbot, konnte er ihr so Arbeit abnehmen. Er könnte sich auch nach jedem Essen auf sein Zimmer verziehen und Musik hören oder sonst was machen, aber er half gerne. Nur so konnte er sich ein wenig erkenntlich dafür zeigen, dass er nun ein eigenes Zimmer und jeden Mittag, wenn er aus der Schule kam, was Warmes zum Essen hatte. Sasuke nahm sich den Topf vom Herd und spülte auch den sorgfältig, bevor er diesen zuerst abtrocknete und in den Küchenschrank räumte. Er ging nicht gerne an die Schränke. Nur wenn er sich was zutrinken nahm oder eben Dinge einräumte. Ganz selten nahm er sich eine Kleinigkeit aus dem Kühlschrank oder dem Schrank mit den Süßigkeiten; er fühlte sich einfach auch noch längst nicht heimisch genug hier, um das zu tun. Sasuke ging zurück zu dem Spülzeug, trocknete schweigend ab, ehe seiner Großmutter, die mit dem Abwischen des Tisches fertig war, zu ihm trat und interessiert fragte: „Wie war es denn gestern bei deinen Klassenkameraden?“

„… Gut“, murmelte Sasuke leise, war immer noch kein Meister im Führen von Unterhaltungen geworden und bezweifelte dass sich das in naher Zukunft ändern würde.

„Möchtest du mir was über sie erzählen?“

Eigentlich wollte Sasuke nicht. Er stellte die letzten Teller in den Hängeschrank und wischte sich die Hände trocken, bevor er sich umdrehte und zu seiner Oma blickte. Aber dass konnte er ihr doch nicht sagen. Ein wenig musste er also erzählen, auch wenn er sich dabei nie besonders gut fühlte.

„Sie heißen… Karin, Suigetsu und Juugo und sind… nun ja 16 Jahre. Sie sind… ziemlich nett und…“

„Das ist schön, wenn du dich gut mit ihnen verstehst“, fügte seine Großmutter ein und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer um dort ein wenig Staub zu wischen. Auf dien dunklen Möbeln sammelte sich dieser schnell an.
 

Sasuke ging ihr hinterher, weil er sich irgendwie ziemlich verloren fühlte, allein in der Küche stehen zu bleiben. Er setzte sich mit ein wenig Abstand neben seinen Onkel, der Fußball schaute, auf das Sofa und bot nach einigen Momenten der Stille an: „Ich kann… dir helfen.“

Seine Oma, die gerade über eine Kommode strich, schüttelte nur den Kopf und meinte: „Schau ruhig ein wenig Fernsehen. Ich bin bald fertig.“ Sasuke nickte ergeben und blickte zu dem alten Fernsehgerät. Er mochte Sport nicht besonders. Weder wenn er es selber machte, noch wenn er es im Fernsehen ansah. Schon am Montag hatte er das erste Mal Schulsport. Er haderte ein wenig mit sich, ob er es schaffen konnte, sich vor den anderen Jungs in der Umkleide umzuziehen, ohne sich dämlich zu benehmen, aber das musste einfach klappen, sonst würden sie ihn sicherlich auslachen und verspotten, wenn er sich wie ein schüchternes Mädchen anstellte und sich nicht traute, Hose und Oberteil zu wechseln, während die anderen zusahen. Darauf konnte er eindeutig verzichten; er wollte in der Schule nicht als der komische Neue dastehen. Er wollte einfach so gut wie möglich gar nicht auffallen. Vor allem nicht negativ auffallen.
 

Es war Sasuke anzumerken, dass er sich unwohl – vielleicht gelangweilt – fühlte; ihm anzusehen, dass er Sport nicht ansehen mochte. Doch Daiki wollte das spiel sehen. Wäre er nicht betrunken, hätte er sicherlich für seinen Neffen umgeschaltet, doch daran dachte er nun nicht. Sasuke den Fußball dennoch nicht aufzwingen wollend, entschied er mit dem Alkohol im Kopf naiv Sasuke einen anderen Vorschlag zu machen. Ohne zu lallen, weil er den Zustand des Betrunkenseins soweit schon gewohnt war, sagte er: „Möchtest du nicht etwas rausgehen und die Gegen angucken, Sasuke? Seit du hier bist hast du noch nicht viel davon gesehen.“

Es sollt gewiss kein Vorwurf an Sasuke sein, lediglich ein Vorschlag über den er nicht besonders gut nachgedacht hatte, denn was sollte Sasuke auch allein da draußen, wo es außer ein paar Häusern, Bauernhöfen und viel Wald und Wiese nichts gab? Aber in den Ohren des Teenagers hörte es sich schon wie ein Vorwurf an. Ganz so als wollten seine Großeltern, die Tante und der Onkel – allgemein einfach die Familie – ihn nicht immer hier hocken haben. Er musste zustimmen, dass er oft, einfach nur still im Wohnzimmer gesessen hatte oder allein in seinem Zimmer. Er hatte versucht niemanden zu stören, niemanden auf die Nerven zu gehen, aber anscheinend hatte seine bloße Anwesenheit schon ein wenig gestört. Sasuke biss sich auf die Lippe und erhob sich, als sogar seine Oma dem Onkel zustimmte. Das sei doch eine schöne Idee, sagte sie und fügte an: „Wenn du willst kann ich gleich auf einen Spaziergang mitkommen.“ Doch Sasuke schüttelte den Kopf und blickte auf den Boden, während er leise sagte: „Nicht… nötig. Ich bin... dann ein wenig draußen.“
 

Sasuke biss sich weiterhin auf die Lippe, verschwand in sein Zimmer, zog eilig seine Chucks an. Nur weil sein Onkel betrunken war, hatte er jetzt so gesprochen, als sei Sasuke lästig gewesen, so wie er still dort gesessen hatte. Dabei hatte er gar nichts gemacht. Er hatte nichts gemacht. Er hatte seine Klappe gehalten und sich kaum bewegt. Sasuke schnappte sich seinen Ipod und die Jacke, die über dem Holzstuhl gehangen hat. Verdammt, er ließ seine Klamotten noch nicht mal im Flur, selbst den Schal nicht – der hing im Schrank. Er machte sich nützlich und er war doch auch nicht der gewesen, der darum gebeten hatte, herzukommen und hier zu wohnen. Seine Lippe endlich in Ruhe lassend, wischte Sasuke sich fahrig über die Augen. Er würde jetzt nicht heulen, ganz sicher nicht. Sasuke steckte noch schnell den Schlüssel ein, den seine Großmutter ihm vor ein paar Tagen gegeben hatte und ging durch den Flur nach draußen. Die frische Luft brachte Ruhe in seine Gedanken, doch die schlechten Gefühle die aufkommen wollten, weil er wieder glaubte, nicht das recht zu haben innerlich wütend zu sein, verdrängte er. Er steckte die Ohrstöpsel ein, wählte ein Lied aus und lies den Ipod dann in der Hosentasche verschwinden, während er sich seinen Weg den Bürgersteig hoch bahnte. Das nächste Haus lag schon einige Meter entfernt von dem seiner Großeltern. Es war ein alter Bauernhof, hinter dem eine große Weide war, auf der ein paar Kühe standen. Sehr ländlich die Gegend, er hatte Glück, dass hier ein Schulbus fuhr. Sasuke wandte sich an einer Abzweigung ab, merkte sich den Weg, um auch wieder zurückzufinden und ging um die Weide herum, einen kurzen Feldweg lang und wieder an der Ecke einen Steinweg wieder seitwärts, sodass er nach etwa einer halben Stunde, in der er an Weiden mit Pferden und einem kleinen Teich vorbeigekommen war, wieder an bewohnten Häusern vorbei kam und glaubte, nun nicht mehr weit vom Haus seiner Großeltern entfernt zu sein. Aber er wollte noch nicht zurück, weswegen er, kurz vor deren Haus, eine andere Abzweigung nahm und am Wald vorbei auf dem Bürgersteig ging. Auf einer Bank vor einem alten Haus saß ein Mann und rauchte, während er mit einem anderen sprach, der am Gartenzaun stand. Ansonsten war wenig Leben auf den Straßen und nur ganz selten fuhr ein Auto. Ihm waren nur ein paar Leute mit ihren Hunden entgegengekommen und auf dem Rückweg zum Haus eine Frau mit Kinderwagen und einem zweiten Kind – so um die drei oder vier – das mit dem Dreirad voran fuhr.
 

Sasuke musste, als er die letzte, kurze Runde drehte, bevor er zurück zum Haus seiner Großeltern gehen würde, unweigerlich an Weihnachten denken. An Itachi und an seine Familie, die ihn ohne weiteres akzeptiert hatte. Allen voran, neben Itachi natürlich, dessen Mutter, die ihn so gut behandelt hatte und das obwohl sie alles wusste. Sasuke musste an die Kinder denken, die so fröhlich durch das große Haus gelaufen waren. An lachende Männer musste er denken, an Itachis älteren Cousin, der getrunken hatte, um lustig zu sein. Er dachte zurück an diese Familie und konnte sich nicht erklären warum, aber Itachi und eben diese Menschen, waren für ihn in diesem Moment mehr eine Familie gewesen, als seine eigene nun.

Schwachsinn, dachte er dann, du kanntest sie nicht einmal richtig und bezeichnest sie als eine Art Familie. Das war reiner Schwachsinn. Sei nicht dumm, sagte er sich. Aber auch wenn er das immer wieder in Gedanken wiederholte, konnte er nicht ändern, dass er in diesem Augenblick die Zeit bis Weihnachten zurückdrehen wollte. Er wollte wieder bei dieser Familie sein, wieder bei Itachi. Ja, er wollte in diesem Moment nirgendwo lieber sein als bei Itachi Uchiha. Er fragte sich seinerseits aber auch, wo Itachi gerade war; was er gerade tat. Das fragte Sasuke sich öfters. Er wollte, wenn er ganz ehrlich zu sich selber war, an Itachis Leben teilhaben und das konnte er von so weit weg einfach nicht, dabei vermisste er ihn wirklich. Es war nicht mal so sehr die Wohnung, in der Sasuke hatte leben können. Es waren auch nicht so sehr die Dinge, die sie unternommen hatten, denn so viel war das ja gar nicht gewesen, weil Sasuke teilweise eben ziemlich krank gewesen war. Am meisten vermisste Sasuke einfach Itachis Gegenwart, weil er sich dann immer irgendwie sicher gefühlt hatte. Irgendwie sogar gewollter, als er sich momentan bei seinen Großeltern fühlte.
 

~~
 

Itachi hatte seine dreckige Sportwäsche bei Shizune in den Wäschekorb geschmissen, dort geduscht und sich für den Abend fertig gemacht, bevor er entschied, er solle mal Sasuke anrufen. Dass hatte er seit gestern Abend schon gewollt. Hören, ob alles in Ordnung war. Hören, ob Sasuke in Ordnung war. Itachi ging auf Socken ins Schlafzimmer, wo Shizune im BH vor ihrem Schrank stand und was zum Anziehen raus suchte.

„Wann bist du wieder da?“, wollte sie leise wissen, zog ein weites T-Shirt aus dem Schrank und zog es über. Sie knöpfte ihre Jeans auf und schaute Itachi daraufhin an.

„Weiß nicht. Spät“, antwortete er. „Kannst ruhig schon schlafen gehen.“

„Aber du kommst?“, fragte sie. „Auf jeden Fall?“

„Klar.“ Er ging näher, schob ihr Haar beiseite und drückte ihr einen Kuss in den Nacken. Er lies sich nach hinten aus Bett sinken, saß auf der Kante und schaute seiner Freundin aus dem Augenwinkel dabei zu, wie sie sich die Hose von den Beinen zog und dafür eine kurze Jogginghose aus dem Schrank nahm, diese anzog und sich dann auf seinen Schoß setzte.

„Hast du Lust morgen Essen zu gehen?“, fragte sie und lehnte sich vor um Itachi auf den Mund zu küssen. Er erwiderte nur halbherzig, lehnte sich ein wenig zurück und stützte sich mit den Armen auf dem Bett ab. Itachi brummte zustimmend, sah in Shizunes lächelndes Gesicht und wunderte sich, wie leicht sie glücklich zu machen war. Sie wusste, dass er sie nicht annähernd so sehr liebte, wie sie ihn. Sie hatte in den Wochen, in denen sie nun als Paar galten, kein einziges Mal die drei besonderen Worte von ihm gehört. Er konnte ihr einfach nicht sagen, dass er sie liebte, weil es eben nicht gänzlich so war. Er hatte Verlangen nach ihr, genoss den Sex und die schönen Abende, die sie miteinander verbrachten und die ihn von der Einsamkeit ablenken, aber er liebte sie nicht. Und obwohl sie dass ahnte, gab sie sich mit dem zufrieden, was er geben konnte.
 

Shizune würde Itachi in dem zustimmen, aber sie war froh, dass er es nicht aussprach. Sie spürte, dass er so fühlte. Auch jetzt wieder und dennoch lehnte sie sich erneut nach vorne und rang ihm einen Kuss ab. Sie wollte, dass Itachi der Mann war, mit dem sie sich ein Leben aufbauen konnte. Sie wollte, dass er lernte, sie zu lieben, weil sie ihm eine wirklich gute Freundin war. Weil sie eine Menge für ihn tun würde. Sie wusste, sie war die Richtige für ihn. Deswegen gab sie sich mit dem zufrieden, dass er zu geben bereit war. Erstmal.

„Soll ich dir noch ein Taxi rufen, Schatz?“, fragte sie, konnte den Kosenamen nicht unterdrücken, als sie sich von seinem Schoß erhob.

„Nicht nötig.“ Er stand ebenfalls auf, zog sein Handy aus der Tasche und ging damit ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und wählte Sasukes Nummer. Bevor er ging, musste er unbedingt noch mit dem Jungen sprechen.
 

~~
 

Sasuke war lange draußen gewesen, es hatte schon begonnen zu dämmern, als er wieder nach Hause gekommen war, aber er wollte einfach nicht nerven, seiner Familie ein wenig Ruhe von ihm gönnen, doch noch bevor er die Haustür wieder geschlossen hatte, hatte seine Oma auch schon vor ihm gestanden und voller Sorge gefragt, wo er denn so lange gewesen sei; sie und Daiki hatten sich Sorgen gemacht. Sasuke hatte sich entschuldigt, aufrichtig; aber er hatte zunächst nicht glauben können, dass sein Onkel in Sorge um ihn gewesen war. Doch dieser saß zusammengesunken auf dem Sofa, als Sasuke ins Wohnzimmer kam. Der Fernseher war aus und Daiki sah ganz so aus, als würde er sich selbst Vorwürfe machen. Das verstand Sasuke nicht. Der einzige der hier was falsch machte, war er, indem er überhaupt hier lebte und seine Großeltern und die Geschwister seines Vaters belästigte.

„Ich verkackter, versoffener Idiot hab dich rausgeschmissen“, brummte dieser zu sich selbst, schaute hoch und sah, wie Sasuke den Kopf schüttelte.

„Nur wegen diesem unsinnigen Spiel. Verdammte Scheiße.“ Daikis Hand ballte sich zur Faust, er zitterte vor Wut auf sich selbst und stand dann ruckartig auf, womit er Sasuke erschreckte. Der Junge trat eilig zurück, fürchtete sich vor dem breiten Mann und merkte, dass er schon mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Beherrsch dich, sagte er sich innerlich, benimm dich normal. Benimm dich wie ein Jugendlicher, der keine Angst davor hat, zusammen geschlagen zu werden.
 

Daiki konnte es sehen. Die Angst. Er sah Sasuke an, dass er furchtbare Angst hatte. Vor ihm, seinem eigenen Onkel, der ihm kein Haar gekrümmt hatte. Warum war das dann so?

Gut, klar, er war gerade unsagbar wütend, er war ein breiter, recht muskulöser und großer Mann, aber er war auf sich selber wütend und er war nicht mehr betrunken. Er würde Sasuke nichts tun. Nichts. Und weil er merkte, dass er sich beruhigen musste, um Sasuke die Angst zu nehmen tat er das. Er trat einen Schritt zurück, lockerte seine Faust und zwang das Zittern aus seinem Körper.

„Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst einjagen.“ Daikis Worte waren leise und gepresst, aber er versuchte die Wut aus seiner Stimme zu verbannen. Und obwohl ihm das recht gut gelang, blickte Sasuke ängstlich zur Seite, schien wohl aus dem Raum heraus zu wollen, fort von seinem Onkel, fort von der Angst. Daiki blickte seine Mutter an und machte ihr - die ja mit eigenen Augen sah, wie Sasuke da stand - ohne Worte verständlich, was sie tun sollte.

Emi Nakano legte ihre alte Hand auf Sasukes Schulter und schob ihn in Richtung Flur.

„Geh duschen, mein Junge. Ich koche derweil was, in Ordnung?“

Sasuke nickte nur kurz und ging dann ins Badezimmer. Er hörte die Geflüsterten Worte seines Onkels nicht, der diese am liebsten brüllen würde. Brüllen, was man seinem Neffen – dem geliebten Sohn seines kleinen, wunderbaren Bruders – angetan hatte.
 

Der Teenager stand unter dem warmen Strahl der Dusche und brachte sich selbst und seine Gedanken dazu, sich zu beruhigen. Er wusste ja, dass er keine Angst vor Daiki haben musste. Dieser Mann würde ihm nichts tun und selbst wenn könnte er sich sofort an Itachi oder an seine Großmutter wenden. Aber Daiki würde ihm einfach nichts tun, sonst hätte er dass schon längst getan. Als sie allein im Auto gewesen waren oder sonst, wenn alle schon schliefen. Aber Sasuke wusste auch, dass seine Angst ganz natürlich war, weil Kabuto sie ihm jahrelang eingebläut hatte. Mit jedem Schlag; mit jeder weiteren Vergewaltigung; mit jedem Wort… Sasuke konnte diese Angst, die er zu Anfang auch vor Itachi gehabt hatte und vor fast jedem Anderen, einfach nicht abstellen. Dazu, war viel zu viel passiert und wahrscheinlich musste – wenn es überhaupt jemals so sein sollte, dass er auch zu Anfang keine Angst mehr hatte – sehr viel Zeit ins Land ziehen.
 

Sasuke stieg aus der Dusche, trocknete sich genauso eilig ab, wie er geduscht hatte und band ein Handtuch um seine Haare, bevor er diese auch trocken rubbelte. Er schlüpfte in Schlafklamotten, Jogginghose und Shirt, und putzte Zähne, bevor er aus dem Badezimmer trat, in sein Zimmer ging und den Brief von der Schule aus seinem Rucksack nahm. Er hatte mit sich gerungen, ob er ihn überhaupt abgeben sollte, schließlich kostete die Klassenfahrt eine Menge Geld, das er selbst nicht hatte und seine Großeltern eigentlich nicht für sich ausgeben lassen wollte. Aber er hatte erfahren, dass schon alle den Brief abgegeben hatten und schon längst bezahlt hatten. Nur ihm als dem Neuen blieb die Verlängerung bis zum nächsten Montag. Da wollte seine Klassenlehrerin dann Bescheid wissen. Ob er mitkam oder nicht und das Geld musste schließlich auch dann im Laufe der nächsten Woche überwiesen werden, denn die Klassenfahrt was schon Anfang März. Sasuke haderte ein letztes Mal mit sich, ging dann aber mit dem Brief in der Hand in die Küche, wo seine Großmutter, die in einem Kochtopf rührte und eine Suppe zum Abendessen vorbereitete stand, während ihre beiden Kinder mit Kaffee am Küchentisch saßen. Daiki hatte keinen Alkohol mehr angerührt, schließlich wollte er heute Abend eine DVD mit seinem Neffen schauen, die er zuvor noch eilig in der Videothek ausgeliehen hatte. Das Bild des ängstlichen Sasuke hatte sich in Daikis Hirn gebrannt und er wollte ihm den Rest des Abends wenigstens noch schön machen, nach dem Essen, wollte Sasuke auch ein wenig die Angst nehmen, die dieser vor ihm hatte.
 

Sasuke trat zu seine Oma, schluckte und sagte dann leise: „Ich muss… dir was zeigen.“

„Natürlich“, meinte diese nur, lies den Löffel im Topf, gab den Deckel drauf und wandte sich ihrem Enkel zu, der ihr zögerlich den Brief entgegen hielt. Sasuke beobachtete seine Großmutter dabei, wie sie den Brief an sich nahm, die Lesebrille, die an einem extra dafür angefertigten Kettchen immer um ihren Hals hing, aufsetzte und sich mit dem Brief an den Tisch setzte. Sie las langsam und Sasuke sah, dass auch seine Tante und sein Onkel einen Blick drauf warfen. Während Anko nur verächtlicht den Mund verzog, nickte Daiki und sagte, als die Großmutter den Brief beiseite legte: „Das ist doch schön. Eine Klassenfahrt ist immer eine tolle Erfahrung.“

„Ich würde ihn nicht nach Dublin fahren lassen“, warf Anko ein. „Vor allem ist das total überteuert. Ihr habt genug für den kleinen Scheißer ausgegeben.“

Sasuke senkte den Kopf und biss sich von innen auf die Wange. Eigentlich hatte sie ja Recht. Seine Großeltern hatten genug für ihn ausgegeben und auch wenn sie nicht arm waren, konnten sie das Geld auch nicht immer aus dem Ärmel schütteln. Sasuke wollte grad den Mund aufmachen, um zu sagen, dass es schon okay sei, wenn er die Woche zuhause blieb und in der Schule in einer anderen Klasse lernte, während die anderen auf Klassenfahrt waren, als gleichzeitig Daiki anfing seine Schwester anzuschreien und das Handy in Sasukes Hosentasche klingelte.
 

~~
 

Itachi wunderte sich, warum Sasuke nicht sofort ans Handy ging. Es tutete und tutete und er wurde immer angespannter. Sonst ging Sasuke so unheimlich eilig ans Handy, wahrscheinlich um keinen Anrufer je böse zu machen und weil er, Itachi, höchstwahrscheinlich der war, der sich am meisten meldete. Itachi seufzte lautlos. Er war total durchgedreht. Sasuke war vielleicht unter der dusche oder beim essen oder er schlief, was auch immer. Es musste ja grad gar nichts Schlimmes sein, außerdem hatte Sasuke doch gestern in seiner letzten SMS gemeint, es ging ihm gut. Nur hatte Itachi das da schon nicht glauben wollten und wollte es auch jetzt nicht.

Durch das Aufhören des Tutens und Sasukes zögerlichem: „… Hallo“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und erschrak sofort, als er ein Brüllen in Hintergrund hörte. Itachi legte die Stirn in Falten, versuchte zu verstehen wer da was brüllte, vernahm aber nur Wortfetzen und fragte besorgt: „Was ist da los?“

Als Sasuke nicht antwortete und Itachi nur dessen Atem und die laute Stimme einer weiteren Person hörte, hakte Itachi nach: „Sasuke. Was ist los? Rede mit mir.“

Auch weiterhin hörte er nur das unverständliche Geschrei im Hintergrund, Sasuke jedoch blieb still; blieb ihm eine Antwort schuldig und das machte Itachi nervös. Er wollte schon erneut nachfragend, als er dann doch die leise Stimme am anderen Ende der Leitung vernahm. „Ähm… es ist… glaub ich meine… meine Schuld, dass sie streiten“, sagte Sasuke leise, wirkte unsicher; irritiert vielleicht sogar. Am liebsten wollte Itachi auch brüllen. Er wollte diesen Menschen sagen, sie sollten die Klappe halten und Sasuke verdammt noch mal nicht so ängstigen, denn das war der Junge nun. Das hörte Itachi durchs Telefon. Sasuke war eindeutig verängstigt.
 

Die Stimmen wurden nur lauter. Itachi hörte Sasukes Schlucken und fragte versucht ruhig nach: „Warum deine Schuld?“

„Ich… Es ist schon… schon okay“ – Sasuke Stimme wirkte hektisch – „Ich… muss auflegen.“

„Hey… hey hey, halt“, meinte Itachi schnell und wurde noch eindringlicher, als er einen Knall vom anderen Ende der Leitung vernahm. „Was ist da los?“

„N-nichts“, antwortete Sasuke stockend. Itachi atmete schnaufend aus; das Gebrüll hörte nicht auf, Sasuke schluckte wieder nervös, sodass Itachi angestrengt versuchte, zu hören, was dort gebrüllt wurde. Er konnte immer noch nicht alles verstehen, aber das was er verstand, genügte um ihn innerlich rasend vor Wut zu machen. Wie konnten die es wagen, so über Sasuke zu sprechen, ihn als lästiges Balg zu bezeichnen, als jemanden, für den sie nur Geld verschwendeten. Itachi entschloss sich was zu unternehmen; er wollte nicht untätig rum sitzen und zuhören, deswegen sagte er mit versucht ruhiger Stimme: „Ich möchte deine Großmutter sprechen.“

„Nein… Nein, bitte, Itachi“, ertönte wieder Sasukes leise, unsichere Stimme. „Bitte. Ich ruf… ruf dich zurück.“

„Sasuke…“, sagte der Anwaltssohn noch, doch da war die Leitung auch schon tot.
 

Sich übers Gesicht fahrend, behielt Itachi die Hand geschockt auf seinem Mund und blickte hoch an die Decke, während er mit der anderen Hand sein Handy wieder einsteckte. Er lehnte sich kurz zurück, war kurz davor erneut bei Sasuke anzurufen und dieser Familie mal die Meinung zu geigen, aber er zwang sich selbst dazu, die Ruhe zu bewahren – Sasuke würde ihn schließlich zurückrufen und er sollte die Entscheidungen des Jungen akzeptieren, oder nicht? Er ging in den Flur, zog seine Schuhe und den Mantel an und verschwand nur mit einem kurzen Abschiedruf zu Shizune, die wohl noch im Schlafzimmer war und sonst was machte. Itachi ging die Straße entlang, wandte an der Kreuzung ab und brauchte nur knapp eine Viertelstunde Fußweg bis er an dem Pub ankam, an dem er sich mit Kakashi treffen wollte. Er hätte auch locker ein Taxi bestellen können, aber er wollte gerne ein wenig gehen und der frischen Luft die Chance geben, seinen Kopf reinzuwaschen. Er zog eine Zigarette aus der Packung in seiner Hosentasche, zündete die an und wartete rauchend auf Kakashi, der schon bald kam, woraufhin Itachis diesen versucht locker begrüßte, seine Zigarette ausdrückte und mit seinem besten Kumpel in den Pub ging. Sie setzte sich an einen hohen Tisch und bestellten was zutrinken, was eilig gebracht wurde. Itachi nahm einen großen Schluck seines Guinness und schaute an Kakashi vorbei zur gegenüberliegenden Wand. Der Grauhaarige jedoch seufzte und fragte: „Was liegt dir auf der Seele?“

Itachi schnaubte, fuhr sich durch die langen, zum Zopf gebundenen Haare, nahm noch einen Schluck und stellte das große Glas dann mit einem scheppernden Laut auf den Kneipentisch.
 

„Sasuke“, sagte er schlicht und sah, wie sich Kakashis Stirn in Falten legte.

„Wie geht’s ihm?“

„Weiß nicht.“

„Wie du weißt nicht? Ihr habt doch noch Kontakt – das weiß ich aber.“

„Stimmt schon“, gab Itachi zu, trank von seinem Bier, sah das Kakashi es ihm gleich tat und erklärte: „Wir haben gerade telefoniert. Seine Familie… die haben rumgebrüllt und so ein Weib hat was gesagt von wegen, Sasuke sei lästig und sie würden Geld für ihn verschwenden.“ Er stoppte kurz, spürte dass seine Hände leicht zitterten, aber sprach weiter: „Ich hab ihn gefragt was los ist und er gab sich wieder für alles die Schuld und dann, als ich seine Großmutter sprechen wollte, hat er einfach aufgelegt.“

„Einfach aufgelegt? – Das hört sich aber nicht nach Sasuke an“, gab Kakashi zu Bedenken.

„Na, nicht einfach aufgelegt. Er hat gesagt, er meldet sich. Aber ich…“, Itachi machte eine Pause, holte tief Luft und gab sein Bedenken seinerseits auch Kund. „Ich trau der Sache nicht.“
 

Kakashi traf wieder das schlechte Gewissen. Irgendwie jedenfalls traf es ihn. Wenn man es genau nahm, war er schuld daran, dass Sasuke nun bei seiner Familie lebte. Gut, konnte man da von Schuld sprechen oder schlicht von einer Art Verantwortung heraus, aus der er gehandelt hatte. Doch Itachi litt. Kakashi konnte sich nicht genau erklären, warum, schließlich hatte er immer geglaubt, es wäre nur Sasuke der Itachi brauchte, aber anders herum hatte wahrscheinlich auch Itachi den Jungen geglaubt. Wahrscheinlich, so schlussfolgerte Kakashi, um gebraucht zu werden und sich selbst zu beweisen, dass er kein Arschloch war. Der junge Lehrer seufzte. Und nun litt wohl auch Sasuke, so wie Kakashi es aus Itachis Erzählungen heraus hören konnte.

„Er meldet sich also, ja?“, fragte Kakashi nach, verdrängte die eigene Schuld – oder wie auch immer man das nennen sollte – und sprach, auf ein Nicken Itachis hin, weiter: „Warum hast du nicht noch mal angerufen, wenn du dir so Sorgen machst?“

„Weil er… das nicht wollte“, antwortete Itachi leise, trank einen weiteren Schluck Guinness, stierte an die Wand und fing an sich den Nasenrücken zu massieren. „Ich dachte, ich sollte seine Entscheidungen gelten lassen.“

„Im Prinzip richtig“, gab Kakashi zu. Er lehnte sich auf dem stabilen Barhocker mit Lehne zurück und trank einen Schluck Bier.

„Ich bin jetzt schon ein paar Jahre Lehrer, hab mit einigen Jugendlichen zu tun gehabt und eine entscheidende Sache dabei festgestellt. Im Grunde soll man diese fast erwachsenen Menschen ihre Entscheidungen selbst treffen lassen und diese dann auch respektieren, aber eben nur solange, wie sie zurechnungsfähig sind. Oder eben soweit zurechnungsfähig, wie es Jugendliche überhaupt sein konnten.“ Kakashi musste ein Auflachen unterdrücken und auch Itachis Mund verzog sich zu einem Grinsen, aufgrund der Worte seines Kumpels.

„Bei Sasuke ist das noch mal eine völlig andere Sache. Ihm sind schreckliche Dinge geschehen und, wenn er sich selber die Schuld gibt, dabei vielleicht noch Angst oder dergleichen hat, dann ist er alles andere als zurechnungsfähig und dann sollten manchmal die Erwachsenen Entscheidungen für ihn treffen.“

„Also soll ich mich bei ihm melden?“ Itachis Stimme war zweifelnd. Er wusste nicht genau, was er tun sollte. Also im Grunde, wusste er was er tun wollte, aber er glaubte das wäre entschieden das Falsche. Eine Kurzschlussreaktion. Gut, im Grunde wäre es das Richtige, aber… Er wusste es einfach nicht genau.

„Du solltest das tun, was du für richtig hältst“, sagte Kakashi da passend, trank mit einem letzten kräftigen Schluck sein Glas leer und schob es beiseite.
 

Das was er für richtig hielt. Itachi presste die Lippen zusammen und nickte. Er sollte das tun, was er für richtig befand. Itachi legte sein Geld auf den Tisch, verabschiedete sich stumm von Kakashi und atmete draußen tief die frische Luft ein, bevor er ein paar Straßen weiter zu einem Taxistand ging und dort mit einem nach Hause fuhr. In seinen Gedanken waren Kakashis Worte. Das tun, was er für richtig hielt. Itachi stieg daheim aus, ging hinauf und packte einige Sachen in seine zweite, etwas ältere Reisetasche – die andere war ja bei Shizune – und ging wieder hinunter, in seine Garage und zu seinem Volvo. Er stieg ein, wollte das tun, was er für richtig hielt und fuhr zum Flughafen. Er parkte sein Auto im Parkhaus, bezahlte die Standgebühr für eine Woche, weil er nicht genau wusste, wie lange er fort sein würde und ging hinein, schaute sich kaum um und fragte an einem der vielen Schalter nach einem One Way Ticket nach London. Er hatte Glück, konnte das tun, was er für richtig hielt, denn im nächsten Flieger der schon in einer halben Stunde startete, war noch ein letzter Platz frei. Er bezahlte, nahm das Ticket an sich, beeilte sich durch die Sicherheitsschleusen zu kommen und dann, nach einigem Warten in einer Wartehalle, nahm er die Treppe hinauf ins Flugzeug, schaute noch einmal zurück in den irischen Nachthimmel und nickte sich selber zu. Ja, er tat gerade das, was er für richtig befand und er flog nach London um mit eigenen Augen zu sehen, ob es Sasuke gut ging, denn sonst – das wusste Itachi – würde er nicht mehr ruhig schlafen können. Wenn er Sasuke nicht genau in diesem Moment die Möglichkeit zu entscheiden abnahm und das tat, was für ihn die einzig richtige Entscheidung war, dann würde er sich das wohlmöglich nie verzeihen. Denn er stieg in diesen Flieger, weil Sasuke für ihn nicht einfach ein Jugendlicher war, denn er einfach so bei sich aufgenommen hatte, um ihn nach ein paar Wochen zu vergessen und sein Leben weiterzuleben. Auch jetzt noch, wo nicht mehr bei ihm lebte, fühlte er sich irgendwie verantwortlich für den Jungen. Bei den Dingen, die er für Sasuke getan hatte, war er nicht ersetzbar; durch ihn fühlte er sich gebraucht. Deswegen stieg er in den Flieger.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 4: the talk

Hallöchen, hallöchen^^

Ich hatte viel Stress in letzter Zeit – zwei Klassenarbeiten und einige Tests, Matheangleichkurs am Gymnasium, mein Firmungsunterricht beginnt und ich musste eine Power Point Präsentation für Religion machen. Aber jetzt gibt es das neue Kapitel und wir erfahren endlich mal den Namen von Sasukes Vater, haha xD Außerdem lese ich gerade ein Buch – Das Jesus-Video von Andreas Eschbach – und einer der Hauptcharaktere, Steven, ist irgendwie genauso wie ich mir Sasukes Vater vorstelle :D So nun hoffe ich die letzten 100 Seiten die ich noch zu lesen hab, das Steven überlebt, denn Eschbach hat die Angewohnheit tolle Charaktere am Ende sterben zu lassen ;)
 


 


 

Kapitel 4: the talk

Yeah everything the world could throw

I'll take the sticks, I'll take the stones for you

- The Script
 

Sasuke fühlte sich schlecht, er fühlte sich schuldig. Schlussendlich war sie es gewesen, die ihre Stimme erhoben hatte, um dem Streit, der wegen ihm entbrochen war, einem Ende zu setzen. Sie war so eine sanftmütige, ruhige Person, doch vor knapp zwei stunden hatte sie ihre Stimme erhoben, um ihre Kinder davor zu bewahren, weiterhin Dinge zu sagen, mit denen sie sich verletzen und mit Sachen zu schmeißen, mit denen sie as auch tun konnten, wenn es richtig – oder eben falsch, in den Augen von Emi Nakano – traf. Dennoch, sie hatte nur wegen ihm geschrieen und ihm danach auch noch die Hand auf die Schulter gelegt. Dabei war er es, der noch während dem Geschrei überlegt hatte, wie viel besser es gewesen wäre, wenn er einfach seine Klappe gehalten hätte und am Montag dann in der Schule gesagt, das er nicht mitkonnte; zu kurzfristig oder so. Aber wäre das nicht auch falsch gewesen? Er hätte dann schließlich gelogen und das wollte er nicht. Er wollte sich gut benehmen, kein Grund für irgendwelchen Ärger sein, aber er wusste einfach nicht mehr, was er tun sollte. Er kannte solche Situationen doch nicht und noch jetzt, als die komplette Familie, bis auf den Großvater, der krank und wahrscheinlich schlafen im Bett lag, vor dem Fernseher saßen, war er verdammt unsicher und in seinen Gedanken gefangen. Die ganze Zeit über hatte er sich kaum auf das Programm konzentriert. Im Prinzip hatte das keiner, aber den Schein, eine passende Familie zu sein, mussten sie doch irgendwie wahren, nachdem Emi vorhin wegen ihnen so aus sich heraus gefahren war. Anko hockte im Sessel, lackierte sich die Zehennägel schwarz und als sie damit fertig war, griff sie nach den Keksen vom Wohnzimmertisch und naschte genüsslich, während Daiki sich immer wieder etwas Hochprozentiges nachgoss. Und Sasukes Großmutter? Nun, die versuchte wirklich ihr bestes. Sie saß mit einem Glas Sprudelwasser in der Hand zwischen Daiki und Sasuke und schaute auf den Fernseher und hin und wieder mal auf eines ihrer Kinder oder auf ihren Enkel, der auf sie solch einen traurigen Eindruck machte. Sie fühlte sich hilflos, weil sie es nicht war, die ihm helfen konnte. Denn obwohl Sasuke so zuvorkommend und hilfsbereit war – vor allem im Haushalt – kam sie einfach nicht an ihn ran.
 

Nun saßen sie also hier, stellte Sasuke innerlich seufzend fest. Warum taten sie sich das eigentlich an? Sasuke zog die Beine an den Körper und schlang seine Arme darum. Er hatte nun erst recht keine Ahnung mehr, wie er sich nun, nach diesem Streit, seiner Familie gegenüber verhalten sollte. Das alles war so schwer für ihn. Er fürchtete hinter jedem Wort, hinter jeder Bewegung, etwas Falsches getan zu haben und dieses Wissen, gemeinsam mit dem Schmerz der Vergangenheit fraß ihn beinahe auf. Gerade deswegen wünschte er sich zurück zu Itachi; da war nach kurzer Zeit einfach alles irgendwie einfacher gewesen, auch wenn es ihm da ebenfalls schwer gefallen war, zu reden und Dinge zu wollen, es hatte sich innerlich einfach irgendwie einfacher angefühlt. Und doch schallte der sich einen Dummkopf, als er sich erneut wünschte, einfach die Zeit zurückdrehen zu können, um wieder bei Itachi zu sein. Denn Itachi hatte genug Opfer für ihn gebracht. Zeit mit ihm verschwendet, unnötig Geld ausgegeben.

‚Sei nicht so egoistisch, sei froh, mit dem was du bekommst’, hatte ihm Kabuto immer an den Kopf geschmissen, als er noch klein war. In Momenten in denen die Erwachsenen genau merkten, dass er nach einem mehr als kargen Abendbrot – wenn er denn überhaupt was bekam und nicht nur zusehen musste – noch Hunger hatte. Wenn sein Magen knurrte oder ihm nachts kalt war, weil die dünne Decke nicht genug wärmte oder damals, als seine Schultasche so kaputt war, dass er inständig um eine Neue gebeten hatte oder wenigstens um Flickzeug. Er hatte nur eine Ohrfeige kassiert und wieder diese Worte. Worte, die seine halbe Kindheit bestimmt hatten.

Die grässlichen Gedanken an früher verdrängend, war er sich dennoch im Klaren, darüber, dass er nicht auf Abschlussfahrt fahren sollte. Er konnte die Woche gut zum Lernen brauchen um sich an den Stand der anderen heranzunähern. Vielleicht sollte er das jetzt einfach mal sagen? Vielleicht verschwand so diese gedrückte Stimmung?
 

Gerade als er sich wirklich soweit hatte, den Mund für diese Worte öffnen zu wollen, schellte es an der Haustür. Das war äußerst ungewöhnlich, fand die Großmutter, stellte aber fest, das keines ihrer beiden Kinder sich daran machte, die Tür zu öffnen und da ihre eigenen Beine von solch einem langen Tag so weh taten, blickte sie Sasuke bittend an.

Sasuke verstand; natürlich würde er die Haustüre öffnen, auch wenn er ein wenig Schiss hatte, weil es unüblich war, das so spät hier jemand klingelte. Auf Socken ging er in den Flur, vergaß zunächst das Licht ganz anzumachen und konnte, als die Tür einen Spalt offen stand, durch das Dämmerlicht nur eine Silhouette erkennen. Sasuke griff eilig recht neben sich nach dem Lichtschalter und betätigte ihn, sodass der Flur in helleres Licht fiel und somit auch die Konturen des Mannes vor der Tür deutlicher werden ließ. Die Augen des Teenagers wurden groß, als er die Person erkannte. Er trat vor Schreck einen Schritt zurück, schüttelte den Kopf nur minimal und fragte sich augenblicklich, was Itachi hier in London tat, wenn sie doch vor zwei Stunden noch telefoniert hatten.
 

Sie blickten sich an. Keiner der Beiden war in der Lage auch nur ein Wort zu sagen. Auf Itachis Lippen bildete sich ein unsicheres, aber sanftes, ruhiges – windstilles – Lächeln, während in Sasukes Gesicht noch immer der Schreck eines Sturmes tobte. Was tat Itachi hier? Gerade hier? Gerade jetzt, wo Anko so wütend und genervt von Sasuke war; Daiki betrunken und dabei noch mehr in sich rein zu kippen.

Es war Itachi, der sich gerade dazu durchringen wollte, ein paar Worte zu sagen, die sein überraschtes Auftauchen vielleicht ansatzweise erklären würden – was gewiss nicht einfach war, denn sein Gemüt war während des kurzen Fluges und der Taxifahrt hierher wieder ruhiger geworden – als eine herrische Stimme aus dem Wohnzimmer schallte, die er schon bei dem Streit am Telefon vernommen hatte.

„Hey, wer ist denn da an der Tür? Und lass nicht solange offen, verdammt, es zieht wie Sau!“

Ja, Itachi war sich sicher, diese Frauenstimme war es gewesen, die Sasuke vor nur wenigen Stunden so abfällig bezeichnet hatte, und nun brüllte sie ihn wieder an. Der Blick des jungen Anwaltsohnes verfinsterte sich. Die Wut, die er verspürte war groß, er wollte am liebsten zu dieser Frau gehen und ihr mal ordentlich die Meinung geigen. Darüber, dass sie sich zu unterstehen hatte, so über Sasuke zu reden.

Es war Sasukes Stimme, die Itachi dazu brachte, sich ein wenig zu beruhigen und seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn lenkte.

„Komm rein“, murmelte der Junge leise und schloss die Tür hinter Itachi, der in den Flur trat.
 

Sasuke konnte wieder nur leise murmeln, als er zurücktrat, ein bisschen weiter in den Flur hinein und Itachi anblickte: „Was tust… du hier?“

Itachi leckte sich fahrig über die trockenen Lippen – das hatte er nach einem Flug, egal wie kurz er war, immer – und schüttelte sachte den Kopf.

„Kein großes Ding“, sagte er nur, fuhr sich dennoch unsicher durch die Haare. Er war einfach hier aufgekreuzt, hatte nur die Adresse von einem weißen Zettel durchgegeben und ein Taxi hatte ihn hergebracht. Nun war er hier und würde bald wieder gehen, sich ein Hotel suchen und dann: Mal sehen. Und davor? Mal sehen. Erstmal sicherstellen das Sasuke in Ordnung war.

„Alles klar?“, machte Itachi locker. Wollte locker sein. Musste locker wirken. Doch Sasuke ab nur einen verneinenden Laut von sich, bevor er nickte.

„Ich bin… okay, aber… warum… bist du hier?“

Bevor Itachi etwas antworten konnte, dröhnte auch schon wieder die Frauenstimme aus dem anderen Raum: „Jetzt mach doch mal das Maul auf, Sasuke. Wer ist denn da?“

Nur ein kurzer Blick, den Itachi Sasuke zuwarf; eine hochgezogene Augenbraue, bevor Itachi sich in Bewegung setzte und der Stimme nach, durch die offene Tür, ins Wohnzimmer ging.
 

Sasuke lies die Schultern hängen und schüttelte nur leicht, fast unmerklich, den Kopf. Er sollte Itachi davon abhalten, einfach in das Wohnzimmer der Großeltern zu spazieren. Er sollte Itachi vielleicht sogar einfach fortschicken, obwohl das doch irgendwie das Letzte war, was er wollte. Deswegen lies er Itachi einfach tun. Was soll’s, dachte er sich. Erst wurde er, mehr oder weniger, aus dem Haus geschmissen, danach der Streit und das Telefonat mit Itachi, bei dem er so dreist gewesen war, aufzulegen. Was machte es denn dann noch aus, wenn Itachi jetzt noch auf die vom Streit sauere Anko traf und einen betrunkenen Daiki sah? Itachi musste doch eh denken, Sasuke wäre einfach nicht mehr gerade zu biegen, egal was sie und alle anderen versuchten. Von daher, war’s doch einfach völlig egal. Mit gesenktem Kopf und den Händen unsicher in den Hosentaschen vergraben, folgte er Itachi ins Wohnzimmer.
 

Als Itachi das Wohnzimmer betrat, fiel sein Blick zunächst auf Frau Nakano, die er bereits kannte. Er nickte ihr zu und wünschte einen guten Abend. Sehr wohl fiel ihm dabei auf, wie perplex die alte Dame war und wie erschrocken sie schaute. Sicherlich wäre er auch verwundert gewesen, wenn sie um kurz nach 10 Uhr abends vor seiner Wohnungstür gestanden hätte. Itachis Blick wanderte zu dem Mann, der neben Sasukes Großmutter saß. Er zwang sich nicht missbilligend die Nase zu rümpfen, sondern auch diesem grüßend zuzunicken, worauf er jedoch keine Reaktion bekam. Der Mann saß nur weiterhin mit seinem Glas voller dunkler Flüssigkeit in der Hand da. Nicht zu verkennend, dass die Flüssigkeit ohne Zweifel die war, die auch in der halbleeren, auf dem Tisch thronenden Flasche Korn war. Itachi wandte den Blick ab und schaute zu der zweiten weiblichen Person, die auf dem einzigen Sessel im Wohnzimmer saß und ihn ihrerseits ebenfalls musterte. Während ihr Blick prüfend auf ihm lag, wurde seiner zusehend abschätzender, denn es war sie, die so abwertend zu Sasuke sprach. Es war nur Itachis guten Manieren verdanken, dass er auch ihr zunickte, anstatt sofort loszuzetern.

„Was möchten sie hier, Mr. Uchiha?“, sprach die alte Dame aus und blickte ihn aus verwunderten Augen an. Sie sorgte sich. Sorgte sich darum, dass Sasuke Dinge erzählt haben könnte. Schlechte Dinge. Schlimme Dinge. Über ihre Kinder, die sich alles andere als vorbildlich verhielten. Sie sorgte sich darum, dass Sasuke fort wollte. Das er sich Hilfe geholt hatte. Sie fürchtete ihrem geliebten Sohn Schande gemacht zu haben, indem sie es nicht schaffte, sich richtig um dessen Kind zu kümmern.
 

„Ich möchte sie um ein Gespräch bitten, Mrs. Nakano. Es ist meines Erachtens nach sehr wichtig, und für mich unerlässlich zu warten oder dies über das Telefon zu führen, auch da Sasuke mich nicht durchgereicht hat, als ich ihn darum bat.“

Itachi blickte zu Sasuke, stellte dabei fest, dass er gesprochen hatte, wie er sprach, wenn er es mit Klienten zu tun hatte und schaute entschuldigend. Im Grunde hatte er nun Sasuke dafür verantwortlich gemacht, jetzt – heute, noch zu dieser Zeit – gekommen zu sein. Weil Sasuke das Handy nicht weitergereicht hatte. Sasuke war es auch, stellte Itachi fest, der stumm auf den Boden blickte und nicht weiter in den Raum gekommen war, sondern im Türrahmen stand. Itachi fiel auf, das Sasuke irgendwie verloren wirkte, so wie er da stand. Völlig fehl am Platz, nicht so als würde er sich hier sicher fühlen. Nicht heimisch. Es erinnerte ihn ein wenig daran, wie Sasuke zu Anfang, in den ersten zwei oder drei Tagen, bei ihm gestanden hatte. Im Türrahmen; unsicher und den Blick zu Boden gewandt. Doch wie konnte es sein, dass Sasuke sich jetzt, nach Wochen die er schon hier verbrachte so benahm, wie in den ersten Stunden bei Itachi? Wenigstens, stellte Itachi dann fest, trug Sasuke saubere Kleidung, hatte gewaschene Haare und auch seine Hautfarbe sah gesund aus. Anscheinend sorgten sie sich in diesen Dingen doch gut um ihn, auch wenn Sasuke kaum zugenommen hatte, glaubte Itachi. Jedenfalls war es immer noch die Jogginghose und das Langarmshirt, das Itachi ihm gekauft hatte, und es saß noch genauso locker am Körper des Jungen, wie vor Wochen. Doch das musste nichts heißen. Itachi hatte oft genug mitbekommen, wenn er und Sasuke telefoniert hatten, das Sasuke zum Essen gerufen wurde und er glaubte nicht, dass wenn Sasukes Kleidung sauber und er selbst geduscht war, die Familie mit Essen sparte. Vielleicht war Sasuke einfach immer noch zu schüchtern, sich einen Nachschlag zu nehmen oder die Familie kochte einfach zu gesund, sodass Sasuke nicht leicht ein paar Kilo mehr auf die Rippen bekam.
 

Aus den Augenwinkeln nahm Itachi eine kleine Bewegung wahr. Er drehte den Kopf und sah, dass Sasuke Großmutter aufstand. Sie nickte ihm zu und deutete ihm ihr zu folgen. Während sie aus dem Wohnzimmer auf direkten Weg in die Küche trat, warf sie einen Blick hinaus in den Flur, auf die Treppenstufen. Ihr Mann war zu schwach hinunter zu kommen. Zwar kam der Arzt mittlerweile beinahe täglich, aber die Krankheit, die so harmlos begonnen hatte, raffte den alten, sonst so agilen Mann, dahin. Wäre er jetzt im vollen Besitz seiner Kräfte würde er toben, weil ein Ire in ihrem Haus saß. Ein Ire, der ihren Enkel von der Straße geholt hatte, musste sie zugeben. Ihr war Itachi nicht unsympathisch, sie fürchtete sich nur, er könne ihren Enkel fort holen, obwohl sie doch eigentlich wusste, dass es nicht in Itachis Ermessen lag, wo Sasuke lebte.
 

Dieser seinerseits hatte den Blick der alten Dame bemerkt, beschloss aber es als Nichtigkeit abzuwerten – Sasuke hatte a nicht mehr erzählt, außer das dessen Großvater ein wenig krank war – und sich auf wichtigere Dinge zu konzentrieren

Itachi nahm, auf deren Angebot hin, am großen Esstisch platz. Jetzt saßen sie also hier…

Im Flugzeug, auf dem Weg hierher, hatte er sich tausendmal die Worte zu Recht gelegt. Er hatte gewusst, wie er beginnen wollte, was er sagen wollte – sagen musste, seiner Ansicht nach. Doch als er nun in das traurige Gesicht der Großmutter sah, konnte er nicht mehr so sprechen, wie er sprechen wollte. Natürlich war für ihn nichts wichtiger als Sasukes Wohlergehen – deswegen war er schließlich hier – aber er sah gleichzeitig den Blick der alten Frau. Die Unsicherheit in ihren Augen. Unsicherheit darüber, dass er ihr Sasuke wegnehmen könnte. Er konnte es nicht. Nicht ohne weiteres. Das wusste er selber. In der Rechtslage kannte er sich aus. Hatte er doch Vormittage lang manchmal nichts anderes getan, als sich Vorlesungen über Recht anzuhören.

Ganz in seinen Gedanken vertieft, merkte er erst, als er die Stimme der alten Frau hörte, dass sie ihren Blick dem Wohnzimmer und der Tür zugewandt hatte, die nur noch einen breiten Spalt aufstand.

„Kind, komm rein. Das Thema betrifft dich, wir sollten nicht ohne dich reden.“
 

Auch Itachi hatte bemerkt, dass Sasuke ihnen nicht von selbst gefolgt war, aber er hatte sich entschlossen nichts zu sagen. In diesem Haus hatte er zum einen nicht das Recht dazu und zum anderen war es ihm einerlei, ob Sasuke es jetzt mit anhörne würde oder ob sie später unter vier Augen sprachen. Dennoch lächelte er ihm leicht zu und deutete mit einem Kopfnicken an, dass auch er einverstanden war, als Sasuke vorsichtig die Tür etwas weiter öffnete und in die Küche blickte.

Ungeschickt klopfte die Großmutter auf den Stuhl neben sich und als Sasuke zögerlich kam, sagte sie mit einer lieben, aber immer noch sehr unbeholfenen Art: „Setz dich zu mir, Kind. Niemand wird schreien.“ Sasuke blickte auf den Boden und dann aus dem Augenwinkel auf seine Oma, bevor er den Stuhl leise zurückschob und sich hinsetzte, doch immer noch traute er sich nicht, einen von beiden genauer anzusehen. Diese Situation war einfach nicht richtig. So sehr er sich auch innerlich freute Itachi wiederzusehen, so sehr wusste er auch, dass es falsch war, dass dieser hier war. Itachi sollte sich nicht so sehr sorgen; nicht so sehr, dass er extra mit dem Flugzeug rüber flog um in einer kalten Februarnacht vor der Tür seiner Großeltern zu stehen. Zudem hatte Sasuke unsagbar Schiss, dass seine Großmutter und Itachi sich streiten könnten. Er fürchtete sich, man würde ihm den Umgang mit Itachi verbieten oder noch schlimmer: Itachi würde ihn nicht mehr sehen oder sprechen wollten, wobei das nur natürlich war. Irgendwann musste Itachi ihn doch Leid werden.
 

Itachis Blick ruhte noch kurz auf Sasuke, der sehr nachdenklich und irgendwie auch niedergeschlagen wirkte, bevor der junge Anwalt seinen Blick der alten Dame zuwandte. Sie hatte ihn ihrerseits auch die ganze zeit über angesehen und hatte selbst wahrscheinlich nicht gewusst, wie sie beginnen sollte, doch das musste sie auch nicht, denn er war es, der um ein Gespräch gebeten hatte, deswegen lag es an ihm, sein Anliegen Kund zu tun.

„Zunächst möchte ich mich nochmals für die späte Störung entschuldigen. Ich weiß, dass es keinesfalls üblich ist und das gibt wohl auch nicht gerade ein besonders seriöses Bild von mir, aber ich möchte, dass sie wissen, dass ich mir einfach nur Sorgen gemacht habe.“

Emi nickte und bedachte Itachi mit einem Blick, den dieser wohl nicht zu deuten vermochte. Ihr wurde in diesem Moment klar, wie jung der Mann vor ihr war. Sie wusste sein genaues Alter natürlich nicht, aber sie schätze ihn in das Alter, in dem ihr Jüngster Vater geworden war, Anfang zwanzig also. Dafür war er sehr verantwortungsbewusst und er hatte Unrecht, sie hatte ein sehr seriöses Bild von ihm, sonst würde sie nicht fürchten, er könnte ihren Enkel einfach mitnehmen.

„Ich werde dennoch nicht lange drum herum reden, das bring keinem von uns etwas. Ich möchte wissen, was hier vor wenigen Stunden passiert ist. Sie wissen selbst, das Sasuke nicht einfach ein Telefongespräch auflegen würde, ohne das er sich dazu gezwungen sieht; ohne dass er einen anderen Ausweg weiß.“

Itachi sprach nicht weiter, nun war es an ihr zu sprechen. An ihr, ihm die Situation zu erklären, denn so liebenswürdig die Frau auch scheinen mochte, wenn sie oder die beiden komischen Figuren im Wohnzimmer Sasuke etwas getan hatten – wenn sie dafür verantwortlich waren, dass Sasuke sich nicht wohl fühlte; nicht in Ordnung kommen könnte – würde er Sasuke mit sich nehmen. Er würde sich eine neue Wohnung suchen und würde das Sorgerecht beantragen; es gerichtlich durchbringen. Das wäre eine Entscheidung die er für Sasuke treffen würde, denn Sasuke war noch ein Kind – mit anderen Worten ein Schutzbedürftiger, aber das waren im Grunde ja alle Kinde, alle Menschen auf irgendeine Art und Weise.
 

Emi Nakano wandte den Blick von ihrem Enkel ab, seufzte leise auf und begann: „Ich werde keinem meiner Kinder die Schuld geben für die Dinge, die sie mitbekommen haben. Und Sasuke werde ich sie auch nicht geben, er hat mir schlicht den Brief für die Klassenfahrt gegeben. Aber sie müssen verstehen Mr. Uchiha, auch ich kann mir oder meinem Mann nicht dir Schuld geben. Wir alle haben nun mit einer Situation zu kämpfen, die uns nicht leicht fällt. Im Grunde müssen sie wissen, dass wir seit mehr als sechs Jahren in einer Situation sind, die unser Leben zerstört hat.“

Die alte Frau faltete ihre Hände und schaute dem Uchiha in die Augen. Eigentlich sollte sie nichts erzählen. Alles, womit sie nun begann, war die Geschichte ihrer Familie, ihre Angelegenheit, ihre Wahrheit. Aber Itachi Uchiha hatte ein Stück davon verdient, denn er hatte ihren Enkel zugebracht. Den Sohn ihres so sehr geliebten Kindes.

„Mein Jüngster war mein Leben. Er war der Mittelpunkt unserer Familie.“
 

Ah ja, dachte Itachi und zog eine Augenbraue in die Höhe. Nein, das weckte kein Mitleid bei ihm. Natürlich wusste er, dass Sasukes Großmutter vom Tod ihres jüngsten Sohnes sprach, aber gleichzeitig war sie dem jungen Iren dabei unheimlich unsympathisch. Es war klar, das Kinder der Mittelpunkt – das Wichtigste – im Leben ihrer Eltern sein sollten. Das war auch alles richtig so, nur sollten Eltern, die mehrere Kinder haben, niemals sagen, eines davon war ihr Leben. Itachi glaubte stark, dass er auch das Leben – der Mittelpunkt – seiner Eltern war, aber er war auch deren einziger Sohn. Das einzige Kind. Der Einzigste.

„Wir konnten nicht verantworten seinen Sohn ohne jeglichen Schutz in Irland zu lassen, vor allem da mein Mann nie gewollt hat, dass unser Jüngster und sein Kind dort leben.“ Sie atmete tief durch, seufzte noch einmal und blickte Itachi dann an: „Sie dürfen meinen Kindern nicht Übel nehmen, was sie durchs Telefon haben hören können und was sie soeben gesehen haben. Sie dürfen unserer Familie keinen Vorwurf machen.“

„Das tue ich nicht.“ Itachi schaute zu Sasuke, der die Hände im Schoss vergraben hatte und den Blick gesenkt hielt. Wie konnte die Frau nur die ganze Zeit sprechen? Sie tat es nicht extra, das verstand Itachi, aber sie verletzte Sasuke. Sicherlich tat sie das. Sie ließ ihn spüren, dass sie ihn nur hergeholt hatten, weil er das Kind des so sehr geliebten Sohnes war. Sie hatten ihn nicht wegen seiner Selbst geholt.

„Ich mache ihnen keinen Vorwurf“, wiederholte Itachi. „Doch ich muss sagen, dass ich nicht verstehen kann, warum ihre Tochter so ausfallend über Sasuke spricht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihr auch nur den kleinsten Anlass dazu gegeben hat.“

„Es geht ums Geld“, gab Emi Nakano zu. „In solchen Gegenden geht es immerzu ums Geld. Sie sehen diese großen Landhäuser, Mr. Uchiha. Wir alle müssten Geld haben, glauben sie, aber in diesem Ort sind viele Menschen die vom Rest ihres Ersparten leben. Viele Rentner, wie mein Mann und ich. Solange er gesund war, arbeitete er nebenbei. Beim Bauern, Gartenarbeiten, sie wissen schon. Was man auf dem Land eben macht.“ Die Nakano senkte wieder den Kopf. Es fehlte hinten und vorne, das musste sie zugeben. Auch wenn sie es nicht gut fand, wie ihre Tochter die Dinge aussprach, musste sie dieser Recht geben. Sie hatten eine Menge Geld für Sasuke ausgegeben. Geld, das neben dem Einfluss ihres Mannes nötig gewesen war, um das Sorgerecht so schnell und vor allem ohne eine gerichtliche Verhandlung zu bekommen. Geld für die Möbel, auch wenn sie auf Preise geachtete hatten und auch Geld für das Weihnachtsgeschenk und natürlich waren da auch noch die Arztkosten ihres Mannes. Nur damals hatten sie noch nicht gewusst, dass es so tragisch war, soviel auszugeben, denn da war ihr Mann noch nicht krank und hatte die Familienkasse mit dem Nebenverdienst stabil gehalten.
 

„Ums Geld?“, fragte Itachi nach und addierte: „Sie haben Sasuke mit der Konsequenz zu sich geholt, das ein Jugendlicher Geld kostet.“ Itachi schüttelte den Kopf. Er hätte es gekonnt. Er hätte eine Wohnung mieten können für sie beide. Er hätte diese verdammte Klassenfahrt bezahlen können. Er hätte für Sasuke seinen größten Wunsch aufgeben können. Das Bootsrestaurant… wie weit das mittlerweile fort war. Itachi stieß Luft durch die Nase aus. Er hatte die Rücklagen um einem Jugendlichen ein Zuhause zu bieten. Und nun musste Sasuke sich hier wieder mit Geldsorgen rumschlagen.

Emi Nakano wollte gerade zu einer Antwort ansetzten – sich rechtfertigen – als sie das Trampeln aus dem Wohnzimmer vernahm. Bei Gott, das durfte nicht wahr sein. Wenn ihre Tochter nun mit ihrem aufbrausenden, unkontrollierten Verhalten in die Küche kam, würde sie nur noch mehr dafür sorgen, das Itachi Uchiha ihren Enkel mitnehmen wollte. Dabei durfte sie ihrem geliebten, jüngsten Sohn doch keine Schande machen. Sie durfte einfach nicht.
 

Die alte Dame schüttelte den Kopf, als die Tür sich gänzlich öffnete und ihre Tochter, gefolgt von Daiki, in die Kühe gestürmt kam.

„Was denken Sie eigentlich wer Sie sind, hä? Verschwinden Sie, verdammt noch mal. Sie haben hier nichts zu suchen und, zum Teufel, halten sie die Klappe bei Dingen, von denen sie keine Ahnung haben.“ Sie schnaubte und zeigte auf Sasuke. „Und wenn es nach mir ginge, hätte wir diesen beschissenen Bengel eh nicht her geholt. Von mir aus, hätte der da verrotten können, wo der her kam.“

„Halt die Klappe“, zischte Daiki nur, griff nach ihrem Arm und drückte ihn hinunter. Die junge Frau schnaubte erneut, wurde vor Wut rot im Gesicht und brüllte: „Fass mich nicht an!“ Ein drittes Schnauben und dann: „Du bist ein Versager, Daiki. Du bist… doch nur genauso ein elender Versager wie Kaine!“

„Mein Vater ist kein Versager!“ Verschreckt blickte Sasuke auf, biss sich auf die Lippe und spürte das sein Atem schwerer wurde. Wie konnte er nur so die Stimme erheben? Wie konnte er? Er hatte nicht das Recht dazu. Kein verdammtes Recht dazu…

Und er hatte unsagbare Angst. Angst vor Anko, deren Kopf noch ein bisschen röter vor Wut wurde.
 

Itachi schaute zu Sasuke, bemerkte dessen verschreckten, ängstlichen Blick, der sich langsam ihm zuwandte. Mitleidig wurde der Ausdruck in Itachis Augen. Er war gerührt, als er sah, dass Sasuke sowohl den Anhänger seines Vaters und den, den er von Itachi zu Weihnachten bekommen hatte, griff. Protect you, hatte er eingravieren lassen. Ein Versprechen dafür, dass er Sasuke für immer beschützen würde.
 

Anko sah Sasuke wutentbrannt an. Sie war so unheimlich sauer! Dieser Kerl, Uchiha, kam einfach hier her und machte einen auf großen Macker oder was? Beschissener Ire! Auch wenn er irgendwo sexy war. Aber verdammte Scheiße, noch viel wütender war sie auf Sasuke. Dieser kleine Nichtsnutz, den die Großeltern nur wegen ihrem verstorbenem Bruder, dem kleinen Klugscheißer, aufgenommen hatten. Weil sie Kaine so sehr geliebt hatten. Bah, Anko könnte kotzen. Sie spürte die Stiche tief in ihrem Herzen, die sie immer gespürt hatte, da ihre Eltern Kaine so sehr geliebt hatten; da sie immer so stolz auf ihn waren. Und es waren diese Stiche im Herzen; in der Seele, im Bauch, in jedem einzelnen Finger; die sie dazu gebracht hatten, zur Army zu gehen und die sie nun dazu brachten so unsagbar wütend zu werden. Sie waren es, die Anko dazu brachten, auf Sasuke zuzugehen, mit zuckenden Fäusten und sich vor ihm aufzubauen.

„Du verschissener Wicht. Wenn du es noch einmal wagst, so die Klappe aufzureißen, prügele ich dich windelweich.“

Sie war dabei die zur Faust geballte Hand zu heben; dabei ihn zu schlagen, als Itachi vom Stuhl aufsprang und ihre Hand packte, noch bevor Daiki diese erreichte.

„Geh ein paar Sachen packen“, sagte Itachi, fügte an: „Für eine Nacht oder so.“
 

Mit schockgeweiteten Augen blickte der Teenager zu dem Schauspiel. Seine Hände bebten; die Unterlippe auch und Angst stand in seinen Augen. Er stand auf, drückte sich an Anko, deren Faust immer noch Itachi hielt, vorbei und verschwand in sein Zimmer, um das zu tun, was Itachi ihm gesagt hat. Er zog seine Schlafsachen wieder aus, stopfte die in den Rucksack, dazu frische Unterwäsche, Socken und ein frisches T-Shirt für morgen, bevor er eine Jeans anzog, ein Shirt und einen Pullover mit Kapuze, dann seine Chucks, steckte das Handy und den Ipod in den Rucksack, in dem er sonst Schulsachen hatte, bevor er eilig ins Bad ging, seine Zahnbürste und Zahnpasta griff und diese ebenfalls in seinen Rucksack verstaute, ehe er wieder in die Küche ging, wo Itachi wieder am Küchentisch saß. Ihm gegenüber Sasuke Großmutter und Daiki, der schon viel weniger betrunken wirkte. Vielleicht stimmte es wirklich, dass ein Schock, eine blöde Situation, einige Menschen auf Anhieb nüchtern machen konnte.
 

Itachi hatte nur zusehen können, wie Anko dampfend aus der Küche verschwand; er hatte nichts mehr tun können und es gab ja auch keine andere Möglichkeit, als Sasuke nun mitzunehmen, wenn er für dessen Sicherheit sorgen wollte und das wollte er.

„Sie können meinen Enkel nicht einfach mitnehmen“, sagte die alte Dame mit einem verzweifelten, weinerlichen Unterton in der Stimme. Sie merkte nicht, das Sasuke schon unsicher im Türrahmen stand.

„Ich kann ihn heute Nacht nicht hier lassen“, gab Itachi ehrlich zu. „Ich kann einfach nicht zulassen, dass man ihm weh tut.“

„Meine Tochter wird sich beruhigen“, versprach Emi, doch es war ihr Sohn, der den Kopf schüttelte.

„Das Biest beruhigt sich nie…“ Er blickte an die Decke, nuschelte etwas Unverständliches und dann: „Sie lädt sich nur für die nächste Explosion auf.“

Itachi erhob sich, ging zu Sasuke, der immer noch sehr verschreckt wirkte, und legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn hinauszubringen aus dem Haus seiner Großeltern, bevor Itachi sich noch einmal umwandte und versprach: „Ich bringe ihn morgen früh zurück. Darauf gebe ich ihnen mein Wort, Mrs. Nakano. Aber dann müssen wir einen Weg finden, um sein Wohl sicherzustellen. Anders…“ – atmete tief durch – „Anderenfalls werden sie riesige Probleme mit mir bekommen.“
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 5: fight and surrender

Hallo, ihr Lieben. Es tut mir mega-dolle Leid, dass ihr auf das Kapitel warten musstet, aber ich bin kaum zum schreiben gekommen. Musste für weitere Tests lernen und habe `ne Menge vom anderen Kram zurückbekommen. Unter anderem meine Deutscharbeit und meine Englischarbeit, die beide 1 waren, worüber ich sehr, sehr glücklich bin ;)

Zudem fängt jetzt mein Firmungunterricht an und nach den Ferien eben die letzten Wochen auf der Realschule in denen ich mich weiter reinhängen muss. Ich versuche aber in den Osterferien ab dem 18. April genug vorzuschreiben^^

So, jetzt viel Spaß mit dem neuen Kapitel ;)
 


 


 


 

Kapitel 5: fight and surrender

There are times when silence has the loudest voice.

- Leroy Brownlow
 

Die Nacht auf dem Land wirkte dunkler, als daheim in der Stadt, auch wenn Dublin eine Stadt der grünen Insel war, war sie belebt. Auch zur späten Stunde, was hier auf dem Land nicht so war, obwohl hier London war. Aber eben eine ländliche Gegen in London. Was auch immer, dachte Itachi, wollte die Heizung ein wenig hochdrehen, vergriff sich aber zunächst, weil der Schalter an diesem Leihwagen woanders lag. Dabei blickte er zu Sasuke still und mit nachdenklicher Miene neben ihm auf dem Beifahrersitz saß. Er hielt den Rucksack auf dem Schoß und blickte seinerseits hinaus in die dunkle, kühle Nacht. Was er nur durchgemacht haben musste! Itachi umschloss das Lenkrad des Wagens fester und beschleunigte ein wenig, als die Landstraße breiter wurde, aber immer noch genauso leer blieb, wie zuvor. Langsam wurden die Abstände zwischen den Straßenlaternen noch weiter und Itachi sah kaum ein paar Meter weit, sodass er das Tempo wieder drosseln musste. Dabei lehnte Sasuke sich weiter in den Sitz hinein und schloss die Augen. Er mochte es wohl lieber, wenn Itachi nicht so schnell fuhr. Das sollte er sich merken, denn der entspannte Ausdruck auf Sasukes Gesicht gefiel ihm.

„Bist du müde?“, fragte Itachi, erntete ein leichtes Kopfschütteln seitens Sasuke und grinste deswegen.

„Gut“, sagte er. Kurze Pause und dann. „Ja, das ist gut. Ich hab einen Bärenhunger. Gibt es hier irgendwo ein McDonalds oder so? Ich meine, in der Innenstadt weiß ich wo welche sind, aber hier nicht. Falls es hier denn welche gibt.“ Er war ja nicht zum ersten Mal in London, aber eben nie in den ländlichen Gegenden. Wozu auch? Was sollte er hier auch?
 

Sasuke sah Itachis zweifelnden Blick, als er die Augen wieder öffnete, zuckte aber dennoch mit den Schultern. Er wohnte zwar jetzt schon knapp drei Wochen bei seinen Großeltern, aber er hatte einen blassen Schimmer wo der nächste Fast Food Laden war.

„Gut, macht nix“, meinte Itachi, schaute wieder aufmerksamer auf die Straße und lies Sasuke ein wenig in Ruhe. Er wusste nicht genau, ob Sasuke das jetzt wollte. In Ruhe gelassen werden – aber auf jeden Fall antwortete der Teenager nur mit laschen Gesten, sodass Itachi das vermutete. Die Straßenlaternen wurden wieder mehr, als sie näher an die Innenstadt kamen und bald sahen sie die ersten Leuchtreklamen und Fenster, hinter denen noch Licht brannte. Itachi fuhr durch die Straßen, sah irgendwann die Ausschilderung zum McDonalds, die er gesucht hatte, und fuhr dem Pfeil nach, sodass er schon bald auf dem Parkplatz davor parken konnte. Er stieg aus, wartete, dass Sasuke es ihm gleich tat und schloss sein Auto ab, bevor sie beide hinein gingen. Die Kassen waren nicht allzu voll. Es war ja schließlich auch schon knapp halb zwölf in der Nacht, sodass Itachi schnell drankam, sich einen großen Burger mit Pommes und Getränk bestellte, bevor er zu Sasuke blickte, der nur den Kopf schüttelte. Itachi nahm das hin. Nun war Sasuke eben kein Straßenjunge mehr, um den der Student fürchten musste, er würde nicht genug zu Essen bekommen. Nun war es eben so, dass es ja sein konnte, dass Sasuke schon gegessen hatte und eben keinen Hunger hatte. Das war sogar sehr wahrscheinlich, so spät in der Nacht wie es war. Itachi zahlte, nahm sein Essen entgegen und ging, gefolgt von Sasuke, zu einem freien Tisch, setzte sich und öffnete, als auch Sasuke saß, die Verpackung seines Burgers.
 

Itachi aß still sein Essen. Er wollte Sasuke kein Gespräch aufzwingen, konnte verstehen, wenn der Junge Zeit brauchte. Zeit zum nachdenken, nachdem er fast von seiner eigenen Tante geschlagen worden war. Oder vielleicht zuvor schon von ihr geschlagen wurden war. Itachi wusste das schließlich nicht genau. Und Sasuke sprach ja nicht mit ihm. Gut am Telefon sprachen sie schon miteinander, aber Itachi wusste ganz genau, dass Sasuke um nicht erzählen würde, wenn er Probleme hatte. Wahrscheinlich aus der Angst heraus, ihm Ärger zu machen und genau das war es, was Sasuke schweigen lies. Er war unglaublich glücklich wieder bei Itachi zu sein. Natürlich war er das, aber es war wieder itachi gewesen, der ihn irgendwo raus gehauen hat. Zunächst von dem Straßenleben und nun mitgenommen, um nicht weiter von Anko fertig gemacht zu werden. Sasuke wusste keinen Weg sich je bei Itachi zu revanchieren. Für all das. Für alles. Für den ganzen Ärger. Den Stress und für alles andere.

„Ich wollte nicht, dass du nun wegen mir wieder so Stress und Ärger hast...“

„Sekunde“, sprach Itachi aus, legte den Rest des Burgers, in den er hatte reinbeißen wollen, auf das Tablett und starrte den Jugendlichen an.

„Warum sollte ich Stress bekommen?“, fragte er dann, zog sein Getränk zu sich, um später zu trinken, als Sasuke antwortete: „Weil du… weil…“

Er sprach nicht weiter, wusste wieder nicht wie er es sagen sollte, aber im Grunde hatte Itachi ihn einfach mitgenommen, ohne das seine Großmutter sich damit einverstanden erklärt hatte. Und damit brachte er sich bestimmt in Schwierigkeiten. Sasuke Großmutter wirkte wirklich sehr lieb, aber Sasuke glaubte nicht, dass sie damit einverstanden war. Sie fand es sicherlich nicht berauschend, dass er einfach mitgegangen war und er selber wusste, dass seine Familie das nicht verdient hatte. Jedenfalls die Großmutter und sein Onkel nicht, denn die versuchten, was sie konnten; konnten eben nicht alles versuchen, weil sie immer noch um Sasukes Vater trauerten, aber sie gaben sich Mühe. Und schon allein dafür war Sasuke ihnen dankbar, auch wenn er sich nun bei Itachi innerlich irgendwie ruhiger und sicherer, denn in ihm war immer noch die Angst vor Anko, die ihn hatte schlagen wollen.
 

Itachi wusste, dass Sasuke wieder nach den richtigen Worten grübelte. Das tat er immer. Alles lieber zweimal überdenken, oder dreimal, bevor er wirklich was sagte. Und dann meistens tat er es trotzdem nicht, weil er still zu dem Schluss kam, das er die Worte nicht aussprechen konnte, die so gut in seinem Kopf sortiert waren, um Sätze zu ergeben, mit denen er sich anderen Menschen verständlich machen konnte. Aber Itachi fing bereits wieder an, Sasuke mit den wenigsten Worten, beinahe stumm, zu verstehen.

„Weißt du, Sasuke“, sagte er dann: „Es war meine freie Entscheidung dich mit mir zu nehmen. Damals schon und auch heute wieder. Und ich habe es noch keinen Augenblick bereut seitdem.“ Es waren ehrliche Worte. Seitdem hatte Itachi wirklich nie bereut. Er hatte gezweifelt – ein paar Male – aber bereut hatte er nie, denn Sasuke zu helfen, war ihm ein Ziel geworden. Etwas, was er unbedingt tun wollte.

Itachi hatte solche Worte Sasuke nie sagen wollen. Den Jungen nicht mal einen Anreiz geben wollen, darüber nachzugrübeln, ob Itachi bereute oder nicht, aber anscheinend tat Sasuke auch das von selbst aus, genauso wie er darüber nachdachte, ob Itachi wegen ihm Unannehmlichkeiten bekam; Ärger, wie Sasuke es nannte.
 

Ungläubig blickte Sasuke Itachi an. Er schüttelte leicht den Kopf, verschränkte die Hände unsicher im Schoß und sagte leise: „Aber ich… hab dir doch so viele Probleme bereitet.“

„Und wir haben es doch gut hingekriegt, oder meinst du nicht?“, fragte Itachi, grinste dabei ein wenig, weil er die Situation auflockern wollte.

„Ja…“, antwortete Sasuke, wirkte aber dabei immer noch unsicher, aber er musste doch was sagen, zustimmen, sonst glaubte Itachi nachher, er würde glauben sie hätten es nicht hingekriegt und das hatten sie ja. Sasuke fand das wirklich, nur konnte er sich nicht so ausdrücken wie Itachi, der immer noch grinste und locker meinte: „Na dann.“ Er biss wieder in seinen Burger und als er ihn aufhatte, trank er noch einen letzten Schluck, trug das Tablett zu einem nahe gelegenen Tablettwagen und winkte Sasuke zu sich, der eilig kam und ihm zum Auto folgte.

Gemeinsam fuhren sie zu dem Hotel, in dem Itachis sich ein Zimmer angemietet hat, nachdem er den Leihwagen besorgt hatte und bevor er zu Sasuke gefahren war. Das war zwar unheimlich eilig gewesen, aber er hatte einen Weg finden müssen, sich in London fortbewegen zu können und einen Ort an dem er Schlafen konnte, also hatte sich das vorher nicht aufschieben lassen und für Sasuke war e ja auch gut so jetzt. Besser als wenn sie noch ein Hotel suchen müssten. Außerdem war Itachi ja nicht blöd und hatte mitgedacht, was klar wurde, als sie in das Hotelzimmer traten. Neben einem gemütlichen großen Einzelbett stand ein breites Schlafsofa. Itachi hatte nach einem Zimmer mit zwei Einzelbetten gefragt – hatte schließlich mit dem Gedanken gespielt, Sasuke vielleicht mitnehmen zu müssen – aber da hatte es keine freien mehr gegeben, aber so war es auch in Ordnung.
 

„Sieht doch ganz in Ordnung aus, nicht?“, fragte Itachi leichthin um die Stimmung wieder ein wenig aufzulockern, denn Sasuke stand nur wieder still neben ihm, schaute auf den Boden und grübelte über Dinge nach, die Itachi nicht im Kopf des Jungen wissen wollte.

Sasuke sah sich nun gezwungen hochzublicken. Er schaute sich das Hotelzimmer an, nur kurz, und nickte dann. Aber es war wirklich schön. Ordentlich, nicht stickig, sauber und sogar recht modern, obwohl Sasuke auf letzteres absolut keinen Wert legte. Sein Zimmer im Haus der Großeltern war auch nicht modern, es war nicht mal besonders wohnlich, auch wenn es durch den neuen Teppich und die anderen Kleinigkeiten besser als zu Anfang geworden war. Dennoch hielt Sasuke alles ordentlich und sauber. Schon allein um den Großeltern keine Last zu sein, aber auch weil er es gerne mochte, wenn es dort sauber war, wo er schlief, wo er wohnte, denn in einer süffigen Bude hatte er lange genug verweilt, auch wenn er selbst die immer versucht hatte so ordentlich wie möglich zu halten. Aber ein Kind fand sich in einem Chaos von Bierflaschen, Klamotten, Pizzakartons und anderen Müll nun mal noch weniger zurecht, als ein Erwachsener. Vor allem dann, wenn dieses Kind beinahe jeden Tag durch die Hölle gehen musste.
 

„Na“, machte Itachi, schritt etwas ins Zimmer hinein und nickte Sasuke zu. „Du kannst dich im Bad fertig machen gehen.“ Das tat Sasuke. Er ging in das kleine, aber ebenso ordentliche und saubere Bad, zog seine Schlafsachen an, putzte eilig die Zähne und wuchs sein Gesicht, bevor er zurück ins Zimmer ging. Bevor er verloren rum stehen konnte, wies Itachi schon auf das Schlafsofa und meinte: „Ich bin mich auch schnell umziehen. Kannst dich ruhig hinsetzen.“ Itachi hatte wissentlich das Sofa für Sasuke ausgewählt. Wusste er doch, dass Sasuke eh nur ein schlechtes Gewissen hätte, wenn er ihm das Bett überließ. Und solche Gefühle musste der Ältere dann nicht noch extra in den Kopf des Teenagers hineinprojektieren. Das Sofa war bestimmt auch gemütlich und wenn nicht würde Itachi das schon merken; wenn Sasuke nicht schlafen konnte oder sich unruhig hin und her rollte und dann konnte er immer noch was dagegen tun. Mit den Gedanken zog auch Itachi sich eine lange Schlafhose und ein Shirt zum Schlafen über, nachdem er eilig geduscht, seine Haare notdürftig getrocknet und zusammengebunden hatte.

Itachi ging zurück in Hotelzimmer, stellte seine Reisetasche neben Sasukes Rucksack und lies sich auf die Ecke des Bettes nieder, sodass er Sasuke sehen konnte, der auf dem Schlafsofa saß und immer noch sehr in sich gekehrt wirkte. Fast so wie damals, als Sasuke das erste Mal bei ihm gewesen war. Unsicher und nachdenklich. Sasuke hatte immer noch mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Doch Itachi konnte diese Tatsache nicht leiden, kein Stück. Er wollte Sasuke helfen, auch wenn er ihm nun nur mit Worten helfen konnte. Nur wusste auch er nichts zu sagen. Dass war nichts so einfach aus dem Stehgreif ein Gespräch zu beginnen, aber Itachi befürchtete bei Sasukes Großeltern sprachen nicht genug Menschen mit dem Jungen. Sie hörten ihm wahrscheinlich nicht richtig zu, vermutete Itachi, sonst wüssten die längst mehr. Mehr über Sasuke und seine Vergangenheit.
 

Itachi lehnte sich ein wenig nach hinten, stützte sich mit den Händen auf der breiten Decke ab, ehe ihm ein Geistesblitz kam, worüber sich Sasuke sicherlich freuen würde.

„Ich soll dich von Kakashi und Iruka grüßen. Sie wären gerne mitgekommen, aber du kannst dir ja denken, dass die als Lehrer nie ihre Ruhe haben.“

Itachi sah, wie sich Sasukes Stirn kraus zog, ehe der Junge leise anmerkte: „Du bist doch… ganz kurzfristig gekommen. Wie konnten die dann…?“

Der Student grinste. Natürlich war Sasuke nicht blöd; er hielt ihn nicht für blöd, aber dass er so schnell durchschaute was Sache war, überraschte den Anwaltssohn doch.

„Na, gut. Aber sie hätten dich grüßen lassen und ich glaube sie wären gerne mitgekommen“, verbesserte Itachi sich selbst, woraufhin er erfreut feststellte, das er Sasuke ein leichtes Grinsen entlockte.

„Wie… wie geht’s denen denn?“, traute Sasuke sich dann zu fragen, biss sich aber zeitgleich auf die Lippe, weil er merkte, dass er Itachi sicherlich sofort wieder auf die Nerven ging. Er hasste das. Er wollte nicht immer nerven.

„Ach“, sagte Itachi, blickte Sasuke an, runzelte leicht die Stirn, weil Sasuke seinen Blick senkte. „Denen geht’s gut. Die haben sich zwei Katzen gekauft. Na ja, einen Kater und ne Katze, die Idioten. Selbst Schuld wenn die bald `ne ganze Meute Katzen haben.“

Itachis Art zu reden, die Dinge die er sagte und schon allein das er da war und mit Sasuke sprach, lockte diesem ein leichtes, zu leicht übersehbares Lächeln auf die Lippen.

„Habt ihr auch Tiere?“, fragte Itachi nach kurzer Zeit. Er wollte das Gespräch nicht so einfach enden lassen und über Haustiere hatten sie schließlich noch nicht gesprochen. Über so vieles hatten sie noch nicht gesprochen!
 

Sasuke schüttelte den Kopf und fuhr sich unsicher durch die Haare. Er fürchtete, dass Itachi solche Fragen nur stellte um Dinge herauszufinden, die nicht gut bei ihnen daheim waren. Und da waren viele Dinge nicht gut. Aber er war, auch wenn Anko kurz davor gewesen war, noch nicht geschlagen wurden, er hatte immer frische Klamotten, gesundes Essen und immerzu einen Ort, sein Zimmer, an den er sich zurückziehen konnte. Alle Dinge, die er vorher nicht hat. Vorher, als er bei seiner Mutter lebte oder in der Zeit auf der Straße. Und auch wenn er nicht genau wusste, was; er schuldete seinen Großeltern eine Menge. Dafür, dass sie ihn in ihrem Alter noch zu sich geholt hatten und dafür, dass sie Geld für ihn ausgaben, dass sie selber viel besser gebrauchten konnten. In Sasuke brannte sowieso das schlechte Gewissen, zu viel Geld gekostet zu haben, wo seine Großeltern doch auch nicht so viel hatten.
 

Itachi verstand Sasukes niedergeschlagenes Gesicht falsch und das, was er glaubte in diesem Gesicht zu lesen, machte ihn wütend. Er glaubte Sasuke hätte gern ein Tier. Ein Kätzchen oder einen Hund, oder auch nur was noch Kleineres, das er umsorgen konnte. Ein Tier, das ihm in diesem Haus ein Freund war, wenn sich schon kein anderer genug Mühe gab. Nicht umsonst, schoss es Itachi durch den Kopf, hatten Therapien mit Tieren so unheimlich viel Erfolg. Sasuke würde, so glaubte er, ein Haustier sehr gut tun. Das hatte Shizune auch gesagt. Ganz am Anfang. Erschrocken darüber, dass ihm seine Lebensgefährtin nur so, durch Sasuke und sein Befinden, in den Sinn kam, entschied er dass sie reden mussten. Unbedingt, wenn er wieder zuhause war. Sie wird sauer sein. Sicherlich. Denn er war einfach gegangen, ohne ihr Bescheid zu sagen und obwohl sie morgen gemeinsam zu Abendessen wollten, in einem schicken Restaurant. Shizune war seine Freundin, er mochte sie gern und er wollte ihr nicht wehtun; sie nicht versetzten, aber im Moment war Sasuke einfach wichtiger.
 

Herr Gott noch mal, was dachte er jetzt an Shizune? Sie war doch wirklich Nebensache im Moment. Vor ihm auf der Couch saß Sasuke, an den er die ganze Zeit hatte denken müssen. Um den er sich die ganze Zeit gesorgt hatte. Er blickte ihn nun wieder an, wirkte aber immer noch so verdammt unsicher. Was haben sie mit dir gemacht, wollte Itachi fragen. Diese Leute, Sasukes Verwandte, hatten dafür sorgen sollen, dass es dem Jungen gut ging. Das er in Ordnung kam. Stattdessen, so kam es für Itachi rüber, war er nur noch zurückhaltender und trauriger geworden. Dennoch sollte Itachi jetzt zufrieden sein. Er war hier, bei Sasuke und hatte die Möglichkeit, nach dem Jungen zu gucken; zu erfahren, was Sasuke ihm nicht am Telefon sagen wollte oder konnte. Und da musste es einige Dinge geben, denn Sasuke war nicht umsonst so unsicher und niedergeschlagen. Dennoch, obwohl der ganze Hintergrund so bedrückend war, lächelte Itachi. Ja doch, er war irgendwie glücklich hier zu sein. Glücklich sich nun, wenn auch für wenige Tage nur, um Sasuke bemühen zu können, wieder Sasukes Beschützer sein zu können. Er glaubte einfach, Sasuke brauchte jemanden, der für ihn da war. Einer, der ihn auffing, wenn er fiel.

Ja, nun musste Itachi sich nur entscheiden, was er Sasuke zunächst fragen wollte. Was er fragen konnte, ohne Sasuke zu verletzten oder ihn zu bedrängen, denn Sasuke war kein Mensch der andere gerne über seine Sorgen aufklärte.

Itachis Blick legte sich nachdenklich über Sasuke. Dieser hatte die Hände im Schoß vergraben, das Haar strubbelig und die Augen blicken müde und traurig. Itachi konnte heute einfach nicht anfangen, Sasuke zu löchern. Er hatte das nie richtig gekonnt. Vielleicht musste er damit beginnen, sich nach Sasukes innerer Uhr zu richten.
 

„Magst du Schlafen gehen?“, fragte Itachi deswegen. Er erhielt nur ein zögerliches Schulterzucken und ein ebenso zögerliches folgendes Nicken. Aber Itachi genügte das. Er schlug seine Decke zurück, löschte das große Licht und machte das kleinere neben dem Bett an, bevor er sich hinlegte und bemerkte, dass Sasuke es ihm auf dem Sofa gleich getan hatte.

Er beruhigte Itachi ungemein zu wissen, dass Sasuke hier mit ihm im Hotelzimmer schlief. So konnte Itachi sich sicher sein, dass niemand Sasuke etwas zu leide tun konnte. Hier konnte Sasuke beruhigte schlafen. Doch obwohl Itachi wirklich entspannter wurde, konnte ihn der Schlaf noch nicht übermannen. Er rollte sich auf den Rücken, bettete seinen Kopf auf die Arme und grübelte darüber, ob er auch das kleine Licht ausmachen sollte, doch wie er wusste, hatte Sasuke Angst im Dunkeln und er wollte den Jungen nicht noch mehr aufwühlen, deswegen entschied er das Licht noch eine Weile lang anzulassen. Er lauschte dem Regen, der gegen die große, breite Fensterscheibe klopfte und dann, kurz darauf, das Donnergrollen, ehe das Zimmer ein wenig mehr erhellt wurde, von dem Blitz der folgte. Itachi sah aus dem Augenwinkel, wie Sasuke zusammenzuckte und wandte dem Jugendlichen sein Gesicht zu. Sasuke hatte die Bettdecke noch ein wenig höher gezogen und sich darunter, auf dem Sofa, zusammengerollt. Er schlief noch nicht. Seine Augen waren halb geöffnet und blickten Itachi unschuldig und ein wenig ängstlich an.
 

„Hast du noch Alpträume?“, fragte der Student nach eine Weile, in denen sie einander angesehen hatten; sich womöglich stumm Gesellschaft in einer kalten Gewitternacht spendeten.

„Nein“, murmelte Sasuke. Itachi sah im Dämmerlicht, wie sich die Augenlider des Jungen hinunter senkten. „Bei dir hab ich keine Alpträume… Itachi. Bei dir… geht’s mir… gut.“

Sasukes Stimme war immer leiser, genuschelter geworden, da sich sein Körper in den wohlverdienten Schlaf fallen lies. Itachi lächelte gerührt in die Dunkelheit hinein, als er das kleine Licht auch löschte, sich auf die Seite rollte und die Augen schloss. Mit dem Zugeständnis seitens Sasuke, das Itachi so viel bedeutete – denn bei ihm vertraute Sasuke darauf keine Alpträume zu haben; bei ihm fühlte er sich gut – konnte Itachi sicherlich auch besser einschlafen, als all die Tage zuvor, in denen er sich um Sasuke gesorgt hatte. Er konnte dem Jungen nicht versprechen, nie wieder von bösen Träumen heimgesucht zu werden, aber er konnte ihm ein Freund sein, der da war, um nachher zu trösten und die Dinge zu heilen.
 

~~
 

Als Sasuke am nächsten Morgen die Augen aufschlug drang ein wenig Sonnenlicht in das Zimmer hinein und hüllte es in ein gemütliches Halbdunkel. Er war ein wenig irritiert, wusste im ersten, verschlafenen Moment nicht, wo er war, ehe ein Blick auf den Rücken des schlafenden Itachis fiel. Im Hotelzimmer, auf dem Sofa. Na, klar. Er erinnerte sich wieder. War ein harter Tag gewesen, gestern. Irgendwie war er froh, nun hier zu sein. Erleichtert, denn er wusste, wenn Itachi gestern nicht gekommen wäre, hätte Anko ihre angestaute Wut wohlmöglich gegen ihn gerichtet und ihn tatsächlich geschlagen. Er wusste nicht, wie er dann reagiert hätte. Ein Schlag. So viele Emotionen. Er wollte nie wieder geschlagen werden. Er wollte nicht wieder an die Vergangenheit erinnert werden. Sasuke rollte sich auf die andere Seite. Da drang das Licht nicht so sehr hin. Er schloss die Augen und dämmerte wieder ein.
 

Es war Itachi der ihn ein das nächste Mal, gegen elf Uhr dreißig am späten Morgen, weckte. Vorsichtig, um Sasuke nicht zu erschrecken, hatte er sich auf der Kante des Schlafsofas niedergelassen und eine Hand auf Sasukes Schulter gelegt. Er strich leicht darüber, rüttelte nur ganz sacht und sagte leise: „Du musst aufstehen, Sasuke.“ Der Junge, der sich im Schlaf auf den Rücken gerollt hatte, öffnete langsam die Augen, blickte hoch zu Itachi und nickte sachte. Er setzte sich auf, schaute auf seine bedeckten Beine und fragte: „Wir fahren jetzt zu meinen Großeltern… richtig?“

„Ja.“

„Und dann?“, traute der Jugendliche sich zu fragen, war nicht mehr ganz so unsicher wie gestern, versuchte stattdessen so zu sprechen, wie er auch mit Karin, Suigetsu und Juugo sprach.

„Mal sehen“, meinte Itachi und erhob sich vom Sofa. Er zuckte mit den Schultern. „Ich werde mit deiner Großmutter reden und dann schauen wir mal.“

Sasuke nickte schlicht, erhob sich dann auch ganz und schnappte sich seinen Rucksack, mit dem er sich leise ins Bad verzog. Itachi war schon fertig angezogen, also musste Itachi nicht fürchten, ihm im Weg zu stehen, wenn er jetzt das Bad besetzte. Er putzte sich eilig die Zähne, wuchs sein Gesicht, ging auf Toilette und zog sich um. Wieder zurück im Hotelzimmer, hatte Itachi schon Schuhe an und war gerade dabei seine Jacke zuzumachen. Er trug nicht mehr den dicken Wintermantel, sondern eine legere Lederjacke. Sasuke blickte hinaus. Es war wirklich schon wärmer draußen geworden, wenn auch minimal, aber für morgen hatten die Vorraussagen Sonnenschein angegeben. Der Frühling kam kündigte sich schon früh an, doch letztes Jahr um diese Zeit – Mitte Januar – hatte Sasuke gehofft, die kalten Tage wären vorbei. Es war ein paar Tage lang schön warm gewesen am Tag, doch dann, Anfang Februar hatte es wieder begonnen zu regnen und zu schneien und er war unheimlich krank gewesen; erkältet, fiebrig und kraftlos. Er war froh, nun ein zu Hause zu haben und hoffte, das Itachi seine Großeltern, Daiki und Anko nicht zu sehr verärgerte, denn Sasuke wollte nicht zurück auf die Straße und Itachi auf der Tasche liegen wollte er auch nicht.
 

Nachdem Sasuke auch in seine Jacke geschlüpft war, die Chucks zugebunden und den Rucksack geschultert hatte, folgte er Itachi zum Mietwagen. Sie fuhren annähernd denselben Weg von gestern Abend zurück und irgendwann traute Sasuke sich, den Mund aufzumachen.

„Itachi…“, sagte er erst leise und als er merkte, dass er die Aufmerksamkeit des Mannes inne hatte, fuhr er fort: „Kannst du… ähm… bitte sei nicht so… hart mit… mit meine Großmutter… Sie... ähm…“ Er wusste nicht weiter und verstummte deswegen. Sasuke hoffte, nichts Schlimmes gesagt zu haben; nichts was Itachi böse machte. Doch der schüttelte nur lächelnd den Kopf, konzentrierte sich dabei weiterhin auf die Straße und meinte: „Ich will nur das Beste für dich, aber… – deswegen kann ich dir nichts versprechen.“

Es war still zwischen ihnen, Sasuke blickte hinaus. Er dachte an seine Großeltern. An die Tage, die er zuvor mal mit seinen Eltern in dem großen Haus verbracht hatte. Damals hatten weder Anko noch Daiki da gewohnt. Anko, das wusste Sasuke heute noch, studierte damals noch über die Army und war somit nur selten im Haus ihrer Eltern. Daiki hatte noch das Haus am Meer. Ihn hatten sie auch für ein paar Tage besucht. Seine Frau, von der Sasuke heute nicht wusste, wo sie war, hatte damals für sie alle gekocht und sie hatte sich mit seiner Mutter verstanden. Sie hatten schöne Ferien verbracht, damals hier in diesem Land, im Sommer. Diesen Winter, knapp 6 Jahre später, war nichts mehr von diesem Sommer da. Da war nur noch kalte Traurigkeit. Und kaputte Menschen waren da. Eine Menge trauriger, kaputter Menschen.
 

„Sie… haben mir nicht wehgetan… oder so“, murmelte Sasuke, schaute weiterhin aus dem Fenster und wusste nichts mehr zu sagen, was Itachi davon abhalten könnte, seine Familie Vorwürfe zu machen. Sie schwiegen wieder, weil Itachi nichts erwähnte. Sasuke wandte seinen Kopf nach vorne und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Itachis Hände um das Lenkrad krampften, ehe der junge Anwalt versucht entspannt, aber mit einem kaum verkennbar verbissenen Unterton in der Stimme, fragte: „Was ist los, Sasuke?“

Der Junge schwieg und erst an der letzten Ampel vor dem Haus von Sasukes Großeltern, von wo aus das schon zu sehen war, antwortete er unsicher und leise: „Ich… hab Angst, dass die mich… rausschmeißen.“

„Sasuke“, machte Itachi bedauernd und hielt alsbald vor dem alten Haus, machte den Motor aus und legte Sasuke eine Hand auf die Schulter.

„Selbst wenn“, sagte er, „hast du immer einen Ort, an den du hin kannst. Ich lass dich nicht im Stich. Und dass…“ Itachi stoppte kurz, blickte nach vorne, die Frontscheibe hinaus.

„Das verspreche ich dir.“
 

Sie gingen zur Haustür, klingelten und es war Sasukes Großmutter, die ihnen öffnete. Sie trug ein Kleid, das ihr bis zu den Waden ging, Hausschuhe und eine Schürze. Wahrscheinlich kochte sie gerade.

„Guten Tag“, sagte sie leise, in ihren Augen wich die Sorge, als sie ihren Enkel sah.

Sie gingen zu dritt hinein, die Großmutter bot Itachi höflich Kaffee an, was dieser gerne annahm.

„Sie sind natürlich zum Essen eingeladen“, sagte die Frau und wies auf den großen Topf auf dem Herd. Der junge Mann nickte höflich, bedankte sich schlicht, ohne wirklich die Einladung anzunehmen. Am liebsten würde er sofort wieder gehen und Sasuke mitnehmen. Ihm fiel auf, dass die Großmutter ihren Enkel gar nicht fragte, ob er etwas trinken wollte. Natürlich sah Itachi, wie erleichtert die Frau war, dass er ihr Sasuke wieder mitgebracht hatte, aber im richtigen Umgang mit dem Jungen versagte sie. Sasuke nämlich, war immer noch der Junge, der sich nicht gerne selber bediente. Aber dann fiel Itachi ein, dass die Großmutter wahrscheinlich einfach nichts wusste. Nichts über die Vergangenheit Sasukes. Wie sollte sie dann genau richtig mit ihm umgehen? Und außerdem war sie alt. Sie konnte gar nicht richtig mit Sasuke umgehen. Egal, was sie versuchte. Es würde nicht in ihrer Macht stehen. Dennoch tat sie Itachi leid. Oder gerade deswegen. Weil sie es irgendwie versuchte – vielleicht nicht hart genug, aber sie tat es – und doch nicht mehr schaffte, als dass Sasuke nur bleiben wollte, weil er Angst hatte auch sein neues Zuhause zu verlieren. Itachi glaubte schlicht es ging weder der Großmutter noch Sasuke um das wirkliche Zusammensein. Wahrscheinlich wollten sie beide nur einfach nicht versagen. Beide wollten sie Sasukes Vater keine Schande machen.
 

Sasukes Großmutter setzte sich mit einem Glas Wasser an den Tisch.

„Ich fürchtete, sie bringen meinen Enkel nicht zurück.“ Itachi seufzte und fuhr sich unsicher durch die Haare, als sein Blick auf Sasuke fiel.

„Ich könnte ihn gar nicht mitnehmen, ohne Ihre Erlaubnis. Sie haben das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Im Grunde bin ich machtlos gegen Sie.“ Itachi sah Sasukes Blick. Er wirkte gleichsam traurig, aber auch erleichtert. Er wusste, Itachi konnte ihn gar nicht rausholen, wenn es hart auf hart kam, aber er sah gleichzeitig, dass Itachi die Großmutter nicht anschrie und erzürnte.

Emi Nakano musterte Itachi, stellte fest, wie niedergeschlagen der junge Mann wirkte und er tat ihr Leid. Sie schätze wie ehrlich er zu ihr war und wie viel ihm an Sasuke lag, aber sie konnte den Jungen einfach nicht mit Itachi Uchiha gehen lassen. Sie musste den Sohn ihres geliebten Kindes ein Zuhause bieten, in dem dieser sich wohl fühlte. Sie durfte nicht versagen, egal wie alt sie war und egal, wie wenig Sasuke ihr von sich und den Jahren ohne seinen Vater erzählte. Im Grunde wusste die alte Frau, dass sie ihren Enkel nicht kannte, aber sie konnte ihn nicht gehen lassen, auch wenn sie fürchtete, Sasuke wäre viel lieber bei diesem Mann.

„Sie sind noch jung, Mr. Uchiha. Sie sollten nicht die Sorge für ein Kind übernehmen wollen“, sagte sie, wollte rational und logisch klingen und nicht so, als sei sie eine endlos traurige, alte Frau, die drei Kinder gehabt hatte, die wundervoll gewesen waren. Was war nur aus ihnen geworden? Aus ihnen allen. Sie hatten versagt, aber das sollte Itachi Uchiha nicht wissen.

„Wenn Sie sich nicht gemeldet hätten, hätte ich es gemusst.“

„Das hätten Sie nicht“, gab die alte Dame zurück und blickte zu ihrem Enkelsohn. „Gemusst hätten Sie nichts.“
 

Itachi merkte, dass die Frau ihn nicht verstand. Sie verstand nicht – konnte gar nicht verstehen – was sein Kopf in nur ein paar wenigen Tagen hatte verstehen müssen. Was er hatte so schnell lernen und entscheiden müssen. Er war vor knapp zwei Monaten noch, ein ganz normaler junger Mann gewesen, mit einer schicken Mietswohnung, einem hübschen Auto, einem tollen Job und einer nagelneuen Yamaha. Er hatte das schlechte in der Welt nicht gekannt und dann war Sasuke in sein Leben getreten und Itachi hatte Geschichten gehört – wahre Geschichten – von einem Kind, das durch die Hölle gegangen war. In Tagen, in denen er Sasukes Aufenthalt bei ihm immer wieder Aufschub gewährt hatte, hatte er selbst feststellen müssen, dass er Sasuke nicht mehr hatte auf die Straße schicken können. Zunächst war er noch der festen Überzeugung gewesen, für Sasuke ein neues Zuhause finden zu können, irgendwo im Jugendheim, im betreuten Wohnen oder sonst wo, doch schon bald, hatte er nicht mehr anders gekonnt, als selbst derjenige sein zu wollen, der für Sasuke sorgte. Da war für ihn kein wollen mehr gewesen, er hatte gemusst, weil er nicht mehr anders konnte. Er war nicht seine Pflicht gewesen, eher was anderes, aber er hätte Sasuke nicht fort schicken können – nicht mal in das beste Jugendheim – wenn nicht die Großeltern gekommen wären und schon das Sorgerecht hatten, gegen das er sicherlich nicht angekommen wäre.
 

„Ich wäre nicht zu jung gewesen“, erklärte Itachi. „Ich verdiene gut, Sasuke braucht nicht mehr rund um die Uhr Betreuung wie ein Kleinkind, also wäre es kein Problem, wenn ich arbeiten wäre. All das war von mir durchdacht. In kürzester Zeit, weil ich nicht mehr hatte, um mir darüber klar zu werden.“ Itachi lachte freudlos auf. „Ich hab den Entschluss gefasst, kurz bevor der Typ vom Jugendamt bei mir geklingelt hat. Da hat Sasuke schon ein paar Wochen bei mir gewohnt.“

„Das mag ja alles stimmen“, meinte die Großmutter und wirkte so viel gefasster als am vergangenen Abend, wodurch sich Itachis Mitleid in Grenzen hielt. Wahrscheinlich war sie sich durch sein vorheriges Zugeständnis – dass ihm ohne ihre Zugstimmung alle Hände gebunden waren – sicherer geworden. „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Mr. Uchiha. Ich halte Sie durchaus für fähig für ein Kind zu sorgen, aber sehen sie doch nur: Sasuke ist nicht mal zehn Jahre jünger als Sie.“

„Vielleicht gerade deswegen“, sagte Itachi und hoffte, das Sasuke auch mal den Mund aufmachen wurde. Doch der saß nur da und blickte unsicher auf die Tischplatte. Itachi hoffte wirklich so sehr, dass er sagte, wie sehr er Itachi vertraute, warum er so gerne geblieben wäre. Und doch wusste Itachi gar nicht was er hier überhaupt tat, worum er kämpfte und was er eigentlich wollte. Und passend fragte da die alte Dame: „Warum sind Sie gekommen, Herr Uchiha? Sie sagen selbst, Sie können Sasuke nicht ohne meine Zustimmung mitnehmen. Ich könnte sie für den gestrigen Abend anzeigen…“ Sie wollte weiter sprechen – musste weiter sprechen, damit der Uchiha genug Angst bekam, um ihren Enkel nicht einfach mit zu nehmen. Sie musste doch… Ihr Mann wäre so wütend, wenn Sasuke mit einem Iren mitging und sie durfte ihrem geliebten Sohn doch keine Schande machen und versagen. Sie durfte Sasuke einfach nicht gehen lassen – aber Itachi unterbrach sie: „Ich will nur das Beste für Sasuke.“
 

Er stoppte, blickte zu dem Jugendlichen. Sein Blick wurde bedauernd, als er Sasuke sah, wie Sasuke hochblickte. Traurig schauten die Augen. Der Junge wollte dieses Gespräch hier nicht. „Und hier zu sein ist eindeutig nicht das Beste für Sasuke.“ Itachi schaute Sasuke in die Augen und sah dessen Lippen, die sich lautlos zu Wörtern formten: „Hör auf“, versuchte der Junge ihm ohne Ton klar zu machen, doch Itachi schüttelte nur den Kopf, woraufhin Sasuke wieder hinunterstarrte und sich auf die Lippen biss.

„Sie haben keinerlei Recht das zu entscheiden“, sagte die Großmutter und erhob sich schwerfällig. Sie wies auf die Tür und fuhr fort: „Gehen Sie, Mr. Uchiha. Ich möchte nicht mehr, dass Sie sich meinem Enkel nähern.“

Itachis Stirn legte sich in Falten, lautlos stieß er Luft durch die Nase auf, seine Lippen pressten sich aufeinander. Als er sich erhob blickte er an Sasuke vorbei, sah im Vorbeigehen nur aus dem Augenwinkel zu dem Jungen, der den Kopf vollends gesenkt hatte. Itachi fiel aus, dass Sasukes Schultern bebten. Ihnen wurde soeben der Umgang verboten. Es war seine Schuld, ganz allein seine. Er hätte auf Sasuke stumme Bitten eingehen sollen. Er hätte aufhören sollen. Und nun fand Itachi nicht einmal mehr den Mut, sich bei Sasuke zu entschuldigen. Vielleicht, fürchtete Itachi, war er wirklich noch zu jung. Zu naiv, jung und unwissend um einen Jugendlichen wie Sasuke zu sich zu holen.

Es tut mir so Leid, Sasuke, dachte Itachi. Er konnte nichts tun. Im Moment konnte er einfach nichts tun, musste er feststellen. Er musste die Dinge hinnehmen, wie sie geschahen. Durch sein dummes, unsinniges Verhalten würde er nicht einmal mehr mit Sasuke reden dürfen. Vielleicht, schoss es dem Uchiha dann durch den Kopf, als er durch die Küchentür in den Flur trat, musste ihm die Entscheidung den Kontakt von Sasuke abzubrechen, abgenommen werden. Es war an der Zeit seriös zu werden, sich mit Shizune, die er nun schon wieder enttäuscht hatte, ein Leben aufzubauen und vielleicht irgendwann selbst einmal zu heiraten und Vater zu werden. Die Kanzlei seines Vaters übernehmen, seine Träume über den Haufen zu werfen, ein anständiger Mann zu werden und Sasuke sein Leben leben lassen.
 

An der Haustür angekommen, legte Itachi eine Hand auf die Klinke. Er wusste, dass es Bullshit war, was er dachte und doch konnte er nicht anders, als so etwas zu denken. Er zwang sich, Sasuke nicht aufzugeben, denn er wusste, dass Sasukes Schweigen die lauteste Stimme im Raum gewesen war. Nur glaube Itachi, als er zu der alten Frau blickte, die ihn ihrerseits ansah, dass sie das noch nicht wusste, weil sie Sasuke nicht so kannte, wie er es tat. Dennoch war ihre Miene nicht mehr ganz so unnachgiebig. Wahrscheinlich fragte sie sich schon, ob sie das Richtige tat. Wahrscheinlich wusste sie tief in ihrem Inneren, dass es nicht richtig war, Sasuke den Umgang mit Itachi zu verbieten.

„Sagen Sie ihm, dass er mich immer anrufen kann“, sprang der junge Anwalt über seinen Schatten und senkte den Blick zu Boden, ehe er Fußschritte auf der Holztreppe und dann die vollkommen nüchterne Stimme Daikis vernahm.

„Ich muss mit Ihnen reden, Mr. Uchiha“, sagte der Mann und blieb am Fußende der Treppe stehen.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 6: i know that this is changing me

So viel dazu, dass es in den Osterferien schneller mit den Updates wird…

Ich war entweder unterwegs, bin an meinem Laptop verzweifelt, der irgendwie schrott ist und irgendwie auch nicht (zum Glück hab ich meinen Onkel der jetzt mal danach gucken will und zum Glück ist meine Stay/Catch-Datei intakt und mein Internert funktioniert.) Und sonst, ja sonst lese ich diese Ferien unheimlich viel, schrecklich. Und dann auch noch teilweise solche Mädchenbücher, lach xD Aber About Ruby von Sarah Dessen (die ja bekannt für ihre Mädchenbücher ist) ist ein cooles Buch, irgendwie xD

Nun, wie auch immer. Zum Kapitel. Entweder ihr hasst es oder ihr findet es interessant. Jedenfalls denke ich das zum ersten Teil des Kapitels. Egal, bildet euch selbst eine Meinung. Zu diesem Kapitel hab ich irgendwie keine oder eine zweigeteilte, ich weiß nicht so recht. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem.

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 

Kapitel 6: i know that this is changing me

One day the truth will emerge, like a corpse in the water.

- Wieslaw Brudzinski
 

Sie waren mit dem Leihwagen in ein kleines Diner gefahren. Das Raststättenlokal war recht nah und Daiki hatte darauf bestanden, die Unterhaltung nicht im Haus seiner Eltern zu führen. Itachi nahm einen Schluck seines wässrigen Kaffees und blickte den Mann vor sich an. Daikis Gesicht war unterlegt mit Falten. Er wirkte alt; er war wahrscheinlich sogar alt. Schließlich war er der ältere Bruder von Sasukes Vater und selbst der wäre heute Ende dreißig. Itachis Mutter feierte dieses Jahr ihren sechsundvierzigsten Geburtstag und viel jünger schätze Itachi Sasukes Onkel nicht. Vielleicht ein oder zwei Jahre, höchstens. Itachi schluckte. Dieser Mann könnte sein Vater sein. Jetzt mal hypothetisch vom Alter her. Er fand’s heftig; warum auch immer…

Seine Augen wirkten nicht so alt, fiel Itachi auf. Sie wirkten traurig. Erzählten, genauso wie Sasukes Augen, Geschichten, die man nicht so einfach entschlüsseln konnte. Geschichten derer man vor dem Anhören gefragt werden wollte, ob man sie vertragen konnte. Ob man sie überhaupt hören wollte. Doch Daiki fragte nicht. Fürchtete wahrscheinlich das Nein als Antwort. Deswegen begann der Mann einfach, nach einiger Zeit, in der er traurig den kleinen Pappkarton in seinen Händen angeblickt hatte.

„Mein kleiner Bruder war ein Genie, aber ich werde mich ewig an seinen ersten Schultag erinnern. Ich war schon vierzehn, glaube ich und er kam nach Hause und wollte nie wieder hingehen. Er gab sich in den darauf folgenden Tagen absolut keine Mühe, alle dachten er sei blöd und die Lehrer rieten unseren Eltern ihn noch ein Jahr in die Vorschule zu schicken. Das war Bullshit, denn er konnte schon längst mehr Worte schreiben, als sie in seinem Alter verlangten und er konnte besser rechnen als die Gleichaltrigen. Ich war es, der ihm sagte, er müsse sich anstrengen. Er wollte nichts hören, war schon als Knirps so unsagbar stur und ich hab ihn nur durch eine Aussage dazu bekommen, sich die ganzen Jahre über zu bemühen.“ Itachi lies Daiki erzählen, auch wenn er nicht verstand, warum er das alles gerade bei ihm loswerden musste. „Ich hab ihm gesagt, je besser er ist, desto eher ist er fertig. Und ich hab Recht behalten. Er hat zwei Klassen übersprungen und sein Studium auch in Windeseile abgeschlossen. Und dann wollte er die Welt sehen und ich habe meinen kleinen Bruder das erste Mal verloren. Er war gerade neunzehn, wissen Sie und die Welt erschien mir zu groß für ihn. Vor allem, da er immer so schnell kränkelte. Sein Immunsystem war am Arsch. Schon immer.“
 

Itachi nickte. In Daikis Erzählungen war Sasukes Vater neunzehn. Mit zweiundzwanzig wurde er Vater, das hatte Itachi sich gemerkt. Jetzt wurde es also wirklich interessant.

„Wir haben nur telefoniert und über Mails Kontakt gehalten. Und irgendwann kam dann eine Einladung zur Hochzeit. Ich war zunächst der einzige der hingehen wollte, aber ich konnte meine Eltern und auch Anko überreden. Wir waren enttäuscht und entsetzt, als wir sahen, dass die Zukünfte meines Bruders schwanger war, aber ich habe mich recht schnell mit dem Gedanken angefreundet Onkel zu werden.“

„Und dann irgendwann ist Sasuke geboren“, warf Itachi in den Raum. Daiki nickte.

„Ja, und von Anfang an, war er der König in Kaines Leben. Das änderte sich nie. Wann immer Kaine, Ria und Sasuke uns in England besucht haben, war sie es, die außen vor war. Ich meine“, sagte Daiki, „ich will nicht sagen, dass Kaine Ria nicht geliebt hat. Das hat er aus vollstem Herzen. Es war auch nicht so, dass sie Ria nicht mit einbezogen haben. Es war etwas Tieferes, verstehen Sie?“

Itachi nickte, er verschränkte die Arme vor der Brust. Ria, Sasukes Mutter, die Frau, die ihr Kind durch die Hölle gehen ließ. Etwa, weil sie sich zuvor immer ausgeschlossen gefühlt hatte? War eine Mutter zu so etwas fähig? Itachi verstand es nicht, auch wenn er es vorgab und versuchte zu verstehen.

„Wie war das Verhältnis zwischen Sasuke und seiner Mutter?“, hakte er nach und erntete ein Seufzen seitens des Älteren.

„Schwierig, würde ich sagen“, meinte dieser. Es fiel Itachi schwer, zu glauben, dass dieser Mann, mit dem er sich nun so vernünftig unterhielt, gestern noch voll gesoffen an einem Küchentisch hat sitzen können. „Ria hat sich Mühe gegeben. Sie war ein gutes Mädchen. Sie war jung, als sie meinen Bruder heiratete, noch jünger als er. Gerade volljährig, glaube ich und wie ich rausgehört habe, stammt sie auch nicht aus den besten Familienverhältnissen. Sie hat sich immer schwer damit getan, Sasuke so zu lieben, wie Kaine es tat. Bedingungslos.“

Daiki blickte wieder auf die Pappschachtel, die mittlerweile auch Itachis Neugierde entfachte. Mit einem Ton, der in der Vergangenheit schwelgte, meinte Sasukes Onkel: „Mein kleiner Bruder war ein Mensch, der… - er war geradewegs, ungekünstelt, unverstellt und seine Handlungen waren kaum durchdacht. Ich kannte keinen der so war, wie er. Man musste ihn einfach lieben. Diesen Blödmann…“ Daiki stoppte. Seine Hand krallte sich an der Ecke des Holztisches fest.
 

„Ich weiß nicht, ob Sie die Wahrheit hören wollten, Itachi.“ Der Mann schüttelte zu sich selbst den Kopf, merkte wahrscheinlich kaum, dass er Itachi mit Vornamen angeredet hatte und blickte ihn an. Daiki musste es sehen. Den Zweifel in Itachis Augen. Denn Itachi wusste nicht, ob er die Wahrheit hören wollte. Die Wahrheit die Daiki so sehr quälte. Er hatte eine Wahrheit auf sich genommen. Sasukes Wahrheit. Ob er auch die Daikis verkraften konnte, wusste er nicht. Die Wahrheit von Sasukes Vater. Und vielleicht auch Rias Wahrheit. Er wusste es nicht. Und er doch war es sein zweifelnder Blick, welcher Daiki dazu brachte, wieder zu seiner Vernunft – zu der inneren Ruhe, die er sich so mühsam aufgebaut hatte – zurückzufinden.

„Wenn sie sie hören wollen, bleiben Sie“, sagte Daiki und legte die großen Hände übereinander gefaltet auf den Pappkarton, den er auf dem Tisch abgestellte hatte.

„Wenn nicht, gehen Sie und kommen Sie nie wieder zurück. Wenn Sie’s nämlich nicht können, sollten Sie aus Sasukes Leben verschwinden. Dann kann er Sie nicht brauchen und ich…“, er stoppte kurz, atmete tief durch und meinte: „Und ich hab mich in Ihnen getäuscht.“

„Ich möchte es hören“, meinte Itachi schlicht und schluckte. Für Sasuke war er stark genug, sich einer solchen Wahrheit – was auch immer dahinter liegen mochte – zu stellen. Vielleicht, so klang es für Itachi, konnte Daiki dafür sorgen, dass der Kontakt zwischen ihm und Sasuke nicht abbrach und vielleicht hatte der Ältere Recht und Itachi musste vorher diesen Lebenstest bestehen; denn das war es in seinen Augen. Itachi spürte, dass dies keine Märchenstunde war, sondern von unheimlicher Bedeutung.

„In Ordnung“, meinte Daiki und tippte unruhig auf den Deckel der Pappschachtel. „Was wissen Sie über die Todesursache meines Bruders?“

„Nichts“, antwortete Itachi wahrheitsgemäß. Daiki nickte und schwieg eine kurze Zeit lang.

„Sasuke und Ria haben ihre Wahrheit. Sie wissen, dass Kaine auf der Landstraße einen Unfall mit zwei Lastwagen hatte. Was die beiden nicht wissen ist, das Kaine an diesem Tag sterben wollte. Von der Landstraße aus, waren es nur einige wenige Meter bis zu einer Klippe, die ins Meer hinaus ragte. Da wollte mein Bruder sterben.“
 

Itachis Augen weiteten sich. Sasukes Vater hatte Suizid begangen. Warum…?

„Wie…?“, flüsterte Itachi entsetzt. Wie konnte… dieser Mann das tun, wenn er ein Kind hatte, das er bedingungslos liebte – das sein König war. Mit dem Tod dieses Mannes hatte Sasukes Leid begonnen. Ein Leid, das hätte verhindert werden können, stellte Itachi fest, wenn dieser… Mensch… sich nicht umgebracht hätte.

„Er wollte immer nur das Beste für Sasuke“, sagte Daiki und blickte Itachi in die Augen, als wüsste er, dass dies seine Worte gewesen waren. Itachi fühlte sich plötzlich sehr nackt und verletzlich. Er senkte den Blick.

„Wie konnte er das dann tun?“, fragte er leise. „Wie konnte er Sasuke das antun?“

„Er wollte ihn schützen“, antwortete der große Bruder. „Ihn und Ria. Hören Sie, Itachi. Mein Bruder hat das Leben geliebt. Er hat es nicht weggeschmissen. Er hat nur seine Frist nicht wahrgenommen. Mein Bruder hatte einen… Gehirntumor. Die verschiedensten Ärzte gaben ihm keinerlei Chancen. Ein halbes Jahr, höchstens und am Ende seines Lebens – so ehrlich waren sie mit ihm gewesen – würde er aussehen, wie eine lebende Leiche. Er konnte das seiner Familie nicht antun.“

„Ich…“, fing Itachi an und wollte sagen, dass er es nicht verstand. Er verstand es nicht. Aber er hielt den Mund und lies Daiki weiter seine Geschichte erzählen.

„Die letzte Wahl seines Lebens war die, die Dauer seines Todes zu bestimmen. Er wollte kein halbes Jahr lang sterben. Und er wollte nicht dass seine Familie ihm ein halbes Jahr lang beim Sterben zusehen musste.“ Daiki schwieg, gab Itachi die Möglichkeit die Worte auf sich wirken zu lassen, bevor er sachlicher fortfuhr: „Dieses Jahr im Herbst sind es sechs Jahre her. Es waren Ferien, die ich und… meine Frau … bei Kaine verbrachten. Er ging wegen starken Kopfschmerzen zum Arzt und kam als veränderter Mann zurück. In der Nacht vor unserer Abreise erzählte er mir alles, gab mir einen Brief für Sasuke und bat mich um einige Dinge.“
 

Itachi blickte auf die Tischplatte. Er wusste nicht was er von diesem Mann halten sollte. Von Kaine Nakano. Aber lag es denn in seinem Ermessen über ihn zu urteilen? Zu sich selber schüttelte er den Kopf. Sasuke liebte ihn aus vollstem Herzen. Und Kaine, das glaubte Itachi, hatte sein Kind bedingungslos geliebt.

„Itachi“, schallte die Stimme seines Gegenübers. „Sie können gehen, wenn sie das wollen. Er ließ mir damals nicht die Wahl. Ich lasse sie Ihnen. Es steht nicht in meinem Recht, etwas anderes zu tun; aber wenn Sie bleiben, werde ich einen Teil meiner Last auf ihre Schultern legen. Nicht um mich zu erleichtern, sondern für Sasuke.“

Itachi nickte schlicht; war zu nichts anderem in der Lage. Es war Daiki der den Deckel der Pappschachtel öffnete und Itachi zuschob, welcher einen Blick hinein warf. Ein weißer Umschlag, Fotos, von denen er nur die Rückseite sah, eine CD in durchsichtiger Hülle, ein kleines, aber dickes Büchlein und ein kleiner Schlüssel. Itachi schloss den Deckel und nahm die Schachtel an sich, während Daiki von seinem Bruder sprach; von Stunden, die er mit Kaine und seiner Familie verbrachte; von Szenen, an die er sich ewig erinnern würde und schlussendlich erzählte Daiki ihm seine eigene Geschichte – eine Geschichte voller vergangener Stunden des Glücks, schrecklichem Verlust, Selbstvorwürfen und einer Menge Alkohol. Und es war Daiki der ihn bat, all das Sasuke zu erzählen, weil er selbst es nicht konnte. Nie gekonnt hat und nie würde können. Doch er wusste – sie beide wussten es – Sasuke hatte die Wahrheit verdient.

„Itachi“, wandte sich Daiki an den jungen Anwalt, kurz bevor sich sich nach etlichen Stunden erhoben – mittlerweile waren sie ohne weitere Absprachen zum kompletten Du übergegangen. „Ich weiß nicht ob mein Bruder wirklich an diesem Tag sterben wollte. Ob er es in diesem Moment noch wollte.“ Er atmete tief durch. „Die Behörden damals meinten, es sähe aus, als habe er wenden wollen. Vielleicht solltest du das Sasuke auch sagen.“ Daiki blickte an die gelblich verfärbte Decke des Diners und meinte mit vor der Brust verschränkten Armen: „Er wird dich brauchen und ich werde dafür sorgen, dass du da sein kannst.“
 

~~
 

Vor der Tür des Nakano-Hauses hielt Daiki Itachi ein letztes Mal auf. Er blickte zunächst auf den Boden und dann in die Augen des jungen Anwalts. Es kostete den Mann einiges an Überwindung, doch bevor er den Schlüssel in das Schloss steckte, atmete er tief durch und wandte sich an Itachi.

„Wir werden das Geld für die Klassenfahrt so schnell nicht aufbringen können und Sasuke braucht es diese Woche. Ich…“, er brachte es dennoch nicht fertig diesen Satz – die Bitte – auszusprechen. Peinlich genug war es, diese Dinge einzugestehen. Doch Itachi verstand.

„Kein Problem“, sagte dieser schlicht, wollte Daiki nicht mit weiteren Worten in Verlegenheit bringen. Es war der Mann, der dankbar nickte, ehe er anfügte: „Nur geliehen. Ich zahl dir das ohne Frage zurück.“

„Okay“, stimmte der Schwarzhaarige zu, nickte und wartete, dass Daiki die Tür aufschloss. Itachi zögerte nur kurz, bevor er hinter dem Mann eintrat. Es brachte doch nichts. Sasuke brauchte ihn und Daiki würde das schon regeln. Darauf sollte er einfach mal vertrauen, entschied Itachi und betrat auch hinter Daiki die Küche, in der Frau Nakano saß und Kaffee trank. Ihr Blick legte sich abwertend auf den Uchiha. Sie wollte ihm wohl zeigen, dass er nicht willkommen war.

„Wo ist Sasuke?“, überging Daiki da schon den Blick seiner eigenen Mutter und trat noch einen Schritt näher.

„In seinem Zimmer. Und da möchte ich ihn solange haben, wie dieser Mann in unserem Hau ist.“ Sie nannte ihn also nicht mal mehr beim Namen, stellte der Uchiha fest und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Er wird nicht ohne Sasuke gehen.“ In Daikis Stimme schwang keinerlei Zweifel mit und doch war es seine Mutter, die gegen ihren Sohn sprach: „Du hast kein Recht zu entscheiden, ob er geht oder bleibt, Daiki. Das ist immer noch… das Haus deines Vaters und nicht deins.“

„Aha“, machte der, nickte und Itachi sah den verletzten Funken Stolz in Daikis Blick. Er verstand den Mann nun, nachdem er Daikis Geschichte kannte. Er hätte das alles auch nicht ertragen. All die Menschen zu verlieren, die man so gern hatte.
 

„Dieser Mann ist nicht gut für Kaines Sohn.“ Daiki wollte ihr so vieles sagen. Er wollte seiner Mutter sagen, sie solle von Sasuke nicht immer als Kaines Sohn reden. Er war doch ein eigener Mensch mit eigenen Rechten, mit einem eigenen Willen, einem eigenen unverkennbaren Charakter. Und falls Emi ihn immerzu Kaines Sohn nennen wollte, dann war es ein Fremder der das Kind von Kaine besser kannte, als die Mutter die Kaine so sehr geliebt hatte. Dann gab es nur noch mehr, dass Emi sich selbst vorwerfen konnte.

„Lassen wir ihn das doch selbst entscheiden“, schlug Daiki vor. Er fühlte sich gut, solange er helfen konnte. Heute brauchte er nicht den Alkohol, den ihn die letzten vier Jahre lang begleitet hatte. Morgen früh würde ein neuer Tag sein. Ein neuer Tag ohne seine Frau und ohne… ohne sein Baby. Und dann würde er wieder trinken, er wusste das. Aber er hatte auch schon gestern Abend gewusst, dass er heute gebraucht wurde. Das heute einer der wenigen Tage vergehen musste, an welchen er ohne Alkohol, der sein konnte, der er immerzu früher gewesen war. Der große Bruder an den Kaine sich immer gewannt hatte.

„Sei nicht dumm, Daiki“, sagte die Oma, wirkte dennoch resigniert, als sie an ihrem Kaffee trank, „Er ist ein Kind. Er kann so was gar nicht entscheiden.“

„Sie wissen nichts von ihrem Enkel“, hörte Itachi sich sagen. „Sie haben keine Ahnung, wie erwachsen er sein musste.“

Die Augenbrauen der alten Frau zogen ich zusammen. Doch es schlug sich ein besorgter Ausdruck auf ihr Gesicht.

„Was… meinen Sie?“

Er konnte doch jetzt nicht Sasukes Geschichte erzählen. Er konnte und wollte nicht. Aber er musste doch was tun… Doch dann dachte Itachi an seine Arbeit als Anwalt. Er hatte schon eine Menge Familien vertreten. Kaputte Familien und immer…

„Wenn ein Elternteil stirbt, wenn die Eltern sich trennen, allgemein wenn einer Familie zerrüttelt wird, sind es immer die Kinder die leiden müssen. Sie wissen nicht, wie schnell Sasuke ohne seinen Vater erwachsen werden musste. Sie haben… keine Ahnung…“

„Geh ihn rufen, Daiki“, bat die Großmutter, unterbrach Itachi damit und konnte ihrem Sohn nur nachsehen, wie er die Küche verlies um seinen Neffen zu holen. Wenn es so sein sollte, dass Sasuke bei Itachi Uchiha sein wollte, sollte er die Tage, die dieser in London verbracht, doch bei ihm bleiben. Mehr wollte sie den beiden nicht zugestehen. Sie hatte schließlich das Sorgerecht. Sie musste sich um Sasuke kümmern. Sie schuldete ihrem toten Sohn das. Aber sie konnte sich das Gerede dieses Mannes nicht mehr mitanhören. Natürlich wusste sie, dass Sasuke sich nicht wie ein normaler Jugendlicher verhielt. Das er vielleicht wirklich, durch was auch immer nach Kaines Tod geschehen war, unheimlich schnell hatte erwachsen werden müssen. Sie wusste, dass sie Sasuke keine Hilfe war. Und doch war es gerade das, was sie so sehr peinigte, dass sie Anfing, diesen jungen Anwalt, der für ihren Enkel gesorgt hatte, abzulehnen.
 

Nach wenigen Minuten, die die Nakano und Itachi schweigend in der Küche verbracht hatten, kam Daiki gefolgt von Sasuke zurück in den Raum. Sasuke sah schlecht aus, befand Itachi. Traurig wirkte er. Doch als sein Blick auf den älteren Uchiha fiel, schienen Sasukes Züge etwas weniger niedergeschlagen zu sein. Hoffnungsvoll vielleicht. Mit einem Blick bedeutete Itachi Sasuke näherzukommen und legte ihm, als es dann möglich war, locker eine Hand auf die Schulter.

„Wir haben dich die ganze Zeit übergangen“, stellte Itachi fest. „Es ist an der Zeit, dass du sagst, was du möchtest, Sasuke.“

„Wie…?“, stockte Sasuke und blickte zu seiner Großmutter. Vor wenigen Stunden war sie doch noch dagegen gewesen, dass Itachi und er sich wiedersahen. Nicht umsonst hatte Sasuke seine Tränen so mühsam heruntergeschluckt, nur um in seinem Zimmer nachher, den Kopf in den Kissen vergraben, zu heulen wie ein kleines, blödes Baby.

„Ich bleib noch paar Tage in London“, erklärte Itachi, wusste selbst nicht wie lange, aber das war auch im Moment recht unrelevant. „Du kannst entscheiden, ob du die Tage bei mir im Hotel verbringen möchtest. Na?“

Itachi gab Sasuke die nötige Zeit zu überlegen, weil er wusste, dass er den Jugendlichen damit überrannte. Sasuke war es nicht gewohnt, Dinge zu entscheiden. Und nun musste er sich indirekt für oder gegen seine Großeltern entscheiden. Das brauchte eben seine Zeit. Itachi verstand das.

Er verstand auch, dass Sasuke sich dann an die Großmutter wandte und leise fragte: „Ist das… okay?“, ehe sein Blick zu Itachi ruckte und er somit, ohne wirklich seine Entscheidung zu nennen, sagte was er wollte.

„Ja“, nickte die Großmutter, schluckte ihren Widerwillen hinunter. Sie wollte sich die Schmach nicht länger antun und schickte Sasuke mit kurzen Worten ein paar Sachen für die nächste Tage packen. Als der Junge hinaus war, wandte sie sich an Itachi.

„Ich verlange, dass sie auf ihn aufpassen. Er wird die Schule besuchen, egal wie weit ihr Hotel entfernt ist und er wird jeden Tag anrufen. Das verlange ich von ihnen, Mr. Uchiha.“

„In Ordnung“, stimmte dieser zu. Das er auf Sasuke aufpassen würde und ihn zu Schule brachte, war ihm doch auch schon vorher klar gewesen. Und wenn sie eben jeden Tag ihren Enkel sprechen wollte, würde er das auch sicherstellen.
 

~~
 

Im Hotel stellte Sasuke seinen Rucksack und die kleine Reisetasche die er für die paar Tage mit Klamotten und Schulzeug gepackt hatte vorsichtig neben dem Sofa auf dem Boden und setzte sich.

„Was möchtest du heute Abend essen?“, wandte Itachi sich an Sasuke und setze sich auf sein Bett, direkt dem Jungen gegenüber, ehe er sich nach unten zu seinen Schuhen beugte, um die Aufzubinden.

Sasuke zuckte mit den Schultern, was Itachi nicht verwunderte. Hatte er eh nicht mit eier richtigen antwort gerechnet, weil er glaubte, Sasuke wusste gar nicht, welche Lokale es in der Innenstadt gab. Das einzige was er hier wohl zu tun hatte, war in die Schule zu gehen, glaubte er Uchiha.

„Wir sind in der Londoner Innenstadt. Hier gibt es alles Mögliche. Einen Italiener, einen Franzosen, Chinesen, Inder, sogar ein deutsches Restaurant gibt es hier.“

„Woher… kennst du dich so gut hier aus?“, traute Sasuke sich zu fragen und beugte sich auch hinunter um die Chucks aufzubinden und im Anschluss zu seiner Reisetasche zu stellen.

„Hab ich dir nicht erzählt, dass ich ein paar Jahre in einem Internat hier war? Hab ich bestimmt. Nun, es ist ganz hier in der Nähe.“

Sasuke nickte. Doch Itachi hatte das mal erwähnt, aber er hatte es vergessen, nicht mehr dran gedacht. Er verschränkte die Hände im Schoß und blickte auf dem Boden. Er hasste es so unsicher zu sein. Er wusste mittlerweile, dass Itachi wirklich was an ihm lag, dass er ihm nicht lästig wurde, doch jetzt gab Itachi doch irgendwie schon wieder Geld für ihn aus, indem er das Hotelzimmer zahlte. Wenigstens, dachte Sasuke bei sich, hatte er, zu Anfang der Woche, Taschengeld von seinen Großeltern bekommen, von dem er sich das Abendessen selbst bezahlen würde können.

„Was hältst du von ganz einfacher Pizza oder Nudeln vom Italiener und morgen nach der Schule gehen wir in das deutsche Restaurant?“

„Ja“, stimmte Sasuke nur zu. Was gab es da auch zu widersprechen. Itachi wusste schon, was gut war.
 

„Magst du vorher noch duschen oder so?“, fragte der Uchiha nach einer kurzen Weile. Doch Sasuke schüttelte den Kopf. Er biss sich auf die Lippe und meinte unsicher: „Ich muss noch Mathe lernen.“

Fragend zog Itachi eine Augenbraue in die Höhe, grinste dann aber.

„Ihr schreibe eine Klausur? Morgen?“

Sasuke nickte nur, wollte zu einer Erklärung ansetzen, warum er auf den letzten Drücker noch lernen musste. Aber so war es ja gar nicht. Er hatte auch schon die letzten Tage wie ein Verrückter gelernt. Er verstand die Aufgaben teilweise überhaupt nicht und er fürchtete sich vor einer schlechten Note, die seinen Abschluss gefährden könnte. Und den wollte er kriegen, um einen Job zu bekommen, der nicht das Allerletzte war.

„Und früher lernen war absolut ausgeschlossen?“, feixte Itachi, fürchtete aber sich damit zu weit rauszulehnen und Sasuke das Gefühl zu geben, er wäre genervt oder so was in der Art.

„Ich… ich hab gelernt“, murmelte Sasuke, spürte die Unsicherheit, blickte Itachi dann doch an: „Aber es ist… es ist alles schwierig, weil… ich hab… ein ganzes Schuljahr verpasst und…“

Im Grunde waren das alles Rechtfertigungen, stellte Sasuke fest und hielt lieber den Mund. Itachi war Jurastudent. Die Mathematiksorgen eines Fünfzehnjährigen mussten für ihn Mumpitz sein. Und dennoch war es Itachi, der sich an Sasukes Reisetasche zu schaffen machte. Er zog das Mathebuch und einen Collegeblock heraus. Beides legte er neben Sasuke auf die Couch und schmiss ihm dann die Federmappe zu.
 

„Na, dann machen wir uns mal an die Arbeit, was?“ Mit den Worten hockte Itachi sich neben den Jungen auf das Sofa. Er lies sich die Aufgaben zeigen und einige von Sasuke vorrechnen, wobei ihm kleine Flüchtigkeitsfehler auffielen, die Sasuke scheinbar aus Unsicherheit machte, denn wann immer ein Fehler kam, war es meistens so, dass Sasuke die richtige Lösung schon da stehen hatte, nur aus Zweifel an sich selbst, wieder wegradierte. Aus dem Grund packte Itachi sich dann den Stift, rechnete Sasuke eine Aufgabe vor und erklärte sie genau. Mathematik war im Grunde immer eines seiner besten Fächer gewesen, während er mit so Humbug wie Kunst, Textil und Religion immer seine Schwierigkeiten gehabt hatte. Kochen und Musik hingegen, die im Grunde genauso Humbug waren wie die anderen drei, hatten ihm dagegen besser gelegen. Ob Sasuke wohl Lieblingsfächer hatte?

Itachi entschloss sich nach dem Mathelernen, beim Abendessen, wie er Erwachsene zu verhalten, der er war und Sasuke mal ein bisschen nach der Schule auszufragen.

Doch zunächst musste er die Logik der Zahlen und Formeln in den klugen Schädel des Jungen bekommen, damit dieser morgen so sicher wie nur irgendwie möglich, in die Klassenarbeit gehen konnte. Denn Sicherheit war das, was Sasuke in seinem Leben brauchte, um sich selbst wieder mehr wert zu sein. Itachi beschloss, ihm dabei als Freund und Vertrauert zur Seite zu stehen. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass er derjenige sein musste, der Sasuke die Wahrheit über seinen Vater, über Kaine Nakano, erzählen musste. Aber auch hier beschloss der junge Anwalt leichthin, dass er dazu bereit war. Es blieb ihm ja gar nichts anderes übrig, denn Sasuke war ihm wichtig. Sasuke war sein Freund.
 

~~
 

Sie lernten bis zum Abend. Und als sie dann endlich los zu Italiener wollten, klingelte Itachis Handy. Das war ja auch überfällig gewesen. Seufzend, damit rechnend, dass es Shizune war, hob er ab ohne auf die Nummer zu blicken und erschrak, als es die Stimme seines Vaters war, die sich meldete.

„In London“, sagte dieser nur.

„Ja.“

„Im Normalfall würde ich dir sagen, wie dämlich du eigentlich bist. Im Anbertacht der Dinge jedoch…“ der Vater stoppte kurz, „Nun, Itachi, ich brauche deine Hilfe.“

„Ich verstehe nicht“, gab der junge Uchiha zu, lauschte jedoch den Worten seines alten Herrn.

„Es ist praktisch dass du drüben bist. Die Sciuttis haben sich gemeldet. Sie brauchen Hilfe bei einem ihrer Fälle. Ein ganz großer Fisch.“

„Worum geht’s?“, fragte Itachi leichthin. Zusammenarbeit mit der italienischen Kanzlei in London war immer wieder angenehm gewesen.

„Die Kurzfassung Itachi, für mehr ist keine Zeit. Du musst heute noch in die Kanzlei. Banküberfälle in ganz Großbritannien und Irland innerhalb der letzen fünf Jahre. Die Täter sind geschnappt und die Sciuttis wurden ihnen als Anwälte zugewiesen, aber die wollten auch irische Vertreter und so kamen wir, vorgeschlagen vom lieben Francesco, ins Spiel. Wie du weißt hab ich momentan keine Zeit um rüberzureisen. Und die anderen“ – damit meine er ein paar junge Anwälte, frisch von der Uni, die in der Kanzlei in Irland beschäftigt waren – „möchte ich nicht dahinschicken. Du weißt schon, mach du das Itachi, alles klar?“

Überrumpelt bejahte der junge Anwalt, hörte sich ein paar Floskeln seines Vaters an, ehe die beiden auflegten und er aufseufzte.

„Das wird wohl nichts mit dem Essen gehen“, wandte er sich an Sasuke. „Ich muss zur Kanzlei von… befreundeten Anwälten. Mein Vater schickt mich.“
 

Sasuke nickte nur. Was sollte er auch sagen. So schlimm war das nicht. Er könnte einfach hier bleiben und Mathe lernen. Oder Itachi brachte ihn wieder heim. Der hatte ja wahrscheinlich während seinem Aufenthalt in London genug zu tun. Musste sich ja um einen wichtigen Fall drehen, schloss Sasuke, wenn der Vater ihn noch so spät in einer Londoner Kanzlei zitierte. Itachi schien stumm zu überlegen, während er seinen Mantel zuknöpfte. Doch dann wandte er sich an Sasuke und sagte leichthin: „Komm mit.“

„Ich…“, machte der Junge nur unsicher. Er kannte die Anwälte doch gar nicht und, Himmel, das war Itachis Job. Er konnte doch nicht schon wieder einfach mit in irgendeine Kanzlei kommen. Das war doch nicht richtig.

Doch Itachi bestand auf seinen Standpunkt, schmiss Sasuke die Jacke zu und als dieser fertig angezogen war, gingen sie zum Mietwagen, den Itachi vorm Hotel geparkt hatte und fuhren durch die Innenstadt, bis sie an ein Parkhaus gelangten in dem Itachi den Wagen abstellte. Mit Sasuke im Schlepptau, eilte er zu einem Bürokomplex, den sie betraten. Er betätigte den Aufzug, klingelte dann vor der großen Flügeltür und als diese sich öffnete, begrüßte ihn auch schon der alte Francesco Sciutti. Er grüßte auch Sasuke, lies sich von Itachi kurz erklären, warum der Junge hier war – Kurzfassung natürlich, Freund der Familie, kümmerte sich für ein paar Tage um ihn – und folgte dem alten Anwalt dann in eines der Büros, das ebenso wie der Rest der Kanzlei sehr edel und durchaus mit italienischen Charme eingerichtet war. Um einen Tisch herum saßen schon die anderen beiden Anwälte der Kanzlei – ganz ein Familienunternehmen, noch mehr als die Kanzlei der Uchihas. Alfonso, Francescos Sohn, der selbst schon weit über die Vierzig war, schüttelte Itachi und Sasuke die Hand, bat die beiden, Platz zu nehmen und goss ihnen Wasser in bereit stehende Gläser.
 

„Aw, und der gute Itachi hat sich Verstärkung mitgebracht, huh?“, frotzelte Alessio Sciutti. Seine dunklen Haare, waren wie Itachis zu einem Zopf gebunden, doch das Grinsen in dessen Gesicht war frech und voller Leben.

„Nein, Verstärkung bräuchte ich, wenn es mehr von deiner Sorte gäbe“, stichelte Itachi und entlockte dem jungen Anwalt, Sohn von Alfonso, ein noch breiteres Grinsen und ein extra theatralisches Seufzen.

„Fies und gehässig wie eh und je. Was habe ich auch gehofft, endlich würdest du grinsend durch die Gegend laufen.“

Nun, da kannte Sasuke wohl andere Seiten an dem Uchiha. Fies und gehässig, war dieser ihm noch nie vorgekommen. Niemals. In seiner Gegenwart lächelte Itachi oft, er lächelte ihm Mut zu oder so. Aber auf jeden Fall war Itachi immer mächtig nett.

„Was macht der Kleine dann sonst hier?“, sprach Alessio weiter, hatte diesen typisch italienischsonnigen Akzent.

„Keine große Sache“, tat Itachi das ab, so als hätte er nie etwas Besonderes für Sasuke getan, obwohl es so sehr an ihm gelegen hatte, dass es dem Jungen jetzt besser ging. „Solange ich in London bin, kümmere ich mich einfach ein bisschen um ihn. Freund der Familie, du weißt schon.“

„Du kümmerst dich um jemanden? Wie kommt’s Itachi? Schmeiß mein Weltbild nicht über den Kopf!“

„Jungs, Jungs“, wandte sich der alte Francesco lachend ein. „Wir haben zu arbeiten.“

„Schon klar, Nonno“, lachte Alessio und grinste seinen Großvater beschwichtigend an.
 

Es wunderte Sasuke dennoch, wie leicht die spaßenden jungen Männer und die beiden älteren Herren in geschäftliche Gespräche verfielen. Und es wunderte ihn auch, dass er verstand worüber die vier redeten. Und es interessierte ihn. Wirklich, deswegen hörte er gespannt zu, auch wenn das vielleicht unhöflich war. Die Vier sprachen über ihre Klienten, eine Gruppe Bankräuber, dessen Kopf wohl ein ganz kluger Fuchs war, sodass es der Gruppe solange gelungen war, ihr Verschulden verdeckt zu halten, obwohl die Meldung solcher Überfälle immer schon am nächste Tag in den Zeitungen gestanden hatte. Geschlagene zwei Stunden lang, sprachen die Sciuttos und Itachi über ihren gemeinsamen Fall, dessen Gerichtsverhandlung schon Ende der Woche anstand. Gemeinsam gingen die fünf hinunter und zum Parkhaus, wo Fransesco und Alfonso jeweils in ihre italienischen Markenautos stiegen und davon fuhren, während Itachi und Alessio einander weiterhin foppten.

„Was hältst du davon, noch was trinken zu gehen?“, fragte der junge Anwalt dann. Itachi blickte zu Sasuke, zeigte Alessio das erste Mal, wie besorgt er um jemanden sein konnte, indem er den Jungen, der die ganze Zeit über brav geschwiegen hatte, fragte: „Na, hast du Lust oder willst du zurück ins Hotel?“

„Ist… schon okay“, antwortete Sasuke zögerlich, bemerkte Itachis vorsichtiges Nicken. Sie stiegen ins Auto, während Alessio, immer noch geplättet von Itachis Sorge, die mehr war, als er je vom Uchiha gesehen hatte, plapperte: „Wer bist du und was hast du mit Itachi gemacht?“ Doch als er keine Antwort erhielt, wandte Alessio sich zur Rückbank, auf der Sasuke saß und verschüchtert aufblickte.

„Nein“, sagte der italienische Anwalt dann, grinste wieder und fragte: „Was hast du mit Itachi gemacht?“

„Ich…“, murmelte Sasuke und zuckte nur mit den Schultern. Was sollte er schon gemacht haben. Nichts. Itachi war von Anfang an so nett und besorgt um ihn gewesen. Er kannte Itachi gar nicht anders.

„Komm schon, Itachi ist ein Arschloch. Hast du ihn verhext oder was?“

„Lass ihn, Alessio“, sagte Itachi mit Nachdruck, überging es, als Arschloch betitelt zu werden, und wandte sich ebenfalls Sasuke zu. „Übersieh’ den Spinner“, sagte er und zwinkerte ihm zu. Hoffte Sasuke verstand, was er ihm sagen wollte, ohne wirklich etwas zu sagen. Das Alessio wirklich nur ein lustiger, gutmütiger Spinner war. Und das Sasuke rein gar nichts zu befürchten hatte. Selbst dann nicht, wenn sie gleich ein paar Drinks genehmigten. Itachi würde sich eh zurückhalten. Höchstens einen oder zwei trinken. Er konnte es sich nicht leisten betrunken zu sein.
 

Sie stellten Itachis Wagen vor dem Hotel ab, gingen den Weg zum Lokal zu Fuß und suchten sich einen geeigneten Platz. Es war Alessio, der die meiste Zeit plapperte. Aber es war auch Alessio, der schon nach dem ersten Drink aufs Klo verschwand, was Itachi ein Lachen entlockte, ehe er sich an Sasuke wandte. Er sollte wohl mal aufklären, was für ein komisches Verhältnis zwischen ihm und dem jungen Italiener war.

„Weißt du“, sagte der Uchiha, „unsere Familien sind seit Generationen eng. Mein Großvater und Francesco teilten sich ein großes Zimmer auf der Uni in London. Und selbst als mein Großvater zurück nach Irland ging, blieben sie in Kontakt, bekamen im selben Jahr einen Sohn und trafen sich beinahe jedes Jahr im Sommer um in Italien Urlaub zu machen. Na ja, und ich und Alessio sind dann auch im selben Jahr geboren. Unsere Väter führten die Tradition fort. Wir trafen uns jedes Jahr im Sommer und verbrachten Weihnachten manchmal zusammen. Oder andere Feiertage, du weißt schon. Wenn einer rief, dann kam der andere. So ist das zwischen unseren Familien und Alessio und ich konnten gar nicht anders, als Freunde werden.“

„Wow“, hörten sie eine Stimme hinter Itachi und Sasuke sah das Grinsen des Italieners, der in der Kürze der Zeit wieder von der Toilette gekommen war. „Itachi redet. Und Itachi redet viel. Verdammt, was hast du mit Itachi gemacht? Ehrlich jetzt!“

Es war dieses -Ehrlich jetzt!- was Sasuke an Naruto erinnerte. An seinen… Kumpel. Er hätte anrufen sollen. Und er wusste nicht mal genau, warum er es nicht getan hatte. Naruto hatte sich immerzu so bemüht, hatte Fragen gestellt. Sogar seine Eltern hatten Fragen gestellt und er hätte nur einmal ehrlich sein müssen… oder jetzt: einfach mal die Nummer wählen. Aber irgendwie konnte er nicht. Er fürchtete vielleicht Naruto alles erzählen zu müssen. Aber hatte der Blondschopf, der immer -Ehrlich jetzt!- gesagt hatte nicht wenigstens einen Anruf verdient, wenn er ihn denn jetzt immer noch wollte. Sasuke entschloss sich, in den nächsten Tagen mal anzurufen. Ansonsten würde ihm das nie Ruhe lassen, wenn er sich jetzt schon von den Wort eines Fremden so an seinen ehemaligen Freund erinnern lies.
 

„Erde an Sasuke“, hörte er wieder Alessios Stimme, der einen zweiten Drink hinunter kippte, als wäre das gar nichts. „Thema Itachi, sag schon, wann hast du ihn kennen gelernt?“

„Ähm… vor“, Sasuke warf einen hilfesuchenden Blick bei Itachi. Sollte er die Wahrheit sagen? Schließlich hatte Itachi gelogen, als er ihn vorgestellt hatte. Denn ein Freund der Familie war er doch nicht, oder? Jedenfalls nicht so wie die italienischen Anwälte Freunde der Familie waren.

„Vor Weihnachten. Ist noch nicht all zu lange her.“

„Und wie?“, fragte der neugierige Anwalt nach.

„Ist doch egal, Alessio“, meinte Itachi, als er den Blick Sasukes bemerkte, der so unsicher war. Der Junge nippte an seinem Wasser – Cola hatte er nicht gemocht, woraufhin Alessio reichlich irritiert gewesen war – und schaute auf den Tisch. Ihm schoss durch den Kopf, dass Itachi kein Arschloch war, auch wenn Alessio das glaubte. Und auch wenn Itachi das selbst, vor wenigen Wochen noch geglaubt hatte. Zur Zeit ihres Deals, als Itachi fest davon überzeugt gewesen war, dass er sich selbst und Sasuke beweisen müsste, dass er kein Arschloch war.

„Er hat mir… geholfen“, sagte Sasuke deswegen leise und blickte in Alessios Gesicht.

„Itachi hat dir geholfen?“, fragte der Anwalt verwundert und rief lachend aber von seinen Worten überzeugt aus: „Niemals!“

„Vergiss nicht, dass ich dir auch grad helfe, Stronzo!“, verpasste Itachi den Seitenhieb und brachte den verdutzten Alessio zum Lachen.

„Ach ich bin also ein Scheißkerl, huh?“, meinte der. „Doch nicht solche Worte vor Kindern, Itachi.“

Der Uchiha verdrehte die Auge und zauberte damit sogar Sasuke ein leichtes Grinsen auf die Lippen. Bei diesem Italiener war Itachi irgendwie anders. Er war lockerer, benahm sich auch mal forsch oder so, irgendwie in die Richtung jedenfalls, aber all das ohne wirklich fies zu sein. Irgendwie mochte Sasuke sogar den Itachi. Weil der nicht die ganze Zeit darüber nachdachte, wie er Sasukes Leben leichter machen konnte. Klar, fühlte es sich gut an, so umsorgt zu werden, aber so, in solchen Momente und obwohl Itachi und Alessio Alkohol tranken und sich gegenseitig foppten, konnte er seine Vergangenheit ein wenig vergessen.
 

„Das einzige Kind hier bist du, Alessio!“, tat Itachi das ab und grinste Sasuke ebenfalls zu. Es war still zwischen ihnen. Nur kurz, weil Alessio ein bisschen schmollte, aber das verging schnell und er erzählte von hübschen Mädchen auf in teuren Restaurants und seinem Urlaub in der Karibik mit noch hübscheren Mädchen auf noch teureren Jachten, was Itachi abermals dazu brachte die Augen zu verdrehen. Alessio war ein ewiger Weiberheld.

„Und wie läuft’s bei dir, Itachi. Bei dir und den Frauen? Oder hast du einen Freund im Moment?“ hängte Alessio an, der immer vergaß, dass Itachi bi war. Itachi blickte zu Sasuke. Wusste nicht, ob er das mit Shizune erzählen sollte, aber er konnte doch seine Freundin – seine feste Freundin, die wirklich glaubte eine Familie mit ihm gründen zu können – nicht verleugnen. Oder?

„Ich treff’ mich hin und wieder mit einer“, sagte Itachi daher ausweichend, noch ehe er ausführlich über seine Worte hatte nachdenken könne, und fügte, ohne weitere Gedanken an: „Keine große Sache.“

Die Beziehungsgespräche waren also beendet, super Sache. Aber Alessio hatte noch genug zu erzählen. Aus den geplanten zwei Drinks, die Itachi sich hatte genehmigen wollen, wurden glatt vier, aber er achtete darauf, wirklich nicht betrunken zu sein. Und aus ihrem geplant kurzen Besuch im Lokal, wurde ein langer Abend, an dem sie kurz vor Küchenschluss noch was zu essen bestellten, als Itachi nicht nur sein eigenes Magenknurren, sondern auch das viel leiserer von Sasuke vernahm, der die meiste Zeit still da saß und an seinem zweiten Wasser nippte. Sie aßen, Alessio erzählte noch mehr, erzählte seinem Freund, den er so lange schon nicht mehr gesprochen hatte – seit November nicht mehr, als die Sciuttos Familie Uchiha in Irland besucht hatten.
 

Der nächste Tag war schon angebrochen, die Kirchenuhr ganz in der Nähe hatte vor knapp zehn Minuten zwölf Uhr geschlagen, als die Drei – Alessio mit einem guten Schwips – draußen vor dem Lokal standen. Itachi entschied noch mit seinem Kumpel auf das gerufene Taxi zu warten, doch als der Italiener einstieg, gingen auch er und Sasuke langsam los zum Hotel. Itachi war in Gedanken. Er dachte an die Dinge die Alessio immerzu Sasuke gefragt hatte. Was er nur mit Itachi angestellt hatte. Nun, im Grunde wusste Itachi das selbst nicht. Er hatte sich einfach vom ersten Moment an, um Sasuke kümmern müssen. Er hatte gar keine andere Wahl gehabt. Da gab es gar nichts anderes. Er hatte es nicht mal anders gewollt. Hatte aber gleichzeitig auch nicht gewusst, wie anders er selber geworden war. Und doch hatte er in kurzen Momenten immer wieder gemerkt, oh, das hier, das hier gerade, das verändert mich.

„Tut mir Leid, Sasuke“, wandte Itachi sich nach wenigen Minuten, in denen sie beinahe die Hälfte des Weges schweigend zurückgelegt hatten, an den Jungen.

„Wie…?“, machte der Jugendliche und lies seine vom Weg kalten Hände in die Hosentasche gleiten.

„Du hast morgen Schule und… ich hab dich so spät mitgeschleppt.“

„Ist… schon okay“, murmelte Sasuke, wollte nicht, dass Itachi sich selbst Vorwürfe machte oder so was. Er hatte einfach nur einen lustigen Abend mit seinem alten Kumpel verbringen wollen. Und selbst wenn Sasuke am nächsten Morgen früher als sonst raus musste, da das Hotel etwas weiter von der Schule weg war, als das Haus seiner Großeltern, war das schon okay. Wenn er gleich sofort schlafen ging, hatte er noch fast sechs Stunden Schlaf. War also völlig in Ordnung.

„Du schreibst morgen deine Matheklausur und…“, Itachi sprach nicht weiter, blickte auf den Boden und hatte urplötzlich ein schlechtes Gewissen.

„Wird schon…. Wird schon werden“, meinte Sasuke jedoch und zuckte mit den Schultern ehe er hochblickte. „Wir haben schließlich… vorher noch gelernt.“

„Stimmt schon“, meinte Itachi und blickte nach vorne. Der Wind wühlte ein paar Blätter auf, die auf dem Asphalt lagen.

„Du bist ein kluger Kerl, du kriegst das schon hin. Keine Frage“, machte Itachi Sasuke dann Mut. Denn das brauchte Sasuke. Jemand, der was von ihm hielt. Glaubte, dass er es drauf hatte. Und jemand, der ihm das auch ins Gesicht sagte.

„Ich mach mir da absolut keine Sorgen“, nickte Itachi. Sein Blick folgte dem Blatt, bis es vom Wind um die Ecke geweht wurde. Dann blickte er Sasuke an. Ja, alles würde schon werden. Auch die Sache mit der Wahrheit – Kaines Wahrheit – die nun auf Itachis Schultern lastete. Eine Wahrheit, die an die Oberfläche getrieben war, wie eine Wasserleiche. Oder eben wie ein Blatt im Wind um die Ecke geweht wurde.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 7: maybe his tears glisten in the moonlight.

Hallöchen^^

Durch eine Storyumplanung im Bezug auf die nächsten Kapitel hat sich das hier ein wenig verzögert. Was ich in der Planung geändert habe, betrifft eigentlich hauptsächlich die Zeitspanne, die Sasuke noch bei seinen Großerltern verbringt. Ich sag nur so viel, damit ihr euch nicht nachher drauf freut oder so, die Klassenfahrt wird nicht mehr beschrieben, da Sasuke nicht an der Klassenfahrt teilnehmen wird. Ich hoffe dass ihr die Handlung in den nächsten Kapitell trotzdem mögt, auch wenn es eben nicht mehr mein ursprünglicher Plan für den Storyverlauf ist. So, jetzt wünsch ich euch aber viel Spaß beim Kapi und ...

Byebye :D
 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 7: maybe his tears glisten in the moonlight.

[iBut some emotions don't make a lot of noise.

It's hard to hear pride.

Caring is real faint - like a heartbeat.

- Emma Bombeck
 

Die bereits geschriebene Mathearbeit spukte Sasuke noch immer im Kopf herum, als er in Sporthose, Turnschuhen und T-Shirt vor der Turnhalle der Schule stand. Er nahm jetzt schon zum dritten Mal am Schulsport teil, merkte aber zunehmend dass er bei weitem nicht so kräftig war, wie die Jungs in seinem Alter. Fast alle waren sie in einer AG, die ihr sportliches Können unterstrich. Fußball, Fechten, Leichtathletik oder Tennis. Und sogar eine Menge der Mädchen war besser als er. Sportlicher, agiler. Sie rannten schneller, warfen weiter und kickten härter. Er kam schnell aus der Puste, hatte einfach keine Kondition, keine Ausdauer. Und er war immer noch ziemlich schmächtig. Aber er konnte da ja auch nichts für. Zwischen all den Sorgen, die er gehabt hatte in den letzten Jahren, war einfach keine Zeit für Sport gewesen. Er hatte weder die Kraft inne gehabt geschweige den die Lust besessen nach den Demütigungen und Prügel seitens Kabuto Sport zu machen. Von den harten Nächten hatte dazu sein Körper immer viel zu sehr geschmerzt. Er hätte schlicht gegen jegliche Art des Sports rebelliert. Und später auf der Straße hatte er einfach keine Zukunft mehr in seinem traurigen Leben besessen. Bevor er Itachi kennenlernte, hatte er, ohne es zu wissen, eigentlich nur auf sein Ende gewartet. Doch Itachi hatte ihn gerettet. Er hat ihm ein Zuhause gegeben, ihn dann, als es nötig war, ziehen lassen und nun war er wieder hier.

Es war ungewohnt warm an diesem Januartag und der hochmotivierte Sportlehrer entschloss sich dazu, ein kleines Fußballturnier auf dem teilweise überdachten Schotterplatz zu veranstalten. Auf das andere Teil schien die milde Sonne, die Sasuke nun auf den dunklen Schopf fiel. Am anderen Ende des Feldes, hinter den hohen Gitterzäunen war der Parkplatz auf dem größtenteils die Lehrerwagen standen. Aber zwischen denen lehnte ein dunkelhaariger Mann, schon zwanzig Minuten vor Schulschluss an seinem Mietwagen und schaute den Schülern, von denen einer sein Schützling war, mit großem Interesse zu.
 

Er selber wusste, dass er zu früh war und das war keinesfalls beabsichtigt gewesen. Er hatte schon die Kanzlei der Italiener besucht, um den Nachmittag für Sasuke Zeit zu haben und hatte sich früher verziehen können, sodass es eine passende Tatsache war, das die Schüler draußen Fußball spielen und er was zum gucken hatte. Im fiel auf, dass Sasuke sich unwohl fühlte, sobald der Ball auf ihn zuflog oder er schießen musste. Vielleicht war das einfach nicht der Grund Boden, auf dem Sasuke sich wohlfühlte. Der falsche Sport vielleicht oder einfach allgemein der Sport. Wahrscheinlich waren das andere Fächer, Englisch, konnte sich der Ire vorstellen, Sasuke besser lagen, wo der doch so gerne las. So seinen eigenen Gedanken nachhängen und hin und wieder die kickenden Jugendliche beobachtend, wartete Itachi auf Sasuke, der drei Minuten nach Schulschluss, vor den meisten andern Jungs und Mädchen, aus der Umkleide kam. Er trug noch seine Sportsachen und eine prall gefüllte Schultasche auf dem Rücken, als er zu Itachis Auto ging. Er blickte ein wenig unsicher und verlegen zu dem Erwachsenen als sie beide einstiegen und erklärte rasch: „Ich… dusche nach dem Sport… immer zu Hause.“

„Die Gemeinschaftsduschen, huh?“, machte Itachi, startete den Motor und parkte aus, als Sasuke nickte.
 

„Ich… rieche bestimmt“, meinte Sasuke dann mit vor Scham roten Wangen und blickte zur Seite. Doch bevor Itachi selbst was dachte, wollte er es lieber zugeben. Er würde ja sofort im Hotel duschen, wenn er dufte. Und er durfte mit Sicherheit, schließlich war es Itachi, über den er nachdachte und nicht irgendein fieser Fremder.

Itachi schüttelte erst den Kopf. Sasuke roch wirklich nicht nach Schweiß. Jedenfalls nicht unangenehm. Vielleicht ein bisschen herber als sonst, aber er hatte eben Sport gemacht, hatte versucht sich anzustrengen und da war Schweiß und der damit kommende Geruch nur normal.

„Kannst ja gleich duschen“, sagte Itachi daher. „Dann fühlst du dich auch frischer. Magst eigentlich was trinken? Ich hab hier irgendwo…“ Itachi stoppte an der Ampel, wandte sich nach Hinten und kramte auf der Rückbank rum, ehe er Sasuke eine kleine Wasserflasche aus Plastik reichte. Der Junge öffnete diese und trank einen guten Schluck, bevor Itachi, als die Ampel grün zeigte, wieder losfuhr.

„Fußball ist nicht so dein Ding, huh?“, machte Itachi und schaltete im Gang.

„Sport… ist nicht mein… Ding.“

„Absolut nicht?“

„Nein.“

„Sicher. Jeder Junge hat irgendeinen Sport in dem er gut ist. Vielleicht bieten die bei euch einfach nicht das Richtige an.“

Als Sasuke nicht antwortete, fuhr Itachi, der artig auf die Straße blickte, um keinen Unfall zu bauen, fort: „Außerdem ist Sport gut für dich. Er hält deinen Körper fit und gesund.“
 

Sasuke dachte an seine vorherigen Gedankengänge. Sein Körper hätte damals, gleichermaßen als er noch bei seiner Mutter gelebt hatte, als auch danach auf der Straße, gegen jegliche Art von Sport rebelliert. Aber das traute er sich Itachi nicht zu sagen. Sie kämen wieder auf seine Vergangenheit zu sprechen und obendrein würde er Itachis Meinung ja widerlegen und da wollte er nicht. Sicherlich war Sport gesund und hielt einen Körper, der bereit dazu war, Sport zu treiben, fit. Aber für Sasuke hatte das bisher nie gegolten und er musste sich erst daran gewöhnen, sich wöchentlich sportlich zu betätigen.

„Aber was anderes“, fiel Itachi dann ein. „Wie war die Klausur?“

„Ich denke… ganz okay…“, meinte Sasuke, blickte zu Itachi, der wieder an einer Ampel hielt und ihn aufmerksam ansah. Darauf wartete, dass Sasuke ins Detail ging.

„Die ersten Aufgaben waren… einfach. Mit den letzte zwei… hatte… hatte ich ein paar Probleme. Aber ich glaub ich krieg paar Punkte dafür. Ich… hoffe es wird ´ne drei.“

„Vielleicht wird es ja eine Zwei, wenn du dir nur bei den letzten beiden unsicher bist?“

Sasuke zuckte nur mit den Schultern. Er konnte gar nicht erwarten, dass er als neuer in der Klasse, der so lange auf der Straße ohne Schulbildung gewesen war, so schnell einer der wirklich guten Schüler wurde. Vielleicht würde er besser werden, wenn er vorhatte, nach dem Jahr weiter zu machen, Routine zu bekommen. Sich wieder richtig an Schule gewöhnte. Aber er hatte nicht vor die Oberstufe zu besuchen. Er wollte nach diesem Schuljahr mit dem bestmöglichen Abschluss den er bekommen konnte, einen Job finden oder wenigstens eine Ausbildung machen, die recht gut bezahlt wurde, denn er glaubte einer Menge Menschen Geld zurückzahlen zu müssen. Allen voran Itachi, mit dem sein neues, besseres Leben vor beinahe zwei Monate begonnen hatte.

„Habt ihr denn sonst schon Arbeiten geschrieben?“, wollte Itachi wissen. Er drehte den Lenker und bog in eine lange Seitenstraße ein, an deren Ende das Hotel stand, in dem sie vorübergehend wohnten. Sasuke nickte.

„Englisch, … einen Biologietest.“

„Und?“ Itachi versuchte in die erstbeste Parklücke zu passen, die aber zu klein für den Mietwagen war, sodass er wieder auf die Straße fuhr und es an einem zweiten freien Parkplatz versuchte. Er hatte mit Sasuke noch nicht über Noten gesprochen. Am Telefon hatte es immerzu wichtigeres gegeben.

„In Englisch habe ich… eine eins“, murmelte Sasuke. Er war schon mächtig stolz darauf, aber als er die Arbeit seiner Oma gegeben hatte, damit diese sie unterschrieb, war sie eben nicht mächtig stolz gewesen. Sie hatte es einfach hingenommen, daher glaubte Sasuke, dass sie solche Noten von ihm erwarteten. Deswegen hatte er sogar Furcht gehabt seinen Biologietest zu zeigen, der so viel schlechter gewesen war. Doch auch dazu hatte seine Oma nichts gesagt. Sie hatte es wieder einfach hingenommen. Sasuke fragte sich einen Moment, ob Itachi wütend wäre, sagte aber schlicht leise: „Na ja, in Biologie bin ich… schlecht. Ich… hab `ne 4-.“
 

Itachi schaltete den Motor aus, als er in die dritte Parklücke endlich reingepasst hatte und lehnte sich, mit dem Schlüssel in der Hand, kurz im Sitz zurück. Er schaute Sasuke lächeln an und lobte: „Eine Eins in Englisch, dass ist toll, Sasuke!“ Er sah wie der Junge, der eh noch so verschämt wegen der Biologienote war, ein bisschen röter im Gesicht wurde. Itachi stieg aus, ging um das Auto herum und öffnete die Tür zur Beifahrerseite, weil vorher keine Anstalten gemacht hatte, auszusteigen. Jetzt tat er es aber eilig, schulterte seinen Rucksack und folgte Itachi in die Rezeption des Hotels und dann zum Aufzug, wo er Ältere ihm eine Hand auf die Schulter legte.

„Das mit Bio ist sicherlich nicht so schlimm“, tröstete der junge Anwalt, der Sasukes nachdenkliche Miene bemerkt hatte. „Um welches Thema ging es denn?“

„Um… Gene“, meinte Sasuke unsicher. Er wusste es gar nicht genau. Sie hatten den Test geschrieben, als er erst zwei Wochen auf der Schule war und davor war eine Biologiestunde ausgefallen. Das war schon schlimm, weil sie nur einmal wöchentlich Biologieunterricht hatten und die Lehrerin hatte ihn mitschreiben lassen, obwohl er neu war. Den Erdkundetest zum Beispiel durfte er nächste Woche nachschreiben, sodass er Zeit hatte sich die nötigen Informationen rauszusuchen. Und in Englisch war das eh was ganz anderes. Sie hatten vier Mal in der Woche Englisch und das Thema war leicht gewesen. Interpretationen von Kurzgeschichten. Damit war er gut klar gekommen, auch ohne den ganzen Unterrichtsstoff mitbekommen zu haben.
 

Sie gingen nacheinander ins Hotelzimmer, wo Sasuke seinen Rucksack neben die Reisetasche stellte, Schuhe und Jacke, ebenso wie Itachi, auszog und dann zum Badezimmer blickte.

„Ich darf duschen, oder?“, fragte er noch ein wenig unsicher, aber schon allein die Art wie er fragte, machte einen Unterschied zu damals, fand Itachi. Heute ging Sasuke davon aus, dass er dufte, wollte durch sein ‚oder’ nur einfach noch einmal sicher gehen. Und weil das keiner weiteren Aufmerksamkeit bedurfte – Sasuke wusste, dass es gut so war, Itachi wusste das allemal – nickte der Uchiha schlicht und lies sich selbst auf seinem Bett nieder. Während Sasuke also unter die Dusche schlüpfte saß er dort und überlegte, ob er schon heute Nacht mit der Wahrheit über Sasukes Vater rausrücken konnte. Für solche Informationen gab es keinen korrekten Zeitpunkt. Irgendwann musste man einfach über seinen Schatten springen und den Mund aufmachen. Itachi wollte nicht ewig damit warten. Keine Jahrelang, so wie Daiki es getan hat, nur um an Schluss feststellen zu können, dass er es Sasuke gar nicht erzählen konnte. Itachi seufzte. Wenn es Sasuke heute Abend gut ging – wenn er weiterhin so war wie bei ihrer Rückfahrt, bei der sie sich doch ganz anständig unterhalten hatten – würde er das Thema am Abend anschneiden. Weil Sasuke wirklich das Recht auf die Wahrheit hatte, die ihm seit Jahren schon verschwiegen wurde.
 

Der Junge kam frisch geduscht und mit sauberen Klamotten, die Itachi noch nicht an ihm kannte, wieder hinaus.

„Ich wusste gar nicht, dass deine Großelter dir neue Kleidung gekauft haben“, sagte der Erwachsene nur locker. „Aber das Shirt gefällt mir. Hat deine Oma es ausgesucht?“

„Nein…“, murmelte der Junge. „Sie… äh… hat mir etwas Geld gegeben und ich… ich bin mit Freunden gegangen.“

„Ach wirklich?“

Sasuke nickte schüchtern und setzte sich auf das Sofa. Er hatte Itachi kaum was von seinem neuen Leben erzählt. Nichts über die drei aus der Schule, mit denen er sich wohl angefreundet hatte; nichts über die Probleme zuhause und auch nicht von der Klassenfahrt nach Dublin. Aber Itachi hatte ihm ja auch nicht erzählt, dass er sich hin und wieder mit einer Frau traf. Natürlich musste er so was nicht erzählen, aber Sasuke hoffte, da Itachi selbst verschwiegen über sein jetziges Leben war, ihm seine eigene Verschwiegenheit nicht übel nahm. Sasuke wusste schließlich schlicht einfach nicht so richtig, wie er solche Dinge am Telefon erzählen sollte.

„Na, was hältst du davon, wenn wir was Essen fahren?“, fragte Itachi. „In das deutsche Restaurant von dem ich gestern erzählt hab.“
 

Sie fuhren mit dem Auto – dieses Mal größtenteils schweigend und dem Radio lauschend – und parkten vor einem großen mit roten Backsteinen besetzten Haus, das sich als das deutsche Restaurant herausstellte. Innen sah es sehr gemütlich aus. Sie ließen sich an einem Holztisch mit Eckbank nieder. Itachi bestellte ein Glas Rotwein (in der Getränkekarte natürlich aus deutschem Anbau angepriesen) für sich und eine Fruchtschorle für Sasuke, damit der Junge nicht immer nur Wasser trank und da Itachi wusste, dass er Fruchsäfte gerne getrunken hat, als er bei ihm war. Viel lieber als Cola oder andere Softdrinks. Mit den Getränken kamen auch die Speisekarten. Itachi, der schon ewig nicht mehr in diesem Restaurant, einem seiner liebste – ach seinem absoluten Favorit in London – gewesen war, schaute aufmerksam in die Karte, ob nicht etwas Neues, etwas was er noch nicht kannte, hinzu gekommen war.

Sasuke jedoch schien völlig überfordert mit seiner Karte, was verständlich war, da einige Sachen ohne englische Übersetzung da standen, da sie im gröbsten Eigennamen waren. Und die anderen waren durchaus Gerichte, die einem irischen Jungendlichen nichts sagten.

„Wenn du Hilfe brauchst, frag nur“, bot Itachi an und sofort zeigte Sasuke ihm ein Gericht auf der Karte, das ohne Übersetzung dastand und zudem einen sehr eigenwilligen Namen besaß. Itachi verzichtete darauf, Sasuke zu erklären, warum dieses recht einfache Gericht ‚Strammer Max’ hieß, aus Angst den Jungen zu verschrecken. War es doch so, dass damit eine Anspielung auf das männliche Glied gegeben wurde. Er und die Jungs aus dem Internat, mit denen er damals mindestens einmal wöchentlich hier essen war, hatten das immer überaus amüsant gefunden und die Deutschen, die so ihr Essen nannten, ein wenig befremdlich und zugegeben irgendwie verrückt.

„Das ist Spiegelei und Schinken auf einem Graubrot“, erklärte Itachi daher flach und Sasuke nickte.
 

„Und das hier?“, fragte er dann, zeigte auf ein anderes Gericht, zu dem keine Übersetzng vorhanden war. Itachi grinste.

„Leberkäse ist erstmal kein Käse sondern ein dickes Stück Fleichwurst, das unter anderem aus Leber hergestellt wird.“

„Hört sich… nicht lecker an“ gab Sasuke zu, den es bei dem Gedanken daran grauste Leber zu essen. Seine Großmutter hatte auch einmal Leber mit Zwiebeln zum Mittag gekocht. Sie sah das als besonders Sonntagsessen an. Sasuke fand es nur abartig und hatte sich nicht einmal überwinden können zu probieren. Er hatte ein schlechtes Gewissen, war das auch nicht von sich gewohnt, aber schon nach diesem Geruch, als sie die Leber gebraten hatte, war er sich sicher gewesen, davon keinen Bissen runter zubekommen. Aber um nach etwas anderem zu fragen, war er noch viel zu unsicher, weswegen er diese Mahlzeit einfach weggelassen hatte. Itachi erklärte ihm noch ein paar Gerichte, bevor Sasuke verwundert fragte: „Warum denn Spaghetti Bolognese? Das… haben wir doch hier auch.“

„Ist auch kein typisch deutsches Gericht, ursprünglich. Aber schon seit etlichen Jahren die Leibspeise Deutschlands.“ Itachi überlegte kurz. „Ich hab mal im Fernsehen gesehen, dass die Deutschen pro Haushalt im Durchschnitt einmal pro Woche Spaghetti Bolognese essen.“

„Ernsthaft?“, fragte Sasuke. Gut, er konnte sich noch daran erinnern, dass seine Eltern das auch öfter gekocht hatten. Aber einmal in der Woche war schon etwas heftig, fand er.

„Na, ich glaub die haben übertrieben. Aber so in etwa“, grinste Itachi, entschied sich für ein Stück Zwiebelkuchen, der so gut zu Wein passte und dazu eine schöne Frühlingssuppe, während Sasuke noch über die Karte brütete. Deutsche Küche war ja schlimmer als Mathematik!
 

„Toast Hawaii?“, hakte Sasuke nach, dem es total komisch vorkam, dass ein typisch deutsches Gericht, nach einer Pazifikinsel benannt wurde.

„Wegen der Ananas da drauf, denke ich“, grinste Itachi. „Aber das hat ein Deutscher erfunden. Damals in der DDR. Da träumten die nur so von weiter Welt“, scherzte er.

„Deutschland war mal getrennt, ne?“, fragte Sasuke nach. Er interessierte sich für Geschichte und Politik und vor allem für diese getrennten Staaten, wie ja Irland, im Grunde, auch einer war.

„Ja, nach dem Weltkrieg. Und dann für etwa vierzig Jahre.“

Sasuke nickte. Wusste dass es Anfang der neunziger Jahre den Mauerfall in Deutschland gegeben hatte, aber da er kein Deutscher war, so lange nicht die Schule besucht hatte und zudem erst nach dem Mauerfall geboren wurden war, wusste er nicht so genau darüber Bescheid.

„Hast du dich entschieden?“, wollte Itachi nach einigen Minuten wissen.

„Glaub schon“, murmelte diese und zeigte auf einen Teil der Karte. Er wusste zwar nicht, was das Wort bedeutete, aber das Gericht war eines derer, die ein Bild dazu hatten und das sah wirklich gut aus.

„Ah, Käsespätzle? Die sind gut hier. Nimm die ruhig“, ermutigte Itachi seinen Schützling, bestellte für sie beide und erklärte dann kurz: „Das sind Teigwaren, ähnlich wie Nudeln die mit Käse und Speck geschichtet und gebacken werden. Das wird dir schmecken, denke ich.“ Itachi war sich da recht sicher, da Sasuke auch seine Nudel- und Gemüseaufläufe immer gern gegessen hatte.
 

Während die beiden auf ihr Essen warteten, sprachen zu zunächst wenig. Sie blickten beide aus dem Fenster, hingen ein wenig den eigenen Gedanken nach und tranken dann und wann eine Schluck. Doch irgendwann wurde Itachi die Stille zu fiel. Er musste mit Sasuke reden, musste den Jungen ein bisschen auflockern. Denn am heutigen Tag kam irgendwie eine stetige Verbesserung auf. Sie sprachen viel miteinander und zum Schluss hin, hatte Sasuke ohne die Angst zu nerven, Dinge gefragt, die er an der Karte nicht verstand und dessen Stimme war zunehmend sicherer geworden. Zwar immer noch leise und schüchtern, aber ohne das ewige Stocken, Stoppen und Stottern.

„Was sind denn deine Freunde so für welche?“, fragte Itachi daher. Er bat Sasuke extra mal nicht auf die Art, in der er sagte: ,Na, möchtest du mir was von deinen neuen Freunden erzählen?’, sondern eben lockerer. Er wollte Sasuke schließlich nicht immer nur ein Beschützer sein – das natürlich auch – aber eben auch wirklich ein Freund. Sie waren keine zehn Jahre im Alter auseinander. Nur etwas mehr als sechs Jahre. Sie waren beide junge Leute.

„Sie… sind in Ordnung“, murmelte Sasuke wieder ein wenig unsicherer. Er wusste nicht genau wie er antworten sollte. Was Itachi hören wollte. Auch seine Oma hatte schließlich gefragt und als er angefangen hatte, war sie ins Nebenzimmer gegangen und hörte ihm doch nicht zu. Aber Itachi hörte zu. Itachi war anders. Der versuchte nicht nur sich Mühe zu geben. Er wusste wirklich mit ihm umzugehen.

„Juugo macht… macht einem ein bisschen Angst, wenn man ihn das erste Mal sieht. Aber… er ist… er ist echt lieb“, meinte Sasuke und musste zugeben dass das stimmte. Dieser große breite Kerl war im Grunde der netteste von seinen neuen Freunden. Und er wusste wie es war, keine richtige Familie zu haben. Juugo hatte, während Sasuke seine Vergangenheit weitestgehend geheim hielt, ganz ruhig erzählt, dass seine Eltern ihn als Kleinkind nicht richtig umsorgt hatten, sodass er unterernährt und vernachlässigt in die Obhut des Jugendamts und dann in ein Waisenhaus und später in das Jugenheim kam, in dem er nun wohnte.
 

„Karin hat mir das Shirt ausgesucht… Sie… ähm… ist auch nett und…“, Sasuke stockte, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Das mit ihren Eltern, die Lehrer waren und mit denen sie deswegen immerzu Stress hatte, ging Itachi ja nichts an. Sie hatte es ihm schlicht unter Freunden anvertraut.

„Aber Mädchen in dem Alter sind einfach anstrengend, stimmt’s?“, lachte Itachi und weil Sasuke nicht widersprechen wollte nickte er, sagte aber: „Sie ist wirklich nett… und sie und Suigetsu sind zusammen.“

„Und Suigetsu, wie ist der so? Auch nett und lieb?“, grinste Itachi, merkte sogleich dass er Sasuke ein wenig aufzog, wodurch dieser rot wurde. Er wusste halt einfach nicht, wie er besser über die drei Menschen reden sollte, die irgendwie in so kurzer Zeit zu seinen Freunden geworden waren. Die ihm vertrauten und denen er auch zu vertrauen begann. Weil sie jung waren und keine Ahnung von seiner Vergangenheit hatten, war es leicht, bei ihnen er selbst zu sein. Oder das was er werde wollte. Nämlich ein anständiger junger Mann, ein vernünftiger Jugendlicher, so was in der Art.

„Ja, aber ein bisschen mehr so wie… Alessio“, meinte Sasuke, um Suigetsus Charakter schnell zu erklären.

„Ah, auf die Scheißkerl-Art nett?“, lachte Itachi. Er sah das Sasuke auch leicht grinste und an seinem Saft nippte, als das Essen kam.

„Na dann“, meinte Itachi. „Guten Appetit.“
 

~~
 

Sie hatten noch eine große Tüte Berliner Ballen mitgenommen und Itachi eine Flasche des guten deutschen Weines, den er getrunken hatte. Das fand er auch besonders toll an diesem Restaurant: Das es eine Art kleinen Feinschmeckerladen im hinteren Teil besaß. Mittlerweile war es schon früher Abend. Sasuke saß noch an der letzten seiner Hausaufgaben, bei denen Itachi ihm hin und wieder ein klein wenig geholfen hatte.

Als Itachi dann aus der warmen Dusche, die er sich gegönnt hatte, in Zimmer kam, saß Sasuke immer noch auf der Couch, hatte aber seine Schulsachen ordentlich weggeräumt. Itachi nahm die Tüte mit den Berliner Ballen und zwei kleine Flaschen Apfelsaft aus der Minibar. Eine davon gab er Sasuke, ließ ihn auch in die Tüte mit dem süßen Gebäck greifen, nahm sich ebenfalls einen, öffnete aber erstmal sein Getränk und trank einen großen Schluck.

„Ich muss gleich mal mit dir reden, Sasuke“, begann Itachi und wirkte so ernst, wie er es den ganzen Tag über nicht gewesen war. Auch Sasuke merkte das und er kam nicht umhin, sich zu sorgen, ob er Itachi irgendwie verärgert hatte, weswegen er scheu fragte: „Hab ich… was falsch gemacht?“

„Nein.“ Itachi Stimme war klar. Klar und bedauernd, da Sasuke wieder so unsicher war und seine Gemütslage direkt darauf bezog, irgendetwas nicht richtig gemacht zu haben. „Nein, Sasuke. Im Gegenteil. Ich hab mich sehr darüber gefreut, dass du heute so viel mit mir gesprochen hast. Weißt du“, meinte Itachi dann ehrlich. „Daran merkt man – also ich glaube das es so ist – dass du mir vertraust und das bedeutet mir echt viel.“

Auf Sasukes Wangen schlich sich eine sanfte Rötung. Er wandte den Kopf ab, freute sich aber ungemein über Itachis Worte. Die bedeuteten ihm auch viel.
 

Als sie beide ihren Berliner aufhatten und die kleinen Flaschen beiseite gestellt hatten, sah Itachi sich gezwungen mit dem anzufangen, was er Sasuke erzählen wollte. Er fand das keineswegs einfach. Die Dinge die er Sasuke nun mitteilen musste, würden dessen Welt womöglich auf den Kopf stellen.

Itachi verkniff sich einen Laut, der seine eigene Unsicherheit gezeigt hätte, schluckte nur einmal kräftig die Zweifel hinunter und fing ganz sachte an: „Sasuke, hat deine Mutter damals mit dir über den Tod deines Vaters gesprochen. Hat sie dir erzählt… wie er umgekommen ist?“

Sasuke wirkte augenblicklich etwas verwirrt, aufgrund einer solchen Frage, mit der er nicht gerechnet hatte. So direkt hat Itachi ihn noch nie auf seine Vergangenheit angesprochen. Nie so aus dem Nichts heraus.

„Ja“, murmelte Sasuke daher und dann, damit Itachi ihm wirklich glaubte: „Doch, hat sie schon gemacht.“

„Was hat sie dir erzählt?“, wollte der Uchiha wissen. Wollte sicher gehen, dass Sasukes Wahrheit wirklich die war, die Daiki glaubte, dass sie es war.

„Du… willst wissen… wie mein Vater…gestorben ist?“, fragte Sasuke. Er war sich nicht ganz sicher, was dieses Gespräch sollte und warum Itachi nicht klar heraus fragte, wie sein Vater umgekommen war. Sasuke verstand nicht, warum der Ältere den Umweg über die Mutter ging. Und überhaupt… die Situation kam dem Jungen irgendwie sonderbar vor. Sie hatte irgendwas… Unerwartetes an sich.

„Ja, was du weißt“, antwortete Itachi und fügte mit ruhiger Stimme an: „Insofern du es mir sagen möchtest.“

„Ähm… gut…“ Sasuke fuhr sich unsicher durch die Haare. Er wusste gar nicht wo er anfangen sollte!
 

„Ich glaub… damals war mein Onkel zu Besuch bei uns und… nachdem er und seine Frau das Taxi zum Flughafen genommen haben… musste mein Vater noch mal… noch mal weg. Irgendwas besorgen oder so… ich weiß nicht mehr was. Und er kam halt nicht nach Hause und… meine Mutter hat sich riesige Sorgen gemacht. Sie hat… Staunachrichten im Radio gehört, da er sein Handy… nicht mithatte und da haben die von… von einem Unfall geredet und meine Mutter… sie war nur noch verängstigter.“ Sasuke stoppte, atmete tief durch und schöpfte neue Kraft um den Rest zu erzählen. Den Rest des Tages, der so oft durch seinen Kopf gegangen war. Der Tag der ihn nächtelang wach gehalten hat und während er so da saß und kurz verstummt war, erinnerte er sich an seine Mutter, die den ganzen Tag so unheimlich verängstigt und traurig war. Sie weinte die ganze Nacht hindurch, das wusste Sasuke noch, denn diese Nacht war die letzte gewesen, die er im Ehebett der Eltern verbrachte. Nur im Arm seiner Mutter, die da noch nicht begonnen hatte zu trinken und die einfach nur, gemeinsam mit ihrem Sohn, diesen so sehr geliebten Menschen betrauerte. Sasuke konnte, wenn er sich an diese Nacht erinnerte, nicht erklären, wieso sie ihn schon kurz danach Kabuto ausgesetzte hatte, der ihm immerzu nur weh tat.

„Am Abend... kamen die Polizisten“, fuhr Sasuke fort und merkte, dass Itachi ihm aufmerksam zuhörte. „Sie… haben uns gesagt, was passiert ist. Mein Vater ist… auf einer Landstraße mit… mit zwei Lastwagen verunglückt.“ Das war’s, dachte Sasuke. Das war die ganze Geschichte. Für einen Außenstehenden wahrscheinlich nicht mal besonders heftig. Etwas, was täglich passierte. Ein schlimmer Autounfall mit Todesfolge. Keiner der Familie hat zusehen müssen, da war nur die Nachricht von der Polizei und ein Tag voller Sorgen.
 

Itachi fuhr sich durch die Haare. Also stimme es. Sasuke wusste wirklich nichts über den Tumor seines Vaters. Also lag es jetzt an ihm.

„Sasuke“, fing Itachi an und blickte aus dem Fenster hinter dem Schlafsofa, auf dem Sasuke immer noch saß. Wie tapfer er war! Hatte ihm von dem Tod seines geliebten Vaters erzählt ohne zu weinen. „Ich habe mit Daiki gesprochen. Auch über Kaine.“

In Sasukes Gesicht spiegelte sich wieder diese gewisse Verwirrung, doch Itachi sah das nicht. Er blickte hinaus. Die Sonne war schon komplett untergegangen, der Mond leuchtete hell an diesem dunklen Abend.

„Gott, ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll.“ Itachi lies zu, dass er seine Gedanken laut aussprach, bereute es aber beinahe sofort. Er musste doch Sicherheit ausstrahlen. Er war der, der sich um Sasuke kümmerte und er musste, verdammt noch mal, genug Eier in der Hose haben, um Sasuke jetzt diese Dinge zu erzählen.

„Okay“, sagte er dann und sprach sich innerlich weiter Mut zu. Er konnte Sasuke dennoch nicht anblicken. Konnte dessen Gesicht einfach nicht sehen. Sonst würde er die Worte niemals raus bekommen.

„Dein Vater musste an diesem Tag nichts mehr besorgen. Er ist… da raus gefahren um“, Itachi atemete tief durch, „um zu sterben.“

Der Uchiha bemerkte Sasukes weit aufgerissene Augen nicht und auch das fragende Wispern hörte er nicht. Er starrte nur hinaus und versuchte, all die Informationen zu ordnen, die Daiki ihm gegeben hatte.

„Dein Vater war sehr krank. Er wollte dich und deine Mutter vor dem langen Verlauf der Krankheit schützen und hat sich entschieden, nicht erst in einem halben Jahr zu sterben, sondern sofort. Er hat es Daiki erzählt und er hat ihm einige Sachen für dich gegeben und ist dann gefahren.“ Ohne dass Itachi selbst seinen genauen Wortlaut im Kopf hatte, erzählte er Sasuke, dass dessen Vater sich an einer Klippe umbringen wollte. Dass er aber wahrscheinlich doch nicht konnte und noch auf der Landstraße wenden wollte, wobei ihn die Lastwagen packten. Er erzählte Sasuke noch einmal, dass Kaine ihn nur hatte schützen wollen und blickte die ganze Zeit über hinaus aus dem Fenster, vorbei an Sasuke, weil ihm das hier so schwer fiel.
 

Sasuke schüttelte nur den Kopf. Itachi war verrückt geworden! Das musste einfach so sein. Aber sie hatten einander doch immer so gern gehabt. Warum sollte Itachi ihm denn jetzt Lügen auftischen? Aber das konnte einfach nicht stimmen. Das war alles ein Unfall gewesen. Sein Vater hätte ihn und seine Mutter niemals allein gelassen. Nein, Sasuke schüttelte immer noch wie apathisch den Kopf, sein Vater konnte einfach nicht mit dem Wunsch nach seinem eigenen Tod losgefahren sein. Er hatte sich nicht ausgesucht zu sterben. Das konnte gar nicht sein, weil sonst… sonst wäre doch sein Vater Schuld an all dem Leid der letzten Jahre oder nicht? Und obwohl Itachi schon vor einigen Minuten verstummt war, murmelte der Junge leise: „Hör auf… hör doch bitte… auf.“ Hör auf mir Lügen zu erzählen, fuhr Sasuke innerlich fort. Er wollte Itachi doch einfach nur vertrauen. Aber solche Worte. Solche Worte konnten nur Lügen sein. Sein Vater hatte ihn geliebt. Er wäre nicht einfach so gegangen.
 

Sasuke blickte in Itachis Gesicht. Es tat ihm Leid wie dieser Mann da saß. Aus dem Fenster starrend und die Hand vor den Mund geschlagen. Itachi wirkte so verletzt, so entsetzt über sich selbst und er wirkte so ehrlich betroffen und traurig. Sasuke wusste, das Itachi nicht log. Ihre Wahrheiten stimmten noch nicht miteinander überein. Aber sie formten sich gemeinsam zu einer Wahrheit. Zu der einzigen, die wirklich existierte. Und als Sasuke das begriff, brah der Damm. Er weinte. Die Tränen liefen über sein Gesicht und tropfen auf seinen Schoß. Sein Vater hatte ihn und seine Mutter allein gelassen. Er hatte sie zwar beschützen wollen. Aber er hatte sie alleine in dieser grausamen Welt gelassen. In einer Welt, in der Sasukes Mutter nicht ohne den Alkohol und nicht ohne Kabuto mit dem Leben fertig wurde.
 

Es war Sasukes Schluchzen, dass Itachi aus seiner Starre riss. Der Junge weinte. Er hatte es also geschafft. Na ganz toll. Das war das Letzte, was er gewollt hatte, verdammt. So viel von Einfühlungsvermögen. So viel davon, dass er das konnte. Sasuke die Wahrheit sagen. Nichts konnte er. Nichts. Und jetzt benahm er sich auch noch wie ein völliger Idiot, der die Lage nicht unter Kontrolle hatte. Wie musste das nur auf Sasuke wirken! Sasuke musste ihn hassen! Itachi blickte Sasuke an, der wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa saß. So verloren. Und es stimmte. Sasuke hatte das verloren, an was er am meisten geglaubt hatte. Dass der Tod seines Vaters ein ungerechter Weg des Schicksals. Ein kleiner Fehler im Universum, der ihm seinen Vater genommen hat. Heute musste Sasuke, innerhalb von wenigen Minuten in denen Itachi Worte gewählt hatte, die keinesfalls richtig für solch eine Offenbarung waren, feststellen das der Fehler in Wirklichkeit Kaine selber war, der an diesem Tag entschied zu sterben. Und auch wenn er hatte wenden wollen, wenn er doch nicht hatte sterben wollen, Sasuke musste sich einfach verlassen vorkommen. Einsam, verloren und verlassen, weil der Vater an den er immer geglaubt hatte, nicht bis zum letzten Ende dagewesen war.

„Komm… komm her“, sagte Itachi und streckte eine Hand nach Sasuke aus, die dieser sofort griff und zu Itachi auf das Bett kam. Er lies sich in den Arm nehmen, lies sich über den Rücken streicheln und weinte an Itachis Brust.
 

Er brauchte lange, bis er sich so sehr beruhigte, dass er an Itachi gelehnt still, ohne zu Schluchzen oder zu Wimmern, weinte und in der Lage war, zu fragen: „Welche… Krankheit… hatte… hatte Papa?“

Itachi machte beruhigende Laute, strich weiterhin über Sasukes Rücken und antwortete ehrlich: „Einen Tumor. Einen Gehirntumor.“

„Aha“, sagte Sasuke, aber es wirkte keineswegs unbeteiligt oder gar desinteressiert. Er nahm es einfach nur wahr, nahm die Information auf.

Es wurde spät und Sasuke Tränen versiegten nicht. Der Schock saß einfach zu tief und die Traurigkeit war zu groß. Und irgendwann, als Itachi merkte, dass die Müdigkeit in Sasuke zum Vorschein kam, sorgte der Uchiha dafür, dass der Junge auf dem Hotelbett zu liegen kam. Zu umständlich wäre es, ihn noch zum Sofa zu bringen. Itachi deckte Sasuke zu, doch als er selber zum Sofa gehen wollte, um sich hinzulegen, hielt Sasuke ihn am Handgelenk fest. Itachi blickte sanft auf diesen traurigen Jungen hinunter. Er wusste nicht, was dagegen sprach, dass er sich zu ihm legte, um ihm ein bisschen Trost zu spenden. Sie hatten schon einmal eine Nacht im selben Bett verbracht und vielleicht brauchte Sasuke nach diesem Abend einfach menschliche Nähe, die er nur in Itachi fand. Die einzige Nähe seit Jahren, die ich nicht schmerzte. Itachi, der genauso wie Sasuke schon in Schlafkleidung gewesen war, legte sich, nachdem er das Licht löschte, auf die andere Seite des Bettes und rückte etwas an den Jungen ran. Zwar nur soweit, dass sich ihre Körper kaum berührten und noch Luft zwischen ihnen war, aber eben so, dass der Uchiha seinem kleinen Schützling vorsichtig über die Oberarme. Er zupfte die Decke zu Recht und brachte eine verirrte Haarsträne zurück an ihren Platz, bevor er weiter beruhigend über den Arm des Jungen, der mit dem Rücken zu ihm lag, strich.

Itachi schloss die Augen, lauschte Sasukes Atmen, das sein Weinen verriet. Im Mondlicht glitzerten die salzigen Tränen bestimmt, dachte Itachi, wagte aber nicht die Augen zu öffnen und nachzusehen. Er wusste auch so, wie unendlich traurig Sasuke war. Unendlich traurig. Nicht in Worte zu fassen.
 

Itachi spürte das Brennen hinter seinen beinahe gänzlich geschlossenen Lidern. Er tat es unbewusst, aber als auch er leise anfing zu weinen, war es Itachis Kopf, der hinunter vom Kissen und gegen Sasukes Rücken sank. Von dort aus spürte er, wie Sasukes Atem ruhiger wurde, die der Junge in den Schlaf driftete. Und als auch Itachi mehr schlafend als wach dalag, meinte er den Herzschlag des Jungen zu spüren. Ohne sich seines Denkens bewusst zu sein, glaubte Itachi, dass ihre Herzen ab heute im selben Takt schlugen.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 8: happy birthday, your dad

Hey, Leute.

Nun ist mein Laptop ganz am Arsch (und ich bin es nicht Schuld -_-) und ich lade von dem von Mamas Freund hoch. Bis meiner repariert ist, kann es mit den nächsten Kapiteln noch einige Zeit dauern. Das tut mir schrecklich Leid, gibt mir aber auch die Zeit mich auf meine Abschlussprüfungen vorzubereiten. Ich schreib natürlich schön fein säuberlich auf Blättern oder sobald ich den Laptop von Mamas Freund erhaschen kann, darauf weiter.

Übrigends, um mal von meinem Laptop abzulenken, habe ich einen tollen Buchtipp für euch. Ich habe heulend auf dem Bett gesessen. Es ist das tollste Buch, das ich je gelesen habe und es ist nicht mal von meinem Lieblingschriftsteller. Der Märchenerzähler von Antonia Michaelis. Es ist einfach toll. Annas und Abels Geschichte ist zum heulen, aber trotzdem so unheimlich schön. Es muss einfach gelesen werden. Von der Widmung bis zum Ende durch ist es einfach großartig. Ich liebe es wirklich. Aber genug davon, lest es selbst, das Buch ist eigentlich einfach nicht in Worte zu fassen. Jetzt zu meinem Kapi, haha :D Übrigends freue ich mich natürlich trotzdem über Kommis, die ich schön über Iphone lesen werde. Ich versuche euch auch darüber zu antworten, wenn nicht seit nicht böse. Dann kommt die Antwort eben, wenn ich meinem Laptop wieder gesund und munter bei mir hab xD Das Drecksteil xD

Liebe Grüße

Eure (eigentlich) onlinelose Jessi ;)
 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 8: happy birthday, your dad

I have been nothing... but there is tomorrow.

- Louis L'Amour
 

Sonnenstrahlen kitzelten sein Gesicht. Seine Nase kräuselte sich. Zögerlich öffnete er die Augen. In der Nacht hatte er sich wohl auf den Rücken gerollt. Was ihn aber um einiges mehr verwunderte, war Sasukes Kopf, der auf seiner Schulter lag. Itachi fragte sich, ob Sasuke bewusst so lag oder ob sein Körper im Schlaf, so wie Itachis, ein Eigenleben entwickelt hatte. Itachi blickte auf Sasukes Haarschopf und wandte seinen Kopf so, dass er Sasukes schlafendes Gesicht ansehen konnte. Sein Mund war einen Spalt breit geöffnet, ganz ganz leise, fast nur wie ein etwas lauteres, brummigeres Atmen, schnarchte er und seine Augen waren entspannt geschlossen. Dennoch, fand Itachi, sah Sasuke traurig aus. Er konnte es nicht genau beschreiben; wahrscheinlich war es wegen all der dinge, die der Junge gestern durch ihn hatte erfahren müssen.

Geistesabwesend strich Itachi über Sasukes Haar. Vorsichtig schob er dessen Kopf auf das Kissen, setzte sich im Bett auf und erhob sich, seinen Körper kurz streckend. Auf leisen Sohlen ging er zum Fenster um die Vorhänge ein Stück zuzuziehen. Er selbst ging ins Bad. Sasuke hatte noch fast eine Stunde zu schlafen. Die wollte Itachi ihm gönnen. Er schnappte sich eines der weißen Hotelhandtücher, legte es auf die Ablage neben dem Waschbecken ab. Gähnend stieg er unter die Dusche, drehte das Wasser lauwarm auf und wusch sich ausgiebig.
 

Mit im Nacken zusammengebundenem, noch leicht feuchtem Haar zog er sich frische Kleidung über. Er ging durch ihr Hotelzimmer hinaus in den Flur und fuhr mit dem Aufzug hinunter. Am Büffet nahm er zwei Brötchen, etwas Brot und Aufschnitt, die für Hotels und Krankenhäuser typisch portionsweise eingepackte Marmelade und ein paar Gurkenscheiben und legte alles zu seinem Kaffee und dem warmen Kakao für Sasuke auf ein Tablett. Mit ihrem Frühstück beladen fuhr er wieder hinauf und betrat das gemeinsame Zimmer. Er stellte das Tablett auf eine Kommode an der Wand ab und zog die Vorhänge wieder ein Stück zur Seite. Sasuke musste langsam aufstehen, sonst schafften sie es nicht rechzeitig zur Schule.

Itachi hockte sich neben dem großen Bett hinunter. Er legte seine Hand auf die Schulter des Schlafenden und sagte seinen Namen, wodurch dieser seine Auge öffnete. Müde blinzelte er, schaute an Itachi vorbei an die Wand und dann, zum erstem Mal seit Itachi ihn kannte, stand Sasuke nicht auf, machte noch nicht einmal Anstalten dazu. Er sagte auch nicht, er bräuchte noch ein paar Minuten, um wach zu werden. Er sagte gar nichts. Er zog die Decke schlicht höher, grub sein Kopf gegen das Kissen. Ignorierte Itachi. Nur kurz fühlte Itachi sich an jene Stunden zurückerinnert, in denen Sasuke ihn das einzige Mal ignoriert und mit Schweigen gestraft hat. Es war der Tag nach der am wenig zurückliegenden Vergewaltigung seitens Kabuto und Itachi hatte die Hilfe Kakashis benötigt um Sasuke wieder ins Hier und Jetzt zu bringen. Jetzt, Wochen später, war er es gewesen, der Sasuke solch schrecklich Dinge hatte erzählen müssen. Aber heute wollte er es auch sein, der Sasuke zum Reden brachte.

„Hey“, machte er ein wenig unbeholfen und verstärkte den Druck auf der Schulter minimal. „Fühlst du dich nicht gut?“

Mit seinem Schweigen bedeutete der Fünfzehnjährige ihm, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Und Itachi verstand das. Auch er hätte absolut kein Verlangen die Schule zu besuchen, im Unterricht zu sitzen und dabei ständig im Kopf zu haben, was man nur wenige Stunden zuvor erfahren musste. Itachi blickte auf die Bettdecke, weg von Sasukes Gesicht und nahm die Hand von dessen Schulter. Jedoch nicht, ohne noch mal zu fragen, ob es Sasuke nicht gut ging.

„Ich hab… doch genickt“, murmelte Sasuke tonlos und dann: „Ich steh gleich auf.“
 

In Sasuke schlummerte eine große Stärke. Und einen Teil davon sah Itachi heute. Eien andere teil hatte er zuvor schon gesehen. Auch das lag mittlerweile Wochen zurück. Das Gespräch mit dem Jugendamtsmitarbeiter. Itachi wusste genau, wenn er so etwas, was er gestern hatte Sasuke erzählt hatte, über seiner Eltern erfahren müsste, würde er nicht am nächsten Morgen ausstehen können, um zur Schule zu gehen. Er hätte das als Fünfzehnjähriger ganz sicher nicht gekonnt. Aber wahre Stärke hatte er in dem Alter auch nicht beweisen müssen. Im Gegenteil zu Sasuke, der sich ein Jahr lang auf der Straße selbst hatte versorgen müssen und dann noch all das, was davor geschehen war… Nein, er hätte das alles auch nicht gekonnt.

Aber all das hatte auch Schaden auf Sasukes Seele hinterlassen. Schäden, die lange Zeit zum Heilen brauchen würde und diese Zeit wollte Itachi ihnen geben. Viel mehr noch wollte er Sasuke die nötige Ruhe geben, das keine neuen Wunden aufplatzten, wenn er jetzt in der Schule sitzen musste, nur um Lehrern zuzuhören, deren Unterrichtsstoff ihm heute bei keinem seiner Problemen helfen würde.

Deswegen sagte er: „Du musst heute nicht zur Schule. Wir können deine Oma anrufen, damit sie dich krank meldet.“
 

Sasuke setzte sich im Bett auf und fuhr sich über das müde Gesicht. Er fühlte sich kaputt und schwach. Er wusste das Itachi Recht hatte. Er würde es heute in der Schule nicht aushalten, aber er sollte hingehen, um keinen Unterrichtsstoff zu verpassen und außerdem war es doch die Bedingung seiner Großmutter gewesen. Eine der beiden. Er hatte gestern Abend noch angerufen, bevor Itachi ihm all die Dinge erzählt hatte, und er sollte auch zur Schule gehen. Sonst würde seine Oma ihn nachher nach Hause holen. Sasuke war im Stillen ehrlich zu sich selbst. Er wollte nicht nach Hause. Nicht in das Haus, in dem keiner vermochte, mit ihm über all diese Dinge zu sprechen. Sein Onkel musste all das schon seit Jahren wissen und er hatte es verheimlicht, während Itachi, sobald er es erfahren hatte, ehrlich zu ihm war. Er konnte sich, momentan, nichts Schlimmeres vorstellen, als das man ihn von Itachi fortholte. Also musste er zur Schule gehen. Ob er wollte oder nicht. Ob er konnte oder nicht.

Sasuke war kurz davor, seine Beine aus dem Bett zu schwingen, doch da stand Itachi schon mit dessen Handy in der Hand vor ihm.

„Hier“, sagte der nur, drückte Sasuke das Mobile Phone in die Hand du hatte augenscheinlich schon gewählt und anklingeln lassen, sodass Sasuke nichts anderes übrig blieb, als sich das Gerät ans Ohr zu halten, und als seine Oma ranging, zu sprechen.

„Hallo“, machte er unbeholfen, hörte wie sie fragte, was denn los sei und warum er so früh am Morgen anrufe.

„Ich… mir geht’s nicht gut“, murmelte und wusste, dass es eine Halblüge war. Gesundheitlich war er ja in Ordnung. Vielleicht ein bisschen müde, aber das ging vorbei. Es war seine Seele, die mit der neuen Wahrheit klar kommen musste.

„Du wirst zur Schule gehen, Sasuke“, meinte die alte Frau unnachgiebig. „Oder du kommst nach Hause. Das ist die einzige Alternative, wenn du krank bist.“

Sasuke konnte nicht diskutieren. Mit seinen Erziehungsberechtigten konnte er nicht darüber verhandeln, was gut für ihn war, da er schon zu lange keine Eltern hatte, mit denen er das hätte tun können. Seit sein Vater gestorben war, hatte man ihm beigebracht, dass das verweigern von Anordnungen nur zu Schmerzen führen konnte. Deswegen sagte er Ja, er würde zur Schule gehen und beendete das Gespräch mit seiner Großmutter, um noch Zeit zu haben, sich fertig zu machen, damit er nicht zu spät kam.
 

Sasuke übergab Itachi das Handy und schüttelte den Kopf. Er erhob sich und fuhr sich durch die dunklen Haare.

„Ich mach dir ein Brot für die Schule, geh du nur duschen“, sagte Itachi, der sich durch Sasukes Worte beim Telefon, die Antwort der Großmutter denken konnte. Sie war unnachgiebig. Sasuke musste zur Schule. Und ihm selber blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen, ihren Enkel zur Schule zu bringen und zuzusehen, wie es Sasuke schlecht ging. Er hasste das! Und vielleicht beschloss er schon in diesem Moment, dass er um das Sorgerecht für Sasuke kämpfen wollte, wenn der Junge ihn kämpfen ließ.
 

~~
 

Itachi hielt vor der Schule, schaute Sasuke an und sagte: „Du kannst mich anrufen, wenn was ist. Das weißt du.“

Sasuke nickte, griff nach der Autotür, um diese zu öffnen. Es war Itachis Stimme, die ihn inne halten ließ.

„Im Kofferraum liegt etwas, dass dein Vater Daiki gegeben hat, damit du es bekommst. Ich gebe es dir nach der Schule, in Ordnung?“

„Nach der Schule?“, fragte der Junge nach und Itachi hörte deutlich heraus, wie sehr Sasuke sich fürchtete, etwas vorenthalten zu bekommen, was seinem Vater gehört hatte. Etwas, das sein Vater ihm geben wollte. Und Itachi fand diese Furcht angemessen, nachdem man Sasuke so lange die Wahrheit vorenthalten hat. Deswegen nickte Itachi und versprach: „Sofort, nach der Schule. Du hast mein Wort.“

Sasuke nickte und dieses Mal stieg er wirklich aus, schloss die Autotür hinter sich, sah das Itachi zum Abschied die Hand hob und tat es auch, bevor er auf dem Schulhof in einer Menschenmenge verschwand. Er ließ sich treiben. Bis zum Eingang. Da teilte sich die Menge auf verschiedene Treppen und Gänge und auch er ging seines Weges zum Klassenraum, der schon offen war. Ein paar der Schüler saßen schon an ihren Plätzen, machten Hausaufgaben vor dem Unterricht oder standen zu Grüppchen zusammen, um zu quatschen. Juugo war wohl heute krank, denn er kam nie zu spät. War immer einer der ersten und immer vor Suigetsu und Karin da, die schon turtelnd auf ihren Plätzen saßen. Er ging zu ihnen, weil sein Platz neben dem des Jungen war und weil er wusste, dass er nicht störte. Diese drei Jugendlichen waren, obwohl sie nicht wussten, was in seiner Vergangenheit geschehen war, die Menschen in England, die er am ersten zu seinen Vertrauten zählen würde. Seine Familie, das hatte sich herausgestellt, war ein Haufen von Menschen, die nicht wussten, was das Beste für ihn war. Daiki, der ihn belog.

Anko, die ihn wie Dreck behandelte.

Sein Großvater, der sich nicht kümmerte.

Und die Großmutter, die sich zu viel kümmerte, ohne es für ihn zu tun. Und ohne die richtigen Entscheidungen zu treffen.
 

Sasuke blickte an dem Pärchen vorbei hinaus. Selbst dann, als die Lehrperson kam, tat er das noch. Er bekam nichts vom Unterricht mit. Wüsste er nicht, dass sie in der ersten Stunde Physik hatten, wäre ihm nicht einmal klar, in welchem Fach er saß. In seinem Kopf waren so viele andere Dinge, die ihn beschäftigten. Dinge, die sich allesamt um seinen Vater drehten, den er so sehr liebte. Um den Vater, der ihn allein gelassen hat. Ein Vater, der entschied zu sterben, um sein Kind zu schützen. Ein Vater, der nicht verhindern konnte, dass sein Sohn durch die Hölle ging.

„Es wäre sehr wünschenswert, wenn du dem Geschehen hier vorne auch nur halb so sehr folgen würdest, wie den zugegeben sehr müßigen Bewegungen der Bäume“, schreckte die Stimme des Physiklehrers ihn aus seinen Gedanken. Er blickte nach vorne und dann auf seinen Tisch, auf dem ein Blatt mit weißer Rückseite lag. Das Gekicher der Klasse über sich ergehen lassen, musste Sasuke auch die Worte des Lehrers einstecken,

„Dann würdest nämlich auch du bemerken, dass die Klasse seit einigen Minuten einen Test schreibt. Oder möchtest du ein leeres Blatt abgeben?“

„Nein…“, murmelte Sasuke, biss sich auf die Lippe, gab ein „Entschuldigung“, hinterher und drehte sein Testblatt um. Er mochte keine unangekündigten Tests. Und nachdem er sich die Aufgaben flüchtig durchgelesen hatte, wusste er, dass er diesen hier versemmeln würde. Er schrieb einige Antworten auf, obwohl er wusste, dass sie falsch waren. Aber er konnte einfach kein leeres Blatt abgeben. Er konnte sich aber auch nicht konzentrieren. Er kam nicht auf die richtigen Lösungen und sein Kopf war zu voll von anderen Dingen, die ihm nicht erlaubten, über Transistoren nachzudenken.
 

~~
 

Itachi hatte den Karton mit Kaines Sachen – Sasukes Sachen – hinauf ins Hotel gebracht. Er schnappte sich das Kabel für sein Iphone und verließ das Zimmer wieder. Im Auto schloss er so sein Handy an das Autoradio, ermöglichte sich, Musik zu hören, die er mochte und fuhr durch die Gegend. Er sollte erst gegen zwölf in der Kanzlei sein. Heute, obwohl die Verhandlung schon am Wochenende stattfand, hatten sie nicht viel zu tun. Doch Itachi hatte viele Dinge, über die er nachdenken musste. Nach dem Wochenende musste er zurück. Ob er wollte oder nicht. Sein Urlaub war bald vorüber und die wichtigen Vorlesungen an der Uni würden beginnen. Aber er konnte Sasuke nicht hier lassen. Nicht bei dieser Familie.

Daiki, der zwar ehrlich war, aber zu traurig und verletzt, um sich selbst zu retten. Geschweige den Sasuke. Oder sonst irgendwas oder irgendjemanden auf dieser Welt.

Anko, die Sasukes Hölle bedeuten würden, weil sie ihn mit Worten verletzte und weil sie ihn schlagen wollte.

Der Großvater, der, so wie Daiki gesagt hatte, mehr im Sterben lag, als gesund zu werden.

Die Großmutter, die nicht in der Lage war, für Sasuke da zu sein.

Itachi konnte Sasuke einfach nicht hier lassen. Konnte nicht.

Konnte das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.

Nicht wenn er es war, der gehen musste.
 

Itachi seufzte. Er hatte keine andere Wahl. Er würde um das Sorgerecht kämpfen, auch ohne das Sasuke das zweite Schwert hielt. Er würde schlicht das Schild sein, das vor Sasuke stand. Aber er würde alles ganz legal machen. Also entschied Itachi, dass er nicht anders konnte, als die ganze Wahrheit dem Jugendamt mit zu teilen. Plötzlich wusste er, wohin sein Weg ihn führte.

Er wartete im Flur, bis er ins Büro der zuständigen Betreuerin gerufen wurde. Nach den üblichen Floskeln – nun Itachi glaubte, es seien die üblichen Floskeln, denn er war noch nie beim Jugendamt gewesen – begann er zu erzählen, auch wenn er sich gezwungen sah, einige Dinge weg zu lassen. Dinge, die er nicht erzählen konnte, um Sasukes Vertrauen nicht zu verletzten. Er sprach von Sasuke, seiner Mutter Ria und seinem Vater und davon, dass nach dessen Tod – nach dessen Selbstmord, das erwählte er, auch auf die Gefahr hin, das so Emi Nakano von allem erfuhr, was Daiki auch ihr nicht erzählt hatte – Ria nicht mehr in der Lage war sich zu kümmern. Er verschwieg die Vergewaltigungen und Misshandlungen seitens Kabuto. Er verschwieg ihn ganz. Aber er erzählte davon, wie er Sasuke kennenlernte, ihn aufließ und ihm ein Zuhause gab. Er erzählte davon, wie man Sasuke fortholte. Von dem unbeheizten Zimmer zu Anfang sprach er, von dem immerzu betrunkenen Daiki, dem kranken Großvater, der wütenden Anko, die Sasuke drohte und ihn geschlagen hätte, wenn keiner dazwischen gegangen wäre. Er versuchte der Mitarbeiterin des Jugendamtes klar zu machen, wie unfähig die Großmutter war und schilderte die Streitereien und die Geldprobleme der Familie. Er erklärte, warum Sasuke bei ihm im Hotel schlief und als er nach etwa einer halben Stunde und einigen Rückfragen, endete, sah er, dass er die Dame überzeugt hat. Er wusste nicht, ob er einen guten Tag hatte oder ob alles sich für Außenstehende genauso schlimm anhörte wie für ihn oder ob die Frau einfach nur einen schlechten Tag, einen mitfühlenden Tag hatte. Das wusste er nicht. Aber was immer es auch war, er war dankbar dafür, denn dadurch schöpfte er Hoffnung, das Sorgerecht zu bekommen.

„Sie sollten sich einen Anwalt suchen und können dann so schnell wie möglich einen Antrag auf das Sorgerecht einreichen. Sie sollten das tun, Mr. Uchiha. Es geschehen zu viele Dinge, weil es keine Leute wie sie gibt, die herkommen und mit uns reden.“ Sie verstummte kurz und er glaubte, sie hatte wirklich einen schlechten Tag. Vielleicht zuvor – oder gestern – einen Fall, der sie mitnahm. „Wissen sie, immerzu sind wir Schuld, wenn Kindern nicht geholfen wird. Aber wir können nicht durch geschlossene Türen sehen. Wir brauchen Leute wie sie, die kommen und sagen: ‚Hey, da ist was nicht in Ordnung.’ Dann können wir helfen.“

Er nickte. Er wusste, dass sie recht hatte.
 

„Ich habe einen Anwalt. Ich werde ihn sofort anrufen. Kann ich heute noch den Antrag stellen?“

Sie nickte, stand auf und schickte sich an, Unterlagen heraus zu suchen. Itachi griff nach seinem Handy, rief Alessio an und rief ihn her. Sie hatten noch Zeit, bis sie selber arbeiten mussten und bis dahin musste sein Freund ihm halt diesen Gefallen tun. Zusammen würden sie das schon schaffen. Sie waren schon drei, die mit den Schwertern dastanden, auch wenn zwei der Schwerter nicht aus dem geschliffen waren, aus dem Itachis war. Nicht aus einer unbändigen Entschlossenheit und den Willen, Sasuke zu beschützen.

Sondern das eine – Alessios – aus jahrelanger Freundschaft Itachi und seiner Familie gegenüber. Und das andere – das der Jugendamt-Mitarbeiterin – aus den Dingen, die eine Frau hat in vielen Familien sehen müssen.
 

~~
 

Sie saßen im Hotelzimmer. Itachi hatte zuvor eingekauft. Im Supermarkt neben Sasukes Schule. Er packte eine Packung Windbeutel aus dem Eisfach raus, Kirschsaft, eine Packung Karamellbonbons, Erdbeeren, die zu dieser Jahreszeit sicherlich ein halbes Vermögen kosteten und Mikado-Stäbchen mit Schokoladenüberzug. Er holte zwei Gläser, stellte sie neben dem Bett auf den Nachttisch und gab Sasuke, der im Schneidersitz auf der Tagesdecke saß, den Karton und setzte sich, mit ein bisschen Abstand und dem Rücken gegen die Wand, dazu. Itachi schaute hin, als Sasuke den Deckel öffnete. Seine zarten Hände, fast noch Kinderhände, strichen leicht über den Inhalt, bevor er den großen, dicken weißen Umschlag heraus holte.

Er öffnete ihn mit leicht zitternden Fingern und schüttete den Inhalt auf die dunkle Tagesdecke vor seinen Beinen aus. Auf dem Bett lagen nun sechs kleine, teilweise dünnere und etwas dickere Umschläge. Da die Briefe nummeriert waren, begann er mit dem, auf dem dick die 1 stand. Er öffnete auch diesen. Seine Finger zitterten schon weniger, als sie das Blatt Papier darin auseinanderfalteten. Er las die geschriebenen Wörter und ohne einen Mucks gab er das weiße Blatt zu Itachi hinüber, der seinerseits auch las.
 

Mein großer Sohn. Alles Gute zum Geburtstag. Ich wünschte ich wäre bei dir. Aber hier geht es nicht um mich. Hier geht es nur um dich. Ich konnte einfach nicht widerstehen, dir etwas zu hinterlassen. Auch auf die Gefahr hin, dass meine kleinen Geburtstagsgeschenke dich traurig machen, konnte ich einfach nicht anders, als sie dir da zu lassen, wenn ich nicht mehr da sein kann. Du bist jetzt elf Jahr alt und obwohl du immer schon ein so kluger Junge warst, wirst auch du irgendwann so viele Stunden deiner Kindheit vergessen. Erinnerungen werden durch Erzählungen verfälscht und Worte durch die Jahre, die vergehen. Aber Fotos, Momentaufnahme, die bleiben und offenbaren ein bisschen einer vergangenen Zeit. Deswegen sind die Fotos in dem Karton mein Geschenk zu deinem elften Geburtstag. Wenn du mit Kindergeburtstag feiern fertig bist (Ich hoffe doch deine Mum hat eine riesige Feier für meinen großen Jungen geplant) kannst du dir die Fotos ja mal ansehen.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Itachi suchte in Sasukes Gesicht nach Gefühlen. An seinem elften Geburtstag, fast einem Jahr nach dem Tod seines Vaters, der im Herbst des vorherigen Jahres gestorben war, hatte es Kabuto in Sasukes Leben bestimmt schon gegeben. Und dann ganz sicher keinen Kindergeburtstag. Aber Sasuke griff nach den Fotos. Um fast ein halbes Jahrzehnt verspätet, bekam er die Möglichkeit die Momentaufnahmen anzuschauen. Bilder von ihm und seinen Eltern, von wichtigen Schritten in seiner Kindheit und sogar eins, sah Itachi, das vor Sasukes Geburt aufgenommen wurden sein musste, denn man sah eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren, die wohl Sasukes Mutter war, in einem Cabrio sitzen mit zwei Männern, von denen unverkennbar einer Sasukes Vater werden sollte. Die junge Frau war schwanger, schwanger mit diesem Jungen der ihr gegenüber saß und alles was Itachi im Gesicht dieser Frau – diesem Mädchen – sehen konnte, war eine große, große Liebe ihrem ungeborenen Kind gegenüber und eine Freude, die durch diese Liebe kam. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eben das die Frau war, die Sasukes Hölle hatte geschehen lassen.

Noch während Itachi seinen Gedanken nachhing, drückte Sasuke ihm einen weiteren Zettel in die Hand. Dieses Mal war Sasuke nicht vorsichtig. Nicht so, als wolle er, wie sonst alle Tage zuvor, um Erlaubnis für etwas bitten. Er nahm es als selbstverständlich an, dass Itachi die Briefe auch las. Ihm vielleicht einen Teil der Last abnahm. Und vielleicht, ganz vielleicht, spürte Sasuke dabei, dass Itachi die nötigen Schritte in die Wege leitete, um sich um ihn kümmern zu können.
 

Vor sechs Jahren, es war der Sommer, bevor du eingeschult wurdest, haben wir deine Großeltern in London besucht. Mit diesem Geschenk ist eine Reise für dich und deine Mum nach London gebucht. Ihr könnt die zwei Wochen bei Onkel Daiki, deiner Tante und dem Baby verbringen. In Daikis Haus am Strand gibt es einen Dachboden und in diesem steht eine Truhe mit Zeug, dass mir die Kindheit versüßt hat. Zeug, dass Daiki mir gegeben hat. Zeug, das Geschichten erzählt. Vielleicht bist du noch nicht zu alt, um diese Geschichten zu verstehen und wenn schon, musst du eben warten, bist du Geschwister bekommst oder Kinder und wenn nicht, dann schenkst du sie einfach einem Kind, das diese Geschichten noch verstehen kann.

Sasuke, mit zwölf ist man noch nicht zu alt, um die ungewöhnlichen Geschenke seines Vaters cool zu finden. Übrigens, ehe ich es vergesse, der Schlüssel ist um die Truhe zu öffnen.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Mit Zwölf hatte Sasukes Kindheit aufgehört. Schon vorher. Schon viele Monate zuvor. Denn ihm wurde weh getan und es war kein Vater mehr da, der half. Nur noch einer, der komische Geschenke dagelassen hat. Geschenke die Sasuke nichts nützen, denn ein Haus am Strand gab es nicht mehr. Jedenfalls keines mehr, das Sasuke betreten konnte und auf dessen Dachboden eine Truhe mit Kindheitszeug stand. Es war ein winziger, schon leicht rostiger Schlüssel, den Sasuke in der Hand hielt. Er blickte Itachi an und dann auf seine Kette. Sasuke grübelte, ob er ihn wohl daran hängen sollte, denn auch er wusste, dass er die Truhe nicht mehr würde öffnen können, denn sein Onkel lebte schon seit vielen Jahren nicht mehr im Haus am Strand.

„Warum nicht“, meinte Itachi, der Sasukes stumme Frage verstand. Doch dieser schüttelte den Kopf und gab den Schlüssel an Itachi weiter.

„Tu ihn irgendwo hin.“ Itachi verstand. Sasukes Vater hätte wahrscheinlich nicht gewollt, dass sein Sohn den Schlüssel an die Kette machte um alte Schlösser mit rumzuschleppen. Er wollte einen glücklichen Sohn. Einen der aufrecht der Zukunft entgegen schritt. Er hatte die Briefe an einen Sasuke geschrieben, der eine Mutter hatte, die liebte und sorgte, an einen Sasuke, dessen Onkel Frau und Baby hatte. Vielleicht, glaubte Itachi, war es nicht gut, Sasuke weiter lesen zu lassen, aber es gab eh nichts was er dagegen tun konnte, deswegen ließ er ihn und nahm wie zuvor die nächsten weißen Zettel aus dem nächsten Umschlag aus Sasukes Hand, als er ihm den reichte.
 

Mein Kind ist ein Teenager! Mein Sohn hat vielleicht schon seine erste Freundin hinter sich, hoffentlich keine erste Zigarette und kein erstes Bier, kein erstes Mal schwänzen und keine zehn Mädels seit ich nicht mehr da bin. Aber sicherlich, denn du wirst eben grad ein Jugendlicher, hast du einen unausstehlichen Musikgeschmack oder, wenn du auf deinen Dad kommst und ein erträglicher Jugendlicher geworden bist, eine Menge Kumpels mit unausstehlichen Musikgeschmäckern.

Deswegen ist mein Geschenk dieses Jahr ganz einfach: Die CD im Karton. Ich hab sie mit Liedern gefüllt, die mehr als Worte und Melodien sind. Sie sind Welten. Und für Kids mit dreizehn womöglich mächtig peinlich. Wenn du willst, schließ dich ein, hör sie heimlich mit Kopfhörern, aber hör sie. Lass sich dir Welten öffnen.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Die Vorder- und Rückseite des zweiten Zettels, ein Zusammengefaltener, der mit in dem kleinen weißen Umschlag mit der Nummer 3 steckte, waren mit Liedern vollgeschrieben und mit wenigen Sätzen, die Sasukes Vater zu jedem der Lieder geschrieben hat. Eigentlich eine schöne Geste, oder nicht? Doch, Itachi fand das war es. Aber er fand auch, dass die Briefe Sasuke verletzen mussten. Er fand, dass es nicht gut für ihn war, diese zu lesen. Zu lesen, wie sein Vater sich seinen Sohn in den Jahren nach seinem eigenen Tod vorstellte. Doch ehe Itachi was sagen konnte, ein weiterlesen seitens Sasuke verhindern konnte, fand er den nächsten Zettel in seiner Hand und musste einfach wieder lesen.
 

An diesem Geburtstag habe ich zwei Geschenke für dich. Über das erste möchte ich gar nicht viel verraten, außer der Nummer des Mannes, der es für dich bereit hält. Er wird dir alles erklären. Sei nicht böse, ich will die Überraschung nicht verderben. Ach ja, die Nummer: 0180 5518. Ruf einfach an und sag ihm, dass du mein Sohn bist. Er wird alles Weitere wissen. Mich vergisst der alte Kauz nicht so schnell.

Das Zweite ist nicht nur für dich, sorry deswegen, aber vielleicht freust du dich ja trotzdem. Es ist dein Geburtstagsessen. Besser: Der Gutschein zu deinem Geburtstagsessen bei diesem genialen Griechen auf der Fleet Street in Temple Bar. Kommt nicht zu spät und bevor ich es vergesse: Der Gutschein ist für drei Leute. Ich kann mir vorstellen, jetzt mit 14 werden dich die Männer nerven, mit denen deine Mom ausgeht. Viele Kumpels in der High School hatten Stiefväter und die wenigstes mochten sich leiden. Gib dem armen Kerl, sofern es ihn denn gibt, `ne Chance.

Ich hab, neben all den Gedanken an dich und neben all den Erledigungen für diese Geschenke, auch an deine Mom gedacht. Ich habe mich gefragt, wie ich es finde, dass sie bald eine Witwe ist und dass irgendwann ein neuer Kerl kommen wird, ihr schöne Augen macht, sie ausführt und ihr Blumen schenkt. Meinem Mädchen. Aber ich hab entschieden dass es okay ist. Kein Kerl wird je ihr erster Mann sein. Das bin ich. Kein Kerl wird je der Vater ihres ersten Kindes sein. Das bin ich. Und kein Kerl wird je dein Dad sein.

Deswegen: Deine Mom hat es verdient.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Es tat Itachi Leid. Sasuke Vater hatte einen Jungen erwartet der okay war. Ganz irgendwie. Aber auf jeden Fall hatte dieser Mann nicht damit rechnen können, dass Sasuke, nachdem er den Vater verlor, so schreckliche Dinge durchmachen musste. Sasukes Vater hatte mit anderen Problemen gerechnet. Nicht mit Vergewaltigungen, Misshandlungen. Er hat mit jugendlichen Problemen gerechnet. Mit Mädels, Musik und Bier. Vielleicht sogar mit Drogen und Prügeleien, den Jungs ohne Väter konnten Arschlöcher sein. Kaine hat sogar mit Stiefvätern gerechnet, die eine Chance bekommen sollten, wenn sie es den wert waren, denn Sasukes Mom, die hatte es verdient. So schrieb sein Dad, der eine Frau gekannt haben musste, die anders war, als die Frau, die sie jetzt war. Itachi fand, Sasuke, sein Vater und die Mutter hätten was Besseres verdient als das hier. Als Briefe und Traurigkeit und lang verganene Stunden, fast vergessene Erinnerungen. Sie verdienten eigentlich eine Zukunft. Eine Zukunft, oder eine andere Art Zukunft, die er Sasuke geben konnte, wenn seinem Antrag auf Sorgerecht stattgegeben wurde. Eine Zukunft mit Perspektiven.
 

Während Itachi nachgrübelte, hing Sasuke nicht seinen Gedanken nach. Das würde er wahrscheinlich später Zuhaufe tun. Jetzt aber konzentrierte er sich nur auf die Briefe. Öffnen. Lesen. Die Stimme seines Vaters hören. Ein Stück weit vergessen. Sich beschützt fühlen. Umarmt. Gewollt.
 

Meine Güte, du bist Fünfzehn! Dieses Jahr machst du deinen Abschluss! Ehe deine Mom sich versieht, wirst du erwachsen sein. Wetten, du bist jetzt schon größer als sie? Sicherlich bist du das. Deine Mom war schließlich immer meine kleine Zauberfee. Entschuldige, du bist jetzt schon lange ein Jugendlicher und ich sulze dich hier voll. Aber ich habe deine Mom wirklich sehr geliebt. Ich liebe sie sehr. Aber deine Mom hat auch ihre Dämonen. Jeder Mensch hat das. Ihre sind vielleicht etwas dunkler als eine Menge anderer. Es ist vielleicht nicht ganz fair von mir, denn du und Mom, ihr beide werdet euch weiterentwickelt haben. Ihr werden eine Reise angetreten haben, bei der ich höchsten noch in der kleinen Seitentasche eures Rucksacks bin. Doch du bist eben jetzt fünfzehn und du wirst eine Mom haben, die noch heute mit ihren Dämonen kämpft. Ich will, dass es euch gut geht. Euch beiden. Deine Mom braucht dich und du verdienst die Wahrheit, damit sie das Recht hat dich zu brauchen, wie sie mich gebraucht hat.

Sasuke, deine Mom ist nicht immer einfach. Sie wusste oft nicht mit dir umzugehen, aber sie wollte dich von Anfang an. Noch bevor du geboren wurdest, warst du ihr das Liebste auf der Welt. Noch bevor ich überhaupt was zu ihrer Schwangerschaft sagen konnte, schützte sie dich, mit allem was sie hatte.

Das Tagebuch deiner Mom liegt in dem Karton. Ich glaube du bist alt genug, um ihre Dämonen zu verstehen. Du bist alt genug, um deine Mom ein paar Mal an deiner Schulter weinen zu lassen.

Wenn du also denkst, ich bin ein Freak, weil ich dir nur das Tagebuch deiner Mom zum Geburtstag schenke, sei es drum, aber ich schenke dir hiermit auch mein Vertrauten und ich schenke dir das Gefühl ein Stück Mann zu sein, obwohl du immer unser kleines Baby sein wirst.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Itachi hatte wieder einen Brief in der Hand. Einen Brief von dem er glaubte, er könnte alles kaputt machen, was in Sasuke gewachsen war, seit sie sich im letzten Dezember kennen gelernt haben. Ein Brief voll von Sasukes Mutter. Itachi war sich nun sicher. Kaine Nakano musste eine andere Frau gekannt haben, als die, die er als Sasukes Mutter zu wissen glaubte. Aber er strafte Sasuke nicht lügen, denn Kaine Nakano sprach von Dämonen. Und Dämonen können einen Menschen dazu treiben, Böse Dinge zu tun. Vielleicht, dachte Itachi da das erste Mal, war auch Sasukes Mutter nicht die für die er sie hielt. Vielleicht war sie nicht das abgebrühte Miststück. Vielleicht war sie einfach nur traurig. Traurig und Hilflos. Und vielleicht verstand Itachi jetzt ein Stück weit, warum Sasuke seine Mutter immer noch lieb hatte. Aber er hatte kein Verständnis für sie. Das würde Itachi, der in einer Familie hinein geboren wurde, die ihm früh zeigte, was Gerechtigkeit war und Verteitigung, aber auch Strafe - in eine Gerichtsfamilie, Anwaltsfamilie - niemals verstehen. Jedenfalls nicht so verstehen, dass er Sasukes Mutter verzeihen konnte. Er würde das, egal was Sasuke in Zukunft tat, niemals tun.
 

„Du ließt das Tagebuch mit mir, oder?", fragte Sasuke mit wispernder, beinahe ängstlicher Stimme. „Du lässt mich dabei nicht allein?"

„Verlass dich auf mich", meinte Itachi und meinte es wirklich so. Sasuke konnte auf ihn bauen, wie auf ein Fundament, denn Itachi wollte das Fundament für Sasukes Zukunft sein. Eine Zukunft die noch vor ihnen lag. Itachi lugte an Sasuke vorbei in die Schachtel. In die Happy-Birthday-dein-Dad-Schachtel und sah noch einen weiteren solchen Umschlag neben ihr auf der Tagesdecke liegen.

„Der ist dann wohl für deinen sechszehnten Geburtstag", merkte Itachi an und schaute zu Sasuke, der den Umschlag in die Hand nahm. Itachi merkte den Zwiespalt des Jungen. Einerseits sah Itachi genau, dass Sasuke den Brief öffnen wollte. Wissen wollte, was sein Vater schrieb. Und das fand der Student mehr als Verständlich. Sasuke hatte so lange nichts von seinem Vater gehabt. Nicht mal ein Foto. Nur die Kette. Und das war zu wenig für ein Kind, das ein Mann werden wollte.

„Du kannst ihn öffnen", sagte Itachi, „Keiner wird es wissen. Nur du und ich. Aber du kannst auch warten." Er stoppte, blickte auf die anderen Briefe, die, obwohl an ihnen ein Stück Gegenwart klebte, eindeutig Vergangenheit waren.

„Er ist deine Zukunft", meine Itachi und legte Sasuke eine Hand auf den Rücken, um ihm zu zeigen, dass er da war um ihn stark zu machen. „Jedenfalls ein Teil davon."

„Ich hab im Juli Geburtstat. Am Dreiundzwanzigsten."

„Bis zum Sommer ist es gar nicht mehr so lange hin. Und bis dahin hast du eine Menge, das dein Dad dir gegeben hat. Fotos, das Tagebuch und Musik." Erinnerungen. Wahrheiten. Und Welten zu erkunden. Ein paar Stunden, in denen Vergangen, Gegenwart und Zukunft verschmelzen werden.
 

„Ja", stimmte Sasuke zu und legte den weißen Umschlag behutsam zurück in die Schachtel. Da war die Stimme seines Vaters in seinem Kopf. Von weit her. Von einem anderen Ort und doch so einlullend wie eine Umarmung. Sasuke wusste plötzlich wieder, dass er, obwohl er nicht geplant war, ein Wunschkind war. Von seinem Dad und seiner Mom. Er hat ganz vergessen, dass er die beiden immer so genannt hat. Er hat so vieles ganz vergessen. Und sein Vater bot ihm die Chance, sich zu erinnern, wahrheiten zu erfahren und ein Stück weit ein Mann zu werden.

Und da war Itachis Hand auf seinem Rücken, die ihm das Gefühl gab, sehr gewollt zu sein. Hier, wo er war. Und für den Rest seines Lebens. Ja, auch wenn er es oft vergessen hat - dort draußen auf der Straße und vorher schon unter Kabutos Händen - er hatte eine Zukunft. Einen Lichtstreifen am Horizont. Und mit Itachi, das glaubte Sasuke nun zu verstehen, würde die Zukunft ein bisschen leichter werden. Aber selbst wenn nicht. Wenn in der Zukunft viele Steine lagen und Wurzeln über die man stolpern konnte, mit Steinen konnte man werfen und aus Wurzeln wuchsen Dinge. Trotzdem, trotz allem, hatte Sasuke eine Zukunft. Und dieses Gefühl war unbeschreiblich.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 9: won't go back to this place, i called my only home

Hallo

Und mein Laptop ist immer noch nicht ganz. Vielleicht bekomme ich ihn aber Mitte/Ende der Woche zurück und das ganz ;)

Zwei meiner Onkel wollen sich nämlich darum kümmern. Hofft mit mir :D

Jedenfalls habe ich das Kapitel auch so auf den Laptop von Mamas Freund bekommen und kann es nun hochladen, was ich eig. schon heute Mittag hab machen wollen, aber das Kino war wichtiger :D

So, dann wünsche ich euch viel Spaß und verschwinde gleich mal ins Bettchen, denn diese Woche wird heftig... zwei Abschlussprüfungen. Wünscht mir Glück :D

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 

Kapitel 9: won't go back to this place, i called my only home

Trees fight about light and life.

Birds, animals an human,

they're all fighting.

And this fighting takes them more and more to

completness.

- Zane Grey
 

„Hey", machte Itachi und schloss die Tür zwischen Hotelzimmer und Hotelflur leise. Er sah Sasuke, der bäuchlings auf dem Schlafsofa lag, eine kleine Weile lang an. Der Junge hatte seinen Gruß durch die Kopfhörer in seinen Ohren wohl nicht vernommen und gesehen hatte er ihn auch nicht, da dessen Gesicht weg von der Tür, in die andere Richtung gerichtet war. Der Ipod lag neben dem Jungen auf dem Sofa und etwas weiter wegen lagen zwei Schulhefte, ein Schulbuch, die geöffnete Federmappe und der Füller, der nicht in selbiger verstaut war. Sasuke trug eine lange Stoffhose, die er auch zum Schlafen anzog und das T-Shirt, welches er heute Morgen zur Schule aus der Reisetasche gezogen hat. Itachi glaubte nicht, dass Sasuke schlief. Er schien viel mehr zu dösen und das fand Itachi eigentlich ziemlich gut. Es war nur natürlich und zudem sehr verständlich. Sasuke war, seelisch, noch immer nicht auf der Höhe. Die Briefe seines Vaters hatten ihn arg berührt und die Denkweise über dessen Freitod, von dem er auch erst kurz zuvor er fahren hatte, nocheinmal über den Haufen geworfen. Itachi verstand, dass er dann ein wenig Ruhe brauchte. Ruhe die er sich in olchen Momenten am besten gönnen konnte. Itachi war vor mehr als drei Stunden nochmal in die Kanzlei gefahren. Es war Mittwoch, einen Tag nachdem Sasuke die Briefe seines Vaters geöffnet hatte und Itachi sollte heute nicht wie in den vergangenenen zwei Tagen vormittags antanzen, sondern Nachmittags. So hatte er Sasuke, der noch Hausaufaben auf hatte, nur am Hotel absetzten, sich kurz dort frisch machen und noch ein paar Unterlagen schnappen können, bevor er wieder los musste. Am Samstag war schon die Verhandlung, für die er gebraucht wurde und danach hatte er keinen legitimen Grund mehr in England zu bleiben. Aber das wollte er. Natürlich wollte er das, denn - und das hatten Alessio, der als sein Anwalt fungierte, und er heute von der Dame vom Jugendamt erfahren - die Verhandlung die um Sasuke und das Sorgerecht ging, war schon für den Donnerstag darauf angesetzt. Der Brief - die Benachrichtigung, die zugleich eine Vorladung an Sasukes Großelten war - ging schon am Morgen raus und wird mit der morgigen Post zugestelltwerden.
 

Ein sanfter Ausdruck erschien auf Itachis Gesicht. Um diesen Jungen würde er sich kümmern, wenn alles glatt lief. Er glaubte, er hatte noch nie zuvor etwas so sehr gewollt. Nicht mit dieser Intensität. Itachi stellte die Plastiktüte, die er mitgebrachte, auf die Kommode an der Wand und trat zum Schlafsofa. Er berührte Sasuke leicht, um ihn, falls er wirklich schlief oder so, nicht zu sehr zu erschrecken, leicht an der Schulter. Der Junge wandte ihm, nachdem er kurz zusammen gezuckt war, den Kopf zu. Er hob eine Hand um sich einen der Kopfhörer zu entledigen.

„Alles okay?", fragte Itachi und lies sich auf sein bett sinken. Als Sasuke nickte und sich, auch den anderen Kopfhörer rausziehend, aufsetzte, beugte Itachi sich hinunter, um seine Schuhe aufzuschnüren.

„Fertig mit Hausaufgaben?"

„Ja." Sasukes Stimme war leise. Er schaltete den Ipod aus und band den Kopfhörer locker drum. das Gerät beiseite legend, schwieg er eine Weile und fragte dann gedankenlos: „Kannst du mal... bei Bio drüber gucken?" Er zögerte nur kurz und fuhr dann, entschuldigend, fort: „Vergiss es. Ich war... unhöflich. Du... kommst gerade von der Arbeit."

„Quatsch", meinte Itachi leichthin. Er freute sich über die Fortschritte, die Sasuke, trotz der Entschuldigungen machte. Unachtsam schob er die nicht ganz billigen Schuhe mit dem Fuß beiseite, griff an Sasuke vorbei nach dem Bioheft und schlug es auf.

„Aufbau der DNA und identische Verdopplung, aha." Las und kommentierte und runzeltedie Stirn.

„Sicher das das so sein soll?"

Sasuke schüttelte den Kopf. Zögerte kurz und fügte an: „Ich bin... so gut in Bio."
 

„Nein, Nein. Das mein ich nicht. Ich mein die Kopie an sich. Da steht: >Sie ist spiralförmig gewunden<, aber auf der Zeichnung - hier, siehst du - ist nichts gewunden."

Sasuke schaute auf die Kopie, die sie heute morgen in der Stunde von ihrer Biologielehrerin bekommen hatten und einkleben mussten.

„Ich glaube... das ist schon richtig", murmelt Sasuke, woraufhin Itachi die Augenbraue hochzog. Natürlich würde Sasuke niemals das kritsieren was ein Lehrer - eine Respektperson - tat oder sagte. Und dann eben auch nicht die Zeichungen die diese austeilten. Dabei konnte sich Itachi, obwohl Bio nie zu seinen Stärken in der Schule gehört hatte - während dem Abi hatte er es dann schlussendlich abgewählt - daran erinnern, dass sie immer andere Zeichungen zu diesem Thema gehabt hatte. Zeichungen, wo die Stränge wirklich gewunden waren. Zeichnungen, mit denen man was anfangen konnte.

„Ähm... also, ich glaube, das bezieht sich hierauf", meinte Sasuke schüchtern und zeigte auf einen anderen Satz, den Itachi aufmerksam las. Er kam zu dem Schluss, das das auch möglich sein konnte und wenn Sasuke seine Antworten danach geschrieben hatte, würde die Hausaufgabe keinesfalls komplett falsch sein.

„Das kann sein", gab Itachi deswegen zu und legte das Heft Beiseite.
 

Er schaute wieder zu Sasuke, der mit gesenktem Kopf auf dem Sofa saß. Er wirkte niedergeschlagen. Itachi glaubte in der kurzen Zeit, in der er und Sasuke gemeinsam im Hotel wohnten, festgestellt zu haben, dass Sasuke sehr unsicher im Bezug zur Schule war. Aber er glaubte auch, dass er das gar nicht sein musste. Er hatte eine wirklich gute Englischarbeit gehabt, einen etwas schlechteren Biotest und der unangekündigte Test von gestern würde wohl auch keine Glanzleistung sein, aber er machte immer gewissentlich seine Hausaufgaben. Sasuke lernte viel und selbst wenn er, wie Itachi vermutete, in der mündlichen Benotung nicht so gut war, würde er durch sein lernen einen akzeptablen Schnitt auf dem Zeugnis erreichen konnte. Denn Sasuke war nicht dumm, auch wenn er sich vielleicht dafür hielt. So jedenfalls wirkte es immerzu. Aber Itachi wusste, dass Sasuke ein kluger Kerl war. Er war selber recht intelligent. Logisch, sonst hätte er das Abi ja nicht bestanden und käme nicht so leicht durch das Studium, wie er es zur Zeit tat, aber ihm war schulisch wirklich viel in den Schoß gefallen. Er hatte nie viel lernen müssen; die Dinge hatte er meistens einfach so verstanden. Aber es war auch immer förderlich gewesen, dass die Lehrer ihn hatten gut leiden können und das es Spickzettel gab, wenn ihm mal etwas nicht in den Schoß fiel und er zu faul zum lernen gewesen war. Es war also nicht richtig, dass Sasuke sich für dumm hielt. Jeder Jugendliche schrieb mal einen schlechten Test und noch nie war die Welt davon untergegangen.
 

„Wir haben... heute den Physiktest... schon zurück bekommen." Fleißiger Lehrer, musste Itachi zugeben, aber ihn interessierte, was Sasuke für eine Note hatte. Er rechnete nicht mit einer Guten, da Sasuke sich gestern sicherlich nicht auf einen unangekündigten Test hatte konzentrieren können. Außerdem war er gestern, als er von dem Test erzählt hatte, ziemlich niedergeschlagen gewesen. Aber Itachi sah es als einen großen Vertrauensbeweis an, dass Sasuke mit ihm über solche Themen sprach.

„Und?", hakte er deswegen vorsichtig nach.

„Ich... ähm... kannst du... könntest du den... unterschreiben?", stotterte Sasuke daher. Itachi nickte ohne groß darauf einzugehen. Sasuke hatte mit seiner Unsicherheit schon genug zu kämpfen, als das Itachi ihn da auch noch drauf hinweisen musste. Eigentlich durfte Itachi nicht unterschreiben. Das musste der Erziehungsberechtigte, also in diesem Fall noch Sasukes Großmutter übernehmen, aber Itachi wusste auch, dass Schulen das nicht so eng sahen. Und er verstand, dass Sasuke mit dem Test nicht daheim aufkreuzen wollte. Deswegen nahm Itachi den Zettel, den Sasuke ihm unsicher entgegen hielt, und setzte seine Unterschrift unter die Sechs. Es war okay, befand Itachi. Es würde alles gut werden. Er würde das Sorgerecht bekommen - er glaubte wirklich daran - und dann wäre es absolut kein Beinbruch, wenn Sasuke die Zehnte Klasse wiederholen musste. Itachi entschloss sich, Sasuke in dieser Richtung bei allem zu unterstützen. Er nahm sich vor mit ihm zu lernen, ihm Mut zuzusprechen und sobald sie zurück in Irland waren, würde Itachi ihm sagen, dass er keinerlei Angst vor schlechten Leistungen zu haben brauchte, aber dass sie alles tun würden - wenn Sasuke das denn wollte - was in ihrer Macht steckte um ihn gut durch das Schuljahr zu bringen. Doch jetzt hieß es erstmal den niedergeschlagenen Sasuke aufzumuntern. Ihm zu beweisen, dass er nicht dumm war.
 

„Es ist nicht so leicht, wenn man von ein auf den anderen Tag, nach so vielen Monaten, wiede in dei Schule geht, hm?", machte Itachi und sah Sasukes zögerliches Nicken. Irgendwie hatte Itachi, dass Gefühl Sasuke sagen zu müssen, dass das hier keine Falle war. Dass sie beide zusammen okay sein würden. Aber er ließ es. Es gab noch genug andere Dinge zu sagen und die würden Sasuke gleich schon - Itachi versuchte es ein wenig hinaus zu zögern, dafür zu sorgen, dass Sasukes nicht mehr so traurig war - genug zu schaffen machen, denn Itachi hatte vor Sasuke davon in Kenntnis zu setzten, dass er das Sorgerecht beantragt hatte. Er befand, dass Sasuke das Recht auf dieses Wissen hatte. Wahrheiten sollte man diesem Jugendlichen nicht mehr vorenthalten. Jedenfalls nicht solche. Nicht nach den Dingen, die er kürzlich mit so vielen Jahren Verspätung hatte erfahren müssen.

„Es ist wirklich sehr löblich, dass du dir so große Mühe für die Schule gibst. Du schlägst dich nicht schlecht und daran ändert auch ein versemmelter Physiktest nichts, okay?"

Wieder nickte Sasuke, doch dieses Mal blickte er hoch und fragte leise: „Meinst du... ich schaffe das... das Schuljahr?"
 

Sasuke hoffte, dass Itachi verstand, was er meinte. Er wollte keine Berechnung seiner Noten, an denen man das noch gar nicht festmachen konnte, denn das Schuljahr hatte gerade erst vor knapp einem Monat begonnen. Notenmäßig war noch alles drin, aber er wollte schlicht wissen, ob Itachi an ihn glaubte, doch so konnte er die Frage nicht aussprechen. So mutig war er nicht. War er nie gewesen. Vielleicht aber - und darauf hoffte Sasuke nun - verstand Itachi ihn auch so ganz gut. Und das tat er. Das tat er wohl.

„Du solltest wissen, dass ich der Meinung bin, dass du ein kluger Junge bist. Ich wüsste also nicht, warum du das Schuljahr nicht schaffen solltest."

„Und... wenn ich es... nicht schaffe?"

„Dann versuchst du es einfach nochmal."
 

Itachi sah, dass Sasuke seine Unterlippe wieder malträtierte, aber dieses Mal verstand er nicht wieso. Es war ja nicht so, dass er Sasukes Gedanken lesen konnte. Nur manchmal war Sasuke eben wie ein offenes Buch. Jetzt gerade war er es nicht. Itachi grübelte ob Wiederholen solch ein großes Problem sein könnte. Ob er wohl fürchtete, den Ansprüchen der Großeltern nicht gerecht zu werden? Oder waren das Sasukes eigene Ansprüche, die er an sich selber stellte. Vielleicht, glaubte Itachi, wollte Sasuke beweisen, dass er nicht dumm war, indem er einen tollen Abschluss hinlegte. Doch dann fiel es Itachi wie Schuppen von den Augen. Hier ging es sich nicht darum, jemanden irgendwas zu beweisen oder irgendwelchen Anforderungen zu ensprechen. Hier ging es sich darum, dass Sasuke eigenes Geld verdienen wollte. So bald wie möglich. Er wollte, und das glaubte Itachi, auf keinen Fall eine Ehrenrunde drehen, weil es ein Jahr wäre, in dem er schon arbeiten könnte, um Itachi und Sasukes Großeltern Gelder zurückzuzahlen. Itachi schüttelte zu sich selber den Kopf. Ob es wirklich das war, was Sasuke beschäftigte?

„Genug davon, okay?", versuchte Itachi das Thema abzuwenden. Er stand auf und nahm die Plastiktüte vom Schränkchen. „Jetzt gibt es erstmal was zu Essen. Ich hoffe du hast großen Hunger, denn ich habe den Italiener um die Ecke geplündert." Sasuke sah, wie Itachi zwei Nudelgerichte, einen Salat und eine große Packung Pizzabrötchen. Aus dem kleinen Schränkchen neben der Minibar holte Itachi zwei Teller, Gabeln und Messer und zwei Gläser, sodass das kleine Schränkchen bald leer war. Dann schob Itachi den Nachtisch zwischen Schlafsofa und Bett, sodass sie fast so etwas wie einen Esstisch hatten, auf dem so gerade das Geschirr samt Besteck Platz fand. Die Brötchen samt Kräuterbutter fanden auch noch Platz auf dem Tischen, aber dann war es wirklich absolut voll und sie mussten die Getränkeflaschen auf dem Boden daneben abstellen. Itachi verteilte den Salat und die Nudelgerichte auf ihrer beiden Teller und wünschte Sasuke einen guten Appetit.
 

„Du... musst das Essen nicht immer bezahlen. Ich kann dir... das Geld zurückgeben... ich meine..."

„Ich weiß, was du meinst", unterbrach ihn Itachi. „Aber ich möchte nicht, dass du von deinem Taschengeld selber Essen kaufen musst, während du bei mir bist."

Nickend entschied sich Sasuke nicht dagegen anzusprechen. Sowas konnte er einfach nicht. Innerlich aber würde er es nur richtig finden, wenn er das Essen selbst zahlen musste. Von Geld, dass er gar nicht selbst verdient hatte. Aber so würde er es wenigstens nicht für unsinnige Sachen ausgeben, was er aber eh nicht tat. Er hatte noch beinahe das ganzes Taschengeld, was er bisher von den Großeltern bekommen hatte. Er wusste gar nicht, wofür er es ausgeben sollte. Er brauchte ja nichts.

Beide schwiegen sie eine Zeit lang; ihre Teller waren schon fast leer, doch Itachi wurde sich erneut klar, dass er irgendwann mit dem Thema um das Sorgerecht anfangen musste. Es war Sasukes Recht das zu erfahren. Es zu erfahren, bevor die Großeltern am Morgen Bescheid mussten und es sein konnte, dass sie verlangten, dass Sasuke bis zum Prozess bei ihnen lebte und nicht im Hotelzimmer bei dem Mann, der ihnen den Enkel wegnehmen wollte.

„Sasuke", sagte er um die Aufmerksamkeit des Jungen zu erlangen. Er legte sein Besteck zur Seite und trank einen Schluck. Sasuke blickte hoch, hatte seinerseits auch im Essen inne gehalten.

„Ich muss mir sicher sein, dass du mir die Wahrheit sagst, zu den Fragen, die ich dir gleich stelle. Kannst du mir den Gefallen tun, einfach das zu sagen, was du denkst?"

„Ich glaube... ich verstehe nicht", murmelte Sasuke. Innerlich aber wusste er, dass er nicht mehr wollte. Keine so schweren Gespräche mehr. Das waren doch mal genug Steine für die letzten paar Tage. Er wollte keine schwerwiegenden Fragen mehr. Aber er würde natürlich antworten. Würde versuchen so ehrlich wie möglich zu sein. So wie er es immer versuchte.
 

„Deine Großeltern", begann Itachi, „Bist du gerne bei ihnen?"

Itachi sah, dass Sasuke sich wieder auf die Lippe biss. Er mochte das nicht, aber jetzt wollte er ihn nicht dafür ermahnen. All das hatte bis später Zeit.

„Sie... geben mir ein Zuhause. Ich... hab halt einen Platz... einen Platz zum Schlafen."

„Ja", meinte Itachi. Aber das war nicht das, was er hatte hören wollen. Was er hatte wissen wollen. Aber es sagte ihm eigentlich genug. Sasukes Bedürfnisse waren immer noch die Grundbedürfnisse: Einen warmen Platz zum Schlafen, etwas zu Essen, frische Kleidung, eine Dusche, die er nutzen durfte. Vielleicht gehörte Schuldbildung schon dazu und ein kleines bisschen was, um die Langeweile zu vertreiben. Aber das alles hatte doch nichts damit zu tun, ob man gerne bei jemandem war.

„Fühlst du dich wohl dort?"

„Es ist... das einzige Zuhause, was ich hab, Itachi... Was willst du hören?"

„Genau das. Nein, meine Güte. Ich weiß es nicht, aber...", er verstummte kurz und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

„Okay, hör zu. Die Fragen sind dämlich. Ich bin einfach nur unsicher, verstehst du?"
 

Nein, Sasuke verstand nicht, wenn er ehrlich war. Er hatte keinen blassen Schimmer, warum Itachi unsicher war. Er konnte sich nicht mal vorstellen, was der Grund für dessen Unsicherheit sein konnte. Aber er war ein guter Zuhörer. Also hörte er zu.

„Ich hab was gemacht und ich weiß nicht, ob es ein großer Fehler war. Also, für mich war es kein Fehler", beteuerte Itachi, damit Sasuke später ja nicht auch falsche Gedanken kam. „Nur ich weiß nicht, ob du damit einverstanden bist und deswegen die dummen Fragen."

Als Sasuke nichts erwiederte, erhob Itachi sich erneut und ging zu der Umhängetasche, die er mit in die Kanzlei gehabt hatte. Er hockte sich vor dieser und fischte nach den Unterlagen zu dem Prozess um das Sorgerecht, in dem er kein Anwalt sein würde. Mit den Zetteln ging er zurück zum Bett und setzte sich, Sasuke gegenüber, wieder hin.

„Ich war beim Jugendamt", sagte er so ruhig wie möglich und schob Sasuke einen Zettel hin, der kurz und knapp, und sehr verständlich - auch für einen Fünfzehnjährigen - erklärte, was er getan hatte. Er konnte sehen, wie Sasuke las; ein paar Minuten lang und dann aufblickte. Sasuke wollte den Mund öffnen, um was zu sagen, schloss ihn aber sofort wieder. Ganz zu sich selbst schüttelte er den Kopf. Er spürte seine Augen feucht werden, aber die Tränen schluckte er hinunter. Das Blatt legte er Beiseite.

„Morgen bekommen deine Großeltern Bescheid", sagte Itachi leise und dann: „Ich konnte nicht anders."
 

„Ich... muss nach... Hause", brachte Sasuke stockend hervor. Und es fiel ihm so unendlich schwer, diesen Ort so zu nehmen, aber verdammt, es war nun mal wirklich das einzige Zuhause, das er hatte. Itachi hatte es gut gemeint. Das wusste er. Das wusste er wirklich. Aber er hatte Sasuke sein Zuhause weggenommen. Die enzige Familie, die er noch hatte. Wenn seine Großeltern morgen den Brief bekamen, würden sie ihn hassen, aber sie würden ihn niemals mit Itachi gehen lassen. Und Itachi würde das Sorgerecht auch niemals bekommen. Sasuke machte sich da nichts vor. Itachi war ein junger, alleinstehender Mann, mitten im Studium und weit davon weg, eine Familie zu gründen. Und dann vorallem nicht mit ihm, der vor knapp zweieinhalb Monaten noch ein Straßenbengel gewesen war. Und wenn seine Großeltern ihn nicht mehr wollten und Itachi das Sorgerecht nicht bekam, musste er vielleicht in ein Waisenhaus oder Jugendheim oder was auch immer. An einen Ort, der niemals sein Zuhause sein könnte. Das wollte Sasuke nicht. Deswegen musste er nach Hause, bevor er Brief kam. Er musste klar stellen, dass er von nichts gewusst hatte, um nicht den letzten Ort zu verlieren, den er noch hatte.

„Ich verstehe." Itachis Ausdruck verhärtete sich, aber er war nicht wütend auf Sasuke. Es war dessen eigene Entscheidung und er hatte entschieden, nach Hause zu wollen. „Dann sollten wir fahren."
 

Sasuke zog, ungeachtet, dass er immernoch die lange Stoffhose trug, Chucks an und schob seine Schulsachen in den Rucksack. Er ging ins Bad, schnappte sich die Zahnbürste und Zahnpaste und schmiss sie in seine Reisetasche, ehe er eilig seine Jacke anzog - immernoch die, die Itachi ihm damals gekauft hatte. Auch Itachi trug schon wieder seine Schuhe. Auf Jacke verzichtete er; sein Pullover war warm genug.

Gemeinsam gingen sie den Flur entlang, fuhren mit dem Aufzug hinunter und gingen durch die Lobby nach draußen vor das Hotel. Das Auto stand unweit von ihnen am Bürgersteig und Itachi öffnete per Funk. Doch bevor er sich auf zu seinem Sitz hat machen können, spürte er wie Sasuke sich an ihn drückte und sein Gesicht an seinem Pullover vergrub. Auf offener Straße stand Itachi nun da und legte seinerseits seine Arme um Sasuke, um dem Jungen Sicherheit zu geben.

„Schhs", machte er und strich über den dunklen Haarschopf, als er spürte, wie Sasukes Schultern bebten. Wahrscheinlich weinte der Junge. „Ganz ruhig, ich erklär deiner Großmutter alles. Sie wird nicht böse auf dich sein."

„Darum... darum gehts doch gar nicht", schniefte Sasuke, obwohl es vor ein paar Minuten noch genau darum gegangen war.

„Was ist es dann?", wollte Itachi einfühlsam wissen. Er hörte nicht auf, über Sasukes Rücken zu fahren.

„Ich möchte... nicht weg." Sasukes Stimme war leise, aber Itachi verstand ihn. Und um sein Herz herum wurde es warm. Sasuke wollte bei ihm bleiben. Sasuke gab ihm vielleicht sogar eine Chance. Die Chance, dass zu tun, was er für richtig hielt.
 

~~
 

Den Rest des Essens hatten sie weggekippt. Keiner von beide hatte noch Lust darauf gehabt sich wieder hinzusetzten und die kalten Nudeln zu essen. Außerdem hatten sie noch genug Süßkram da, falls einer von ihnen noch was naschen wollte. Aber auch das wollten sie nicht. Sie schwiegen beide eine Weile, Itachi ging duschen, dann ging Sasuke und schon bald war es abends und so spät, dass Sasuke schlafen sollte, weil er morgen zur Schule musste und Itachi auch, weil die Kanzlei ihn morgen wieder vormittags brauchte. Sasuke rief noch kurz Zuhause an. Er sagte nichts von dem Brief der morgen kommen sollte und nichts davon, was er über seinen Vater wusste. Im Grunde hatte er seiner Großmutter nie irgendwas zu sagen gehabt und sie ihm auch nicht. Sie war nur zufällig mit ihm verwandt und durch seine eigene Mutter, die sich nach dem Tod des Vaters nicht mehr um ihn gekümmert hatte, hatte er früh germerkt, dass Verwandtschaft gar nichts hieß. Seine Großmutter wollte schließlich wissen, wann er wieder Heim käme und er sagte, er wüsste es noch nicht. Dann legten sie auf, weil es wieder nichts mehr zu sagen gab.
 

Itachi saß unterdess auf dem Bett und kritzelte auf einem Blatt herum. Sasuke wusste nicht was er tat. Vielleicht arbeitete er; vielleicht war ihm aber auch nur langweilig. Weil Sasuke ihn nicht stören wollte, ging er Zähne putzen und das Gesicht waschen. Er ließ sich Zeit dabei, hing ein bisschen seinen Gedanken nach und als er wieder ins Hotelzimmer kam, lag Itachi schon im Bett und nur noch die kleine Nachttischlampe war an. Sasuke ging zum Sofa, setzte sich drauf und blickte den Uchiha einen Moment lang an. Dieser Mann musste verrückt sein. Sasuke konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Itachi das Sorgerecht wirklich bekam. Er war doch selbst noch so jung, war ein Student, alleinstehend. Er hatte ja nicht mal kleine Geschwister, um die er sich hatte hin und wieder kümmern müssen. Lediglich ein Patenkind das auf einem anderen Kontinent lebte.

„Worüber grübelst du?" Sasuke zuckte zusammen. Er konnte ja jetzt schlecht: Über dich, sagen. Wie hörte sich das denn an. Und das er Zweifel daran hatte, ob Itachi das Sorgerecht zugesprochen bekam, konnte er auch nicht sagen. Nicht nachdem er ihm zuvor gesagt hatte, dass er nicht weg wollte. Denn das stimmte ja. Er wollte nicht weg. Eigentlich würde er gerne zurück nach Irland. In Itachis Wohnung hätte er zwar wieder kein eigenes Zimmer, aber das Sofa reichte ihm. Die Kleider die er hatte passten locker in eine Reisetasche und die paar Bücher und die Kamera samt Album, das beinahe noch leer war, würde er auch schon irgendwo unterbringen können. Er brauchte eben gar nicht viel Platz.
 

„Hey, was ist los?", wollte Itachi wissen, der keine Antwort auf seine vorherige Frage bekommen hatte.

„Nichts", murmelte Sasuke, und dann: „Ich... denke nur nach."

„Okay, aber was hältst du von Schlafen gehen, weil du morgen früh raus musst?"

Sasuke nickte, murmelte ein leises Entschuldigung, obwohl es nichts gab, wofür er sich entschuldigen musste und schlüpfte unter seine Decke. Es war schwer nicht weiterzugrübeln. Vorallem weil Itachi schon bald nachdem Sasuke sich auf die Seite gerollt hatte, das kleine Licht löschte. In der Dunkelheit, wenn er kaum etwas sah, außer das was durch das Mondlicht noch zu erahnen war, war es noch schwieriger nicht seinen Gedanken nachzuhängen. Und so sehr er auch versuchte einzuschlafen, es klappte nicht, weil er einfach die ganze Zeit darüber nachdenken musste, wie der heutige Tag und die Entscheidung bei Itachi im Hotel zu bleiben, schon ab Morgen sein Leben ändern wird. Sasuke rollte sich auf die andere Seite. Die Decke raschelte Laut in seinen Ohren, weil sonst alles ruhig war. Er fragte sich, was sein Vater getan hätte in so einer Situation oder was er ihm raten würde. Ob er wohl verstehen würde, dass sein Sohn einen Mann den er erst vor ein paar Monaten kennenlernte, seiner Familie vorzog? Bestimmt würde er das, denn er selbst war es ja, der in jungen Jahren von Zuhause weg war, um die Welt kennen zu lernen und um, aber das wusste er da ja noch nicht, schon ziemlich jung, gerade Anfang zwanzig, mit einem Mädchen das noch nicht ganz volljährig war, eine Familie zu gründen. Und die ersten Jahre hatte sie zu dritt ja gut gemeistert. Obwohl seine Eltern noch so jung gewesen waren. Sein Vater war viel cooler gewesen, als die ganzen älteren Väter der anderen Kinder im Kindergarten und der Grundschule und seiner Mutter viel hübscher.
 

Verdammt, wenn er über seine Eltern nachdachte, wurde er gleich traurig. Und es half ihm auch nicht wirklich dabei zu entscheiden ob er das Richtige tat. Denn sein Vater war tot und konnte ihm in Wirklichkeit gar nichts mehr raten und seiner Mutter, die... ja, dass wusste er auch nicht so recht. Entnervt von seinen eigenen Gedanken, atmete Sasuke lauter als gewollt auf und legte einen Arm über die Stirn. Das war doch wirklich zum Haare raufen. Er wollte doch nur schlafen und nicht mehr nachdenken.

„Okay, was ist los?", hörte er dann Itachis Stimme. Und ein Klick dahinter, mit dem der Uchiha die Nachttischlampe neben seinem Bett anknipste.

„Entschuldige", murmelte Sasuke nur, der verstand, dass Itachi durch sein Deckenrascheln, entnervtes Atmen und hin und her rollen nicht schlafen konnte. Wenn er Itachi wäre, würde er es sich noch dreimal überlegen, ob er so jemanden wie sich aufnehmen wollte. Und Itachi wollte ihm ja nicht nur aufnehmen. Er wollte die Verantwortung für ihn tragen. Sie selbst verantwortlich für Sasuke machen. Nicht einfach irgendein Typ sein, der ihn auf dem Sofa pennen lies, sondern auch der Typ, der ihm ein Zuhause gab, an dem er sicher sein konnte, nicht beim ersten falschen Wort rausgeschmissen zu werden. Auch wenn Sasuke sich hüten würde, Itachi irgendwann zu wiedersprechen oder so.

„Nein, keine Entschuldigungen, Sasuke", meinte Itachi. Er setzte sich auf und blickte den Jungen auf den Sofa an. „Was ist los?"

„Ich..." Sasuke setzte sich ebenfalls und blickte auf die Decke über seinen Beinen. Er wusste einfach nicht wie er Itachi erklären konnte, was los war. Im Reden war er immernoch nicht so gut. Seine Gefühle in Worte zu fassen war einfach nicht sein Ding. „Mein Kopf... hört nicht zu denken auf."
 

Es war ein ganz leises Lachen; ein warmes Lachen, dass Sasuke aus seinen Gedanken schrecken ließ. Er hatte das nicht ernsthaft gerade laut gesagt oder? Wie peinlich! Mein Kopf hört nicht zu denken auf - was lächerlicheres gab es doch kaum!

„Und worüber denkt dein Kopf nach, Sasuke?"

Ärgerlich auf sich selbst, fuhr Sasuke sich durch die dunklen Haare. Itachi musste ihn jetzt für vollkommen bescheuert halten. Seine Wangen färbten sich leicht rötlich, weil ihm die ganze Sache so peinlich war. Erst konnte Itachi wegen ihm nicht schlafen und dann erzählte er auch noch solch einen Müll.

„Hast du dich umentschieden?", wollte Itachi dann wissen. „Willst du doch nicht bei mir wohnen? Du musst ehrlich zu mir sein. Ich möchte nichts tun, dass du nicht möchtest, verstehst du?"

Sasuke nickte und aus Angst, dass Itachi sein Nicken falsch verstand, fügte er an: „Ich hab mich nicht umentschieden."

„Was ist es dann? Hast du Angst, dass es nicht klappt?"

Wieder nickte Sasuke und dieses Mal gab es nichts falsch zu verstehen.

„Gut, hör zu", meinte Itachi dann. Er schaute Sasuke an, doch als der Junge keinen Blickkontakt mit ihm hielt beugte Itachi sich vor, schnappte sich Sasukes Unterarm und zog ihn daran vorsichtig näher, sodass er auf seinem Bett zu sitzten kam.
 

Nur ganz kurz versteifte Sasuke sich. Er mochte es eigentlich nicht, wenn man so mit ihm umging. Ihn am Arm igrendwo hin zog. Und schon gar nicht auf ein Bett. Aber er verstand, warum Itachi dass getan hat und was er erreichen wollte. Und das, was das war, das war weit entfernt, von dem was Männer ihm bei solchen Gesten, sonst angetan hatten.

„Ich mach so was nicht zum esten Mal, Sasuke. Um ein Sorgerecht kämpfen. Nur saß ich sonst immer einen Stuhl weiter links. Ich hab die Leute vertreten, die das Sorgerecht für ein Kind haben wollten. Da waren Großeltern, Mütter und Väter, Tanten und Onkel, mal waren es die große Schwester oder der große Bruder, Adoptiveltern und seltener waren es Leute wie ich. Junge Frauen und junge Männer, denen etwas an einem ganz bestimmten Kind lag. Den verschiedensten Leuten wurde der Antrag aufs Sorgerecht nicht bewilligt und anderen, wo man gedacht hat, das klappt doch nie, die haben das Sorgerecht bekommen. Weil Dinge rauskommen, die den Richter dazu bringen, zuzustimmen und weil es eben die Kinder gibt, die hinter den Leuten stehen, die das Sorgerecht haben wollen. Ich habe bisher kaum eine Verhandlung miterlebt, in denen nicht dem Wunsch der Kinder entsprechend gehandelt wurde. Und da war es dann egal, ob neben mir der zwanzigjährige Bruder saß, die sechzigjährige Großmutter, Pflegeeltern, die das Kind erst paar Wochen kannten oder die Mom der besten Freundin."

„Also... liegt es an mir?", murmelte Sasuke fragend. Er fand es sehr beeindrucken, wie Itachi sprach. Er musste wissen, was er tat. Er war selbst Anwalt, obwohl er noch ein Student war. Er war unheimlich klug und er kannte sich aus. Vielleicht hatte er nur deswegen den Mut gehabt, diesen Schritt zu gehen. Weil er wusste, dass es klappen konnte.

„Es liegt an uns Beiden. Bei dieser Verhandlung und danach. Dann liegt es an uns, was wir aus der Entscheidung machen."

Sasuke nickte. Er hatte Mut geschöpft. Itachi hatte ihm Mut gegeben und Sasuke glaubte, dass wenn alles klappte - und eigentlich musste es einfach klappen, wenn sie es genug wollten - dann könnte Itachi ihm soviel Mut mit auf den Weg geben, dass es für ein ganzes Leben reichte. Und eigentlich war das doch der Sinn, von Leuten, die das Sorgerecht hatten oder um es kämpften: Nämlich, dem Kind, um das man sich kümmerte, soviel von Dingen mit auf den Weg zu geben, dass es für ein ganzes Leben da draußen reichte.
 

~~
 

Am nächsten Tag ging Sasuke zur Schule. Er bemühte sich gut am Unterricht teilzunehmen. Er ging nach der Schule mit zu Suigetsu, weil Karin, Juugo und er ihn gefragt hatten. Itachi sagte er per SMS Bescheid. Dieser musste eh bis zum Abend in der Kanzlei arbeiten. Am Abend, Suigetsu hatte sich grad in die Küche gestellt um für sich und seine Freunde zu kochen - nur Nudeln mit Tomatensoße, nichts Aufwendiges, aber er konnte kochen, schließlich lebte er größtenteils mit seinem großen Bruder alleine - klingelte Sasukes Handy und zeigte an, dass er eine SMS hatte. Itachi würde ihn abholen, er wollte nur wissen, wo Suigetsu wohnte. Also schrieb Sasuke ihm dass und Itachi versprach, in einer Stunde oder so da zu sein. Und er war in einer Stunde oder so da. Das wusste Sasuke selbst nicht genau, denn sie hatten noch zusammen gegessen, er und seine neuen Freunde, und dann hatten sie ein wenig fern gesehen, bis es an der Tür leutete. Suigetsu ging aufmachen und bat Itachi rein, während Sasuke sich schon die Chucks band, um den Älteren nicht zu lange warten zu lassen. Er bekam nicht wirklich mit, dass seine Freunde sich Itachi vorstellten.

„Auf jeden Fall wirken Sie netter als seine Tante", grummelte Suigetsu und Karin stimmte kichernd zu.

„Seit nicht so unverschämt", brummte Juugo, der am Rahmen der Küchentür lehnte, in der sie standen.

„Ach, das ist schon in Ordnung", tat Itachi das ab und Sasuke wusste genau, dass das Lob Suigetsus bei Itachi runter ging wie Öl, denn der konnte seine Tante Anko genauso wenig leiden, wie Suigtetsu, der sie bisher etwa genauso oft, und das war ziemlich selten, gesehen oder gehört hatte.
 

Sie fuhren zurück ins Hotel und da sie beide schon gegessen hatten, gingen sie nacheinander duschen. Während Sasuke noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen hatte, ging Itachi ein paar Unterlagen durch. Aber eigentlich wunderten sich beide den ganzen Abend lang, warum sie nichts von Sasukes Großeltern hörten. Dennoch gingen sie früh ins Bett. Morgen mussten sie wieder um halb sieben raus und die letzte Nacht war auch nur kurz gewesen. Am nächsten Morgen waren sie wenigstens ausgeschlafen und Itachi brachte Sasuke zur Schule und holte ihn am Nachmittag wieder ab. Sie gingen wieder in das deutsche Restaurant, weil Itachi es so mochte und später, um sie davon abzulenken, dass die Großeltern immer noch nicht angerufen hatten und auch beim Telefonat das Sasuke heute von der Schule aus mit ihnen geführt hatte - er musste sich immernoch täglich melden - nichts erwähnt hatte, gingen die beiden ein wenig durch die londoner Innenstadt. Itachi besorgte sich einen Anzug, samt Hemd und Krawatte, weil er das morgen für die Verhandlung brauchte und, da er bei seiner Abreise aus Irland nicht gewusst hatte, dass eine Verhandlung stattfinden würde. Außerdem fand er eine Jeans, die ihm gefiel und die er kaufte und Sasuke zwang er praktisch dazu, sich ein Buch auszusuchen, weil er immernoch nicht wusste, was der Junge sonst gerne tat. Im Grunde wusste Sasuke das nämlich selbst noch nicht so genau. Am Abend als sie wieder im Hotel war, ging alles so, wie am Abend zuvor. Sie gingen duschen, Sasuke machte Hausaufgaben, sie redeten ein wenig miteinander und irgendwann gingen sie schlafen. Morgen war zwar Samstag, aber damit kam gleichzeitig die Verhandlung der Bankraubgeschichte und da musste Itachi wieder früh raus.
 

Am nächsten Morgen band Itachi sich grad die Krawatte, als zum ersten Mal an diesem Tag, sein Handy ging.

„Ich bin wütend, Itachi." Shizune! Wie hatte er sie vergessen können? Er hatte sich kurz aus London gemeldet, um zu sagen, wo er war und dass er in ein paar Tagen zurückkäme und sich wieder melden würde, aber das hatte er nicht.

„Dazu hast du dein Recht, aber ich konnte nicht früher zurückkommen und ich werde noch was bleiben müssen."

„Aha. Und warum? Heute ist die Verhandlung. Und jetzt sag nichts, okay? Ich bin nicht blöd. Natürlich habe ich mit deinen Eltern gesprochen."

Itachi warf einen Blick zur Badezimmertür, hinter der Sasuke unter der Dusche stand. Er zog die halb gebundene Krawatte vom Hals und schmiss sie auf Bett, ehe er zum Flur hinaus ging.

„Ich hab hier Dinge zu erledigen, Shizune."

„Dinge also. Was für Dinge?"

Sei keine Zicke, wollte er ihr an den Kopf schmeißen, aber im Grunde hatte sie alles Recht eine solche Zicke zu sein. Er war ein schlechter Freund. Er hatte viele Fehler gemacht, ihr gegenüber. Zuletzt die Sache mit dem Sorgerecht von dem sie nichts wusste und nichts würde wissen, bis er mit Sasuke heimkam. Er sagte gar nicht mehr, wenn es denn klappte. Denn er war sich sicher, dass er klappen musste.

„Ich muss gleich los. Können wir ein anderes Mal darüber reden?"

„Nein, Itachi. Es tut mir Leid, falls ich dich aufhalte," Ihre stimme wirkte so traurig und so entgültig, „Aber ich muss wissen, was zwischen uns ist. Das ist keine Beziehung, wenn du mir nicht einmal sagst, wo du hingehst und welche Dinge du zu erledigen hast, wenn es doch so wichtig ist, dass du mich vergisst."

„Shizune", sagte Itachi, weil er sonst nichts zu sagen wusste. Sie hatte ja Recht, dass wusste er. Von seiner Seite aus, bemühte er sich nicht eine Beziehung zu ihr zu halten, die über Sex und Freundschaft hinaus ging. Er bemühte sich nicht um sie.
 

„Ich denke einfach", meinte sie dann und Itachi wusste, dass sie gerade den Kopf schüttelte und beinahe weinte,„dass wir beide mehr verdient haben, als das hier."

Er schwieg und so sprach sie weiter, obwohl ihre Tränen bald fließen mussten. So gut kannte Itachi sie dann doch: „Ich will damit nicht sagen, dass alles aus ist zwischen uns. Wir sollten nur warten bis du Heim kommst und dann sollten wir reden, Itachi. Lange und ehrlich und dann können wir entscheiden, wie es mit uns weitergehen soll."

Itachi wusste, dass sie wahrscheinlich von ihm verlangte, dass er jetzt kämpte. Um sie kämpte, um ihre Liebe. Aber das konnte er nicht. Das wäre nicht ehrlich gewesen, deswegen schwieg er zuerst, aber nicht zulange und sagte dann: „Ich fürchte, du hast Recht."

„Dann sollten wir auflegen", meinte sie. Er hörte sie leicht schniefen, aber er merkte, dass sie so tat, als würde sie erkältet sein und nicht weinen.

„Ja." Er wartete einige Sekunden. Beide hatten sie das Gespräch noch nicht beendet. Und als sie leise: „Tschüss", sagte, sagte er noch: „Es tut mir Leid, Shizune." Er hoffte sie würde nie vergessen, dass sie seine beste Freundin war. Und dass er ihr dankbar war. Aber das mit ihnen als Paar war zum Scheitern verurteilt gewesen, bevor sie begonnen hatten, miteinander zu schlafen und so zu tun, als könnten sie diejenigen aus ihrem Freundeskreis sein, die als nächstes vor dem Traualtar ständen und irgendwann ein Haus voller lauter, glücker Kinder hätten.
 

Gerade als Itachi das Handy in seine Hosentasche stecken wollte, klingelte es erneut und er nahm ab. Dieses Mal war es nicht Shizune, sondern Sasukes Großmutter, die ohne eine Begrüßung verlangte, ihren Enkel nach Hause zu bringen.

„Wenn Sie ihn nicht sofort herfahren, werde ich mich mit dem Jugendamt in Verbindung setzten und Sasuke per gerichtlichen Beschluss von Ihnen fort holen. Noch habe ich das Sorgerecht für meinen Enkelsohn."

Um sich zu beruhigen, atmete Itachi heftig aus. Anscheinend war der Brief endlich angekommen. Samstagmorgens, was für eine verrückte Stadt! Was für ein bescheuerter Tag! es würde ihn nicht wunden, wenn die Verhandlung heute total den Bach runter ging. Gott sei Dank war heute nicht die Verhandlung die über Sasukes Zukunft entschied.

„Sasuke möchte nicht zurück. Ich kann ihn zu Ihnen bringen. Der Rest entscheidet sich dann am Donnerstag, aber ich sehe keinen Sinn darin, dass wir Sasuke zu irgendwas zwingen."

„Sie verstehen nicht. Sie möchten nicht verstehen, Mr. Uchiha. Vielleicht können Sie auch ganz einfach nicht verstehen, aber es ist das Kind meines Sohnes und er hat keinerlei Verbindung zu Ihnen. Vielleicht fühlt er sich Ihnen zum Dank verpflichtet, weil Sie ihn von der Straße aufgelesen haben, aber ein Kind gehört zu seiner Familie."

„Nein, der Meinung bin ich nicht." Er hatte nie geglaubt, dass gerade er das einmal sagen würde. Aber es stimmte. Ein Kind brauchte viel eher jemanden, der sich sorgte. Der sich wirklich um die Person bemühnte und nicht darum, welches Blut durch welche Adern floss.

„Falls sie Ihre Entscheidung nicht ändern werden, werde ich Sasuke heute Nachmittag zu Ihnen bringen. Früher habe ich keine Möglichkeit, da ich beruflich in London zu tun habe. Schönen Tag."
 

Er rieb sich über die Stirn und steckte das Handy in die Hosentasche. Er hoffte so sehr, dass die Frau es sich anders überlegte. Er hoffte, dass er Sasuke nicht würde nach Hause bringen müssen. Denn in vier Tagen, bis zur Verhandlung am Donnerstag, konnten diese Leute Sasuke eine Menge Schuldgefühle einreden. Und im Grunde, das wusste Itachi, kam es im großen Maße auch auf Sasukes Wille an. Der Wille, bei wem er leben wollte.

Itachi öffnete die Tür zum Hotelzimmer und band sich die Krawatte. Sie mussten bald los. Er öffnete noch einmal seinen Zopf, kämpfte seine Haare neu und band sie wieder zusammen, als Sasuke aus dem Bad kam und dabei gerade ebenfalls sein Handy wegsteckte.

„Mein Onkel hat mich gerade angerufen", sagte er und blickte vom Boden hoch in Itachis Augen, die sich weiteten.

„Was wollte er?"

„Dass ich bei dir bleibe." Sasuke fuhr sich durch die Haare und erklärte: „Er... hat sich entschuldigt, dass er... das mit meinem Vater nicht... nicht früher gesagt hat und dann, meinte er, ich solle bei dir bleiben. Also, du sollst mich nicht nach Hause bringen, heute Abend... Er meint, er klärt das mit... mit meiner Großmutter und er sagt, wir.., sollen uns keine Sorgen machen. Es sei an ihm... seine Schuld zu begleichen."

„Dein Onkel ist ein guter Kerl, Sasuke", meinte Itachi und legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Er hat viel verloren. Seinen Bruder, seine Frau und das Baby. Du bist der letzte der Menschen, die er beschützten sollte undder geblieben ist. Deswegen beschützt er dich nun."

„Ja, ich weiß", murmelte Sasuke und erneut war er es, der den letzten Schritt tat und Itachi umarmte: „Ich will nicht zurück."
 

to be continued

by Jessa_

Kapitel 10: how itachi creates a home in seven days

Mein Laptop ist ganz, Leute. Das heißt, es wird wieder Antworten auf eure Kommentare zu diesem Kapitel geben. Auf diesem Weg aber möchte ich mich ganz, ganz lieb bei allen Kommischreibern bedanken. Ihr seid Großartig. Dankeschön ;)

Ich habe jetzt nur noch nächste Woche ‚Schule‘, wobei ich da gar nicht mehr Schule hab, sondern nur noch Ausflüge und meinen Abschluss. Ich freu mich riesig ;) Übrigends haben wir gestern unsere ZP-Noten bekommen, mit denen ich sehr zufrieden bin. Mathe 3, Deutsch und Englisch 1. Das werden auch meine Zeugnisnoten sein, yeah :D Ich hab aber mit schlechteren gerechnet, da ich absolut nichts gelernt habe :D

Naja, egal. Genug meinerseits. Viel Spaß bei dem Kapitel und falls ihr schon Ferien habt, wünsche ich euch wunderschöne Ferien.

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 10: how itachi creates a home in seven days

In the beginning God created the heavens and the earth.

Now the earth was formless and empty. Darkness was on the surface of the deep. God's Spirit was hovering over the surface of the waters.

God said, "Let there be light," and there was light.

God saw the light, and saw that it was good. God divided the light from the darkness.

- Genesis 1
 

Itachis Verhandlung war erfolgreich verlaufen. Der Mandant war zwar zur einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden, aber die war so mild ausgefallen, wie sie in einem solchen Fall nur ausfallen konnte. Sasuke war den Montag und den Dienstag noch zur Schule gegangen, während Itachis Arbeit in London vorüber war. Die Tage bis zum heutigen Mittwoch, dem Tag der alles entscheidenden Verhandlung, waren ruhig verlaufen. Manchmal waren sie Itachi vorgekommen, wie die Ruhe vor dem Sturm. Sasuke Großmutter hatte nicht mehr angerufen und er selbst hatte es vermieden, sich bei ihr zu melden. Mit Daiki dagegen hatte er fortan jeden Abend gesprochen. Daiki hielt seine Mutter soweit in Schacht, dass sie Sasuke ihren Willen gelassen hatte, ohne sich mit dem Jugendamt in Verbindung zu setzten. Einen Anwalt hatte sie sich aber doch geholt. Mit diesem stand sie nun vor dem Verhandlungsraum. Und auch Sasuke, Itachi und ihr Anwalt Alessio standen in diesem Flur. Jetzt vor dem Gerichtssaal nutzte Emi Nakano ihre letzte Chance Sasuke dazu zu bringen, seine Entscheidung zu überdenken, denn auch ihr Anwalt hatte ihr erklärt, dass es hauptsächlich um Sasukes Wünsche ging und wenn er nicht bleiben wollte, waren sie so gut wie machtlos. Er war Anwalt, kein Illusionist.

Emi bat Sasuke zu bleiben, sie sagte, sie würde besser für ihn sorgen, als sie es bisher getan hatte und sie würde alles für ihn tun. Er sei doch ihr einziger Enkel. Sie versuchte sogar ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, aber dass hatte er eh schon. Er war die Tage bei Itachi in Hotel geblieben und er hatte sich nicht mehr bei ihr gemeldet, nachdem sie ihn bei sich zuhause aufgenommen und ihm ein Zimmer gegeben hatte. Aber er konnte nicht nach Hause. Nicht dorthin. Langsam, ganz langsam, verstand er, dass es in diesem Leben auch um ihn ging. Seine Wünsche waren nicht wertlos. Er war es nicht. Sasuke wünschte sich eine Zukunft. Er wollte leben und er wollte so leben, dass er irgendwann einmal sagen konnte, dass er zu einem bestimmten Punkt eine richtige Entscheidung getroffen hatte. Und dieser Punkt war nun erreicht, fand er. Er und Itachi hatten in den letzten Tagen viel miteinander gesprochen. Auch über den heutigen Tag und Itachi hatte Sasuke mehrmals gefragt, ob er es wirklich wollte – bei ihm bleiben – und jedes einzelne Mal hatte Sasuke mit einem Ja geantwortet. Eine andere Antwort als diese hatte es einfach nicht gegeben. Und Itachi hatte diese immerzu glücklich gemacht. Sie zeigte ihm, dass Sasuke gern bei ihm war und ihm vertraute. Das war Itachi wichtig.
 

Es waren zuerst Itachi, samt Alessio und Sasukes Großmutter und ihr Anwalt, die den Gerichtssaal betreten mussten. Sasuke hatte noch zu warten. Er saß auf einem der blauen Stühle im Flur und starte Löcher in die Wand. Obwohl es in dieser Verhandlung um ihn ging, war er es, der am kürzesten anwesend sein musste. Und doch, so hatte nicht nur Itachi, sondern auch Alessio es ihm erzählt, war es seine Meinung, die am meisten zählte. Das kannte Sasuke nicht. Es verunsicherte ihn ein wenig, aber irgendwie war es auch ein gutes Gefühl, dass seine Meinung nicht nur auf irgendeine Art und Weise zählte, sondern auch noch die Entscheidende war. Nichts würde hier über seinen Kopf hinweg entschieden werden, denn er hatte das Recht zu sprechen. Ein Recht, dass er von Zuhause aus – einem anderen Zuhause, zu einer anderen Zeit – nicht kannte und dass er erst wieder bei Itachi kennen gelernt hatte.
 

Er wartete eine geschlagene Stunde, aber davor hatte Alessio ihn schon vorgewarnt. Es gab eine Menge zu besprechen. Itachi musste nicht nur schildern wie er und Sasuke sich kennenlernten und all die Zeit darauf, er musste auch preisgeben, wie er sich die Zukunft vorstellte und all das hatte Itachi sich gut durchdacht. Das wusste Sasuke, auch wenn Itachi ihm wenig von seinen Plänen verraten hatte. Sasuke glaubte, Itachi wollte ihn einfach nicht überfordern.

Es war ein Gerichtshelfer, der ihn rein bat und der Richter wies ihn an, sich auf den Zeugenstuhl in der Mitte an einen Holztisch zu setzten. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er in einem Gerichtssaal war. Aber er fühlte sich nicht unwohl. Alessio und Itachi hatten ihm die gröbste Angst genommen und deswegen konnte er recht locker auf die ersten Fragen des Richters antworten. Er bestätigte seinen Namen, sein Geburtsdatum, seine Verwandtschaftsverhältnisse zur Großmutter und einige andere Dinge, ehe der Richter ihn danach fragte, wie er Itachi kennenlernte. Sasuke erzählte die Geschichte. Er erzählte, dass er auf der Straße gelebt hat und dass es ein kalter Winter war, in dem Itachi ihn zu sich nahm und sich um ihn sorgte, aber er verschwieg all das was davor mit Kabuto gewesen war. Das gehörte nicht hierher. Er hatte nicht mit Itachi darüber gesprochen, wie sie mit der Tatsache, was ihm geschehen war, vor Gericht verblieben, aber Sasuke wusste stumm, dass Itachi nichts erzählt hatte. Er würde das nicht tun. Weil er Respekt vor Sasuke hatte. Weil er ihn achtete.
 

Der Richter war ein großer, ergrauter Mann mit bleichem Gesicht, aber freundlichen Zügen. Er lauschte Sasukes Antworten mit der größten Aufmerksamkeit. Und so fiel es Sasuke nicht schwer, zu sagen was er glaubte. Dort gab es jemanden, der entscheiden konnte, dass Itachi sein Vormund würde und er hörte ihm zu. Sasuke hatte natürlich ein schlechtes Gewissen seiner Großmutter gegenüber. Sie saß, je mehr er sagte, immer zusammengesunkener da. Sie tat ihm schon leid. Sie hatte einen Sohn verloren, der ihr ein und alles war und nun verlor sie ihren einzigen Enkel, weil er zu kaputt war, um in solch Familienverhältnissen großzuwerden. Er hatte eine Chance bei Itachi, die er hier nicht hatte, und die wollte er nutzten. Weil er durch die Briefe seines Vaters, wieder seinen Wert erkannt hat. Und er wusste, dass es noch jemanden gab, der um seinen Wert wusste. Derjenige war Itachi. Zu ihm wollte er. Weil er die Hoffnung hegte, dass dann alles gut würde. Dass er dann in Ordnung kommen könnte. Er glaubte, dort die Chance zu haben, das in Ruhe zu tun. Sich heilen lassen und sich selber heilen.

Das alles sagte er dem Richter nicht. Denn der würde nicht verstehen. Aber Sasuke sagte, dass er seine Großeltern zwar sehr möge und ihnen sehr dankbar sei, für die Wochen in denen sie sich um ihn kümmerten, aber dass er lieber bei Itachi wohnen würde, weil sie wirklich gute Freunde geworden waren.

„Ich möchte dazu ergänzen, Herr Vorsitzender, dass ich glaube, dass Sasuke sich bei mir besser aufgehoben fühlt. Sehen Sie, seine Großeltern, sowie seine Tante und sein Onkel die ebenfalls in dem Haus wohnen, haben genug mit sich selber zu tun und daher kaum Möglichkeiten sich ausreichend um einen Jugendlichen zu kümmern“, warf Itachi ein.

„Das kann so nicht stimmen“, fuhr der Anwalt der Großmutter ein. „Meine Mandantin hat durchaus die Zeit und die Kraft sich um ihren Enkel zu kümmern. Was man von Ihnen, zeitlich gesehen jedenfalls, nicht behaupten kann. Sie studieren, arbeiten und sind alleinstehend. Wie wollen Sie sich da ausreichen um einen Jugendlichen kümmern?“

Der Richter bedeutete Itachi auf die Frage zu antworten, als dieser kurz zögerte.

„Sicherlich“, sagte er dann. „Das mag ja alles stimmen. Ich studiere, arbeite und bin alleinstehend, aber Sie müssen berücksichtigen, dass ich in der Kanzlei meines Vaters angestellt bin und so mehr Freiheiten habe, als möglicherweise ein normaler Angestellter. Ich könnte meine Arbeit also so legen, dass sie identisch zu Sasukes Schulzeiten ist. Zusätzlich wäre es für mich kein Unding mein Studium zu unterbrechen.“
 

„Sehen Sie, Herr Vorsitzender“, wandte Alessio Sciutti ein. „Mein Mandant ist bereit, sein Leben von Grund auf umzukrempeln. Das unterstützt nur unseren Standpunkt, dass es für meinen Mandanten momentan nichts Wichtigeres gibt, als Sasukes Wohl.“

Es war Sasukes Blick der zu Itachi ruckte. Verwunderung lag in ihm. Natürlich wusste er, dass er Itachi was bedeutete, aber dass er das Wichtigste war, das wusste er nicht. Aber es fühlte sich toll an. Unheimlich… toll!

Und es gab ihm Mut. Mut den Mund aufzumachen. Seine Wünsche zu äußern.

„Ich möchte bei Itachi leben“, sagte er und fixierte den Richter. „Er kennt mich wirklich und ich fühle mich wohl bei ihm. Bitte, Sir.“

„Sie hören ihn“, fuhr Alessio dazwischen. Ihm lag diese Verhandlung am Herzen. Itachi war sein längster Kindheitsfreud. Er war immer ein Fall für sich gewesen. Alessio wusste, wenn er die Sonne war, war Itachi immer schon das genaue Gegenteil davon gewesen. Er war die Eiszeit. Er war ein Arschloch. Und die Betonung lag auf dem Wörtchen ‚war`, denn Itachi hatte sich verändert. Dieser Junge hatte etwas in ihm verändert. Alessio wollte diese Verhandlung nicht verlieren, auch wenn der Anwalt der Gegenseite viel älter und erfahrener war als er. Er konnte einfach nicht verlieren. Für Itachi und für Sasuke, den er kaum kannte, musste er die Verhandlung gewinnen. „Er fühlt sich wohl bei meinem Mandanten. Und ich hoffe ich spreche für alle hier Anwesenden, wenn ich sage, dass das Wohl Sasukes für uns allerwichtigste Priorität in diesem Fall darstellt. Sollten wir daher nicht nach seinen Wünschen handeln?“
 

Itachi sah es in der Miene des Richters. Er sah, dass sie gewonnen hatten. Dieses Mal hatte Sasuke nicht die weiße Flagge gehisst. Er hatte gekämpft. In seinen Augen war solch eine Entschlossenheit gewesen, die Itachi stolz auf ihn sein ließ. Sasuke fühlte sich wohl bei ihm. Das war der ausschlaggebende Satz. Der Satz, der Alessio die Worte hat sagen lassen, die zum gewinnen dieser Verhandlung unerlässlich gewesen waren. Itachi lächelte und er atmete erleichtert aus.

Es war nicht mehr quälend für ihn auf den Richter zu warten, der sich in die Kammer zurückzog, um das Urteil zu fällen. Und als er rauskam, sagte er das, was Itachi erwartet hatte, er würde es sagen. Sein Blick, ja der hatte wahrlich tausend Worte gesprochen.

„Ich finde es immer wieder eindrucksvoll, wenn junge Menschen eine Verantwortung übernehmen wollen, von derer man sagt, sie sei nicht zu packen. Hier haben wir einen jungen Mann, der mitten im Jurastudium ist und sich dennoch um einen Jugendlichen kümmern möchte. Ich verstehe ihre Motive dahinter noch nicht gänzlich, Herr Uchiha, aber ich merke, dass Sie beide, Herr Uchiha, Sasuke, sich sehr nahe stehen. Ich möchte den Wünschen eines Heranwachsenden nicht im Wege stehen. Aus diesem Grunde und dem, dass sie mich überzeugt haben all die Dinge unter einen Hut zu bekommen, Herr Uchiha, spreche ich ihnen das Sorgerecht für den Minderjährigen Sasuke Nakano zu.“

Itachi hörte kaum mehr hin, als der Richter die Paragraphen runter leierte. Aber die Worte hatten auch ihn beeindruckt. Sie hatten einen Glücksgriff mit diesem Richter gelandet, genauso wie sie einen Glücksgriff mit der Mitarbeiterin des Jugendamtes gelandet hatten. Ohne diese zwei Personen wäre Itachi soweit nicht gekommen. Er wusste, dass er ihnen beiden zum Dank verschuldet war. Es gab also immer noch Menschen die ihren Job wählten, um das Richtige zu tun.
 

„Sasuke“, wandte der Richter sich zum Schluss noch einmal an den Jugendlichen. „Du wirst in einem anderen Land leben aber nicht in einer anderen Welt und wenn ich mir deine Großmutter anschaue, möchte ich dir nur raten – und das nicht als vorsitzender Richter dieser Verhandlung, sondern als Familienvater und Großvater – dass es nicht schwer ist eine Nummer zu wählen und deine Familie anzurufen, um zu fragen, wie es ihnen geht.“ Er nickte dem Jungen zu und schloss die Verhandlung.

Es war Itachi der sich sofort erhob und noch ehe Alessio ein Wort an ihn richten konnte, war er bei Sasuke und drückte den Jungen an sich. Er dachte nicht nach. Er war einfach nur so glücklich. Er würde für Sasuke sorgen können. Er würde ihn mit nach Irland nehmen und er würde ihm eine Zukunft schenken.

„Wir packen das“, sagte er und meinte jedes einzelne Wort genauso, wie er es sagte. Sasuke nickte und als Itachi ihn losließ, lächelte er ihn an. Es war unbeschwerter und freier als je zuvor und Itachi wusste, dass er genau das Richtige tat, wenn er Sasuke mit nach Irland nahm. Er konnte es nicht erwarten, nach Hause zu kommen.
 

~~
 

Der Flug war schnell gebucht. Sasuke und Itachi verbrachten noch zwei Nächte und einen Tag in London und am späten Morgen des zweiten Tages standen sie, mit den beiden Reisetaschen im Leihwagen und ein paar Kartons im Gepäck vor dem Haus Sasukes Großeltern. Daiki war es, der ihnen öffnete und der ihnen half, Sasuke wenige Habseligkeiten – ein paar Klamotten, die wenigen Bücher, das Fotoalbum und die Kamera – einzupacken. Sie Schulsachen ließ er hier. Er würde schon bald auf eine andere Schule gehen und sonst gab es nichts, was ihm gehörte. Er maß sich nicht an, irgendwas von dem mitzunehmen, was sie für sein Zimmer gekauft hatten, obwohl er das eine Bild, das sein Großvater und er ausgesucht hatten um die Wände zu verschönern, wirklich ziemlich mochte. Während Itachi die beiden kleinen Kartons zum Auto brachte, ging Sasuke hoch und klopfte an das Schlafzimmer seiner Großeltern. Es war die heisere Stimme seines Großvaters, der ihn hereinbat. Sasuke ging zum Bett und hockte sich davor runter, sodass er auf Augenhöhe mit seinem Opa war. Sie beide hatten wenig miteinander zu tun gehabt, obwohl Sasuke beinahe zwei Monate hier lebte. Der alte Mann hatte kaum etwas von den Problemen mitbekommen, aber in den letzten Tagen ging es gesundheitlich wieder mit ihm bergauf und dass Sasuke ging, dass verstand er durchaus.

„Es ist die falsche Entscheidung. Für das falsche Land. Es hat meinen Sohn auf dem Gewissen.“

„Ich weiß“, murmelte Sasuke. Er wusste, dass sein Vater in Irland gestorben war. „Aber es ist mein Zuhause.“

Der alte Herr nickte. Das verstand er, obwohl er kaum etwas mehr hasste als Irland.

„Geh jetzt, Junge“, meinte er und hob seine Hand, um sie auf Sasukes Schulter zu legen und kurz zuzudrücken. „Sag deiner Großmama auf Wiedersehen.“

Das tat Sasuke. Er ging hinunter in die Küche, zu seiner Oma. Sie saß am Tisch und trank Tee. Sie weinte.
 

„Oma“, sagte er und ging näher. Er wusste, dass er sie kaum so genannt hatte. Die ganzen Wochen über nicht. Er hatte sich nicht getraut. Es war ihm falsch vorgekommen, weil er sie doch kaum kannte.

Sie ignorierte ihn, doch er ging näher, setzte sich neben die alte Frau auf einen Stuhl.

„Wir fahren jetzt, Oma.“

Sie blickte ihn nicht an. Es war als ging seine Stimme in das eine Ohr hinein und genau auf der anderen Seite sofort wieder hinaus. Stumm saß er einige wenige Minuten bei ihr. Sie tat ihm Leid und er hatte ein schlechtes Gewissen. Er wollte bei Itachi leben, aber er wollte seiner Großmutter nicht wehtun. Das hatte sein Vater zu genüge getan, indem er sich nicht verabschiedete. Und Daiki, indem er trank. Und Anko, indem sie keine Frau mit Kindern war, die die Großmutter betüddeln konnte.

Er stand auf. Was sollte er auch noch sagen? Sie wollte ja nicht mit ihm sprechen. Sie wollte ihn wahrscheinlich nicht mal sehen. Irgendwie konter er sie ja verstehen. Bei der Verhandlung hatte er sich gegen sie entschieden und sie besaß nun alles Recht, ihn nicht mehr als Familie zu betraten. Er ging zur Küchentür und blieb kurz stehen.

„Es tut mir Leid, Oma.“ Er drehte sich noch einmal um. Die Frau sah ihn nicht an, aber er musste es einfach sagen. Er musste, weil er gerade ein wenig Mut in sich spürte. Weil er gerade wusste, dass es richtig war und dass es ihr vielleicht, ganz vielleicht, helfen konnte.

„Danke, dass du Papa so großgezogen hast, dass er mich so sehr hat lieben können. Danke, Oma.“
 

~~
 

Gegen Abend des ersten Tages kamen sie in Irland an und fuhren zu Itachi. Seine Wohnung lag still und verlassen da. Die Glühbirne im Flur brauchte einige Sekunden länger um hell zu werden, als Sasuke es in Erinnerung hatte. Es fühlte sich für ihn nicht wie nach Hause kommen an, aber er wusste das Itachi sein Zuhause war und deswegen war er davon überzeugt, dass diese Wohnung auch jenes werden könne. Es würde schon ungewohnt sein, wieder auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen, nachdem er einige Wochen lang sowas wie ein eigenes Zimmer besessen hatte. Aber um bei Itachi zu leben, nahm er das in Kauf. Und Itachi tat wirklich alles damit er sich wohl fühlte. Er kochte einen Tee für ihn, weil Sasuke auf dem Flug ein wenig schlecht geworden war und während Sasuke trank, bezog Itachi die Couch im Wohnzimmer. Er suchte eine Dvd aus, die sie ansahen, schob Aufbackpizzen, die er noch in der Kühltruhe hatte, in den Ofen und noch bevor Sasuke am Abend schlafen ging, räumte Itachi zwei Fächer seines Schrankes leer, um dort die Klamotten von Sasuke unterzubringen. Die Bücher und die Kamera, samt das Album, legte Itachi in eine freie Schublade, ehe er auf sein Bett zeigte.

„Sieh es erstmal als dein Zimmer an“, sagte er lächelnd.

„Aber…“, setzte Sasuke an, doch Itachi schüttelte den Kopf.

„Es wird nicht für lange sein. Aber du brauchst einen eigenen Raum. Es ist nichts weiter dabei.“

Sasuke wollte nicht mehr wiedersprechen. Er würde einfach das tun, was Itachi sagte. Denn jetzt war dieser schließlich sein Erziehungsberechtigter und er wollte ja immer nur das beste für ihn. Deswegen nahm Sasuke das Bett zum schlafen, während Itachi sich auf die Couch verzog.

In dieser Nacht schlief Sasuke ruhig. Ruhiger als je zuvor bei seinen Großeltern. Er war erschöpft und wusste, dass dort im Nebenraum jemand war, der sich um ihn sorgte. Für den er zur Zeit das Wichtigste war.

Und auch Itachi schlief seelig, denn er wusste, dass das was er tat, gut war.
 

~~
 

Am Morgen des zweiten Tag stand das Frühstück schon auf dem Tisch, als Itachi seinen Schützling weckte. Sie aßen gemeinsam, in aller Ruhe. Auf eine neue Art und Weise gewöhnten sie sich aneinander. Es war lange her, dass sie gemeinsam an diesem Tisch gesessen hatten und obwohl sie die Zeit im Hotel gemeinsam, auf engstem Raum verbracht hatten, mussten sie nun lernen, miteinander zu leben. Dies ließ sich nicht einfacher und besser beginnen, fand Itachi, als mit einem ausgewogenem Frühstück, bevor sie sich fertig machten, einkaufen fuhren und später, als alle Lebensmittel, die sie besorgt hatten, in der Küche und im Abstellraum gelagert waren, fuhren sie zu Itachis Eltern, weil dieser ihnen erzählen wollte, was er in London getan hatte. Er wollte, dass sie wussten, dass er nun der Vormund eines Kindes war.

Sasuke aber war nervös, als sie vor der Tür Itachis Elternhauses standen. Er war erst zweimal hier gewesen und das war schon eine Weile her. Und ob Itachis Eltern die ganze Situation so großartig fänden, wie dieser das tat, konnte Sasuke sich keinesfalls vorstellen. Seine Mutter war sehr lieb; die würde wahrscheinlich keine Kritik an ihrem Sohn äußern, wenn Sasuke dabei war, aber gerade vor der Reaktion seitens Itachis Vater hatte er eine anständige Portion Angst. Itachi war in dessen Kanzlei angestellt und er würde Arbeit zurückstecken müssen, um sich vollstens um Sasuke zu kümmern. Selbst wenn sie eine Schule für ihn gefunden hätten, würde Itachi nicht mehr so viel arbeiten können wie zuvor noch. Das konnte der Familienvater einfach nicht gutheißen.
 

Es war Itachis Mutter, die ihnen beiden öffnete. Sie war verwundert, dass Sasuke dabei war. Das sah man ihr an. Aber sie lächelte und gab ihm die Hand, während sie sagte, wie schön es doch wäre ihn wiederzusehen. Aber noch bevor sie ganz drinnen waren, fragte sie auch, warum er denn in Irland war.

„Das ist eine lange Geschichte, Mama. Hättest du vielleicht eine Tasse Kaffee für mich und könntest Papa zu uns rufen?“

„Klar. Natürlich, Itachi. Geht schonmal in Wohnzimmer. Wir kommen sofort.“

Er nickte ihr dankend zu und verschwand mit Sasuke ins angrenzende Wohnzimmer. Sie setzten sich nebeneinander auf das Sofa, genau auf den Plätzen, die sie auch am heiligen Abend für sich beansprucht hatten und warteten auf Itachis Eltern. Es war zuerst Itachis Vater, der den Raum betrat und sich auf dem Sessel niederlies. Er begrüßte seinen Sohn und den jungen Nakano nur mit einem Nicken und einem kurzen Gruß, ehe er schwieg und auf seine Frau wartete, die schon bald mit Kaffee für sich, ihren Mann und Itachi, einem Kakao für Sasuke und einem Teller voller Plätzchen den Raum betrat. Sie stellte das Tablett mit den Getränken und Süßkram auf dem Wohnzimmertisch und lies sich neben Sasuke auf das Sofa sinken, weil dort noch genug Platz war und sie so nicht eingeengt zwischen Itachi und der Sofalehne hockte.

Fugaku Uchiha griff nach seiner Kaffeetasse und wandte sich an seinen Sohn.

„Du wolltest mit uns sprechen, Junge?“

„Ja. Es geht um Sasuke.“ Itachi schob sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst und dorthin verirrt hatte.

„Das kann ich mir denken.“

„Ja.“ Itachi nickte und blickte zu dem Jungen. Er wusste doch, dass es das richtige war, was er hier tat. Es gab nichts was je richtiger gewesen war als das hier. Nichts, was er zuvor mehr gewollt hatte, als Sorge für diesen Jungen zu tragen.
 

„Was ist denn los, Itachi?“, wandte seine Mutter ein, als er nicht sofort sprach. Ihr Junge war doch sonst nie verunsichert oder schüchtern. Er hielt nie so lange den Mund, wenn es etwas gab, dass geklärt werde musste. Und dass es nun so war, besorgte sie.

„Ich glaube, ich muss zuerst einmal sagen, dass ich die Sache auch weiterhin durchziehe. Ob ihr dagegen seid oder dafür spielt keine Rolle. Aber ich würde mir wünschen, dass ich eure Unterstützung habe.“ Verstand sie das richtig? Ihr Sohn wollte für irgendetwas ihren Segen? Sie glaubte, in diesem Moment würde sie ihm den für alles in der Welt geben. Denn Itachis entschlossener Blick und diese Lebendigkeit in der Stimme – diese unendliche Menschlichkeit – trieb ihr beinahe die Freudentränen in die Augen.

Itachi spürte Sasukes Blick auf sich. Natürlich hieß der Jugendliche es nicht gut, wie er mit seinen Eltern sprach, aber er wollte von Beginn an die Wahrheit sagen. Er würde sich um Sasuke kümmern. Mit oder ohne der Hilfe und den Segen seiner Eltern. Es gab kein Zurück. Für ihn gab es das nicht. Vom heutigen Tag an, wollte er für Sasuke da sein. Er wollte in dessen Leben jemand werden, der nicht austauschbar war.

„Ich bin in London vor Gericht gegangen. Und ich habe in einer Verhandlung das Sorgerecht für Sasuke zugesprochen bekommen. Ich werde mich von heute an um ihn kümmern.“
 

Mikoto Uchiha war sprachlos. Ihr Junge war der Erziehungsberechtigte eines Teenagers, der selbst nur sieben Jahre jünger war als er. Itachi hatte das alles in weniger als zwei Wochen auf die Beine gestellt. Er musste das hier wirklich wollen.

„Ich hoffe für dich, dass du dir das gut durchdacht hast, Itachi“, wandte Fugaku ein. Sein Blick war hart. Nicht verärgert, aber unnachgiebig. „Du kannst sowas nicht einfach mal so rückgängig machen und Sasuke abschieben. Denn das werde ich nicht zulassen. Mein Sohn ist kein undurchdachter Taugenichts, der solche Entscheidungen aus einer Laune heraus fällt und dann nicht zu seinem Wort steht und das tut, wozu er sich, warum auch immer, entschlossen hat.“

„Nein, Papa. So ein Kerl bin ich nicht.“ Itachis Gesichtszüge wirken genauso unnachgiebig wie die seines Vaters. Sasuke fand, gerade jetzt in diesem Moment, waren die beiden sich sehr ähnlich. Das war irgendwie beeindruckend, wenn man bedachte, dass Itachi sonst beinahe das genaue Ebenbild seiner Mutter war. Er selber wusste gar nicht, von welchem Elternteil er mehr hatte. Viele sagten, er sei ganz sein Vater. Aber immerzu sah er auch eine gewisse Ähnlichkeit zu seiner Mutter, derer er sich nicht schämte. Denn es hatte eine Zeit gegeben, in der sie ihn sehr liebte. Sein Vater hatte geschrieben, dass sie ihn, noch bevor er geboren wurde, mehr als nichts anderes auf der Welt, gewollt hatte.

Sie alle schwiegen eine Weile und dann sagte Itachis Vater: „Dann wirst du meine Hilfe bekommen, wenn du sie benötigst. Ein Kind“ – er suchte nach dem richtigen Wort – „großzuziehen, ist nicht einfach.“

„Ich weiß“, meinte Itachi. „Danke, Papa.“
 

Plötzlich fühlte Sasuke wie seine Hand in zwei Hände genommen wurde. Sanft hielten sie die seinige. Er blickte zur Seite in das Gesicht von Itachis Mutter. Sie war wirklich hübsch. Und sie war so sanft. Es beruhigte ihn, wie sie seine Hand hielt. So sehr, dass er froh war, dass sie ihn erst mal nicht losließ. Er hatte es schon gemocht, als sie ihn nach seinem Alptraum über den Rücken gestreichelt hatte. Er wünschte, seine Mutter wäre nur ein bisschen mehr wie diese Frau. Dann hätte er nie so leiden müssen. Er wünschte in diesem Moment gar, dass jede Frau auf dieser Welt ein bisschen mehr wie Itachis Mutter war. Denn dann wäre die Welt ein gutes Stück besser.
 

~~
 

Am dritten Tag meldete Itachi Sasuke in der Schule an. Er würde aber erst nächsten Montag, am ersten März, hinmüssen. Trotzdem besorgten sie Schulsachen in der Stadt, bevor Itachi zu der Wohnung fuhr, die er gestern noch gemeinsam mit seinem Vater rausgesucht hatte. Sie stand frei, war komplett renoviert und war ganz in der Nähe der Kanzlei und mit dem Bus war es zur Schule nur ein Katzensprung. Vor der Tür des Hauses in dem die Wohnung lag, wartete die Maklerin, die Itachis Vater kontaktiert hatte. Eigentlich wollte sie heute keinem Kunden mehr die Wohnung zeigen. Sie war sich fast schon sicher gewesen, welchen Mieter sie nehmen wollte, aber Itachis Vater, dem es wirklich ernst gewesen war zu helfen, hatte seine Beziehungen – und Itachi glaubte auch den ein oder anderen Geldschein – spielen lassen um diesen Besichtigungstermin zu arrangieren. Wahrscheinlich stand schon jetzt fest, dass Itachi die Wohnung bekommen würde, wenn er sie denn wollte.
 

Die Maklerin führte ihn und Sasuke durch die im Erdgeschoss liegendeWohnung. Sie war absolut großartig, fand der Uchiha. Von einem großen, hellen Wohnzimmer aus, führte eine Glastür in einen kleinen Garten samt Terrasse. Die Wohnung besaß, neben diesem tollen Raum und dem tollen Garten, eine moderne Küche, ein frisch renoviertes Badezimmer, ein kleines Gästeklo, eine Abstellkammer, wie Itachi sie auch in der alten Wohnung gehabt hatte, einem großen Flur, von dem aus man in alle Räume gelangte und, am wichtigsten, zwei Schlafzimmer. Itachi musste nicht überlegen. Keine Sekunde lang. Er wollte diese Wohnung. Er fand sie perfekt. Das war der Ort, an dem er ein Zuhause für Sasuke schaffen wollte. Er blickte zu dem Jungen, der an der Tür zum Garten stand und hinausblickte. Auch er hatte die Wohnung mit staunenden Augen betrachtet. Bei seinen Großeltern hatte er zwar in einem Haus gewohnt, aber das war alt gewesen und dunkel. Und gegen diese Wohnung war Itachis jetzige gar nichts. Die hier war einfach unglaublich. Deswegen wollte Itachi die. Er sah, dass sie Sasuke auch gefiel.

„Ich möchte diese Wohnung. Sie haben nicht zu viel versprochen.“

„Ich weiß, Herr Uchiha.“

„Dann sagen sie mir einen Preis.“

„Gerne. Die Wohnung ist, wie sie wissen, nur als Eigentum verkäuflich. Sie steht bei einem Preis von 130000 Euro.“

Das war eine stolze Summe Geld. Nicht mal er hatte so viel auf dem Konto. Aber er hatte die Möglichkeit einen Kredit bei der Bank anzunehmen, den er monatlich zurückzahlte. Das hatte er schon vorher abgeklärt. Da sein Vater seine Studiengebüren übernahm und ihm dennoch ein gutes Gehalt von mehren tausend Euro zahlte und er auch nebenbei als Model eine Menge verdiente (ob er das weitermachte, jetzt wo Sasuke bei ihm wohnte, war er sich jedoch nicht so sicher), würde er monatlichen gut 2000 Euro zahlen können. Das wären also etwa 5 Jahre, die er brauchen würde, um seinen Kredit abzuzahlen. 5 Jahre, die ihn fort brachten von seinem großen Wunsch, dem Bootsrestaurant. Aber Sasuke war wichtiger als das. Er war es von Anfang an gewesen. Sonst hätte Itachi nie gewagt, ihn zu sich zu holen. Deswegen brauchte es da keine Überlegungen mehr. Er würde diese Wohnung nehmen. Also regelte er das Finanzielle mit der Maklerin und unterschrieb den Kaufvertrag.
 

~~
 

Der morgen des vierten Tages begann mit einem wirklich kurzen Frühstück und es folgte ein langer Tag im Möbelladen. Itachi hatte entschieden, die Wohnung die bald schon sein Eigentum war, so einrichten zu wollen, dass sie ein Neuanfang war. Er wollte nichts aus der alten Wohnung mitnehmen, dass zu groß war, um nicht in sein Auto zu passen. Ein paar kleine Dinge wie seinen Plattenspieler und den Fernseher natürlich ausgenommen. Sie kauften eine breite, sehr gemütliche Couch, einen Couchtisch, einen Schrank für das Wohnzimmer, suchten einen Esstisch samt Stühlen aus. Itachi entschied sich für eine neue Schlafzimmereinrichtung. Sie besorgten Regale für die Abstellkammer, Kleinkram für das Bad, sie kauften sogar Gartenmöbel, weil Itachi die Terrasse nutzen wollte und weil er so in Euphorie war, nahm er den kleinen Webergrill mit, der in der Gartenabteilung stand. Am Schluss, als Itachi glaubte, das ganze Lager lagerte nun ihre Sachen und als sie auch schon einen Großteil der Deko für die neue Wohnung im Einkaufswagen liegen hatten, blieb nur noch die Einrichtung für Sasukes Zimmer übrig. Sie fuhren zurück in die Bettenabteilung, doch Sasuke wagte nicht, sich eines auszusuchen. Er wollte erstmal schauen, ob Itachi das nicht für ihn entschied. Dennoch blickte er sich um.

„Und?“, machte Itachi fragend. Unsicher zuckte Sasuke mit den Schultern. Itachi hatte nicht auf die Preise er jeweiligen Möbel geschaut, die er auswählte. Soweit Sasuke das mitbekommen hatte, zahlte er einen Teil von dem Geld, dass er auf dem Konto hatte und den Rest von dem Kredit den er für die Finanzierung der Wohnung aufgenommen und einfach um 5000 Euro mehr geschlossen hatte. Aber Sasuke wollte ihm nicht unnötig viel Geld kosten. Er schaute auf die Preise, die an den Betten auf große weißen Zetteln hingen. Das billigste war ein einfaches Holzbett. Es sah klobig aus und nicht wirklich schön, aber das war nicht schlimm, denn es kostete nur 75 Euro. Deswegen ging er etwas näher dorthin und zeigte auf das Bett seiner Wahl.

„Du glaubst doch nicht ehrlich, dass wir uns so ein Bett in unsere neue, geniale Wohnung stellen, oder Sasuke?“

„Es ist doch nur… mein Zimmer.“

„Dummkopf.“ Itachi lachte leise und stieß Sasuke gegen den Ellbogen. Sachte, spielerisch. Er tat ihm nicht weh. Deswegen hatte Sasuke auch keine Angst oder fühlte sich unwohl. Er fand es eigentlich sogar ziemlich gut, dass Itachi etwas lockerer war. Deswegen verstand er auch die Wirkung, die hinter dem Dummkopf steckte. Itachi dachte nicht wirklich, er sei dumm. Das war nur Spaß gewesen. Ein Jux. „Such dir jetzt das aus, dass du gut findest.“

Sasuke nickte, blickte sich wieder um, zwang sich dabei erstmal durch die Preise hindurch zu sehen. Aussortieren, weil es viel zu teuer war, konnte er am Ende ja immernoch.
 

Sasuke mochte tiefe Betten. Vorallem die, die keine Füße hatten, sondern gerade auf dem Boden standen, fand er toll. Aber er merkte, dass die meisten davon sehr teuer waren, weswegen er sich ein aussuchte, dass nur kleine Füße hatte, also trotzdem flach war und dessen Holz mit schwarzem Lack lackiert war. Sie kauften passend eine Matratze, suchten passendes Mobiliar für das Zimmer aus. Itachi bestand darauf, dass Sasuke auch Deko nahm. Ein Bild für die Wand, Vorhänge, eine grüne Pflanze im Top und allerlei mehr oder minder praktisches Zeug, dass gut in sein neues Zimmer passen könnte und diesem Leben einhauchen würde.

Ihr nächster Halt war der Baumarkt. Itachi besorgte Farben für die Wand im Wohnzimmer, die eine in der Küche, die nicht gefließt war, für sein Zimmer, den Flur und für Sasukes Zimmer suchten sie gemeinsam einen schönen Blauton aus, den eine Wand zieren würde. Auch zwei Wandtatoos und zwei Rollen Bodüre fanden ihre Weg in den Einkaufswagen und von dortaus in Richtung Itachis Wagen, mit dem sie alles, wie auch den Dekokram zuvor, in die neue Wohnung brachten. Die Möbel würden schon übermorgen kommen.
 

~~
 

Am fünften Tag waren Itachi und Sasuke schwer beschäftigt. Ihre Kleidung durch durchsichtige, weite Ganzkörperanzüge aus Plastik und bewaffnet mit Pinseln und Farbrollen machten sie sich daran, die Wände zu streichen. Sie hatten zuvor schon alles mögliche abgeklebt und Plastikfolie ausgelegt, um den Boden nicht zu verschmutzen. Sie strichen die Wände im Flur in einem hellen Beige. Eine Bodüre aus geschnörkelten Mustern sollte sich ganz am Ende durch den Raum ziehen.

Die Wand im Wohnzimmer, an der die Couch stehen sollte wurde halb hellgrün und halb braun, weil die Couch es ebenso war. Itachi hatte eigentlich wieder eine aus Leder haben wollen, aber diese breite braune Couchlandschaft war ihm einfach sofort ins Auge gesprungen. Eine Wand in seinem Schlafzimmer bekam einen warmen Cremeton samt braunem Wandtattoo. Ein Wandtattoo kam auch in die Küche, da wo die Wand halbseitig rot werden sollte. Sasukes Zimmer war zum Schluss dran. Es bekam an einer Wand seinen blauen Grundton, aber auf der Mitte der Wand strich Itachi einen braunen Strich, ähnlich einer Bodüre, der der Wand mehr Struktur gab. Am Ende, da waren sie beide vollkommen zufrieden von ihrer Arbeit, aber auch vollkommen erschöpft. Sie hatten den ganzen Tag nichts anderes getan als zu streichen. Aber es hatte sich gelohnt. Die Wohnung war jetzt noch schöner, als zuvor schon. Itachi fühlte sich hier schon richtig Zuhause.

Er ließ sich im Flur, wo die Wand schon getrocknet war, auf dem Boden nieder und lehnte sich an die Wand. Die Tür zum Wohnzimmer war offen. Sasuke stand da drin und blickte hinaus in den Garten. Hinter diesem lag eine wenig befahrene Straße und umliegend noch mehr Häuser mit noch mehr Gärten. Es war wirklich eine schöne Gegend.

„Wirst du es hier mögen können?“, wollte Itachi wissen. Sasuke zu fragen, ob er es bereits mochte, schien ihm falsch, denn für ihn war das hier wohl noch kein Zuhause. Sicherlich fühlte Sasuke noch nicht das gleiche Gefühl wie Itachi. Das Gefühl, angekommen zu sein, auch wenn noch kein einziges Möbelstück in dieser Wohnung vorhanden war.
 

Sasuke schaute hinaus. Er mochte den Garten. Den großen Baum der am Ende stand und herunterhängende Äste hatte. Sasuke wusste, im Sommer würde der Garten noch viel schöner sein. Vielleicht konnten Itachi und er ja paar Blumen pflanzen oder noch ein kleines Bäumchen irgendwo hin. Er hatte zuerst nur unterschwellig mitbekommen, dass Itachi mit ihm gesprochen hatte, doch nach wenigen Sekunden, wandte er sich um und ging in den Flur, wo Itachi auf dem Boden hockte und völlig alle war. Er nickte und sagte leise: „Ja.“

„Das hier wird unser Zuhause“, meinte Itachi und blickte an Sasuke vorbei hinaus. Der Wind ließ die wenigen Blätter die noch oder schon wieder an dem Baum hingen tanzen. Die Fahne eines Fußballsvereins im Nachbargarten, den er von hier aus sah, flatterte wild. Wieder nickte Sasuke, doch dieses Mal ließ er sich neben Itachi auf den Boden sinken und blickte dorthin, wohin der Uchiha auch schaute.

Das war es schon. Sein Zuhause. Denn wo auch immer Itachi sein mochte, würde er daheim sein.
 

~~
 

Am sechsten Tag kamen die Möbel. Itachi hatte Kakashi herbestellt, mit dem er auch schon vorher kurz gesprochen hatte, um ihm zu erzählen, dass er nun Sasukes Vormund war. Kakashi brachte seinen Freund Iruka mit und auch Pein kam, ebenso Shisui, Itachis Cousin, der ihn zum Modeln gebracht hatte. Zu sechst bauten sie die Möbel auf, holten die Kartons aus Itachis alter Wohnung und brachten sie in die neue. Es war später Nachmittag als Konan ihnen Kartoffelsalat und Würstchen brachte und sie gemeinsam auf dem Fußboden aßen, weil gerade der Tisch mit den Stühlen und das Sofa noch nicht ganz aufgebaut waren. Das taten sie nach dem Essen. Konan unterdess half Itachi schon beim Ausräumen der Kartons und beim Einräumen und Sortieren der verschiedensten Dinge. Und weil sich jemand um den kleinen Sohn von Konan und Pein kümmern musste, tat Sasuke das. Er saß mit ihm auf einer Decke im Flur, spielte mit ihm und laß ihm später etwas vor. Mit Kindern, fand Itachi, der hin und wieder mal nach den beiden sah, auf jeden Fall besser umgehen, als er selbste es konnte.
 

Gegen Abend fuhren alle und die Wohnung war fertig. Sasuke war sprachlos angesichts solcher Freunde, die kamen und halfen, wann immer Itachi deren Hilfe benötigte. Und andersherum war es wahrscheinlich genauso. Sie beide saßen nur noch kurz auf dem Sofa, tranken beide Tee und blickten wieder in den Garten. Das würde wohl eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen werden, aber Sasuke fand wirklich, dss man gut nachdenken konnte, wenn man in diese Richtung blickte.

„Das hier wird unser Zuhause“, meinte Itachi, obwohl er es gestern schon gesagt hatte. Dieses Mal nickte Sasuke. Die Straßenlaternen, die sie von hier aus sahen, sprangen an. Ein leichter Nieselregen benässte die Scheiben. Und wieder schaute Sasuke genau in die selbe Richtung in die Itachi blickte. Er wusste, vom heutigen Tage an, würde er das oft tun. Denn die Zukunft, ihrer beider Zukunft, lief zusammen und von nun an, würden sie lernen, für eine Weile in die selbe Richtung zu schauen.
 

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Am siebten Tag waren sie angekommen. Sasuke spürte das am Morgen. Er schlug die Augen auf. Sein Bett war warm und er blickte an eine weiße Decke, die vom Dämmerlicht aus glänzte und leuchtete. Er mochte sein Zimmer. Es war ein bisschen größer als das bei seinen Großeltern, aber viel freundlicher. Sein Bett war breiter, die Decke ein bisschen flauschiger und die Matratze ein bisschen weicher, ohne zu weich zu sein. Er rollte sich auf die Seite, zog die Decke ein Stück hoch und döste noch ein paar Minuten, ehe er aufstand, sein Gesicht wusch und Zähne putzte. Itachi schlief noch, aber Sasuke wusste, dass er Zuhause war. Deswegen nahm er sich ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Mineralwasser, dass er trank. Er hörte Itachis Zimmertür aufgehen und sah den jungen Mann heraus kommen. Er trug nur eine lange Stoffhose zum schlafen. Sein Oberkörper der war nackt. Keine fünf Sekunden lang, sah Sasuke den Mann, denn der verschwang mit einem lockeren Morgengruß, im Badezimmer um auch sich frisch für das Frühstück zu machen. Sasuke holte Kaffeepulver und Filtertüte aus dem Schrank. Beides, samt Wasser, füllte er in die Maschine. Itachi würde sich über einen frischen Kaffee bestimmt freuen.
 

Und das tat er, als er wenige Minuten später mit einem gesüßten, schwarzen, warmen Kaffee am Tisch saß. Der Duft der Aufbackbrötchen verteilte sich im Raum. Mit geschlossenen Augen lehnte Sasuke sich im Stuhl zurück. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. Hier gehörte er hin.

Sowas hatte er noch nie gedacht. Oder jedenfalls seit langer, langer Zeit nicht mehr. Aber es war die Wahrheit. Denn mit allem, was Itachi tat, ließ er ihn diese eine Sache spüren. Dass Sasuke hierher gehörte. Und deswegen wusste Sasuke, dass das hier wirklich, wahrhaftig sein Zuhause war. Schneller war es das geworden, als das Haus seiner Großeltern es je hätte werden können.

Sie hörten ein einsames Auto die Straße hinter ihrem Garten vorbeifahren. Eine Straße, die auch sie fahren müssten, um aus der Stadt rauszukommen. Denn nur dorthin führte sie. An vielen Wiesen und Wäldern vorbei, hinter anderen Gärten in anderen Städten und immer weiter geradeaus bis an die Küste. Aber erstmal würden sie hier bleiben. Aber irgendwann würde Itachi Sasuke die Küste zeigen. Das Meer und den Strand. Und nicht nur das. Er wollte ihm die Welt zeigen und das Leben und den ersten Schritt hatte er getan, indem er Sasuke in sieben Tagen ein Zuhause errichtete. Ganz so wie Gott ein Zuhause für alle Menschen, die Erde, in sieben Tagen erschuf, hatte Itachi eine kleine Welt für sich und Sasuke geschaffe. Er blicke zu dem Jungen und wusste, dass das, was er getan hatte, gut war. Er lehnte sich zurück. Ganz so wie Sasuke, und schloss einen Moment lang die Augen. Und alles, alles war gut.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 11: i remember my youth and the feeling to be invincible

Ich hab Ferien, yuhu ;) 8 1/2 Wochen lang und dann fang ich mit der Oberstufe an. Irgendwie freue ich mich schon ziemlich. Vielleicht gerade weil ich das Gefühl hab, es schaffen zu können, obwohl ich von der Realschule zum Gymnasium rüber wechsle. Trotzdem war die Abschlussfeier sehr traurig, aber auch sehr schön. Und über mein Zeugnis hab ich mich auch riesig gefreut.

Ich hoffe Catch so gut wie in den Ferien fertig zu bekommen. Keine Sorge, die FF soll noch ziemlich lang werden, aber ich hoffe einfach so viel wie möglich Zeit zum Schreiben zu haben, denn ab September wird Freizeit wohl etwas sein, was ich nicht mehr so viel haben werde. Haha, ich werde anfangen müssen zu lernen. Das kenne ich gar nicht... xD

übrigens habe ich einen OS mit dem Titel Graduation hochgeladen, der sich größtenteils um Kakashi und Team 7 dreht. Vllt. wollt ihr ja mal reinschauen ;)

Nun, wie auch immer. Wie schon letztes Mal wünsche ich euch Spaß beim Lesen des Kapitels und schöne Ferien, falls ihr denn schon welche habt.

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 11: i remember my youth and the feeling to be invincible

Each fried represents a world in us,

a world possibly not born until they arrive,

and it is only by this meeting that a new world is born.

- Anais Nin
 


 

Es konnte nicht einfach sein morgens aufzustehen und in den Tag zu starten, wenn das bedeutete, in weniger als einer Stunde in einem Klasseraum zu stehen, der einen neuen Anfang bedeuten sollte. Ein neuer Anfang, auch das konnte nicht einfach sein, wenn das alte Leben noch lange nicht bewältigt war.

Sasuke aber wachte in seinem Bett auf. In einer weiche Decke eingerollt und sein Zimmer im Dämmerlicht des Morgens sehend. Es war gar nicht so schwer, wach zu werden und zu wissen, dass heute alles anders sein würde, als zuvor. Er war zwar schon wieder zur Schule gegangen. In einem anderen Land. Da hatte es sich anders angefühlt. Aber heute brachte Itachi ihn hin. Schon jetzt fühlte Sasuke sich geborgen. Und gewollt. Vor allem das.

So konnte er in den Tag starten, mit einer lauwarmen, erfrischenden Dusche, einem gesunden Müsli zum Frühstück und bepackt mit seinem Rucksack, in Itachi Wagen, der so vertraut war und doch so neu. Er roch ein bisschen anders. Der Duftbaum, der am Spiegel baumelte, war neu und die CD von den Foo Fighters war es auch.
 

Die Schule kannte Sasuke noch von damals. Sie war so vertraut und doch so neu. Wie Itachis Auto. Nur das hier nicht der Duftbaum und eine CD der Grund dafür waren. Er selbst war es. Weil er anders war. Nicht mehr der Junge, der damals herkam. Und doch musste er allein durch das Tor schreiten, denn Itachi hatte ihm einen schönen Tag gewünscht und Viel Glück, er hatte ihm Mut gemacht und ihm versprochen, ihn abzuholen. Er hatte alles getan und nun war Sasuke auch sich selbst gestellt.

Die Bäume waren voller Knospen. Der Frühling kam, obwohl es noch kalt war draußen. Aber die Sonne schien leicht, kämpfte sich dann und wann mal kurz durch die Wolken hindurch, aber noch erwärmte sie die Erde nicht gänzlich, aber der Winter, der einst so schien, als wolle er ewig währen, war vergangen und irgendwann würde der Sommer kommen. Doch vorher war es an Sasuke, in seinen neuen Klassenraum zu gehen und den Tag als Schüler der Schule zu beginnen. Es war der Klassenraum, der genau unter dem lag, den er früher besucht hatte. Er kam nicht zurück in seiner Klasse, denn die hatte, durch eine neue Reglung in Irland, schon mit der Sekundarstufe II begonnen, an deren Ende sie am Abitur angelangten. Das war in London anders gewesen, da hatte es eine zehnte Klasse gegeben und die besuchte er, doch hier würde er in die neunte gehen, nach der er einen Schulabschluss hatte, mit dem man eine Ausbildung beginnen oder weiter machen und somit Abitur machen konnte. Itachi und Sasuke hofften, dass er so besser in der Schule sein würde, weil es eben genau die Stufe war, die er übersprungen hatte, um in London die Schule zu beginnen.
 

Er klopfte und trat in den Raum, als die Lehrerin ihn herein bat. Sie war sehr freundlich, stellte ihn der Klasse vor und wies ihm einen Platz zu. Leise setzte er sich und lauschte dem beginnenden Unterricht. Sein Platznachbar war ein blonder, unscheinbarer Junge mit Brille der still dem Unterricht folgte und sich fleißig Notizen machte. Er selber war einer der wenigen dunkelhaarigen in der Klasse. Keiner, außer ein Mädchen, hatte dunklere als er. Die meisten waren blond oder hatten einen Rotstich. Vielleicht fiel er deswegen auf und vielleicht schauten einige der Mädchen deswegen zu ihm rüber. Aber das war egal, denn er bemerkte sie eh nicht. Er hatte nur Augen für den Jungen mit der blonden, wuscheligen Stachelfrisur in der Bank vor ihm. Der neben dem Mädchen mit den dunklen Haaren. Das war Naruto. Und Naruto starrte ihn an.

Sasuke konnte diesem Jungen nicht in die Augen sehen. Er hätte sich melden müssen. Aber er hatte das in London nicht gekonnt. Er hatte genug Probleme damit gehabt, vor seinen neuen Freunden der Junge zu sein, der zwar bei seinen Großeltern lebte, weil in seinem Leben nicht alles glatt gelaufen war, aber er hatte es nicht geschafft, auch vor Naruto dieser Junge zu sein. Nicht mal am Telefon. Er hatte es einfach nicht gekonnt. Und heute konnte er ihm nicht mal in die Augen sehen. Aber das musste er auch gar nicht, denn prompt tauchte in seinem Blickfeld ein Ellbogen auf, der sich auf seinem Tisch abstützte. Es war Narutos. Der Teenager hatte sich mit seinem Stuhl nach hinten gekippt, als die Lehrerin begann einen halben Roman an die Tafel zu schreiben. Mehr oder weniger leise – anscheinend hatte Naruto keinen Respekt vor der Lehrperson – sagte er mit einem halbschiefen Grinsen auf den Lippen: „Hey, Alter. Erst meldest du dich nicht, obwohl du meine Nummer hattest und dann tauchst du hier mir nichts dir nichts auf. Spinnst du eigentlich?“
 

Sasuke wusste nichts zu sagen. Naruto hatte ja Recht. Er spinnte. Er tauchte einfach hier auf und glaubte, ein Teil einer Klasse werden zu können, die schon eine Gemeinschaft war. Er passte hier nicht rein. War einfach nicht so weit, ein normaler Teenager sein zu können. Sonst hätte er sich damals bei Naruto gemeldet, egal was auch immer in seinem Leben falsch gelaufen war. Mist, er brachte ja noch nicht mal eine Entschuldigung raus. Er war einfach zu nicht nützte. Deswegen schwieg er. Er schwieg die ganze Stunde über und irgendwann musste sogar Naruto aufgeben und sich nach vorne drehen, da die Lehrerin sich wieder der Klasse zugewandt hatte. Auch die zweite Stunde schwieg Sasuke. Er war froh, dass es keine Fünfminutenpause gegeben hatte, denn der Lehrer für das nächste Fach war so schnell im Unterricht gewesen und hatte einfach mit seinem Unterricht begonnen, ohne den Schülern die Zeit zu geben, die Unterlagen für das Fach auf den Tisch zu legen und die anderen wegzupacken. Sasuke hatte zum Glück nichts wegzupacken. Er hatte ja noch kein Buch. Die würde er heute in der zweiten Pause bekommen, vorher konnten sie nicht in den Raum hinein. In der Stunde dieses Lehrers traute Naruto sich wohl nicht, seinen Stuhl erneut nach hinten kippen zu lassen, aber das war Sasuke nur ganz Recht so. Er wusste nicht, wie er sich vor dem Blondschopf rechtfertigen sollte. Er hatte einfach keinerlei Ahnung, wie er zu sein hatte.
 

Um sich von diesen Problemen abzulenken, schrieb er eifrig Notizen mit und hörte aufmerksam der Lehrperson zu. Er wollte gut sein dieses Jahr, wollte es wirklich, denn er wollte eine Ausbildungstelle, die gut war und die viel zahlte, sodass er Itachi unterstützten konnte oder gar seine Schulden zurückzahlen konnte, die Itachi nicht als Schulden ansah. Als es zur Pause klingelte, räumte Sasuke schnell seine Sachen in den Rucksack und war einer der ersten, die den Raum verließen. Er versuchte vor Naruto zu flüchten. Hatte keine Kraft, sich schon am ersten Tag mit ihm auseinanderzusetzten. Er hatte gewusst, dass Naruto noch diese Schule besuchte, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie in eine Klasse kamen. Aber eigentlich war das klar gewesen, schließlich war Naruto ein Jahr fort im Austausch gewesen und musste das Schuljahr wiederholen. Sasuke ließ seinen Blick kurz über den Schulhof schweifen. Er suchte eine ruhige, einsam Ecke, in der sich die Pause gut ausstehen ließ. In London hatte er keine halbe Stunde gebraucht, um Leute zu finden, die ihn durch die Pause brachten. Seitdem war er immer bei Suigetsu, Karin und Juugo gewesen. Mit den Drei hatte er sich einfach immer ein Stück weit normaler gefühlt. Aber hier war er auf sich allein gestellt. Er musste allein durch die Pause kommen. Bei den Tischtennisplatten sah es ziemlich ruhig aus. Er schritt mit gesenktem Kopf darauf zu und lehnte sich an einer an. Fünfzehn Minuten. Am Besten er hörte Musik. Er wusste, dass es an Schulen eigentlich verboten war, Ipod oder Ähnliches mitzubringen und auch zu benutzten, aber er hatte auch in London schon Musik mit seinen Freunden auf dem Schulhof gehört und nie war irgendwas geahndet wurden. Er glaubte, dieses Verbot war einer derer, die nicht bestraft wurden, weil es keinen interessierte. Außerdem sah Sasuke eh keinen Lehrer, der Aufsicht auf dem Schulhof hatte.
 

Sasuke holte seinen Ipod aus der Schultasche und steckte die Ohrstöpsel in die Ohren. Mit Musik würde die Pause viel schneller vergehen. Und dann schien es auch viel erträglicher ab heute alle Pausen lang hier zu sein. Alleine an den Tischtennisplatten. Auf sich selbst gestellt.

Es war erst das erste Lied, das verklang, als Sasuke spürte, wie ihm von der Seite, ein Ohrstöpsel aus dem Ohr gezogen wurde.

„Alter, was rennst du einfach weg? Ich hab dir nachgerufen. Ernsthaft, ey.“

Mit zusammengepressten Lippen starrte Sasuke seitlich nach Unten auf den asphaltierten Boden des Schulhofes. Er konnte nicht mit Naruto reden. Naruto würde ihn nicht verstehen. Die Wahrheit und all das. Einzig Itachi konnte das alles auf sich nehmen. Verstehen, damit klar kommen. Mit allen. Kein anderer konnte das. Für Sasuke war Itachi etwas Besonderes. Jeden einzelnen Tag der letzten Woche war Sasuke dies klar geworden.

Naruto aber hatte er einfach nichts zu sagen. Eine Entschuldigung brachte er nicht Zustande und für alle Erklärungen fehlte irgendetwas Grundlegendes.

„Alter, ich rede mit dir. Scheiße, was glaubst du eigentlich, wer du bist?“

Ja, wer bin ich, fragte sich Sasuke. Er war er schon. Ein Straßenbengel, wenn er Itachi nicht kennengelernt hätte. Eine ungebildete Gossenratte. Ein halbes Waisenkind. Geschlagen. Verletzt. Missbraucht. Zerstört…

Naruto hatte einfach keine Ahnung.
 

„Lass mich in Frieden“, brummte Sasuke, ohne es zu wollen. Es kam einfach. Ohne sein Zutun. Er konnte nicht anders. Das hatte einfach raus gemusst. Was dachte Naruto eigentlich, wer er war? Nur weil sein Daddy ein erfolgreicher Mann war und seine Mutter für ihn sorge, wann immer er ihre Sorge brauchte, und weil er die Freiheit gehabt hatte, ein anderes Land für ein Jahr sein Zuhause nennen zu können, war er doch nicht Superman. Er war einfach nur ein stinknormaler, verwöhnter Sohn reicher Eltern. Er lebte ein Leben, das Sasuke nicht kannte. Und obwohl Naruto eine Zeit lang mal das näheste war, was Sasuke als einen Freud tituliert hatte, wollte Sasuke heute nichts anderes mehr, als das Naruto ihn in Ruhe lies.

„Ach, der feine Herr kann ja doch reden. Ich würde dich nur gerne auch verstehen, Blödmann.“

Sasuke konnte nichts anderes tun, als den Kopf zu schütteln, sich abzuwenden und fort zu gehen. Aber noch bevor er ein paar Schritte tun konnte, spürte er eine Hand an seiner Schulter, die ihn rumriss und eine Faust, die gegen seine Wange schlug. Er schrie nicht. Diese Schmerzen waren gar nichts im Gegenzug zu denen, die ihm schon zugefügt wurden. Und ehe er sich versah lag er auf dem asphaltierten Boden und Naruto saß rittlings auf ihm. Sasuke hatte keine Lust sich zu prügeln. Das war etwas, was er nicht wollte. Aber er verteidigte sich, als erneut eine Faust auf ihn zukam und als Naruto ihn stattdessen am Kragen packte und seinen Kopf nach oben zog, hob auch Sasuke seine Hände um ihn fortzudrücken. Gegen Kabuto hatte er sich nie wehren können, aber von Naruto wollte er sich nicht schlagen lassen. Itachi würde das nicht wollen. Sasuke war sich ziemlich sicher, dass Itachi ihn nicht abholen wollte, um zu sehen dass er ein zusammengeschlagenes Gesicht hatte. Dafür hatte Itachi nämlich nicht um ihn gekämpft.
 

Deswegen, weil er sich dessen bewusst war, ruckte auch Sasukes Faust in Richtung Narutos Gesicht, als er den Schmerz eines Schlages zum zweiten Mal spürte. Auf fast genau dieselbe Stelle, diese Arsch! Sasuke wollte nienieniemals einen anderen Menschen schlagen, weil er wusste, welch einen Schmerz das mit sich brachte und er hasste sich im selben Moment, in dem seine Faust Narutos Gesicht traf dafür, denn auch das würde Itachi nicht wollen. Sehen, wie er sich prügelte. Schon am ersten Tag, deswegen ließ er seine Arme zur Seite fallen und blieb liegen, ohne sich zu wehren, als Naruto ihn wieder am Kragen hochzog. Er wappnete sich schon für den nächsten Schlag, schließlich war der letzte von ihm gekommen, aber Naruto schlug nicht. Sasuke spürte schlicht dessen Blick aus sich, während er zur Seite schaute und sah, wie viele Schüler sich um sie versammelt hatten.

Sasuke konnte das nicht sehen, diese Menschenmenge, deswegen blickte er lieber in Narutos Gesicht, auch wenn er nicht wusste, ob das wirklich das kleinere Übel im Moment war. Er sah wie der Junge auf ihm den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, doch noch bevor er das tun konnte, wurde er von einer Lehrperson hochgezogen und festgehalten.

„Bist du des Wahnsinns, Naruto?!“

Sasuke glaubte nicht recht zu hören, als er die Stimme vernahm. Iruka?! Ernsthaft jetzt? Er rappelte sich auf und blickte in das Gesicht des Lehrers, der Naruto noch immer am Arm festhielt. Das würde Itachi gar nicht gefallen. Verdammter Mist, warum ging er gerade auf die Schule, auf die auch der Braunhaarige unterrichtete. Der war aber vor einem Jahr noch nicht da gewesen. Na logisch, irgendwie, wenn er noch so jung war. Vielleicht war er gekommen, als Sasuke gerade weg war. Er musste das schleunigst klären, aber wie, wenn er es wieder einmal nicht mal schaffte, eine Entschuldigung raus zu bekommen. Er war einfach armseelig.
 

„Sorry, Jungs. Aber das geht so nicht. Ich schätzte, ich muss euch zur Rektorin bringen“, seufzte Iruka und wies Sasuke den Weg, während er mit Naruto folgte. Die gaffenden Schüler hatten sich unterdessen wieder verzogen. Sasuke hob die Hand und fuhr sich über die Lippe, die von Narutos Schlag am Mundwinkel aufgeplatzt war und nun blutete. Er hasste den Geschmack, der so metallisch war und den er von Zeiten zuvor nur zu gut kannte. Zeiten in denen er sich die Lippen vor Schmerzen blutig biss und Zeiten, in denen es an der Tagesordnung war, geschlagen zu werden. Sasuke öffnete die Tür, die zum Flur führte in dem das Direktorat lag.

Iruka bedeutete ihnen beiden auf den Stühlen im Flur Platz zu nehmen, bevor er an die Tür des Direktorats klopfte. Bevor er reinging, mahnte er beide noch, dass sie ja brav sein sollten und sich nicht wieder prügeln mögen. Sasuke fuhr sich erneut über die blutende Lippe. Wie konnte er nur so blöd sein und sich schlagen? Das war doch dämlich. Itachi würde sicherlich wütend sein. Er hatte ihn schließlich nicht zu sich geholt, um schon an seinem ersten Schultag von Ärger mit den Mitschülern zu hören. So ein Typ war er ja auch eigentlich gar nicht. Er hatte sich noch nie geprügelt und er hätte es auch jetzt ganz sicherlich nicht, wenn Naruto nicht wie ein Verrückter auf ihn Los gegangen wäre. Irgendwie hatte er sich ja wehren müssen. Aber er hätte nicht schlagen sollen. Er hätte ihn nur fortdrücken sollen. Das hätte gereicht. Und er würde auch keinen Ärger bekommen.

Er sorgte sich ja nicht mal so sehr um die Direktorin der Schule. Viel mehr sorgte er sich darum, was Itachi wohl von ihm halten mochte.
 

„Toll. Vielen Dank, Sasuke. Wegen dir sitz‘ ich jetzt hier.“ Narutos Stimme war absolut genervt. Er lehnte mit dem Kopf gegen die kühle Wand und hielt die Hände vor der Brust verschränkt. Er wirkte wie ein trotziges Kind. Sasuke biss sich auf die Lippe und schaute auf den Boden. Es war nicht seine Schuld. Hoffentlich wusste Itachi das auch, ohne dass er groß was erzählen musste, denn das konnte er nicht. Er hat nie gelernt, sich zu verteidigen. Jedenfalls nicht in solchen Situationen. Naruto gab ihm die Schuld und die Sache war erledigt. Er wusste ja, aus welch einer Familie der Blondschopf kam. Sein Vater ein angesehener Mann und auch die Mutter engagierte sich immerzu für Wohltätigkeitsveranstaltungen in der Stadt. Niemand würde ihm eher glauben als Naruto. Das lag auf der Hand.

„Ich wollte nur meine Ruhe“, war Sasukes einzige Verteidigung. Er traute sich nicht mal nur vor Naruto zu sagen, dass er es doch gewesen war, der begonnen hat, ihn zu schlagen.

„Und weil du deine Ruhe wolltest, hocken wir jetzt hier. Genial gemacht, Blödmann!“

Sasuke antwortete nicht. Das hatte doch alles keinen Sinn. Naruto war ein verwöhnter Bengel und sich keiner Schuld bewusst. Sasuke merkte, dass er Recht damit gehabt hatte, ihm damals nichts von alledem zu erzählen, was geschehen war. Wahrscheinlich hätte er nur Spott geerntet. Vielleicht wäre Naruto sogar der Meinung gewesen, er wäre all die Dinge selbst schuld. Wer wusste das schon.
 

„Selbst jetzt machst du das Maul nicht auf. Ernsthaft, Alter. Du bist doch nicht normal!“ Naruto schaute starr an die andere Wand, während Sasuke sich erneut das Blut von der Lippe strich. Wieso blutete das so lange? Er hasste solche Wunden. Sasuke wusste, dass er nicht normal war. Er musste sich das doch nicht alles von Naruto anhören, denn der hatte keinen blassen Schimmer, durch welche Hölle er gegangen war. Naruto hatte kein Recht über ihn zu urteilen und Sasuke wollte nichts mehr, als dass dieser verwöhnte Bengel endlich die Klappe hielt. Aber er sagte nichts. Das konnte er nicht. So weit war er noch nicht. Würde er wahrscheinlich niemals sein. Er würde immerzu einstecken. Dazu war er gemacht. Er kannte es nicht mehr anders.

„Du gehst mir auf die Eier, Alter!“, seufzte Naruto und fuhr sich durch den blonden Schopf.

„Sei still“, presste Sasuke heraus. Er dachte gar nicht nach. Er wollte einfach nur, dass Naruto endlich den Mund hielt. Sasuke verstand es nicht. Wenn er ihm doch so auf den Sack ging, warum sprach Naruto dann noch mit ihm? Vielleicht waren sie mal so etwas wie Freunde gewesen. Aber auch das war jetzt schon eine lange Zeit her und vielleicht konnten sie nicht mal mehr so miteinander umgehen, dass sie friedlich nebeneinander sitzen konnten.

„Rede lauter, verdammt. Deswegen sitzen wir doch erst hier. Weil du nicht das Maul aufgemacht hast.“

„Das stimmt nicht“, presste Sasuke heraus und augenblicklich brannte seine Lippe wie Feuer. Er hätte nicht reden sollen. Schöne scheiße. Jetzt blutete das noch mehr. Sasuke hielt seine Hand fest gegen den Mundwinkel gedrückt und fluchte innerlich, dass er kein Taschentuch zur Hand hatte.
 

„Sasuke?“, hörte er dann Narutos Stimme, die so anders klang. „Ey, Sasuke. Hier.“ Sasuke schielte zur Seite und sah das Taschentuch, dass Naruto ihm entgegen hielt.

„Nimm schon“, murrte der Blondschopf, als Sasuke nicht danach griff. Er schluckte. Warum tat Naruto jetzt einen auf nett? Nur weil er blutete? Wie lächerlich. Aber Sasuke hatte keinen Bock auf Zoff und weil er sich denken konnte, wie leicht Naruto auf die Palme zu bringen war, nahm er das Taschentuch an sich und presste es gegen seine Lippe. Sofort färbte sich das weiße, weiche Papier dunkelrot.

„Ich glaub… das muss genäht werden oder so“, wurde Naruto plötzlich ganz kleinlaut. Sasuke blickte den Blondschopf an und sah die Unsicherheit in den blauen Augen. Er schüttelte leicht den Kopf. Das musste nicht genäht werden. Er hatte auch schon schlimmere Wunden gehabt, die ohne je das Krankenhaus von innen zu sehen, heil geworden sind.
 

~~
 

Sasuke saß an dem Schreibtisch, den Itachi und er für sein Zimmer besorgt hatten. Itachi wollte ihm einen Computer besorgen, einen älteren, weil er wusste, dass Sasuke nicht mochte, wenn er Geld für ihn ausgab. Aber Itachi meinte auch ein Junge in seinem Alter brauchte einen Computer mit Internetanschluss. Schon allein für die Hausaufgaben. Jetzt aber saß Sasuke noch an dem großen, beinahe leeren Schreibtisch und füllte Zeile für Zeile mit der Schulordnung der Schule. Die Direktorin hatte sie sowohl Naruto als auch ihm aufgedrückt und schon morgen verlangte sie sie in ihrem Büro zu sehen. Sasuke seufzte. Itachi würde es ganz und gar nicht gefallen, dass er am ersten Tag schon die Schulordnung abschreiben musste, aber verheimlichen wollte Sasuke das nicht, denn der Ältere würde es ja eh durch Iruka rausfinden. Sasuke legte den Stift beiseite, griff in seine Schultasche und zog die kleine Mineralwasserflasche heraus. Er hatte sie nicht ganz leer getrunken und auch als er sie jetzt ansetzte, schmerzte sein Mund noch immer dort, wo Narutos Faust ihn getroffen hat. Die Flasche wieder beiseite stellend, nahm er den Füller zur Hand und schrieb weiter die Schulordnung ab. Es waren zwei Seiten voller eng geschriebener, kleingedruckter Buchstaben. Er würde Stunden dafür brauchen!
 

Ganz in seiner Schreibarbeit vertieft hörte er den Schlüssel im Schloss der Wohnungstüre nicht und auch nicht das Klopfen an seiner Zimmertür. Er bekam erst mit, dass Itachi da war, als dieser die Türe einen Spalt breit öffnete und fragte, ob er herein kommen dürfe. Diese Frage hatte Sasuke verwundert, als Itachi sie das erste Mal am Samstag stellte. Er hatte nur unsicher und, zugegeben, ein wenig perplex genickt. Itachi musste doch nicht in seiner eigenen Wohnung um Einlass in ein Zimmer bitten. Wahrscheinlich sah Itachi Sasuke die Unsicherheit auch an, denn schon sofort am Samstag hatte er ihm klargemacht, dass Sasukes Zimmer sein Reich war und das er derjenige war, der bestimmte, wer herein kam und wer nicht. In seinem Zimmer zählte seine Meinung mehr als alles andere und obwohl Itachi die Miete zahlte, wünschte er sich, Sasuke würde diese vier Wände als die Seinigen betrachten.

Itachi lehnte sich an den breiten Schreibtisch, nachdem Sasuke auf seine Bitte hin nickte.

„Wie war dein Tag?“, fragte der Uchiha sofort. Er ging ab heute wieder arbeiten und kam ein wenig später nach Hause als Sasuke. Er hatte vor, gleich sofort zu kochen, damit sie zeitig essen konnten und vielleicht um über den Tag zu sprechen. Das taten Familien doch, oder? Und genau das sollten Sasuke und er doch werden: Eine Familie.

„Ganz okay“, murmelte Sasuke, der noch nicht mit der ganzen Wahrheit rausrücken wollte. Versucht unauffällig schon er seinen Ellbogen über die Schulordnung, aber da war es schon zu spät, denn Itachi hatte sie gesehen.
 

„Schulordnung?“, fragte dieser verdutzt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Sasuke irgendetwas getan hatte, was begründete, dass er diese abschreiben musste. Vielleicht sollte er sie als neuer Schüler auch nur lesen? Möglich wäre es ja. Itachi blickte auf den Schreibtisch und sah das Blatt. Die Zeilen die darauf geschrieben waren, waren eindeutig die der Schulordnung. Das verstand Itachi nicht wirklich, aber er wollte Sasuke die Chance geben, sich zu erklären.

„Ja“, murmelte der aber nur und blickte auf das Holz des Tisches. Itachi schwieg eine Weile und blickte aus dem Fenster in Sasukes Zimmer von dem aus man die Landstaße stehen konnte, die man auch vom Garten aus sah. Ein einsames Motorrad fuhr mit brausendem Motor vorbei.

„Musst du die abschreiben?“

„Ja.“ Itachi fiel auf, dass Sasukes Stimme einen sehr unsicheren Ton annahm. Er blickte auf den Jugendlichen und sah, dass dieser in sich zusammensank.

„Warum?“

„Na-Naja, Ich… ich wollte das wirklich nicht, aber er hat angefangen und ich dachte, du würdest das nicht wollen und dann hab ich mir gewehrt und … tu-tut mir Leid. Wirklich.“

„Hey hey hey, ganz ruhig. Nochmal von vorne. Was wolltest du nicht und wer hat angefangen?“

Sasuke murmelte etwas für Itachi unverständliches und dann: „Naruto.“

„Naruto? Der von damals?“ Jetzt war es Itachi, der verwundert war. Das wäre ja mal ein Zufall, wenn die beiden in einer Klasse wären oder so.
 

Sasuke nickte nur. Er blickte die ganze Zeit über nicht hoch, weil er sich vor Itachi schämte. Er hätte nicht so gedankenlos sein dürfen. Er hätte Verantwortung zeigen sollen. Nicht auch zuschlagen. Er hasste sich dafür, dass auch seine Faust in Narutos Gesicht gelandet war. Denn im Grunde war er jetzt nicht besser als Kabuto, der ihn immerzu schlug. Er konnte auch nichts mit Worten klären.

„Was ist denn passiert? Du musst doch nicht einfach so die Schulordnung abschreiben?“, hakte Itachi nach. Sasuke nestelte mit den Fingern am Saum seines T-Shirts herum. Er war nervös. Itachi würde so sauer sein, wenn er erfuhr, dass er sich geprügelt hatte. Wer wollte schon ein prügelndes Straßenkind daheim haben? Und Sasuke wurde sich in dem Moment, als er doch hoch blickte, zu Itachis Gesicht, bewusst, dass er es nicht ertragen könnte diesen Mann zu verlieren.
 

Itachi stockte, als er in Sasukes Gesicht sah. Die Wange war unnatürlich bläulich und an die Lippe war am Mundwinkel aufgeplatzt. Man sah deutlich, dass Sasuke geblutet haben musste. Hatte Naruto ihn etwa geschlagen? Aber warum musste Sasuke dann die Schulordnung abschreiben? Sie hatten sich doch nicht gegenseitig geschlagen oder? Das konnte er sich bei Sasuke absolut nicht vorstellen.

„Wie…?“, sagte er deswegen konfus. Doch Sasuke antwortete nicht auf die Frage. Er blickte nur wieder zu Boden.

„Bitte“, murmelte er dann. „Bitte sei mir nicht böse.“

„Warum, zum Henker, sollte ich dir böse sein, Sasuke?“ Itachi hockte sich zu dem Jungen hinunter und versuchte noch einen Blick auf Sasukes Wunde an der Lippe zu werfen. „Du bist verletzt.“

Itachi war sich nicht sicher, aber er glaubte, Sasuke die Schultern zucken zu sehen. Doch ansonsten gab der Junge keine Regung von sich. Und auch keinen Ton.

„Was war nun los?“, versuchte Itachi es noch einmal und hob die Hand, um Sasukes Kopf sachte so zu drehen, dass er die verletzte Lippe in Augenschein nehmen konnte. Er wollte seinen Schützling nicht mit Wunden sehen.

„Ich…“, murmelte Sasuke und blickte zur Wand. Anders konnte er ja auch nicht, hielt Itachi doch vorsichtig seinen Kopf fest und somit unerbittlich in eine Richtung gewandt.

„Du?“

„Ich… habe mich geprügelt. Mit… mit Naruto.“
 

Itachi konnte das nicht glauben, was Sasuke ihm gerade zu erklären versuchte. Dass er sich geprügelt hatte. An seinem ersten Schultag. Itachi spürte nicht, wie sich die Muskeln der Finger die Sasukes Kinn umschlossen und sein Gesicht somit so hielten, dass er die Wunde begutachten konnte, verhärteten. Er bemerkte nicht, dass sich sein Griff festigte und dachte gar nicht darüber nach, dass er Sasuke möglicherweise vielleicht weh tat. Er war einfach nur geschockt.

„Du hast dich geprügelt?“, fragte er ungläubig und als Sasuke ein Nicken anzudeuten versuchte, ließ Itachi das Kinn des Jungen los und stand auf. Es war als würde ein Ruck durch seinen Körper gehen, der ihn nicht mehr still sitzen ließ. „Warum?“

„Es tut mir… so Leid“, murmelte Sasuke. Er wagte es nicht Itachi ins Gesicht zu blicken. Zu viel Furcht hatte er vor dessen Reaktion, obwohl er wusste, dass Itachi ihn niemals schlagen würde. Viel schlimmer als das wäre aber eh, wenn Itachi ihn nicht mehr mögen würde. Denken würde, er wäre so ein Kerl, der immer so etwas tat. Der sich nicht unter Kontrolle hatte. Jemand, der schon vor langer Zeit kaputt gemacht wurde und dessen Defekt sich nun so zeigte. „Ich… ich mach dir nie wieder Ärger. Ich versprech’s, Itachi.“
 

Er war kurz davor gewesen, wirklich wütend zu werden. Er hätte Sasuke eine Standpauke gehalten, weil es nicht ging, dass dieser sich in der Schule prügelte. Schon allein, weil Itachi nicht wollte, dass Sasuke sich Wunden zuzog, aber auch weil es einfach nicht ging. So lief das einfach nicht, wenn man Stress hatte. Itachi sah schon viele Menschen, die unglücklich waren und wegen Körperverletzung oder anderen Delikten hinter Gittern wanderten und bei vielen von denen begann es auch mit einer harmlosen Prügelei. Er wollte Sasuke keinesfalls unterstellen, dass auch er so sein oder so werden konnte. Aber er wollte dem Jungen sagen und zeigen, dass er es nicht akzeptierte, wenn Sasuke sich so in der Schule daneben benahm Er war nun mal auch sein Erziehungsberechtigter und er hatte dafür zu sorgen, dass aus Sasuke ein guter Erwachsener wurde, der wusste, was Recht und was Unrecht war.

Aber als er Sasukes Versprechen hörte – das Versprechen, dass er nie wieder Ärger machen würde – musste er gegen seinen Willen lachen. Er dachte an seine eigene Jugend und an das Gefühl unbesiegbar zu sein. Vielleicht konnte Sasuke nicht von sich behaupten auch dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit, der Unantastbarkeit – dieses Gefühl von unendlicherer Sicherheit und einem Urvertrauen in die Welt an sich – zu haben, aber er konnte auf keinen Fall versprechen, ihm nie wieder Ärger zu machen. Jugendliche machten nun mal Ärger. Sie waren jung, oftmals unbedacht und sie mussten sich noch in dieser Welt zu Recht finden, in der es manchmal ganz schön dunkel und undurchsichtig war. Jugendliche wurden erwachsen indem sie ihren Eltern und Erziehungsberechtigten Ärger machten und im Idealfall lernten sie daraus. Die Aufgabe der Erwachsenen bestand darin, die Jungs und Mädchen auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, ihnen zu zeigen, was Recht und Unrecht war, ohne die Unschuld zu zerstören, die hinter den einmaligen Gefühlen der Jugend lag. Und auch Sasuke, da war Itachi fest von überzeugt, hatte diese besondere Art der Unschuld in sich.
 

„Du wirst mir Ärger machen“, sagte Itachi. „Ganz sicher wirst du das. Aber das ist schon okay. Das ist ganz normal.“

Sasukes Kopf ruckte hoch. Hatte er sich gerade verhört? Es war okay, dass es sich prügelte? Das er Ärger machte? Das war ganz und gar nicht okay! Itachi nahm so viel für ihn auf sich und das einzige was er tat, war seine Undankbarkeit darin zu zeigen, wie schlecht er sich benahm.

Itachi musste seinen geschockten, aber auch reumütigen Blick bemerkt haben, denn er grinste und sagte schmunzelnd: „Wenn du große Scheiße baust, geb ich dir einfach Hausarrest oder ähnlich Kreatives, mit dem mich auch schon meine Eltern quälten.“

„Ich… Ja, das ist okay. Nur bitte, bitte hass‘ mich nicht.“

„Was ist okay?“

„Hausarrest“, antwortete Sasuke unsicher, aber eilig um Itachi nicht zu verärgern. „Oder alles andere. Alles ist okay.“

„Nein, Sasuke.“ Itachi schüttelte den Kopf. Ein wenig, nur ein kleines bisschen erinnerte Sasuke ihn wieder an den Jungen, der damals auf seinem Bett saß und unterwürfig sagte, dass er ihn ruhig schlagen konnte, ihn ruhig benutzten konnte, wenn er nur seine Kette zurückbekam, ohne die er nicht leben konnte. Heute war es der Hass seitens Itachi vor dem sich Sasuke fürchtete und er würde alles tun, um diesen nicht spüren zu müssen. Das machte Itachi traurig. Er hatte gehofft, Sasuke wäre anders geworden. Er hatte gehofft, er selber hätte Sasuke verändert. Ihn verändern können. Aber nun, bei dem kleinsten Rückschlag, fiel Sasuke in sein altes Muster zurück. Itachi schaute den Jungen an. Es stimme ihn einfach nur traurig. Er konnte es nicht anders beschreiben. Sasukes zusammengesunkene Gestalt, sein verwundetes Gesicht, die Dinge, die der Junge sagte, all das machte Itachi fertig. Er hatte Sasuke doch nur helfen wollen und nun war der Junge wieder so, wie Itachi dachte, so sei er daheim bei seiner Mutter und Kabuto gewesen.
 

Itachi konnte nicht mehr in diesem Zimmer bleiben. Er brauchte eine Pause. Eine kleine Auszeit. Er wandte sich ab, brachte es nicht mal mehr fertig, Sasuke über den Kopf zu streicheln oder ihm irgendwas zu sagen. Das einzige was er tun konnte, war den Raum zu verlassen und sich auf das Sofa im Wohnzimmer zu setzten. Das Gesicht vergrub er in den Händen. Er war nicht unbedingt überfordert, aber der Mut hatte ihn verlassen.

Lange, lange saß Itachi so da. Er grübelte über sich selbst nach, über das was er vielleicht falsch gemacht hatte, aber er grübelte auch darüber nach, dass Sasuke sich falsch verhielt. Itachi war der Meinung, sich das Vertrauen des Jungen bis zu einem bestimmten Grad verdient zu haben, aber Sasuke ließ es so wirken, als wäre da nichts, dass ihn sicher sein ließ, dass Itachi ihm nicht weh tun würde.

Itachi raufte sich die Haare. Er musste mit Sasuke reden. Er wollte es auch, aber er konnte sich selbst nicht dazu bringen, sich zu erheben und an dessen Zimmertür zu klopfen, die sich vielleicht nur für ihn öffnete, weil Sasuke zu viel Angst hatte, es nicht zu tun. Itachi wunderte sich erneut darüber, wie vorsichtig und zurückhaltend Sasuke immer noch war. Auch jetzt, wo Itachi ihm mit jeder Minute klar zu machen versuchte, dass es ihr beider Zuhause war. Noch immer ging Sasuke nur in Einzelfällen selbst an den Kühlschrank. Etwa dann, wenn er Itachi etwas gab oder irgendetwas wirklich nötig hatte. Immerzu begegnete Itachi ein fragender Blick, wenn Sasuke die Dusche benutzten wollte und obwohl dieser sein eigenes Zimmer hatte, sagte er nie: „Mein Zimmer.“ Immerzu war es: „Das Zimmer.“ Sasuke sagte so selten dass etwas ihm gehörte, dass es Itachi schon fast traurig machte.
 

Itachi hörte die Wohnzimmertür aufgehen, aber noch blickte er nicht auf. Er wusste, dass es Sasuke war, aber wenn er ehrlich war, wollte er wissen, was der Junge tat, wenn er mal nicht derjenige war, der alles tat, damit er sich wohl fühlte. Nicht derjenige, der alles tat, damit Sasuke sich nicht fragen musste, was er zu tun hatte.

Sasuke blieb unschlüssig im Raum stehen. Er wusste wohl nichts mit sich anzufangen. Itachi fragte sich, warum sie beide sich das antaten. Wäre er Sasuke, wäre er in seinem Zimmer geblieben. Er wäre sich keiner Schuld bewusst gewesen. Doch als Itachi den Blick hob und in Sasukes niedergeschlagenes Gesicht schaute, sah er, dass Sasuke sich sehr wohl die Schuld an irgendetwas gab.

„Ich hätte nicht einfach so verschwinden dürfen. Ich hätte da bleiben müssen und dich wissen lassen, dass ich dir nie weh tun würde“, meinte Itachi, doch darauf ging Sasuke gar nicht ein. Er kam näher zum Sofa heran und, obwohl ihm das augenscheinlich einiges an Überwindung kostete, setzte er sich ebenfalls auf das Sofa.

„Es tut mir wirklich Leid“, sagte Sasuke und wirkte wieder ein bisschen stärker, ein bisschen mehr so, wie der Junge, zu dem er, auch durch Itachis Hilfe, aber auch durch sich selber, geworden war. „Ich habe mich wie… ein Idiot benommen. Ich weiß, dass du mir nicht weh tust. Niemals. Ich weiß das.“

Es war ein Lächeln das sich nun in Itachis Gesicht schlich. Er freute sich so sehr darüber, dass Sasuke ihm vertraute. Dass er wusste, dass er hier keine Schmerzen zu fürchten hatte. Itachi war glücklich zu wissen, dass Sasuke sich trotz allem hier sicher fühlte. Und vielleicht, fühlte er sich hier auch, trotz allem Zuhause.
 

~~
 

Am nächsten Morgen saß Sasuke wieder vor dem Büro der Direktorin. Itachi hatte ihn extra früher hingebracht heute, damit er die Schulordnung sofort abgeben konnte, noch vor dem Unterricht, aber nun hatte die Direktorin keine Zeit für ihn und er musste warten. Naruto schien es wohl nicht so wichtig zu nehmen, die Schulordnung abzugeben. Sasuke hatte ihn zuvor schon mit seinen Freunden auf dem Schulhof rumhängen gesehen. Als er an ihnen vorbeigegangen war, hatte Naruto ihm nur den Rücken zugewandt. Heute, als er einsam hier saß, war es Sasuke nicht egal. Seinerseits war Naruto wirklich der Einzige gewesen, denn er vielleicht als eine Art Freund angesehen hatte.

Gut, er hat nie erzählt, was zuhause los ist. Und Naruto hat nie gefragt.

Er hat seine Wunden immer zu verdecken gewusst. Aber Naruto hat auch nie genau nachgeschaut.

Er hat Naruto niemals nach Hause eingeladen. Wahrscheinlich wollte der aber auch nie kommen.

Jetzt hatte er sich in London auch nicht bei Naruto gemeldet. Doch wahrscheinlich war es ihm im Endeffekt egal. Hatte er doch genug Freunde mit denen er rumhängen konnte. Taffe Jungs und hübsche Mädchen. Naruto brauchte ihn gar nicht. Aber was Sasuke vielleicht, neben Itachis Fürsorge, am meisten brauchte, waren Freunde, die ihm halfen, ein Teenager zu sein.
 

Er bemerkte Naruto nicht, der den Flur vor dem Direktorat betrat. Ganz in seinen Gedanken verloren, knabberte er an seinen Fingernägeln herum. Er musste damit aufhören. Auch Itachi schaute immer komisch, wenn er knabberte. Wahrscheinlich mochte er das nicht.

Erst als Naruto sich auf den Stuhl neben ihm fallen ließ, schrak Sasuke auf, ließ seine Hand in den Schoß sinken und schaute zur Seite. Als er bemerkte, dass es Naruto war, der neben ihm saß, schaute er wieder weg. Er wollte nicht schon wieder streiten.

„Siehst ganz schön scheiße aus, Sasuke", hörte er Narutos Stimme. Er wusste nicht, was er antworten sollte, aber er wusste, dass Naruto es aufregte, wenn er ihn ignorierte, deswegen blickte er ihn wieder an. Es tat schon irgendwo weh, zu hören, dass man scheiße aussah. Sasuke wusste, dass er immer noch zu wenig wog, aber bei Itachi aß er gut. Er hatte sogar schon einmal nach einem Nachschlag gefragt, weil Itachis Lasagne wirklich lecker war. Er wusste auch, dass er Narben auf seinem Körper besaß, die ihn unwahrscheinlich hässlich sein ließen, aber all die sah Naruto nicht.
 

„Ich wusste gar nicht, dass ich so einen Schlag drauf hab, aber deiner war auch nicht ohne. Siehst du, wie geschwollen meine Wange ist? Ich konnte gestern nicht mal Moms Nudelsuppe genießen, so gebrannt hat meine Wange!“

„Tut mir Leid“, überwand sich Sasuke. Eigentlich war es nicht nur an ihm, sich zu entschuldigen. Auch Naruto sollte das tun, aber vielleicht konnte er das auch nicht. Sasuke aber wollte sich nie mehr prügeln. Er wollte sein Versprechen, an das Itachi nicht glaubte, wirklich halten und diesem nie wieder Ärger machen. Er wollte jemand sein und werden, bei dem Itachi sagen konnte, dass es richtig gewesen war, ihn aufzunehmen, durchzufüttern und zu umsorgen.

„Blödmann, was entschuldigst du dich? Ich hab dir zuerst eine gegeben. Eigentlich hast du noch eine gut.“ Naruto grinste breit und Sasuke wusste, dass dies das näheste war, was er an einer Entschuldigung bekommen sollte.
 

Sasuke schwieg eine Weile und blickte zu Boden. Er wusste nicht, ob Naruto und er wieder so etwas wie Freunde werden konnte, aber er war sich dessen bewusst, dass er Freunde an dieser Schule brauchte, um die Zeit zu überstehen und vielleicht, wenn es ihm hier gut ging, konnte er auch besser in der Schule sein. Sasuke hoffte einfach, dass Naruto derjenige sein konnte, der hin und wieder mal mit ihm sprach, denn im Freunde machen war Sasuke nicht gut und wenn man nicht mit so einer Beharrlichkeit wie Suigetsu, Juugo und Karin auf ihn zuging und ihn praktisch zwang ihr Freund zu werden, wurde es für ihn schwer. Sasuke schaute rüber zu dem Blondschopf neben ihm. Naruto schien durchaus einer der Jungs zu sein, die Leuten so lange auf den Geist gingen, bis diese zu Freunden werden wollten. Er entschied einfach genau das auf sich zukommen zu lassen. Das war vielleicht etwas was es sich zu lernen lohnte. Manche Dinge auch mal so nehmen wie sie kamen. Dann konnte er lernen, die Dinge so zu machen, wie er sie haben wollte. All das, das verstand Sasuke langsam und mit jeder Sekunde mehr, gehörte zu diesem Leben dazu.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 12: choices

Hallo ;)

Endlich ist auch das Kapitel fertig. Und erstmal mach ich ein bisschen Werbung ;) Nämlich für meine Story, die ich parallel zu Catch schreiben werde, aber ich verspreche euch, dass Catch nicht drunter leiden wird. Sie heißt: Frei sein (Dein Leben ist mein größter Wert) Link: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/369020/275662/

Es ist auch wieder eine ItaXSasu-Fanfiction, daher hoffe ich, dass sie euch gefallen könnte ;)

Dann war das Schreiben des Kapitels gleichermaßen nervig (andauern hatte ich keine Ahnung, wie ich weitermachen soll, aber ich glaube die Foo Fighters, die ich in Dauerschleife gehört habe, haben mich abgelenkt) wie auch lustig. Das habe ich aber nur einem Wort zu verdanken gehabt, denn das Gefühl, eine von der Rolltreppe gewischt zu bekommen, habe ich zwar andauern irgendwo, aber ich nenne es immer: Eine gezockt bekommen. So was passiert wohl wenn man irgendwo zwischen Köln und Düsseldorf wohnt xD Naja, wenigstens hat mich die liebe Sanbantai-Taicho, die mich aufgeklärt hat. (Und sich einen abgelacht und dafür war, dass es drin bleibt.) Überhaupt mal einen lieben Dank an dich, dass du mir immer so toll hilfst! Ohne dich wären ich und Catch aufgeschmissen!

So, jetzt aber viel Spaß mit dem Kapitel

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 12: choices

And I'm a bad boy cos I don't even miss her

I'm a bad boy for breakin her heart

Now I'm free, free fallin'

Yeah I'm free, free fallin'

- Tom Petty
 

Er fühlte sich wohl. Das war ein Gedanke, der ihm in den letzten Wochen des Öfteren durch den Kopf schoss. Er war zu Hause. Ja, diese Wohnung nannte er sein Zuhause. Er musste gar nicht mehr drüber nachdenken. Den da wo Itachi war, da war er am richtigen Ort. Itachi war wundervoll. Er kümmerte sich so um ihn, wie schon lange keiner mehr zuvor. Wenn Sasuke nach Hause kam, hatte er seine Ruhe, um seine Hausaufgaben zu erledigen oder um einfach ein wenig Zeit für sich zu haben. Da konnte er jetzt sowieso immer - Zeit für sich haben. Denn wenn seine Zimmertür geschlossen war, respektierte Itachi das, genauso wie er respektierte, wenn Sasuke mal nicht mit ihm reden wollte. Aber das kam ohnehin nicht oft vor. Und meistens, wenn es an dem war, wusste Itachi, dass Sasuke wieder mit seinen inneren Dämonen kämpfte, die immer noch da waren.

Aber sie wurden weniger. Tag für Tag starb einer der Dämonen an Sasukes Glück und an dem Gedanken, dass er sich wohl fühlte.
 

Auch in der Schule war es gut. Saß er die ersten Pausen noch alleine irgendwo rum, war es bald Naruto, der ihn mit zu seinen Freunden schleppte, vorstellte und dafür sorgte, dass Sasuke ein Teil von ihnen wurde. Seit drei Wochen nun hatte er Leute, bei denen er in der Pause rumhängen konnte und auch das war ein gutes Gefühl. Mehr und mehr wurde er zu einem Jungen, den man auf den ersten Blick nicht von den anderen unterschied. Er hatte zugenommen, nicht allzu viel, aber so, dass er nicht mehr mager, sondern einfach nur schlank war. Er war sogar ein bisschen gewachsen, ein paar Zentimeter nur, aber immerhin. Er trug genauso modische Kleidung wie die anderen. Die Vielfalt derer war bei ihm vielleicht nicht so groß, doch in den knapp fünf Wochen, die er nun bei Itachi lebte, war das ja zu verstehen. Sasuke war auch in der Schule besser geworden. In vielen Fächern hatte er sich bis um eine ganze Note verbessert, er war längst nicht derjenige, der am schlechtesten war und um einen guten Abschluss musste er nicht mehr fürchten.
 

Aber es lief nicht alles glatt. Natürlich gab es Tage, an denen Sasuke schweißgebadet wach wurde, weil er einen Alptraum hatte, weil sich die Vergangenheit eben nicht einfach so abwerfen lies, wie eine zweite Haut. Stückchenweise würde sie für immer haften bleiben und das einzige, was Itachi tun konnte, war zu trösten und zuzuhören, aber das war Hilfe genug. Itachi hatte mit dem Gedanken gespielt, ob es nicht sinnvoll wäre, Sasuke zu einem Psychologen zu schicken, doch er hatte sich dagegen entschieden. Sasuke wollte nichts mehr, das spürte Itachi, als ein normaler Jugendlicher sein und normale Jugendliche gingen nicht zum Psychologen um über solche Dinge zu sprechen. Und bis jetzt kam er mit den Dingen, die Sasuke erzählte - Bruchstücke aus seiner Vergangenheit - insofern klar, dass er ihn mit trösten beruhigen und nachher auf andere Gedanken bringen konnte, damit Sasukes innere Dämonen ihn nicht verfolgten.
 

Und dann war da noch Shizune. Sie war wohl Itachi Dämon, obwohl sie eigentlich seine Freundin war. Sie hatten miteinander geredet, ein paar Mal am Telefon, aber sie hatten sich entschlossen ihrer Beziehung eine Pause zu gönnen. Itachi war davon überzeugt, dass eine Pause genauso gut das Ende für selbige bedeutete, aber er stimmte zu. Innerlich wusste er, dass er und Shizune nicht zueinander passten, weil er sie nicht liebte und sie einen Mann verdient hatte, dem sie alles bedeutete. Itachi achtete sie. Als Frau, als Freundin, aber sie war nicht dazu gemacht, seine Partnerin zu sein. Aber weil es ihrerseits nur eine Pause und kein Ende war und weil er nicht gedachte ihr weh zu tun, hatte er ihrem Vorschlag sich heute Abend mit ihr zu treffen, zugestimmt. Sie hatten eigentlich bei ihr essen wollen, aber in ihrer Wohnung hatte es einen Rohrbruch gegeben und so schlief sie schon seit ein paar Tagen nebenan im Haus ihrer Eltern und so kam sie zu Itachi, um mit ihm zu essen und um vielleicht über ihre Beziehung zu sprechen.
 

Sasuke war nicht so unsicher, wie er noch vor ein paar Wochen gewesen wäre, aber er fand die Situation schon irgendwie... ungewöhnlich. Er saß am Küchentisch und schaute Itachi dabei zu, wie dieser kochte. Es war Freitagabends, Sasuke hatte seine Hausaufgaben schon längste erledigt und seine Freunde waren in der Disco. Sie hatten ihn gefragt, ob er mitkommen wolle, aber - abgesehen davon, dass er gar nicht gewollt hätte - war er erst fünfzehn und somit auch für diese Disco noch zu jung, obwohl das die einzige im Ort war, die am Wochenende auch für Jugendliche ab sechzehn geöffnet hatte. So saß er im Prinzip hier fest.

„Und das ist wirklich in Ordnung?"

„Was?" Itachi schnibbelte an den Zuccinis rum und tat diese zu den Auberginen, den Paprika, den getrockneten Tomate, den Zwiebeln und dem Knoblauch in einer Pfanne.

„Das ich hierbleibe."

„Klar."
 

Itachi fand es sogar außerordentlich gut, dass Sasuke heute auch da war. So konnte Shizune nicht die ganze Zeit über ihre - nicht vorhandene - Beziehung sprechen und darüber, wie es weitergehen sollte und Itachi sah sich nicht gezwungen ganz Schluss zu machen. Denn davor hatte er Angst. Er hat ihr schon einmal, als er das erste Mal, damals vor vielen Jahren Schluss machte, sehr weh getan und das wollte er nicht noch einmal. Er hoffte, sie würde Schluss machen, wenn sie sah, dass eine Beziehung zwischen ihnen keinen Sinn mehr hatte.

„Gibst du mir von jedem Kräuterbüschel etwas?", bat Itachi. Sasuke nahm die kleine Tragetüte, die auf dem Tisch lag und zog die Kräuterbüschel heraus. Von jedem machte er ein bisschen was ab. Den Haufen gab er nachher Itachi, der gerade Olivenöl zu dem Gemisch in der Pfanne gab. Itachi schmiss die Kräuter dazu, salzte und pfefferte und ließ das beinahe fertige Ratatouille in der Pfanne braten. Er stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und holte Bandnudeln aus dem Schrank, die er auf die Ablagefläche legte. Während das Wasser vor sich her köchelte, lag Itachis Blick auf Sasuke.
 

Entgegen seiner Erwartungen, war Sasuke nicht wie ein Sohn für ihn geworden, obwohl er für ihn kochte, für ihn wusch und seine Arbeiten unterschrieb. Er war nicht mal zu einer Art kleinen Bruder geworden. Aber er war trotzdem der Mensch, dessen Wohl ihn am meisten auf der Welt kümmerte. Itachi konnte nicht genau sagen, was das war, was er für Sasuke fühlte, aber es war ein gutes Gefühl. Es tat gut, neben Sasuke zu sitzten und zu wissen, dass er da war. In Sicherheit.

„Was grinst du so?", wollte Itachi wissen, weil er gerne mit Sasuke sprach und weil er stolz drauf war, dass Sasuke längst nicht mehr so verschüchtert auf ihn reagierte.

„Nur so", murmelte Sasuke, hörte aber nicht auf zu grinsen. Im Grunde war es nicht einfach nur so. Er musste immerzu grinsen, wenn Itachi ihn so ansah, wie er es gerade tat. Er fühlte sich dann irgendwie besonders beschützt. Besonders gewollt, weil er wusste, dass Itachis Blick über ihm schwebte. Aber es war auch irgendwie lustig, weil Itachi ihn wirklich oft so anschaute. Fast so wie man eine Sache anblickte, um sich zu vergewissern, ob sie echt war. Wirklich da. Jedenfalls so was in der Art, dachte Sasuke und deswegen musste er grinsen.
 

~~
 

Shizune trug eine hübsche Bluse. Itachi mochte sie wirklich. Er wusste auch, dass er es ihr damals gesagt hatte, als sie sie das erste Mal trug. Sie sagte, sie wäre aus Afrika und da gäbe es viele so schöne Kleidung, aber die Bluse wäre die einzige gewesen, die sie mit nach Deutschland genommen habe, weil auch sie sie besonders schön fand.

„Manchmal", sagte sie am Esstisch, während sie Nudeln auf ihre Gabel aufdrehte, „würde ich gerne zurück nach Afrika. Mir hat es dort wirklich gefallen."

Aber ich halte dich hier, dachte Itachi. Er war derjenige für den sie blieb und im Moment wusste er nicht, ob er ihr nicht doch besser weh tun sollte, indem er Schluss machte, anstatt die Schranke zu sein, die immerzu zu blieb und sie nicht passieren ließ.

„Ich habe viele Freunde gefunden und die Kinder in dem Waisenhaus... Ich hätte sie alle stehlen können, so gern mochte ich sie."

Itachi lächelte leicht. Er wusste nichts zu antworten. So sehr wie Sasuke hierher gehörte, nach Irland, so sehr gehörte Shizune nicht hierher, sondern dorthin, wo ihr Herz lag, wenn es nicht ihn geben würde, der es in Monaten voller Einsamkeit und Egoismus an sich gerissen hatte.

„Ich wollte beginnen die Sprache zu lernen. Ein bisschen kann ich schon. Wenn das mit uns wieder... alles im Lot ist, sollten wir dort Urlaub machen."

Itachi wandte den Kopf ab. Es würde nie wieder alles im Lot seinn. Für ewig würde sie eine gute Freundin bleiben, aber niemals mehr seine Partnerin. Sie würden nicht gemeinsam nach Afrika reisen. Schon allein wegen Sasuke nicht. Aber auch, weil er nicht wollte. Afrika, dass war ihr Ding.

„Wir müssen reden, Shizune. Wir sollten nach dem Essen eine Runde spazieren gehen."
 

Shizune, so glaubte Itachi, hatte nicht schnell genug mit dem Essen fertig werden können. Er verstand sie ja. Er an ihrer Stelle hätte wahrscheinlich auch wissen wollen, was sie ihm zu sagen hatte. Deswegen war es bald soweit, dass sie ihre Jacken und Schuhe anzogen und nach drauße ging. Er wusste, dass Sasuke den Abwasch machen würde. Das fand er lieb, obwohl er Sasuke schon ein paar Mal gesagt hatte, er müsse das nicht tun. Aber anscheinend war Sasuke mer als zufrieden, wenn er auch ein bisschen im Haushalt tun konnte. Es entlastete Itachi ja auch. Und wenn er darüber nachdachte, hatte er als Jugendlicher auch ein wenig im Haushalt helfen müssen. Das war wohl ganz normal. Deswegen ließ er Sasuke.
 

Die Herbstnacht war kühl, aber mit ihren Jacken frohren sie nicht, denn man spürte, dass sich über Tags die Sonne zwischen den Wolken hervor gekämpft hatte. Mag glaubte, noch etwas von der gespeicherten Wärme durch die Schule im Asphalt zu spüren. Das ließ auf einen sonnigen Frühling und einen langen, warmen Sommer hoffen.

Einen langen, warmen Sommer, in dem er und Shizune kein Paar sein würden, sondern im besten Fall, den Itachi sich vorstellen konnte, gute Freunde, die weit voneinander weg wohnten, denn er hoffte Shizune würde ihrem Herz nachgeben und trotz dem Schmerz der Trennung in das Land reisen, dass sie so sehr liebte.

Itachi sah in den sternenklaren Himmel hinauf. Er musste mit ihr reden. Jetzt. Doch ihr dabei in die Augen zu sehen, dass konnte er nicht. Sie würden nur vor Tränen glänzen, die Shizune mit Sicherheit vergießen würde, weil sie wirklich mit Liebe bei dieser Beziehung war. Diejenige die von ihnen beiden wirklich liebte.
 

„Shizune. Du solltest zurück nach Afrika gehen." Seine Gedanken. Er sprach seine Gedanken aus, ohne einem Menschen weh tun zu wollen, aber auch, obwohl er wusste, das sie schmerzten. Itachi spürte ihren Blick auf sich, doch noch immer konnte er sich nicht überwinden, sie anzuschauen. Sie lachte. Wie konnte sie lachen?! Das hier war kein Scherz.

Deswegen sah er sich gezwungen, ihr ins Gesicht zu blicken und bedacht den Kopf zu schütteln. Er blieb stehen und schluckte.

„Ich meine es ernst, Shizune." Er mochte ihren Namen. Er hatte ihn schon immer gerne ausgesprochen, aber es war an der Zeit ihrer Beziehung ein richtiges Ende zu setzten.

„Okay. Was ist los? Erzähl es mir." Ihre Stimme wirkte erwachsener, als er sie in Erinnerung hatte. Vielleicht sollte sie vernünftig geworden sein? Vielleicht würde ihr das alles ja nicht so sehr weh tun, wie er befürchtete. Mein Gott, sie war ein hübsches Mädchen, dachte er, eine schöne Frau und sie würde einen Mann finden, der das zu schätzen wusste. Nur war er dafür nicht der richtige.

„Ich hoffe, du wirst nie vergessen, wie gern ich dich habe. Aber meine Gefühle zu dir, sind nicht auf derselben Ebene, wie deine es für mich sind. Es tut mir so Leid, Shizune. Ich kann nicht der Mann werden, der dich heiratet. Ich bin nicht deine Zukunft."

„Das stimmt nicht", sagte sie und nahm seine Hand. Er entzog sie nicht, nickte aber bekräftigend.

„Doch."

„Nein. Nein, ich kann auf dich warten. Warten, bis du irgendwann bereit bist, mein Mann zu werden."

„Meine Gefühle für dich werden nie die sein, die du dir wünscht, sie wären es. Egal wie lange du wartest." Er blickte sie an und nahm seine Hand fort. „Tut mir Leid."
 

Er spürte ihren Blick auf sich. Überall. Er sah ihre Tränen, die sie vehement fortwischte.

„Dir tut gar nichts Leid!", presste sie minutenspäter heraus. „Ich war gut, solange Sasuke nicht da war. Und jetzt willst du mich loswerden, indem du sagst, ich soll zurück nach Afrika gehen. Weißt du eigentlich, was für ein Arschloch du bist, Itachi?! Dir geht es nur um dich. Immer, immer nur geht es bei dir um dich."

Sie wandte sich von ihm ab, er hörte sie tief durchatmen, ehe sie sich noch einmal umwandte und sagte: „Nur um dich. Aber weißt du was? Das ist mir egal. Du bist mir egal."
 

~~
 

Itachi war erst ein paar Mal so spät weg gewesen. Einmal wurde er von seinem Vater in die Kanzlei gerufen, obwohl schon die Straßenlaternen an waren und ein anderes Mal hatten Kakashi und Iruka auf der Landstraße einen Platten und keinen Ersatzreifen. Doch bei all den wenigen Malen war Itachi, nachdem die Haustür ins Schloss fiel, sofort zu Sasukes Zimmer gegangen und hatte leise die Tür geöffnet um durch einen Spalt hindurch zu sehen. Beim ersten Mal hatte Sasuke noch Musik gehört, weil das Wochenende vor der Tür stand und er nicht früh zu Bett musste, um am Morgen ausgeruht zu sein. Beim zweiten Mal war es mitten in der Woche gewesen und er war, egal wie leise Itachi gewesen war, aus dem Schlaf geschreckt, aber um Itachi kein schlechtes Gewissen zu machen, hatte er sich schlafend gestellt. Es hatte ihn unheimlich glücklich gemacht, wie viel er Itachi bedeutete. Soviel, dass er, noch bevor er Schuhe und Mantel auszog, nach ihm schaute. Bei seinen Großeltern hätte er in der Nacht einfach so verschwinden können und es wäre wahrscheinlich keinem aufgefallen. Bei Itachi aber fühlte er sich geborgen. Er fühlte sich umsorgt.
 

Sasuke blickte an die Wand gegenüber seines Bettes. An ihr hing das Geschenk seines Vaters. Er hatte bei der Nummer in dem Brief angerufen und war mit Itachi dorthin gefahren. Es war ein Mann, der Sterne verkaufte. Ja, Sasuke hatte wahrlich komisch drein gesehen, aber als der Mann ihm erklärte, was es damit auf sich hatte, fand er, es war eine schöne Idee von seinem Dad gewesen. Der Mann hatte ihn gefragt, warum er erst so spät kam und er hatte wahrheitsgemäß gesagt, dass er die Briefe seines Vaters erst jetzt bekommen hatte. Nun zierte eine Urkunde seine Wand, die ihn als Inhaber einer der vielen Sterne dieses Universums auszeichnete. Es standen sogar die Koordinaten seines Sternes darauf und ein Spruch, den sein Vater ausgewählt hatte und den Sasuke wunderschön fand und immer wieder gerne las.
 

Wenn du traurig bist, denk dran, ich bin nicht fort.

Ich bin bei dir, du kannst mich nur nicht sehen.

Ich bin der Stern, der nachts über dich wacht.

Wenn du traurig bist, denk dran, ich bin nicht fort.

Ich bin überall, doch vor allem bin ich um dich herum.
 

Die Tür, die ins Schloss fiel, riss Sasuke aus seinen Gedanken. Klamotten raschelten, wie auch sonst, aber heute ging die Tür zu seinem Zimmer nicht auf. Sasuke legte das Buch beiseite und trat in den Flur. Er sah nur Itachis Schlafzimmertür zugehen. Er wusste nicht, ob er zu ihm gehen sollte. Eigentlich sprach doch nichts dagegen, oder? Würde Itachi daheim sein und würde er, Sasuke, nicht Hallo sagen, würde auch Itachi sich sorgen und irgendwie sorgte Sasuke ich jetzt auch. Vielleicht war ja irgendwas nicht in Ordnung?
 

Sasuke zögerte einen Moment, schloss dann aber seine Zimmertür und öffnete, ohne zu klopfen, weil er glaubte dass Itachi das in solch einer Situation genauso tun würde und linste durch den Spalt den er geöffnet hatte. Itachi saß auf seiner Bettkante und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Was war nur los?

„Itachi." Sasuke Stimme war leise, vielleicht lag ein winzig fragender Unterton in ihr, aber auf jeden Fall war er besorgt. Er öffnete die Tür weiter, dachte gar nicht darüber nach und ging näher zu Itachi heran. Weil er sich dämlich dabei vorkam vor dem Bett stehen zu bleiben - er fühlte sich dann so wenig mit Itachi auf Augenhöhe, soviel größer, so weit entfernt - hockte er ich zu dem Älteren hinunter und sah durch die Ritzen seiner Finger, Teile von Itachis Gesicht.

„Stimmt was nichts?", fragte Sasuke leise. Er war unsicher, dass musste er zugeben. Noch nie war er es gewesen, der auf Itachi zuging um diesen zu fragen, ob irgendwas nicht okay war. Immerzu hatte Itachi sich um ihn gesorgt und sich drum gekümmert, dass Sasuke in solchen Situationen mit ihm sprach. Meistens hatte er auch damit angefangen, ihn zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
 

Doch jetzt gab Itachi ihm nicht mal eine Antwort. Keine Reaktion kam von dem Älteren, aber das bestätigte Sasuke nur in seinem Verdacht, dass irgendetwas vorgefallen sein musste. War irgendwas mit Shizune? Das lag doch eigentlich auf der Hand, denn als Itachi und sie sich auf den Weg gemacht hatten, war doch noch so ziemlich alles in Ordnung gewesen und Sasuke konnte sich gut vorstellen, dass Itachis momentaner Zustand nur auf dem beruhen konnte, was er und Shizune auf dem Weg besprochen hatte. Sasuke war zwar absolut kein Experte in Sachen Liebe und Partnerschaft, aber er war nicht dumm.

Weil Itachi keine Reaktion von sich gab und weil Sasuke nicht einfach so aufgeben wollte - das hatte Itachi bei ihm schließlich auch nie getan, egal wie lange und wie behaglich er schwieg - legte er ihm eine Hand auf das Knie.
 

Erst dann blickte Itachi auf und so genau in Sasukes Gesicht, der vor seinem Bett hockte.

„Hey", murmelte er. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Sasuke den Raum betreten hatte. Zu sehr war er in seinen Gedanken gefangen gewesen. Doch jetzt musste er sich zusammenreißen. Vor Sasuke wollte er eine solche Art von Schwäche nicht zeigen. Sasuke war noch so jung. Ihm musste er seine Probleme nicht auch noch aufhalsen, hatte der Junge doch selber genügende. Deswegen zwang Itachi sich zu einem Lächeln und versuchte betont unbekümmert zu sagen: „Keine Sorge. Alles in Ordnung."

Sasuke nickte. „Das ist schon okay, wenn du nicht mit mir drüber sprechen willst, aber... ich bin nicht blind." Sasuke erhob sich aus seiner hockenden Position und ließ seine Hände in den Taschen seiner Jeans verschwinden.
 

Das Lächeln verschwand aus Itachis Gesicht, als er hoch in Sasuke schaute und seine Worte gänzlich verinnerlichte. Natürlich. Sasuke war kein naives Kind, dass man so leicht hinters Licht führen konnte. Itachi hatte nie daran gedacht, aber es war ganz normal, dass Sasuke für die schlechte Stimmung eines anderen, viel empfänglicher sein musste, als andere Jugendlicher seines Alters. Sasuke war viel sensibler, aber dadurch, das glaubte Itachi gerade wieder zu spüren, auf eine Art auch viel stärker.

Dennoch hatte Itachi seine Gefühle immer schon vor anderen gut zu verstecken gewusst. Deswegen war er erstaunt. Auch darüber, dass Sasuke sich traute so mit ihm zu sprechen. Der Junge musste sich wirklich um ihn sorgen. Gott, Itachi fragte sich gerade wie er wohl aussah. Ob man ihm wohl all seine Sorgen ansah, seine Traurigkeit und wie sehr ihm das Gespräch mit Shizune belastete? Vor allem ihre Worte bevor sie fortgegangen war. Worte, die wohl seine inneren Dämonen war. Worte, die ihn seit jeher verfolgten.
 

Es fühlte sich an, wie wen man an der Rolltreppe eine gewischt bekam, als Itachi nach Sasuke Handgelenk griff. Dennoch ließ Itachi ihn nicht sofort wieder los und auch Sasuke riss seine Hand nicht fort. Auch nicht dann, als Itachi ihn neben sich aufs Bett zog.

„Geh jetzt nicht einfach weg", verließ es Itachis Mund, ohne dass er darüber nachdenken konnte. Er blickte zu Sasuke und ließ dann erst sein Handgelenk los. Wen Sasuke gehen wollte, hatte er nicht das Recht ihn hier zu halten. Schon gar nicht in seinem Schlafzimmer, auf seinem Bett. Auch wenn Sasuke wusste, dass Itachi ihm niemals so was antun würde, wäre es das letzte für Itachi Sasuke aus irgendeinem anderen Grund in diesem Zimmer und auf diesem Bett fest zu halten, wenn der Junge es nicht wollte. Aber er hatte ihn wissen lassen wollen, dass er bleiben konnte. Dass er derjenige war, mit dem Itachi über diese Dinge sprechen mochte, auch wenn er noch nicht genau wusste wie.
 

Itachi spürte Sasukes abwartenden Blick auf sich. Moment? Sasuke. Abwartend. Hä? Auf jeden Fall war es so und Itachi fiel augenblicklich auf, wie anders Sasuke doch im Moment war. Viel ruhiger, als in anderen Situationen. Viel gefasster. Vielleicht glaubte er für Itachi stark sein zu müssen. Und obwohl Itachi so was eigentlich nicht auf den Jungen lasten wollte, fühlte es sich irgendwie großartig an.

„Ich hab mit Shizune Schluss gemacht", sagte er dann. „Wir haben uns gestritten und da waren ein paar unschöne Dinge, die ich mir anhören musste. Aber ich hab's verdient." Das dachte er wirklich. Er hatte sie nur benutzt, um seine Einsamkeit zu vertreiben. Er hatte niemals ihr Mann werden wollen, nicht in tausend Jahren, obwohl er sie wirklich gut leiden konnte und obwohl er den Mann beglückwünschte, der sie irgendwann ehelichen würde.

„Allerdings waren die Sachen schon wahr", räumte er ein. So weh es auch tat, hatte Shizune recht. Er dachte immer nur an sich. Er war also doch nie was anderes als ein Arschloch gewesen.
 

Sasuke wusste nicht, ob er noch weiter warten sollte. Ob Itachi noch mehr erzählte. Deswegen schwieg er noch eine Weile. Er blickte auf seine Nägel, die nicht mehr abgeknabbert waren. Obwohl die Situation hier keinesfalls lustig war, musste er gequält grinsen. Itachi hatte Teebaumöl besorgt und ihm das auf die Nägel geschmiert. Und mir nichts dir nicht war ihm die Lust aufs Nägelknabbern vergangen. Itachi konnte also wahre Wunder bewirken, schließlich war es schon ewige Jahre her, als er damit angefangen hatte.

Itachi sprach nicht weiter und Sasuke fragte sich, was der Ältere nun an seiner Stelle tun würde. Er würde nachhaken, oder? Konnte er es dann auch tun? Konnte er den Versuch wagen?

„Was hat sie denn gesagt?" Sasukes Stimme war leise. Ruhig. Aber verständlich. Itachi schaute auf den Boden.

„Ich sollte dir das nicht erzählen", sagte er und fuhr mit dem nackten Fuß über den rauen Teppich. Er blickte Sasuke nicht an, aber er konnte sich denken, dass er dem Jungen nun allen Mut nahm, noch mal von sich aus, in einer solchen Situation auf ihn zuzukommen, weswegen er ansetzte: „Sie hat gesagt, dass ich ein Arschloch bin."

Er stoppte, schaute an die weiße Wand vor sich und schluckte. „Ich interessiere mich nur für mich selbst. Nie für andere. Ich bin mir selbst das Wichtigste."

„Das glaub' ich nicht", murmelte Sasuke und schaute dorthin, wo Itachis Blick lag. Dann kannte Shizune ihn nicht so, wie er Itachi kannte.
 

Itachis Kopf ruckte zur Seite. Was sagte Sasuke da? Er glaubte das nicht? Er glaubte das nicht. Itachi fuhr sich durch die Haare.

„Das stimmt schon." Wie konnte das stimmen? Sasuke schüttelte zu sich selber den Kopf. Er hatte nie einen Menschen getroffen, der sich mehr für jemand anderen aufopferte als Itachi. Nie. Itachi tötete täglich seine inneren Dämonen und er gab ihm ein Zuhause. Er war der Mensch den Sasuke am meisten brauchte auf dieser Welt. Itachi war sein Mittelpunkt. Und sein Ziel. Wenn er nicht wusste, wo er hinzugehen hatte, orientierte er sich an ihm. Weil Itachi so viel für ihn tat. So viel für ihn aufgab. Und nicht nur das. Er sprang nachts aus dem Bett, weil Kakashi und Iruka einen Platten hatten, er übernahm die Arbeit in London für seinen Vater, kam zu den dämlichsten Zeiten in die Kanzlei, half Sasuke auch nach noch so einem anstrengenden Arbeitstag bei den Hausaufgaben, lernte mit ihm und kochte anschließend noch. Er war kein Arschloch. Auf keinen Fall.

„Du hast so viel für mich getan", murmelte Sasuke und jetzt war er es, der mit dem Fuß über den Boden fuhr. Er spürte das raue nicht, trug er doch eine weiche Socke.

„Jeder hätte das getan."

„Ganz sicher nicht."
 

Davon war Sasuke überzeugt. Er glaubte nicht, das jeder das getan hätte. Keinesfalls. Nicht mal die Hälfte aller Menschen. Nicht mal ein Zehntel. Kaum einer. Kaum einer würde so viel für einen fremden Jungen - einen fremden Straßenjungen - aufgeben. Und beinahe niemand hätte diesen Fremden, der zwar zum Freund geworden war, für den man aber im Grunde kein bisschen verantwortlich war, von seinen Großeltern fort geholt, nur weil es ihm dort nicht gut ging. Aber Sasukes Zukunft, seine Sicherheit und sein Wohlbefinden, das wusste der Junge, waren Itachi so viel Wert. Itachi konnte kein Arschloch sein.

Sasuke wusste nicht, was er Itachi sagen könnte, damit dieser ihm glauben schenkte. Er kannte Itachi zwar noch nicht so lange. Nicht mal ein halbes Jahr, aber er wusste, dass Itachi von dem, was er sich in den Kopf gesetzt hatte - von dem, was er glaubte - nur schwer wieder abzubringen war. Aber es musste doch etwas geben, womit Sasuke ihn überzeugen konnte. Grübelnd saß er auf der Bettkante und erinnerte sich zurück an einen Tag vor drei Wochen, weil irgendwas sagte ihm, dass ihm diese Erinnerung helfen konnte.
 

Sie hatten nicht weiter darüber geredet, dass Sasuke schon an seinem ersten Schultag in Irland die Schulordnung abschreiben musste. Sasuke hatte Itachi nicht mal erzählt, dass Iruka es war, der ihn und Naruto zum Direktor gebracht hatte und dementsprechend peinlich fand er es dann, als der Braunhaarige das Thema grinsend ansprach.

„Na wenigstens hat sich die Sache nicht wiederholt", hängte er an und lehnte sich im Sofa zurück. Sasuke wollte Itachi keine Sorgen machen. Auch jetzt war er noch dieser Meinung. Deswegen würde er sich nicht mehr prügeln, egal wer ihn herausforderte und mit Naruto schien es einfacher zu werden. Der Junge war freundlich zu ihm, auch wenn sie in den letzten zwei Tagen nicht all zu viel miteinander gesprochen hatten. Vielleicht aber konnten sie so was wie Freunde werden. Jedenfalls hoffte Sasuke dass, weil er in den Pausen doch schon ein wenig einsam war. Das merkte man mehr, fand er, wenn so viele Jugendliche um einen herum waren und man selber alleine auf der Mauer saß und Musik hörte.
 

Itachi ging nicht weiter auf die Sache ein, obwohl Iruka sie wieder an die Oberfläche holte. Er hatte nur ein müdes Lächeln dafür übrig und entschied in die Küche zu gehen, um sich einen Kaffee zu besorgen.

„Wollt ihr auch einen?", fragte er und verschwand nach einem Nicken seitens den beiden Älteren in die Küche. Sasuke saß ruhig im Sessel und schaute hinaus in den Garten. Er freute sich schon darauf, wenn es wärmer draußen würde und sie dort essen konnten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Iruka aufstand und in den Flur ging, wahrscheinlich ins Bad oder zu Itachi, er wusste es nicht. Auch wenn er froh war, dass Itachi nicht weiter auf die Sache mit der Schulordnung eingegangen war, fühlte er sich dennoch schlecht, weil Iruka ihm, wahrscheinlich ungewollt, noch einmal gezeigt hatte, dass er dem Älteren nur Sorgen machte. Er senkte den Blick und verzog das Gesicht.
 

Der verknirschte Gesichtsaudruck Sasukes blieb für Kakashi nicht verborgen. Er hatte es gar nicht glauben könne, als sein Lebensgefährte von der Prügelei in der Schule erzählt hatte, doch Iruka hatte es immer wieder beteuert und da musste Kakashi ihm einfach glauben, auch wenn er in seinem Innersten noch immer Zweifel hegte. Doch jetzt in diesem Augenblick, als er den Jungen so vor sich sitzen sah, waren auch die letzte Zweifel verflogen. Es war kaum zu übersehen, wie sehr die Geschichte an Sasuke nagte, wie Leid ihm die ganze Sache tat. Aber Kakashi wusste auch, dass Jugendliche nun einmal Ärger machten. So war es schon immer gewesen und auch bei Sasuke war es auf einer Seite gut, dass es nicht anders war. Schließlich war es das normalste der Welt, das Jugendliche sich Ärger einhandelten und genau diese Normalität brauchte Sasuke. Schuldgefühle waren nun falsch, fand Kakashi, denn Itachi hatte ihm verziehen oder war vielleicht nie wirklich sauer gewesen. Selbst die Strafe der Direktorin hatte er erledigt, ohne sich nur im leisesten zu beschweren. Sasuke musste nur noch sich selbst verzeihen, doch das konnte der Jugendliche nicht. Er würde ihm helfen müssen, dies zu können, denn gelernt hatte er es wahrscheinlich nie.
 

„Mach dir nicht so viele Gedanken", meinte Kakashi deswegen und fixierte den Jungen mit seinem Blick. Er wartete, dass Sasuke ihn seinerseits auch anschaute, bevor er weiter sprach: „Wenn ich eins in meinem Leben gelernt hatte, dann das jeder seine Entscheidungen selbst trifft. Niemand kann deine Entscheidungen treffen, außer dir selber. Du hast dich in dem Moment entschieden, dich nicht einfach schlagen zu lassen. Du hast entschieden dich zu wehren. Das war richtig, auch wenn ihr beide bestraft wurdet.

Aber im Grunde ist es so mit allen Entscheidungen. Man kann nicht immer den Mittelweg gehen und manchmal muss man Regeln brechen oder schlicht nur an sich denken, nicht mal an die Konsequenzen. Ob es richtig oder falsch war, zeigt sich immer zum Schluss."

Sasukes schaute ihn noch immer an. Seine Augen waren stark geweitet. Er war verwundert, aber dann stahl sich ein ruhiger Ausdruck auf sein Gesicht und er nickte; nur einmal, ganz sachte.
 

„Manchmal", sagte Sasuke leise und schaute weiterhin auf den braunen, rauen Teppichboden, „bleibt einem nichts anderes übrig, als eine Entscheidung zu treffen. Man weiß nicht ob die richtig oder falsch ist, aber man kann gar nicht anders."

Stille. Wenige Minuten lang und keiner der beiden bewegte einen Muskel, bis Sasuke Itachis Hand spürte, die die seinige nahm und festhielt.

„Vermutlich hast du Recht", murmelte der Ältere. Sasuke grinste, ohne dass er es selber wirklich merkte. Er fragte sich, warum Itachi seine Hand hielt, aber er entschied, dass das schon in Ordnung war. Niemand würde es erfahren und wenn schon. Es war doch ihre Sache. Außerdem wusste Sasuke, dass Itachi ihm nie etwas Böses wollte und vielleicht brauchte der Ältere nur eine Hand, so wie Sasuke nach einem Alptraum Itachi brauchte, der ihm über den Rücken strich, tröstend auf ihn einredete und in sogar in den Arm nahm. Und eigentlich, dachte Sasuke, war es ja gar nicht so ein schlechtes Gefühl Itachis Hand zu halten. Irgendwie mochte er es.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 13: embrace the precious


 

Kapitel 13: embrace the precious

Die Sprache ist ein unvollkommenes Werkzeug.

Die Probleme des Lebens sprengen alle Formulierungen.

Antoine de Saint-Exupéryde
 

Die Veilchen im Garten seiner Eltern blühten in voller Pracht. Soweit Itachi sich erinnern konnte, endete der Frühling immer mit Veilchen und der April begann weißen Schleheblüten. Jeden Monat bis zum Ende des Sommers spross eine neue Art und zeigte ihre Blüten. Zum Herbstanfang, wenn die Sonne noch schien, die Tage aber schon kürzer wurden, war der Garten immer bunt. Noch war die dominierende Farbe ein mildes grün, denn die Rosen, die Malven und die fetten Hennen sprossen noch nicht.

„Schön, nicht?" Mikoto Uchiha stand vor der geschlossenen Glastür, die vom Wintergarten zur Terrasse führte und schaute hinaus. Itachi lächelte sanft. Den Garten hatte seine Mutter schon immer geliebt. Er schaute zu seiner Linken, wo Sasuke neben ihm in einem der Baststühle saß. Da hatten die beiden wohl etwas gemeinsam, schloss Itachi, denn es schien auch so, als mochte Sasuke von ihrer neuen Wohnung, den Garten am liebsten, so oft wie er hinaus blickte.
 

Mikoto entging Itachis Lächeln nicht. Sie sah ihren Sohn gerne lächeln und weil er es gerade jetzt in ihrem Haus so frei und ohne Bedenken tat, wurde ihre Miene noch eine Spur glücklicher. Sie mochte es, wenn Itachi und jetzt auch Sasuke sie besuchten. Sie hatte sich immer mehr als ein Kind gewünscht, aber selbst Itachis Geburt war sehr schwer gewesen und die Ärzte hatten ihr im Anschluss geraten, es auf keine zweite Schwangerschaft ankommen zu lassen. Fünf Jahre nach Itachis Geburt war sie, entgegen der Warnungen der Ärzte, noch einmal schwanger geworden, aber das Ungeborene war kurz nachdem es einen Herzschlag entwickeln konnte gestorben. Nicht mal ganz drei Wochen waren zwischen dem Feststellen der zweiten Schwangerschaft und dem Tode des Ungeborenen vergangen. Danach hatten ihr Mann und sie nie wieder versucht ein Kind zu bekommen.

Sie schaute zu Sasuke, einem Kind, das heute genauso alt war, wie das Baby es wäre, wenn es eine Chance gehabt hätte, geboren zu werden. Manchmal, wenn sie Teenager auf der Straße sah oder damals Kinder und ganz viel früher kleine Babys, dann kam ihr dieser Gedanke, denn den Verlust, der für viele Menschen nach all den Jahren kaum mehr einer war, war aus ihrem Gedächtnis nie ganz verschwunden. Itachi, das wusste sie heute, wäre ein großartiger großer Bruder für den kleinen Jungen oder das kleine Mädchen gewesen.
 

„Möchtest du noch etwas Saft, Sasuke?", fragte sie und lächelte ihn an. Heute tat es nicht mehr so weh, wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren und gerade jetzt empfand sie es als noch einfacher, denn sie genoss den Besuch ihres Sohnes und Sasukes, den sie innerhalb kürzester Zeit in ihr Herz geschlossen hatte.

Sasuke nickte und als sie ihm eingoss, bedankte er sich. Er war so höflich, aber - und darüber war sie froh - nicht mehr ganz so eingeschüchtert, wie noch bei seinem ersten Besuch in diesem Haus.

„Fugaku müsste gleich ins Esszimmer kommen. Ihr könnt ja schon mal hingehen und euch an den Tisch setzten. Das Essen müsste auch gleich soweit sein. Ich bin kurz danach sehen, in Ordnung?"

Itachi nickte seiner Mutter zu, erhob sich, nahm sein Glas in die Hand und bedeutete Sasuke es ihm gleich zu tun. Hinter seiner Mutter her, gingen die beiden in den Flur und während sie in der Küche verschwand gingen die beiden eine Tür weiter ins Esszimmer, wo sie sich nebeneinander an den großen Esstisch nieder ließen und dort ihre Gläser abstellten.
 

Itachi schaute auch in diesem Zimmer aus dem Fenster. Von hier aus sah man nicht den Garten, sondern den kleinen Brunnen vor dem Haus. Er hatte doch oft mit Shizune gesessen, die ihn sehr gemocht hatte. Den Brunnen und ihn. Sie beide hatten sein dem Gespräch gestern Abend nicht mehr miteinander gesprochen, doch durch Sasukes Anteilnahme, ging es ihm heute schon um einiges besser als gestern. Es waren nur ihre Worte gewesen, die ihn getroffen hatten. Das die Beziehung zu Ende war machte ihn an sich nicht sonderlich traurig, auch wenn sich das nun wirklich so anhörte, als wäre er ein totales Arschloch. Aber für ihn war schon vor mehreren Wochen klar gewesen, dass ihre Beziehung in der Zukunft eigentlich keine Chance hatte. Es hasste es, dass er ihr so hatte weh tun müssen, doch so war es besser für ihn und auch für Sasuke, dem er ein Hin und Her in der Beziehung des Mannes, der das Sorgerecht für ihn hatte, nicht zumuten wollte.
 

Ganz in seinen Gedanken versunken, bemerkte Itachi seinen Vater erst, als dieser sich gegenüber Sasuke an dem Esstisch nieder lies und beide grüßte.

„Wie geht es euch in der neuen Wohnung?", fragte er mit seiner tiefen Stimme und faltete die Hände auf dem Tisch.

„Alles in bester Ordnung mit der Wohnung. Wir haben noch nichts unter Wasser gesetzt, abgefackelt oder geschrottet. Prima, nicht?"

„Ganz toll.“ Sein Vater lachte mit diesem brummigen Ton, der sein Lachen immer schon begleitet hatte.

Noch bevor das Lachen Itachis Vater ganz verebbte, kam Mikoto beladen mit einer Schüssel durch die Verbindungstür zwischen Küche und Esszimmer. Sie stellte die Schüssel auf den Tisch und machte sich daran, zurück in die Küche zu gehen, als Sasukes unsichere Stimme ertönte.

„Kann ich dir helfen, Mikoto?“, fragte er. Sie nickte ihm dankend zu. Er stand auf, folgte ihr in die Küche und kam hinter ihr beladen mit Tellern und Besteck wieder ins Esszimmer. Er stellte die Dinge auf den Tisch ab, deckte sorgfältig ein und folgte Itachis Mutter dann ein letztes Mal in die Küche, wo sie ihm zwei Faslchen Saft in die Hand drückte und eine kleine Sauciere voller gut und aromatisch duftender Soße dazu, die er ebenfalls auf den Tisch im Esszimmer abstellte. Erst dann setzte er sich wieder an seinen Platz. Die schwarzhaarige Frau mit dem netten Gesicht bedankte sich bei ihm und Itachi sah, dass Sasuke ein wenig verlegen aufgrund des Dankes war. Wahrscheinlich kannte er so was nicht. Das man sich bei ihm dafür bedankte, dass er bei irgendwas im Haushalt half. Natürlich tat Itachi das auch, aber es musste für den Jungen wohl einen ganz anderen Stellenwert haben, wenn es eine Frau tat, die der Generation angehörte, der auch Sasukes Mutter angehörte.
 

Als alle saßen, wurden Schüsseln rumgereicht, Zubereitetes auf die Teller verteilt und erste Bissen probiert. Dabei aber, merkte Itachi, lag Fugakus Blick des Öfteren auf Sasuke, der sich weiterhin absolut vorbildlich verhielt. Er gab immer ganz eilig die Behälter, um die er gebeten wurde, seine Tischmanieren waren vollkommen in Ordnung, sein Gesicht freundlich und jede seiner Bewegungen immer noch bedacht und vorsichtig.

„Du hast gute Tischmanieren, Sasuke“, stellte Fugaku fest. Der Junge sah überrascht auf und bedankte sich leise. Itachi zwang sich dazu, nicht die Hand vor die Stirn zu schlagen, weil das ein absolut untypisches Verhalten für ihn war, aber er verspürte geradezu den Drang dazu, genau dies zu tun. Was war das denn für eine Einleitung in ein Gespräch?! Sein Vater war, abseits vom Gerichtssaal, manchmal so ungeschickte mit Worten und anderen Menschen, wie nicht mal er es war. Itachi sah, dass ein Vater, Sasuke weiterhin anschaute. Er wusste, dass Fugaku etwas von ihm wollte, nur hoffte er inständig, dass alle unangenehmen Fragen bis nach dem Essen warten konnte. Denn schon jetzt, spürte Itachi, wie Sasuke sich zunehmend unwohler und unsicherer fühlte. Solch ein Lob, wie Fugakus war etwas, was Sasuke nicht gut hören konnte. Eigentlich doch ein Lob, das kaum einer gern hörte. Irgendwie, fand der Uchiha, zeigte es indirekt, dass sich jemand über die Tischmanieren wunderte. Etwa darüber, wo man diese erlernt hatte.

„Haben deine Großeltern Wert darauf gelegt?“

„Nicht so sehr“, antwortete Sasuke leise. Er hatte das ‚Sir‘ abgelegt, siezte Fugaku aber trotzdem noch und war sehr respektvoll.

Fugaku nickte, wandte seinen Blick wieder gen dem Porzellan auf dem Tisch und schwieg. Itachi wusste dennoch, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte.
 

„Vermisst du sie denn, Sasuke?", war es jedoch Mikoto, die das Gespräch wieder aufnahm. Itachi wusste, dass sie es nicht böse meinte und an der Art wie Sasuke antwortete, merkte Itachi, dass auch er es nicht so schlecht auffasste, wie er immer befürchtete, Sasuke könnte die Dinge auffassen.

„Ich weiß nicht. Ich glaube... nicht so sehr wie ich sollte."

Mikoto lächelte ihm freundlich zu.

„Es gibt keine Vorschrift, wie sehr man seine Familie vermissen muss. Es ist in Ordnung so, wie es ist."

Sasuke schaute die Mutter Itachis an und nickte schlicht. Itachi sah immer wieder, wie sehr Sasuke Mikoto mochte. Er sah es in kleinen Gesten. Aber wer konnte es Sasuke verübeln. Schon so lange hatte er nicht mehr mit seiner leiblichen Mutter sprechen können. Da war es nur ganz normal, dass es ihn beruhigte mit einer Frau zu sprechen, die seine Mutter sein könnte.

„Dennoch ist es doch die Norm, dass man seine Familie vermisst. Wie ist es denn bei deinen Eltern? Vermisst du die auch nicht so sehr, wie du solltest?"

„Vater", presste Itachi heraus. „Lass es gut sein, bitte. Es reicht."

„Ich habe ihm nur eine Frage gestellt, Itachi. Übertreib nicht so maßlos."

Itachi schnaubte. Immerzu war sein Vater so, wenn es um Sasuke ging. Nie konnte er einfach aufhören ihn auszuquetschen. Er konnte einfach nicht den Mund halten. Selbst dann nicht, wenn es bewirkte, dass es Sasuke dadurch besser ging. Itachi schüttelte den Kopf. Auch jetzt wieder saß Sasuke stocksteif da. Das tat er häufig, wenn er von einer Frage erschrocken oder getroffen war. Doch dann legte Sasuke die Gabel und das Messer beinahe lautlos an den Tellerrand und schaute Fugaku an. Sein Blick war scheu, aber nicht gänzlich kraftlos. Er enthielt die Kraft, die er bei Itachi tanken konnte.

„Ich sollte meine Mutter nicht vermissen. Aber ich vermisse sie schrecklich. Schon seit mein Vater gestorben ist." Diese Worte ließen selbst den sonst so gefassten Fugaku erstarren. Natürlich hatte er gewusst, dass Sasukes Vater tot war, aber er hatte nicht geglaubt, dass der Junge so ehrlich mit ihm sein würde. Es von ihm zu hören, machte es irgendwie realer. Und was meinte er damit, dass er seine Mutter nicht vermissen sollte?
 

„Warum solltest du deine Mutter nicht vermissen?", wollte Fugaku sogleich wissen. Er konnte nicht aufhören Fragen zu stellen. Das lag in seiner Natur. Es war immer so, wenn der Part in ihm herauskam, der aus vollem Herzen Anwalt war.

„Fugaku, bitte. Lass ihn in Ruhe essen. Wir können doch danach sprechen." Mikoto kannte die Geschichte. Itachi hatte ihr alles erzählt in einer Nacht, in der er entmutigt gewesen war und vor einem Morgen, an dem sie Sasuke als einen Jungen kennenlernte, denn sie in ihr Herz schließen musste.

„Meinetwegen", brummte der Herr des Hauses und schnitt etwas Lammfleisch. Itachi seufzte erleichtert und legte Sasuke die Hand auf den Rücken. Leise raunte er ihm zu, dass er weiter essen sollte. Gerne würde er viel mehr noch sagen. Davon, dass alles gut werden würde und dass er seinen Vater davon abhalten würde, Fragen zu stellen, die zu sehr wehtaten, aber er wusste, dass er seinen Vater gar nicht aufhalten konnte, es sei denn er würde sich Sasuke schnappen und augenblicklich dieses Haus verlassen. Aber das konnte er nicht. Das wäre der Anfang vom Ende zwischen ihm und seinem Vater. Vielleicht war das das einzige, was Itachi nicht für Sasuke tun konnte. Einen Bruch mit seinen Eltern, denn wenn er eines durch den Jungen gelernt hatte, dann, dass man seine Eltern nie vergaß, egal wie alt man war. Und dass man sie eigentlich immer brauchte, vor allem dann, wenn sie nicht zur Stelle waren.
 

Es dauerte länger als normal, bis sie das Essen beendeten. Sasukes Teller war schon lange leer. Er hatte keinen Nachschlag gemocht, obwohl er Mikotos Essen immer gut schmeckte. Viel zu sehr hing er seinen Gedanken nach. Er wusste, dass er den Fragen seitens Itachis Vater nicht mehr entwichen konnte, auch wenn Itachi und Mikoto versuchten ihren Vater und Ehemann davon abzuhalten, diese Fragen zu stellen. Sasuke wusste, dass es an der Zeit war, auch diesem Mann die Wahrheit zu sagen. Denn Sasuke wusste, ohne die Unterstützung des älteren Uchihas wäre es so viel schwieriger geworden bei Itachi zu leben. Fugaku hatte Itachi so oft freigegeben, sodass Itachi die Zeit hatte nach ihm zu sehen und sogar die Möglichkeit nach England zu fahren. Außerdem hatte der Hintername und die Tatsache, dass Itachi ein Anwaltssohn war erheblich dazu beigetragen, dass die Sorgerechtsübertragung funktioniert hatte, obwohl Itachi noch so jung war. Fugaku hatte ihn in sein Haus gelassen. Er war offen gewesen und hatte keine Vorurteile gehabt. Dieser Mann hatte die Wahrheit verdient, auch wenn Sasuke wusste, dass es vieles in ihm kaputt machen würde, wenn er erneut alles erzählen musste.
 

Mikoto und Itachi aber waren diejenigen gewesne, die besonders langsam gegessen hatten, immer wieder neu Getränke eingegossen hatten und versuchten Zeit zu schinden. Die Straßenlaternen waren schon erleuchtet und ein Nieselregen hatte eingesetzt, als sie sich auf ins Wohnzimmer machten um es sich dort mit einer Tasse Kaffee, und für Sasuke Kakao, bequem zu machen. Sasuke saß wieder zwischen Mikoto und Itachi und ihm Gegenüber im Sessel war Fugakus Platz. Der Mann trank einen Schluck und fixierte dann Sasuke.

„Warum bist du von Zuhause fortgegangen? Damals."

„Warum willst du das wissen?" Itachis Stimme war den Umständen entsprechend ausgewählt. Er wollte Sasuke beschützen. Im Gegensatz zu dem Jungen war er nicht der Meinung, dass sein Vater dass Recht hatte, die Wahrheit zu erfahren. Hier ging es um Sasuke. Nicht um irgendjemand anderen.

„Du willst, dass er zur Familie gehört", sagte Fugaku mit ruhiger Stimme. Sein Blick lag noch immer auf Sasuke. Ganz so, als würde er versuchen, den Jungen kennen zu lernen. Seit wann wollte sein Vater Menschen kennen lernen, ohne dass es sich für ihn lohnte? „Zur Familie gehört Vertrauen. Und dazu gehört es, die Wahrheit zu erfahren und die Wahrheit zu sagen."
 

Irgendwie musste Itachi zugeben, so wie sein Vater es sagte, klang es stimmig. Er wusste die Wahrheit. Natürlich tat er das und seine Beziehung zu Sasuke war gut. Sie waren ehrlich zueinander, sie standen füreinander ein, sie mochten sich. Seine Mutter wusste die Wahrheit und sie hatte Sasuke schon so sehr in ihr Herz geschlossen. Itachi glaubte, wenn er sie ansah, dass sie begann diesen Jungen zu lieben, wie ein zweites Kind. Auch ihr Blick lag auf Sasuke. Sie wollte ihn schützen, vor den Fragen ihres Mannes, aber auch sie musste das erkannt haben, was Itachi vor nicht mehr als ein paar Sekunden erkannt hatte. Wenn er wollte, dass Sasuke auch zu der Familie seines Vaters gehörte und wenn er wollte, dass Sasuke und Fugaku eine Bindung aufbauen konnten, mussten er und seine Mutter Sasuke die Möglichkeit geben, ein Gespräch mit Fugaku zu führen, auch wenn das Endprodukt wäre, dass die Wahrheit ein weiteres Mal ans Licht käme.

Itachi legte Sasuke eine Hand auf den Rücken und bedeutete ihm so, dass er antworten konnte, wenn er wollte. Es dauerte eine Weile, bis der Junge es tat, aber dann blickte er Fugaku sogar an und sprach leise aber klar: „Ich konnte einfach nicht bleiben."

„Wenn man will, kann man immer bleiben. Also schließe ich daraus, du wolltest nicht."

„Ich wollte bei meiner Mutter bleiben. Ich wollte, aber... ich konnte wirklich nicht." Sasuke verstummte kurz und blickte in seinen Schoß. „Sie haben recht. Ich hatte die Wahl, aber ich wollte leben und er... er hätte mich irgendwann umgebracht."

„Wer ist er?", wollte Fugaku wissen, ohne auf das andere davor einzugehen. Es war nicht richtig, wenn ein Jugendlicher fürchtete, getötet zu werden. Und wenn dies der Fall war, dass Sasuke dort wo er herkam in Gefahr geschwebt hatte, mussten sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen.
 

Sasuke konnte Kabuto nicht mit einem Wort oder mit einem Satz beschreiben. Aber er konnte auch keine langen Reden über ihn und die Misshandlungen halten. Seinen Kopf weiterhin gesenkt halten, grübelte er, wie er Itachis Vater verständlich machen sollte, wer Kabuto war. Einen Moment lang fragte er sich, ob es nicht vielleicht falsch war auf all das zu antworten, aber er musste. Er hatte die Worte des Mannes gehört. Itachi wollte, dass Sasuke zur Familie gehörte und das konnte er nur, wenn er ehrlich war. Er musste was sagen. Er wünschte er könnte sagen, Mutters Freund. Aber selbst das konnte er nicht, denn es war nicht der Freund ihrer Mutter gewesen. Nicht der Lebensgefährte, denn das würde Fugaku Uchiha darunter verstehen. Es war schlicht ihr bester Freund gewesen, der sein Leben zur Hölle gemacht hatte. Zwar, das wusste Sasuke, ging auch sie mit ihm ins Bett, aber sie liebten einander nicht wie ein Paar das tat. er konnte nicht sagen, Mutters Freund, dabei wäre das wohlmöglich noch das einfachste.
 

„Er ist mit meiner Mutter befreundet. Er kam, immer wieder, und blieb für eine Weile. Er... trank mit ihr und..." Sasuke biss sich auf die Lippe. Sein Blick ruckte vom Boden hoch nach oben an die Decke. Er hatte keinen blassen Schimmer, was er da quasselte. „... und wenn über Nacht blieb, kam er... in mein Zimmer. Er... hat mich geschlagen und er hat... meine Mutter dazu gebracht, mich nicht mehr... sich nicht mehr... um mich zu kümmern. Kabuto wollte seinen Spaß. Den hat er sich geholt. Mit... allen Mitteln."

Mikotos Blick wandte sich nicht von Sasukes zierlichem Körper und Itachis Hand auf seinem Rücken ab. Eine Schauer lief ihr über den Rücken. Sie kannte Sasukes Geschichte, aber es war Itachi gewesne, der ihr alles erzählt hatte. Es jetzt von Sasuke zu hören, erschütterte sie. Sie fragte sich, ob ihr Mann verstand, dass dieser Kabuto, wenn er nachts in Sasukes Zimmer ging, mehr getan hatte, als ihn zu schlagen. Dinge, die Sasuke wohl nicht aussprechen konnte.

Fugaku presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Häusliche Gewalt, eine trinkende Mutter. Wahrlich konnte der Ort von dem Sasuke geflohen war, nicht das optimale Nest darstellen, aber er sah nicht, dass Sasuke da beinahe zu Tode gekommen war. Er hätte nicht auf die Straße gemusst. Er hätte sich an Ämter wenden können und zur Not in eine Pflegefamilie oder in ein betreutes Wohnen gekonnt.

Mikoto sah ihren Mann an und sie sah, dass er nicht verstand. Egal, wie viel Mühe Sasuke sich damit gegeben hatte, sein Leiden zu schildern ohne Zusammenzubrechen oder sich selbst mehr als genug wehzutun, verstand ihr Ehemann nicht. Aber sie konnte es ihn nicht übel nehmen. Vielleicht, wenn sie Sasukes Geschichte nicht kennen würde, wäre sie auch nicht im Stande zu verstehen.
 

„Es hätte gewiss Möglichkeiten gegeben, Sasuke. Ich weiß das und du weißt es auch, denn du magst zwar jung sein, aber als dumm schätze ich dich nicht ein. Ich sehe es schlicht so, dass du überreagiert hast."

Sasukes Augen weiteten sich. Er konnte nichts dafür, aber er blickte Itachis Vater an und schaute in ein Gesicht, dass komplett das vorher Gesagte widerspiegelte. Sasukes Hände begannen zu zittern und seine Augen brannten. Er zwang sich, verdammt noch mal, jetzt nicht zu weinen. Und dann spürte er Itachis Hand auf seinem Rücken, die sich zur Faust ballte, aber dort liegen blieb. Er schaffte es nicht in Itachis Gesicht zu blicken. Konnte den Blick einfach nicht von Fugaku Uchiha abwenden. Es tat so weh, was dieser Mann sagte.

„Ich glaub's nicht", presste Itachi raus. „Verdammte Scheiße, wie kannst du nur so ein kaltes, egozentrisches Arschloch sein?! Ich dachte, du würdest immer nur so herzlos und steif tun. Dachte immer, du wärst gar nicht so, du wärst viel... viel herzlicher, aber ich hab mich geirrt. Ich hasse...", er wollte weitersprechen, doch es war Mikoto die ihm ins Wort fiel.

„Es ist genug, Itachi. Genug, hörst du?" Sie hatte ihm nicht mehr den Mund verboten, seit er einen kleines Kind war. Das brachte ihn dazu, wirklich zu verstummen. Seine Mutter wollte etwas sagen. Sie sprach in Streitsituationen nicht besonders oft, hielt sich eher im Hintergrund, aber wenn sie den Mund aufmachte, waren ihre Worte immer bedeutungsvoll.

„Dein Vater versteht nicht, Itachi", sagte sie. Diese Worte schienen nicht besonders bedeutsam, aber doch waren sie es. Mikoto konnte Dinge in den Zügen ihres Mannes lesen, die sein Sohn nicht mal zu vermuten vermochte. Aber als sie es sagte, sah auch er es. Er sah hinter dem geschockten Blick seines Vaters, dass er gar nicht wirklich kapiert hatte, was Sasuke geschehen wurde. Aber jetzt fragte Itachi sich, ob es nicht zu spät war, alles zu erzählen. Sein Vater hatte Sasuke sehr verletzt, ob er ihn nun richtig verstanden hatte oder nicht, er hatte Sasuke mit seinen Worten weh getan. Und Itachi vermochte nicht zu sagen, ob Sasuke noch mit ihm reden konnte. Ihm die Dinge erzählen wollte.

„Was verstehe ich nicht, Mikoto?" Sie schwieg und er schaute zu seinem Sohn. „Itachi. Rede mit mir."

„Was er gesagt hat. Was ihm wirklich passiert ist, Papa." Er nannte ihn Papa, weil er sich entschuldigen wollte. Dafür, dass er fast gesagt hatte, er würde ihn hassen. Das tat er nicht. Er war seiner Mutter dankbar, dass sie ihn unterbrochen hatte.

Sie schwiegen gemeinsam. Mikoto hatte unterdessen ihre Hand auf Sasukes gelegt und streichelte diese, wie nur Mütter es konnten. Und selbst wenn sie nicht Sasuke Mutter war, wollte sie ihm Trost spenden, denn er saß da wie ein Häufchen Elend und sie hatte gewollt, dass seine Hand nicht mehr so zitterte. Desto länger ihr Daumen über seinen Handrücken fuhr, desto mehr beruhigte er sich.

Itachis Hand war nicht mehr zur Faust geballt. Auch er beruhigte sich, schaute seinen Vater entschuldigend an. Es tat ihm wirklich Leid. Er hatte ihn auch nicht als Arschloch betiteln wollen, aber er wusste, dass sein Vater ihm verzieh. Es war einer ein Missverständnis gewesen, über das sie beide wegsehen konnte. Aber Sasuke litt.
 

„Sasuke", wandte Fugaku sich an den Jungen Er rückte etwas nach vorne im Sessel und stützte die Ellebogen auf die Knie. Er wirkte viel herzlicher so, fand Itachi.

„Ja?", murmelte Sasuke, als der Uchiha nicht weiter sprach. Er zwang sich in dessen Gesicht zu blicken und als er es tat, wurde ihm erneut die Hand Itachis auf seinem Rücken bewusst und erst jetzt wirklich die streichelnden Finger Mikotos an seiner Hand. Das alles brachte ihn dazu, zu weinen, obwohl er es nicht wollte. Es war eine salzige Träne, die über seine Wange lief und am Kinn hinunter auf sein Shirt tropfte.

„Was ist das, was dir passiert ist und was ich nicht verstehe?", fragte Fugaku Uchiha dennoch. Aber seine Stimme war sanft. Sanfter noch, als Itachi sie von ihm zu kennen glaubte, als er sich mit neun Jahren den Arm gebrochen hatte und eine kurze Zeit lang im Wartezimmer des Krankenhauses auf dem Schoß seines Vaters geweint hatte.
 

Sasuke war sich nicht sicher, was er antworten sollte. Er wusste nicht wirklich, was Herr Uchiha nicht verstand oder ob es überhaupt etwas gab, was er nicht verstanden hatte. Vielleicht hatte er ja alles verstanden, fand aber trotzdem, dass Sasuke einfach überreagiert hatte.

„Ich weiß... nicht", sagte Sasuke leise. Er wusste es wirklich nicht. Aber einfach keine Antwort zu geben, kam ihm respektlos vor. Und vor Fugaku Uchiha hatte er immer noch einen riesigen Respekt.

„Sag ihm, was du verstanden hast, Liebling", hörte Fugaku die Stimme seiner Frau. Sie nannte ihn selten vor anderen Menschen Liebling. Eigentlich tat sie es nur, wenn sie alleine waren und auch dann nicht allzu häufig. Aber auch er merkte, dass dies hier gerade ein besonderer Moment in seiner Familie war. Seine Familie, zu der seine Frau gehörte, sein Sohn und vielleicht, vielleicht auch dieser Junge.

„Ich habe verstanden, dass deine Mutter viel getrunken und sich wenig um dich gekümmert hat. Dass häufig ein Mann mehrere Nächte bei euch blieb, ein Mann der nachts in dein Zimmer kam um dich zu schlagen."

„Er hat... mehr getan", murmelte Sasuke.

„Was getan, Sasuke? Was bedeutet mehr getan?" Fugaku hatte sich noch etwas vorgelehnt, er sprach mit eindringlicher Stimme. Er wollte verstehen, was seine Frau und sein Sohn schon seit langem zu verstehen schienen.
 

Sasuke wusste, dass er es sagen musste. Itachis Vater würde sonst nicht verstehen. Sasuke konzentrierte sich einen Moment lang auf die streichelnde Hand Mikotos und die Wärme Itachis Finger auf seinem Rücken. Es tat so gut.

„Er... hat mich vergewaltigt." Sasuke konnte die Worte mit einem Zittern in der Stimme aussprechen, aber in die Augen sehen konnte er diesem Mann nicht. Er blickte auf den dunklen Wohnzimmerboden. Sein Zimmer hatte hellen Holzboden gehabt. Es hat immer wehgetan, wenn er mit dem Rücken darauf knallte und das Blut seiner Wunden hatte man darauf immer gesehen. Er schloss die Augen. Jetzt, wo er es das erste Mal wirklich aussprach, was geschehen war, kamen keine Tränen, aber Bilder kamen. Bilder der Dinge, die dieser Mann ihm angetan hatte.
 

Fugaku hasste sich selbst. Er verabscheute in diesem Moment niemanden mehr, als sich selbst. Er hatte gesagt, Sasuke hätte einfach überreagiert, aber das hatte nicht. Sexueller Missbrauch. Das war es, was diesem Kind geschehen war. Eine Thematik, die immer wieder in den Nachrichten und Zeitungen dieser Welt thematisiert wurde. Immer wieder kamen Männer hinter Gitten, die sich an Kindern vergangen hatten, doch noch nie hatte Fugaku einem Fall beigewohnt, der soll einer Tat zugrunde lag. Er schockte ihn, dass so was in seinem Umfeld geschah, auch wenn es jedem Erwachsenen klar sein sollte, dass im Nachbarhaus ein Kind misshandelt werden könnte.

Fugaku bewunderte seinen Sohn. Itachi war ein zweiundzwanzigjähriger Mann, der einem Kind das Leben gerettet hatte. Und er bewunderte Sasuke, der sich zuvor schon selber das Leben rettete. Wäre er geblieben, würde er heute vielleicht wirklich nicht mehr leben.

„Es tut mir so Leid", sagte Fugaku aufrichtig, als seine Stimme nach einem Räuspern wieder beinahe so funktionierte, wie er es wollte.
 

Itachi nickte. Seine Hand auf Sasuke Rücken wanderte zu seiner Schulter. Er zog ihn ein Stück an sich. Sasukes Kopf lehnte gegen Itachis Schulter, während Mikoto noch immer seine Hand auf eine Weise hielt, die ihn tröstete.

„Ihr solltet zu Bett gehen, Jungs. Es ist schon spät."

Erneut nickte Itachi und erhob sich, ohne Sasuke loszulassen. Erst als sie standen und Itachi sah, was seine Mutter zu tun bereit war, lies er den Jungen los. Mikoto beugte sich ein Stück hinunter, weil sie ein bisschen größer als Sasuke war, und legte ihre Arme um ihn. Sie drückte ihn kurz an sich und strich ihm über die Haare.

„Schlaf gut, Sasuke", sagte sie leise, ehe sie ihn losließ und auch ihren Sohn kurz drückte. Itachi schaute noch zu seinem Vater und flüsterte beinahe: „Nacht, Papa."

Er legte wieder seine Hand auf Sasukes Rücken und ging mit ihm hoch. Sie hatten eigentlich nicht vorgehabt hier zu schlafen, aber Itachi glaubte, es wäre das Beste und er war froh, dass seine Mutter es vorgeschlagen hatte. Irgendwie war das merkwürdig. Seitdem er ausgezogen war, hatte er keinmal bei seinen Eltern geschlafen, bis vor einem Monat, das eine Mal, wo er seinen Eltern Sasuke vorstellte und es stürmte und sie nicht anders konnten. Aber heute war er froh im gleichen Haus wie seine Eltern zu schlafen.
 

Sie machten sich bettfertig - putzten Zähne, zogen beide wieder eins der älteren Shirts von Itachi an - und gingen dann zu Bett. Itachi hatte das große Licht ausgeknipst, aber die Nachttischlampe war an. Sasuke weinte nicht, er hatte sogar ein wenig gesprochen in den letzten Minuten, recht belanglose Sachen, Sachen wie: „Kannst du mir bitte die Zahnpasta geben?", aber dennoch wirkte er irgendwie traurig. Aber das war ihm nicht zu verdenken, nachdem, was er hatte aussprechen müssen. Zuerst hatte Itachi seinen Vater darum bitten wollen, Sasuke nicht dazu zu bringen, diese Worte sagen zu müssen, aber jetzt glaubte er es könnte gut so gewesen sein. Vielleicht half es Sasuke ein wenig dieses Trauma zu bewältigen. Sanft zog Itachi die Decke über Sasuke zurecht. Der Junge lag auf der Seite, dem Gesicht ihm zugewandt, die Augen halb geöffnet, eingekuschelt unter der Decke, neben ihm.
 

Die Hand welche die Decke über Sasuke zurecht zog, blieb nichts tuend auf dessen Schulter liegen. Itachi glaubte der Teenager brauchte diese Art der Zuwendung genau in diesem Moment. er wurde an die schlimmste Vergangenheit erinnert, die er je von einem Menschen aus Fleisch und Blut gehört hatte. Da brauchte man doch einfach Zuwendung und das Gefühl der Geborgenheit. Itachi hoffte, dass es Sasuke gut getan hatte, von Mikoto umarmt zu werden. Doch gerade in diesem Moment konnte er selber Sasuke nicht an sich sichen. Zwar vertraute der Junge ihm, aber er fürchtete genau dieses Vertrauen, dass sich mühsam aufgebaut hatte, zu zerstören. Zu sehr war er vielleicht in den Erinnerungen von damals gefangen, in derer er nicht Herr über sein Körper war, sondern jemand anderes, der ihn mit Gewalt zu besitzen versucht hatte.

Doch es schien ganz anders zu sein. Es war Sasuke der näher rückte und sein Gesicht an Itachis Brust schmiegte. Einen Arm lag dabei unter dessen Kopf, der andere lehnte gegen Itachis Bauch.

„Darf ich?", murmelte Sasuke und blickte scheu hoch. Itachi nickte und weil er glaubte, Sasuke könnte sich darüber freuen, legte er einen Arm um Sasuke. Er war sich bewusst, dass dies hier einer Umarmung mehr als Nahe kam und dass seine Mutter, sollte sie das Zimmer betreten, vielleicht geschockt sein, aber Sasuke brauchte es und Itachi merkte, dass er das Gefühl hier mit Sasuke zu liegen und ihn zu halten auf eine Art sehr genoss. Sasuke war wirklich sehr kostbar für ihn. Itachi löschte mit der freien Hand das kleine Nachtlämpchen, legte den freien Arm auch unter seinen Kopf, lehnte diesen gegen Sasukes weichen Schopf und wünschte ihm flüsternd eine Gute Nacht.
 

~~
 

Sasuke saß auf dem braunen Teppich im Wohnzimmer von Kakashi und Iruka. Er war das erste Mal in der Wohnung der beiden, dementsprechend schüchtern war er gewesen. Aber das meiste davon hatte sich bald gelegt. Während Kakashi unterwegs war um was zu Essen zu besorgen, saßen Iruka und Itachi auf der beigefarbenen Sitzecke und sprachen über dies und jenes; Sasukes hörte nicht genau zu. Er fuhr mit der Hand über das weiche, dunkelbraune Fell der Katze. Sie schnurrte. Er mochte das Gefühl über ihr Fell zu streichen. Sie war so weich und so lieb. Sogar den Bauch durfte er kosen, obwohl sie Babys in ihm trug. Man sah deutlich, dass sie trächtig war. Aber Sasuke fand sie wunderschön.

Er kraulte sie hinterm Ohr und zwischen den Augen, bevor er wieder ihren Bauch streichelte, weil sie deutlich zeigte, dass sie genau das wollte, denn sie rollte sich auf den Rücken und als er ihren Bauch berührte, wurde ihr Schnurren noch intensiver.

„Ich glaube Aenny hat sich restlos in Sasuke verknallt", lachte Iruka und schaute auf die Szene die sich im bot. Die Katze, die er und Kakashi vor ein paar Monaten samt Kater zu sich geholt hatte, schmuste mit Sasukes Bein und lies sich von ihm verwöhnen.

Itachi lachte leise und schaute zu Sasuke. Seine Augen funkelten, während er die Katze streichelte. Itachi mochte dieses Funkeln.

„So wie er sie verwöhnt, wundert mich das kein bisschen."

„Stimmt", meinte Iruka und erhob sich vom Sofa. Itachi sah ihm nach, wie er in die Küche ging. Er hörte eine Schranktür aufgehen und dann Plastik rascheln.
 

Itachi war froh, dass Sasuke nun hier sitzen konnte, seine ganze Konzentration auf die Katze richtete, während der Kater im Körbchen lag und die beiden beobachtete. Nach der gestrigen Nacht in der Sasuke sich so schutzsuchend and ihn gekuschelt hatte, hatte Itachi befürchtet, der Junge würde wieder ein Stück kaputt gegangen sein, innerlich, aber am Morgen war Sasuke fit gewesen. Er war ein wenig verschüchtert gewesen, weil es ihm peinlich war, wie er sich am Abend zuvor verhalten hatte und quasi um eine Umarmung gebettelt hatte, aber Itachi hatte diese Gedanken schnell vertrieben und sie hatten gut mit Itachis Eltern gefrühstückt. Mikoto war wie immer so lieb und bemutterte Sasuke ein bisschen, aber auch Fugaku war wirklich freundlich zu dem Jungen und versuchte seine harsche Art der letzten Treffen damit gut zu machen. Irgendwie fühlte es sich mehr und mehr so an, als würde Sasuke ein Teil seiner Familie werden und das war gut.
 

Itachi schreckte aus seinen Gedanken, als Iruka mit einer Tüte Leckerlis aus der Küche kam und sich neben Sasuke hockte. Er drückte ihm das Tütchen in die Hand und ließ sich dann wieder neben Itachi auf dem Sofa nieder. Sasuke unterdessen nahm ein Leckerli aus dem Tütchen und wollte es gerade Aenny geben als der Kater Fionan angelaufen kam und es aus der Hand schnappte. Sasuke grinste kaum merklich, nahm ein zweites und gab es dieses mal der Katze und dann wieder eines dem Kater. Als er nach und nach ein paar verteilt hatte, legte er das Päckchen auf den Wohnzimmertisch. Er rechnete damit, dass Fionan nun wieder in sein Körbchen verschwand, doch auch er blieb, rollte sich neben Aenny zusammen und maunzte, weil auch er gestreichelt werden wollte. Sasuke wechselte sich nun eine Weile lang ab, die beiden Tiere zu streicheln, doch anscheinend ging denen das nicht schnell genug und immer wieder maunzte eine.

„Anhänglich sind die beiden ja immer, aber so?", lachte Kakashi, der gerade mit Pizzaschachteln und einer Plastiktüte das Wohnzimmer betrat. Er stellte die Sachen auf dem Wohnzimmertisch ab. Dort lag schon das Besteck und Gläser standen da.

Kakashi setzte sich neben seinen Freund auf das Sofa. Sie verteilten die Gerichte und stellten Sasukes auch an den richtigen Platz. Itachi goss sich etwas Cola in sein Glas und blickte zu Sasuke.

„Komm schon. Die Pizza bleibt nicht ewig heiß", meinte Iruka feixend und Sasuke nickte. Er wollte aufstehen, doch bevor er einen Schritt tat, stolperte er beinahe über den Kater, der um seine Beine lief.

„Ist ja gut", murmelte Sasuke, bückte sich und kraulte ihm hinterm Ohr. Es dauerte noch eine Weile - Itachi und die beiden anderen hatten jeweils schon ihr erstes Stück Pizza auf - bis Sasuke aufgab, den Kater endlich in sein Körbchen zu bringen. Er bewegte sich einfach auf das Sofa zu und setzte sich an den Couchtisch. Der Kater machte es sich neben dem Jungen auf dem Boden bequem und schon bald folgte ihm Aenny. Das Essen verlief so wie es immer war. Die drei Erwachsenen sprachen über vieles, was Sasuke an sich nichts ausmachte, denn sie versuchten ja auch immer wieder ihn in ihre Gespräche miteinzubinden, er war eben nur noch nicht so gut darin, solche lockeren Gespräche mit anderen zu führen, aber er merkte, dass es immer besser wurde. Heute jedoch war doch etwas anders. Er konnte sich kaum vor den beiden schmusebedürftigen Katzen retten. Deswegen hockte er sich auch, sobald er seine Pizza aufgegessen hatte, wieder auf den Boden, um die beiden richtig streicheln zu können, während Itachi sich entschied Iruka in die Küche zu folgen.
 

Iruka stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle und lies heißes Wasser einlaufen. Er gab Spüli hinzu, während Itachi die Pappschachteln der Pizza in den Müll stopfte.

„Was macht ihr mit den Babys?", wollte er wissen

„Bitte - Was?", lachte Iruka aus und legte den Spüllappen einen Moment Beiseite um sich Itachi zuzuwenden. Itachi schnalzte mit der Zunge.

„Die Katzen, was macht ihr mit denen?"

„Darüber haben wir noch nicht gesprochen, Kakashi und ich. Behalten können wir sie aber nicht, höchstens eines. Also wird es darauf hinauslaufen, dass wir die anderen verkaufen, warum fragst du?"

„Dann kannst du an mich denken. Ich nehm' eine."
 

Iruka wandte sich um. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen.

„Für Sasuke, nicht wahr?"

Itachi blieb ihm eine Antwort schuldigt und öffnete die Küchentür, die er zuvor geschlossen hatte um mit Iruka in Ruhe zu sprechen. Irukas Grinsen wurde breiter. Itachi hatte sich so verändert. Er hatte nie Haustiere haben wollen, hatte nicht mal einen besonders guten Draht zu Tieren, aber für Sasuke nahm er ein Katzenbaby. Das fand Iruka ziemlich rührend, vor allem da er gesehen hatte, sie sehr Sasuke es genoss, ein Tierchen um sich zu haben. Iruka wollte sagen, dass Sasuke sich bestimmt riesig freuen wird, doch da war Itachi schon die Tür raus, zurück ins Wohnzimmer und Iruka blieb lächelnd zurück. Er hätte es noch vor ein paar Monaten nicht für möglich gehalten, aber es war ein anderer Mensch, der für Itachi am kostbarsten war. Iruka wusste, dass Itachi alles für Sasuke tun würde, aber er glaubte, andersherum war es nicht anders. Es war ein Segen, dass die beiden sich hatten kennen lernen dürfen. Sie hatten einander verändert, dass glaubte Iruka, als er durch die geöffnete Küchentür sah, welch einen Blick Itachi Sasuke zuwarf. Itachi hatte Sasuke ein Leben nach dieser schrecklichen Vergangenheit geschenkt und Sasuke hatte, ohne sich dessen bewusst zu sein, Itachi zu einem besseren Menschen gemacht.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 14: itachis prayer


 

Kapitel 14: itachis prayer

There are thoughts which are prayers.

There are moments when, whatever the posture of the body, the soul is on its knees.

- Victor Hugo
 

Man sah sofort, Narutos Zimmer war nicht nur ein Ort, an dem er sich aufhielt. Nicht bloß ein Raum, in dem er schlief und lernte. Das große Zimmer unterm Dach trotzte nur so vor Leben. Sasuke blieb im Türrahmen stehen, während Naruto herumwuselte, Klamotten vom Bett in den Schrank stopfte und ein bisschen Süßigkeitenpapier vom Schreibtisch in den orangefarbenen Mülleimer fegte.

„Das ist so typisch, Naruto!“, seufzte Sakura und hob mit spitzen Fingern einen Socken vom Schreibtischstuhl. Mit diesem wedelte sie Naruto vor der Nase rum. „Warum räumst du nicht auf, bevor du Freunde einlädst?“

„Streng genommen haben wir beide uns selber eingeladen, Sakura“, merkte Sai an und ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder.

„Fall mir nicht in den Rücken!“, blubberte Sakura ihren Freund an, der sie bei den Hüften packte und auf seinen Schoß zog. Sie zog eine Schnute, lachte aber nach wenigen Sekunden und bewarf Naruto mit dem Socken, den sie mit den Fingern hielt.

Sasuke schaute auf Hinata, die sich wie selbstverständlich auf Narutos Bett gesetzt hatte und auf Shikamaru und rücklings auf dem ebenfalls knallorangefarbenen Sofa lag. Ja, es waren auch seine Freunde, die sich in diesem Zimmer verhielten, als seien sie hier zuhause, die dem Raum Leben einhauchten, aber vielmehr noch war es das liebevolle Chaos, das viele Orange, das Skateboard in der Ecke, die Poster an den Wänden, das Bild Hinatas in einem Rahmen auf dem Nachtisch. Neben dem Schreibtisch stand ein Hamsterkäfig, auf der Fensterbank eine halb verdorrte Pflanze und auf dem Bücherregal statt Bücher eine Menge CDs, ein paar Pokale und zwei weitere Fotorahmen, eines mit einem Familienbild und ein anderes das einen kleinen Naruto und eine kleine Sakura zeigte, um deren beider Münder und auf der Nasespitze Nutella klebte.
 

„Setz dich, setz dich, Sasuke. Steh da nicht so blöd rum“, lachte Naruto, als er sah, dass Sasuke sich noch nicht von der Tür fortbewegt hatte. Der Blonde griff nach einem Kissen vom Bett und schmiss es auf Shikamaru. „Mach ihm mal Platz, Alter.“

„Ist ja gut“, brummte der und setzte sich betont schwerfällig auf. Sasuke wollte erst sagen, dass das doch nicht nötig sei, aber er glaubte, diese Jugendlichen würden seine Zurückhaltung nicht verstehen. Am besten spielte er einfach mit, versuchte so selbstsicher wie nur irgendwie möglich zu wirken und setzte sich deswegen neben Shikamaru auf das Sofa. Sasuke schaute unauffällig durch die Runde. Auf Naruto, der sich hinter Hinata auf dem Bett niedergelassen hatte und mit einem ihren Fingern rumspiele, was sie zum kichern brachte; auf Sai, der das Mädchen auf seinem Schoß von hinten umarmte; auf Sakura, die dieses Mädchen war und auf Shikamaru, der wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Sofa hockte und an die Decke starrte. Irgendwie war es mit seinen Freunden aus England einfacher gewesen, sich anzupassen. Sie alle hatten ihre Bürden zu schleppen gehabt; Suigetsu Eltern die zu karriereorientiert waren, um bei ihrem Sohn zu sein; Karin, die sich von ihrer Mutter - dem Mathe-Drachen - mehr oder weniger terrorisiert fühlte und Juugo, der in einer Jugendgruppe wohnte. Die Jugendlichen hier aber schienen keinesfalls all zu große Bürden mit sich zu schleppen. Von Naruto wusste er, dass er liebende Eltern hatte und bei den anderen wirkte es nicht so, als sei es anders. Aber nun gut - er hatte es sich ausgesucht bei Itachi leben zu wollen, er hatte die Konsequenzen gekannt, hatte gewusst, dass er seine neu gewonnenen Freunde vorerst nicht wiedersehen würde, doch er war froh es getan zu haben. Auch wenn Naruto, Sakura und die anderen anders waren, als Suigetsu, Karin und Juugo, hieß das nicht, dass sie nicht seine Freunde werden konnten. Alles würde schon werden.

Und selbst wenn nicht, war der beste Trost immer noch, dass er eben bei Itachi lebte. Denn das hatte er so sehr gewollt.
 

„Mach mal deinen Laptop an, Naruto. Ich muss dir unbedingt was bei Facebook zeigen. Mach schon."

Naruto lachte, öffnete aber das Gerät, drückte auf den Powerschalter und setzte sich samt Laptop auf dem Schoß neben seine Freundin auf sein Bett. Als der Rechner hochgefahren war, gab er sein Passwort ein, öffnete den Internet Explorer und danach Facebook, bevor er Sakura das Gerät rüber gab. Mit schnellen Fingern tippte sie, wartete kurz und drehte den Bildschirm dann auf dem Schreibtisch in Richtung der anderen.

„Die Fotos meiner Schwester aus Afrika. Du wolltest sie doch unbedingt sehen. Hier." Sakura drückte immer wieder auf eine Taste, sodass das nächste Bild gezeigt wurde. Sasuke biss sich auf die Lippe. Sakuras Schwester war... Shizune? Warum?! Was für ein beschissener Zufall. Obwohl Sasuke kein Problem mit Shizune hatte, uns sie hoffentlich auch nicht mit ihm, auch wenn sie und Itachi nicht mehr zusammen waren, fühlte Sasuke sich unwohl. Er wollte diese Bilder nicht mit der kleinen Schwester Shizunes sehen, er wollte sie gar nicht sehen. Sasuke wollte sich aber auch nicht unnormal verhalten und nicht unhöflich sein, deswegen schaute er sich die Bilder weiter an.

„Wirklich schöne Fotos. Wie geht es Shizune eigentlich?", fragte die höfliche Hinata und lächelte.

„Nicht so gut", antwortete Sakura ehrlich. Sie seufzte und schloss das Fenster, als das letzte Foto gezeigt war.

„Warum?" Naruto legte den Arm um seine Freundin und fuhr mit der anderen einmal kurz durch Hinatas langes, dunkles Haar.

„Sei doch nicht so neugierig, Naruto", meinte Sai und zog Sakura noch ein Stück an sich ran. Er war ihr Freund, der hatte sie vor solchen blöden Fragen zu beschützen. Selbst wenn sie von ihrem besten Freund kamen.

„Das ist schon okay, Sai", sagte sie aber dann. „Shizune kennt Naruto schon, als der gerade richtig sprechen konnte. Nun ja, oder jedenfalls so sprechen, wie er es heute tut." Sie lachte, obwohl Sasuke genau wusste, dass die Gegebenheit, warum es Shizune schlecht ging, keine Lappalie war.

„Du bist fies, Sakura." Naruto zog eine Fluppe, über die sogar der faule Shikamaru grinste. Der hatte, nachdem das letzte Bild gezeigt war, die Augen geschlossen gehalten und die Arme hinterm Kopf verschränkt gehabt. Sasuke hatte schon geglaubt, er wäre eingeschlafen.

„Na ja", sagte Sakura dann nach einer Weile, als keiner mehr kicherte oder grinste, „Itachi hat Schluss gemacht. Ich meine, ich kenne ihn zwar schon länger durch Shizune, aber eben nur flüchtig, doch... er muss richtig mies gewesen sein. Meine Schwester hat nicht viel erzählt, aber sie ist echt fertig, die Arme."
 

Was Sasuke wusste, aber die anderen nicht, war dass es Itachi ebenfalls mies gegangen war. Er hatte wirklich traurig gewirkt, es war ihm nahe gegangen, dass es so zwischen ihm und Shizune geendet hatte und Sasuke wusste, dass Itachi Shizune wirklich gerne mochte. Aber er liebte sie wohl nicht. Sasuke kannte sich mit Liebe nicht besonders aus. Vor allem nicht mit einer solchen Art von Liebe, aber er wusste, dass Itachi nicht einfach so einen Menschen aus seinem Leben strich. Er hatte Shizune wahrscheinlich auch nicht aus seinem Leben verbannen wollen, er hatte nur Schluss gemacht. Natürlich, Sasuke glaubte, dass auch das schrecklich sein musste, aber auch Itachi hatte gelitten. Diese Jugendlichen sollen sich kein Urteil bilden. Sie kannten Itachi kaum. Das hatte Sakura selbst gesagt. Sie sollten beide Seiten hören, bevor sie über Itachi und seine Worte urteilten. Aber all das würde Sasuke nie sagen, egal wie sehr er Itachi mochte. Er war noch nicht so weit, den Älteren vor Leuten, die seine Freunde werden konnten, in Schutz zu nehmen.

„Du kennst den auch, ne Sasuke?" Er spürte Narutos Blick auf sich. Klar, kannte er Itachi. Und Naruto wusste das auch, auch wenn er nicht wusste, dass er bei ihm lebte. Naruto glaubte wahrscheinlich, er wohnte bei seiner Mutter und Sasuke sprach nicht dagegen. Gerade jetzt tat er es nicht, weswegen er überlegte, ob er nicht einfach nur sagen sollte, dass er Itachi eigentlich nur flüchtig kannte, doch da sprach auch der sonst selbst zum sprechen zu faule Shikamaru: „Wir alle kennen den, Blödmann."

„Ja." Jetzt lachte Sakura wieder. „Ino hat uns ja lange genug von dem vorgeschwärmt und dir sogar das Parfüm aufgezwungen. Egal, auch wenn du so ein blöder Faulsack bist, hat sie mit dir einen besseren Fang gemacht."
 

~~
 

Er wusste, dass es wichtig war. Itachi hatte ihm das zur Genüge eingetrichtert. Und er hatte es ja auch davor schon gewusst. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Itachi einen Termin für ihn machte. Eine Frage der Zeit, denn Zeit hatte es gebraucht, bis Sasuke in alle nötigen Versicherungen Itachis eingeschrieben war. Jetzt, wo auch Itachis private Krankenversicherung für Sasuke galt, hatte Itachi sich bemüht, so schnell wie möglich, einen Termin für Sasuke zu bekommen und den hatte er nun, drei Wochen nach seinem ersten Besuch bei Naruto.

Sasuke war schon so lange nicht mehr beim Arzt gewesen. Das letzte Mal war kurz vor dem Tode seines Vaters gewesen. Er hatte zum Kinderarzt gemusst, eine einfache Routineuntersuchung, viel einfacher noch, als die Routineuntersuchung, die er heute über sich ergehen lassen sollte.

„Bereit?" Itachi saß auf dem Fahrersitz, die eine Hand noch am Lenkrad, obwohl der Wagen schon vor der Praxis parkte. Sasuke schaute auf die Fußmatte vor dem Beifahrersitz. Er war nicht bereit. War alles andere als das. Aber er wusste, dass Itachi ihn nicht würde kneifen lassen. Es ging um seine Gesundheit, das war wichtig hatte Itachi klar gestellt.

Sasuke lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze des Sitzes und umklammerte seine Unterlippe mit den Zähnen. Seine Lippen waren nicht mehr so rau, nicht mehr so kaputt gebissen, aber manchmal fanden seine Zähne immer noch wie von selbst ihren Weg dazu, die Lippe zu bearbeiten, genauso wie er noch nicht komplett mit dem Nägelkauen hatte aufhören können.
 

Sasuke stieß die Luft durch die Nase aus und schüttelte sachte den Kopf. Er war nicht bereit, aber...

„Aber es ist wichtig, nicht wahr?", sagte er, öffnete die Tür auf seiner Seite und stieg mit einem Ruck auf. Er wartete, bis Itachi das Auto per Funk abgeschlossen hatte und neben ihm auf den Bürgersteig trat. Gemeinsam gingen sie in das Gesundheitszentrum, ein an der Frontseite gläsernes Gebäude und fuhren mit dem Aufzug, der ebenfalls Glaswände besaß, hinauf in den zweiten Stock, wo der Allgemeinmediziner, Itachis Hausarzt, seine Praxis hatte. Itachi mochte diese Praxis, von all jenen, in denen er je Patient gewesen war, am liebsten. Hatte man einen Termin, musste man kaum Zeit im Wartezimmer verbringen, ob nun Privat- oder Kassenpatient. So saßen auch er und Sasuke nur wenige Minuten im Wartezimmer auf blauen, gepolsterten Stühlen, bevor Sasukes Name aufgerufen wurde. Itachi blieb zunächst sitzen, sah wie Sasuke unsicher aufstand und zu ihm schaute. Itachi hatte nicht gewusst, ob Sasuke wollte, dass er mitkam. Er hatte es in Betracht gezogen, auch wenn es für einen Jungen in Sasukes Alter ungewöhnlich war, aber für Sasuke eben nicht, denn Sasuke war erst auf dem Weg dahin, ein normaler Jugendlicher zu werden.

„Soll ich mitkommen?", fragte Itachi daher und erntete nur ein sachtes Nicken seitens des Jüngeren, woraufhin er aufstand und hinter Sasuke in den Flur trat, wo die Arzthelferin ihnen einen Behandlungsraum zuwies.
 

Auch im Behandlungsraum musste Sasuke nicht lange warten, bis der junge, rothaarige Arzt den Raum betrat. Er schüttelte Itachi locker die Hand, sie wechselten ein paar Worte, so wie Sasuke gelernt hatte, gute Bekannte, eben ein paar Worte bei der Begrüßung wechselten und dann kam der Arzt zu ihm, reichte auch ihm die Hand und stelle sich als Sasori Akasuna vor. Sasuke nannte auch seinen Namen, obwohl der Arzt ihn durch das Telefonat mit Itachi sicherlich schon wusste, aber so erschien es ihm am höflichsten. Nachdem der Arzt sich vergewissert hatte, dass er Sasuke noch duzen dürfe, fing der mit seinen Fragen an:

„In Ordnung. Ich bräuchte erstmal noch ein paar Informationen für deine Akte. Dein Geburtsdatum?"

„23. Juli. 1994."

„Adresse?"

Sasuke nannte die Adresse, woraufhin Itachi einfiel: „Ach ja, die können Sie bei mir auch ändern."

Der Arzt nickte, notierte die Adresse und die Information seitens Itachi, erhob sich dann, ging zu einem an der Wand angebrachten Maßband und bat Sasuke sich gerade davor zu stellen.

„1.65 Meter, nun gut, dein Wachstum ist noch nicht abgeschlossen, daher ist das nicht weiter besorgniserregend, sofern keine Mangelerkrankungen Ursache dafür sind, aber das werden wir durch ein Blutbild mit Leichtigkeit feststellen können. Könntest du dich bitte auf die Waage stellen?" Der Arzt notierte Sasukes Größe in seiner Akte und danach sein Gewicht. Mit 46,2 Kilo hatte er eindeutig Untergewicht, das sagte der Arzt ihm und riet ihm dennoch, keinesfalls nun reinzuhauen wie ein Scheunendrescher, sondern gesund und mit kohlenhydathaltigen Lebensmitteln langsam aber stetig versuchen sollte, sein Gewicht auf die Norm zu bringen.
 

Nachdem der Arzt auch dies in seiner Akte notiert hatte, bat er Sasuke sich auf die Liege zu setzten und seinen Pullover, samt Shirt, auszuziehen. Mit einem unsicheren Blick in Richtung Itachi, zog Sasuke den Pullover über den Knopf, ehe er sein T-Shirt aus die gleiche Weise neben sich legte. Die ganze Zeit, während der junge Arzt ihn mit einem Stethoskop abhörte und ihm sagte, wann er ein und ausatmen und husten sollte, lag Sasukes Blick auf Itachi.

Es war nicht schön, nein. Er mochte es nicht, dass dieser Mann, und sei es auch nur seines Berufes halber, seinen nackten Rücken anfasste, aber er konnte sich dagegen nicht wehren. Er wusste, dass es wichtig war. Dennoch konnte er seinen Blick nicht von Itachi lösen und freute sich seinerseits dass dessen Augenmerk auch auf ihm lag. Unter Itachis Blick fühlte er sich sicher. Er wusste dann, dass niemand ihm etwas zu Leide tun konnte, den Itachi würde das nicht zulassen. Sasuke atmete, dieses Mal nicht vom Arzt angeordnet, aber auch nicht verhindern könnend, tief durch. Er hatte gedacht, er würde nervöser sein, mehr zögern, wenn er sich ausziehen sollte, aber es ging. Er hatte wohl in den letzten Wochen doch mehr an Stärke gewonnen, als er geglaubt hatte.
 

Der Arzt bat ihn, wieder das T-Shirt überzuziehen, aber den Pullover noch aus zu lassen, als er sich an einer Schublade zu schaffen machte und mit einigen Gerätschaften zurück kam. Er nahm Sasukes Arm in seine Hand und befestigte ein dunkelblaues Elastikband etwa eine Hand breit über Sasukes Ellenbeuge. Er fuhr mit einem Tuch über Sasukes Ellenbeuge, dort wo er eine gute Vene gefunden hatte, bevor er mit einer Nadel, an deren Ende eine Vakuumkanüle befestigt war sein Blut abnahm, nachdem er die Stauung wieder gelöst hatte. Sasuke spürte einen leichten Schmerz, aber den konnte er gut ignorieren. Es war nichts im Vergleich zu dem, was Kabuto schon alles mit ihm angestellt hatte. Dennoch war er froh, als der Arzt die Nadel wieder entfernte und einen Tupfer auf die kleine Einstichwunde drückte.

„Fest draufdrücken bitte, ich sage wann du loslassen kannst", wies der Arzt ihn an. Sasuke tat es, drückte den Tupfer gegen seine Ellenbeuge und schaute dem Rothaarigen, wie er die Nadel und die mit seinem Blut gefüllte Kanüle in verschiedene Behälter gab und zu ihm zurück kam. Es vergingen noch ein paar Sekunden, vielleicht eine Minute, ehe der Arzt Sasuke bat, den Tupfer loszulassen. Mit einem geübten Handgriff befestigte er ein kleines Pflaster und schmiss den Tupfer in einem Mülleimer.
 

Der Mediziner trat einen Schritt zurück und schaute zu Itachi.

„Ich werde, wie sie es gewünscht haben Herr Uchiha, aus einem Teil des Blutes ein großes Blutbild erstellen und die andere Hälfte in ein Labor schicken."

„Ja", antwortete Itachi. Er hatte Sasuke gesagt, warum er einen Teil seines Blutes ins Labor schicken lassen wollte, er hatte ihm gesagt, dass er sicher gehen wollte, dass Sasuke nicht HIV-positiv war. Manche würden vielleicht sagen, er übertreibe, warum sollte Sasuke sich mit HIV angesteckt haben, aber fand gar nicht, dass er übertrieb. Niemand von ihnen beiden wusste, ob Kabuto nicht krank war und ob nicht einer der Männer, die Sasuke auf der Straße mit Sex hatten bezahlen lassen, krank waren. Itachi wollte einfach nur sicher gehen und wenn Sasuke krank wäre, wäre es schrecklich, aber dann könnten sie wenigstens das Ausbrechen der eigentlichen Krankheit, nämlich AIDS, mit Medikamenten rauszögern.

Sasuke hatte dazu nicht viel gesagt. Itachi verstand das. Kein Fünfzehnjährige sollte sich mit dem Gedanken an eine eigene Ansteckung von HIV auseinandersetzten müssen, kein Jugendliche in Sasukes Alter sollte einen solchen Test machen lassen müssen, aber Itachi wollte sicher gehen und in drei bis vier Tagen - dass wusste Itachi und das sagte ihm Sasori Akasuna auch noch einmal - hatten sie dann Gewissheit.
 

~~
 

Düster lag der Korridor vor ihm. Er sah nach links und sah nach rechts, der Korridor schien ewig lang und so leer. Aber hier irgendwo musste sein Daddy sein. Und seine Mommy auch. Die ließen ihn nicht alleine. Schon gar nicht hier. An einem Ort, den er nicht kannte und den er vom ersten Augenblick an fürchtete. Er wollte nicht rennen, hatte Angst sich zu verirren, obwohl der Weg nur nach vorn gingen oder zurück. Es gab keine Abzweigungen, keine verkehrten Wege, nur diesen einen langen Gang und viele, viele Türen, die sich von außen nicht öffnen ließen. Er probierte es gar nicht erst. Er wusste das. So war das nun mal in Träumen.

Aber er rannte, weil er auch nicht stehen bleiben wollte. Er wusste - auch wieder weil es ein Träum war, nicht weil er es wirklich wissen konnte - dass er sich bewegen musste, um jemanden zu finden. Also lief er.
 

Vorwärts und Vorwärts. Glockenspiel. Winde weh'n.
 

Die Tür flog auf. Die Erste. Daddys Tür. Seine ganze Gestalt leuchtete im Anbetracht der Dunkelheit. Sein Atem war wie das Wehen der Winde eines lauen Herbsttages und seine Stimme wie ein Glockenspiel.

„Sasuke, Sasuke.“ Sasuke lief, er riss die kleinen Händchen nach oben um nach seinem Daddy zu langen, aber sein Daddy, der war nur gleißendes Licht. Die Konturen der Gestalt verschwammen vor seinen Augen, sie lösten sich auf. Pixel um Pixel. Faser für Faser. Lichtschein um Lichtschein.

Und Sasuke schrie.

„Daddy!“, schrie er. Schritt nach vorne, trommelte gegen die geschlossene Tür und hörte nicht auf nach seinem Daddy zu rufen.

Doch dann lief er wieder.
 

Vorwärts und Vorwärts. Rosenduft. Große Kluft.
 

Die Tür flog auf. Die Zweite. Mommys Tür. Ihre ganze Gestalt leuchtete im Anbetracht der Dunkelheit. Ihn umfing der Rosenduft ihrer Haare. Rosenduft überall. Ihre Stimme roch nach Blüten und stach wie Dornen. Dornen auf bleiche, bleiche Kinderhaut.

„Sasuke, Sasuke.“ Sasuke ging, ging paar Schritte, Mommys leuchtendes Antlitz in Sicht. Ein Ruck. Er konnte nicht weiter. Konnte nicht, konnte nicht. Eine große Luft vor seinen Füßen, zwischen ihm und Mommy. Einer Mommy die sich auflöste, wie Daddy zuvor. Denn auch sie war nur gleißendes Licht. Die Konturen der Gestalt verschwammen vor seinen Augen, sie lösten sich auf. Rosenblüte um Rosenblüte. Steinchen um Steinchen. Lichtschein um Lichtschein.

„Mommy!“, schrie er. Und noch mal und noch mal. Das durfte sie nicht. Sie dufte nicht!

Doch dann lief er wieder.
 

Vorwärts und Vorwärts. Schutzheiliger. So verweile hier.
 

Die Tür flog auf. Die Dritte. Itachis Tür. Itachi... Itachi... Itachi...

Bitte nicht. Bleib hier, bleib hier. Geh nicht fort. Nicht wie Daddy. Nicht wie Mommy.

Seine Gestalt leuchtete, glänzte, schimmerte im Anbetracht der Dunkelheit, der Einsamkeit.

„Sasuke.“ Itachis Stimme war ein Hauch. Es war sein Gebet. Itachi war sein Schutzheiliger.
 

Sasuke wusste es, tief drinnen wusste er es, wenn er ging - nur einen Schritt - dann verschwand Itachi. Dann war er allein. Allein, allein, allein...

In diesem Korridor, auf dieser Erde, hier...

Doch er konnte nicht anders. Er taumelte vorwärts und sobald sein Fuß den Grund berührte, begann Itachi sich aufzulösen. Sein Schutzheiliger.

Nein... Nein... Bitte nicht. Nicht.

So verweile hier.

Bitte... bitte geh nicht.
 

Und Sasuke schrie.

„Itachi“, schrie er. Doch Itachi war nicht mehr da. Sein Schutzheiliger war fort und überall in dieser Düsternis war Blut. Rotes Blut. Blut, rot wie Mohnblumen und rot wie Wein.

Seine Knie sackten weg, er glitt zu Boden, mit dem Gesicht in die Pfütze. Es war so nass und kalt. Blutpfütze.

Ihm war kalt... er war so allein.
 

Beruhig dich, beruhig dich, sagte er sich, noch ehe er die Augen aufriss. Aber was brachte das schon? Sein Herz klopfte im Stakkato, sein Atem kam stoßend und er wusste nicht, ob er mit einem Schrei auf den Lippen wach geworden war.

Es war nur ein Alptraum. Nur in Alptraum. Es war nichts weiter. Sein Kopf spielte ihm einen Streich mit diesen Vorstellungen, wenn gleich sie doch im Kern der Wirklichkeit entsprachen.

Sein Vater war Tod. Er war für immer fort. Er hatte sogar Glockenspiele geliebt!

Seine Mutter war noch am Leben, doch sie war unerreichbar und eigentlich, so hatte er es damals mal in seinen Gedanken ausgedrückt, war seine Mutter an dem Tag gestorben, an welchem auch sein Vater starb. Vorher hatte sie gerne bei den Rosen gestanden und sie hatte immer nach Rosen geduftet. Vorher.
 

Doch... Itachi! Itachi war noch hier. Er war hier, ... oder etwas nicht? Er war vorhin ins Bett gegangen, dass wusste Sasuke. Er hatte ihn noch die Tür reingehen sehen. Und Itachi würde nicht einfach wortlos verschwinden. Vor nicht mehr als zwei Monaten hatte Itachi darum gekämpft das Sorgerecht für ihn zu bekommen und er hatte es bekommen. Da würde er doch jetzt nicht einfach so gehen. Völliger Unsinn.

Aber... sein Vater hatte auch versprochen, immer für ihn da zu sein und dann war er gestorben, noch ehe Sasuke ein Mann wurde. Gegen den Tod war jeder Mensch machtlos.

Was wenn.... - Sasuke wollte es gar nicht denken, wollte die Worte schon Lügen schimpfen, bevor er sie wirklich dachte - was wenn Itachi im Schlaf...?

Nein... Nein... Bitte nicht. Nicht.

Bitte... lass es nicht geschehen sein.
 

Sasuke schwang die Beine aus dem Bett, taumelte mehr, als das er vorwärts ging. Er hielt ich mit einer Hand an der Flurwand fest, während er zu Itachis Zimmertür schritt. So leise wie es ihm nur irgendwie möglich war, drückte er die Klinke hinunter und trat in den Raum hinein. Es war Vollmond. Das Licht von selbigem leuchtete durch die Ritzen der Jalousie auf Itachis blasses Gesicht. Sasuke musste einfach herkommen. Sehen, dass Itachi da war, dass er atmete, lebte.

Itachi hatte ihn nicht zurückgelassen. Er war weder einfach so abgehauen noch war er ohne einen Mucks gestorben. Sasuke hätte es sich nie verzeihen können, wenn er im Nebenzimmer gelegen hätte und nicht mitbekommen hätte, dass Itachis Lebensgeister nicht mehr existierten. Er wäre daran zugrunde gegangen. Nicht, weil es dann keinen mehr gegeben hätte, der sich um ihn kümmerte - schon das wäre schrecklich - aber noch viel, viel mehr, weil er sich dafür gehasst hätte, dass Itachi starb, ohne dass er etwas dagegen tun konnte und auch, weil er nie wieder einem Menschen hätte in die Augen sehen können. Er war schon nicht bei dem Tode seines Vaters dabei gewesen und - manchmal glaubte er das wirklich - dafür ausreichend bestraft worden. Vielleicht, dachte er, wäre es nur gerecht, wenn er nun auch noch diese schlimmer Krankheit hätte - wenn er wirklich HIV-positiv wäre - denn sein Vater war einer ebenso schlimmen Krankheit gestorben - an einem Gehirntumor. Aber wäre das nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn? Eine Rache der Welt und all ihrer Geister? Sasuke hatte, in Wirklichkeit, riesige Angst davor HIV-positiv zu sein. Diese Angst war fast genauso groß, wie jene Itachi zu verlieren.
 

Itachis Augenlider flackerten, ohne dass Sasuke das wahrnahm. Er hatte noch nicht lange geschlafen, hatte lange wach gelegen und über Dinge nachgedacht. Wichtige Dinge, unsinnige Dinge, alles mögliche; manchmal hatte er das, dann lag er lange wach und dachte nach. Heute war einer dieser Tage.

Und er hatte, in seinem seichten Schlaf, gespürt, dass jemand in seinem Zimmer war. Irgendwie hatte er Sasukes Präsenz in seinem Unterbewusstsein bemerkt, dennoch war er überrascht, als er die Augen aufschlug und Sasuke wirklich nahe der Tür, mit den Händen in den Taschen seiner Schlafhose, stehend sah. Itachi griff, sich aufsetzend, zur Nachttischlampe neben seinem Bett und sah wie sein Zimmer in ein warmes, keineswegs grelles Licht getunkt wurde.

„Was iss‘n los, Sasuke?“, wollte Itachi schlaftrunken wissen. Er fuhr sich über das Gesicht und schob seine offenen Haare nach hinten. Er hoffte er klang nicht abweisend, denn Sasuke stand sicherlich nicht ohne Grund mitten in der Nacht in seinem Zimmer ohne angeklopft zu haben und ohne ihn zu wecken.
 

Sasuke biss sich auf die Lippe. Er konnte doch jetzt nicht einfach von seinem Traum und von seinen Ängsten erzählen. Wie lächerlich war denn dass! Itachi würde ihn auslachen! Gut, würde Itachi natürlich nicht, aber jeder andere würde es. Sasuke merkte es gar nicht, sein Körper reagierte von selbst und zuckte mit den Schultern. Er war kurz davor sich auch noch zu entschuldigen, als Itachis Stimme leise, aber viel weniger schlaftrunken als zuvor noch ertönte.

„Komm mal her zu mir“, sagte er und klopfte neben sich auf die Matratze. Sasukes Füße setzten sich von selbst in Bewegung, fast so wie in seinem Traum, doch als er vor dem Bett stand, verschwand Itachi nicht. Er löste sich nicht auf. Stattdessen konnte Sasuke sich auf die Bettkante setzten. Er spürte Itachis sorgenvollen Blick auf sich und senkte seinen zu Boden. Er wollte Itachi keinen Ärger machen. Und auch keine Sorgen.
 

„Magst nicht erzählen, warum du in mein Zimmer gekommen bist?“, wollte Itachi wissen und schaute Sasuke an. Die Hände hatte er immer noch in den Hosentaschen und sein Gesicht war dem Boden zugewandt. Sasukes Haarsträhnen verhinderten, dass Itachi ihm in selbiges schauen konnte. Itachi schaute auf Sasukes Rücken. Der Junge trug ein hellgraues Shirt zum Schlafen heute Nacht, aber dieses Shirt war an vielen Stellen beinahe schwarz. Warum war Sasukes Oberteil nass? Itachi fragte sich ob irgendwas geschehen war, aber was sollte passiert sein? Waren die Flecken vielleicht gar nicht von Wasser sondern von Schweiß? Aber warum sollte Sasuke so arg schwitzen, dass sein Shirt so klatschnass am Rücken klebte?
 

Sasuke seufzte. Es schlich sich ein so seltener Ausdruck auf sein Gesicht. Er hatte etwas störrisches, selbstironisches an sich und wirkte gleichzeitig so verzweifelt, aber die Haare verdeckten immer noch Itachis Sicht auf Sasukes Miene.

„Es ist einfach nur kindisch, entschuldige“, sagte Sasuke und jetzt hörte Itachi genau dass, was auch in Sasukes Gesicht geschrieben stand.

„Was soll kindisch sein?“, fragte Itachi einfühlsam. Er wollte Sasuke eine Hand auf den Rücken legen, glaubte aber dass es bei dem nassen Shirt eher unangenehm sein musste als sonst was. Deswegen ließ er es und wartete auf Sasukes Antwort, die auch schon bald, leise und schon nicht mehr im selben Ton wie die vorherigen Worte, kam.

„Hab nur schlecht geträumt.“
 

Itachi atmete beruhigt durch, ohne dass er Sasuke dies bemerken ließ und schüttelte leicht den Kopf. Er hatte wirklich schon gedacht, es wäre etwas wirklich schlimmes geschehen. Etwas reales. Ein Alptraum war natürlich auch schlimm, sehr schlimm sogar, aber es war etwas, mit dem sie gemeinsam fertig werden konnten. Es war nichts, dass sie nicht meistern konnten. Sie hatten schon einmal einen gemeistert. Und den Kopf schüttelte er, weil diese Sache gar kein bisschen kindisch war. Sasuke hatte schlecht geträumt, also war es völlig in Ordnung, dass er zu ihm kam. Absolut in Ordnung.

Und jetzt war sich Itachi auch sicher, dass die Nässe auf Sasukes Oberteil kein Wasser sondern Schweiß war. Es musste für Sasuke doch auch unangenehm sein. Deswegen schob Itachi seine Bettdecke zur Seite und wollte gerade aufstehen, als er Sasukes Hand an seinem Gelenk spürte. Warum wollte er ihn denn nicht gehen lassen? Er hatte doch nur vor, dem Jungen ein Oberteil von sich zu geben, weil seines nass war.

„Was ist denn nur los?“, fragte er mit sorgenvoller Stimme und setzte sich wieder in seine alte Position zurück. Er spürte wie Sasuke sein Handgelenk zögerlich wieder losließ und sah wie seine Finger auf dem Bettlaken zu liegen kamen. Statt ruhig dort zu liegen, spielten sie nervös mit einer kleinen Falte im Laken. Was hatte der Junge nur geträumt, dass er so durch den Wind war?
 

„Ich hab schlecht geträumt“, sagte Sasuke erneut, ganz so als gäbe es keine andere Erklärung. Als gäbe es nicht mehr zu sagen.

„Nur was denn, Sasuke. Was hast du geträumt, dass du mich jetzt nicht mal zum Schrank gehen lassen kannst, um dir ein neues Oberteil zu besorgen.“

Sasuke zuckte erneut unbewusst mit den Schultern, seine Finger hörten nicht auf an der Falte im Bettlaken zu fummeln. So war das nicht geplant gewesen! Er hatte nur nach Itachi sehen wollen, nur sicher sein wollen, dass Itachi da war, dass er lebte, aber er hatte nicht reden wollen. Er hatte sich doch nicht zum Affen machen wollen...

Diese Situation hier hatte er nicht gewollt, dennoch verließen die Worte seinen Mund wie von selber: „Du wart halt einfach weg und... da war Blut und... ja...“

Itachi machte einen beruhigenden Laut und legte seine Hand auf die Sasukes, die nicht aufhörte, an seinem Laken rumzufuchteln. Das machte Itachi nervös!

„Du musst keine Angst haben. Ich bin doch da und wir beide sind gesund, da ist nirgendwo Blut.“ Doch dann schallte er sich einen Lügner. Er wusste nicht, ob Sasuke gesund war. Er wusste es einfach nicht. Und augenblicklich hatte sogar er Panik, nur einen kurzen Moment lang. Sein Griff um Sasukes Hand verfestigte sich für ein paar Sekunden. Bitte lass es nicht so sein, flehte er. Bitte lass Sasukes Unterbewusstsein nicht Dinge wissen, die sie noch nicht wussten. Bitte - er sprach beinahe ein Gebet - lass Sasuke nicht mit HIV infiziert sein, bitte. Und als hätte irgendjemand sein Gebet gehört, beruhigte er sich. Er atmete tief durch und schaute Sasuke an, dessen Blick noch immer zu Boden gesenkt war.
 

„Hast du große Angst vor dem Testergebnis?“, fragte er, „Ist es deswegen?“

Und da blickte Sasuke hoch. Ein Ausdruck lag in seinem Gesicht, den Itachi nicht beschreiben konnte. Er spürte Sasukes Hand unter seine, wie sie sich anspannte und hörte Sasukes Stimme, die ihm eine Schauer über den Rücken jagte: „Klar, hab ich Angst, aber darum geht‘s nicht. Es ging um dich...“ Itachi schaute Sasuke in die Augen, er sah das Leben in ihnen, sprühende Funken.

„Ich hatte einfach eine Scheißangst, dass dir was passiert ist!“
 

Itachi war sich durchaus seiner Sterblichkeit bewusst. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod, an eine zweite Chance nach dem Ende. In diesem Sinne würde er sagen er war ein Realist. Aber dennoch erschien ihm sein eigener Tod so unheimlich weit fort. Er war nicht greifbar und diese Tatsache empfand Itachi als gut, auch wenn sie vielleicht falsch war, denn sterben konnte man immer. Babys starben, alte Leute starben. Wie konnte er Sasuke dann versprechen nicht zu sterben. Wie konnte er ihm versprechen, dass ihm nichts geschehen würde, lange, lange Zeit nicht. Er konnte es nicht. Aber wie sollte er diesen Jungen dann trösten?

Itachi legte seine freie Hand auf Sasukes Schulter und nickte.

„Nun... heute ist mir nichts passiert. Mir geht's gut. Ich bin nicht krank, ich bin nicht in Gefahr." Itachi wusste nicht, ob es richtig war, was er zu Sasuke sagte, aber er wusste schlicht nichts anderes zu sagen. Er ließ, dieses Mal, voll und ganz sein Herz entscheiden. Deswegen griffen Itachis Hände auch vorsichtig an den Saum von Sasukes Shirt. Er achtete bewusst auf Sasuke. Auf die Reaktion seines Körpers, doch es kam nichts, was ihn davon abhielt, das geplante durchzuführen. Deswegen hob er das Oberteil an und zog es vorsichtig über Sasukes Kopf. Den feuchten Stoff, schmiss er neben seinem Bett zu Boden. Während er mit einer Hand an die Kommode langte, die er von hier erreichen konnte, sprach er mit Sasuke.

„Ich kann dir nicht versprechen, dass mir nichts passiert. Jeder... stirbt irgendwann. Aber es sieht nicht danach aus, als würde es sehr bald bei mir sein, hm? Ich passe auf mich auf. Ich habe eine Verpflichtung." Das stimmte. Er achtete auf sich. Er fuhr kein Motorrad mehr, seit Sasuke bei ihm wohnte. Er überlegte sogar seine Maschine zu verkaufen, denn was sollte sie hier unbenutzt rum stehen? Das war doch sinnlos.
 

Itachi fuhr mit dem weißen Frottehandtuch, das er aus der Kommode gezogen hatte über Sasuke leicht feuchten Rücken, seine Schultern und über die Oberarme. Er war sanft, wollte den Jungen nicht verängstigen und anscheinend nahm Sasuke die ganze Sache gar nicht so sehr war, dass er überhaupt verängstigt sein konnte. Sasuke saß still da, lauschte seinen Worten - Itachi war sich sicher, dass sie alle bei Sasuke ankamen, sonst würde er gar nicht sprechen.

„Das Letzte, was ich will, ist jetzt zu sterben, wo ich endlich genau das tu, was ich tun will. Ich kann mich um dich kümmern. Ich werde gebraucht." Und er hätte nie gedacht das sich das so großartig anfühlen würde, gebraucht zu werden. Er hatte nie für jemanden verantwortlich sein wollen, aber bei Sasuke... war es genau das was er wollte. Itachi trocknete mit dem Handtuch sanft Sasukes Haare, die auch ein wenig feucht vom Schwitzen waren. Sasuke ließ es sich ruhig gefallen und irgendwann dann lehnte er sich sogar nach hinten gegen Itachis Brustkorb, obwohl sein eigener Oberkörper nackt war.
 

„Magst du hier bleiben?" Itachis Stimme war sanft, beinahe hätte er sogar seine Arme um Sasuke gelehnt, der so vertrauenswürdig an ihn gelehnt da saß. Er spürte aber nur das Nicken Sasukes, ehe er zusehen konnte, wie Sasuke sich auf die freie Seite des Bettes legte und die Decke mehr schlecht als recht bis zur Hüfte zog. Itachi lächelte leicht. Ihn freute dieses Vertrauen, ihn freute es, dass Sasuke das tat, was dazu beitrug, dass es ihm gut ging. Das war wichtig. Sasuke achtete auf das was sein Körper und was sein Inneres ihm sagte und er begann danach zu Handeln. All das sah Itachi als gute Zeichen. Er schmiss dass Handtuch zu Sasukes feuchtem Shirt auf dem Boden - dass konnte er später wegräumen.

Itachi legte sich auf seine Seite des Bettes, deckte sich auch zu und schaute Sasuke an, der mit dem Rücken zu ihm lag. Sein Körper erschien Itachi sehr nah, aber das war schon okay so, solange es für Sasuke okay war.

„Meinst du das ernst?", hörte er Sasuke leise Stimme. Stimmchen, schoss es ihm beinahe durch den Kopf, obwohl es vor wenigen Minuten noch alles andere als das gewesen war. Auch wenn es Sasuke heute Nacht wieder schlecht ging, fand Itachi, dass sie Fortschritte machten. Sie waren so ehrlich miteinander. So Aufrichtig.

„Was?", wollte Itachi wissen.

„Alles", meinte Sasuke. Er meinte die Dinge, die Itachi gesagt hatte. Wollte wissen, ob er wirklich das war, was Itachi wollte. Ob er es wirklich so war, dass Itachi glücklich war mit ihm, mit der Tatsache, dass er sich um Sasuke kümmerte. Das Sasuke ihn brauchte. Und... das Itachi wegen ihm noch umsichtiger mit seinem Leben sein wollte.

„Ja", antwortete Itachi und zog Sasukes Decke, in einer Geste der Fürsorge, ein Stück höher. Er hatte alles, was er zuvor gesagt hatte, so gemeint. Der Uchiha hob seine Hand, fuhr Sasuke durch das dunkle Haar und schloss einen Moment lang die Augen. „Du bist mir wichtig. Und ich werde dich stark machen. Das verspreche ich dir."
 

Sasuke wusste nicht genau, was Itachi meinte. Nicht völlig, aber er glaubte, er verstand es trotzdem irgendwie. Itachi wollte ihn nicht schwach zurücklassen, denn immer, immerzu, könnte Itachi etwas passieren. Sasuke musste sich nicht verrückt deswegen machen. Es war nur eine Wahrscheinlichkeit, es war kein Fakt und alles, alles könnte auch gut gehen. Sasuke sollte nicht vom Schlimmsten ausgehen. Er würde die Stärke besitzen, an das Beste zu glauben. Sein Vater war gestorben. Aber das hieß nicht, dass Itachi starb. Wahrscheinlich hatte Itachi noch ein langen Leben vor sich. Mit diesen Gedanken war es viel einfacher ruhig zu werden, stellte Sasuke fest.

„Danke", murmelte Sasuke und rutschte nur ein Stück näher zu Itachi, er tat es nicht bewusst, sein Körper handelte einfach von selber. Er mochte die Wärme, die von Itachi ausging. Die ließ ihn dann mit Sicherheit auch im Schlaf nicht daran zweifeln, dass Itachi da war. Dass ihm nicht einfach so, von hier auf gleich, war geschehen war. Diese Sicherheit brauchte Sasuke einfach heute Nacht.
 

Itachi spürte das, genauso wie er Sasukes Rücken beinahe gegen seine Brust und seinen Bauch zu spüren glaubte. Aber da war noch Decke zwischen ihnen und Itachis eigenes Oberteil. Und irgendwie erschien das falsch.

Genauso wie sich Sasukes Körper von selber bewegt hatte, tat es jetzt Itachis Arm, der sich unter den beiden Decken, über Sasukes Seite legte und ihn somit - irgendwie - umarmte. Itachi legte die Hand locker gegen Sasukes Bauch und stellte erleichtert fest, dass der Junge nicht zitterte, nichts dergleichen. Er vertraute ihm. Obwohl er hier mit nacktem Oberkörper lag, ließ er sich umarmen.

Dennoch, einen Moment lang, zweifelte Itachi. Wie konnte er das tun? Selbst wenn Sasukes Körper ihm nicht zeigte, dass es falsch war, war es das. Sasuke war schon so viel Böses widerfahren. Er hatte schon so viele grobe Hände auf seiner nackten Haut spüren müssen. Vielleicht hatte ihn sogar schon einmal ein Mann, mit anderen Absichten als Itachi sie hegte, so angefasst, wie er es gerade tat.

Aber wie konnte sich eine Sache, die so falsch sein sollte, so gut anfühlen?
 

~~
 

Drei Tage später fuhr Itachi nach der Arbeit mit Sasuke zur Arztpraxis. Sie mussten erneut nicht lange warten, bis sie den Raum - dieses Mal nicht in den Behandlungsraum sondern in einen mit Schreibtisch, einem Sessel dahinter und zweien davor - betreten konnten. Sie nahmen Platz und weil der Arzt ihre sorgenvollen Gesichter sah und weil ein Jugendlicher vor ihm saß, konnte er nicht anders, als zuerst, vor allem anderen, Entwarnung zu geben. Sasuke konnte unbesorgt sein. In seinem Blut hatte sich keinerlei Anzeichen des HI-Virus gezeigt. Sasuke hatte tief und erleichtert durchgeatmet, er hatte Itachi angesehen, in seinen Augen hatten Tränen gestanden, weil er so froh war, gesund zu sein. Er war so dankbar, dass er die Chance zu Leben hatte. Er war so dankbar, dass er gesund war.

Nun, ganz gesund war Sasuke dann doch nicht. Aber alles, was der Arzt ihnen sagte war nichts weltbewegendes, nichts das nicht mit leichtesten Mitteln behandelt werden konnte. Sasuke litt an Eisenmangel, aber der Arzt riet ihnen schlicht, Sasuke solle ein wenig mehr Fleisch essen, oder Nüsse und Bohnen und wenn auch das nicht half, sollten sie es mit Eisenpräparaten versuchen. Dazu könnten sie wohlmöglich auch einen Naturheilpraktiker zu Rate ziehen. Die hatten von so was meistens auch noch mehr Ahnung als Ärzte, gab Sosori zähneknirschend zu, und kannten gute Eisenpräparate.
 

Itachi war froh, dass er diese Ratschläge vom Arzt daheim noch einmal nachlesen konnte, denn in seinem Kopf war immer nur wieder die Information gewesen, dass Sasuke gesund war. Das Sasuke leben würde. Ohne Medikamente und ohne die Sorge, das je AIDS ausbrechen könnte. Itachi war dankbar, dass Sasukes Unterbewusstsein keine Dinge gewusst hatte, die sie noch nicht hatten wissen können, weil sie nicht wahr waren. Er war so dankbar, dass sein Gebet - das erste nach langen, langen Jahren, er hatte nicht mehr gebetet, seit er ein Kind war - erhört wurde.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 15: seperated for seven days; part I

Hallöchen ;)

Das Kapitel ist lang :D Länger als sonst, glaube ich :D

Und wie ihr an dem Titel sehen könnt, wird es auch noch einen part II des Kapitels geben. Ich habe mich aber dennoch eindeutig mit der Zeit zum Schreiben in den Ferien verschätzt. Ich hab jetzt noch zweieinhalb Wochen und bin eindeutig davon entfernt, Catch fertig zu bekommen :D

Gerade hier muss ich mal allen Review-Schreibern danken ;) Ihr motiviert mich immer sehr :) Vielen Dank!

Und noch mal danke ich Sanbatai-Taicho, ohne die ich bei diesem Kapitel wieder einmal total versagt hätte. Vielen Dank an dich also! Du bist genial, Blödi! :D

So, jetzt aber viel Spaß euch allen bei dem Kapitel :D

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 

Kapitel 15: seperated for seven days; part I

Too often we underestimate the power of

a touch,

a smile,

a kind word,

a listening ear,

an honest compliment,

or the smallest act of caring,

all of which have the potential to turn a life around.

- Leo Buscaglia
 

Das war eine schöne Scheiße. Itachi und Sasuke lebten jetzt beinahe zwei Monate gemeinsam in der neuen Wohnung und es lief gut. Itachi gab sich die größte Mühe, mit allem was ihm möglich war, dafür zu sorgen, dass es Sasuke gut ging und er zufrieden und gesund war. Bis auf solche Momente, wie vergangene Woche, in denen Sasuke wegen einem Alptraum so aufgewühlt war, lief ja auch alles gut. Nur jetzt war da eben diese Sache und Itachi sah keinen Weg da drum herum zu kommen.

Er konnte dieses Angebot einfach nicht ausschlagen. Nur einer von fünfzig Jurastudenten bekam die Chance auf dieses einwöchige Seminar. Er hatte schon vor Monaten, noch bevor er Sasuke kennengelernt hatte, eine Anmeldung geschickt, dass tat man nun mal mindestens ein halbes Jahr bevor das alljährliche Gipfeltreffen der Juristen anstand. Itachi hatte es versuchen wollen, auch auf Anraten seines Vaters hin. Er hatte sich nichts weiter dabei gedacht, als er Sasuke zu sich nahm. Das war schon okay so. Er war zwar angenommen wurden, aber das Seminar sollte ganz in der Nähe, nicht mal eine halbe Stunde Autofahrt stattfinden, und er hätte jeden Abend nach Hause gekonnt. Aber an dem war es nicht mehr. Kurzfristig, zu kurzfristig für seinen Geschmack war der Tagungsort außer Landes verlegt wurden. Und von Amsterdam ließ es sich nicht einfach mal so in einer halben Stunde heim fahren. Itachi hatte absagen wollen, natürlich hatte er das, doch sein Vater hatte ihn im Büro dabei erwicht, wie er den Brief aufsetzte und hatte ihn auf einen Kaffee ins Cafe um die Ecke eingeladen. Und da hatte er ihm eine Predigt gehalten. Er hatte verlang, dass Itachi sein Studium nicht auf die leichte Schulter nahm und dass er sich nicht solch eine einmalige Chance entgehen ließ. Doch Itachis einziger Widerspruch, sein einziges Argument war Sasuke gewesen.
 

Er konnte, mochte, ihn nicht alleine lassen. Das ging einfach nicht.

Was wenn Sasuke nachts einen erneuten Alptraum hatte? Niemand wäre da.

Was wenn Kabuto, dieses Schwein, ihn auf dem Nachhauseweg der Schule auflauerte? Niemand würde es mitbekommen. Niemand würde ihm helfen.

Es konnte so viel passieren. Genau das hatte er seinem Vater versucht zu erklären. Er war jetzt für Sasuke verantwortlich, da stand so was wie ein solches Seminar hinten an., egal wie einmalig die Chance war und egal wie gerne er hatte teilnehmen wollen. Eigentlich war er nicht mal wirklich mit ganzem Herzen bei seinem Jurastudium.

Fugaku aber hatte Itachi überrascht. Er hatte ihm ein Angebot gemacht. Ein Angebot, dass Itachi nicht ausschlagen konnte. Aber als er nun hier mit Sasuke im Eiscafe saß - das erste Mal in diesem Jahr, das erste Mal überhaupt mit Sasuke - überkamen ihm die Zweifel. War es wirklich eine gute Idee?
 

Die Sonnenstrahlen des Nachmittags schienen sanft auf Sasukes Gesicht hinab. Es war der erste Samstag im Mai, die Hitze war noch lange nicht unerträglich, aber die Strahlen wärmten seine Wangen und seine Unterarme, bis da, wo er das Shirt hochgekrempelt hatte. Wie lange war es her, dass er in einem Eiscafe gesessen hatte und sich um nichts, um beinahe nichts, sorgen musste. Ein bisschen sorgen tat er sich schon. Es war ja nicht so, dass Itachi nur den Sommer mit einem Eis begrüßen wollte, nein, er hatte gesagt: „Ich muss mit dir reden." Das sie dann nicht Zuhause miteinander sprachen verunsicherte Sasuke. Vor allem nach den letzten Tagen. Die Nacht nach seinem Alptraum war schrecklich gewesen. Er hatte beinahe die ganze Nacht wach in seinem Bett gelegen, hatte sich herumgewälzt und an die Decke gestarrt und hatte einfach nicht einschlafen können, bis ihn erst zu Sonnenaufgang die Fänge des Schlafes packten. Auch die zweite Nacht war unruhig gewesen. Weil wieder nicht an schnelles einschlafen zu denken war, obwohl er hundemüde war, hatte er sich mit einem Glas Wasser in die Küche gesetzt. Zweimal noch in dieser Nacht war er in die Küche gegangen und beim letzten Mal hatte Itachi ihn gehört, aber Sasuke hatte versucht sich rauszureden. Das Itachi ihm nicht glaubte, war ihm bewusst gewesen.
 

In der dritten Nacht hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er war so müde, sein Kopf tat weh vor seiner Schlaflosigkeit und er ging in Itachis Zimmer. Es war ihm peinlich, aber er hatte seine Nähe so sehr gebraucht und Itachi hatte sie ihm gewährt. Diese Nacht und noch zwei weitere Nächte. Selbst heute morgen noch, war er wieder in Itachis Bett aufgewacht. Nur deswegen war er ausgeschlafen. Aber er befürchtete, dass sich ihr Gespräch darum gehen könnte. Das er Itachi vielleicht zu anhänglich wurde, dass Itachi vielleicht mehr Raum für sich brauchte. Sasuke wusste, dass es nicht üblich war, dass ein fünfzehnjähriger bei seinem Vormund schlief, aber er hatte begonnen in solchen Situationen darauf zu hören, was sein Körper, seine Seele verlangte. Ob es für Itachi richtig oder falsch war, dass konnte er nicht wissen. Ein gesundes Verhältnis dazu hatte er nie aufbauen können. Ihm wurde soviel Nähe, negative Nähe, aufgezwungen, dass er sich zu keiner positiven Form der Nähe hatte durchringen können. Deswegen wusste er nicht, welche Bedeutung diese Nähe für Itachi hatte. Aber er fürchtete sich davor, dass sie Itachi so unangenehm war, wie er es sich ausmalte. Das wäre schrecklich. Es würde... die Dinge in Sasuke kaputt machen, die begannen zu heilen.
 

Itachi zögerte seine Neuigkeiten heraus. Er hatte gemerkt, dass die letzten Nächte alles andere als einfach für Sasuke gewesen waren. Er hatte zwar ruhig neben ihm geschlummert, aber es musste einen Grund geben, warum er überhaupt bei ihm schlief. Deswegen hatte Itachi nicht direkt nach dem Gespräch mit seinem Vater mit Sasuke sprechen können. In Wirklichkeit ging sein Flug schon morgen Abend und er musste heute mit der Sprache rausrücken. Ansonsten könnte er das Seminar doch abblasen und ohne eine schriftliche Mitteilung würde es alles andere als förderlich für seine Kariere sein.

Doch auch jetzt, hier, konnte er nicht so einfach sagen, was Sache war. Er ließ Sasuke einen Eisbecher aussuchen, suchte sich selber einen aus und erst als beide kamen, räusperte er sich und als er Sasukes unsicheren Blick bemerkte, war sich bewusst, das er jetzt endlich zu sprechen anfangen musste.

„Du musst nicht nervös sein. Es ist wirklich nichts Schlimmes, worüber ich mit dir reden möchte." Itachi drehte den langen Stiel des Eislöffels in seiner Hand. „Für mich hat sich die Möglichkeit ergeben an einem ziemlich gutes Seminar für mein Jurastudium teilzunehmen. Es dauert sechs Tage. Ich muss morgen gegen neunzehn Uhr den Flug nehmen und bin nächsten Sonntag gegen Mittag wieder da."
 

Sasuke sah Itachi nur mit großen Augen an, bevor er seinen Blick senkte. Sechs Tage. Was für eine lange Zeit... Er schloss einen Moment die Augen, nicht länger als ein Blinzeln. Er war fast erwachsen, würde in weniger als zwei Monaten sechzehn werden und er hatte verdammt noch mal so selbstständig zu sein, sechs Tage alleine zu leben. Er war doch auf der Straße viel länger auf sich allein gestellt gewesen.

„Dein Wohnung wird noch stehen, wenn du wieder kommst", murmelte Sasuke nur und wusste nicht, wie sehr er Itachi mit diesen Worten traf. Itachi presste die Lippen aufeinander und versuchte den Schmerz zu verdrängen. Manchmal wurde er aus Sasuke nicht schlau. Schon seit drei Nächten kam er zu ihm und bat stumm, bei ihm schlafen zu dürfen. Itachi bedrängte ihn zu keiner Antwort, er versuchte jederzeit sein allerbestes, doch... deine Wohnung...

Es tat so weh, dass Sasuke dieses Haus noch immer nicht als sein Zuhause ansah. Es war ihre Wohnung, die Itachi gekauft hatte, damit sie beide einen Ort hatten, an dem sie leben konnten. Doch der einzige, der sich vom ersten Moment an heimisch gefühlt hatte, war er gewesen und er hatte so sehr gehofft, dass auch Sasuke dieses Gefühl entwickeln konnte, doch anscheinend gab es für Sasuke nur eine Möglichkeit Zuhause zu sein. In den Armen seines Vaters.

Itachi wollte nicht eifersüchtig auf diesen Mann sein. Nicht auf einen toten Mann, den Sasuke mehr als alles andere auf der Welt liebte. Aber vielleicht war es gerade das. Die Gewissheit, dass nie etwas genügen konnte, was er tat. Das war traurig.
 

Unweigerlich musste Sasuke an die Unterhaltung zurückdenken, die Itachi mit seinem Vater geführt hatte. Damals, als sie noch nicht allzu lange in der neuen Wohnung wohnten, oder wenigstens noch nicht so viele Tage wie jetzt. Lange war es ja immer noch nicht. Aber es kam Sasuke so vor, denn er fühlte sich sehr wie Zuhause an. Deswegen hoffte er auch, es die Tage allein überstehen zu können. Er fürchtete sich davor allein zu sein, obwohl er es doch eine so lange Zeit gewesen war. Oder gerade deswegen...

Damals hatte Itachi mit Belustigung und Witz geantwortet, als sein Vater nach der Wohnung fragte. Sasuke hatte mehr unbewusst als alles andere auch solche Worte gewählt. Vielleicht, das glaubte er nun, als es ihm wirklich bewusst wurde, hatte er die leicht bedrückte Stimmung zwischen Itachi und ihm fortwischen wollen. So war er ja auch bei Itachis Vater gewesen. Doch als Sasuke nun die traurige Miene Itachis sah, wusste er, dass er falsch geantwortet hatte, auch wenn es, für ihn, so richtig geklungen hat.

Aber was wollte Itachi dann hören? Was sollte er sagen? Welche Lösungen konnte er anbieten?

Itachi würde ihn doch nicht für die Tage der Wohnung verweisen. Es war schließlich sein Zuhause und Itachi hatte ihm seinerzeit versprochen, dass Sasuke dies bei ihm immer hatte. Einen Platz, an den er hingehörte, solange er dort hin gehören wollte.
 

„Unsere Wohnung", sagte Itachi, noch ehe er es verhindern konnte. Er wollte, dass Sasuke das wusste. Auch wenn er es vielleicht nicht annehmen konnte. Wissen sollte er es.

Seinen eigenen, traurigen Unterton in der Stimme bemerkte er nicht. Aber Sasuke tat es. Und die Frage nach dem, was los war, erübrigte sich nun auch. Es tat ihm Leid.

„So war das nicht gemeint." Sasukes Stimme war leise, aber er war nicht mehr so schüchtern. Mit Itachi zu sprechen war in Ordnung. „Ich hab' einfach nicht drüber nachgedacht."

„Schon okay. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen könnte, aber ich würde mit einem besseren Gefühl fahren können, wenn ich dich die Tage bei meinen Eltern wüsste. Wäre das für dich in Ordnung? Die Tage bei meinen Eltern zu sein."

„Störe ich da nicht?", wollte Sasuke unsicher wissen. Er konnte doch nicht einfach knapp eine Woche bei Itachi Eltern leben. Fugaku Uchiha arbeitete. Er konnte sicherlich keinen Jungen gebrauchen, der ihm morgens das Bad versperrte. Und er musste sicherlich auch daheim Arbeit erledigen, dass musste Itachi ja auch manchmal. Sasuke wusste nicht, ob er sich so leise verhalten konnte, als wäre er gar nicht da. Zuhause musste er das ja nicht tun. Itachi störte es nicht.

Mikoto hätte mehr zu reinigen, wenn er da wäre. Seine Wäsche, ein Geschirr mehr und obwohl er ihr dann im Haushalt helfen konnte, war es falsch. Er würde bei Itachis Eltern duschen müssen, er würde ihr Essen essen, ihren Strom nutzen... das alles kostete Geld. Es erschien ihm nicht richtig. Außerdem schränkte es das Ehepaar sicherlich in ihrer Privatsphäre ein, ihn da zu haben.

„Sicherlich nicht. Mein Vater hat es selbst angeboten und meine Mutter, ganz ehrlich, die vergöttert dich", sagte Itachi und zum Schluss hin war seine Stimme feixend, obwohl es irgendwie auch die Wahrheit war. Sasuke verstand es. Den Witz und die Ernsthaftigkeit in einem und lächelte auch. Er wollte noch immer nicht stören, aber er wusste, dass es das beste für ihn war die Woche dort zu wohnen. Er musste nicht alleine sein. Und auch für Itachi war es, augenscheinlich, das beste. Er hatte es ja sogar gesagt. Wenn dann auch noch Itachis Eltern damit einverstanden waren - und das waren sie wohl - dann war die Sache schon okay so. Deswegen nickte er.
 

~~
 

Das erste was Sasuke an diesem Morgen wahrnahm war ein ständiges, mit der Zeit nerviges Piepsen. Er schlug die Augen auf, um zu sehen, woher es kam. Nur einen Moment lang, als er das unbekannte Nachtkästchen und die darauf stehen Lampe sah, fragte er sich, wo er war. Doch dann wusste er es wieder. Er war in Itachis altem Zimmer, im Haus der Uchihas. Hier durfte er die nächsten Tage, die er hier wohnen würde, schlafen. Gestern Abend hatte Itachi ihn hergefahren. Danach hatte er sich, mit seinem Rollkoffer, ein Taxi gerufen, sein Auto in der Garage der Eltern stehen gelassen und war zum Flughafen gefahren.

Sasuke hatte sich gestern Abend, bevor er ins Bett gegangen war, ein Handy gestellt, um Itachis Mutter keine Umstände zu machen. Er kannte den Wecklaut seines Handys gar nicht, weil sonst Itachi ihn immer weckte. Das passte mit seinen Arbeitszeiten recht gut. Jetzt war Itachi aber eine Woche fort und drei Tage davon musste Sasuke in die Schule. Ausnahmsweise nur bis Mittwochs, da Donnerstag ein Feiertag war und Freitag ein Brückentag der Schule.

Sasuke griff schnell nach seinem Handy, um den Wecker auszustellen. Er wollte niemanden damit stören oder gar wecken. Es war nur für ihn selbst gedacht gewesen. Damit er nicht verschlief. Schließlich musste er heute früher losfahren. Vom Haus der Uchihas brauchte er fast eine halbe Stunde länger zur Schule, als von ihrer Wohnung aus.
 

Sasuke schälte sich müde aus der Bettdecke. Es war schwer gewesen einzuschlafen. Er hatte sich zwar früh hingelegt, noch vor zehn, aber erst nach vielen Stunden hatte die Müdigkeit gegen die Einsamkeit gesiegt und er hatte schlafen können, ohne dass Itachi neben ihm lag. Doch sein Schlaf war unruhig gewesen und er vermisste Itachi auch noch am Morgen. Sasuke zog die Jalousien am Fenster hoch. Das machte zwar mehr Lärm, als der Lichtschalter, aber er verbrauchte keinen unnötigen Strom. Er bückte sich zu seiner Reisetasche und zog eine Jeans, frische Unterwäsche, ein T-Shirt, eine dünne Stoffjacke und sein Waschzeug raus und ging damit über den Flur zum Badezimmer. Mikoto hatte ihm noch gestern Abend gesagt, er dürfe sich am Kühlschrank und Getränkeschrank und am Obstkorb bedienen, wie er mochte. Er dürfte auch das Bad benutzten, wann er wollte.

Sasuke duschte sich eilig, rubbelte die Haare mit einem Handtuch trocken, putzte Zähne und zog seine Klamotten über. Die Schlafklamotten packte er in den Wäschekorb, weil Mikoto gestern noch ausdrücklich gesagt hatte, er solle keine Scheu zeigen, das zu tun. Nachdem das Waschzeug wieder in seiner Reisetasche verstaut war und er seine Schultasche genommen hatte, ging er hinunter und dann in die Küche. Er wollte schauern, ob er was trinken konnte, bevor er losmusste. Der Bus kam in zehn Minuten.
 

In der Küche stand Mikoto an der Küchentheke. Die Kaffeemaschine lief und der Wasserkocher auch. Auf der Theke lag ein Brot und ein Schneidemesser.

„Ah, guten morgen, Sasuke. Ich wollte dich gleich wecken kommen." Sie lächelte, während sie den Wasserkocher, der leise piepste, ausstellte. Sie goss Wasser in eine Tasse, die auf der Anrichte stand, nahm Milch aus dem Kühlschrank, goss sie dazu und rührte Kakaopulver ein.

„Du trinkst doch Kakao, oder?", fragte sie und er nickte, weil der Kakao schon fertig war und er sich darüber freute, dass Mikoto ihm etwas zu trinken gemacht hatte, obwohl dieses Gefühl wahrscheinlich falsch war. Er hätte sich einfach ein Glas Wasser eingießen sollen, anstatt dieser Frau Umstände zu machen.

„Möchtest du ein Brot essen oder Müsli?", fragte Mikoto, als Sasuke mit der Tasse am Frühstückstisch saß, und zeigte auf das Brot und das Schneidemesser. „Und was kann ich dir auf dein Schulbrot tun? Magst du vielleicht auch etwas Obst mitnehmen?"

Obwohl Itachi sich wirklich großartig um ihn kümmerte und ihn ziemlich umsorgte, kannte Sasuke es nicht, dass ihm ein Schulbrot gemachte wurde. Itachi musste sich morgens auch fertig machen und hatte daher keine Zeit dafür. Sasuke machte sich entweder selbst etwas oder er kaufte sich etwas in der Schulcafeteria. Sasuke bekam Taschengeld von Itachi, obwohl er das gar nicht so richtig wollte. Er gab das Geld, das er die letzten beiden Monate bekommen hatte, auch kaum aus. Er hatte sich ein Buch davon gekauft, im Taschenbuchformat, weil die billiger waren und ein paar Mal hatte er sich etwas bei der Cafeteria in der Schule gekauft, aber das meiste des Geldes war in seiner Geldbörse geblieben.
 

„Ich hab keinen Hunger", sagte Sasuke, nicht unfreundlich, aber wahrheitsgemäß. Er aß vor der Schule nicht gerne etwas. Dafür war es noch viel zu früh, fand er. Und auf die zweite Frage wusste er keine Antwort. Er konnte doch nicht von Mikoto verlangen, dass sie ihm ein Pausenbrot machte und außerdem musste er bald los, wenn er den Bus nicht verpassen wollte. Deswegen trank er noch einen Schluck Kakao, sodass es nicht aussah, als würde er die halbe Tasse stehen lassen und erhob sich. Er schaute zu Mikoto und sagte dann leise: „Ich... ähm... muss jetzt los. Vielen Dank für den Kakao." Er wollte schon aus der Küche gehen, als ihn Mikotos Stimme innehalten ließ.

„Ich wollte dich zur Schule fahren, deswegen bin ich dich nicht so früh wecken gekommen." Sie verstummte kurz und Sasuke sah, dass ihr Blick ein wenig niedergeschlagen wirkte, als sie weiter sprach: „Wenn du nicht geweckt werden willst und all das - das Pausenbrot und das Fahren - das versteh ich und dann... tut es mir Leid, Sasuke. Ich habe das nicht böse gemeint."

„Ich bin nicht böse", meinte Sasuke. Es war das Wichtigste, das klar zu stellen. Ihm tat es leid, falls es so rüber kam. Das hatte Mikoto nicht verdient. „Ich... kenn es nur so... nicht."

„Aber Itachi...", warf Mikoto ein und war besorgt. Kümmerte ihr Sohn sich doch nicht so gut, wie es den Anschein hatte? War er überfordert? Brauchte er ihre Hilfe? Sie würde ihm immer helfen. Ihn liebte sie schließlich mehr als alles andere auf der Welt.

„Bei Itachi ist das... es ist anders", murmelte Sasuke und schielte zur Uhr. Wenn er nicht bald los ging, verpasste er den Bus und er musste sich fahren lassen oder kam zu spät. Beides wollte er nicht. Er wollte Mikoto keine Unannehmlichkeiten bereiten und er wollte in der Schule nicht negativ auffallen, vor allem hatte er in der ersten Stunde mit Iruka Unterricht.
 

Das verstand Mikoto. Sie verstand, was Sasuke ihr damit sagen wollte. Itachi war keine Mutter und Sasuke verglich ihn wohl so nicht mit seiner. Bei ihr tat er es wohlmöglich und nachdem, was sie über Sasuke Mutter erfahren hatte, glaubte sie, es tat Sasuke weh, zu sehen, wie Mütter sein konnten. Wie sie vielleicht sogar sein sollten.

„Ich habe mich lange nicht mehr um ein Kind kümmern dürfen", erzählte Mikoto und schaute auf die Arbeitsplatte. „Itachi ist schon fast zwei Jahre von Zuhause weg und da war er auch schon zwanzig. Ich würde gerne wieder jemanden Schulbrot machen und zur Schule fahren." Das hatte sie bei Itachi auch lange Zeit nicht gekonnt. Er war schließlich eine Zeit lang auf dem Internat gewesen und nachher, in Sasukes Alter, hatte er sich zwar immer noch hin und wieder zur Schule kutschieren lassen, aber auf Pausenbrot hatte er gerne verzichtet. Er ging in der Pause lieber mit Freunden irgendwo was essen oder holte sich was in der Cafeteria.

„Auch wenn du es vielleicht denken magst, bist du mir keine Last." Sie wusste es ja nicht mit Sicherheit, aber sie konnte sich gut vorstellen, dass Sasuke so dachte. Es würde zu seinem Charakter passen. „Ich freue mich darüber, dass du die Tage bei uns verbringst."
 

Sasuke nickte bloß und setzte sich wieder auf seinen Platz, um seinen Kakao doch noch auszutrinken. Er hoffte, er konnte Mikoto damit zeigen, dass er sich auch freute, hier sein zu dürfen, weil sie so nett zu ihm war. Anscheinend verstand sie das, denn sie lächelte und fragte ihn, was er denn gerne auf seinem Schulbrot hätte. Sasuke zuckte mit den Achsel und noch bevor er sagen konnte, dass er nicht wusste, was er denn zur Auswahl hatte, winkte Mikoto ihn schon zu sich und zeigte auf den Kühlschrank.

„Such dir was aus", sagte sie und zögerlich tat er das. Er öffnete den Kühlschrank und griff, nach ein paar Sekunden Überlegen, nach dem Packet Schinkenwurst und gab es Mikoto, bevor er sich wieder an den Tisch setzte. Sie bereitete sein Pausenbrot vor, packte es in Alufolie ein und stellte es mitsamt einer kleinen Mineralwasserflasche und mit einem Apfel, den sie gewaschen und getrocknet hatte auf den Esstisch.

„Ist das in Ordnung so?", fragte sie und er nickte.

„Danke." Sasuke trank den letzten Schluck des Kakaos, ehe er die Sachen in seine Schultasche packte und unschlüssig sitzen blieb. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Sein Bus musste vor ein paar Minuten weggefahren sein und wann Mikoto los wollte, das wusste er nicht.
 

Aber es dauerte nicht mehr lange bis sie dann losfuhren. Mikoto hatte seine Tasse noch in die Spüle gestellt, etwas Kaffee getrunken und schon bald waren sie losgefahren. Mit dem Auto brauchten sie nicht ganz so lange wie mit dem Bus, aber sie warteten fast zehn Minuten an einem Bahnübergang, sodass Mikoto fünf Minuten vor dem ersten Klingeln an der Schule hielt.

„Möchtest du, dass ich dich auch abhole?", fragte Mikoto. Sie konnte verstehen, wenn Sasuke da lieber den Bus nehmen wollte. Und so war es auch. Wenn auch recht schüchtern verneinte Sasuke. Das musste nun wirklich nicht sein. Mikoto sollte nicht auch noch zwei Mal den Weg hin und zurück machen müssen.

„In Ordnung. Ich bin Zuhause, deswegen brauchst du keinen Schlüssel. Bis heute Nachmittag, Sasuke. Viel Spaß in der Schule." Sasuke bedankte sich, lächelte Mikoto leicht zu, weil auch sie lächelte und weil sie so lieb zu ihm war und stieg dann aus. Er sah sie noch winken, bevor er sich umdrehte und auf das Schulgebäude zu ging.
 

~~
 

Itachi war froh, dass die Seminare nicht gleich in aller früh begonnen. So konnte er, nachdem er gestern erst spät abends im Hotel angekommen war, doch ein wenig ausschlafen. Er hatte Zeit sich in aller Ruhe fertig zu machen, sich zu duschen und er hatte immer noch massig Zeit zum Frühstücken. Gestern Abend noch, als er an der Rezeption eincheckte, hatte er in der Lobby Alessio ausmachen können. Sie hatten eine Weile gesprochen, Itachi war nicht allzu verwundert gewesen, ihn hier anzutreffen. Er war ein guter Jurastudent, hatte Bestnoten und kam aus einer der besten Anwaltsfamilien Großbritanniens. Sie hatten sich zum Frühstück diesen morgen verabredet, da sie gestern kaum mehr Zeit gehabt hatten, miteinander zu sprechen. Sie hatten einfach nur ins Bett gewollt.

Itachi hielt seine Augen im Frühstückssaal offen und sah schon bald Alessio der an einem Tischen am Fenster saß und mit einem Kaffee vor sich, auf ihn zu warten schien. Der Uchiha entschied sich auch erst eine Tasse zu besorgen, mit der er dann zum Tisch seines Freundes ging und sich dort hinsetzte.

„Na, Morgen", machte Alessio lachend. Itachi grinste nur schief und nahm einen Schluck Kaffee. Sie tauschten ein paar Worte, ehe sie sich gemeinsam zum Frühstücksbuffet aufmachten und mit beladenen Tellern zurück zu ihren Plätzen gingen. Dort nahm Alessio das Schmiermesser zur Hand und bestrich seine Weißbrotstulle mit niederländischer Marmelade. Immer noch war er völlig geplättet von der Käseauswahl am Büffet. Überall auf den Tischen standen Vasen mit Tulpen und von hier aus konnte man, wenn man aus den Fenster blickte, vorbei an Feldern, eine Windmühle ausmachen. Er hatte all das immer für Klischees gehalten.
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du teilnimmst, nachdem... - du weißt schon", sagte Alessio und meine die ganze Sache mit Sasuke. Itachi grinste. Na, dass hatte er zunächst auch nicht gedacht, aber er konnte froh sein, solche Eltern zu haben und auch darüber, dass Sasuke so umgänglich war und ihm bei dieser Sache nicht im Weg gestanden hatte, obwohl Itachi es ohne zu Zögern für Sasuke sein gelassen hätte.

Alessio bemerkte Itachis Grinsen. Itachi schien sowieso viel fröhlicher noch, als er ihn in Erinnerung hatte. Sasuke tat ihm anscheinend gut.

„Wo hast du denn deinen kleinen Liebling gelassen?", fragte er feixend. Itachi überging die Bezeichnung gewissentlich.

„Bei meinen Eltern."

„Dann ist er in guten Händen."

„Klar, ist er das." Itachi schnaubte halblachend aus. „Meine Mutter wird ihn wie einen kleinen König behandeln. Ich seh's es schon kommen. Wenn ich Sasuke wieder abhole, wird er total verwöhnt sein." Das war natürlich quatsch, das wusste Itachi, aber er mochte den Gedanken auf irgendeine Art und Weise. Vielleicht weil er dann mit Sicherheit wusste, dass seine Mutter Sasuke wirklich wie einen kleinen König behandelt hatte und so... sollte Sasuke auch behandelt werden, schoss es Itachi durch den Kopf.
 

~~
 

Der Bus, mit dem er normalerweise fuhr, war immer ziemlich leer. Dieser hier war es nicht. Sasuke mochte es nicht, wenn es so überfüllt war. Dann berührte er unweigerlich fremde Menschen und sie berührten ihn. Und dieser Bus war definitiv überfüllt. Deswegen suchte Sasuke sich einen Sitzplatz ziemlich weit hinten. So hoffte er der masse zu entgehen. Da der Bus jedoch so voll war und jeder Sitzplatz ausgenutzt werden musste, spürte Sasuke schon bald nach dem Einsteigen, bevor der Bus sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, wie der Platz neben ihm besetzt wurde. Sasuke schaute aus dem Fenster, während er seinen Ipod aus dem Rucksack holte. Er packte die Ohrenstöpsel in die Ohren und schaltete das Gerät an. Er hörte auf dem Nachhauseweg immer Musik, weil auch niemand seiner neuen Freunde mit dem selben Bus nach Hause fuhr wie er.

In solch einer Menschenmasse lies die Musik ihn abdriften und gab ihm fast das Gefühl, als wäre er für sich und nicht mit dutzenden Menschen in einem Bus. Sasuke drehte mit dem Daumen an der Bedienung des Ipods und wählte ein Lied einer Band aus, die Itachi ihm erst vor kurzem draufgespielt hatte. Sasuke mochte eigentlich so ziemlich alles was Itachi auf seinen Ipod lud. Itachi hatte einen guten Geschmack und auch wenn Suigetsu da anderer Meinung war, war Sasuke davon überzeugt.
 

Sasuke lauschte bereits dem zweiten Lied der Band, als er spürte, wie ihn jemand an der Schulter berührte. Sein Blick fuhr zu seinem Nebenan. Er erkannte ihn sofort. Rotbraunes Haar, die mit Kajalstift umrandeten, grünlichen Augen. Und die unverkennbare Narbe auf der Stirn, die groß war und aussah wie mehrere Schnitte quer durcheinander. Als er Gaara Sabakuno, der in seine Klasse ging, das erste Mal gesehen hatte, war ihm die Narbe sofort aufgefallen. Er hatte sich gefragt, wie man sich eine solche zuziehen konnte. Dafür musste man doch schon in eine Glasplatte fallen oder so was in die Richtung. Auf jeden Fall, schloss Sasuke, musste es schmerzhaft sein. Mit Schmerzen kannte Sasuke sich schließlich aus, auch wenn er sie hasste, wie kaum etwas sonst.
 

Gaara, das merkte Sasuke, blickte ihn seinerseits auch an. Was ihm wohl auffiel? Im Gesicht hatte Sasuke glücklicherweise keine Narben und schon lange, lange Zeit auch keine blauen Augen und andere Anatome mehr.

Gaara und er hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt, obwohl sie seit knapp zwei Monaten in dieselbe Klasse gingen. Sasuke hatte ihn eh recht wenig sprechen gesehen. Freunde schien er nicht der Klasse nicht großartig zu haben. Irgendwie kapselte er sich ab. Oder, dachte Sasuke dann, er wurde abgekapselt. Von Leuten wie Naruto und Sakura, die er zwar beide mochte, von denen er aber auch wusste, dass sie nicht wirklich dazu bereit waren, hinter die Maske zu sehen. Itachi hatten sie schließlich auch als einen Mistkerl abgestempelt, ohne ihn recht zu kennen.

Weil Sasuke nicht unhöflich sein wollte, zog er einen Stöpsel aus dem Ohr und hielt ihn in der Hand, während er darauf wartete, das Gaara etwas sagte. Schließlich hatte der ihn ja angestoßen.

„Red Hot Chili Peppers? Hätte ich jetzt nicht gedacht. Hört ihr nicht nur so was wie Lady Gaga, David Guetta und so'n Kram?!" Gaaras Worte waren mehr eine Aussage, als eine Frage, deswegen sah Sasuke sich gezwungen mit mehr als einem Ja oder einem Nein zu antworten.

„Ich kenn David Guetta nicht mal", sagte er, weil es die Wahrheit war. Er sah, wie Gaara seine Augenbraue in die Höhe zog. Aber sagen tat er nichts mehr.
 

Irgendwann, Sasuke hatte wieder beide Stöpsel im Ohr, fuhr der Bus in die Straße ein, in der das Haus Itachis Eltern stand. Sasuke wollte gerade seinen Nachbarn fragen, ob dieser ihn wohl vorbei ließe, als der auch aufstand und Richtung Tür ging. Sasuke folgte ihm, hielt sich dort an der Stange fest und wartete bis der Bus hielt. Dort stieg er hinter Gaara aus. Er sah, dass der Junge stehen blieb und ihn musterte. Erneut löste Sasuke einen Kopfhörer, der nun an seinem Oberkörper hinunter baumelte, weil er ihn nicht festhielt.

„Dann hab ich wohl das falsche Bild von dir", sagte Gaara. Sein Blick lag noch immer auf Sasuke. Sie standen vor dem Gründstück der Uchihas. Wenn Sasuke seinen Kopf nach rechts wandte, konnte er in die Küche blickten. Er sah Mikoto, die hinaus schaute und wandte sich wieder Gaara zu.

„Wie meinst du das?", traute er sich zu fragen. Erneut hob der Rothaarige eine Braue. Der Ansatz eines Grinsens schlich sich auf seine Lippen.

„Ich hab dich für 'nen verwöhnten, reichen Bengel gehalten. Wie Naruto, du weißt schon."

Fast wäre Sasuke die Frage, ob Gaara es auch jetzt noch tat, rausgerutscht, aber er beherrschte sich. Er wollte keinen Streit anfangen und vielleicht fühlte Gaara sich angegriffen, wenn er so was wissen wollte.

„Warum bist du hier ausgestiegen?" Es war Gaara, der sprach. Sasuke nahm auch den anderen Kopfhörer aus dem Ohr und wickelte das Kabel um den Ipod, den er in die Hosentasche gleiten ließ. „Ich besuche jemanden", sagte er währenddessen

„Aha", machte Gaara. Es wirkte nicht uninteressiert. Schlicht wie eine Feststellung. Dann drehte er sich um, ging ein paar Schritte den Bürgersteig entlang und, bevor er bei den Nachbarn der Uchihas das Tor öffnete. Sasuke sah ihn bis zur Tür gehen, dort einen Schlüssel rauskramen, aufschließen und hinein gehen. Wieso hatte Gaara was gegen reiche Jungs? Er schien doch selber einer zu sein, dachte Sasuke, als er das Tor der Uchihas öffnete und bis zur Tür ging. Er klingelte, wartete bis Mikoto öffnete. Sie lächelte, begrüßte ihn und sagte, er könnte seine Tasche ruhig solange im Flur stehen lassen. Das Essen sei schon fertig.
 

Schon bald saßen sie einander gegenüber am Küchentisch. Sasuke war recht froh, dass sie hier aßen und nicht an dem großen Tisch im Esszimmer.

„Geht Gaara in deine Klasse?" Sasuke schaute Mikoto an und nickte. Was sollte er auch groß sagen? Er kannte ihn ja kaum. Sasuke trank einen Schluck, während die Frau erzählt: „Das ist schön. Ihr seid befreundet, mh? Gaara ist ein ziemlich ruhiger Junge. Er antwortet kaum, wenn man mit ihm spricht, aber er ist nicht unfreundlich. Er hat mir sogar einmal geholfen den Einkauf reinzubringen."

„Wir sind keine Freunde", antwortete Sasuke ehrlich. „Wir haben bisher kaum gesprochen."

„Oh. Ich dachte wirklich... weil ich hab schon ne Weile dort gestanden und geredet."

Sasuke nickte, sagte aber nicht, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Er trank noch einen Schluck, aß einen Bissen und wartete ob Mikoto das Thema wechselte oder stumm blieb. Er selber konnte das nicht gut. Das Thema wechseln, über Alltägliches reden. Aber Mikoto wechselte nicht das Thema. Schweigen tat sie aber auch nicht.

„Wie ist es denn in der Schule? Ist er da auch so ruhig?" Mikotos Stimme war richtiggehend besorgt. Sasuke fragte sich, warum das so war. Schließlich war Gaara ein fremder Junge. Nur ein Nachbar. Aber dann sagte er sich, dass er ja noch viel fremder für sie war und um ihn bemühte sie sich schließlich auch. Deswegen nickte Sasuke wahrheitsgemäß.

Mikoto schwieg eine Weile, aß ein paar Bissen und trank einen Schluck Saft.

„Ich spreche manchmal mit seinem Onkel. Er ist ein recht erfolgreicher Maler. Ein paar der Bilder hier sind auch von ihm", sagte sie. „Er hat die drei - Gaara und seine Geschwister - erst vor kurzem zu sich geholt. Yashamaru ist ziemlich besorgt um Gaara. Auch mit ihm spricht er wenig. Er lässt keinen an sich ran, außer seine älteren Geschwistern."

Sasuke nickte schlicht. Was sollte er dazu auch groß sagen? Er selbst sprach ja auch wenig. Tat sich schwer damit, Leute eng an sich heran zu lassen. Er hatte seine Gründe. Eine schreckliche Vergangenheit. Vielleicht war Gaaras auch nicht schön gewesen. Er wusste es nicht, kannte ihn kaum. Aber umsonst lebten drei junge Leute nicht bei ihrem Onkel, anstatt bei den Eltern. Mikoto musste wohl seinen grübelnden Blick bemerkt haben, denn sie erzählte weiter: „Fugaku hat Yashamaru einige Tipps bezüglich des Sorgerechtsverfahrens gegeben. Lange Zeit hatte er keine Kontakt zu seinen Neffe und der Nichte, deswegen traf es ihn ziemlich hart, wie der Mann seiner Schwester die drei behandelte.“
 

Sie verstummte. Ihre Augen weiteten sich erschrocken.

„Oh, Sasuke. Es tut mir so Leid. Ich hätte dir das nicht erzählen dürfen. Ich hab nicht daran gedacht.“ Sie schlug eine Hand vor den Mund und hielt sie da, während sie den Jungen anschaute. Sie hatte alles richtig machen wollen. Ihm die Tage so angenehm wie möglich. Sie hatte es schaffen wollen, dass er sich hier wohl fühlte, sie und ihren Mann gerne mit Itachi besuchen kam. Und nun erzählte sie ihm solche Dinge. Das war schrecklich und es tat ihr Leid.

Sasuke hingegen, hatte gar keine Verbindung zwischen dem was Itachis Mutter erzählte und dem was ihm geschehen war, aufgebaut. Sie hätte ruhig weitersprechen können, ohne sich nun schuldig zu fühlen. Weil er nicht wollte, dass sie sich Vorwürfe machte, lächelte er ihr zu und sagte, dass das schon okay so sei.
 

~~
 

Das war doch dumm. Er war dumm. Warum zeigte er die Klassenarbeit Itachis Vater? Ein Vater, der Bestnoten gewöhnt war, schließlich war Itachi heute Jurastudent. Er musste einfach unheimlich gut in der Schule gewesen sein. Aber Mikoto war so begeistert gewesen, dabei hatte er ihr das Heft nur gezeigt, weil er bis morgen eine Unterschrift brauchte. Sie aber hatte gesagt, er müsse das unbedingt Fugaku zeigen. Weil Sasuke folgsam sein wollte und weil sie ihrem Mann und ihn regelrecht überrumpelt hatte, als dieser heim kam, saßen sie nun im Wintergarten. Nur Fugaku und er, weil Mikoto ein Abendessen zubereitete.

Fugakus Miene verriet nichts, während er sich die mehrseitige Englischarbeit durchlas. Sasuke unterdes spielte nervös mit dem Saum seines Pullovers. Er war nervös. Nicht weil er Angst vor Itachis Vater hatte. Das war es nicht. Das hatte er nicht mal. Aber er hatte eine Menge Respekt vor ihm und glaubte, ihn mit solch einer Nichtigkeit zu belästigen war dumm. Fugaku Uchiha arbeitete hart, er hatte sich bereit erklärt ihn für die Tage bei sich wohnen zu lassen und Sasuke wollte so wenig stören wie möglich. Das gelang ihm ja gut. Gleich am ersten Abend nervte er ihn so.

„Wirklich gut, deine Analysen sind beeindruckend.“ Fugaku klappte das Heft zu, legte es neben sich auf dem Glastisch ab und nahm seine Kaffeetasse aus der er einen Schluck trank.
 

Sasuke, der den Blick letztlich zu Boden gesenkt hatte, blickte nun verwundert auf. Itachis Vater fand es gut?

„Hast du schon überlegt, was du nach der Schule machen möchtest? Du hast zwar noch Zeit - drei Jahre, hab ich recht? - aber du solltest dennoch früh genug eine Richtung haben. Möchtest du studieren oder dann gleich eine Ausbildung machen?“

Sasuke zuckte zusammen. Er hatte noch nicht mit Itachi darüber gesprochen, aber er hatte vor nach den neun Pflichtschuljahren, die er dieses Jahr hinter sich hatte, wollte er abgehen. Er wollte sich einen Job suchen. Ohne Abschluss würde er keine Ausbildungsstelle bekommen, aber er wollte Itachi nicht länger auf der Tasche sitzen. Noch vor den Sommerferien dieses Jahr würde er sechzehn werden. Er könnte irgendwo Regale einräumen, irgendwas auf dem Bau machen oder hinter der Theke im Fast-Food-Laden. Aber das konnte er doch so nicht Fugaku Uchiha sagen.

„Ich rate dir zu studieren“, meinte der Ältere da aber schon, „Wenn du dich anstrengst, kannst du ein tolles Abitur hinlegen.“ Sasuke fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er wusste das doch. Er wusste, dass wenn er sich Mühe gab, konnte er einen guten Abschluss schaffen, aber es nagte an ihm, dass es bis dahin noch drei Jahre waren. In anderen Ländern konnte man schon nach der zehnten Klasse mit einem Abschluss abgehen. Aber es ging nicht. So sehr Sasuke sich auch wünschte, er könne wirklich Abitur machen und danach irgendwas, was er gerne tat... es ging nicht.
 

Itachi zahlte alles, ohne dass Sasuke einen Cent dazu gab. Das erschien ihm falsch. Er war schon fast erwachsen, er sollte Verantwortung übernehmen. Und vor allem sollte er nicht über seine Möglichkeiten hinaus wollen. Wäre er bei seiner Mutter geblieben würde er auch dieses Jahr arbeiten gehen, um Geld ranzuschaffen. Er würde es müssen. Hier war es wenigstens seine freie Entscheidung. Deswegen sagte er leise, aber unsicher: „Tut mir Leid. Ich... würde gerne... na ja, ich schätze ich suche mir eine Arbeit diesen Sommer.“

„Das wäre eine Verschwendung, Sasuke.“ Fugakus Stimme war hart, aber sie hatte einen bedauernden Ton in sich.

Itachi hatte damals hin und wieder davon geredet, dass er keinen Bock mehr auf Schule hatte, aber das tat jedes Kind. bei Sasuke, das wusste Fugaku sofort, steckte etwas anderes dahinter. Sasuke hatte nicht einfach nur keine Lust auf Schule. Ob es wegen Geld war? Oder vertraute er nicht auf seine Fähigkeiten?

Fugaku seufzte. Warum kümmerte Itachi sich nicht um solche Dinge? Bekam er von solchen Gedanken nichts mit? Fugaku hatte immer, egal wie beschäftigt er war, das Beste für seinen Sohn gewollt. Dazu hatte auch gezählt, dass man ihn forderte und förderte, was er und seine Frau getan hatten. Itachi wäre niemals wirklich auf die Idee gekommen, die Schule ohne einen Abschluss abzubrechen um irgendwo zu jobben. Und er hätte das auch zu verhindern gewusst.
 

„Weiß Itachi von deinen Plänen?", wollte Fugaku wissen und Sasuke schüttelte zögerlich den Kopf. Er hatte sich noch nicht getraut, Itachi davon zu erzählen. Er wusste nicht, wie er es tun sollte. Und jetzt war er noch entmutigter. Für Fugaku Uchiha war es so selbstverständlich, dass er bis zum Ende zur Schule ging und wahrscheinlich war es das für Itachi auch. Aber aus der Welt, aus der er kam, gingen viele Jungen und Mädchen ohne einen richtigen Abschluss ab und versuchten mit Jobs über die Runden zu kommen. Seine Mutter hatte auch nichts gelernt. Ihr Vater war Autohändler und da hatte sie gearbeitet, bis sie den Mann kennengelernt hatte, der Sasukes Vater werden sollte.

„Das wird Itachi nicht gefallen." Fugakus Aussage bestätigte Sasukes Sorgen. Er biss sich auf die Lippe, spürte seine Hände beben. Er wollte Itachi nicht enttäuschen. Aber was sollte er denn tun? Er wollte nicht nutzlos sein, kein Geld verdienen und Itachi noch drei Jahre auf der Tasche liegen. Mit unsicherer Miene blickte Sasuke Itachis Vater an.

„Sie werden ihm das doch nicht sagen, oder?" In seiner Stimme schwang ein Ton Ängstlichkeit mit, aber vor allem war er bittend. Dennoch blieb Fugakus Miene hart. Er sah einfach nicht ein, solch eine Sache durchgehen zu lassen. Sasuke konnte doch nicht nach der neunten Klasse abgehen. Das war doch absoluter Humbug. Es war egal, ob es das Geld war oder Sasukes Unsicherheit, die ihn daran hinderte, die Schule beenden zu wollen - beides war quatsch! Fugaku merkte, dass Sasuke ein kluger Junge war und wenn er sich anstrengte konnte er es wirklich schaffen. Zudem hatte Itachi sich bereit erklärt für Sasuke zu sorgen. Selbst wenn es mit dem Geld knapp werden sollte, wonach es eindeutig nicht aussah, würde er, Fugaku, zur Seite sein um seinem Sohn und diesem Jungen auszuhelfen. Es stand also nicht in Sasukes Verantwortung sich darum zu sorgen.
 

„Bitte, Herr Uchiha", hörte er dann Sasuke Stimme. „Bitte erzählen Sie es ihm nicht."

Doch Fugaku schüttelte den Kopf. Sein Sohn musste von diesen perfiden Plänen des Jungen wissen. Es war wichtig, dass er ihm den Kopf wusch und ihm erklärte, dass es notwendig war, etwas zu lernen und einen Abschluss zu haben.

„Itachi hat vor Gericht dafür gekämpft, dein Vormund zu werden. Er hat die Verantwortung für dich", sagte Fugaku eindringlich und fixierte Sasukes unsichere Miene. „Wenn du nicht mit ihm darüber redest, werde ich ihn davon in Kenntnis setzten müssen, Sasuke."
 

Gleich als er es ausgesprochen hatte, bereute er es ein wenig. Er vergaß manchmal, dass er mit Sasuke nicht so reden durfte. So hart, so eindringlich. Dieser Jugendliche war einfach viel zu unsicher. Und im Moment sah er so verzweifelt aus.

Aber sein eigener Sohn hatte doch das Recht zu erfahren, wie Sasuke sich die Zukunft verbauen wollte. Eine Zukunft für die Itachi kämpfte. Dennoch... hatte Fugaku das Recht sich einzumischen? Wohl eher weniger. Trotzdem war er der Überzeugung, dass Sasuke mit Itachi darüber sprechen musste.

„Rede mit ihm. Du weißt doch, dass mein Sohn kein Monster ist." Es war doch die Wahrheit, dachte Fugaku. Itachi tat so viel für Sasuke und es konnte nicht sein, dass der Junge immer noch Furcht vor ihm empfand. Das hatte Itachi nicht verdient. Und Sasuke doch auch nicht. Er quälte sich doch selber, indem er die Dinge versuchte mit sich selber auszumachen.
 

~~
 

„Temari hat er nicht oft geschlagen", sagte Gaara. Es war Mittwochmorgen, die Sonne schien, ein lauer Wind zog vorbei und ließ die Blätter und Knospen an den Zweigen der Bäume tanzen. Vögel zwitscherten und ein Eichhörnchen kletterte den Baum hoch. Sasuke saß auf einer etwa hüfthohen Mauer des Schulhofes. Sie hatten Pause und wie gestern hatte sich Gaara einfach so zu ihm gesetzt. Sasuke hatte heute eigentlich wieder mit Naruto und den anderen seine Pause verbringen wollen, aber er hatte sich hergesetzt, weil es fies wäre, das nicht zu tun. Gaara und er hatten sich gestern gut unterhalten. Über Musik und über Gaaras Geschwister, die auch auf die Schule gingen. Heute hatte er sich einfach zu ihm gesetzt und hatte angefangen von seiner Vergangenheit zu erzählen. Nun gut, bisher sagte er nur einen Satz, aber Sasuke war trotzdem verwundert. Er würde so schnell nicht jemandem erzählen, was ihm geschehen war.

„Mein Vater", fügte Gaara an und schwieg. Er blickte sich um, schaute zu Naruto und den anderen. Sasuke folgte seinem Blick und sah, das einige - vor allem Sakura, Ino und Naruto - verstohlen rüberschauten.

„Wenn du weiter mit mir rumhängst, werden die dich für bekloppt halten."

„Warum?", fragte Sasuke. Er verstand nicht, was die gegen Gaara hatten. Er wirkte vielleicht die ersten paar Minuten merkwürdig, aber er war... nun ja, er schien einfach nett zu sein.

„Sieh mich an, Sasuke." Gaara zeigte in einer lockeren Geste auf sich selber und Sasuke musterte ihn einige Sekunden lang.
 

Gaara trug eine dunkle Jeans mit Löchern und ausgelatschte Chucks, sein Haar war verwuschelt und er sein MP3-Player, der neben ihm auf der Mauer lag war wohl ein älteres Model. Aber Gaaras Kleidung war sauber, seine Haare frisch gewaschen und Sasuke wusste schließlich, dass der Schein trog. Ob Naruto und die anderen wohl wussten, wo Gaara lebte? Und ob es etwas an ihrer Meinung ändern würde?

Sasuke zuckte mit den Achseln. „Ist doch egal", murmelte er und wusste nicht woher er den Mut nahm.

Gaara jedenfalls grinste schief und stützte die Ellbogen auf die Knie.

„Was hast du eigentlich mit den Uchihas zu schaffen?", fragte Gaara, der gestern nach der Schule gesehen hatte, wie Sasuke bei denen klingelte und rein ging.
 

Sasuke fuhr sich durch die Haare. Er hatte noch keinem auf der Schule erzählt, wo er lebte. Bei wem er lebte. Aber was war denn falsch dran? Er verdankte Itachi so viel, er sollte ihn nicht leugnen. Nicht die Tatsache leugnen, dass Itachi ihm ein solches Leben ermöglichte. Dass er ihn gerettet hatte.

„Ich wohne bei dem Sohn der Uchihas", sagte Sasuke ehrlich und Gaara nickte. Sasuke war ihm dankbar, dass er nicht weiter fragte. Stattdessen blieben sie beide eine Weile stumm. Die Pause musste bald vorbei sein. Doch dann sagte Gaara: „Mein Onkel ist ein guter Typ. Es ist echt stark, dass er uns drei zu sich geholt hat. Aber..." Gaaras Blick wanderte in weite Ferne. Er schaute an Narutos Clique vorbei, an den Bäumen vorbei. Irgendwohin, wo Sasukes Blick nicht hinreichte.

„Aber", sprach Gaara dann weiter, „es ist einfach nicht leicht mit ihm über all den Scheiß zu reden."

„Warum mit mir?", fragte Sasuke dann und wollte wissen, warum Gaara mit ihm sprach. Warum es ihm alles andere als schwer zu fallen schien. Das lag doch niemals nur daran, dass sie die gleiche Musik mochten.

„Deine Augen", meinte der Rothaarige. Ohne das er weiter sprach, glaubte Sasuke ihn zu verstehen. Er schaute Gaara an und sah seine Augen. Obwohl sie grün waren und nicht schwarz wie seine, waren sie einander ähnlich. Sie beide waren auf eine Art durch die Hölle gegangen. Für Gaaras Hölle stand seine Narbe an der Stirn. Er hatte nichts gesagt, aber Sasuke glaubte nicht, dass sie woanders her stammte, als vom Vater verantwortlicht. Ohne das eine von ihnen beiden viel dafür getan hatte, hatten sie einen Freund gefunden. Sasuke entschied, dass er auch Naruto weiterhin als einen Freund haben mochte, aber er würde es nicht auf Kosten Gaaras tun. Falls Naruto und seine Clique ihn für bekloppt halten sollten, weil er mit Gaara rum hing, dann war es halt so. Aber die Mauer hier stand ihm und Gaara frei, und sie bot genug Platz, damit auch Naruto und die anderen hier sitzen konnten.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 16: seperated for seven days; part II

Hallöchen ;)

Es tut mir schrecklich Leid. Es hat über zwei Monate gedauert, glaube ich. Aber ich konnte nicht anders. Erst jetzt hab ich wieder Zeit gefunden, richtig an Catch zu schreiben, weil ich Ferien habe. Ich kann nicht versprechen, dass der nächste Upload nicht wieder erst zwei Monate oder mehr sein wird, aber ich versuche es nicht so kommen zu lassen. Ich hoffe ihr habt alle Verständnis dafür und glaubt mir, dass ich keinesfalls vorhabe, die Storys unvollendet zu lassen. Ich liebe Catch und ich liebe Frei sein – sie werden also beendet werden, auf jeden Fall. Ohne jeden Zweifel. Glaubt mir das, auch wenn es aber jetzt alles ein bisschen länger dauern wird.

Und bitte: Habt trotzdem Spaß an dem Kapitel, denn ich hatte Spaß es zu schreiben ;)

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 

Kapitel 16: seperated for seven days; part II

Hopefully I'll be OK.

I'm going to get some good sleep –

I just feel tired now. We'll see.

- Pavel Kubina
 

Sanfte Hände umfassen die seinigen, dirigierten sie zu einem Nacken der Halt versprach. Er fühlte die weiche Haut und die ersten Wirbel unter dieser. Sasukes Finger kribbelten. Itachi war so warm. Das tat gut. Es fühlte sich toll an, wie ihm über die Wange gestreichelt wurde. Sanfte Finger fuhren von seinen Schläfen, hinunter bis zu den Mundwinkeln. Sie kosten seine Haut. Er seufzte wohlig auf, als weiche Lippen seine Wange berührten. Dieselben Lippen, die sich alsbald auf seine eigenen legten. Im ersten Augenblick war er erschrocken, doch seine halb geöffneten Augen erblickten Itachi entspanntes Gesicht. Auch dessen Lider waren halb geschlossen, seine Züge weich. Er schien es zu genießen und für den Moment konnte Sasuke sich an keinen Grund erinnern, der dagegen sprach, es ihm nicht gleich zu tun. Also begann er zu genießen.

Es war ein unschuldiger Kuss, selbst dann noch, als er fordernder und weniger vorsichtig wurde. Er spürte eine raue Zunge über seine Lippen fahren und ohne nachzudenken öffnete er seine eigenen einen Spalt breit. Ihre Zungen umspielten sich, tanzten miteinander. Und immer noch war alles umgeben von einer natureigenen, reinen Unschuld.

Itachis Hände strichen über seine nackte Brust, seine Seiten entlang. Sasuke wusste, dass es einen Grund gab, warum er das hier alles nicht so genießen sollte, aber er konnte sich ihn nicht vor Augen führen. Es schien wie ein Segen, denn so konnte er sogar Itachis Gewicht auf seinem Körper als einen positiven Aspekt sehen. Alles an diesem Augenblick war positiv. Es war unbeschreiblich. Gut.

Ihre Lippen lösten sich und fanden wieder zueinander, lösten sich und vereinigten sich wieder. Er spürte Itachis Hände weiterhin auf seinem Oberkörper, spürte sie streicheln und kosen und necken.

Keuchend öffnete er seine Augen, die er vor nicht allzu langer Zeit geschlossen hatte, als er Itachis Knie zwischen seinen Beinen spürte. Spürte, wie es leichten Druck auf seine intimste Stelle ausübte und spürte, wie sich genau in dieser Region ein innerer Druck aufbaute. Es war intensiv. Er genoss es.

Genoss es so sehr, dass er seinen Halt verlor. Seine Hände konnten nicht mehr im Nacken verharren. Sie glitten hinunter, fanden neuen Halt an Itachis Rücken. Er spürte neue Wirbel, noch mehr weiche Haut. Er berührte ihn, fühlte ihn, nahm ihn in sich auf.

Die Reibung ließ nach. Er konzentrierte sich vollends auf den Kuss, der zusehends leidenschaftlicher wurde, ohne an Unschuld zu verlieren. Sasuke stöhnte auf, als sich eine Hand um seine intimste Stelle schloss und ihn sanft rieb, bis alles um ihn herum warm und weich war.
 

Es war immer noch warm und weich, als Sasuke die Augen aufschlug. Mit leerem Kopf lag er rücklings auf dem Bett und starrte gegen eine düstere Decke. Sasuke gähnte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, ehe er seinen Kopf träge zur Seite drehte. Die Ziffern der Digitaluhr zeigten fünf vor halb sieben. Noch fünf Minuten, dann klingelte sein Wecker. Zu wenig um sich noch einmal rumzudrehen, dabei war es gerade so gemütlich im Bett. Wäre Sasuke schon wach genug, würde er vielleicht über sich selbst schmunzeln, aber das war er nicht. Deswegen setzte er sich, nach einer Weile - nicht mal fünf Minuten, denn der Wecker hatte sich noch nicht gemeldet - einfach nur auf. Schlaftrunken, sich noch über die Augen reibend, schob er die Decke zurück. Die Beine schwang er aus dem Bett. Unter seinen Füßen fühlte er weichen Teppichboden. Dennoch zog eine leichte Gänsehaut über seine nackten Arme. Gleichsam spürte er den ständigen, ziehenden Druck in seinem Unterleib. Reflexartig ließ er seine Hand zu der Stelle wandern. Er wusste natürlich was los war. Er war, trotz allem was geschehen war, ein Junge und auch er hatte schon Morgenlatten gehabt, aber die hatten sich immer recht schnell verflüchtigt. Er hatte sie kaum bemerkt. Das hier, merkte er, war anders. Sasukes Augen wurden groß, als er begann sich zu erinnern. Sein Mund war mit einem Mal trocken. Nicht fähig in zu befeuchten kamen Bilder und Empfindungen, die ihn überforderten. Er zog die Hand von seiner Körpermitte fort und erhob sich eilig. Er wollte so schnell wie möglich ins Bad, unter die Dusche. Sich abkühlen, seine Erektion vertreiben und die Erinnerungen dazu.
 

~~
 

Amsterdam war eine schöne Stadt, obwohl es viel regnete und die Tauben den Marktplatz beherrschten. Itachi hatte die Zeit dort genossen. Montagabend verbrachten eine Truppe junger Jurastudenten und er einen Abend in einer Kneipe der Altstadt. Sie hatten nicht so viel getrunken, dass sie am nächsten Morgen mit Kater wach wurden, aber ihre Zunge waren locker und die Themen keinesfalls dieselben des Morgens, wo sie in einem riesigen Konferenzraum gesessen hatten, um über Jura zu sprechen. Jeder einzelne von ihnen hatte hart gearbeitet um einen Platz an diesem Seminarstisch zu bekommen, dennoch waren sie jung. Sie waren nur einmal jung.

Dienstagabend waren sie wieder hingegangen, hatten getrunken und gelacht und Fußball geguckt. Der niederländische Kommentator erheiterte sie und sie blieben länger als am Vorabend. Sie arbeiteten und lernten hart in den frühen Stunden bis zum Nachmittag und am Abend waren sie jung und hatten gemeinsam – eine Truppe junger, einander größtenteils fremder Männer in den Zwanzigern – eine gute Zeit. Deswegen, weil er ähnlich fühlte und auch eine gute Zeit hatte, ging er auch am Mittwoch, am Donnerstag und auch am Freitag mit. Heute war der letzte Abend.
 

Itachi atmete die kühle Nachtluft ein. Auch er war jung gewesen. Der Alkohol hatte seine Zunge zwar nicht gelockert, wie es bei den meisten der Fall gewesen war, aber er hatte ihn lachen lassen und ihn dazu gebracht sich wohl zu fühlen. Und auch am nächsten Morgen war er froh gewesen, hier zu sein und fest entschlossen die Woche zu genießen. Er hatte keine Sorgen, war einer von vielen und niemand, außer Alessio, wusste, dass er Zuhause viel erwachsener sein musste, als die anderen hier. Dennoch, auch wenn er an Sasuke dachte, was er an den Abenden in der Kneipe sehr wenig getan hatte, genoss er die Zeit in Amsterdam. Tagsüber hatte er keine Zeit dazu gehabt, Sasuke zu vermissen. Er hatte lernen und mitarbeiten müssen, trotz des Restalkohols in seinem Blut. Aber nachts hatte er ihn vermisst. Die Nächte bevor Itachi nach Amsterdam gefahren war, hatte Sasuke in seinem Bett geschlafen und Itachi hatte sich sonderbar gebraucht gefühlt. Nun, er fühlte sich seit der Sasuke kannte immer irgendwie gebraucht, aber dies hier war noch mal etwas anderes gewesen. Deswegen hatte er in seinem Hotelzimmer länger als normal wach gelegen und schlecht geschlafen. Er glaubte es war noch nicht mal unbedingt das Wissen, dass Sasuke nicht in seinem Bett war, denn das musste er nicht sein und Itachi wollte sich diesen Zustand mit Sasuke ein Bett zu teilen auch gar nicht angewöhnen. Viel eher war es, glaubte Itachi, die Gewissheit, dass Sasuke ganz weit weg war, anstatt im Raum nebenan. Das war es, was Itachi dazu bracht Sasuke in der Nacht schrecklich zu vermissen.
 

Auch heute Abend hatten Alessio und die anderen ihn wieder gefragt, ob er mitkommen wollte zu einem weiteren wahrscheinlich wieder sehr lustigem, geselligen und noch trinkreicheren Abend, weil es der letzte war. Aber er hatte abgesagt. So gerne er ein letztes Mal mit diesen Kerlen solch einen lockeren, unbeschwerten Abend verbringen wollte, Itachi hatte etwas anderes vor. Er grinste, öffnete die Tür des Taxis und stieg auf der Rückbank ein.
 

~~
 

Mikoto hatte immer nachts geschlafen, als Itachi noch Zuhause wohnte. Sie war häufig vor ihm schlafen gegangen und vor ihm aufgestanden um ihn zu wecken oder seinen Kaffee fertig zu haben. Als er auszog konnte sie nachts nicht mehr schlafen. Sie hatte am Tag nicht mehr viel zu tun, dass sie nicht auch in der Nacht tun konnte. Sie lauschte leiser Musik, schaute hinaus in den Garten, trank Tee, las, backte und malte in der Nacht. Schlafen ging sie erst kurz vor Sonnenaufgang. Für Sasuke war sie wieder früher schlafen gegangen. Es war ihr nicht schwer gefallen. Sie wollte morgens vor ihm wach sein, ihn wecken, ihm Frühstück machen, ihn zu Schule bringen und genau das hatte sie getan. Doch sie wusste, dass Sasuke heute die letzte Nacht hier schlief und morgen früh musste er nicht früh raus. Er konnte ausschlafen, denn sie hatten nichts geplant, frühstückten sonntags nie zu früh und Itachi erwarteten sie erst gegen Mittag.

Mikoto legte das Buch, das sie momentan las, auf den Glastisch neben sich. Sie schaute durch die Glasscheiben an der Südseite des Wintergartens nach draußen in ihren frühsommerlichen Garten, der nicht schöner hätte sein können. Sie mochte ihn gerne. Er war einer der wenigen Gründe, warum sie nicht den ganzen Tag verschlief, weil die Nacht ihr viel verlockender erschien. Mikoto lächelte besonnen. Fugaku hatte sich einige Zeit lang Sorgen um sie und ihre nächtliche Schlaflosigkeit gemacht, aber er hatte gesehen, dass es ihr gut damit ging und wenn er heim kam, war sie wach und das Essen war fertig. Dennoch wusste sie, dass es ihm gefallen hatte, dass sie diese Woche mit ihm schlafen gegangen und vor ihm aufgestanden war. Für ihren Mann sollte sie das vielleicht öfter tun. Sich für Sasuke umzustellen war schließlich auch nicht schwer gewesen. Noch immer mit einem besonnenen, zufriedenen Gesichtsausdruck griff sie nach dem Wasserkrug auf dem Tisch und wollte gerade etwas in ihr Glas einschenken, als es an der Tür läutete und sie sich so stark erschreckte, dass das Wasser nicht sicher im Glas, sondern daneben auf ihr Buch tropfte.
 

Noch ehe sie auf die Idee kommen könnte, das Buch trocken zu wischen, stellte sie den Krug zurück und eilte in den Flur. Sie hatten die Eingangstüre schon abgeschlossen und sie erwarteten keinen Besuch. Doch nicht um halb zwölf, wenn ihr Mann und Sasuke schon schliefen. Ein Schauer fuhr Mikoto den Rücken hinunter, obwohl es alles andere als kalt war und sie trotzdem eine Strickjacke über ihren Pyjama trug. Unsicher griff sie nach dem Schlüssel, der auf der Kommode lag und steckte ihn ins Schloss.

„Wer ist da?“, fragte sie und hörte das eigene Zittern in ihre Stimmer. Sie mochte es ganz und gar, dass es um diese Uhrzeit klingelte, stellte sie fest. Es hatte noch nie zuvor um diese Uhrzeit bei ihnen geklingelt. Jedenfalls nicht seitdem sie die Nächte nicht in ihrem Bett, sicher neben Fugaku verbrachte.

Noch bevor ihr Gegenüber hinter der Tür antworten konnte, kam ihr Sasuke in den Sinn und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Was wenn es dieser Mann war, der Sasuke all das angetan hatte? Aber wie sollte er wissen, dass Sasuke hier war? Das konnte doch nicht sein. Mikoto zwang sich im Stillen selbst zur Ruhe. Aber was wenn er es doch war? Was wenn…?

„Ich bin’s, Mama.“
 

„Du hast mich erschreckt, Itachi“, sagte sie als erstes, nachdem sie die Tür geöffnet und hinter ihm wieder abgeschlossen hatte. Den Vorwurf in ihrer Stimme konnte sie nicht ganz verdrängen und das brachte ihn zum Lachen. Nur leise und ganz kurz, während er seinen Koffer in die Ecke neben die Kommode schob.

„Sorry“, sagte er leise, ging einen Schritt nach vorne und nahm seine zierliche Mutter in den Arm. Das hatte sie verdient, nachdem er sie so erschreckt hatte. Hoffentlich hatte er nicht auch seinen Vater geweckt.

„Schläft Sasuke schon?“, fragte er, als er sich von seiner Mutter löste und voran in die Küche ging. Er brauchte ein Glas Wasser. Das brauchte er immer nach einem Flug.

„Ja.“ Itachi trank einen Schluck und lehnte sich an die hüfthohe Küchentheke. Er entschied Sasuke schlafen zu lassen und im Gästezimmer zu übernachten. Seine Eltern hatten da nichts gegen, das wusste er. Aber er wäre schon gerne noch nach Hause gefahren um im eigenen Bett zu schlafen. Dennoch hatte er sich nicht überwinden können, dem Taxifahrer die andere Adresse zu nennen. Er hatte zu Sasuke gewollt. Er hatte ihn vermisst und er wollte in einem Haus schlafen, in dem Sasukes Zimmer wieder neben seinem lag oder der Junge neben ihm im Bett.

Und gerade weil er Sasuke vermisste und die Nächte nicht gut schlief, wenn er den Jungen nicht im gleichen Haus wusste, hatte er den Flug von morgen früh nach heute Abend umgebucht, schließlich war die letzte Seminarseinheit heute Nachmittag zu Ende gewesen. Dennoch, obwohl oder gerade weil er nicht gut und nicht viel geschlafen hatte die letzten Tage, fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht, stellte das mittlerweile leere Wasserglas in die Spüle und fragte müde: „Ist das Gästezimmer aufgeschlossen?“
 

„Ja“, sagte Mikoto. Sie lächelte und konnte nicht widerstehen ihrem Sohn über das glatte, zum Zopf gebundene Haar zu fahren. Das hatte sie lange nicht mehr getan. „Aber das Bett ist nicht bezogen. Ich glaube, es wäre aber kein Problem wenn du bei Sasuke schläfst. Er hat dich vermisst.“

„Okay“ Itachi wurde mit einem Mal rührselig, obwohl er das von sich nicht kannte. Doch das Handeln seiner Mutter und ihre Worte brachten ihn dazu. Er bückte sich runter und hauchte ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange. Als kleines Kind hatte er das auch immer getan, wenn sie sich nicht gleich einen Kuss von seinen Lippen gestohlen hatte.

Mikoto blickte ihrem Sohn nach wie er in den Flur ging und dort aus dem Koffer ein T-Shirt und eine frische Boxershorts zog, ehe er die Treppe nach Oden hoch ging. Sie selbst entschied ihr Buch zum trocknen auf die Fensterbank zu legen und noch einen Schluck Tee zu trinken. Danach würde sie schlafen gehen. Es gab keinen besseren Tag um noch vor Mitternacht ins Bett zu gehen, als an einem solchen, an dem Fugaku, Itachi und Sasuke auch sicher in diesem Haus schliefen und träumten.
 

~~
 

Itachi zog sich im Badezimmer um, wuchs sein Gesicht und ließ die Klamotten vom Tag über den Wäschekorb hängen. Mit müden Augen blickte er in den Spiegel. Er fühlte sich nicht mehr so jung wie am Abend zuvor. Es waren nicht nur die etwa gleichaltrigen Männer gewesen, die gegrölt hatten vor lachen. Und auch nicht der Alkohol oder die schlüpfrigen Witze. Nicht nur die Musik und das fremde Land. Es war eine Mischung aus alle dem gewesen. Das perfekte Rezept um jung zu sein. Itachi grinste müde, ehe sein Blick traurig wurde. Er dachte an Sasuke. Fragte sich, ob dieser Junge auch schon in den Genuss dieses Gefühl gekommen war. Sasuke war noch jünger als er, er war noch keine sechzehn und er war erwachsener als viele der Männer, die er in Amsterdam kennen lernte. Klar, auch die waren klug und verantwortungsbewusst und wie Itachi schon dort gedacht hatte, hatten sie alle hart dafür gearbeitet an diesem Seminar teilnehmen zu können, aber dennoch fehlte ihnen das, was er und Sasuke durchgemacht hatten, um wirklich in diesem Alter schon erwachsen zu sein. Itachi wollte nicht sagen, dass was er erlebt habe, war genauso schlimm, wie die Hölle durch die Sasuke gegangen war, denn das war es nicht. Er hatte nur zugehört und getröstet und eine Entscheidung getroffen, während Sasuke gelitten, gehungert, gefroren und geweint hatte. Dennoch war Itachi klar geworden, dass man nur weil man achtzehn war, nicht gleichzeitig auch erwachsen war. Es war befremdlich wenn man mit einem siebzehn- oder achtzehnjährigen sprach und dieser sagte, eigentlich sei er noch ein Kind. Aber in den meisten Fällen war es nichts als die Wahrheit. Doch das was Sasuke hatte erleben müssen, hatte ihn altern lassen. Man sah es in seinen Augen, dass wusste Itachi. Aber er wünschte, auch Sasuke könnte Momente erleben in denen er einfach nur jung war. Doch dafür, wurde ihm klar, musste er Sasuke viel mehr Spaß gönnen. Er musste ihn wenn er in zwei Monaten sechzehn würde, mit seinen Freunden feiern gehen lassen, er musste ihn dazu animieren, auch mal Freunde einzuladen oder sie öfter zu besuchen. Er selber sollte auch mehr Dinge mit Sasuke unternehmen, wurde ihm klar. Sollte mit ihm ins Kino gehen, ins Schwimmbad und vielleicht mal in Urlaub fahren oder ein Konzert besuchen. Auch all das konnte Sasuke heilen.
 

Er wandte sich vom Spiegel ab, ging in den Flur zurück und öffnete leise die Tür zu seinem alten Jugendzimmer. Dort machte kein Licht, sondern bahnte sich den Weg im Fastdunkeln. Der Mond schien durch eine Ritze der Jalousie und erleuchtete das Zimmer ein wenig. So fand Itachi das Bett, ohne sich zu stoßen und kroch auf der richtigen Seite rein. Er zog die zweite Decke, die am Fußende lag, über sich und blickte Sasuke, als seine Augen sich an das Düstere gewöhnt hatten, eine Weile lang an. Seine Augen wurden schwer, aber einschlafen wollte er noch nicht. Er war froh wieder in Irland zu sein. Bei Sasuke zu sein. Aber auch in seiner Heimat. Er schloss für einen Moment die Augen, zwang sich jedoch nicht einzuschlafen und öffnete sie erschrocken, als er eine Bewegung neben sich spürte. Sasuke hatte sich im Halbschlaf auf die andere Seite gedreht, rollte sich ein bisschen weiter ein und murmelte ohne die Augen zu öffnen: „Ich hab dich vermisst.“

Itachi lächelte. Er wusste, dass Sasuke wusste, dass er hier war. Vielleicht wusste er es morgen früh nicht mehr. Aber jetzt hatte er Itachis Präsens neben sich realisiert und das war ein gutes Gefühl für beide. Itachi sah, dass Sasukes Schlafshirt an den Armen hoch gerutscht war und fuhr über den nackten Oberarm des Jungen. Er fühlte sich kühl an. Deswegen zog er die Decke des Jungen ein Stück höher.

„Schlaf gut“, murmelte er, eher auch er mit dem Gesicht zu Sasuke ins Land der träume glitt. So wie heute hatte er die ganze Woche nicht schlafen können. Während viele andere seiner Charakterzüge von seinem Vater oder von der Erziehung beider Eltern stammten, glaubte er dass diese Eigenart der Schlaflosigkeit ein Vermächtnis seiner Mutter war. Das war gut zu wissen, dachte er bevor er endgültig schlief.
 

~~
 

Auch diesem Morgen war es warm und weich im Bett, obwohl Sasuke nicht dasselbe spürte wie am Morgen zuvor. Er ließ die Augen noch einem Moment geschlossen. Genoss die Wärme, ehe ihm die Präsenz eines anderen Körpers neben seinem im Bett bewusst wurde. Zuerst war er erschrocken. Er öffnete die Augen, während er ein Stück von der Mitte wegrutschte. Doch die plötzliche Erschrockenheit wich gleich wieder, als er sah, wem der Körper neben seinem gehörte. Es war Itachi, also gab es keinen Grund sich zu fürchten. Sasuke glaubte einen Moment, dass es eine perfide Logik war, aber sei es drum. Er fühlt so. Itachi würde ihm niemals wehtun. Daran änderte auch der Traum nichts, den Sasuke die Nacht vor der vergangenen geträumt hatte. Dieser Traum verunsicherte ihn im Allgemeinen. Er verstand ihn nicht. Aber das änderte nichts daran, dass er sich unheimlich freute, als er sah, dass Itachi neben ihm lag und selig schlief. Sasuke hatte ihn vermisst. Sie hatten zwar zwei Mal miteinander telefoniert, aber Itachi hatte nicht viel Zeit gehabt und die Telefonate waren kurz gewesen, obwohl beide sich gefreut hatten, die Stimme des anderen zu hören. Trotzdem war es etwas völlig anderes Itachi, der zu dem wichtigsten lebenden Menschen in Sasukes Leben geworden war, wieder in der Heimat zu wissen. Ihn im gleichen Zimmer, im gleichen Bett zu wissen. Das erklärte auch Sasukes guten Schlaf. Er fühlte sich immer viel wohler, wenn er Itachi neben sich wusste und sein Unterbewusstsein hatte wahrscheinlich schon in der Nacht registriert, dass Itachi da war, denn Sasuke fühlte sich gut und ausgeschlafen.
 

Er griff nach seinem Handy auf dem Nachttisch und stellte fest, dass es noch relativ früh war. Gerade neun Uhr und Itachi war auch noch nicht wach. Außerdem hatte Mikoto gesagt, sie käme ihn wecken wenn das Frühstück fertig wäre. Sasuke lauschte, hörte aber noch keinen in der Küche hantieren. Daher entschied er liegen zu bleiben. Ansonsten wäre er Mikoto helfen gegangen. Sasuke rollte sich wieder auf die Seite und rückte näher an Itachi ran. Obwohl er nicht mehr müde war, schloss er die Augen noch mal und atmete gleichmäßig. Vielleicht konnte er doch noch eine halbe Stunde schlafen. Nur im Bett liegen und nichts tun mochte er nach dem aufwachen nicht gerne. Dann kamen Gedanken, ob er wollte oder nicht und manchmal waren es eben keine schönen Gedanken. Deswegen schlief er lieber, obwohl er auch nicht immer schöne Träume träumte.
 

Es dauerte nicht lange, da wachte auch Itachi auf. Im Gegensatz zu Sasuke, wunderte er sich nicht, wo er war. Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und strich seine langen Haarsträhnen nach hinten. Sie hatten sich aus dem Zopf gelöst und waren ihm ins Gesicht gefallen. Itachi rollte sich auf den Rücken und gähnte mit vorgehaltener Hand. Er fühlte sich ausgeruht. Er fühlte sich wohl. Was gut tat, nach der Woche, die er in Amsterdam verbracht hatte. Itachi atmete tief durch und wandte seinen Kopf zur Seite ohne sich umzudrehen. Itachi musste Sasuke eigentlich gar nicht ansehen, denn er wusste das er dar war. Denn nur wach werden neben Sasuke fühlte sich so gut an, fuhr es ihm durch den Kopf. Dennoch schaute er den Jungen an. Er lag auf der Seite, fast schon auf dem Bauch. Seine Beine waren halbwegs ausgestreckt, was selten vorkam, denn meistens rollte Sasuke sich zusammen wie ein Igelchen. Sein Gesicht war zu Itachis Seite gewandt und die Lippen leicht geöffnet. Sasuke schlief immer mit leicht geöffneten Mud und häufig zuckten seine Augenlider, weil er träumte, wenn er im Tiefschlaf war. Doch jetzt zuckten sie nicht, was bedeutete, dass Sasuke noch nicht lange schlief. Er war wahrscheinlich schon aufgewacht und hatte sich wieder schlafen gelegt, fiel Itachi ein, denn in der Nacht, als er ins Bett gekrochen war, hatte Sasuke schon geschlafen.
 

Vorsichtig hob Itachi seine Hand und fuhr über Sasuke strubbeliges, verwuscheltes Haar. Es sah viel gesünder aus als damals. Sasuke an sich sah so viel gesünder aus. Und so wollte Itachi das es immer blieb oder noch besser und gesünder wurde. Niemals wieder sollte Sasuke so leiden, wie er hatte leiden müssen.

„Guten Morgen“, sagte Itachi sanft, als er Sasukes Augenlieder flackern sah. Er wusste, dass der Junge nur gedöst hatte und durch seine sanfte Berührung wach geworden und ihn gehört hatte.

„Morgen“, murmelte Sasuke und öffnete die Augen um Itachi anzusehen. Er blieb, so wie er lag, liegen, drehte nur seinen Kopf ein Stück weiter und lächelte leicht. Er freute sich, dass der Uchiha wieder da war. Er hatte ihn vermisst.

„Alles klar?“, fragte Itachi und zog seine Hand zurück. Er setzte sich nicht ganz auf, ruckte aber ein bisschen höher, sodass er mit dem oberen Rücken gegen die Wand lehnte und trotzdem noch halb lag. Er wollte sich nicht ganz aufsetzten, aus Angst, Sasuke damit ein schlechtes Gefühl zu geben. Der Junge nickte. Er wandte den Blick nicht ab.

Sie lauschten einer Weile der Stille, ehe Itachi leise sagte: „Ich glaube, meine Mutter ist schon in der Küche. Sie wird uns gleich zum Frühstück rufen.“

„Hm“, machte Sasuke und kuschelte sich weiter in die Decke. Er war wirklich, wirklich froh, dass Itachi wieder da war und er fühlte sich gut. Er fühlte sich unersetzlich und wunderte sich gleichzeitig über den Gedanken, obwohl er wusste, wo er herrührte. Sein Vater hatte ihm immer zu verstehen gegeben, dass er nicht zu ersetzten war. Und er hatte auch gesagt, dass es wertvoll war früh genug die Erfahrung zu machen, wie unentbehrlich man in der Welt ist. Sasuke hatte sich lange Zeit nicht mehr unentbehrlich gefühlt. Jetzt tat er es. Er merkte, an der Art wie Itachi dort saß und auf ihn runter blickte, dass Itachi ihn sehr gerne hatte. Und nur das konnte dazu führen, dass ein Mensch sich so fühlte: Unersetzbar und Unentbehrlich.
 

„Ich würde ihr ja helfen gehen“, murmelte Itachi, griff aber gleichzeitig nach der Fernbedienung auf dem Nachttisch, was Sasuke dazu brachte eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen. Er selber merkte es kaum. Erst als Itachi ihn grinsend ansah, begriff er seine Regung und ließ es sofort bleiben. Doch Itachi grinste weiter, zappte durch zwei, drei Kanäle, ehe er die Fernbedienung zu Sasuke schob und seine vorigen Satz beendete: „Aber ich bin dazu zu faul grade.“

Sasuke wollte sofort anbieten, er könne Mikoto helfen, doch da verstand er Itachis Grinsen. Deswegen ließ er die Fernbedienung liegen wo sie lag und schloss, eingekuschelt und eingerollt in die Decke, die Auge, ehe er murmelte: „Und ich bin zu faul zum umschalten.“

Nun waren es Itachis Augen die sich weiteten, denn so was in diese Richtung mit diesem Ton hatte Itachi niemals von Sasuke erwachtet. Und schon gar nicht in solch einer kurzen Zeit, in der die beiden miteinander lebten. Er hatte geglaubt es würde Jahre brauchen, bis Sasuke sich an einem solchen Ton versuchte. Aber es war keinesfalls falsch. Im Gegenteil. Itachi mochte diese Tatsache. Es zeigte Sasukes mittlerweile großes Vertrauen in ihn und es zeigte noch viel mehr, dass der Junge sich wohl fühlte und das seine Eltern ihn keinesfalls falsch behandelt haben konnten. Denn Sasuke war nicht, wie Itachi befürchtet hatte, viel verschlossener und verschüchterte, als bevor er für die Woche nach Amsterdam geflogen war. Er war viel eher ein Stück weit selbstbewusster und Itachi glaubte, dass es schon daher stammen konnte, dass seine Mutter ihn wie einen kleinen König verwöhnt hatte. Genauso wie er es zu Alessio gesagt hatte. Itachi meinte das nicht böse. Er war der Meinung, Sasuke hatte es verdient wie ein kleiner König behandelt zu werden. Er erinnerte sich an Sasukes Onkel, der ihm erzählte, dass Sasuke für seinen Vater ein König gewesen war. Und wenn Itachi ihn nicht so behandeln konnte, obwohl er wirklich, wirklich, wirklich der Meinung war, das Sasuke das verdiente, war es gut, wenn seine eigene Mutter das konnte. Denn Sasukes konnte es nicht und wahrscheinlich war sie auch gar nicht der Meinung, dass Sasuke so behandelt werden sollte.
 

Sasuke öffnete die Augen. Er wollte nicht wieder einschlafen, aber er mochte es so hier zu liegen. Neben Itachi, den er vermisste hatte und mit einem Gefühl dass er, egal was er tat, hier sicher und gewollt war. Nicht nur von Itachi, sondern auch von dessen Vater und dessen Mutter. Itachis Vater hatte sich nicht nur am ersten Abend mit ihm hingesetzt um zu reden. Am zweiten Abend hatte er im Wohnzimmer gesessen und gelesen, während Itachis Vater Kaffee trank und mit Mikoto sprach. Irgendwann hatten sie ihn einfach mit in ihr Gespräch einbezogen, obwohl Sasuke unsicher gewesen war, überhaupt im Wohnzimmer zu bleiben. Er hatte nicht stören wollen. Aber das hatte er nicht. Auch nicht am dritten Abend. Mikoto war noch mal in den Laden gefahren war um einige Dinge einzukaufen, die sie am Mittag vergessen hatte und dennoch unbedingt am nächsten Tag brauchte. Sasuke war wieder unsicher gewesen, ob er nicht in Ruhe in Itachis Zimmer gehen sollte, aber Fugaku hatte ihn auf halben Weg aufgehalten und auf eine Partie Schach eingeladen. Sasuke konnte kein Schach spielen, aber er wollte nicht unhöflich sein, also ging er mit. Er traute sich nicht, zuzugeben, dass er die Regeln nicht konnte und gar nicht wusste, was er zu tun hatte und versuchte es zu kaschieren, indem er genau die Spielzüge imitierte, die Itachis Vater spielte. Drei Runden lang ging das gut, dann schob Fugaku alle Figuren zurück an ihren Platz und erklärte Sasuke das Spiel mit viel Geduld und Spaß an der Sache. Seit diesem Abend, indem Fugaku in ihn drei Runden Schach besiegte, war Sasuke ein wenig unsicherer im Umgang mit dem Älteren, was dazu führte, dass er nicht allzu scheu war, als die Uchihas ihn am nächsten Abend in ein Restaurant einluden. Er unterhielt sich mit ihnen und mittlerweile, noch einen Abend später, glaubte er, dass diese Woche ihn ein wenig verändert hatte. Ein wenig gestärkt. Neben Fugakus Einsatz, war das hauptsächlich Mikoto zu verdanken.
 

Sasuke merkte nicht, wie sein Gesichtsausdruck an Traurigkeit gewann, als er an Mikoto dachte, die eine wundervolle Mutter war und gleichzeitig an seine eigene, die er so sehr liebte, dass es wehtat. Sasuke hatte einen Vater und er erinnerte sich daran, wie sehr er von ihm geliebt wurde. Kein anderer Mensch auf dieser Welt hatte Sasuke so sehr geliebt wie dieser Mann und niemand würde ihn je wieder so sehr lieben. Das wusste Sasuke und es war in Ordnung so. Sein Vater war einer der beiden Menschen, die ihm das Leben geschenkt hatten. Er hatte ihn gewollt und er hatte ihn geliebt, bevor er diese Welt betrat. Das war es, was Eltern tun sollten. Sasukes wusste, dass die Liebe seines Vaters ohne Abstriche, ohne Bedingungen und ohne Ausflüchte war. Sie war pur und ihm würde niemals im Leben einfallen, sich zu fragen, warum sein Vater ihn geliebt hatte. Es war eine Tatsache und an ihr war nicht zu rütteln. Das war etwas, dass auch in Sasukes Rucksack seiner Vergangenheit lag. Neben den Stricken Misshandlungen und dem Loch dass der Liebensentzug seiner Mutter hinterließ, lag die Perle der Liebe seines Vaters dort drin und sie leuchtete und glitzerte und schien so hell wie tausend Sonnen.

Dann war da Itachi, dessen Gefühle für Sasuke vielleicht eben so bedingungslos waren, wie die seines Vaters, aber sie waren anderes und Sasuke schätze sie auf eine andere Weise. Er hätte damals keinen besseren Menschen treffen können, als Itachi. Itachi schenkte ihm Zukunft. Und er hatte ein Zuhause für ihn errichtet. Er hatte gekämpft, wie ein Krieger, hatte geheilt und getröstet wie ein Heiler. Sasuke verdankte ihm… ein Leben. Genau das würde er nie vergessen. Er konnte es nicht wieder gut machen, konnte nichts tun als dankbar zu sein und die Chance zu nutzten, die er durch Itachi hatte und das war es, was Sasuke tun wollte, auch wenn er so oft zweifelte. Auch wenn er seine Schule ohne Abschluss beenden wollte, bescheiden war und Itachi mit nichts belasten wollte, wusste er um die Größe dieser einmaligen Chance und er versuchte, versuchte sie zu nutzen, so er nur konnte und so sehr ihn seine inneren Dämonen ließen. Denn Sasuke war dankbar und Itachi war ihm unendlich wichtig.
 

Aber dann war da Itachis Mutter und es war noch mal eine völlig andere Sache von ihr umsorgt zu werden, als von seinem Vater oder Itachi, die es genauso taten. Sasuke konnte es nicht beschreiben, aber Itachis Mutter heilte ihn auch. Sie heilte Punkte seiner Seele, die Itachi nicht zu heilen vermochte, weil Sasuke Itachi nicht wie ein Elternteil sah. Mikoto war unwiderruflich eine Mutter, deswegen erreichte sie diese Punkte und sie war eine gute Mutter, deswegen konnte sie sie heilen. Sasuke fuhr sich kurz über das rechte Auge. Es tränte, obwohl er sich eigentlich gut fühlte in diesem Moment. Aber die Gedanken, die brachten ihn dazu, beinahe zu weinen, weil man auch traurig sein konnte, obwohl man sich irgendwo wohl fühlte.

Plötzlich spürte Sasuke eine Hand in seinem Hand, die bis zum Nacken streichelte und wieder zurück. Sasuke hatte keinen Zusammenbruch. Er heulte nicht. Aber er weinte ein bisschen, während Itachis Hand ihn streichelte und tröstete, bis seine Tränen versiegten.
 

~~
 

„Er hat das andauernd gemacht“, meinte Fugaku, trank einen Schluck Kaffee und schüttelte den Kopf. „Der Katze in den Schwanz gebissen.“

Mikoto lachte. Sie konnte sich bildhaft daran erinnern und, es gab auch Bilder, wenn sie die alte Katze nicht aus den Fingern des kleinen Itachis hatten retten können. Itachi und das Tier hatte eine Hassliebe verbunden, die seinesgleichen suchte. Sie konnten gerade noch kuschelnd auf dem Sofa gelegen haben und im nächsten Moment wollte die Katze ihren Sohn kratzend oder biss auf seinem Finger rum und dann bis Itachi zurück. Mikoto schüttelte, immer noch leise lachend, den Kopf. Sie hatten tausender solche Geschichten, ihr Mann und sie.

„Du warst so ein schreckliches Kind“, seufzte Fugaku, aber sie wusste, dass er es nicht ernst meinte. Itachi wusste das auch. Doch Sasuke schaute ein wenig verunsichert drein, stellte sie fest. Aber das war okay, dachte sie. Sasuke hatte einfach nie die Chance bekommen in ein Alter zukommen, indem er und sein Vater so miteinander scherzen konnten. Sasukes Vater hatte wahrscheinlich kaum solche Geschichten erzählen können und wenn hatte der Junge es kaum mitbekommen können, denn er war noch so klein gewesen, als Kaine Nakano starb.
 

„Aber er war auch ein kluges Kind“, ergänzte Mikoto.

„Ja, ein kleiner Klugscheißer.“ Fugaku schmierte Marmelade auf sein Brot, während er hinzufügte: „Ist er immer noch.“

Wieder sah Sasuke die Familie lachen und er verstand, dass es nichts Schlimmes war, was die Uchihas taten. Sie lachten über Vergangenes und momentan waren es eben Itachis mehr oder weniger peinliche Kindergeschichten.

„Jetzt ist aber mal gut“, lachte Itachi „Können wir mal jemand anderen mobben?“ Fugaku grinste, biss genüsslich von seinem Brot ab. Er war zufrieden heute Morgen und äußerst gut gelaunt. Das brachte ihn dazu, zu Scherzen aufgelegt zu sein. Er wusste, dass war eine Seite, die Mikoto an ihm am meisten liebte und er wusste auch, dass Itachi es genoss, wenn er so war.
 

„Wusstest du schon, dass es absolut ausgeschlossen ist, dass Sasuke jemals im Leben als Torwart Karriere macht?“ Fugakus Stimme war feixend, während Sasukes Wangen sich rot färbten. Er schämte sich für diese Geschichte. Fugaku hatte ihn am Donnerstag von der Schule abgeholt, weil er eh früher Schluss machte in der Kanzlei und dort vorbei kam. Er hatte noch eine Weile am Parkplatz warten müssen, der neben dem Sportplatz der Schule lag. Sie hatten Fußball gespielt und Sasuke war dazu verdonnert gewesen, den Torwart zu mimen. Er war unsportlich. Er konnte nicht werfen oder schießen und schon gar keine Bälle fangen. Zwei waren schon ins Tor gegangen. Es wären mehrere gewesen, aber seine Mannschaft deckte ihn gut. Dennoch konnte niemand den Ball aufhalten, der eine halbe Minute vor Spielende und vor Augen aller Mitschüler und am allerschlimmsten vor Augen Fugakus genau in seinem Gesicht landete. Sasuke hatte nicht geschrieen. Nicht mal vor Schreck. Aber er war geschockt gewesen und hatte nichts mehr tun können, als die Hand an seine brennende Wange zu legen. Die andere zitterte unkontrolliert und sein Gesicht schmerzte. Der Ball war hart gewesen, aber er hatte nicht in seinem Gesicht landen sollen.

„Wie kommst du jetzt bitte da rauf?“ Itachi zog die Augenbraue hoch, ehe sein Vater anfing in Kurzform zu erzählen, was passiert war. Itachis Gesicht verdüsterte sich vor Sorge, als sein Vater endete und er wandte sich an den Jungen.

„Alles okay?“, fragte er und dann: „Warum hast du mir das am Telefon nicht erzählt?“

Sasuke schwieg. Er war unsicher. Er hatte sich wirklich peinlich verhalten. Der Lehrer hatte sein Gesicht betastet und Gaara hatte ihn besorgt in die Umkleide gebracht. Sasuke hatte sich nicht umgezogen, er hatte nur seinen Rucksack gepackt und war zum Auto des Uchihas gegangen. Er konnte noch nie gut rational mit Schmerzen umgehen und sein gesamtes Gesicht hatte höllisch geschmerzt.
 

Sasuke schaute Itachi eine Weile an, sagte aber nichts, weil er nichts zu sagen wusste. Er hatte keine Ahnung, warum er es Itachi nicht erzählt hatte.

„Das ist nicht witzig, Vater“, brummte Itachi.

„Ich weiß“, meinte der und spürte die Hand seiner Frau auf seinem Oberschenkel. Er hatte nicht falsch gehandelt, als Sasuke sich schweigend zu ihm ins Auto gesetzt hatte. Fugaku hatte zuvor nicht gewusst, ob er aussteigen und zum Sportplatz gehen sollte. Er hatte gesehen was passiert war. Dennoch wollte er Sasuke nicht blamieren. Deswegen war er sitzen geblieben. Aber im Auto konnte der Junge seine Gefühle nicht mehr kontrollieren und er begann zu zittern. Er hatte Fugaku Leid getan, aber der Mann hat keinen Ausweg aus dieser Situation gefunden. Er war nie gut darin gewesen, Kinder zu trösten. Das war immer Mikotos Ding gewesen und er hatte den Jungen eilig heimgefahren.

Mikoto und Sasuke hatte er allein gelassen. Er wusste es nicht genau, aber vielleicht hatte Sauske in ihrer Gegenwart ein wenig geweint. Das war schon okay so. Wenn Itachi als Kind weinte, dann selten vor ihm. Aber Fugaku glaubte, er hätte öfters mal bei seiner Mutter das ein oder andere Tränchen vergossen. Und das war okay. Das war es wirklich.
 

„Es ist nicht witzig“, stimmte Mikoto zu. Sie lächelte nachsichtig. „Aber dein Vater war geschockt. Er hat sich große Sorgen gemacht. Weißt du…” Ihr Lächeln gewann an Versonnenheit. Sie sprach nicht weiter, aber sie erinnerte sich an den Tag, an dem ihre Wehen einsetzten. Fugaku hatte gelacht, weil er nichts anderes zu tun gewusst hatte. Er war jung gewesen und ein Stück weit hilflos. Hilflos war er auch in der Situation gewesen, denn er war selbst zu unsicher, Sasuke zu trösten, obwohl Mikoto in der Woche gemerkt hatte, wie sehr ihr Mann den Jungen mochte und wie sehr er sich wünschte, er wäre sein zweiter Sohn. Das tat sie auch. Auch sie wünschte, Sasuke wäre das Kind, das sie damals verloren hatte. Aber sie wusste auch, dass nicht Fleisch und Blut Menschen zu einer Familie machten. Liebe war das, war Knoten knüpfte und Menschen aneinander fesselte. Sie begann Sasuke zu lieben. Mikoto wusste das. Sie fühlte es mit jeder Phase ihres Körpers. Sie wusste, wenn Itachi den Jungen irgendwann nicht mehr haben wollte, würde er nicht aus ihrer Familie verschwinden. Instinktiv vom ersten Moment an, als sie wusste, dass Itachi existieren würde, hatte sie ihn geliebt. Sie hatte ihn von einem Moment in den anderen von allen Dingen dieser Erde am meisten geliebt und sie tat es heute noch. Ihre Liebe für ihren Jungen war so unglaublich riesig und endlos. Für sie konnte es keine Welt geben, in der Itachi nicht existierte. Es würde sie umbringen, ihren Sohn zu überleben. Und es tat höllisch weh, nur daran zu denken, dass auch Itachi hätte eine Fehlgeburt sein können, so wie ihr zweites Baby. Ihre Welt und die ihre Vorstellungen eines Lebens konnten nicht ohne Itachi existieren.
 

Mikoto blickte eine Weile lang ihren Sohn an und sie war kurz davor zu Lachen vor Glück das es ihn gab. Ihre Liebe war so überflutend. Aber dann blickte sie zu Sasuke und sie weinte beinahe. Sasuke löste dieses endlos traurige Gefühl, eine Art Bedauern, in ihr aus, wann immer sie ihn ansah. Vom ersten Moment an hatte sie gespürt, dass dieses Kind jemanden brauchte, der es liebte. Sein Vater, hatte sie später erfahren, war tot und obwohl er ihn so sehr geliebt hatte, reichte es nicht für ein ganzes Leben lang. Seine Mutter, hatte sie erfahren, hatte ihm die Liebe entzogen, ohne dass er irgendwas getan hätte, was dies entschuldigen könnte. Nichts entschuldigte es, wenn eine Mutter ihr Kind nicht genug liebte um es vor allem Böse in dieser Welt beschützen zu wollen. Itachi war da und Itachi heilte diesen Jungen und er kämpfte für ihn, aber er liebte ihn nicht so, dass es die Liebe war, die dieses Kind brauchte. Mikoto konnte nichts dagegen tun. Sie glaubte es war der gleiche Instinkt, der sie Itachi vom ersten Moment an lieben ließ, der auch dafür sorgte, dass die merkte, dass Sasuke ihre Liebe brauchte, ohne dass er es selbst wusste. Also begann sie ihn zu lieben, ohne dass sie sich dazu zwingen musste. Es kam von selbst. Es war absolut rein und unverfälscht. Sie bezeichnete Sasuke nicht als ihren Sohn, noch nicht mal in Gedanken tat sie das. Ihr Sohn war Itachi und dieses Recht würde für immer das Seinige bleiben. Aber niemand hatte ihre Liebe je so sehr gebraucht wie Sasuke und deswegen, weil sie diesen Instinkt besaß, den viele Mütter auf dieser Erde besaßen, liebte sie Sasuke und er war zu einem der Ihren geworden, indem er sie brauchte.
 

Mikoto wischte ihre Tränen beiseite, ohne dass einer der Männer das sah. Und dann lächelte sie. Ihre Hand lag auf Fugakus Oberschenkel und ihre Augen lagen auf Itachi und auf Sasuke. Sie liebte diese Menschen so sehr. So unendlich sehr. Sie liebte jeden von ihnen anderes. Aber sie liebte sie und das war es, was in dieser Welt zählte.

„Ich liebe euch“, sagte sie unvermittelt. Sie sah, dass ihr Mann verwundert blickte, obwohl er wusste, dass sie ihn liebte. Aber sie hatte es noch nie, einfach so beim Frühstück gesagt. Sie hatte es noch nie gesagt und gleichzeitig ihn und seinen Sohn und einen fremden Jungen damit gemeint.

Itachi lächelte. Er wusste seitdem er lebte, dass seine Mutter seinen Vater liebte, denn durch diese Liebe existierte er und er wusste gleichzeitig ohne Zweifel dass er so sehr von ihr geliebt wurde. Doch weshalb er wirklich lächelte, war weil er fühlte, dass seine Mutter auch Sasuke liebte, der sie am meisten von ihnen brauchte.

Er blickte seine Mutter an, dessen Hand unter dem Tisch von Fugaku gedrückt wurde und die das Lächeln ihres Sohnes gesehen hatte. Er sah, wie ihr Blick einzig auf Sasuke liegen blieb, der traurig zu Boden schaute. Itachi legte eine Hand auf seine Schulter und bedeutete ihm aufzusehen. Es tat ihm so Leid, dass Sasuke glaubte, Mikoto hätte nur ihren Mann und ihren Sohn gemeint.
 

„Sasuke“, sagte Mikoto und der Junge blickte hoch. Bis eben noch hatte er sich fehl am Platz in solch einer intimen Familiensituation gefühlt. Denn intim war es seiner Meinung nach geworden, als Mikoto mit aller Ehrlichkeit ihrer Seele gesagt hatte wie sehr sie ihre Familie liebte. Realisiert hatte er dabei nicht, dass er Teil ihrer Familie war. Teil dieser reinen Intimität. Doch nun spürte Sasuke es. Er spürte die Liebe und er verstand, dass es genau das war, an das er eben im Bett gedacht hatte. Es war Mikotos Liebe, die sie für ihn fühlte, obwohl er sich nicht für besonders liebenswert hielt, die das heilte, was Itachi nicht zu heilen vermochte, weil er ihm keine Mutterliebe geben konnte. Mutterliebe, stellte Sasuke fest, musste einem nicht die eigene Mutter geben, aber es musste jemand sein, der tief in seinem Inneren wusste, was Mutterliebe war. Und auch wenn Itachi sicherlich damit überhäuft wurden war, wusste er nicht ganz genau, was es war. Aber Mikoto war eine Mutter. Sie war die Sorte Mutter, von der es Hunderte, Tausender, Zehntausende mehr geben sollte und die Welt war in Ordnung.

Sasuke wischte sich fahrig über die Augen. Es waren nur kleine Tränen gewesen. Er weinte nicht mal, denn es war kaum mehr Schmerz da. Momentan war da kein Platz für Schmerz. Endlich, Sasuke hatte realisiert, dass er eine Familie hatte.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 17: looseness

Hallo,

Es ist mir gelungen: Ich habe noch ein neues Kapitel von Catch im Jahr 2011 online gestellt. Damit hätte ich nie gerechnet, aber ich hatte mal wieder tatkräftige Hilfe und die Ferien haben ihren Teil dazu beigetragen. Ich will jetzt auch nicht lange labern. Morgen bzw. Heute ist Silvester und ich freue mich riesig auf das neue Jahr, auch wenn ich immer traurig bin, wenn ein altes vorbei geht. Irgendwie hat man sich schließlich grad erst daran gewöhnt und dann ist es schon weg ;)

Jedenfalls wünsche ich euch einen schönen Abend, einen guten Rutsch und ein hoffentlich für uns alle großartiges Jahr 2012!

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 


 


 


 


 

Kapitel 17: looseness

I know in my heart that man is good.

That what is right will always eventually triumph.

And there's purpose and worth to each and every life.

-Ronald Reagan
 

O’Donoghues Pub war der einzige in der Gegend der noch eine Tür und Fensterrahmen im typischstem Iren-Grün besaß. Die Fassade war beige gestrichen, damit sie sich nicht mit den bunten Blumen in den Töpfen auf den Fensterbänken stach. Das war wichtig, fand die Kneipenwirtin, der der Pub gehörte. Als ihr Mann noch lebte und sie sich um die Kinder statt um den Laden kümmerte, verdarben die Blumen in den Töpfen des Öfteren und die Fassade war damals noch schmutzig rot gewesen.

Eine Weile lang hatte sie es so beibehalten, aber viele alteingesessene Stammgäste verstarben, so wie ihr Mann verstorben war und die jungen Leute wollten nicht mehr in schmuddelige Bars. Mit der Hilfe ihre Tochter hatte sie den Laden aufgehübscht und nun erfreute sich die korpulente Kneipenwirtin über jeden jungen, neuen Gast, der ihren Pub betrat. So wie die Gruppe Männer am Fenster. Alle vier waren sie nicht alt, aber besonders der Junge mit den pechschwarzen Haaren fiel ihr auf. Alleine, ohne einen Erwachsenen, hätte sie ihn hier nicht rein gelassen.

Sie grinste Kopfschüttelnd, griff nach einem runden Tablett, stellte vier Gläser Guinness drauf und machte sich auf den Weg zu der Truppe junger Männer. Dort stellte sie die Pints nacheinander auf den ebenfalls runden Holztisch, ehe sie mit einem verschmilztem Lächeln, dass sie sich als junge Frau zu eigen gemacht und bis ins Alter behalten hatte, „Guten Durst, die Herren“, wünschte.

„Danke.“ Itachi grinste ebenfalls, weil seine Laune gut war. Er war seit genau zwei Woche wieder daheim und auch wenn es Sasuke erneut mehrere Nächte in sein Bett verschlagen hatte, waren die Tage gut gewesen. Nur weil Sasuke es nicht schaffte, jede Nacht alleine in seinem Zimmer Ruhe zu finden, hieß das nicht dass er kaputt war oder zu sehr beschädigt, als dass er nicht zu heilen sei. Es war nun mal so, dass es leicht war, die Dinge am Tage ein Stück weit nüchtern und unsentimental zu sehen. Bei Nacht war das aber eine ganz andere Sache. Mit den Träumen die kamen und den Gedanken, die es noch viel öfter taten, war es schwer, alleine zurecht zu kommen und die Körperwärme eines anderen Menschen, von dem man sich Schutz erhoffte, konnte Wunder wirken.
 

Dennoch wünschte Itachi sich ein wenig mehr Lockerheit im Leben des Jüngeren. Sasuke war ein sehr ernster Mensch. Aus vollem Halse lachen hatte Itachi ihn noch nie gehört und auch verhaltenes Lachen war selten. Itachi freute sich über jedes Grinsen und jedes Lächeln, dass Sasukes Lippen vollbrachten. Während Sasuke immer lockerer darin wurde, die dusche zu benutzten, sich etwas zum essen oder zum trinken aus den Schränken zu nehmen oder den Fernseher anzumachen, wurde er auch lockerer in der Art und Weise, in der er mit Itachi sprach, aber es reichte noch längst nicht an etwas heran, dass man selbstverständlich nennen würde. Sasuke war immer noch viel unsicherer als jeder andere Mensch, den Itachi kante. Er schaute immer noch manchmal fragend, wenn er etwas aus den Schränken nahm, obwohl er schnell selbst merkte, dass es unnütz war. Und entschuldigend schaute er auch, wenn er glaubte zu lange im Bad gebraucht oder am Wochenende zu lange geschlafen zu haben.

Aber gleichzeitig glaubte Itachi auch, dass er an alldem eine Mitschuld trug.

Darum, um Sasuke zu zeigen, dass er selbst nicht immer nur der ernste und ruhige Typ war, sondern die Dinge auch mal locker sah; Um ihm zu zeigen, dass auch er nur ein Jugendlicher war, der nicht immer so streng mit sich selbst sein sollte, schob er Sasuke, obwohl er noch keine sechzehn war, eines von den Bieren rüber.
 

Sasuke schaute auf das dunkelbraune Bier mit dem Schaumrand. Er hatte sich schon gewundert, als Itachi ein Viertes bestellte, aber er hatte auf keinen Fall geglaubt, dass es für ihn war, auch wenn es ihn genauso wunderte, dass Itachi ihn nicht wie sonst gefragt hatte, was er wollte. Doch Sasuke hatte sich dabei auch nichts weiter gedacht, hatte es einfach so angenommen. Doch nun wunderte er sich umso mehr, warum Itachi ihm ein Bier zuschob. Er war noch keine sechzehn und er hatte doch auch nie so gewirkt, als wolle er auch Bier trinken, wenn Itachi ihn irgendwohin mitnahm wo es Bier gab, oder?

Sasuke beobachtete, wie die anderen drei Männer an ihren Gläsern tranken. Er hatte kein Problem damit, wenn Itachi sich ein Glas Alkohol genehmigte. Er vertraute darauf, dass Itachi sich nicht betrank, wenn er dabei war, weil Itachi wusste, wie sehr Sasuke schon unter betrunkenen Menschen hatte leiden müssen. Aber dann verstand Sasuke nicht, warum Itachi ihm ein Glas Guinness bestellte.
 

Der Jugendliche blickte auf das Bier, das er eigentlich nicht trinken wollte. Doch auch wenn keiner der drei Männer ihn abwartend anschaute spürte er sich in der Pflicht einen Schluck zu nehmen. Itachi hatte es, aus welchem Grund auch immer, für ihn bestellt und Sasuke hatte sich als er entschied bei Itachi leben zu wollen selbst versprochen dem Älteren zu vertrauen. Vielleicht war das Itachis Anliegen. Das er testen wollte, ob Sasuke ihm wirklich vertraute.

Sasuke versuchte die Bilder zu verdrängen, an die er augenblicklich dachte, als er sich an den Gedanken gewöhnte, zum ersten Mal in seinem Leben freiwillig Alkohol zu trinken. Bilder von seiner Mutter mit diesem leeren Blick, wenn sie zu viel trank. Wenn der Alkohol dafür sorgte, dass sie ihn vergaß. Bilder von Kabuto, wie er trank und wie der Alkohol sein Kinn hinab lief, weil er zu gierig war. Er sah Kabuto, wie er sich betrunken über ihn hermachte und er sah Kabuto wie er ihm Alkohol einflösste, indem er sein Kinn festhielt. Einfach nur weil es diesem Mann Spaß gemacht hatte.

Der Junge griff mit zitternder Hand nach dem Glas. Er wollte Itachi nicht in Verlegenheit bringen, das Glas voll stehen zu lassen. Und er wollte Itachi zeigen, dass er ihm vertraute, auch wenn er ziemliche Angst davor hatte, das erste Mal freiwillig Bier zu trinken.

Sasuke kaute auf seiner Lippe herum, während er das Glas hielt. Er war unsicher. Doch er wollte nicht, dass Itachi sein Zögern bemerkte, weswegen er das Glas zum Mund führte.
 

Es war bitter und es schmeckte anders, als die Dinge, die Sasuke zuvor getrunken hatte. Aber wenn er seine Unsicherheit und die Abneigung und Angst gegenüber betrunkenen Menschen vergaß, war der Geschmack ganz okay. Er selbst würde kein Zweites bestellen, aber er wusste, dass es ihn nicht umbringen würde, dass Glas zu leeren. Es würde ihn nicht mal zum kotzen bringen. Es war okay.

„Schmeckt’s?“, hörte er Itachi locker fragen. Und obwohl er sich immer noch wunderte, warum Itachi ihm einfach so ein Glas Bier bestellte, zuckte er nach einer Weile mit den Schultern und antwortete ehrlich: „Geht so.“

Sasuke bemerkte, wie Itachi sein Gespräch mit Kakashi und Iruka wieder aufnahm. Er war zwischenzeitlich versucht auch etwas zu sagen, aber er traute sich einfach nicht. Er wusste nicht ob es überhaupt sinnvoll wäre, was er zu sagen hatte. Er hatte Angst, dass Gespräch mit seinem Einwand zu einem Punkt zu bringen, an dem die drei Männer es nicht haben wollten. Deswegen hielt er den Mund. So konnte er nichts Falsches oder Unnützes sagen. Nach einer Weile trank er noch einen kleinen Schluck des Bieres, bevor er es zurück auf den runden Tisch stellte und stumm darauf sah. Sasuke fragte sich noch immer, warum Itachi gerade ihm ein Bier bestellt hatte und nicht irgendwas anderes. Konnte es wirklich nur ein Vertrauenstest sein oder lag etwas anderes dahinter? Klar, Sasuke war sich bewusst, dass Itachi ihm nie etwas Böses wollte und das eine Bier richtete keinen Schaden bei ihm an, aber verwundert war er trotzdem. Auch darüber, dass Kakashi und Iruka nicht einmal aufgrund seines Alters zweifelnd geschaut hatten.
 

Sasuke unterdrückte ein Seufzen. Ihm blieb wohl oder übel nichts anders übrig, als Itachi selbst zu fragen, wenn er es wirklich wissen wollte. Itachi hatte ihm des Öfteren gesagt, er könne Fragen stellen, wann immer er wollte. Einen Moment lang schloss er die Augen, konzentrierte sich aufs Atmen um seine von seinem Entschluss leicht zitternden Hände zu beruhigen. Er hörte aufmerksam zu, wann die drei das Gespräch unterbrachen, da er sie keinesfalls unterbrechen wollte mit seiner Frage, die er sich soeben im Kopf zusammenlegte um sie zu stellen, als die drei Männer kurz hintereinander selbst einen Schluck nahmen und eine Weile schwiegen.

Sasuke zeigte auf sein Bierglas und noch ehe er die Frage stellen konnte, die er sich zusammengelegt hatte, verließ nur ein einziges Wort seinen Mund: „Warum?“

Jetzt zuckte Itachi mit den Schultern, aber er antwortete nicht minder ehrlich als Sasuke zuvor.

„Keine Ahnung.“ Er grinste Sasuke an. Vermittelte mehr Lockerheit, als er glaubte zu tun.
 

Dennoch schwiegen sie eine Weile. Iruka trank noch einen Schluck. Sein Glas war fast leer. Keine von ihnen erwartete, dass Sasuke seines leerte. Itachi hatte sie beide vorher darum gebeten, nicht verwundert zu schauen oder irgendwas zu sagen, wenn er für Sasuke ein Bier bestellte. Iruka glaubte ihm, dass er nicht genau wusste, warum er es überhaupt tat, aber das war schon okay so. Es war nichts Schlimmes dabei und vielleicht wollte Itachi einfach nur der erste sein, mit dem Sasuke ein Bier trinken ging.

„Es steckt nichts Schlimmes dahinter, okay?“ Kakashi formulierte seinen Satz so, dass Sasuke ihn als das verstand, was er sein sollte. Der Ältere wollte sich vergewissern, dass Sasuke wusste, dass Itachi ihm nichts Böses wollte, auch wenn der Uchiha ihm vielleicht momentan keine zufrieden stellende Antwort auf seine Frage geben konnte.

„Okay“, sagte Sasuke. Er verstand, was Kakashi mit der Frage bezwecken wollte. Und er wusste schließlich, dass Itachi keine schlimmen Absichten hatte. Deswegen war es sogar okay, wenn er nicht genau wusste, warum Itachi gerade ihm gerade heute ein Bier geordert hatte. Es war einfach so, das nahm Sasuke hin. Es musste nicht für alle Dinge einen tieferen Grund geben. Vielleicht hatte Itachi Sasuke auch das zeigen wollen. Das wusste selbst der Uchiha nicht ganz. Aber wenn seine Handlung diese Lehre bei Sasuke zog, dann war das schon ganz gut so. Auch das hatte schließlich was mit dem zu tun, was hinter dieser Aktion stand. Lockerheit.
 

~~
 

Sie waren nicht mehr lange im Pub geblieben. Bald schon hatten die drei Männer sich ein zweites Bier bestellt und es ausgetrunken, während Sasuke hin und wieder an seinem ersten nippte. Er hatte das Glas nicht ausgetrunken. Irgendwann wurde es ihm zu bitter und er lies den Rest stehen. Gleichzeitig machte das Bier ihn noch durstiger, aber er wollte nicht um etwas anderes zu Trinken bitten, also blieb er still und wartete, bis sie zu Kakashi und Iruka nach Hause fuhren. Sasuke war froh drum. Denn desto dunkler es draußen wurde, füllte sich der Pub. Die Live-Band die aufgetreten war, hatte zwar gute Musik gemacht, aber Sasuke mochte zu volle Räume nicht. Vor allem dann nicht, wenn dort so viele fremde Männer waren, die Alkohol konsumierten.
 

Zuhause bei Kakashi und Iruka, bot der Jüngere ihm gleich etwas anderes zutrinken an, dass er gerne annahm. Er war versucht das Glas Wasser, das er bekam, mit einem Zug zu leeren, doch er hielt sich zurück. Dennoch war sein Glas zu einem guten Drittel geleert, ehe die anderen drei auch gefüllte Gläser und Tassen vor sich stehen hatten.

Sasuke nippte noch einmal an seinem Wasser, stellte das Glas dann beiseite und schaute zu den Katzen. Er war länger nicht bei den Beiden gewesen, sah zum ersten Mal heute die Babykätzchen. Er wusste von Kakashi und Iruka, die sie in den letzten Wochen ein paar Mal besucht hatten, dass es vier gewesen waren, von denen noch zwei heute mit ihren Eltern im Körbchen lagen. Die anderen beiden, hatte Iruka heute im Pub erzählt, wurden gestern und vorgestern von ihren neuen Familien abgeholt wurden. Eine würden sie behalten und was sie mit der anderen taten, wussten sie noch nicht, meinte der Umino.
 

Noch ehe Sasuke sein Glas ganz losgelassen hatte, spürte er schon die Katze um seine Beine rumstreifen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sasuke lies sie eine Weile lang machen, ehe sie maunzte und einfach auf seinen Schoß sprang, wo sie sich, um nicht runterzurutschen in den Stoff seiner Jeans krallte, bis er sie festhielt und streichelte.

Itachi mochte das Bild, das sich ihm bot. Sasuke, der lächelte, während er die Katze auf seinem Schoß koste war ein so friedlicher Anblick. Er wünschte Sasuke würde innerlich immer so voller Frieden sein können wie in diesem Moment. Aber deswegen hatte er ja entschieden, dass ihnen ein Haustier gut tun würde. Er hoffte, dass die Idee auch Sasuke gefiel. Aber so wie er ihn da sitzen sah, hatte er keinen Zweifel. Sasuke war mit dem Tierchen auf seinem Schoß viel unbefangener, als er noch in Irukas und Kakashis Gegenwart gewesen war, als es die Tiere hier noch nicht gegeben hatte.

Itachi fuhr sich durch die Haare, nahm die Kaffeetasse in die Hand und trank einen Schluck. Er hatte nicht vor noch lange zu bleiben, weil es spät war und er noch die Dinge für das neue Kätzchen aus dem Keller holen musste, die er heimlich besorgt hatte. Er wollte, dass es bis zum letzten Moment eine Überraschung für Sasuke blieb. Deswegen konnte er auch nicht sofort sagen, dass sie wieder fuhren, auch wenn er schon auf heißen Kohlen saß. Er wollte endlich sehen, ob es Sasuke wirklich gefiel, dass er ein Kätzchen bekam. Einfach so.
 

Itachi schüttelte den Kopf. Eigentlich war er alles andere als ein ungeduldiger Mensch, aber er wollte nun wissen, ob er Sasuke so ein Stückchen glücklicher machen konnte. Hatte das nicht auch etwas mit der Lockerheit zu tun, die er Sasuke vermitteln wollte, wenn er einfach mal das tat, was er gerade tun wollte, auch wenn es merkwürdig aussah und merkwürdig wirkte?
 

Itachi stand ruckartig auf, wobei die Katze auf Sasukes Schoß erschrocken wieder auf den Boden sprang. Der Junge sah den Uchiha zu dem Katzenkörbchen gehen und vorsichtig nach einem der beiden kleinen Kätzchen greifen, für dass er Kakashi und Iruka das Geld gegeben hatte, das auch die andere beiden Familien bezahlt hatten, die ein Katzenkind zu sich nahmen. Sasuke beobachtete wie der Ältere das Kätzchen unbeholfen am Bauch gegen seine eigene Brust gedrückt hielt, ohne es selbst besonders anzuschauen. Er fragte sich was das sollte. Und er hoffte, dass Iruka oder Kakashi was dazu sagten, denn irgendwie tat ihm das kleine Tierchen Leid. Itachi meinte es nicht böse, dass wusste Sasuke, aber er kannte es selber nur zu gut, wie es sich anfühlte, wenn Menschen einen zu grob oder unbeholfen anrührten. Seine Mutter hatte es schon getan, als sein Vater noch lebte und da hatte sie es auch nie böse gemeint und immer nur ihr Bestes versucht.
 

Sasuke wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Itachi: „Dann gehen wir jetzt mal“, sagen hörte Sasuke wartete darauf, dass Itachi das Kätzchen wieder absetzte, während er sich fragte, was die Aktion sollte. Als der Uchiha keine Anstalten dazu machte, sondern mit einem lockeren: „Bis dann“ in Richtung Kakashi und Iruka, aus dem Raum in den Flur der Wohnung ging, schaute Sasuke verwundert zu den beiden, während er auch aufstand. Doch Iruka grinste, während Kakashi lachte und mit einer Geste in den Flur zeigte.

„Geh schon“, sagte der Ältere, woraufhin Sasuke nickte, sich auch verabschiedete und Itachi in den Hausflur folgte. Schweigend folgte er dem Uchiha, bis sie an dessen Auto angekommen waren.
 

Sasuke beobachtete Itachi dabei, wie er statt zur Fahrertür des Wagens zu gehen, den Kofferraum öffnete. Seine Hand hielt dabei immer noch die kleine Katze fest im Griff, sodass sie nicht runter fiel. Sasuke wusste dass Itachi das Tier niemals einfach in den Kofferraum werfen würde, dennoch war dessen Verhalten momentan verwirrend genug, weswegen der Junge ebenfalls in Richtung des Uchihas ging und in den Kofferraum spähte. Was er dort sah, verwirrte ihn noch mehr. Warum hatte Itachi eine Transport Box für Tiere im Auto, wenn die Katze doch Kakashi und Iruka gehörte und warum überhaupt nahm Itachi das Tier mit runter? Sasuke verstand gar nichts mehr.

Noch bevor Itachi die Box herausnehmen konnte, forderte Sasuke mit einem leichten Stoß gegen den Arm des Älteren dessen Aufmerksamkeit. Er versuchte die richtigen Worte zu finden. Doch weil ihm das unter den Blicken des Uchihas nicht gelang, fragte er geradeheraus: „Was soll das?“

Itachi antwortete ihm nicht. Stattdessen drückte er ihm die Transport Box in die Hände.

„Halt mal“, sagte er, ehe er die Klappe der Box öffnete um die Katze vorsichtig auf die weiche Decke, die darin lag, abzusetzen. Er schloss die Klappe wieder, nahm die Box an sich, ging ums Auto rum und bedeutete Sasuke einzusteigen. Als der Junge auf dem Beifahrersitz saß und angeschnallt war, reichte Itachi ihm wieder die Transport Box mit dem Kätzchen und sagte locker: „Gut festhalten“, ehe er vorne rum ging und selbst einstieg.
 

Der Junge hatte keine Ahnung, wie er Itachi noch fragen konnte, was das sollte. Klar, Sasuke war nicht dumm. Er konnte sich denken, dass sie die kleine Katze mit nach Hause nahmen, aber Sasuke sah keinen Sinn darin. Itachi war in seinen Augen nicht der Typ, der sich einfach mal so ein Haustier anschaffte. Er hatte ja nicht mal Fische! Und sehr talentiert im Umgang mit Tieren schien er auch nicht zu sein. Itachi hatte nie davon gesprochen, dass er gerne ein Haustier hätte und er hatte auch nie irgendwas von Tieren erzählt, die er in seiner Kindheit gehabt hatte, wenn es da überhaupt welche gab. Sasuke wollte nicht sagen, dass es schlecht war, wenn diese kleine Katze bei ihnen wohnen würde. Er würde sich darüber sogar sehr freuen, aber er verstand den Sinn hinter der Aktion nicht. Sasuke wusste einfach nicht, was Itachi mit dem Tier wollte.

Aber er würde nichts mehr sagen. Itachi hatte ihm klar gemacht, dass er momentan keine Fragen beantworten wollte. Deswegen hielt Sasuke die Transport Box fest auf seinem Schoß und achtete darauf, dass es durch die Fahrt nicht zu sehr wackelte. Er wollte nicht, dass das kleine Kätzchen sich verletzte oder verängstigt war.
 

Sasuke linste durch das Klappgitter auf das kleine Kätzchen, dass ganz verschreckt in der Ecke der Box lag. Sasuke sah das kleine Tierchen zittern, was ihm Leid tat. Er hielt die Transport Box noch fester, sodass sie kaum mehr wackelte, die Ränder aber in seine Finger schnitten. Dennoch bemerkte Sasuke erst, dass sie in der Einfahrt des Mietshauses angekommen waren, als Itachi die Tür von außen öffnete und nach der Transport Box griff, damit Sasuke aussteigen konnte. Der Junge folgte dem Uchiha nach oben, wo er die Box auf dem Teppich im Wohnzimmer abstellte.

Sasuke zog seine Jacke aus und legte sie über die Sofalehne. Seine Schuhe streifte er von den Füßen und ließ sie auf dem Laminat stehen, was er sonst nie tat – seine Sachen irgendwo rum liegen lassen. Aber er konnte es später wegräumen. Erst einmal kniete er sich nun auf dem Teppich hinunter und blickte auf das immer noch verängstigte Kätzchen. Es war furchtbar, dass das Kleine eingesperrt war. Er kannte es schließlich selbst wie es sich anfühlte weggesperrt zu sein und Sasuke hatte bei so was nie einen Unterschied zwischen Mensch und Tier gemacht.

Sich einen Moment lang selbst in dem Tierchen sehen, war sein erster Gedanke, es sofort raus zulassen. Sasuke hatte schon die Hand erhoben, um die Klappe zu öffnen, doch er erinnerte sich daran, dass es Itachis Wohnzimmer war. Er bezeichnete es in Gedanken immer noch so, obwohl er sich Zuhause fühlte.
 

Dennoch konnte er die Katze nicht auf eigener Faust einfach raus lassen. Er glaubte, die Erlaubnis des Älteren zu brauchen. Sasuke sah zum ihm auf. Itachi stand noch immer mit Schuhen und Jacke neben der Box. Sein Blick war an die Wand gegenüber gerichtet und er fuhr sich durch die Haare. Sasuke konnte sich irren, aber er fand Itachi wirkte nervös. Warum?

Sasuke wurde unsicher durch Itachis merkwürdiges Verhalten. Ja, es war merkwürdig, dass der Ältere nervös war und nicht richtig mit ihm sprach. Itachi hatte sonst immer versucht aus jeder Situation das Beste für Sasuke zu machen. Jetzt aber war es nicht an dem. Sasuke wünschte sich, Itachi würde einfach offen heraus sagen, was Sache war. Aber er konnte das selbst nicht ausdrücken. Gleichsam konnte er einfach nicht darum bitten, die Klappe öffnen zu dürfen. So sehr er das Kätzchen auch raus lassen wollte, musste er einsehen, dass es nicht der richtige Moment war, um danach zu fragen.

„Stimmt etwas nicht?“, wollte er stattdessen leise wissen, während er in seiner knienden Haltung auf dem Teppich blieb.
 

Das Gewicht von einem auf das andere Bein verlagernd und den Blick nun doch Sasuke zuwendend wurde Itachis Blick sanfter. Er war nicht mehr so nervös, wirkte ruhiger, aber als er sich, immer noch mit geschlossener Jacke, zu Sasuke runterbeugte, schlich sich ein verunsichertes Lächeln auf seine Lippen. Itachi sah, dass Sasuke das Kätzchen jetzt schon mochte. Aber er wusste, dass er selbst sich im Umgang mit dem Tier sehr ungeschickt angestellt hatte. Die ganze Situation fühlte sich so ungeschickt an, ohne dass Itachi sich das erklären konnte. Er war es nicht gewohnt. Sonst war er immer der, der die Ruhe bewarte. Was war nur los?

Itachi legte eine Hand oben auf die Box.

„Doch. Alles in Ordnung“, sagte er und obwohl Sasuke sah, dass alles andere als in Ordnung war, überzeugte ihn das, denn Itachi sagte es in einer Stimmfarbe, die so sanft klang, dass Sasuke gar nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Er würde ihm – ohne dass er es selbst verstand oder es sich wirklichwirklichwirklich bewusst war – in diesem Moment alles glauben.
 

Itachi selbst glaubte sich weniger. Aber es war seine Entscheidung gewesen, dieses Tier für Sasuke haben zu wollen. Er war immer noch davon überzeugt, dass es dem Jungen gut tat. Aber selbst hatte er Angst sich falsch zu verhalten. Durch das Zusammensein mit Sasuke hatte er mehr denn je gelernt, jedes Leben zu schätzen. Und er hatte selbst gemerkt, dass er das Tier falsch gehalten und zu grob angefasst hatte. Es war seine Schuld, dass es nun so verängstigt dort hockte. Er war nicht blind und er war nicht kaltherzig. Er sah das. Und er fühlte, dass Sasuke Mitleid mit dem Tier hatte.

Itachi schüttelte über sich selbst den Kopf. Er machte sich das hier unnötig schwer. Nur weil er es nicht gewohnt war, ein Haustier in der Wohnung zu haben, benahm er sich so merkwürdig. Er zweifelte, ob er sich gut genug um das Tier kümmern konnte, ob er ihm mit dem nötigen Respekt entgegen kommen konnte, denn er hatte nie gelernt mit einem Tier zusammen zu leben, dass nicht im Aquarium saß. Und selbst Fische hatte sein Vater nur eine kurze Weile lang gehabt. Itachi fürchtete sich schlicht davor Sasukes Respekt zu verlieren, wenn er es nicht schaffte, gut zu einem hilflosen, kleinen Tierchen zu sein. Aber es war okay zu Zweifeln, entschloss Itachi. Doch dafür blieb noch genug Zeit, wenn sie das Tier da raus geholt hatten.
 

„Mach auf“, sagte Itachi deswegen mit einem Kopfnicken in Richtung Transport Box. Sasuke blickte Itachi eine kurze Weile lang verwundert an, ehe sich ein seichtes Lächeln auf seine Lippen schlich und er sich der Box zuwandte. Sasuke öffnete vorsichtig die Gittertür und rutschte ein Stück nach hinten. Itachi zog immer noch in der Hocke seine Jacke aus, während sie darauf warteten, dass das kleine Kätzchen aus der Box kam.

Sie warteten lange. Sasuke hatte sich bald auf seine Fersen zurückgehockt, während Itachi sich ebenfalls hatte auf den Boden gesetzt. Er band gerade seine Schuhe auf, als das Tier sich in Bewegung setzte und vorsichtig das kleine Köpfchen raus streckte. Es schaute sich unter den Blicken der beiden Männer verstohlen im Raum um, bis es sich traute die Pfoten auf den weichen Teppich zu setzten. Doch das gefiel ihm sofort, sodass es ganz aus der Box kam und eine Weile lang mit den Pfoten auf dem Teppich tänzelte, bis es sich weiter vor wagte.
 

Sasukes Augen glänzten, während er dem Katzenkind beim ersten Erkunden dieses Raumes zusah. Noch blieb das Kleine auf dem Teppich, aber es schaute sich um und es schnupperte unermüdlich. Auch Itachis Blick lag auf dem Tier. Plötzlich war er begeistert von der Idee, es hier zu behalten. Schon allein, weil er sah, wie sehr es Sasuke berührte.

Sie blieben auf dem Teppich sitzen, schauten der Katze zu, wie es um weiten Bogen um Itachi herum ging, um die ersten Schritte auf dem Laminatboden im Wohnzimmer zu tun und dann zu Sasukes Chucks zu tapsen, die er beschnupperte und anstupste. Als auch die Schuhe erforscht waren, ging sie weiter bis zur geschlossenen Balkontür, blicke raus und erschreckte sich aufgrund des Vogels der vorbei flog, sodass sie einen Satz zurück machte und mit dem Popo gegen das Sofa stieß, an dem sie sich, nach einer kurzen Ruhepause, schnüffelnd lang arbeitete. Als sie Sasukes von der Seitenlehne runterbaumelnde Jacke aufhielt, schnüffelte sie auch daran. Anscheinend war ihr die Jacke dann doch im Weg, weswegen sie die Krallen in den Stoff trieb und das Kleidungsstück nach unten zog. Zufälligerweise fiel es direkt auf das Tier und begrub es unter sich. Itachi schüttelte den Kopf, lehnte sich nach hinten und hob die Jacke hoch. Die Katze die darunter hervor kam schüttelte ebenfalls, nur viel wilder, das Köpfchen, bevor es sich wieder auf den sicheren Teppich zu bewegte. Dort blieb sie einen Moment stehen, entschied aber schnell nicht wieder in die Box zu gehen - die sowieso von Itachi geschlossen wurde, um genau das zu verhindern – sondern mal die neuen Menschen zu beschnüffeln. Deswegen tapste sie zu Sasuke, der mittlerweile im Schneidersitz auf dem Teppich saß. Sie schnüffelte eine Weile lang an ihm rum, ehe sie ungeschickt auf seinen Schoß krabbelte und es sich dort bequem machte.
 

Itachi würde alles tun, das Bild das sich ihm bot, für immer in seinem Kopf zu speichern. Er versuchte es, schaute es eine halbe Ewigkeit lang an und lächelte dabei sanft, ohne es selbst zu bemerken. Das Kätzchen war eingedöst und Sasukes Blick lag auf dem kleinen Tier in seinem Schoß. Itachi sah, dass er versucht war das Kleine zu streicheln, es aber ließ, um es nicht zu erschrecken. Und vielleicht, dachte Itachi traurig, um keine zu große Bindung aufzubauen. Sasuke wusste nicht, warum Itachi die Katze besorgt hatte. Es war an der Zeit es ihm zu sagen. Denn Itachi wollte, dass Sasuke eine Bindung zu dem Tier aufbaute, denn Bindungen war die Salbe die Sasukes Wunden brauchten.

„Er gehört dir“, sagte Itachi deswegen, woraufhin Sasukes Blick hoch ruckte. Völlig überrascht schaute er den Älteren an. Nicht mehr als ein ungläubiges: „Was?“, verließ seinen Mund, woraufhin Itachi seinen Satz, immer noch sanft lächeln, einmal wiederholte.

„Wieso?“, fragte Sasuke dann. Hätte dieser Moment nicht diesen traurigen Beigeschmack, den Itachi auf den Zunge hatte, müsste er grinsen. Itachi aber erkannte, warum Sasuke nach dem Wieso fragte. Es war keine unhöfliche Frage gewesen, auch wenn die Wortwahl vielleicht ungünstig war. Sasuke war es nicht gewohnt, dass man ihm etwas schenkte. Anvertraute. Ein Leben anvertraute. Und das tat Itachi soeben. Sasuke waren lange, lange Zeit nur Dinge gestohlen wurden, so dass er vergaß, wieso man ihm etwas so wertvolles schenken sollte.

„Weil du es wert bist“, flüsterte Itachi, weil er nichts Besseres zu sagen wusste. Aber es stimmte. Ohne Sasuke hätte er sich niemals ein Haustier zugelegt. Er hatte keins gebraucht, kein gewollt. Aber Sasuke, glaubte der Uchiha, brauchte eine solche Nähe, die diese Katze ihm bieten konnte. Itachi würde so viel für Sasuke tun. Ihm eine Katze anzuvertrauen war, so groß die Geste auch sein mochte, eines der kleinsten Dinge, die Itachi für Sasuke tun würde. Er konnte es nicht mit absoluter Sicherheit sagen, aber im Moment glaubte Itachi, alles für Sasuke tun zu können. Denn Sasuke war es wert.
 

~~
 

Itachi war nach einer Weile aufgestanden um sich und Sasuke etwas zu machen. Später würde er die Sachen aus dem Keller hoch holen, die er für das Katzenkind gekauft hatte. Ein Körbchen, Fressnapf, ein Kratzbaum, das Futter und ein Katzenklo.

Das Kätzchen hatte weiterhin Sasukes Schoß als Schlafplatz missbraucht, sodass der Junge nicht ohne schlechtes Gewissen aufstehen konnte. Selbst wenn seine Beine langsam taub wurden, blieb er sitzen. Auch wenn Itachi das nicht getan hätte, freute es ihn zu sehen, dass Sasuke nicht müde wurde das kleine Lebewesen in seinem Schoß zu bestaunen.

Itachi belegte Sandwichscheiben mit Käse, Salami, Paprikastückchen und Mais, doppelte sie und legte sie in einen Sandwichmaker. Die Dreiecke die am Ende dabei heraus kamen legte er auf einen großen Teller, nahm zwei Gläser und eine Flasche Saft. Mit all dem beladen ging er ins Wohnzimmer und stellte die Sachen auf dem Teppich ab. Es hätte nicht viel Sinn gemacht groß was zu kochen, wo Sasuke eh nicht bereit war aufzustehen, ehe ihr neuer Mitbewohner war wurde. Deswegen waren Sandwichs einfach die beste Lösung. Vorsichtig, um die Katze in seinem Schoß nicht zu wecken, griff Sasuke nach einem Brotdreieck und biss hinein. Itachi wusste, dass Sasuke seine Sandwichkombi mochte. Er hatte sie schon ein paar Mal gemacht, wenn es schnell gehen musste.
 

Itachi griff auch nach einem Dreieck, bis eine gute Ecke ab, kaute, schluckte und goss dann einhändig beide Gläser voll, ehe er sich an Sasuke wandte und sagte: „Meinst du nicht wir sollten ihm einen Namen geben?“

Sasuke nickte. Natürlich, dass Tierchen brauchte einen Namen. Bei einem Namen genannt zu werden, bedeutete in Sasukes Kopf, eine Menge. Lange Zeit hatte man ihn nicht bei seinem Namen genannt. Er war einfach nur der Bengel gewesen, das Dreckskind, das Balg. Deswegen waren Namen in seinen Augen wertvoll. Zu wertvoll, um einfach einen für das Tierchen vorzuschlagen. Vielleicht sollte das besser Itachi tun. Er hatte ja auch ‚wir’ gesagt, also war es bestimmt in Ordnung, vielleicht sogar besser so, wenn er nicht derjenige war, der einen Namen vorschlug.
 

Itachi hingegen gefiel es nicht, dass Sasuke so wartet dort saß. Itachi hätte sich gewünscht, Enthusiasmus in Sasukes Augen zu sehen. Es war vielleicht das erste Mal, dass Sasuke einem Lebewesen einen Namen schenken konnte. Ihn zu Jemanden machen konnte. Auch Itachi kannte den Wert von Namen. Er hatte ihn vielleicht durch Sasuke kennen gelernt. So wie er gelernt hatte, dass nichts auf dieser Welt selbstverständlich war.

„Es ist dein Kater“, sagte Itachi nach eine Weile, als Sasuke weiterhin stumm blieb und wartete, dass er die Aufgabe übernahm. Doch nun blickte Sasuke ihn wieder gezielt an, ehe sich sein Blick dem Tier auf seinem Schoß zuwandte. Er grübelte wirklich, ob er einen Namen kannte, der es wert war, vergeben zu werden. Er spürte Itachi Blick dabei und schaute weiterhin auf das namenlose Kätzchen in seinem Schoß, das langsam wach wurde. Es blinzelte, schaute ihn dann eine Weile lang von unten an, bevor es, auf Sasukes Oberschenkel rumtrampeln, aufstand und gemächlich von seinem Platz runterkletterte, um zu Itachi zu tapsen. Zuerst ein wenig scheu, dann interessierte stupste es gegen den dicken Zeh des Mannes, der in einem grauen Socken steckte.

„Cian“, murmelte Sasuke, während der kleine Kater weiterhin mit dem Fuß des Uchihas beschäftigt war.
 

Der Uchiha kannte die irische Sage, dem der Name zugrunde lag. Sie stand in vielen Büchern, die irischen Eltern ihren Kindern vorlasen. Zudem sah Itachi eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Namen von Sasukes Vater, was vielleicht unbewusst auch ein Auslöser für diese Namenswahl war und wenn nicht mochte Sasuke vielleicht einfach die Sage, in der es auch um einen Vater und seinen Sohn ging. Oder er mochte einfach den Namen. Egal, was es war, Itachi nahm es hin. Der Name war schön und außerdem war es Sasukes Kater. Nur um dem Jungen zu zeigen, dass er Entscheidungsgewalt hatte, hätte Itachi jeden Namen akzeptiert.

„Gefällt mir“, sagte Itachi deswegen nur und grinste Sasuke an, während der Kater, der nun einen Namen hatte, auf seinem Zeh rum biss. Itachi stieß ihn vorsichtig weg, weil selbst die kleinen Zähnchen durch den Stoff wehtaten. Der Kater schaute zu ihm hoch und augenscheinlich beleidigt zog er dann von dannen um sich neben Sasuke zusammenzurollen. All das ließ Itachis Grinsen höchstens breiter werden. Vielleicht war dieses kleine Lebewesen nicht nur eine weitere Salbe gegen Sasukes Wunden, sondern auch etwas – jemand, denn er besaß jetzt einen Namen – der dazu beitragen konnte, ihnen Lockerheit zu lehren.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 18: evening conversations


 

Kapitel 18: evening conversations

A conversation goes sometimes into personal things and that's nicer.

You look to each other and you have a different picture,

you get into a relationship.

-Maximilian Schell
 


 


 

Sasuke lag bäuchlings auf dem Sofa. Im Fernsehen lief eine Dokumentation über die Telekommunikation. Sie waren mittlerweile am Ende der Neunziger angekommen und fast jeder irische Haushalt besaß ein schnurloses Telefon. Vor allem die jungen Leute machten telefonieren zu einem ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Es sollte noch bis zur Mitte des neuen Jahrzehnts dauern, dass in den USA mehr als 10 Billionen SMS pro Monat versendet wurden. Damit hatte die SMS der Telekommunikation des letzten Jahrhunderts eindeutig den Rang abgelaufen.

Sasuke interessierte sich nur mäßig für die Doku. Stattdessen vertrieb er sich die Zeit damit, dass Kätzchen zu streicheln, dass neben dem Sofa auf de Boden lag. Cian schnurrte lautstark vor sich hin, während Sasuke auf Itachi wartete. Er lag noch nicht lange hier. Vorher hatte er eine Maschine Wäsche angestellt, einen Salat gemacht und eine große Fertigpackung Lasagne in den Ofen geschoben. Er musste aufpassen, dass er nicht einschlief, sonst verbrannte das Essen. Aber es konnte auch nicht mehr lange dauern, bis Itachi da war. Er hatte ihm eine SMS geschrieben, dass er heute eine Stunde länger musste, das hieß er würde erst um halb Acht zu Hause sein. Sasuke linste auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Wenn Itachi kam, konnten sie vielleicht gleich essen. Normalerweise kochte Itachi, aber wenn er später nach Hause kam, freute er sich über jede Art von Fertiggericht, die Sasuke in den Ofen geschoben oder schnell gemacht hatte, einfach weil er dann nicht kochen musste.
 

Sasuke wünschte manchmal Itachi würde ihm mehr Aufgaben im Haus geben. Seine einzigen festen Aufgaben waren schließlich den Müll raus zu bringen, sein Zimmer zu saugen und es in Ordnung zu halten und ein über das andere Mal das Katzenklo zu säubern. Er wusste, dass Itachi es schätze, wenn er dann und wann auch die anderen Räume saugte, Geschirr abspülte oder eine Maschine Wäsche anstellte, aber er wusste auch, dass Itachi nicht wollte, dass er mehr machte und so gehorchte Sasuke, obwohl er viel lieber mehr im Haushalt helfen wollte. Er glaubte es Itachi, der die Wohnung und das Essen zahlte, schuldig zu sein. Schließlich ging er nur zu Schule… und das war, obwohl er gut geworden war, sein größtes Problem. Er wusste dass er in die Oberstufe versetzt wurde. Das bewiesen die Zetteln in seiner Schultasche. Es war zwar noch nicht sein Zeugnis, dass bekam er erst in zwei Wochen, aber es war eine Bescheinigung, dass er versetzt wurde. So was gaben sie an seiner Schule den Schülern mit, damit beispielsweise optimal Wahlfächer gewählt werden konnten. Sasuke hatte kaum reingeschaut, obwohl er sie schon vor einer Woche bekommen und in spätestens zwei Tagen abgeben musste. Er wollte nicht weiter Schule machen. Er wollte einen Job, um seinen Großeltern und Itachi das Geld zurückzahlen zu können, dass er glaubte ihnen schuldig zu sein. Nur… Itachi würde das gar nicht gefallen. Sasuke seufzte. Sie hatten noch nicht darüber gesprochen, weil Sasuke sich nicht traute, ehrlich zu sein und zu sagen, dass er nicht weiter zur Schule gehen wollte. Wobei, wollen war das falsche Wort. Er wollte weiter zur Schule gehen, wollte lernen und einen richtigen Abschluss machen, anstatt einfach nach den Pflichtjahren abgegangen zu sein. Und wenn alles anders gelaufen wäre, würde er auch ohne Zweifel weitermachen und er würde studieren oder danach eine Ausbildung anfangen. Aber so wie es gelaufen war, sah er sich in der Pflicht arbeiten zu gehen. Und nur weil Itachi das vielleicht nicht so sehen mochte, änderte nichts an der Tatsache, dass Sasuke in seiner Schuld stand.
 

~~
 

Itachi schulterte seine Tasche, schloss das Auto per Funk ab und verließ die Garage, um ins Haus zu gehen, wo er die Erdgeschoßwohnung, die er mit Sasuke wohnte, zu betreten. Der Arbeitstag war mal wieder hart und nervig gewesen. Schon wieder hatte er wegen dem Praktikanten länger da bleiben müssen. Wie konnte ein Junge nur so viel Chaos anrichte? Den Schlüsselbund legte er unachtsam auf die Kommode im Flur, seine Tasche daneben und die Jacke hing er an den Hacken. Auf dem Weg ins Wohnzimmer lockerte er die Krawatte und knöpfte die oberen drei Knöpfe seines Hemdes auf. Er hatte diesen Aufzug nie besonders gemocht, schätzte Shirt und Pullover, aber sein Beruf verlangte es.

Itachi roch den Duft von backendem Käse und Tomatensoße, der aus der Küche strömte. Er linste hinein, weil er Sasuke dort erwartete. Wann immer er länger arbeiten musste, hatte Sasuke in der Küche gestanden und gekocht. Oder er war im Keller um eine Maschine Wäsche zu machen. Einmal hatte ihn auch das Geräusch des Staubsaugers begrüßt. Auch wenn Itachi das irgendwie zeigte, dass Sasuke sich Zuhause fühlte, war es doch falsch. Er mochte nicht, wenn der Junge so viel im Haushalt tat. Itachi schritt kurz in die Küche, wo er den Herd abstellte, damit das Essen nicht anbrannte, ehe er doch ins Wohnzimmer ging. Vielleicht war Sasuke auch da. Jedenfalls hörte er im Flur wieder das Schnurren des kleinen Katers, der seit zwei Wochen bei ihnen wohnte.
 

Die Szene, die Itachi dann aber im Wohnzimmer vorfand ließ seinen ganzen Ärger über die Arbeit und den Praktikanten für einen Moment schwinden. Sie war eine gänzlich andere, als er erwartet hatte. Es war schon so, dass Sasuke hin und wieder auf der Couch gelegen hatte, aber immer nur, wenn sie gemeinsam beschlossen, sich einen ruhigen Abend zu machen. Nie zuvor war Itachi von der Arbeit heim gekommen und Sasuke hatte so ruhig auf der Couch gelegen. Itachi hoffte sich das Bild, dass er sah, ganz genau einprägen zu können. Er mochte es. Ja, er mochte es wirklich. Itachi lächelte versonnen.

Am liebsten würde er sich neben Sasuke aufs Sofa setzten. Er wünschte der Junge würde dann seinen Kopf auf seinem Schoß betten. Itachi wusste nicht woher dieser Wunsch kam und er wusste, dass es ein genauso verwerflicher Gedanke war, wie das Bedürfnis danach in Sasukes Nähe zu sein. Aber er hatte sich in den letzten Nächten an eben diese Nähe gewöhnt, hatte sie schätzen gelernt. Es hatte kaum einen Abend gegeben in den letzten Wochen in denen Sasuke nicht direkt mit in sein Schlafzimmer ging oder irgendwann in der Nacht reinschlüpfte. Sie lagen zwar nur nebeneinander, aber das genügte Itachi. Jedenfalls sagte er sich dass immer und immer wieder.
 

Noch wenige Sekunden blieben Itachi, das Bild das sich ihm bot, zu genießen. Aufzusaugen.

Doch dann wandte Sasuke seinen Kopf zur Seite und schaute ihn seinerseits an. Itachi griff nach seiner Krawatte, um sie gänzlich von seinem Hals zu lösen und in den Sessel zu werfen.

„Das Essen ist fertig. Moment, ich hol es aus dem Ofen“, sagte Sasuke und machte Anstalten aufzustehen. Itachi hob die Hand, als er einen Schritt nach vorne machte.

„Bleib liegen“, sagte er. „Ich hab den Ofen schon ausgemacht.“ Dennoch erhob sich Sasuke aus seiner Position, setzte sich anständig aufs Sofa. Der Kater der dadurch nicht mehr mit Streicheleinheiten verwöhnt wurde, sprang neben ihm auf die Couch.

„Die Haare wirst du Staubsaugen“, grummelte Itachi, während er sich in den Sessel fallen ließ. Wieder ärgerte er sich über den beschissenen Praktikanten. Es musste doch einen Weg geben den Praktikumsvertrag zu beenden. Das konnte doch nicht wahr sein, was der immer anstellte! Den erschrockenen Ausdruck auf Sasukes Gesicht, der mit seinen Worten gekommen war, nahm er nicht wahr. Zu sehr war er in seinen eigenen Ärger vertieft. Er hatte das gar nicht sagen wollen. Er wusste, dass er mit Sasuke nicht so sprechen durfte, aber da Itachi seinen Blick eben nicht wahrnahm, nahm er es hin und stellte es nicht richtig. Entschuldigte sich nicht. Vielleicht störte es Sasuke doch nicht so, wie Itachi befürchtete. Itachi seufzte. Eigentlich befürchtete er immer, dass Sasuke irgendwas, das er sagte, falsch aufnehmen konnte und das Vertrauen zu ihm verlieren würde.
 

Sasuke versuchte sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Er wollte Itachi nicht auf die Nerven gehen, aber es traf ihn schon, was Itachi gesagt hatte. So hatte er noch nie mit ihm gesprochen. Es klang fast so, als ob… Sasuke ihm alles überließ. Teilweise stimmte das, musste der Jugendliche zugeben. Itachi ging hart arbeiten und was tat er? Lag hier rum. Sofort kam Sasukes schlechtes Gewissen wieder zurück. Er musste den Uchiha wirklich davon überzeugen, dass es sinnvoller wäre sich jetzt schon einen Job zu suchen, anstatt weiter zur Schule zu gehen. Es gab keinen anderen Weg ihm zu beweisen, wie ernst es ihm war und vielleicht würde Itachi ja doch nicht ganz dagegen sein. Sasuke hob den Kater hoch, um ihn auf den Boden zu setzten. Itachi mochte es anscheinend nicht, wenn Cian auf dem Sofa saß, also musste Sasuke ihm beibringen nicht drauf zu springen.
 

Kurz darauf stand Sasuke selbst auf. Er ging eilig in die Abstellkammer, wo neben der Waschmaschine und dem Trockner auch der Staubsauger stand und nahm ihn mit ins Wohnzimmer. Er hoffte Itachi nicht mit dem Lärm zu nerven, aber er wollte so schnell wie möglich das tun, was der Ältere gesagt hatte. Er stöpselte das Kabel des Geräts in eine Steckdose, bevor er sich daran machte die Haare des Katers vom Sofa zu saugen. Es tat ihm Leid solch einen Lärm zu machen, als er sah das Cian aus dem Raum floh und Itachis Stirn sich in Falten legte. Eilig kam Sasuke zum Ende, machte den Staubsauger aus und brachte ihn zurück in die Abstellkammer, ehe er in die Küche ging, die Lasagne aus dem Ofen holte. Er richtete zwei Portionen an, gab Salat auf jeden Teller, eine Gabel und ein Messer dazu und klemmte sich zwei Gläser zwischen Arm und Brust, sodass er – zwar umständlich – alles auf einmal ins Wohnzimmer räumen konnte. Eine Wasserflasche musste dort noch stehen.
 

„Ich hätte das auch tun können“, sagte Itachi und zeigte auf das Essen. Dennoch setzte er sich zu Sasuke an den Esstisch. Er griff nach der Wasserflasche, goss zuerst Sasuke und dann sich ein. Er verschloss die Wasserflasche wieder und stellte sie zurück auf den Tisch. Er war ein Riesendummkopf! Jetzt wo Sasuke nur still auf seinem Platz saß, auf sein Essen starrte, anstatt zu essen, wurde Itachi klar, das er falsch gehandelt hatte. Es war nicht fair von ihm seine schlechte Laune an Sasuke auszulassen. Das hatte er nicht verdient. Nicht nach all dem, was er durchgemacht hatte. Natürlich, auch sein eigener Vater hatte manchmal die schlechte Laune aus dem Büro mit nach Hause gebracht und so manches Mal hatte Itachi sich dadurch ungerecht behandelt gefühlt. Aber er selbst wollte für Sasuke kein Vater sein. Und am allerwenigsten einer, der genervt nach Hause kam und mit einer Scheißmiene am Tisch saß.

„Sorry, Sasuke“, sagte er deswegen. Der Junge hob den Kopf und suchte Augenkontakt mit Itachi. Es war offensichtlich, dass er nicht verstand, warum Itachi sich entschuldigte.

„Ich hätte nicht so mit dir reden dürfen“, sagte Itachi nun. Es war zwar menschlich, dass er so reagierte. Dennoch wusste er, dass die einzige Möglichkeit es wieder gut zu machen eine Entschuldigung gewesen war. Nur so konnte Itachi Sasuke mit sich auf eine Stufe stellen. Und das war etwas, was der Ältere vermehrt versuchte, denn immer wieder merkte er, dass Sasuke sich minderwertig fühlte.
 

„Das ist schon okay“, murmelte Sasuke dann. „Du hattest ja Recht.“ Er schwieg eine Weile, starrte wieder Löcher in die Tischplatte, ehe er fortfuhr: „Du gehst hart arbeiten. Du sorgst dafür, dass wir eine Wohnung haben, Essen und alles. Du gibst mir sogar Geld. Ich tu nichts weiter als rumlungern.“

„Ich will das nicht mehr hören, verdammt noch mal! Mich hat keiner dazu gezwungen, dich aufzunehmen. Genauso zwingt mich absolut keiner dazu, dir Geld zu geben. Aber ich tu’s, okay?“ Itachi war lauter geworden. Das tat ihm sofort leid, als er Sasukes leise Stimme hörte.

„Ich weiß das. Aber… ich bin fast erwachsen, trotzdem schiebe ich alle Verantwortung auf dich ab.“

„Sasuke…“, setzte Itachi an, verstummte aber, als er sah, dass der Junge noch nicht fertig war.

„Ich war sonst nie so. Auch wenn ich auf der Straße … um Geld gebettelt habe, war ich da völlig auf mich gestellt. Mir blieb nichts anderes übrig, als für mich selbst verantwortlich zu sein. Jetzt wo ich bei dir bin, ist es so leicht, das alles zu vergessen.“ Sasuke schluckte. Selbst wenn er Itachi völlig vertraute, hatte er selten so viel auf einmal gesagt. Aber Itachi hörte ihm zu. Es war okay so viel zu sprechen. Und es waren Dinge, die gesagt werden mussten, weil sie ihm schon lange auf der Seele lagen.

„Aber ich will das nicht vergessen. Du hast von Anfang an so viel für mich getan und ich werde für immer in deiner Schuld stehen.“ Sasuke ließ die Gabel los und blickte Itachi wieder an. „Ich hab mir am Anfang gesagt, dass ich auf keinen Fall zulasse, dass irgendwas von all dem hier selbstverständlich für mich wird.“ Sasuke hatte immer im Hinterkopf behalten wollen, dass eben all das, was Itachi ihm bot – ein warmes Zuhause, ein weiches Bett, tröstende Worte, eine reinigende Dusche, Essen, Geld – nicht selbstverständlich war. Aber manchmal war selbst das so schwer. Noch vor ein paar Monaten hätte er sich niemals so auf die Couch gelegt. Schon gar nicht, ohne um Erlaubnis zu fragen. Manchmal glaubte Sasuke, dass alles war zu selbstverständlich für ihn geworden. Dennoch wusste er, wem er sein Leben zu verdanken hatte. Ohne Itachi wäre er heute mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben. Er wäre vor jämmerlich erfroren im letzten Winter. Ganz sicher wäre er das.
 

„Ich hab dich zu mir geholt, damit du dir sicher sein kannst, duschen und essen zu können, wann du möchtest“, sagte Itachi unbeholfen. Dennoch nickte Sasuke.

„Du hast mein Leben gerettet, Itachi. Manchmal glaube ich…“ Der Junge brach ab, schaute an Itachi vorbei an die gegenüberliegende Wand, ehe er die Worte fand, die er sagen wollte.

„Manchmal glaube ich, dass du gar nicht weißt wie unfassbar das ist, was du für mich getan hast.“ Sasuke schaute verunsichert auf seinen Teller.

„Und…und… “, stotterte er dann, weil er seinen so ungewöhnlichen Redefluss verloren hatte. „Und ich hab einfach Schiss, dass du auch nicht weißt… wie dankbar ich dir bin. Denn ich bin’s. Ich bin dir so… schrecklich dankbar, Itachi.“ Bei seinen Worten hatte der Junge wieder hoch geschaut. Voller Hoffnung, irgendwie. Hoffnungsvoll vielleicht, dass Itachi doch wusste, wie dankbar er war.

Itachi stützte die Arme auf dem Tisch ab, bettete die untere Partei seines Gesichts in seinen Händen und schüttelte mit minimaler Bewegung den Kopf.

„Ich hatte damals `ne Scheißangst“, gab Itachi zu. Er schwieg, starrte auf die Tischplatte und atmete lautstark aus.

„Als du da im Schnee gelegen hast, an dem Abend bei Shizune“, sagte er dann nach Minuten der Stille. „Ich hab mich so hilflos gefühlt.“
 

Sasukes zuvor so hoffnungsvoller Blick wich einem verwunderten. In keinem Moment war Itachi ihm hilflos vorgekommen. Es war viel mehr so, dass Sasuke sich durch Itachis eigene Sicherheit sehr geschützt vorgekommen war. Es erschien ihm schwer, den Älteren aus der Bahn zu werfen. E war ihm immer so vorgekommen, als hätte Itachi immer einen Plan und eine klare Richtung. Selbst wenn er ins Schlingern geriet, fand er schnell wieder zu dem altbekannten Gleichgewicht zurück.

„Ich hatte keine Ahnung, was ich tun konnte, als du nicht mit mir geredet hast. Ich glaubte, dich nie zu verstehen, weil die Dinge, die du erlebt hast zu schrecklich sind, um sie zu begreifen, wenn es einem nicht selbst geschehen ist. Aber als du dann doch mit mir gesprochen hast, war ich mir sicher, dass ich – selbst wenn ich mir nicht vorstellen kann, was du hast durchmachen müssen – dir helfen möchte.“ Itachi schwieg eine Weile. Er wollte ehrlich sein, weil auch Sasuke ehrlich zu ihm war.

„Ich hatte Mitleid mit dir. Zu der Zeit war ich noch nicht so weit, dir anzubieten für immer da zu bleiben. Es rechtens zu machen. Aber es dauerte nicht lange bis ich mir auch dessen sicher war.“

Itachi nahm das Gesicht aus den Händen und schaute Sasuke an.

„Es ist völlig in Ordnung, wenn du mir dankbar bist. Und ich weiß auch, dass du es bist. Aber die Tatsache, dass ich mich wie der Erwachsene benehme, der dich aufgenommen hat, macht dich keinesfalls zu einem schlechteren Menschen. Ich bin für dich verantwortlich.“ Ein versonnener Ausdruck schlich sich auf Itachis Gesicht. Er hatte diese Verantwortung gewollt. Und diese Verantwortung; die Tatsache, dass er sich wie der Erwachsene benahm, der Sasuke aufgenommen hatte, machte ihn zu einem besseren Menschen, als der, der er zuvor gewesen war.
 

Itachi hob seinen Blick gänzlich und musste feststellen, dass Sasuke ihn ebenfalls geradewegs anschaute. Vielleicht hatte er ihn die ganze Zeit, während er gesprochen hatte, nicht aus den Augen gelassen. Itachi hoffte, dass Sasuke verstand wie ernst ihm das gewesen war. Er mochte es nicht, wenn Sasuke glaubte all das hier könne jederzeit vorbei sein. Er hatte lange genug mit dieser Angst leben müssen, während Itachi keinen Entschluss fasste, ob er bereit war Verantwortung zu übernehmen oder nicht. Nun aber hatte er sich bewusst dafür entschieden und Sasuke wusste das. Er musste nur begreifen, dass damit auch die Selbstverständlichkeit einiger Dinge – wie eben das Recht auf Wärme, einem Zuhause, Körperpflege, Schulbildung, Nahrung und auch Freizeit – einherging. Itachi machte sich nichts vor. Bei dem was Sasuke durchgemacht hatte, würde er seine Zeit brauchen, bis er gänzlich verstand, dass er Anspruch auf all diese Dinge hatte. Der Uchiha musste dabei eine Rolle spielen. Er konnte sich hier nicht aus der Verantwortung ziehen. Aber er glaubte, indem er Sasuke zeigte dass er Willkommen war, trug er einen erheblichen Teil dazu bei, dass es nicht ein ganzes Leben dauerte bis Sasuke verstand wo seine Rechte lagen.
 

~~
 

Nachdenklich saß Sasuke auf dem Bett seines Zimmers. Er konnte es immer noch kaum glauben, dass es mittlerweile so einfach durch seine Gedanken schoss, dass er ein eigenes Zimmer in Itachis Wohnung besaß. Einen Ort, an den er sich zurückziehen konnte, wann immer er Lust dazu hatte. Es gab einen Schlüssel. Itachi klopfte an, wann immer er den Raum betreten wollte. Er betrat ihn nie ohne Erlaubnis, nicht einmal, wenn er Fenster putzen wollte. Er respektierte Sasukes Privatsphäre. Ein Luxus, wie der Junge dachte, denn seine ganze späte Kindheit und frühe Pubertät hindurch hatte es eine solche nicht gegeben. Er hörte oft von Mitschülern, dass die Eltern ihnen nicht genug Freiheiten ließen oder ihre Privatsphäre nicht respektierten. Sie gingen in ihre Zimmer, durchwühlten Schubladen, um Alkohol oder Kondome zu finden oder putzen und fanden dabei Dinge, die sie gar nicht suchten. Sasukes Privatsphäre wurde nicht von einer zu neugierigen Mutter durchbrochen.
 

Der Junge erhob sich vom Bett, hockte sich neben seiner Schultasche auf dem Boden und griff nach den Zetteln. Das Gespräch gestern hatte ihm gut getan. Er hatte Itachi einige Dinge sagen können, die ihm auf dem Herzen gelegen hatten und Itachi hatte ihm seinerseits auch Vertrauen entgegen gebracht. Auch wenn dieser Gedanke Sasuke noch fremd war, hatte sie das mehr noch auf eine Stufe gestellt. Sasuke sah Itachi immer noch als einen besseren, wichtigeren Menschen an, als sich selbst, aber er glaubte schlicht dass das Vertrauen seitens dem älteren ihm selbst mehr Gewicht verlieh, sodass er vielleicht irgendwann die Waage ins Gleichgewicht bringen konnte.

Dennoch hatte das gestrige Gespräch dazu geführt, dass Sasuke Itachi die Zettel nicht hatte vorzeigen können. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das heute zu tun, auch wenn er nicht wusste, wie er dem Älteren beibringen wollte, dass er nicht weiter zur Schule gehen wollte, sondern arbeiten. Daran hatte auch das gestrige Gespräch nichts geändert. Sasuke glaubte Itachi zwar, dass er gerne für ihn Verantwortlich war. Er glaubte es ihm wirklich. Aber es war nicht einfach zu bestimmen, drei Jahre weiter auf Itachis Kosten leben zu wollen.
 

Sasuke seufzte leise – etwas was er sich von Itachi angewöhnt hatte, ohne es zu wollen. Er erhob sich mit den Blättern in der Hand und verließ sein Zimmer um in der Wohnung nach Itachi zu suchen. Dieser stand in der Küche neben dem geöffneten Fenster und rauchte.

„Kann ich mit dir reden?“, fragte Sasuke. Er wollte nicht nervig sein. Auch heute war Itachi wieder eine halbe Stunde später von der Arbeit heim gekommen. Sie hatten das von Itachi mitgebrachte chinesische Essen gegessen und dann hatte Sasuke sich an einige letzte Hausaufgaben gesetzte, mit denen er vor eine Weile fertig geworden war.

„Klar“, machte Itachi sofort. Er schnippte Asche von seiner Zigarette in den Aschenbecher, der auf der Fensterbank stand. Sasuke legte unterdessen die Zettel auf den Holztisch in der Küche.

„Es ist… es geht um … na ja“, druckste Sasuke rum und tippte auf die Zettel, woraufhin Itachi die Zigarette in den Arschbecher legte, wo sie vor sich herqualmte. Er selber kam näher und schaute sich den obersten Zettel an. Er musste sein Einverständnis geben, dass Sasuke nach den Sommerferien die Oberstufe besuchte. Warum war Sasuke denn jetzt schon wieder so nervös? Itachi griff hinter sich, öffnete die Küchenschublade. Dort lag ein Kugelschreiber, den er heraus fischte. Er setzte gerade an, seine Unterschrift über den vorgegebenen Strich zu schreiben, als Sasuke nach sein Handgelenk griff und ihn somit davon abhielt.

„Was ist los?“, fragte Itachi verwundert.“

„Ich will arbeiten gehen, Itachi. Ich will das nicht.“ Sasuke legte seine Hand auf die Ecke des Zettels. Ganz so als wollte er zeigen, was er nicht wollte.
 

Itachi unterdrückte ein Schnaufen. Das war ein schlechter Scherz. Er begann daran zu zweifeln, ob sich Sasuke seine gestrigen Worte doch so angenommen hatte, wie er geglaubt hatte, er habe es.

„Setz dich“, sagte Itachi und wies auf einen der Holzstühle. Er wusste nicht ob er ein guter Erzieher sein konnte. Er hatte es zuvor bei Sasuke nicht gemusst. Heiler, Tröster, ja. Aber er hatte ihn nicht erziehen müssen. Dennoch bedurfte diese Situation eines Gesprächs in dem er nicht nur Freund sein konnte.

Sasuke leistete Itachis Aufforderung Folge, während der Ältere zum Fenster ging, es schloss und gleichzeitig seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, bevor er sich auch am Tisch niederließ.

„Erklär mir warum“, forderte er Sasuke auf.

„Ich möchte Geld verdienen.“ Sasukes Stimme war leise, aber er wusste, dass wen er Itachi überzeugen wollte, musste er sicher rüberkommen, deswegen versuchte er alles, um nicht ins Stottern zu geraten.

„Das ist kein Grund, der mich überzeugt. Geld verdienen zu wollen, ist es nicht wert ohne Abschluss abzugehen.“

Sasuke blickte auf die Tischplatte, aber er wollte nicht so einfach aufgeben. Er hatte sich die Sache gut überlegt. Er wusste um die Konsequenzen.

„Für mich schon“, sagte er deswegen schlicht.
 

Doch Itachi schüttelte nur den Kopf. Was der Junge sich da in den Kopf gesetzt hatte, war hirnrissig. Eigentlich gab es da gar nichts zu diskutieren. Für Itachi stand außer Frage, dass Sasuke die Schule weitermachte. Nur war er der Meinung, dass die ganze Sache mehr Sinn machte, wenn Sasuke mit Überzeugung dabei war.

„In Ordnung. Angenommen ich erlaube dir abzugehen. Was für einen Job würdest du dir suchen?“

„Ich könnte auf dem Bau arbeiten.“

„Das machst du dann vielleicht zehn, fünfzehn Jahre und dein Körper wird es dir danken. Bauarbeiter haben beispielsweise prozentual mehr Rückenoperationen als alle anderen Bevölkerungsschichten“, erklärte Itachi. Er war sich ziemlich sicher das mal irgendwo gehört zu haben. Zudem war es ein Fakt, dass der Körper – gerade wenn man so jung mit einer solchen Arbeit begann – es einem irgendwann heimzahlte.

„Es gibt genug andere Jobs“, sagte Sasuke leise.

„Nenn mir noch einen.“

„Ich könnte in ´nem Fast-Food-Laden arbeiten. Das tun viele“, sagte Sasuke zögerlich. Er fürchtete Itachi würde auf jeden seiner Versuche ein Argument zu bringen ein viel besseres haben, dass dagegen sprach. Sasuke wusste dass ein Schulabschluss wertvoll war. Dass er sinnvoll war. Aber das änderte nichts daran, dass er einen Job seiner Schulausbildung vorzog, weil er es einfach als richtig erachtete in seiner Position nicht über seine Möglichkeiten hinaus zu wollen. Er war nicht dumm. Aber bei seiner Mutter hätte es diese Diskussion nicht gegeben. Er wäre ohne ein Wort des Widerstandes arbeiten gegangen.
 

„Du willst also dein Leben lang Burger braten, Tabletts und Tische putzen? Du wirst täglich mit Kunden zu tun haben, die dich für den letzten Dreck halten.“ Itachi wusste, dass man heutzutage mit einer Ausbildung auch bei Fast-Food-Filialen aufsteigen und gutes Geld machen konnte. Aber Sasuke wollte dort jobben.

Als Itachis bemerkte, wie Sasuke versuchte seinen verletzten Gesichtsausdruck zu verstecken, tat es ihm Leid so hart gewesen zu sein. Aber es war die Wahrheit. Es wird immer Kunden in solchen Läden geben, die ihn für Dreck hielten. Das war Klischee. Menschen machten da keinen Unterschied, ob es wirklich zutraf. So waren Menschen nun mal.

„Das ist mir egal.“ Der Uchiha hörte, wie Sasuke unbedingt versuchte taff zu klingen. Doch Itachi wusste genau, dass es Sasuke nicht egal war, für Dreck gehalten zu werden.

„Mir aber nicht.“
 

„Ich kann meinen Abschluss auch irgendwann auf der Abendschule nachholen“, sagte Sasuke leise. Es war sein letztes Argument. Er wusste dass er es kaum tun würde. Wäre er einmal in der Sache mit dem Job drin, würde er versuchen soviel Geld wie möglich zu verdienen, um seine Schuld zurückzuzahlen und dann war er achtzehn und Itachi nicht mehr für ihn verantwortlich. Auch nicht mehr vor dem Staat und Sasuke würde gucken müssen wie er über die Runden käme und es würde nicht bei einem Job bleiben. Er würde ganz sicher dann nicht mehr die Kraft besitzen zur Abendschule zu gehen. Aber das musste er Itachi jetzt nicht sagen. Es war schlicht richtig, dass die Möglichkeit bestünde. Ob er sie nun wahrnahm oder nicht.

„Aber warum? Was bringt dir das? Du machst einen Job, den du nicht machen möchtest.“

„Das tun viele“, sagte Sasuke leise. Er wusste dass seine Antworten schwammig waren. Aber er war unsicher und er versuchte noch immer nicht zu stottern und zu stocken.

„Das stimmt.“ Itachis Zustimmung kam unerwartet. „Deswegen erlaube ich dir nicht, die Schule abzubrechen.“
 

Sasuke schaute Itachi an. Er hatte sich zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und die Hände in den Achselhöhlen versteckt. Sasuke schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Er hatte sich vorgenommen Itachi wie ein Erwachsener entgegenzutreten und für das, was er für richtig hielt, einstehen. Er hatte nicht geglaubt, dass Itachi es gut finden würde, dass er nicht mehr zur Schule wollte, aber er hatte auch nicht gedacht, dass Itachi so komplett dagegen war.

Aber Sasuke schob die Schuld auf sich, dass es nicht geklappt hatte, Itachi zu überzeugen. Trotzdem machte ihn das wütend. Wut etwas war, womit Sasuke schlecht umgehen konnte. Er hatte einfach nie die Möglichkeit zu lernen, wie man richtig wütend war. Diese Seite an ihm hatte man versucht zu unterdrücken und es war gelangen. Aber mit allem, was Itachi an ihm heilte, heilte er auch diese Seite.

Sasuke öffnete die Augen wieder und sagte, von der Wut auf sich selbst getrieben: „Ich will einfach arbeiten gehen. Was ist denn so falsch dran? Da wo ich herkomme, hat kaum einer einen Abschluss.“ Er stoppte nur einen winzigen Moment. Zu kurz, um die Wut verrauschen zu lassen. „Man hat mir mein halbes Leben lang vorgeschrieben, was ich zu tun hab. Ich will einfach nur einmal das tun, was ich entschieden hab und niemand anders!“

Sasuke schloss den Mund und bemerkte, dass er sich erhoben hatte. Mit den Händen neben den Hüften schaute er Itachi an und bemerkte, dass die eben noch so sichere Haltung des Mannes nun eher so wirkte, als wolle er sich vor Sasukes Anschuldigungen schützen. Und plötzlich tat ihm alles was er gesagt hatte so Leid, dass er beinahe zu heulen anfing. Nur der feste Biss auf seine Lippe hielt ihn davon ab. Es war nicht fair gewesen, was er gesagt hatte.
 

Itachi griff mit der Hand nach den Zetteln und zog sie zu sich rüber, ohne Sasuke eines Blickes zu würdigen. Es reichte, dass dieser Junge überall in ihm drin präsent war. Itachi machte sich kaum die Mühe die Zettel richtig zu lesen. Er überflog sie, machte das Kreuzchen an der richtigen Stelle und setzte seine Unterschrift, bevor er Sasuke die Zettel rüber schob und aufstand. Den Blick in den Flur gerichtet verließ er den Raum.
 

~~
 

Itachi starrte an die weiße Decke des Raumes. Er lag auf dem Rücken im Bett. Die Nacht war schon angebrochen und seit mehr als einer halben Stunde versuchte er vehement einzuschlafen. Ja, schon. Er war wütend. Wie Sasuke mit ihm gesprochen hatte war unfair und unerwartet. Itachi war nicht derjenige, der ihm Leid zugefügt hatte und Sasuke schien sich dessen auch immerzu bewusst gewesen zu sein. Dennoch fühlte Itachi sich wie das Ventil Sasukes erster Wut. Vielleicht war das sogar positiv, er wusste es nicht. Aber Itachi fühlte sich verwundbar Sasuke gegenüber. Das war ein neues Gefühl. Aber nach seinem Beinahe-Seelenstriptease am gestrigen Abend war es kaum verwunderlich.

Itachi verstand Sasukes Wut. Er war vor nicht allzu langer Zeit selbst ein Jugendlicher gewesen. Es hatte eine Zeit gegeben, da war er aus Prinzip dagegen. Gegen alles, was seine Eltern von ihm wollten. Und er war auch wütend gewesen. Hatte viele Stunden damit verbracht wütend zu sein und anstatt sich ein Ventil für eben diese Wut zu suchen, an der er sie langsam und stetig ablassen konnte, hatte er sie gesammelt und gebündelt und dann erst jemanden gesucht, den er damit verletzen konnte. Seine Eltern, seine Freunde, seine Lehrer.
 

Dennoch konnte Itachi nichts daran ändern, dass es ihn verletzt hatte, was Sasuke gesagt hatte. Einen Moment lang hatte Itachi sich wie ein Arschloch gefühlt, dem es egal war, was Sasuke sich wünschte. Er hatte einen winzigen Moment in Betracht gezogen, Sasuke die Schule abbrechen zu lassen. Ihn einen Job suchen lassen. Aber dann war ihm Sasukes Vater in den Sinn gekommen. Und seine eigene Verantwortung. Wie konnte er Sasuke erlauben, die Schule abzubrechen? Was gab ihm das Recht dazu? Es hatte Menschen gegeben – Sasukes Vater und seine Mutter – die ihn willentlich bekamen, mit dem Wunsch und der Verpflichtung Verantwortung in Sasukes Leben zu tragen. Sein Vater lebte nicht mehr. Und seiner Mutter war er augenscheinlich egal geworden. Somit hatten sie Sasuke selbst die Verantwortung übergeben, etwas aus seinem Leben zu machen. Deswegen konnte Itachi es nicht verantworten, dass Sasuke sich dieses geschenkte Leben kaputt machte. Zu akzeptieren, dass er es in Erwägung zog, war schwer genug.
 

Er mochte heute nicht mehr über all das nachdenken. Wollte ganz einfach die Augen schließen und schlafen. Er rollte sich auf die Seite und sah die leere Betthälfte. Starrte sie regelrecht an. Unweigerlich musste er daran denken, dass Sasuke in letzter Zeit fast jede Nacht dort geschlafen hatte. Doch heute würde er nicht kommen. Selbst wenn er wollte, würde er sich nicht trauen. Sie waren im Streit auseinander gegangen, weil Itachi nicht fähig war, mit der Wut eines Fünfzehnjährigen klar zu kommen. Wie erbärmlich. Itachi seufzte. Er wollte nicht, dass ihm das Schlafzimmer so viel zu groß erschien und viel zu kalt. Er wollte es nicht zugeben, aber er hatte Sasukes Nähe genossen. Die Wärme die sein Körper ausstrahlte. Und er hatte sich gut gefühlt, Sasuke sicher in seinem Zimmer zu wissen. Selbst wenn er jetzt einen Alptraum haben sollte, würde er vielleicht nicht kommen. Eben weil Itachi ohne ihn eines Blickes zu würdigen aus dem Raum gegangen war. In befiel das schlechte Gewissen.

Genervt schlug Itachi die Bettdecke zurück, während er sich wieder auf den Rücken legte, und knipste das kleine Licht neben seinem Bett an. Er konnte nicht schlafen und das pisste ihn an. Schweigend lag er rücklings da, ehe ein entnervtes Stöhnen seinen Mund verlies und er die Beine aus dem Bett schwang. Im Flur machte er Licht.
 

Vor Sasukes Zimmertür blieb er stehen und hob die Hand zum Klopfen. Obwohl er nicht hereingebeten wurde, drückte er die Klinke herunter und betrat den Raum. Das Lampe im Zimmer war nicht an, aber die Jalousie war oben und vom Mond und den Straßenlaternen vor Sasukes Fenster fiel genug Helligkeit herein, dass Itachi Sasuke auf dem Bett sitzen sehen konnte. Die Decke lag über seinen Beinen und das Kissen war zerknautscht, als hätte er bis eben noch drauf gelegen. Sasuke blickte ihn nicht an. Sein Blick war auf seinen zugedeckten Schoss gerichtet. Der Kater lag zusammengerollt am Fußende des Bettes, obwohl er im Flur ein eigenes, riesiges Körbchen hatte.

„Hey“, machte Itachi leise. „Darf ich reinkommen?“ Streng genommen war er zwar schon drin, aber nur einen Schritt und wenn Sasuke nicht wollte, dass er blieb, würde er gehen. Er wollte ihn zu nichts weiter zwingen, als dazu seine Zukunft nicht wegzuschmeißen für Gründe die keine wirklichen waren.

Er sah Sasuke knapp nicken, aber es war ein okay, also trat er näher. Er hockte sich vors Bett und stützte die Arme drauf ab. Schwieg eine Weile. Schaute Sasuke an. Seine Stirn lag in Falten, er kaute auf seiner Lippe herum.

„Nicht“, machte Itachi und hob eine Hand. Es war das erste Mal, dass Itachi Sasuke Lippen mit seinen Fingerspitzen berührte. Sie fühlten sich rau und zerbissen an und wenn er genau hin sah, sahen sie auch so aus. So hatten sie seit Wochen nicht mehr ausgesehen.
 

Sasuke war zusammengezuckt, als Itachis Hand sich hob. Er wollte das nicht. Er wusste, dass Itachi ihm nichts tat. Also warum zusammenzucken? Es gab absolut keinen Grund. Auch wenn Sasuke es glaubte verdient zu haben eine Tracht Prügel zu kassieren. Er hatte niemals so mit Kabuto gesprochen. Und auch nicht mit seiner Mutter. Dabei waren die beiden es, an die diese Worte hätten gerichtet sein sollen. Aber da hatte er es sich nie getraut.

Itachi hatte ihn selbstbewusst gemacht. Durch ihn begann Sasuke eine Art Selbstwertgefühl zu entwickeln und damit einhergehend den natürlichen Drang eigene Entscheidungen zu treffen und beleidigt zu sein, wenn sie nicht respektiert wurden. Aber gerade dann sollte er dies nicht gegen Itachi wenden. Es tat ihm schrecklich Leid. Er hoffte Itachi war gekommen, um ihn zurechtzustutzen. Um ihm zu sagen, wenn er noch einmal so einen Mist redete – noch einmal so die Fresse aufriss – dann würden Konsequenzen folgen, die Sasuke das Zuhause kosten konnten. Denn Sasuke wollte nie wider so mit Itachi sprechen und genau das – die Angst sein Zuhause zu verlieren und die Angst Itachi zu verlieren – würden ihn davor abhalten, wie ihn vorher nur eine Tracht Prügel von solchen Worten hatte abhalten können.
 

Aber Itachi sprach nicht. Er hockte nur da, hatte seine Hand wieder sinken lassen. Sie lag nun auf Sasukes zugedecktem Knie. Aber es war kein schlechtes Gefühl. Sasuke zwang sich nicht zu blinzeln. Er wollte nicht heulen.

„Es tut mir Leid“, sagte er irgendwann, leise und stockend. Aber er wollte es gesagt haben. Aber Itachi schüttelte nur den Kopf.

„Schon okay“, murmelte er. „Mir auch.“ Dann drückte er sich am Bett hoch. Eine Hand steckte er in die Seitentasche seiner langen Schlafhose. Die andere baumelte seitlich neben seiner Hüfte. Er öffnete kurz den Mund, nur um ihn wieder zu schließen. Dann steckte er Sasuke die Hand entgegen.

„Kommst du bei mir schlafen?“, fragte er dann stoßend. Zögernd griff Sasuke nach der Hand. Itachi festigte seinen Griff und zog ihn aus dem Bett. Er grinste, bevor er ihn losließ und sich anstellte, den Raum zu verlassen. Sasuke folgte ihm, blickte an der Tür kurz zurück, wo der Kater sich – beleidigt allein gelassen zu werden – schüttelte, vom Bett sprang um an den beiden jungen Männern vorbei zu stolzieren und doch lieber auf seinem Kratzbaum zu schlafen.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 19: good life

Es sind wieder Ferien. Demnach gibt es auch ein neues Kapitel von Catch. Diese Story hat sich so was von in eine Ferien-Story entwickelt :D Aber ich hab einfach so wenig Zeit zum Schreiben, mit der Schule (und all den Klausuren …), der Fahrschule und meinem Nebenjob. Trotzdem hab ich mich dieses Wochenende endlich überwinden können, das neue Catch-Kapitel fertig zu bekommen. Ich hoffe, ihr habt (immer noch) Spaß an der Story und die Hoffnung auf ein neues Kapitel nicht aufgegeben.

Trotzdem noch eine Info zu dem Kapitel. Wenn am Ende von: ‚Lieben’ die Rede ist, heißt dass nicht gleichzeitig auch ‚Verlieben’. Nur so viel, um nichts vorweg zu nehmen, aber auch (noch) keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Zum nächsten Kapitel eine Info: Ich habe noch nicht damit begonnen und als nächstes ist auch erst wieder Frei sein dran, weswegen ich noch kein Datum oder so sagen kann, wann ihr mit dem nächsten Catch-Kapitel rechnen könnt. Aber jetzt erst mal viel Spaß bei diesem.

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 

Kapitel 19: Good Life

Im taking a mental picture of you now

'Cuz hopelessly

The hope is we have so much to feel good about

Oh this has gotta be the good life

-OneRepubic
 

Die Wochen vergingen. Sasukes Alpträume wurden weniger, aber dafür kamen die anderen. Jene, die Sasuke auch nicht haben wollte. Die in denen es um Itachi und um seine Berührungen ging. Es waren Träume, die Sasuke schon gar nicht neben Itachi haben wollte. Denn es ging soweit, dass Sasuke morgens wach wurde und sich im ersten Moment nicht ganz sicher war, ob seine Träume vergangene Nacht nicht Wirklichkeit geworden waren. An den Wochenenenden, wenn er in Itachis Bett aufwachte, war dieser schon wach und zur Arbeit verschwunden. An den Tagen, an denen das nicht so war, tat Sasuke alles um seine morgendliche Erregung zu verstecken bis er so schnell wie möglich im Bad verschwinden konnte. Mittlerweile war er diese Träume gewöhnt und er hatte sich selbst soweit unter Kontrolle, dass er nicht neben Itachi aufstöhnte. Glücklicherweise waren die Träume nie über einen gewissen Punkt hinausgegangen. Itachi berührte ihn in seiner nächtlichen Traumwelt und er erregte ihn mit Fingerspitzen und mit seinem Mund. Aber Itachi nahm ihn nie und keiner von beiden Traum-Ichs erreichte den Höhepunkt.

Was Sasuke nicht wusste, war dass er nicht der einzige mit solchen Träumen war. Auch Itachi träumte. Von Ihnen.

Und seine Träume gingen weiter als Sasukes. Auch er erwachte des Öfteren frühmorgens mit einer Erektion, derer er sich unter der Dusche entledigte, während Sasuke schlief und der Uchiha seine Träume verfluchte. Sie waren verboten und er durfte nicht einen Funken solcher Gedanken – Gefühle – hegen. Sasuke war sein Schutzbefohlener und er hatte solch schreckliche Dinge durchlebt, dass Itachi sich seiner Träume schämte. Sie hatten nicht zu sein. Zu Sasukes Person musste er jegliches Gefühl und jegliche Erregung die mit ihnen kam unterdrücken. Zudem war es seine Aufgabe im Umgang mit dem Jungen nichts von ihnen durchscheinen zu lassen. Er durfte nicht verantworten so leichtfertig Sasukes Vertrauen zu verlieren, dass so mühsam erkämpft wurden war.

Dennoch konnte Itachi nicht den vermeidlich einfachsten Weg wählen und Sasuke seines Bettes verweisen. Auch das würde Sasukes Vertrauen und sein langsam wachsendes Selbstbewusstsein mindern. Zudem genoss Itachi die Nähe die ihm so ganz unschuldig gewehrt wurde und auch Sasuke, so wusste er, konnte neben ihm einfach besser einschlafen.

Deswegen versuchte Itachi Morgen für Morgen seinen Körper im Griff zu haben und sich seiner Erektion zu entledigen, bevor Sasuke auch nur den leisesten Verdacht schöpfte. So kam es, dass auch Itachi nichts von den Träumen des Jüngeren mitbekam, war doch des Öfteren vorher aus dem Bett geflüchtet.
 

Doch mit den Wochen, die vergingen, kamen die Sommerferien. Sasuke bekam sein Zeugnis, dass zwar nicht vor Einsen strotzte, aber ihm locker den Übergang in die Oberstufe garantierte. Sasuke versuchte die ersten Nächte der Ferien in seinem eigenen Bett zu bleiben, aber er wälzte sich nur hin und her, um am späten Vormittag schlaftrunken aus dem Bett zu stolpern.

Itachi, der Semesterferien hatte und zudem von seinem Vater ab der zweiten Ferienwoche bis zur letzten Urlaub eingeräumt bekommen hatte, bemerkte Sasukes Schlaflosigkeit und bot ihm an, wieder bei ihm zu schlafen. Beide wussten still für sich, dass es gefährlich werden konnte, denn niemand von Ihnen war sicher nicht mit einer Erregung aus den Träumen zu erwachen. Aber auch jeder von ihnen beiden nahm das in Kauf, solange sie gut schlafen konnten. Und dies ging eben nur noch in der Gegenwart des jeweils anderen.
 

Aber mit den Sommerferien kam nicht nur die vermehrte Angst, die Träume könnten auffallen, sonder auch erfreulichere Dinge rückten näher, wie Sasukes Geburtstag Ende Juli. Itachi der knapp einen Monat zuvor dreiundzwanzig geworden war hatte den Tag ruhig mit seinen Eltern und Sasuke verbracht. Er hatte sich unheimlich über das Silberarmband gefreut, dass Sasuke ihm geschenkt hatte. Nicht nur, dass der Junge fast sein ganzes, gespartes Taschengeld ausgegeben hatte - Nein, wirklich berührt hatte ihn die Gravur. Savior, hatte Sasuke eingravieren lassen und das Datum an denen sie beide sich kennen gelernt hatten.

Itachi war sprachlos gewesen und seither trug er es jeden Tag und auch nachts zog er es nicht aus. Ließ es an, wie Sasuke seine Kette. Gleichzeitig hatte er seitdem überlegt, was er Sasuke schenken konnte. Es sollte kein Urlaub sein, denn ein paar Tage mit ihm ans Meer zu fahren war eh für die letzte Ferienwoche geplant, deswegen musste etwas anderes her. Itachi wollte nicht wieder ein Schmuckstück schenken, aber es sollte etwas besonderes sein. Nie zuvor war ihm ein Mensch so wichtig gewesen, wie Sasuke.

Immer wieder schoss ihm in der Zeit des Überlegens durch den Kopf, wie viel Sasuke in seinem Leben verpasst hatte. Nein, nicht verpasst. Wie viel ihm verwehrt beblieben war.

In den Jahren, in denen Sasuke unter seinem Peiniger gelitten und später auf der Straße gelebt hatte, bildete sich der Charakter zu einem großen Teil. Es waren die Jahre, in denen Jugendliche begangen bleibende Geschmäcker zu entwickeln, sich schon mal ein wenig ausprobieren und eigene Werte entwickeln. Sasuke hatte um sein Leben kämpfen müssen. Deswegen schien er manchmal schon so erwachsen. Erwachsener als Itachi. Aufgeklärter. Manchmal aber schien er auch noch so viel mehr ein Kind zu sein. Itachi hatte überlegt, was ihm als Kind, nach dem Tod seines Vaters, gefehlt haben könnte, dass er ihm jetzt noch geben könnte.
 

Dann fiel es Itachi ein. Geburtstagsfeiern. Das könnte es vielleicht sein. Noch immer lud Sasuke keine Freunde nach Hause ein. Er war öfter schon mit zu Gaara oder Naruto gegangen oder hatte sich an Wochenenden mit Leuten aus seiner Klasse getroffen, aber mit heimgebracht hatte er noch keinen von Ihnen. Aber Itachi hatte es auch nie angesprochen. Ihm es nie erlaubt. Vielleicht glaubte Sasuke einfach er dürfe nicht.

Deswegen rief Itachi ihn eine Woche vor seinem Geburtstag zu sich an den Küchentisch. Im Aschenbecher qualmte Itachis Zigarette vor sich her und das Fenster war weit geöffnet. Der Sommer war heiß. Sie hatten letzte Woche dringend neue Klamotten holen müssen. Hauptsächlich für Sasuke, der nur wenige Sommersachen besaß, aber auch Itachi hatte sich was Neues gegönnt. Mit Wohlwollen hatte Itachi da festgestellt, dass Sasuke zwar immer noch auf die Preise der Klamotten achtete und es ihm auch ein bisschen unangenehm war, wenn Itachi zusätzlich Geld für ihn ausgab, aber auch seine eigene Meinung zu bestimmten Kleidungsstücken sagte. Sasuke nahm nichts mehr, einfach nur weil es billig war oder Itachi es ihm aussuchte. Er schaute selber, mochte bestimmte Farben lieber als andere und entschied am Ende auch, welche Kleidung er wollte und welche nicht.

„Ich hab mir gedacht wo das Wetter so toll ist momentan, könnten wir deinen Geburtstag draußen feiern, wenn du möchtest“, merkte Itachi an. Sasuke linste nur auf den Tisch und spielte mit dem Glas herum, dass er sich vorher mit Saft gefüllt hatte.

„Wir müssen nicht feiern“, sagte er nach einer Weile, was Itachi ein Seufzen entlockte.

„Fang nicht so an.“ Itachi konnte den niedergeschlagenen Ton nicht völlig verbergen.
 

Sasuke hob seinen Blick nicht. Er war es nicht gewohnt, dass man seinen Geburtstag feierte. In den letzten Jahren hatte sie niemand dafür interessiert, niemand hatte sich mit ihm gefreut, dass er geboren wurden war. Niemand hatte mit ihm gefeiert. Man musste jetzt nicht damit anfangen. Sein Geburtstag war zu einem Tag wie jeder andere geworden. Das würde sich nicht ändern, nur weil er jetzt bei Itachi war, auch wenn sich sonst so vieles zum besseren gewandt hatte.

„Sei nicht böse“, murmelte Sasuke und hob sein Glas ein Stück zur Seite, weil es ihn selbst nervte, wie er daran rumspielte. Klar, er könnte feiern. Itachi würde das gerne für ihn tun und Sasuke hätte auch ein paar Leute die er einladen konnte. Itachis Eltern, Kakashi und Itachi, Gaara und vielleicht Naruto, schließlich wusste dieser jetzt, dass er bei Itachi lebte – nicht warum und auch nicht wie es dazu kam – aber er wusste es und er hatte nicht so schlimm reagiert, wie Sasukes es befürchtet hatte.

„Ich bin dir nicht böse. Ich dachte nur…“ Itachi brach ab. Ja, er hatte gedacht Sasuke würde sich freuen, aber er tat es nicht. Itachi glaubte, dass es dieses Mal nicht um Geld ging und auch nicht darum, dass Sasuke ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten wollte. Es wirkte auf Itachi vielmehr so, als machte es für Sasuke keinen Unterschied ob sie feierten oder nicht. Doch das stimmte Itachi traurig.
 

Sie schwiegen eine Weile. Sasuke weil er Itachi nicht weiter enttäuschen wollte. Itachi schwieg, weil er nichts zu sagen wusste, dass Sasuke überzeugen konnte. Aber auch, weil er nichts zu sagen wusste, um das Thema zu beenden. Er wusste nicht ganz sicher, ob es Sasuke egal war, ob sie feierten oder ob er wirklich nicht feiern wollte. Itachi hatte eine Sache gegen den Willen des Jungen entschieden, indem er ihn weiter zu Schule schicke, ohne dass er das wollte. Er würde das nicht noch einmal, in einem anderen Punkt tun, auch wenn er wusste, dass er es bereuen würde, Sasukes Geburtstag nicht gefeiert zu haben.

„Möchtest du gar nichts an deinem Geburtstag machen?“, fragte Itachi dann, ein seltener, leiser Unterton der Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. „Wir müssen nicht feiern, wenn du nicht möchtest. Wir können nur zu meinen Eltern fahren oder alleine irgendwohin. Oder wenn du gar nicht möchtest dann…“

Erneut schwieg Itachi. Er konnte einfach nicht sagen, dass sie Sasukes Geburtstag einfach ignorierten, wenn der Junge es so wollte. Noch immer war Itachi der Ansicht, dass wenn man einen Geburtstag feierte, man sich mit dem Geburtstagskind darüber freute, dass es geboren worden war. Und es freute ihn wie kaum etwas anderes auf dieser Welt, dass Sasuke geboren worden war. Mehr nur freute es ihn, dass er noch am Leben war… Nach alledem was dieser arme Junge hatte durchmachen müssen.

„Mir egal“, murmelte Sasuke.
 

~~
 

Aber egal war es ihm dann doch nicht. Am Morgen des 23ten Junis wachte er in Itachis Bett auf, ohne dass der Ältere neben ihm lag. Was schon gut war, schließlich begleitete ihn die neuerdings nur allzu bekannte morgendliche Erektion beim Aufwachen. Nur einen Moment liegen bleibend und sich nicht rührend blieb Sasuke auf dem Rücken liegen. Den Arm hatte er ausgestreckt auf die leere Betthälfte gelegt. Es war schon kalt. In einer monotonen Bewegung drehte Sasuke den Kopf zur Seite und schielte auf den Radiowecker neben dem Bett. Schon halb zwölf!

Mit langsam schwindender Morgenlatte erhob sich Sasuke, holte in seinem Zimmer ein paar Klamotten und gönnte sich eine kalte Dusche. Seit diesem Sommer duschte er morgens gerne kalt. So verschwanden die Träume aus seinem Hirn und sein Körper wurde auch wieder normal. Außerdem waren die Nächte schwül und sogar unter dem dünnen Lacken mit dem er schlief, schwitzte er. Auch das spülte das kalte Wasser am besten weg.
 

Barfuss mit dunkelgrauen Bermudas und einem schwarzen, engen T-Shirt trottelte er in die Küche. Nachdem er sich vergewisserte, dass die Katze Wasser und Fressen hatte, holte er die halbvolle Mineralwasserflache aus dem Kühlschrank, goss davon in ein Glas und trank einen großen Schluck, bevor er sich nachfüllte. Sasuke wollte nach einem Apfel zum Frühstück greifen, als ihm der Zettel auf der Küchentheke ins Auge stach.
 

Ich bin in der Kanzlei. Kann spät werden heute Abend.

Itachi
 

Sasukes Augenlied zuckte, aber er verdrängte es. Er nahm sich den Apfel, das Glas Wasser und verschwand in sein Zimmer. Das Glas ließ er auf dem Nachttisch und setzte sich mit dem Apfel auf das gemachte Bett. Im Schneidersitz, mit dem Rücken zur Wand, schaute er aus dem Fenster gegenüber und aß sein Obst. Er merkte, dass es ihm doch nicht egal war, ob er Geburtstag hatte und nicht. Und dass es ihm auch nicht egal war, ob man sich mit ihm darüber freute oder nicht. Fast wünschte er sich er hätte Itachi vergangene Woche einfach gesagt, dass es toll wäre, im Garten zu feiern. Stattdessen hatte er ihn und diesen Gedanken abgewimmelt. Deswegen saß er jetzt hier.

Er konnte es verstehen, wenn Itachi es begrüßt hatte, zur Kanzlei zu müssen. Was sollte er auch mit einem Jungen anfangen der seinem Geburtstag weniger Wert zuwies als allen anderen Tagen. Er konnte es wirklich verstehen. Es war ihm ja sowieso ein Rätsel wie Itachi es einfach nur Tag für Tag – und Nacht für Nacht – mit ihm aushielt. Er war kein besonders großartiger Junge. Nicht besonders liebenswert und er selbst war nicht der Meinung, Itachi oft genug zu zeigen, wie dankbar er ihm war.
 

Sasuke legte die Kuppe seines Apfels auf den Nachttisch. Er musste sowieso nachher putzen, deswegen machte es nichts. Resigniert schloss er die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Warum, verdammt, war er jetzt so traurig? Es war ein Tag wie jeder andere. Nichts Besonderes. Das hatte er die letzten Jahre gelernt. So war es die letzten Jahre immer gewesen. Aber genau das war es. Kaum etwas war mehr so wie in den letzten Jahren. Sasuke war nicht mehr dreckig und nicht mehr verletzt. Er hungerte nicht mehr und fror nicht. Er hatte jemanden, der sich kümmerte. Jemandem, dem er wichtig war. Deswegen tat es so weh, dass Itachi jetzt nicht da war. Denn sonst war er immer da gewesen. Sasuke wollte, in diesem Moment, eigentlich nur geliebt werden.

Sich über das Gesicht fahrend, stand er auf, hockte sich vor den Kleiderschrank und holte das die Schachtel mit den Briefen seines Vaters raus. Heute durfte er den letzten lesen. Heute war sein 16ter Geburtstag.

Sasuke nahm die Schachtel mit zum Bett und setzte sich wieder auf die Bettdecke. Er nahm den Deckel ab, legte ihn neben sich auf das Bett und suchte nach dem Brief mit der Nummer 6. Sechs Geburtstage hatte er nun schon ohne seinen Vater verbracht. Wie traurig das war.

Dennoch öffnete Sasuke den Briefumschlag vorsichtig und zog das Blatt heraus, das er aufklappte und zu lesen begann.
 

Es ist so schwer mir vorzustellen, dass du sechzehn bist!

Eben noch war ich in der Küche und habe Dir beim Frühstücken zugesehen. Deine Füße baumelten hin und her. Deine Zehen berührten nicht mal die Fließen. Und ich hab

noch genau in Erinnerung wie winzig Du warst, als man Dich das erste Mal in meine Arme gab. Du warst – bist – das Schönste auf dieser Welt. Du bist mein Prinz. Du und

Deine Mum seid alles, was ich immer gewollt habe. Ihr seid mein Leben. Aber jetzt musst Du schon über sechs Jahre ohne mich leben. Sechs Jahre, die ich Dir verdammt

noch mal nicht beim wachsen habe zusehen dürfen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Du bald erwachsen sein wirst, aber ich weiß dass es so ist, wenn Du diesen

Brief ließt. Ich wüsste so gerne, was Du heute tust. Mit wem Du feierst, wo Du und Deine Mum leben…

Ich wäre so gerne bei Euch. Aber besonders bei Dir, weil Du Geburtstag hast und weil ich Dich schon jetzt vermisse, obwohl Du unten im Wohnzimmer Deine

Lieblingssendung guckst.
 

Sasuke stoppte um sich über die Augen zu wischen. Er vermisste seinen Vater und auch seine Mutter. Er vermisste jemanden, der ihn schlicht und ergreifend ohne irgendwelche Abstriche liebte. Er schniefte und fuhr über den Fleck den eine seiner Tränen auf dem Brief hinterlassen hatte. Dann wischte er sich noch einmal über die Augen und las weiter.
 

Ich hab Dir diese Briefe geschrieben, um auch noch nach meinem Tod ein Teil Deines Lebens zu sein. Das ist vielleicht egoistisch von mir, denn sicherlich bist Du auch ohne

meine Hilfe weiter gegangen und das hier zieht Dich nur in eine Zeit, die weit hinter Dir liegt. Aber ich liebe Dich und ich konnte nicht gehen, ohne Dir diese Briefe und mit ihnen ein paar Geschenke zu hinterlassen. Ich hoffe Dir haben all die vorherigen gefallen und ich hoffe auch Dir gefällt das für deinem sechzehnten Geburtstag.

Erstmal möchte ich mir dafür entschuldigen, dass ich Dich schon so lange nirgendwo hin habe kutschieren können. Ich habe mich vor der Zeit verpisst, in der ich dein

Papa-Taxi habe spielen können, und ich hoffe, dass wenigstens Deine Mum ein gutes Taxi gewesen ist. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass Du lernst, selber Auto zu fahren.

Ich wünschte ich hätte mit Dir auf den Übungsplatz fahren und mich, wenn Du Deinen Lappen hast, von Dir kutschieren lassen können. Aber all das wird für mich zu

weit in der Zukunft liegen. Dennoch möchte ich Dir deinen Führerschein spendieren. Auf dem beigelegten Sparbuch hab ich vor sechs Jahren einen Betrag von

2500 Euro eingezahlt. Die Kündigung hab ich schon damals für diesen Monat angesetzt, was bedeutet, dass Du das Geld mit dem Sparbuch abholen kannst.

Jetzt ist es nur noch an mir Dir viel Glück und Erfolg (und natürlich Spaß!) bei deinen Fahrstunden und deiner Fahrprüfung zu wünschen.
 

Ich liebe Dich, mein Sohn. Egal wo ich bin, das werde ich immer tun. Lass Dir niemals von irgendjemandem einreden, dass Du nicht großartig bist. Ich wünsche Dir ein unvergleichliches Leben voller Liebe, Gesundheit und Wundern.
 

Happy Birthday, dein Dad
 

Sasuke vergrub den Kopf in den auf den Knien verschränkten Armen und weinte. In diesem Moment war es egal, wenn der Brief knitterte. Sein Vater liebte ihn. Natürlich hatte er das immer gewusst, aber die letzten Zeilen seines Vaters riefen ihm wieder ins Gedächtnis wie sehr er diese Liebe brauchte. Das Wissen, ohne irgendwelche Abzüge geliebt zu werden.

„Ich dich auch, Papa“, murmelte Sasuke, ohne zu realisieren dass er laut sprach, „Ich dich auch.“

Er weinte, und mit dem Brief in der Hand rollte er sich auf der Bettdecke zusammen. Er vermisste seinen Vater so sehr. Und auch seine Mutter, die da zu sein hatte! Die ihn verdammt noch mal auch zu lieben hatte! Er war doch ihr Sohn…
 

~~
 

Itachi betrat die Wohnung um fünf am Abend. Er verzichtete darauf seine Schuhe auszuziehen, ging schlicht auf Suche nach Sasuke. Da er nichts aus dem Bad oder der Küche hörte, warf er einen Blick ins Wohnzimmer – wo der Junge nicht war – und klopfte dann an Sasukes Zimmertür. Als ihm niemand antwortete, öffnete er kurz. Ein sanfter Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht, ehe er näher ging und sich vor Sasukes Bett auf den Boden hockte. Hatte Sasuke geweint? Die Spuren an seinen Wangen deuteten daraufhin und auch die Tatsache, dass die Schachtel mit dem Briefen seines Vaters neben Sasuke auf dem Bett stand. Ein Brief lag sogar neben Sasukes geöffneter Hand auf der Decke.

Itachi hob seine eigene, um dem schlafenden Jungen über den Schopf zu streicheln, wovon dieser wach wurde. Er blinzelte, bevor er die Augen öffnete.

„Hey“, machte Itachi sanft. „Alles Gute.“

Der Junge brummte verschlafen, ehe er sich aufsetzte und dankend nickte.

„Alles okay?“, fragte der Uchiha dann, während er in seiner Hocke vor dem Bett blieb.

„Ja.“ Sasuke Stimme war leise, aber Itachi merkte, dass er log. Nichts war okay. Der Brief seines Vaters hatte ihn traurig gemacht. Verständlich, war es doch der letzte…

Und er selbst hatte Sasuke auch enttäuscht, indem er den ganzen Tag nicht da gewesen war. Aber was er zu tun gehabt hatte, war wichtig gewesen.

„Tut mir Leid“, sagte er deswegen und zog sich hoch, sodass er auf der Kante des Bettes saß.

„Muss es nicht.“

„Doch. Ich hätte da sein sollen, wenn du den Brief liest.“
 

Itachi legte Sasuke die Hand auf den Oberschenkel und schwieg eine Weile. Er lächelte dem Jungen sanft zu, bevor er sein Gesicht in Richtung des Briefes richtete.

„Möchtest du darüber reden?“

Sasukes Blick senkte sich auf die Bettdecke.

„Dad hat geschrieben, dass er mich liebt. Und dass ich mir niemals von jemandem einreden lassen soll, nicht großartig zu sein … – ich meine, ich bin nicht großartig, oder so… aber ich fand’s schön, dass…“

„Shhshht“, unterbrach Itachi ihn, leicht grinsend. „Hör auf deinen Vater. Er würde dir nicht erlauben, dass du dir einredest nicht großartig zu sein.“

Nun grinste auch Sasuke, nur ein bisschen – aber es war da.
 

„Was hat er noch geschrieben?“, fragte Itachi nach einer Weile.

„Er meint… es tut ihm Leid, dass er nicht für mich hat Taxi spielen können und… er hat Geld auf einem Sparbuch für meinen Führerschein angelegt, aber ich… sollte davon nicht den Führerschein machen… ich denke es ist besser, wenn du es nimmst, da…“

„Hör auf, Sasuke“, musste der Uchiha den Jungen wieder unterbrechen. Aber es war absoluter Schwachsinn, dass Sasuke ihm das Geld geben wollte, dass sein Vater für seinen Führerschein hinterlegt hatte. Niemals könnte Itachi solch ein Geld von ihm annehmen.

„Ich werde das Geld nicht nehmen und das weißt du auch ganz genau“, sagte Itachi etwas strenger. „Es gibt nichts, was du mir zurückzuzahlen hättest. Und selbst wenn es etwas gäbe, dann ganz sicher nicht von dem Geld, dass dein Vater für dich angelegt hat.“

„Tut mir Leid“, murmelte Sasuke und fühlte sich schlecht. Es war unfair seinem Vater gegenüber das Geld wegzugeben, da hatte Itachi Recht, aber Sasuke stand in dessen Schuld; ganz gleich, was der Ältere sagte. Es war auch nicht richtig von einem solch hohen Betrag egoistisch nutzen zu machen, wenn es Itachi war, der in den letzten Wochen und Monaten so viel Geld für ihn ausgegeben hatte.
 

„Nicht der Rede wert.“ Itachi lächelte Sasuke wieder an. Er wollte den Abend nicht verderben. Er hatte sich den ganzen Tag über solch eine Mühe gegeben.

„Du solltest dich umziehen gehen“, sagte er.

„Umziehen?“

Itachi brummte nur zustimmend und erhob sich vom Bett. Sasuke hielt er eine Hand entgegen, die der Junge griff. An dieser zog Itachi Sasuke vorsichtig aber mit einem spielerischen Grinsen auf den Lippen vom Bett. Erst dann verließ er das Zimmer und wartete darauf, dass Sasuke mit einem frischen T-Shirt, einer hellen Jeans und Chucks zu ihm in den Flur kam. Dort hielt er ihm eine Haarbürste entgegen, mit der Sasuke sich kurz durch die Haare fuhr, ehe Itachi sie wieder an sich nahm und zurück ins Bad brachte. Vom Flurschrank nahm er seinen Schlüsselbund, den er zuvor dort abgelegt hatte und bedeutete Sasuke nach unten zum Auto zu gehen. Dort setzten beide sich nach vorne, Itachi machte das Radio an und sie fuhren eine Strecke durch die Stadt und über eine Landstraße, bis zu einem Parkplatz, der knapp hinter dieser lag. Dort stiegen beide aus und gingen einen Schotterweg entlang, bis zu einem schönen, weißen Haus. An der Tür, zog Itachi ein Tuch aus seiner Hosentasche, dass er Sasuke zeigte.

„Darf ich dir das um die Augen binden? Nur für ein paar Minuten?“

„Wozu?“, stellte Sasuke die Gegenfrage. Obwohl er Itachi restlos vertraute, konnte er sein Misstrauen nicht völlig verbergen. Er mochte es nicht, wenn man ihm die Augen verband. Auch daraus hatte Kabuto sich oft einen Spaß gemacht. Er hatte es gemocht, wenn Sasuke hilflos war. Ihm die Sicht zu nehmen, machte ihn schreckhaft. Ängstlich. Es machte ihn hilflos.

„Es soll eine Überraschung sein“, sagte Itachi. Sein Blick lag auf Sasuke, das Tuch hielt er in der Hand, ohne Anstalten zu machen, Sasuke die Augen zu verbinden. Er wollte auf die Erlaubnis des Jungen warten. Als dieser aber nichts mehr sagte, fügte Itachi an: „Eine Gute.“

Dann nickte Sasuke. Er wollte nicht der Grund für eine verdorbene Überraschung sein.
 

Itachi legte das Tuch vorsichtig über Sasukes Augen um es am Hinterkopf mit einem lockeren Knoten zu befestigen. Sasuke griff nach hinten und nahm ungeschickt Itachis Hand.

„Ich muss wissen, dass du da bist, glaube ich“, sagte Sasuke leise. Sonst würde er es keinen Moment länger mit verbundenen Augen aushalten. Itachi drückte Sasukes Hand in tröstender Manier, bevor er sie losließ, um seine andere auf die Schulter des Jungen zu legen.

„So okay?“, fragte er und bekam ein Nicken. Daraufhin schloss Itachi die Tür des Hauses auf und dirigierte Sasuke an der Schulter durch den kleinen Flur in ein großes Zimmer. Das Haus hatte Mikotos Eltern gehört und sie und Obito hatte es geerbt, als diese starben. Früher hatte das Haus, das nur ein Erdgeschoss besaß, aus einem kleinen Wohnzimmer, zwei beinahe winzige Schlafzimmer – von denen sich eines die Geschwister geteilt hatten –, einer ebenfalls kleinen Küche und einem Bad, das kaum der Rede wert war, bestanden. An sich war das Haus klein, aber gemütlich, deswegen hatten die Geschwister es nie verkaufen können, obwohl keiner von ihnen beiden mehr hier wohnte. Zwischenzeitlich hatten sie es vermietet, aber seit Jahren stand es nun schon leer. Deswegen hatten sie entschieden die drei Zimmer zu einem zu machen, das nun groß und einladend aussah und schon des Öfteren für Geburtstagsfeiern der Uchihas und deren Freunde gedient hatte, weil es mit dem riesigen Garten hinter dem Haus der perfekte Ort zum Grillen war. Dementsprechend hatten sie damals das Zimmer eingerichtet. Eine Theke, Musikanlage und viele Möglichkeiten zum Sitzen und Essen.

Itachi grinste, als er den belebten Raum sah. Seine Mutter hatte dafür gesorgt, dass Obito und die Kinder vorbei kamen, Kakashi und Iruka und Pain und Konan mit dem Baby waren da, sowie ein paar Leute aus Sasukes Klasse, von denen Itachi wusste, dass er gerne mit ihnen rum hing. Sogar Alessio war gekommen, um endlich mal Fugaku – das alte Haus, wie er so gern sagte – und die schöne Mikoto wieder zu sehen. Und natürlich um Sasuke zum Geburtstag zu gratulieren.
 

Itachi nahm Sasuke vorsichtig das Tuch von den Augen und steckte es wieder in seine Hosentasche, ehe er beide Hände auf Sasukes Schulter legte. Obwohl die Gäste es vermasselten gleichzeitig „Überraschung“ zu rufen, schien Sasuke überwältigt. Er trat einen Schritt zurück, sodass er gegen Itachis Oberkörper stieß. Der Uchiha musste ein Lachen unterdrücken.

„Ich…“, sagte Sasuke und wandte seinen Kopf zu Itachi, der die Tränen in dessen Augen sah. Obwohl Itachi sich nicht sicher gewesen war, ob Sasuke sich freuen würde, wenn er einfach so eine Feier in die Wege leitete, sah er nun, dass Sasuke sich schon freute.

Bevor Itachi aber was sagen konnte, kam seine Mutter zu ihnen und legte die Arme um den Jungen.

„Alles Gute zu Geburtstag, Sasuke“, wünschte sie ihm mit ihrer zarten, mütterlichen Stimme und drückte ihn liebevoll, während auch Naruto angerannt kam.

„Alles Gute, Alter“, sagte der und Schlug Sasuke auf die Schulter. Als Mikoto Sasuke losließ und Naruto einen Schritt beiseite trat, wandte Sasuke sich um und schüttelte in Richtung Itachi den Kopf.

„Du warst gar nicht in der Kanzlei“, sagte er.

„Nein“, antwortete der Uchiha, als Sasuke näher kam und ihn umarmte.

„Danke.“

„Nicht der Rede wert“, meinte Itachi und fügte leiser an: „Ich wollte das du einen guten Geburtstag hast. Einen Richtigen.“

„Danke“, wiederholte Sasuke und ließ Itachi los, als er bemerkte, dass auch die anderen Gäste näher gekommen waren, um ihm zu gratulieren. Während er umarmt und beglückwünscht wurde, erinnerte Sasuke sich an die Traurigkeit heute Mittag. Er hatte gedacht, niemand interessiere sich für seinen Geburtstag, was nur fair gewesen wäre, weil er selbst sich auch nicht sonderlich dafür interessiert hatte und sich nicht die Mühe gemacht hatte irgendjemanden einzuladen.

Lange Zeit hatte Sasuke es ja auch nicht anders gekannt, als dass sein Geburtstag ignoriert wurde. Aber jetzt waren hier Leute, die sich mit ihm freuten, dass er geboren wurden war. Sie waren hier, weil es Itachi genug interessierte, dass eben heute der Tag war, an dem Sasuke vor sechzehn Jahren auf diese Welt gekommen war. Das war ein unbeschreiblich gutes Gefühl – dass es jemanden genug interessierte. Sasuke linste zu Itachi, der ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen trug. Sasuke entschied, dass er nicht glücklicher sein könnte und er wusste, dass all das nur Itachis Verdienst war. Und dafür liebte er diesen Mann.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 20: summer

Hallo Leute,

es tut mir schrecklich Leid, dass es wieder so ewig lange gedauert hat, bis ein neues Kapitel kommt, aber ich konnte es nicht ändern. Das Kapitel ist auch nicht besonders lang, aber ich bin davon überzeugt, dass ich nicht wieder ewig mit dem nächsten brauche.

Ich hoffe ihr habt trotz der langen Wartezeit noch Spaß an Catch.

Liebe Grüße

Jessi :)
 


 


 


 


 

Kapitel 20: summer

summer, after all, is a time when wonderful things can happen to quiet people.

for those few months, you’re not required to be who everyone thinks you are,

and that cut-grass smell in the air and the chance to dive into the deep end of a pool give you a courage you don’t have the rest of the year.

you can be grateful and easy, with no eyes on you, and no past.

summer just opens the door and lets you out.

― Deb Caletti, Honey, Baby, Sweetheart
 

Aufgeregt saß Sasuke auf seinem Sitz neben Itachi im Flugzeug. Er freute sich auf die Tage am Meer. Schon ewig nicht mehr hatte er den Ozean gesehen und den warmen Sand zwischen den Zehen gespürt. Mit seinem Vater und seiner Mutter war er damals fast jeden Sommer irgendwo gewesen wo es warm und schön war. Noch heute dachte Sasuke gerne daran zurück. Sein Vater in den Tauchklamotten, seine Mutter im flatternden Kleid. Wie sie Sandburgen mit ihm gebaut hatte. Wie sein Vater ihn zum Mitternachtssnack im Hotel mitgenommen hatte, während sie friedlich geschlummert hatte. Es waren wundervolle Gedanken an sein Leben bevor Kabuto, aber auch bevor Itachi.

Sasuke lächelte. Er freute sich darauf auch solche Erinnerung mit Itachi zu haben. Er wusste sie würden ihn sein Leben lang begleiten.

Nachdem das Flugzeug abgehoben und das erste Unwohlsein schnell von einem Kaugummi vertrieben war, schaute Sasuke hinaus in die Wolken, während er an all die Dinge mit Itachi dachte, die schon längst zu unvergesslichen Erinnerungen geworden waren. Allein ihr erstes Treffen. Sasuke war so unsicher und ängstlich gewesen und auch wenn er sich noch genau an den Tag von vor nicht ganz einem Jahr erinnerte, fühlte er schon lange nicht mehr dieselbe Angst. Irgendwann war sie ihm auf dem Weg abhanden gekommen.

Sasuke erinnerte sich an die Zeit in der er krank gewesen war und Itachi ihn immer wieder zurückgeholt hatte um ihn in Sicherheit zu wissen. Er erinnerte sich an all die Dinge, die Itachi für ihn getan hatte, bevor er bei seinen Großeltern gelebt hatte und er wusste noch genau wie sehr er Itachi dort vermisst hatte. Sasuke dachte an ihre gemeinsame Zeit in London und daran wie erleichtert er gewesen war, als Itachi das Sorgerecht für ihn erhalten hatte. Endlich konnte er wirklich bei Itachi leben, ohne die ganze Zeit zu fürchten, er könnte ihm lästig werden. Die Furcht ging natürlich nicht von heute auf morgen fort aber mittlerweile wusste Sasuke sicher, wie viel er Itachi bedeutete und wie unwahrscheinlich es war, dass er ihn irgendwann einfach so nicht mehr da haben wollte. Zu dieser Sicherheit hatten zu einem großen Teil die vergangenen fünf Wochen Sommerferien beigetragen. Itachi hatte nach den ersten zwei Ferienwochen Urlaub gehabt und war bis auf ein paar kurze Besuche in der Kanzlei komplett für ihn da gewesen. Nach Sasukes Geburtstag, der einer seiner schönsten gewesen war, hatte Itachi sich allerhand einfallen lassen um die vergangenen drei Wochen so einmalig wie möglich werden zu lassen. Sie waren im Zoo gewesen, im Freizeitpark, sogar im Freibad waren sie gewesen, auch wenn Sasuke aus Unsicherheit wegen seiner Narben sein T-Shirt anbehalten hatte und nicht schwimmen gegangen war. Itachi und er hatten ein Konzert besucht, ihre Freunde getroffen, gegrillt, gelacht, gelebt.

Sie hatten weiterhin jede Nacht das Bett geteilt, auch wenn sie einander wissen ließen, dass sie es beide wollen mussten. Keiner wusste von den Erektionen des Anderen aber sie waren sich im Klaren, dass sie, indem sie das Bett teilten, stark in die jeweiligen Privatsphären eindrangen. Aber solange sie beide cool damit waren, war es völlig okay. Sie lernten zu tun, was gut für sie war.

Sasuke dachte an seine Erektion, die er fast jeden Morgen und auch manchmal mitten in der Nacht spürte und er dachte einen Moment lang an seine Träume von Itachi, die die Alpträume vertrieben hatten und wusste trotzdem, dass er wirklich neben Itachi einschlafen und auch neben ihm wieder wach werden wollte. Auch wenn seine Träume mittlerweile weiter gingen und auch wenn Sasuke manchmal, in unbeobachteten Momenten, daran dachte, wie es wäre, wenn sie es wirklich täten.

Sasuke blickte rüber und sah den wichtigsten Menschen seines Lebens neben ihm schlafen. Er hatte keine Angst mehr. Sasuke lächelte, als er seinen Kopf auf Itachis Schulter sinken lies und ebenfalls die Augen schloss. Er hatte nicht mal Angst vor feuchten Träumen. Die waren bisher nur in der Nacht gekommen. Er und Itachi hatten in diesen Ferien oft gemeinsam über Tag irgendwo gedöst und nie war etwas passiert. Deswegen und weil es eben Itachi war, gegen den er lehnte, hatte er keine Angst, denn Itachi hatte ihm immer wieder in diesem Sommer versprochen er müsse sich nie wieder vor irgendwas fürchten.
 

~~
 

„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Itachi und strich über Sasukes Oberarm, „Niemand wird über deine Narben lachen, niemand da draußen kann dir weh tun.“

Itachi stand hinter Sasuke vor der geschlossenen Balkontür ihres Hotelzimmers und blickte auf dessen Rücken, während Sasuke sich nicht vom Meer losreisen konnte. Sie waren gestern angekommen und am Strand spazieren gewesen. Heute wollte Itachi ins Meer. Er wollte, dass Sasuke mit ihm schwimmen ging. Er wollte nicht, dass sein Junge für ewig von seinen Narben an Dingen gehindert wurde, die er tun wollte. Und er wollte im Meer schwimmen; das sah Itachi.

„Das kannst du nicht versprechen. Die Leute werden schauen und vielleicht werden sie lachen“, murmelte Sasuke, aber der Uchiha rieb weiter seine Oberarme.

„Sasuke“, sagte er sanft, „Du hattest keine Probleme damit, ohne Shirt vor mir zu stehen. Nie. Nicht beim allerersten Mal.“

„Du hast nie ein großes Ding draus gemacht.“

„Das tut mir so Leid“, flüsterte Itachi plötzlich. Er griff an den Saum von Sasukes Shirt und zog es dem Jungen vorsichtig über den Kopf. Er fuhr mit den Fingerspitzen über Sasukes Narben, strich hauchzart an ihnen entlang. Er hätte ein großes Ding draus machen sollen.

„Tun sie noch weh?“, wollte Itachi wissen.

„Nein.“ Sie schwiegen und irgendwann lehnte Itachi seine Stirn gegen Sasukes Nacken, während er weiterhin hinunter auf dessen Narben schaute und sie mit den Fingern nachfuhr. Der Rücken hatte es am meisten abgekriegt aber auch an den Oberarmen, an Brust und Bauch hatte er vereinzelte Narben, die Itachi kannte.

„Lass das“, meinte Sasuke und verzog sein Gesicht. Er wollte Itachi nicht so nah an seinen Narben haben. Nicht weil sie noch schmerzten oder weil er Itachi überhaupt nicht so nahe an sich ran lassen wollte, sondern weil er sich selber vor seinen Narben ekelte und er nicht wollte, dass Itachi so nah an ihnen dran sein musste, nur um ihn davon zu überzeugen doch schwimmen zu gehen.

„Shhtshh“, machte der Uchiha. Er ging nicht weg und bewegte seinen Kopf nicht fort, aber er hörte für einen Moment auf, Sasukes Narben zu kosen. Er wollte ihm nicht das Gefühl geben, sein Wort zähle nicht.

„Es tut mir Leid. Für jede Einzelne“, sagte Itachi, „Aber ich ekle mich vor Keiner.“

„Ich geh mit dir Schwimmen, aber hör bitte auf, Itachi. Du hast nie was zu ihnen gesagt. Ich hab immer gehofft, du siehst sie vielleicht gar nicht wirklich und jetzt... redest du von diesen beschissenen Narben, als... als...", er brach ab, nur um einen Moment später, als Itachi wieder begann über seine verheilten Wunden zu streicheln, fortzufahren, „Ich kann mit ihnen leben, aber du... wie kannst du sie nur anfassen?“

Sasuke trat einen Schritt nach vorne und drehte sich in Itachis halber Umarmung um, nur um in seine Augen zu blicken, in denen nichts als Liebe lag.

Er schüttelte den Kopf.

„Du findest sie wirklich nicht schlimm. Nicht ekelig. Das ist dein ernst.“

„Ja.“ Itachi legte seine Hände auf Sasukes Schultern und zog in ihn eine Umarmung.

„Ich finde die Vorstellung schrecklich, dass dir jemand so was antun konnte und ich finde es schrecklich, wie sehr du dich davor fürchtest, jemand könnte dich wegen deinen Narben auslachen. Aber ich verspreche dir, dass diejenigen die lachen oder dumm gucken völlig egal sind, weil sie keine Ahnung haben. Sie wissen nicht, welch ein tapferer Junge du bist.“

„Shit, hör auf, Itachi“, sagte der Junge wieder. Aber dieses Mal schlug er spielerisch gegen Itachis Seite, ehe er ihn los lies und grinsen musste, während er sich verschämt eine Träne aus dem Gesicht wischte.

Auch Itachi musste grinsen. Er zog Sasukes Shirt, das er vorhin unachtsam aufs Bett geschmissen hatte, wieder zu sich rüber und gab es dem Jungen, der hinein schlüpfte.

„Gehen wir zum Strand?“, fragte Itachi dann und griff auf ein Nicken Sasukes nach dem Rücksack, den er extra heute Morgen mit Zeug für den Strand gepackt hatte. Er schaute rüber zu Sasuke und war so erleichtert, dass er derjenige war, der ihm helfen konnte. Er liebte diesen Jungen. Sasuke war das Wichtigste. Er war... Itachis Mittelpunkt.
 

~~
 

Das Meer war großartig. Es war warm, die Liegen am Strand waren gemütlich und das Rauschen der Wellen machte Sasuke schläfrig, nachdem er den ganzen Morgen im Meer verbracht hatte. Er war scheu gewesen, hatte sich schwer damit getan das Shirt vor allen Leuten auszuziehen, aber es war nur ein Moment gewesen, an dem sein Rücken für alle zu sehen gewesen war, bevor er Itachi den Steg hinunter ins Meer gefolgt war. Sie waren geschwommen, hatten sich verausgabt und die Fische bewundert die sich nah an sie ran trauten. Itachi hatte ihm versprochen sie würden in den nächsten Tagen Schwimmbrillen und Schnorchel besorgen, dann konnten sie die Korallen und Tiere des Meeres genauer beobachten.

Sasuke schloss die Augen. Er lag auf dem Bauch und hatte das Handtuch über seinen Rücken gelegt, anstatt sein Shirt wieder anzuziehen. Dazu war er zu faul gewesen. Und er wollte Itachi beweisen, dass er beginnen konnte über seine Narben zu stehen.

„Meinst du nicht es wäre besser, auch das Handtuch wegzunehmen?“ fragte Itachi ein Kichern verdrängend.

„Wieso?“

„Weil du sonst ein käsiges Viereck auf deinem Rücken hast.“

„Egal“, murmelte Sasuke und schloss die Augen. Er war zu faul das Handtuch wegzunehmen.

Itachi lachte auf, schwang die Beine von seiner Liege und hockte sich neben Sasukes in den Sand.

„’Egal’, ist dir das also?“, fragte er und begann ihn in die Seite zu pieken. Das Pieken wurde zu einem Kitzeln und Sasuke lachte, bevor er sich ein Stück von Itachis Händen weg rollte. Das nutzte der Uchiha um sich auf die Liege zu schwingen und den Jungen nun mit beiden Händen zu piesacken. Er wusste nicht genau, was ihn trieb, aber er wollte Sasuke auf eine spielerische Art zeigen, dass es total okay war hier mit nacktem Oberkörper zu liegen und der Welt seinen Rücken zu zeigen. Sasuke musste sich für keine seiner Narben schämen. Er war nicht Schuld an ihnen. Er war das Opfer. Aber Itachi sah nicht ein, Sasuke darin zu bestärken, seine Wunden zu verstecken, weil sie andere ekeln konnten. Sollten sich Leute beschweren, hätte Itachi die passende Antwort. Niemand mehr würde seinen Jungen verletzen.
 

„Lass...“, kicherte Sasuke atemlos. Er hatte sich auf die Seite gerollt und hielt Itachis Arm in seiner Hand. Sein Griff war ungewohnt hart, aber seine Augen leuchteten und seine Wangen glühten. Itachi tat ihm nicht weh. Sie richteten keinen Schaden an.

Deswegen lies Itachi es sich jetzt, wo Sasuke so passen lag, nicht nehmen, seinen Bauch mit seiner freien Hand ein bisschen weiter zu pieksen. Erst als Sasuke drohte von der Liege zu rutschen, weil er sich weiter von Itachis Hand wegdrehen wollte, fasste er den Jungen und zog ihn wieder zu sich. Wehtun wollte er ihm schließlich nicht.

„Du bist dumm, Itachi“, murmelte Sasuke, als er wieder sicher auf dem Rücken lag und zum Uchiha hochblickte. So was zu sagen, hatte er sich noch nie getraut. Aber es brachte Itachi zum Grinsen

„Ach ja?“, fragte er mit hochgezogener Augenbrauche, piekste Sasuke erneut in die Seite, lies ihn dann aber in Ruhe liegen, weil er sah, dass der Junge wirklich außer Atem war.

„Ja. Absolut.“ Sasukes Stimme war leise, aber sie war fest und ein Unterton in der Stimme zeigte Itachi, dass alles in Ordnung war. Sasuke hatte Spaß. Das war die Hauptsache.
 

„Wenn das so ist, kann ich ja jetzt auch rüber zur Eistheke gehen und mit einem Riesenhörnchen meine Zeit verbringen.“

„Ohne mich?“ Sasuke verstand seine Neckereien mittlerweile und er wusste genau, wann Itachi wirklich beleidigt war und wann er nur so tat. Er wusste genau, dass Itachi keinesfalls alleine zur Eistheke gehen wollte und dass er es nur deswegen so gesagt hatte.

„Du kannst ja versuchen mich davon zu überzeugen, dass ich dich mitnehme.“

Sasukes Augen weiteten sich. Der Griff um Itachis Handgelenk festigte sich für einen Moment. Er kannte diese Art von Sätze, aber hatte lang nicht mehr an sie gedacht. Er blinzelte und hoffte, dass Itachi sein komisches Verhalten später nicht zur Sprache brachte. Sasuke hatte keine Angst mehr. Er verstand Itachis Witze. Er brauchte keine Angst mehr zu haben, sagte er sich entschlossen. Das war Itachi! Der würde ihm niemals wehtun.

„Ach und wie?“, fragte er deswegen. Seine Stimme zitterte ein wenig, weil die Erinnerungen an Kabuto, seine Mutter und die Worte der beiden noch nicht ganz verschwunden waren, aber er versuchte mit allem was er hatte, dass Grinsen in seinem Gesicht nicht verschwinden zu lassen.
 

Itachi hatte ihn zum Massieren verdonnern wollen. Nach einem Flug waren seine Schultern immer für ein paar Tage verspannt und er wusste, dass Sasuke normalerweise dieser Tage keine Furcht mehr verspürt hätte, wenn Itachi um eine Massage bat, aber unter den gegebenen Umständen konnte Itachi das jetzt nicht tun. Er hatte Sasukes Blick gesehen und das Zittern in seiner Stimme bemerkt. Auch wenn er lockerer mit Sasuke umging, vergaß er nie, was der Junge schon alles durchgemacht hatte. Er vergaß nie, aufmerksam zu sein.

„Das Eis geht auf deine Rechnung“, sagte er deswegen, weil er auf die Schnelle keine andere Idee hatte. Er wusste hier, dass Sasuke es nicht falsch aufnahm. Die Diskussionen über das Arbeiten und Geld verdienen war zwar noch nicht all zu lange her, aber Itachi glaubte, dass sie darüber waren. Außerdem hatte er Sasuke ein extra Taschengeld für den Urlaub gegeben. Davon und von Sasukes Gesparten konnte er ohne Probleme für zwei Hörnchen Eiscreme aufkommen, zumal alles andere an Lebensmitteln und Getränke (bis auf Alkohol) im Hotel all-inclusive war und Itachi Ausflüge aus seiner Tasche bezahlte.

„Okay“, stimmte Sasuke zu und erhob sich von der Liege. Er griff nach seiner Geldbörse und wollte auch sein Shirt nehmen, aber Itachi, der selber oben Ohne war, zog ihn von ihrem Strandplatz weg. Eis holen gingen fast alle Männer am Strand ohne Shirt. Sie würden nicht auffallen. Dennoch beobachtete Itachi Sasuke gut. Er wollte, dass der Junge okay war. Itachi wollte, dass sie einen schönen Urlaub hatten, der für Sasuke Erholung war und nicht eine Quälerei, weil er sich für Dinge schämte, für die er nichts konnte. Aber Sasuke schien es nur halb so schlimm zu nehmen ohne Shirt an den Liegen der anderen Hotelgäste vorbei zu gehen. Die meisten sonnten sich eh, lasen oder schliefen und schenkten den Vorbeigehenden gar keine Aufmerksamkeit. Erst in der Schlange für das Eis wurde es ihm wirklich unangenehm, weil hinter ihm Fremde standen, die genau auf seinen rücke schauen konnte. Itachi der das bemerkte, rutschte von seinem Platz neben Sasuke, hinter ihn und zog spielerisch an einer Strähne seiner kohlrabenschwarzen Haare. Er wollte ihn von dem gaffenden Mann hinter sich ablenken. Solch ein Arschloch!
 

Sasuke ging nicht auf Itachi ein, sondern stand stocksteif in der Reihe. Er wollte sich wieder in den Griff kriegen, aber er fühlte sich so nackt. Er wusste, dass es quatsch war. Itachi stand hinter ihm, niemand konnte seinen Rücken sehen. Aber er hatte auch anderswo Narben, und die konnte man sehen. Sasuke biss sich auf die Lippe, nur um es zu lassen, als er Itachis Arme spürte, mit denen er sich auf seinen Schultern abstützte. Er mochte es, wie Itachi in letzter Zeit seine Nähe suchte. Itachis Berührungen waren gute Berührungen und auf die hatte er viel zu lange verzichten müssen.

Der Uchiha drückte ihn ein Stück weiter nach vorne, um in der Schlange aufzuschließen. Sasuke wollte auch, dass sie einen guten Urlaub hatten und Itachi tat alles, damit es zu einem wurde. Auch Sasuke wollte sich Mühe geben. Er hatte Spaß, er fühlte sich gut. Sie Sonne war toll und das Land großartig. Itachi war wundervoll und Sasuke wollte ihm beweisen, dass all das, was der Uchiha für ihn tat, nicht irgendwo in einem schwarzen Loch verschwand. Er wollte ihm zeigen, wie viel all dessen Bemühungen wert waren und das Sasuke nur durch ihn wieder in Ordnung kam. Aber das wusste Itachi längst, denn er sah Tag für Tag welche Fortschritte Sasuke machte und wie viel sicherer er wurde. Er sah ihn Lächeln und er hörte ihn reden und er wusste, dass sie in diesem paar Monaten so viel geschafft hatten, wie Itachi nie zu wünschen gewagt hatte. Ja, es hatte Zeiten gegeben, in denen er nicht ganz sicher gewesen war, ob Sasuke in Ordnung kommen könnte; ob er irgendwann wieder glücklich sein konnte. Sie wussten beide, dass es diese Tage gegeben hatte. Aber sie wussten auch, dass sich all der Stress, all die Tränen und die Unsicherheiten gelohnt hatten, denn sie waren zusammen und vor ihnen lag ein wunderbares Leben.
 

~~
 

Kabuto Yakushi fuhr langsam durch die kleine Siedlung am Rande von Dublin. Es hat gedauert und ein bisschen was an Nachforschung gebraucht, bis er herausgefunden hatte, bei wem der Bengel nun lebte und wo sie wohnten. Es hatte ihn gewundert, dass der Sohn einer solch angesehenen Anwaltsfamilie ihn in seine Obhut genommen hatte. Das war der kleine Mistkerl nicht wert.

Er fuhr langsam, nur knapp über Schrittgeschwindigkeit die Straße entlang und nahm sich Zeit nach allem Ausschau zu halten. Er bemerkte die Autos der Nachbarn, wie nah die Häuser zusammen lagen, ob es Einfamilienhäuser oder Wohnungen waren, welche Gärten hatten und welche Familie Hunde. Er sah das leer stehende Haus gegenüber und entschied sich da demnächst mal reinzuschauen. Ria hatte schließlich einen Haufen Kohle und er konnte sie sicherlich überreden solch ein Haus zu mieten, wenn er nur die richtigen Argumente brachte. Den kleinen Wichser Sasuke würde er damit bestimmt den Schrecken seines Lebens einjagen. Das wäre spaßig.
 

Vor dem Haus, in dem Itachi Uchiha mit seinem Schützling wohnte, parkte Kabuto Yakushi seinen Wagen. Alles war dunkel. Er fragte sich wo die beiden waren, so spät am Abend. Womöglich gar nicht im Lande? Schließlich waren Sommerferien und so ein reicher Schnösel ließ es sich sicherlich nicht nehmen sein armes Waisenkindchen mit in die Ferien zu nehmen. Kabuto lachte. Für ihn nur gut. Er konnte eine Weile die Nachbarschaft beobachten ohne von dem Pisser Sasuke überrumpelt zu werden und vielleicht schaffte er es auch einmal in die Wohnung einzusteigen. Nur weil der Bengel sich verzogen hatte, hieß das noch lange nicht dass er sich keinen Spaß mehr mit ihm machen konnte.
 

~~
 

Wieder waren Itachis große, warme, weiche Hände überall. Sie waren auf seiner Haut, an seinen Haaren, in seinem Herzen. Sasuke stöhnte. Er reckte sich den Fingern entgegen, die ihn so sanft berührten. Die ihn fühlen ließen, als sei er einzigartig. Er mochte diese Berührungen. Er mochte es immer wenn Itachi ihn anfasste. Denn Itachi war warm und Itachi war sicher. Er spürte weiche Lippen und eine raue Zunge auf seiner Haut. Am Bauch, auf den Schultern, am Hals, auf seinen Wangen. Wieder stöhnte er. Seine Augen waren geschlossen. Er genoss. Aber er wollte Itachi etwas zurückgeben. Auch wenn seine eigenen Lippen nicht so weich war und er nicht so warm und seine Hände nicht so groß, wollte er Itachi berühren und ihn küssen. Er wollte das hier. Es hatte sich von Anfang an sicher und gut und richtig angefühlt und wenn es so viele Gründe gab, warum es das nicht tun sollte. Wieder stöhnte Sasuke. Es war so richtig.
 

Sasuke drehte seinen Kopf zur Seite. Da war die Wärme. Er öffnete seine Lippen nur einen Spalt und fand Halt an einer nackten Schulter. Vorsichtig küsste er, wie er es in seinen Träumen gelernt hatte. Er hauchte warme Luft, hob seinen Kopf nur ein Stück und fand die Mundwinkel, die er gesucht hatte. Die warmen, weichen Lippen, von denen er schon so oft gekostet hatte. Sie waren fester als je zuvor. Sie waren echter. Sie schmeckten nach Salz und Minze.
 

Itachi erstarrte. Er war wach geworden, als er Sasuke neben sich hatte Stöhnen hören. Voller Mitleid und Sorge hatte er gedacht die Alpträume des Jungen kamen zurück. Es wäre nicht verwunderlich gewesen nach diesem Tag, an dem Sasuke sich so viele Sorgen um seine alten Narben gemacht hatte. Aber Sasuke hatte keinen Alptraum gehabt. Er hatte einen Traum anderer… Art. Itachi hatte nicht wach neben ihm liegen wollte, während Sasuke augenscheinlich von Sex und Mädchen träumte. Er hatte es nicht gewollt, weil er nicht in die Privatsphäre des Jungen eindringen wollte. Und weil er von seinen eigenen Träumen wusste, in denen keine Mädchen die Rolle des Partners übernahmen, sondern Sasuke.

Itachi hatte wirklich aufstehen wollen, aber da hatten Sasukes Lippen schon seine Schulter berührt, an der das Unterhemd seine Haut nicht verdeckte, und Itachi hatte nichts mehr gegen den darauf folgenden Kuss tun können, als Sasuke von sich stoßen. Das hatte er nicht gewollt, aus Angst den Jungen zu verschrecken. Sasuke schien noch nicht komplett wach zu sein und Itachi hatte ihm nicht wehtun wollen.
 

Aber als er nun in die geöffneten, verschreckten Augen des Jungen blickte, verstand er, dass er nur hatte falsch handeln können, egal was er tat. So oder so hätte er Sasuke wehgetan. Dennoch tat es ihm Leid. Er war es schließlich gewesen, der Sasuke immer und immer wieder versprach, nie wieder Angst haben zu müssen, weil keine ihm wehtun konnte.

Itachi setzte sich im Bett auf du fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er hoffte, hoffte, hoffte dass sie darüber kamen. Itachi hoffte so sehr, dass es Sasuke nicht kaputt machte. Er könnte es sich nie verzeihen, wenn seine eigene Unzulänglichkeit bedeutete, dass Sasuke ihm nicht mehr vertraute. Es hätte sicherlich einen Weg gegeben, den Kuss zu verhindern, wenn er nur richtig gedacht hätte und verdammt noch mal nicht einfach so liegen geblieben wäre.

Du hast es genossen, sagte er sich und wollte heulen. Aber hier ging es nicht um ihn. Er hatte die Verantwortung für Sasuke. Er war der Erwachsene und musste unbedingt schauen, dass es seinem Jungen gut ging.
 

„Shit“, hörte er Sasuke fluchen. Er hatte sich auch im Bett aufgesetzt. Es sah so aus, als wollte er flüchten, weswegen Itachi nach seiner Hand griff und sie festhielt. Aber Sasuke flüchtete nicht. Er sagte wieder: „Shit“, und fügte an: „Scheiße, Itachi. Ich hab alles kaputt gemacht. Es tut mir so Leid.“

„Du hast gar nichts kaputt gemacht“, beruhigte Itachi und streichelte die Hand, die er hielt, mit seinem Daumen. Es fühlte sich nicht falsch an, das zu tun. Auch nicht nach der Sache eben. Nach dem Kuss. Es war ein Kuss gewesen. Und du hast ihm gemocht, schoss es ihm wieder durch den Kopf. Nicht das, was gerade passierte. Nicht, dass Sasuke sich deswegen so fertig machte. Aber den Kuss an sich. Den hatte er gemocht, auch wenn er es, um Sasukes Willen, nicht wahr haben wollte.

„Das sagst du jetzt“, meinte Sasuke. Seine Stimme war leise. Aber sie war traurig und sie klang endgültig. „Jetzt bist du geschockt oder so, keine Ahnung. Aber bald wird dir klar werden, was ich grad getan hab und du wirst dich ekeln. Auch wenn du immer wieder sagst, du ekelst dich nicht. Du wirst es tun. Du weißt, was… Kabuto mit mir getan hat. Ich hab’s versaut.“ Sasuke schaute hoch und blickte ihm in die Augen. „Ich könnte es verstehen, wenn du mich rausschmeißt.“
 

Itachi wusste, dass Sasuke nicht meinte, ihn bloß des Hotelzimmers zu verweisen. Er meinte er könnte es verstehen, wenn Itachi ihn nicht mehr haben wollte und ihn zurück in Irland einfach so vor die Tür setzte. Schon einmal hatte Sasuke erlebt, wie es war, von niemandem so sehr geliebt zu werden, dass man ihm ein Zuhause geben wollte. Itachi würde diesen Fehler nicht tun. Er würde Sasuke niemals einfach so raus schmeißen. Und schon gar nicht wegen so was.

„Ja, ich hab mich erschrocken, aber das heißt nicht, dass ich nicht einschätzen kann, ob du grad ‚alles kaputt gemacht hast’ oder nicht“, sagte Itachi. Er griff nach Sasukes anderer Hand und hielt ihn fest. Sasuke hatte seinen Blick wieder gesenkt, weswegen Itachi ihn bat hoch zuschauen.

„Du hast nichts versaut. Es ist alles völlig okay. Jeder hat solche Träume und manchmal… wissen wir eben nicht ob wir noch träumen oder schon wach sind. Du hast mich nicht küssen wollen, es war ein Versehen. Alles in Ordnung. Okay?“

„Nein.“

„Dann rede mit mir. Es ist völlig verständlich, wenn dir das hier unangenehm ist, aber du brauchst dich nicht schämen. Ich bin selbst ein Kerl. Ich kenne solche Träume. Und ich verstehe, wenn sie für dich vielleicht erschreckend sind, eben wegen dem, was dieser Scheißkerl dir angetan hat.“
 

Sie saßen einander im Schneidersitz gegenüber, als Sasuke eine seiner Hände aus Itachis Griff löste und sich über die Augen fuhr. Er wollte nicht heulen, aber die Tränen konnte er nicht verhindern. Sasuke schwieg. Er wollte reden. Reden mit Itachi hatte immer geholfen, denn Itachi war sein Anker. Aber er wusste nie wie er sagen sollte, was er fühlte.

„In den Träumen…“, fing er unsicher an, „geht’s mir gut. Ich weiß, dass es Gründe gibt, warum es mir nicht gut gehen sollte… dabei. Aber in den Träumen kann ich mich nicht daran erinnern, was diese Gründe sind. Ich hab dann keine Angst und vielleicht bin ich deswegen so unvorsichtig. Ich hätte merken müssen, dass ich nicht mehr träume. Dass es real war. Aber ich hatte keine Angst und deswegen dachte ich… im ersten Moment ich wäre noch nicht wach, verstehst du? Es tut mir so Leid, Itachi.“

Nach all den Worten konnte Sasuke dem Älteren einfach nicht in die Augen sehen. Dabei waren sie so aufrichtig zueinander. Sasuke biss sich auf die Lippen, als ihm ein Gedanke kam. Itachi war aufrichtig zu ihm. Und er war so verständnisvoll. Sasuke hingegen verschwieg, dass es in seinen Träumen um Itachi ging. Er fühlte sich schlecht.
 

„Hör mir zu. Dir braucht nichts Leid zu tun und ich werde dich auf keinen Fall rausschmeißen. Weder aus unserem Haus, noch aus meinem Zimmer oder diesem Hotelzimmer.“ Itachi lächelte Sasuke zu. Sie schwiegen eine Weile, bis Itachi Sasuke an sich zog. „Wein nicht mehr, hm?“, sagte er einfühlsam. Er würde Sasuke nie fallen lassen. Schon gar nicht wegen so was. Itachi spürte wie Sasuke sich in seiner Umarmung regte und die Arme ebenfalls um ihn legte.

„Danke“, hörte Itachi ihn leise sagen. „Danke, Itachi.“ Es gab so viel wofür er dankbar zu sein hatte.
 

~~
 

In der Hotelanlage gab es einen Park mit blühenden Blumen, großen Bäumen und saftig grünen Wiesen. Itachi lehnte gegen den Stamm einer Buche, während er den letzten Sonnenuntergang ihres Urlaubs bewunderte. Er fuhr durch Sasukes Haar und blickte einen Moment hinunter auf den Kopf, der es sich in seinem Schoß bequem gemacht hatte. Das Sasuke seine Nähe genoss, hatte Itachi sich schon denken können, aber dass er sie suchte und ohne viele Fragen einforderte, erstaunte Itachi doch. Aber er mochte es. Sasuke sollte nicht denken, Itachi wollte diese Nähe nicht. Deswegen fuhr er immer wieder durch die rabenschwarzen Haare des Jungen. Seine andere Hand lag warm auf dem Bauch des Jüngeren und ging hoch und runter mit seinen ruhigen Atemzügen. Er war so froh und erleichtert, dass zwischen ihnen nichts kaputt gegangen war. Er hatte das Zögern in Sasukes Zügen gesehen, bevor er den Kopf in seinem Schoß gebettet hatte, aber schon bald darauf war er eingeschlafen. Seitdem lag er friedlich und ruhig da. Itachi blickte der Sonne nach und als sie untergegangen war und sie im Licht der Laternen saßen, spürte Itachi den kühlen Wind auf seinen nackten Armen. Aber er wollte noch nicht, dass dieser Abend endete. Den mit dem Abend endete auch ihr Urlaub und, aber das wusste Itachi in diesem Moment noch nicht, auch der Sommer. Herbstanfang war erst in einigen Wochen, aber in Irland regnete es schon seit Tagen und es war keine Besserung in Sicht.
 

„Hey“, hörte Itachi Sasuke müdes Murmeln. Er blickte hinunter. Die Augen des Jungen waren immer dunkler, wenn er noch im Halbschlaf war. Als Itachi das zum ersten Mal aufgefallen war, war er darüber verwundert gewesen.

„Na, gut geschlafen?“

„Mhhmhh“, murmelte Sasuke bejahend, rückte dann aber ein Stück näher und sagte leise: „Mir ist kalt.“

Itachi griff nach seiner Strickjacke, die er mit in die Parkanlage genommen und später neben sich ins Gras gelegt hatte und legte sie über Sasukes nackte Arme.

„Besser?“, fragte er und der Junge nickte. Itachi lächelte und fuhr ihm über den Schopf. Er wollte nie wieder das Sasuke frieren musste. Schon gar nicht im kühlen, spanischen Augustwind.

Itachis Augen weiteten sich, als er spürte, wie sich Sasukes Arme um seine Mitte legten und der Junge sein Gesicht gegen Itachis Bauch drückte. Aber dann lächelte er. Auch nach der Sache mit Sasukes Traum und dem Kuss gab es an dieser Geste nichts, dass nicht unschuldig war. Itachi fuhr seinem Jungen über den Hinterkopf.

„Ich werde nicht zulassen, dass dir je wieder irgendwer weh tut“, sagte Itachi und wusste nicht, dass er damit nicht hätte falscher liegen können.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 21: i see you soon

Hallo Leute,

dieses Mal ein schnelles update. Das Kapitel hat sich wie von selbst geschrieben, vielleicht gerade weil ich so viel Spaß dabei hatte. Es war etwas völlig neues aus der Sicht von Kabuto zu schreiben, aber irgendwie auch interessant – vielleicht sollte ich öfter aus der Sicht des Antagonisten schreiben :D

An der Stelle aber genug davon, macht euch selbst ein Bild von den Kabuto-Parts und habt Spaß an dem Kapitel ;) Das nächste update wird wahrscheinlich wieder etwas länger dauern, aber ich geb mir Mühe euch nicht zu lange warten zu lassen.

Liebe Grüße

Jessi :)
 


 


 

Kapitel 21: i see you soon

We need not destroy the past.

It is gone.

- John Cage
 

Wieder Zuhause genossen Itachi und Sasuke das letzte gemeinsame Ferienwochenende. Schon am Montag begann für Sasuke die Schule wieder und Itachi musste zurück zur Arbeit und bald schon hatte er auch wieder Vorlesungen. Langsam würde es ernst werden in seinem Studium. Es war das letzte Jahr vor seinem Referendariat, das er in der Kanzlei seines Vaters ablegen wollte.

Am Freitagabend waren sie mit ihren Gedanken noch am Meer und sie hatten es genossen mit Musik auf dem Sofa zu liegen, einander nahe zu sein und alle Erinnerungen der letzten Woche zu sortieren, zu verpacken und für die Ewigkeit zu konservieren. Den Samstag verbrachten sie mit Kakashi und Iruka, die sich die Woche zuvor um die Wohnung und die Katze gekümmert hatten. Sie bestellten Pizza, spielten Spiele und schauten DVDs, während der kleine Cian es sich nicht nehmen ließ ausführlich von Sasuke gekost und geknuddelt zu werden. Eine Woche ohne seinen Liebling mussten für den Kater grauenvoll gewesen sein. Kakashi hatte das bestätigt.

„Der kleine Racker hat aus Trotz unseren Sessel zerkratzt. Selbst seine Eltern waren ihm völlig egal. Nur nach seinem Sasuke hat er immer gemauzt“, hatte Kakashi gesagt und unbewusst bedröppelt drein geblickt, weil er den Sessel echt gemocht hatte.

„Ich kann den Sessel bezahlen“, bot Sasuke sofort an auch wenn er dafür vom Geld für den Führerschein nehmen müsste. Er wollte nicht, dass sie Cian dafür bestraften und hatte Angst, dass Itachi den Kater weggab, weil er nicht gehorchte und frech war. Dabei sah Sasuke sich selbst in der Schuld, schließlich war er es, der den Kleinen allein gelassen hatte, um eine schöne Woche mit Itachi zu verbringen. Er hätte besser nachdenken müssen, weil er es kannte allein gelassen zu werden und die Menschen zu vermissen, die sich eigentlich um einen kümmern mussten. Cian sollte nicht unter seinen Fehlern leiden, so wie er unter den Fehlern seiner Mutter gelitten hatte. Itachi hatte ihm den kleinen Kater geschenkt, also war er seine Verantwortung. Sasuke würde für das gerade stehen, was der Kleine tat. Er wusste, dass sein Vater nicht böse wäre, wenn er das Geld dafür nähme. Vielleicht wäre er sogar stolz, denn er hatte sein ganzes Leben nicht anders gehandelt.

„Ach Quatsch“, warf Iruka ein, „Der Sessel war scheußlich. Ich hab schon längst einen neuen kaufen wollen, aber Kakashi konnte sich vorher ja nicht überwinden.“ Iruka hob die Hand um den Kater zu kraulen, aber Sasuke deckte Cian instinktiv mit seinem Arm.

„Hey, beruhig dich. Ja, Sasuke?“, meinte Itachi und legte dem Jungen die Hand auf den Oberarm. „Niemand wird deiner Katze wehtun.“

„Okay“, sagte Sasuke, aber er schämte sich nicht. Er fühlte sich auch nicht danach sich zu entschuldigen. Er würde es wieder tun, auch wenn die Männer vielleicht meinten er reagiere über. Er kannte es, nicht geschützt zu werden. Sasuke wusste dass er verantwortlich war für den kleinen Kerl auf seinem Schoß und er würde ihn beschützen, wann immer er meinte er benötige Schutz.
 

Itachi verstand Sasukes Abwehr vielleicht nicht völlig und genau deswegen hatte er eingegriffen, aber er glaubte schon zu wissen, woher die plötzliche Distanz kam, die Sasuke um sich und den Kater aufgebaut hatte. Itachi überlegte fieberhaft, was er tun konnte um die Situation zu entschärfen. Er wollte nicht das diese Sache einen Keil zwischen Sasuke und Kakashi trieb, nur um sein Haustier zu schützen. Dabei würde Kakashi dem kleinen Kerl eh nie wehtun können; Lieblingssessel hin oder her.

„Du hast Angst, dass wir deinem Kater wehtun?“, fragte Kakashi, obwohl er sich die Antwort denken konnte und fügte auf Sasukes Schweigen hinzu: „Oder dass wir ihn dir wegnehmen?“

„Bitte nicht“, flehte Sasuke und legte auch den anderen Arm um das Tierchen, das ihn so liebte. Sein erster Impuls war Cian zu nehmen und fortzulaufen. Vor einigen Monaten hätte er das ohne Zweifel getan. Hatte es getan. War von Itachi fortgelaufen. Aber er war gewachsen. War vielleicht noch nicht so weit für sich selbst einzustehen und zu sagen, dass niemand ihm seine Katze wegnehmen konnte, aber er war auf jeden Fall so weit, Itachi zu vertrauen - auch in diesem Moment. Deswegen suchte er Itachis Blick und bat leise:

„Bitte nimm ihn mir nicht weg. Ich bring ihm bei nicht mehr zu kratzen. Bitte.“

„Du dummer Junge.“ Itachi wischte sich über sein Auge und schüttelte den Kopf. „Als wenn wir dir das antun könnten. Als wenn ich dir irgendwas wegnehmen könnte.“
 

Kakashi kam nicht umher zu grinsen, obwohl er die Tränen in Sasukes Augen sah.

„Ich hab den Sessel echt gemocht. Aber das ist der nicht wert“, sagte Kakashi und meinte Sasukes Tränen. Er schwieg eine Weile sein Grinsen wurde zu einem Lächeln.

„Komm mal her“, meinte er dann und stand auf. Er ging einen Schritt auf Sasuke zu und wartete dass der Junge Itachi erlaubte das Kätzchen von ihm zu nehmen. Sasuke stand auch auf, ging zu Kakashi und ehe er sich versah, hatte der Ältere ihn in eine freundschaftliche Umarmung geschlossen, die Sasuke nach einer Weile erwiderte.

„Wir sind deine Freunde, nicht deine Feinde“, beteuerte Kakashi und drückte den Jungen, ehe er ihn losließ.

Sasuke lächelte, als er sich wieder neben Itachi aufs Sofa setzte und der Mann einen Arm um ihn legte. Sasuke wusste, dass Itachi und er Freunde waren, aber er stellte mit Erstaunen fest, dass Kakashi und Iruka nicht nur Itachis Freunde waren, sondern auch seine. Die Freunde seiner Mutter und die von Kabuto waren nie seine gewesen. Sie waren ein Teil seines Alptraums, sie waren seine Feinde. Sie taten ihm weh. Kakashi und Iruka musste er nicht fürchten. Sie waren seine Freunde.
 

~~
 

Nachdem Kakashi und Iruka nach Hause gefahren waren, war es schon spät und Itachi und Sasuke entschieden schlafen zu gehen. Auch daheim hatten sie wieder begonnen in einem Bett zu schlafen. Anders fühlten sie sich einsam. Es war nichts dabei, musste Itachi sich immer wieder sagen, obwohl er mittlerweile ahnte, dass da sehr wohl etwas dabei war. Denn schon lange war Sasuke nicht mehr nur der arme Straßenjunge mit dem er Mitleid hatte. Er war ein Freund, dem er auf Augenhöhe begegnen konnte. Das machte es schwieriger die Träume zu ignorieren, die er nachts hatte, aber er konnte Sasuke nicht seines Bettes verweisen. Er wusste, dass es ihn traurig machen würde und er selber konnte ohne Sasuke auch nicht gut schlafen.

Er legte dem Jungen im Flur die Hand an die Stelle seines Rückens zwischen den Schulterblättern und lehnte sich ein Stück zu ihm herab.

„Du hast keine Angst mehr, dass wir dir deine Katze wegnehmen, richtig?“

„Ja, richtig.“

„Dann müssen wir mein Bett heute nicht mit Cian teilen?“, fragte Itachi hoffnungsvoll.

„Nein.“ Sasuke lachte und lockte das Kätzchen zu sich um es ins Körbchen zu setzten. Die wenigen Nächte die Sasuke in seinem eigenen Bett schlief, machte sich das Kätzchen dort ebenfalls breit. Ohne Sasuke aber war das Zimmer uninteressant und es konnte genauso gut im Flur schlafen, wenn Itachi ihn schon nicht in sein Bett lies.
 

Sasuke schloss Itachis Schlafzimmertür hinter sich und dem Älteren.

„Können wir das Fenster noch was auflassen?“, fragte Sasuke, wartete auf ein Nicken des Uchihas und legte sich auf seine Seite des Bettes, ohne die Jalousie runtergelassen zu haben. Itachi legte sich zu ihm und schaute an die Zimmerdecke.

Oft ließen sie das Fenster über Nacht auf Kipp, aber sonst war die Jalousie komplett unten und es kam trotzdem kaum frische Luft ins Zimmer. Dafür lüfteten sie über Tags genug durch. Itachi wusste nicht genau, warum Sasuke das Fenster für eine Weile länger komplett auf und die Jalousie hochlassen wollte, aber es gab keinen Grund es ihm nicht zu erlauben. Er musste nicht unbedingt sofort schlafen und für Sasuke könnte er trotz des offenen Fensters schlafen. Er glaubte sicher zu wohnen.
 

~~
 

Kabuto hatte viel Zeit gehabt die Umgebung anzusehen. Er kannte sie auswendig. Er wusste wo er auf die Lauer gehen musste, um jedes Fenster der Wohnung sehen zu können, dass er sehen wollte. Wollte er in die Küche schauen, blieb er am besten in seinem Auto. Die Scheiben der Rückbank waren geschwärzt, so konnte niemand sehen, dass er hinten drin saß und Menschen beobachtete. Wohnzimmer und beide Schlafzimmer sah er am besten von der Straße hinter dem Garten des Hauses. Er konnte auch da im Auto sitzen bleiben oder er versteckte sich an dem kleinen Waldweg. Sogar ins Bad konnte er schauen, wenn er wollte. Kabuto war stolz auf sich. Nicht nur dass er es geschafft hatte, die Tage mal ins Haus zu kommen und ein kleines Geschenk für Sasuke zu hinterlassen, nein er konnte die beiden beobachten, wann immer er Lust drauf hatte. Und er war interessiert an all den Dingen die er gesehen hatte, seit der Uchiha-Erbe und der kleine Pisser Sasuke nach Hause gekommen waren. Am Freitagabend war er verwundert gewesen, wie nahe der Bengel den Erwachsenen an sich ran lies. Ein paar Mal hatte Kabuto sich gefragt ob sie auch fickten, aber danach sah es bisher nicht aus. Dabei war der Bengel so gut. Kabuto hatte es immer in vollsten Zügen genossen – und er war fest davon überzeugt, nicht mehr so lange auf das Vergnügen warten zu müssen. Er musste nur geduldig sein. Das Gör würde ganz von selbst zu ihm zurückkommen.
 

Kabuto trank von seiner Coke und griff nach einem Cheeseburger aus der Tüte im Sitz neben sich. Was Schöneres als das hier konnte er sich kaum vorstellen. Das war pures Kino! Er liebte den verängstigten Ausdruck Sasukes und sympathisierte sofort mit den Männern, die ihn in sein Gesicht gezaubert hatten. Er wusste nicht, was der kleiner Mistkerl angestellt hatte, aber die Männer mussten böse mit ihm sein, dass er so abwährend reagierte. Er lies sie ja nicht mal das Viech auf seinem Schoß anfassen.

Kabuto wünschte er könne hören was die sagten. Dann wäre es vielleicht umso witziger. Aber alleine die Bilder zeigten ihm genug, um den kleinen Pisser in der Hand zu haben. Das würde noch ein Spaß werden!
 

Aber was war das? Kabutos Augen weiteten sich. Warum umarmte der silberhaarige Kerl den Bengel?! War der ganze Spaß etwa schon vorbei? Kabuto hatte fest daran geglaubt, wenigstens zu sehen wie das Gör eine gescheuert bekam. So ein Mist! Stattdessen kuschelten die da rum, Schlappschwänze! Das konnte doch nicht wahr sein!
 

~~
 

Am Sonntagmorgen holte Itachi beim Bäcker in der Stadt Brötchen, während Sasuke nach einer lauwarmen Dusche mit einem Handtuch um den Hüften in seinem Zimmer stand und sich vor seinem Schrank runterhockte um eine frische Boxershorts aus der Schublade zu ziehen. Er nahm die oberste und wunderte sich, als er unter ihr einen kleinen Briefumschlag fand. Der war ihm gestern noch nicht aufgefallen, obwohl er schon an der Schublade gewesen war. Aber er hatte nicht richtig hingesehen. Aber ganz sicher war er vor dem Urlaub noch nicht da gewesen. Da hatte er seinen Schrank komplett aufgeräumt und ausgewischt, da war ganz sicher kein Umschlag gewesen. Was war das?

Sasuke legte ihn für einen Moment auf den Schreibtisch, schlüpfte in Boxershorts und Jogginghose und setzte sich mit nacktem Oberkörper auf sein Bett, nachdem er nach dem Umschlag gegriffen hatte. Er drehte ihn in der Hand, sah auf der Rückseite Schrift – Schrift, die er nur zu gut kannte. Sasuke lief ein Schauer über den Rücken. Was sollte das? Wie kam ein Brief von diesem… diesem… Kerl in seine Unterwäschenschublade? War das ein schlechter Scherz?!
 

Sasuke merkte nicht, wie sich sein ganzer Körper anspannte und wie sich eine Gänsehaut über seinen nackten Armen ausbreitete, als er den Umschlag aufriss und auf der Bettdecke ausschüttete. Seine Augen weiteten sich und füllten sich mit Tränen der Verzweiflung. Er wusste, dass der Scheißkerl Fotos von ihm gemacht hatte, aber er hatte nie geglaubt sie je wieder ansehen zu müssen. Sasukes Finger zitterten, als er nach einem der Polaroids griff und es sich ansah. Ein Foto von sich selbst. Er war elf oder zwölf Jahre alt, sein Haar war strähnig und sein Gesicht nass von Tränen und bunt von Schlägen. Seine Lippen waren geschwollen und seine Mundwinkel gerissen. Er wusste noch genau, wann dieses Foto aufgenommen wurde – und er wusste, dass Kabuto es gern gemocht hatte. Schön, hatte er ihn an diesem Tag genannt und viele Fotos gemacht.

Sasuke verschwendete keine Zeit sich übers Gesicht zu wischen, nahm das nächste Foto und schaute es einen Moment an, bevor er es umgedreht zurück aufs Bett schmiss. Er wollte nie wieder daran denken, wie er den Mann hatte mit dem Mund befriedigen müssen. Er wollte nie wieder Kabutos Stimme im Kopf haben. Nie wieder hören, wie er sagte er solle schön weitermachen, solle nicht aufhören, bloß nicht aufhören.

Sasuke wollte nie wieder das befriedigte Gesicht des Mannes seiner Alpträume sehen, aber das dritte Foto zeigte es in Nahaufnahme und Sasuke kam nicht umher es genau anzusehen und nichts als Angst zu verspüren. Seine Hand mit der er das Foto hielt ballte sich zur Faust. Da war doch was anderes als Angst. Etwas das langsam an die Oberfläche kam, aber vielleicht immer schon da gewesen war.

„Ich hasse dich“, flüsterte Sasuke, „Ich hasse dich so sehr.“
 

Er packte die Bilder, wollte sie gerade in den Umschlag stecken, um sie in den Müll zu werfen oder um sie in den Garten zu bringen, dort zu verbuddeln, dort verbrennen, als er die Schrift auf der Rückseite der drei Bilder wahrnahm. Er legte sie erneut auf die Bettdecke.
 

Heulend und blutend … - so hab ich dich immer am Liebsten gemocht. Davon hab ich mir eins in groß übers Bett gehängt, stand auf dem ersten mit Sasukes leidendem Gesicht. Er wusste, dass der es nicht getan hatte. Niemals hatte er sich eines der Bilder in groß an die Wand gehangen. Aber es erreichte die Wirkung, die es sicherlich hatte erreichen sollen. Sasuke hielt sich die Hand vor den Mund, zwang sich, nicht zu kotzen. Wie konnte jemand nur so krank sein?!

Er schloss die Augen, nur um sie wieder zu öffnen, um die Rückseite des zweiten Bildes zu lesen.

Wenn du meinen Schwanz gelutscht hast, warst du wenigstens zu was nütze. Machst du das bei deinem hübschen Freund auch brav? Falls nicht, solltest du vielleicht damit beginnen, sonst wirst du ihm nachher noch langweilig und er sieht wie nutzlos du bist, las Sasuke und heulte. Wie konnte der Scheißkerl über Itachi urteilen? Selbst wenn er recht damit hatte, dass Sasuke nutzlos war, er hatte nie und würde nie das Recht haben, so über Itachi zu sprechen. Itachi war … viel zu gut für Kabuto und Sasuke war fest entschlossen, dass sie einander nie begegnen durften. Nichts an Itachi durfte je durch Kabuto verunreinigt werden. Das war Sasuke ihm und sich selber schuldig. Er fuhr sich über die nassen Wangen und über die tränenden Augen, um die Rückseite des letzten Fotos zu lesen.
 

Ich seh’ dich bald, stand auf der Rückseite von Kabutos befriedigtem Gesicht. Sasuke fuhr sich erneut mit dem Handrücken über seine nassen Wangen. Er hoffte, dass es noch nicht vorbei war mit den ruhigen, schönen Tagen. Mit den Tagen ohne Kabuto. Aber er hatte das eisige Gefühl, dass es an dem war. Sasuke schaute aus dem Fenster und sah die Sonne hinter den Wolken verschwinden. Heute Abend sollte es gewittern.
 

~~
 

Kabuto genoss die Show. Er hatte einem perfekten Blick in das Zimmer des Bengels. Gewundert hatte es ihn, dass das Gör ein eigenes Zimmer hatte und ein so hübsches dazu. Mit kleinem Fernseher, Spielkonsole, einem älteren PC, stabilen Möbeln und persönlichen Stücken. Er fand der Bengel habe das nicht verdient. Nichts davon.

Umso mehr Spaß hatte er gehabt, das Geschenk für ihn da zulassen, dass der Mistkäfer so gerade eben gefunden hatte. Kabuto hatte eigentlich nur ein wenig spannen wollen. Er hatte sich denken können, dass Sasuke duschen ging, er hatte immer gerne geduscht, weswegen Kabuto oft Spielchen mit ihm getrieben hatte. Er erinnerte sich gerne zurück was dieser jämmerliche, kleine Mistkerl getan hatte, um duschen zu dürfen.

Kabuto beschaute Sasukes festen Hintern durchs Fenster, ehe dieser sich eine Shorts und eine Jogginghose drüber zog. Die Augenbraue Kabutos zog sich in Verwunderung hoch, als er bemerkte, dass der Oberkörper des Bengels nackt blieb. Soweit er sich zurück erinnerte, hatte der kleine Pisser es gehasst nackte Haut vor ihm zu zeigen, weswegen Kabuto ihn kaum mit Shirts oder Socken hatte in der Wohnung rumlaufen lassen. Jetzt sah er, dass ihm eine Jogginghose genügte. Er musste sich sicher fühlen, obwohl er all diese Narben trug. Aber das würde sich jetzt ändern. Kabuto grinste. Er griff nach einer Plastikflasche vom Boden des Autos, öffnete seine Hose, holte sein Glied raus und pinkelte in die Flasche. Das war längst überfällig gewesen!
 

Kabuto genoss das Bild des aufgelösten und heulenden Bengels auf dem Bett. Wie oft er ihn schon so gesehen hatte - und wie er des Anblickes nie satt wurde. Doch dann änderte sich etwas im Ausdruck des Mistkerls. Wenn er nicht wüsste, dass der Bengel immerzu feige und folgsam gewesen war, würde er glatt sagen, es sei eine Art Hass, die er aus der Ferne in Sasuke Augen sah. Kabuto lachte. Niemals! Dafür fürchtete ihn der Bengel zu sehr.
 

Kabuto lehnte sich im Sitz zurück. Er brauchte neue Kippen und was zu mampfen. Er startete den Motor, fuhr am Kiosk an, beim Burgerking, gab Rias Geld aus und fuhr zurück zur Wohnung des Uchiha-Schnösels. Wahrscheinlich frühstückten die beiden Freaks gerade, weswegen er auf der Straße vor dem Wohnhaus hielt, ausstieg, es sich auf der Rückbank bequem machte und mit Bedauern fest stellte, dass der kleiner Mistkerl Sasuke nicht mehr heulte.
 

~~
 

Er konnte das.

Weil Itachi da nichts mit zu tun hatte. Und weil Itachi alles für ihn tat.

Den Umschlag mit den Fotos hatte er sicher in seinem Zimmer verstaut. Er wollte nicht, dass Itachi aus Zufall auf sie stieß. Itachi sollte die Fotos gar nicht sehen. Nicht nur, weil Sasuke sich schämte, sondern auch, weil Itachi damit einfach nichts zu tun hatte. Er war es zwar, der ihn rettete – jeden Tag wieder, aber das war nicht sein Ding. Sasuke wusste, dass er schon vor Monaten hätte mit Itachi oder dessen Vater sprechen können; sie würden keinen Moment zögern, ihn rechtlich zu vertreten und Kabuto und Sasukes Mutter für das, was sie ihm angetan hatten, hinter Gittern zu bringen. Aber er wollte nur vergessen. Die letzten Monate hatte Kabuto ihn in Frieden gelassen und er was so naiv gewesen zu glauben, er könne aufgegeben haben. Sie eine andere Sache gesucht haben, die ihm Spaß bereitete, aber an dem war es natürlich nicht.

Dennoch musste Itachi von all dem nichts wissen. Sasuke wollte nicht, dass Itachi irgendwas mit diesem Menschen zu tun haben musste. Es war schlimm genug, dass Kabuto in Itachis Wohnung gewesen war, um ihm, Sasuke, etwas zu hinterlassen.
 

Sasuke warf einen Blick aus dem Fenster. Er fühlte sich beobachtet, aber auf der Straße standen nur ein paar leere Autos – da war niemand. Und eigentlich sollte er sich auch nicht fürchten. Er sollte stärker sein als das hier. Es gab nichts mehr das Kabuto ihm antun konnte, dass er nicht schon irgendwann einmal mit ihm getan hatte.

„Alles okay mit dir?“, fragte Itachi besorgt. Er stellt die Kaffeetasse, aus der er soeben getrunken hatte, zurück auf den Tisch.

„Mir geht’s gut.“ Sasuke war nicht ehrlich. Konnte einfach nicht ehrlich sein. Er würde Itachi da nicht mit reinziehen. Niemals! Auch nicht, obwohl er sich fürchtete wie schon lange nicht mehr.

„Ganz sicher?“

„Ganz sicher.“
 

Itachi nickte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihm zu glauben. Was sollte auch schon in der halben Stunde passiert sein, in der er weg gewesen war? Wahrscheinlich nichts.

Manchmal hatte Sasuke es eben, dass er traurig wirkte oder so als sei nicht alles okay mit ihm. Sasuke war jahrelang ganz allein durch die Hölle gegangen. Ohne auch nur einen Menschen, der da gewesen wäre, um ihm zu helfen. Das war nicht fair, aber es war nicht Itachi Schuld. Er verstand, wenn sasuke traurig war. Verstand es, wenn der Junge Zeit für sich brauchte oder einfach nicht so optimistisch und sorglos in die Zukunft blicken konnte, wie andere Jugendliche, aber er war nicht mehr allein. Itachi zwang ihn nicht zum reden, aber er war da, wenn der Junge ihn brauchte und er hoffte, dass Sasuke das wusste – dass er immer da sein würde.
 

„Was möchtest du heute machen?“, fragte Itachi um ein neues Thema zu beginnen und weil er fand, sie sollten den Sonntag nicht faul rumlungern, wenn Sasuke nicht gerade das tun wollte. Itachi hatte ihn in den Ferien öfters gefragt, was er tun wollte und auch wenn der Junge sich am Anfang schwer damit getan hatte, etwas auszuwählen, hatte er sich nachher dran gewöhnt und die ein oder andere Sache vorgeschlagen, die sie unternommen hatten.

„Ich weiß nicht“, gab er aber jetzt zu. Sie hatten so viel getan in den letzten sechs Wochen und auch wenn Sasuke wusste, dass all das Spaß gemacht hatte und er noch weit davon entfernt war alles gesehen und getan zu haben, was die Welt für ihn zu bieten hatte, wusste er jetzt ganz einfach nichts, was er vorschlagen konnte. Zu viel anderes spukte ihm durch den Kopf.

„Was hältst du davon, wenn wir meine Eltern heute Nachmittag besuchen gehen? Wir können Kuchen mitbringen.“

„Find ich gut.“ Fand er wirklich. Er mochte Itachis Eltern. Sie waren seine Familie geworden, auch wenn er sich nie trauen würde, das laut auszusprechen. Er hatte Angst vor einer Zurückweisung, auch wenn er wusste, dass Itachis Eltern ihn gern hatten. Aber er war nicht deren Sohn, das war Itachi, das war sein Privileg und Sasuke würde sich nie anmaßen, sich mit Ihm auf eine Stufe zu stellen.
 

~~
 

Kabuto fuhr weg, als er sah, dass der Uchiha-Schnösel und der kleine Pisser Sasuke sich fertig machten, um das Haus zu verlassen. Noch sollten sie ihn nicht sehen. Bald würde er sich Sasuke zeigen. Er hatte es ihm versprochen. Ich seh’ dich bald, hatte er geschrieben und er war gewillt sein Versprechen zu halten.

Er hatte viele Dinge vor und es war an der Zeit, dass er wieder Spaß hatte. Sasuke würde eine Weile beschäftigt sein. Mit ihm und seinem Libido. Ria und die Nutten waren nicht so gut wie dieser leidende Bengel.
 

~~
 

Itachis Eltern freuten sich über den Besuch ihren Sohnes und Sasukes. Sie mochten es, wenn die Jungen unangemeldet vorbei kamen, weil es ihnen zeigte, dass sie darauf vertrauten, rein gelassen zu werden. Und selbst wenn die Eltern nicht da waren, hatte Itachi immer noch einen Schlüssel für das Haus seiner Kindheit. Niemals würden sie ihm diesen wegnehmen.

Sie saßen zusammen im Garten, aßen Kuchen, tranken Kaffee und Saft und genossen die Sonne. Mikoto und Fugaku erzählten von ihrem Kurstrip nach Paris und fragten nach Itachis und Sasukes Urlaub. Nur kurz hatten sie mit ihnen telefoniert um sicherzugehen, dass sie sicher im Urlaubsland und eine Woche später daheim angekommen waren.

„Das Wetter war toll. Wir hatten nur Sonne, weißen Strand und türkises Wasser“, schwärmte Itachi, der Urlaub machen immer schon geliebt hatte. Seine Eltern hatten versucht ihm ein Stück der Welt zu zeigen, indem sie ihn viel mit in andere Länder nahmen. Itachi war sich sicher, Sasukes Vater hatte und hätte weiterhin das gleiche für ihn getan, denn er war, wie Sasuke erzählt hatte, immer viel gereist.

„Hat es dir auch gefallen, Sasuke?“, wollte Mikoto wissen und lehnte sich ein Stück nach vorne, um dem Jungen ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

„Ja. Es war wirklich toll. Ich… bin sehr dankbar…“, fing er unsicher an, weil er manchmal in der Gegenwart von Itachis Eltern immer noch nicht anderes konnte, wurde aber von Itachi unterbrochen: „Hör bloß auf mit dem ‚Ich bin sehr dankbar, dass Itachi mich mitgenommen hat’, okay?“ Er wollte das nicht hören. Darum ging es nicht. Er hatte das für Sasuke getan und trotzdem musste Sasuke ihm für nichts in der Welt dankbar sein. Er hasste das!

„Aber es ist so“, murmelte Sasuke, traute sich nicht ich zu entschuldigen oder lauter zu sprechen. Er war dankbar. Für alles. Sasuke dachte zurück an Kabuto, der in seinem Zimmer gewesen war, der in Itachis Wohnung gewesen war. Wenn er morgen vor Itachi heim kam, würde er putzen. Wer wusste, was der Kerl alles angefasst hatte.
 

„Itachi, sei nicht so grob“, tadelte ihn seine Mutter und lächelte Sasuke zu: „Aber er hat Recht. Du brauchst nicht dankbar sein.“

„Itachi war schließlich auch nie dankbar, dass wir ihn mit in den Urlaub genommen haben. Als Familie fährt man nun mal zusammen“, warf Itachi Vater grinsend ein und Sasuke nickte. Er würde nicht widersprechen.

Sasuke blickte hoch und sah Itachis Mutter aufstehen und ins Haus gehen, während Itachis Vater und Itachi begonnen hatten über die Arbeit zu sprechen. Sasuke blieb still daneben sitzen, bis Itachis Mutter mit einem Teller geschnittener Wassermelone zurückkam.

„Nachttisch?“, fragte Itachi, grinste verschmilzt, weil Wassermelone als Nachttisch zu Kuchen ein wirklich komisches Mittagessen war. Aber er war davon überzeugt, dass seine Mutter schon etwas Geniales zum Abendessen geplant hatte und er und Sasuke sicherlich eingeladen waren.

„Aber nur für brave Jungs.“ Sasuke wunderte sich, so schlagfertig kannte er Mikoto Uchiha nicht, aber wer war er schon über sie zu urteilen.

„Aw, Mama. Du darfst mich nicht an Sasuke messen. Das ist unfair.“ Itachi grinste ihm zu, um ihm zu zeigen, dass es nicht böse gemeint war. Nur ein Scherz. Ein dummer Scherz. Sasuke verstand die mittlerweile.

„Absolut nicht unfair, hab ich Recht, Fugaku?“

„Hundertprozentig.“
 

Itachi lachte. Er liebte es, wenn seine Eltern so waren. Er beobachtete seine Mutter dabei, wie sie den Teller mit Wassermelone auf den Tisch stellte, sich wieder auf ihren Platz setzte, Saft nachgoss und nach einem Stück Melone griff. Fugaku bediente sich ebenfalls.

„Möchtest du ein Stück Melone, Sasuke?“ Der Junge nickte und nahm sich eines. Er hatte bei Itachi diesen Sommer keine Wassermelone gegessen und auch schon Jahre davor nicht mehr. Er wusste, dass er die Frucht immer gemocht hatte, aber gerade in Irland war sie teuer und er hatte beim Einkauf nie vorgelassen eine mitzunehmen, selbst wenn er sich mittlerweile durchaus traute, die ein oder andere Leckerei in den Wagen zu packen. Er schaute zu wie Itachi ein Stück Melone stibitzte, seiner Mutter ein freches Grinsen zuschmiss und er fragte sich erneut, ob er es, unter anderen Umständen, je so mit seiner Mutter hätte haben können. Wenn sein Vater nicht krank geworden wäre, wenn sie vielleicht irgendwann komplett okay gewesen wäre, vielleicht hätten sie dann ähnlich miteinander umgehen können. Sasuke tat es Leid, das nie raus finden zu können.
 

„Schmeckt es dir?“, riss ihn Itachis Mutter aus seinen Gedanken, er nickte und nahm sich, als er das erste aufhatte, ein zweites Stück, ohne um Erlaubnis zu fragen. Er wusste, dass er das durfte und er wollte den Leuten zeigen, dass er kein hoffnungsloser Fall war. Er konnte das.

„Dann werden wir demnächst auch mal Wassermelone holen“, sagte Itachi, „Jedenfalls so lange es die noch im Supermarkt gibt. Aber zum Auto trägst du die.“

„Kriegst du die nicht weg?“, fragte Sasuke, sah aus dem Augenwinkel die verwunderten Blicke Itachis Eltern und das breite Grinsen in Itachis Gesicht, als er verstand, dass Sasuke mit ihm scherzte.
 

In diesem Moment war Itachi fest davon überzeugt, dass alles gut war und nur noch besser werden konnte. Er wusste nichts vom Gewitter heute Nacht und er ahnte nichts von den Dingen, die danach passierten sollten. Er ahnte nichts. Das war sein Fehler.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 22: oxytocin

Hallo,

wieder hat es lange gedauert und ich hab schon wieder Ferien, deswegen, und weil dies das vorletzte Catchkapitel vor dem schon fast fertigen Epilog ist, habt Hoffnung, dass Catch in den Herbstferien beendet wird. Deswegen hat es jetzt auch erstmal ein bisschen Vorrang vor Frei sein :)

Ich hoffe ihr habt auch nach der langen Wartezeit noch Spaß an Catch und freut euch über das neue Kapitel :)

Zur Info: Oxytocin ist das Hormon, dass z.B. der Körper eine Mutter bei der Geburt ihres Kindes, beim Säugen des Kindes, aber auch im allgemeinen ausschüttet. Gleichzeitig wird es auch das Liebes-Hormon genannt, weil es auch beim Sex oder beim Kuscheln ect. ausgeschüttet wird. Wie auch immer, es ist auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil in der Mutter-Kind-Beziehung, dementsprechend fand ich es hier sehr passend als Titel.

Liebe Grüße

Jessi :)
 


 


 

Kapitel 22: oxytocin

Being a mother is learning about strengths you didn't know you had,

and dealing with fears you didn't know existed.

- Linda Wooten
 

Sasukes erster Schultag in der Oberstufe sollte gut werden. Deswegen sorgte Itachi, obwohl er am selben Tag selbst wieder arbeiten musste, für ein gutes Frühstück. Mit heißem, frischem Kaffee, Tomaten für Sasuke und aufgebackenen Bagels mit Frischkäse ließ es sich am besten in den Tag starten, fand er. Während Sasuke noch aß, machte er ihm ein Lunchpaket. Sasuke hatte zwar auch Geld, um sich etwas in der Schulkantine zu holen, aber etwas frisches Obst, Cookies und ein Sandwich, wollte Itachi ihm wenigstens heute einpacken. Er wusste, dass Sasuke sich darüber freute. Viele seiner Kumpels bekamen solche Lunchpakete von zu Hause, hatte Naruto großmäulig an Sasukes Geburtstag erzählt, und gefragt, ob er nie Zeit hätte ihm eins mitzugeben. Dem würde er es zeigen. Itachi grinste. Er mochte Sasukes Freunde, sowohl den höflichen Gaara, als auch Naruto und seine Clique, die ihn so manches Mal an seine eigene Clique in seiner eigenen Schulzeit erinnerte.
 

Itachi fuhr Sasuke zur Schule, wünschte ihm viel Spaß und einen erfolgreichen ersten Schultag und wartete noch einen Moment, als Sasuke zum Gebäude ging, um seine Freunde zu begrüßen. Dann fuhr er weiter. Er musste rechtzeitig in der Kanzlei sein. Es gab viel wieder aufzuarbeiten. Die Klienten und die Fälle hatten keinen Urlaub gemacht. Weitere Fakten waren auf den Tisch gekommen, Verhandlungen hatten stattgefunden und er musste sich wieder in die Fälle einarbeiten, um seine Klienten vertreten zu können. Er hatte einen harten Tag vor sich, aber er freute sich schon darauf Sasuke am Nachmittag wieder zu sehen.
 

~~
 

Sasuke quatschte mit seinen Freunden bis es zum ersten Mal um fünf vor acht klingelte. Dann machten sie sich auf den Weg zum Sekretariat, um ihre Stundenpläne abzuholen. Sasuke brauchte einen Moment, um seinen Stundenplan zu verstehen. Der Blockunterricht war neu. Damals hatten sie jeden Tag andere Fächer gehabt. Ab der Oberstufe war das anders. Sie hatten nur noch sechs Fächer und die jeden Tag sechzig Minuten lang. In der ersten Stunde hatte Sasuke Englisch. Zu seiner großen Erleichterung war Gaara mit in dem Kurs. Er mochte es die Sicherheit zu haben, wenigsten einen aus seiner alten Klasse im Kurs zu haben. Das war nicht sichergestellt. Sie waren eine riesige Stufe, zusammengewürfelt aus sechs Klassen mit je fünfundzwanzig Schülern. Das war normal für diese Schule.

Der Kurs war klein. Wie viele andere Fächer wurden bei den Kursen nach Begabung entschieden. Diejenigen, die schlecht in Englisch waren, wählten Englisch A, die besseren Englisch B und die wirklich guten Schüler Englisch C. Sasuke war in Englisch C und in Mathe B, da waren auch Gaara und Naruto drin. Mit Sakura und Shikamaru hatte er in der dritten Stunde Literatur, dass nicht in A, B und C unterschieden wurde, weil es gar nicht so viele wählten. Geschichte B hatte er zusammen mit Sai, Gaara, TenTen und Neji. Nach der Mittagspause hatte er Politik C mit Naruto – der merkwürdigerweise in diesem Fach wirklich gut war, noch besser als in Sport – und mit Hinata.

In der letzten Stunde hatte Sasuke von Montag bis Freitag Irisch A, weil er einer der Schüler war, die in der Unterstufe kein Irisch hatten und es trotzdem lernen wollten. Sie fingen ganz am Anfang an und Sasuke war froh, gut rein zu kommen. Er wollte es für sich und er wollte seinem toten Vater den Wunsch erfüllen, diese Sprache zu lernen.

Als Sasuke am Ende der letzten Stunde auf seinen Stundenplan schaute, war er froh, dass es Montag war. Mittwoch und Donnerstag hatte er am Nachmittag einen Zusatzkurs Sport. Verfluchter Itachi, der ihn dazu überredet hatte. Sasuke wollte kein Sport wählen, weil er schlecht darin war, aber Itachi hatte verlangt, dass er wenigstens den Zusatzkurs belegte, der nicht zur Benotung hinzugezogen werden musste. Nicht weil er ihm schulisch so viel aufhalsen wollte, hatte er gesagt, sondern weil es nicht unüblich war, dass Schüler nach der Schule einen Zusatzkurs besuchten und weil es gut für seinen Körper war.

Ja, Sasuke war wirklich froh, dass heute Montag war und dass er nicht noch bis fünf in der Schule bleiben musste, um Sport zu machen. Oh, wie er sich doch irrte. An diesen Tagen hätte Itachi ihn von der Schule abgeholt. Aber heute war Montag. Heute musste er mit dem Bus nach Hause.
 

Sasuke stieg an der Haltestelle an der alten Mühle aus und schulterte seinen Rucksack. Er steckte seine Ohrstöpsel ins Ohr. Im Bus hatte er lieber mit Naruto gequatscht, der erst ein paar Stopps später raus musste. Der Schwarzhaarige ging an der alten Mühle vorbei, lächelte der Bäckereiverkäuferin, die ihm jeden Nachmittag zuwinkte, durchs Schaufenster zu. Sie war mit Itachi verwandt, aber Sasuke wusste nicht genau wie. Es musste die Tante von Fugaku sein, wenn er sich nicht ganz irrte. Aber sie war nett und Sasuke hatte sie gleich gemocht, als Itachi sie ihm vorgestellt hatte.

Als er um die Ecke bog, purzelte der Ipod aus seiner Jackentasche und er bückte sich, um ihn aufzuheben. Als er in der Hocke schaute, ob er noch okay war, spürte er einen Luftzug. Ein vorbeifahrendes Auto, nichts weiter. Aber ihm lief ein Schauer über den Rücken. Sasuke fuhr über die Scheibe seines Musikplayers. Sie war intakt. Er wollte sich gerade erheben, als er eine Autotür zuknallen hörte und sich erschreckte. Er schaute hoch und trat einen Schritt zurück. Das konnte nicht wahr sein. Bitte, flehte Sasuke stumm, geh weg, hau ab. Aber die Macht seiner Gedanken war nicht stark genug.
 

Kabuto trat näher, bis er irgendwann genau vor dem Jungen stand. Er war kein zu großer Mann, auch wenn es Sasuke sein halbes Leben lang so vorgekommen war. Aber er war gewachsen und jetzt war Kabuto nicht mal mehr einen Kopf größer als er. Aber Kabuto würde stärker sein. War er immer schon gewesen. Kämpfen brachte nichts. Das wusste Sasuke. Er blickte zurück. Er konnte laufen, bis zur Bäckerei von Itachis Großtante und sich da verstecken. Aber Kabuto würde ihm folgen und Sasuke wollte Itachis Familie nicht in Gefahr bringen. Das hier war sein Ding. Er war stark genug, um das allein durchzustehen. Er hoffte nur, dass Kabuto ihn nicht mitnehmen würde. Er wollte so sehr bei Itachi bleiben.

„Na, wen haben wir denn da?“, fragte Kabuto mit einem Grinsen. Er erwartete keine Antwort. Er gab sie selber. „Den kleinen Ausreißer.“

„Was willst du?“, stieß Sasuke aus. Konnte die Worte nicht zurückhalten, als Kabuto einen weiteren Schritt auf ihn zutrat. Sasuke drückte sich an die Hauswand des fremden Hauses. Zwei Straßen entfernt war sein Zuhause. Er wollte Heim.
 

~~
 

Als Itachi nach Fünf nach Hause kam, war die Wohnungstür abgeschlossen und es war still in der Wohnung. Er rief nach Sasuke, ging in die Küche und schaute nach einem Zettel, den der Junge ihm hinterlassen haben konnte. Er sollte schon seit Stunden Zuhause sein, aber seine Schuhe standen nicht im Flur, die Jacke hing nicht dort und auch sonst keine Spur des Teenagers. Itachi klopfte an dessen Zimmertür, öffnete obwohl niemand ihn hinein bat und musste feststellen, dass der Rucksack des Jungen nicht an seinem Platz stand. Wo war er? Itachi schloss die Tür wieder hinter sich, ging in die Küche, schnappte sich ein Glas, füllte es mit Wasser und setzte sich an den Esstisch. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und drückte Sasukes Namen in der Telefonliste. Es tutete – zweimal, dreimal, viermal, dann wurde er weggedrückt. Itachi wunderte sich. Das hatte Sasuke noch nie getan. Er drückte die Rufwiederholung. Dieses Mal kam ein anderer Ton, dann die Stimme einer Dame, die ihm mitteilte, dass ‚Kein Anschluss unter dieser Nummer’ existierte. Scheiße! Itachi pfefferte das Handy auf den Tisch, fischte eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an und erhob sich. Er trat ans Fenster, brauchte einen Moment, zog an der Zigarette, schnipste die Asche aus dem Fenster und drückte sie in den Aschenbecher. Was sollte er tun?
 

Itachi fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Er fühlte sich hilflos. Sasuke war immer erreichbar. Er hatte sein Handy immer an, drückte ihn nie weg und warum zum Teufel, sollte kein Anschluss unter dieser Nummer existieren, wenn es nur Sekunden zuvor noch geklingelt hatte! Itachi griff nach seinen Autoschlüsseln und entschied Sasukes Schulweg abzufahren. Vielleicht hatte er einen Unfall. Itachi sorgte sich.

Er fuhr den Weg bis zur Bushaltestelle, aber er sah nichts Auffälliges. Deswegen folgte er der Buslinie bis zur Schule, parkte dort den Wagen und betrat das Gebäude, um dort um Auskunft zu bitten. Er war froh, dass die Schule noch geöffnet war, musste aber feststellen, dass ihm im Sekretariat keiner mehr helfen konnte. Die Tür war verschlossen. Deswegen ging er weiter bis zum Lehrerzimmer und klopfte dort. Es war Kakashi, der ihm die Tür öffnete und verdutzt anblickte.

„Was tust du hier?“, fragte er.

„Oh Gott.“ Erst jetzt wurde Itachi bewusst, was wirklich los war. „Sasuke ist nicht nach Hause gekommen.“

Er verschränkte die Hände am Kinn, bis sie seinen Mund verdeckten und blickte hilflos drein. Warum war Sasuke nicht nach Hause gekommen? Was war passiert?

„Hast du Naruto angerufen? Die fahren doch immer zusammen nach Hause“, meinte Kakashi und zog ihn in das große Lehrerzimmer. Der Uchiha blickte sich nur flüchtig um. Nur noch wenig Leerpersonal war hier und die meisten von ihnen packten grad zusammen. Kakashi zog ihn zu einem leeren, runden Tisch und drückte ihn dort in einen der Stühle.

Er bemerkte Itachis Unruhe, stieß ihm mit dem Ellbogen gegen die Schulter, setzte sich dann gegenüber in einen Stuhl und sagte: „Beruhig dich Itachi. Beantworte meine Frage, okay?“

„Was?“

„Hast du Naruto angerufen?“

„Nein, hab ich nicht … Ich …“

„Dann ruf ihn jetzt an“, schlug der Hatake vor. Itachi zog sein Handy aus de Hosentasche, suchte Narutos Nummer in seiner Telefonliste und drückte auf Rufaufnahme. Er war froh, dass der Bengel ihm seine Nummer aufgeschwatzt hatte.
 

„Hallo?“, machte es vom anderen Ende der Leitung und Itachi atmete erleichtert auf. Wenigstens einer der sich meldete.

„Hallo, hier ist Itachi. Naruto, ich muss dich was fragen.“

„Was gibt’s?“

„Es geht um Sasuke. Ist er bei dir?“

„Nein. Wieso? Was ist mit ihm?“

„Ich hab keine Ahnung“, gab der Uchiha zu und fühlte sich dämlich. Er sollte Ahnung haben, wo Sasuke war und nicht dessen Freunde um Hilfe bitten müssen.

„Hören Sie. Er ist da ausgestiegen wo er immer aussteigt. Es gab kein Problem, Sasuke war gut drauf heute, den ganzen Tag. Er war okay, verstehen Sie?“

„Ja, ich versteh schon“, sagte Itachi und wurde sich bewusst, dass Naruto sensibler war als er immer gedacht hatte. „Danke, Naruto. Ich muss jetzt auflegen.“

„Ja, gut. Aber … ey, wenn was ist, melden sie sich.“

„Mach ich. Tschüss.“
 

Noch bevor er einen Abschiedsgruß Narutos entgegen nahm, legte er auf und schüttelte in Richtung Kakashi den Kopf.

„Er ist an der Haltestelle ausgestiegen, sagt Naruto. Scheiße, von da sind es nur ein paar Straßen! Was soll denn da passiert sein?!“ Er raufte sich die Haare und schaute erst wieder auf, als Kakashi ihm die Hand aufs Knie legte.

„Beruhig dich, Itachi. Du bleibst jetzt hier sitzen, ich gehe kurz ins Sekretariat und telefoniere ein bisschen rum. Er kann ja nicht einfach so verschwinden.“

Doch, dachte Itachi und schloss die Augen, als Kakashi den Raum verließ. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Sasuke war schon einmal so verschwunden und da war er viel jünger gewesen. Er war durchs soziale Netz gefallen und niemand hatte sich gekümmert. Er war niemandem wichtig genug gewesen, so lange nach ihm zu suchen, bis er gefunden war. Itachi wusste nicht, ob die Polizei eingeschalten gewesen war, was die Schule getan hatte, um ihn zu finden, aber er wusste, dass die Großeltern viele Jahre nicht mal gewusst hatten, dass ihr Enkel nicht mehr Zuhause lebte. Sasuke konnte einfach so verschwinden, wenn er sich nicht sicher fühlte, dass wusste Itachi. Aber er glaubte nicht, dass Sasuke es heute getan hatte. Er hätte doch Dinge mitgenommen von Zuhause, hätte seinen geliebten Kater nicht einfach da gelassen und Itachi klammerte sich an die Hoffnung, dass Sasuke nicht gegangen wäre, ohne ihm einen Brief zu hinterlassen. Itachi spürte das Brennen in den Augen. Er wollte Sasuke nicht verlieren. Nicht noch einmal. Dieser Junge war sein Leben. Er liebte ihn.
 

~~
 

Kakashi hatte mit Krankenhäusern telefoniert, mit Iruka bei dem Sasuke heute eine Stunde Geschichte gehabt hatte und danach bei Gaara Zuhause, um sicherzugehen, dass Sasuke dort nicht war. Danach fuhr er sich durch die Haare und schüttelte den Kopf. Es gab keinen Grund, dass Sasuke weglief. Kein Unfall war geschehen und die Story mit dem Handy war merkwürdig. Kakashi war sich sicher, dass Sasuke nicht von Zuhause abgehauen war. Aber er wusste nicht, wie er Itachi sagen sollte, was er dachte.

Er überwand sich, verließ das Sekretariat, dass er wieder abschloss, bevor er in das Lehrerzimmer zurückging und beruhigt feststellte, dass er und Itachi mittlerweile die einzigen Menschen hier drin waren.

„Wir fahren jetzt zur Polizei“, sagte Kakashi und versuchte ruhig zu wirken. Das brauchte Itachi jetzt. Jemanden, der für ihn die Ruhe bewarte.
 

Sie fuhren, jeder in seinem eigenen Auto, zur Polizeiwache und gaben dort eine Vermisstenanzeige auf. Kakashi erwähnte Sasukes Mutter und Kabuto, auch wenn er nicht wusste ob es was brachte und auch wenn er sich umso bewusster war, dass er damit Sasukes Vertrauen missbrauchte. Es war ihm Itachis Blick wert, er wollte Sasuke auch in Sicherheit wissen. Deswegen durften sie nichts verheimlichen und Itachi musste sich dessen auch bewusst sein.

Beide waren sie am Ende der Vernehmung erleichtert zu hören, dass man sie ernst nahm und dass man ihrer Vermisstenanzeige nachging. Die Polizisten rieten ihnen ruhig zu bleiben, zu Itachi und Sasuke nach Hause zu fahren, noch einmal mit Bekannten und Verwandten zu sprechen und Sasukes Zimmer nach Auffälligkeiten durchzusehen. Dinge, die ein Weglaufen ausschließen ließen, weil sie wussten, dass Sasuke diese Dinge nicht zurücklassen würde und gleichzeitig Dinge die auf sonst eine Weise ein Hinweis sein konnten.

„Melden sie sich mit jeder Winzigkeit. Das hier ist kein Spaß, besonders nicht bei der Vergangenheit des Jungen. Wir werden eine Streife losschicken und uns mit der leiblichen Mutter des Kindes in Verbindung setzten“, versprach der Beamte, bevor sie sich verabschiedeten und zu Itachi fuhren. Mittlerweile war der Uchiha etwas ruhiger und Zuhause angekommen zeugte nur noch die Zigarette die er sich mit zitternden Fingern anzündete von seiner Nervosität.
 

Er drückte den Stummel im Aschenbecher aus, setzte sich an den Esstisch und schrieb eine Liste für Kakashi, welche Leute er anrufen sollte. Er wusste dass es nichts brachte, aber er wollte den Anweisungen der Polizei Folge leisten. Deswegen gab er Kakashi die Liste und verschwand in Sasukes Zimmer und das zu tun, was der Beamte gesagt hatte. Er öffnete Schreibtischschubladen, schaute durch die Schubladen des Tisches neben dem Bett, schaltete Sasukes Computer ein, durchsuchte seine Regale, seinen Dokumente im PC und als er nichts fand, fühlte er sich umso schlechter. Er missbrauchte Sasukes Vertrauen, indem er durch seine Sachen wühlte, aber er konnte einfach nicht aufhören. Er wollte irgendwas finden, um seinen Jungen zu retten. Er konnte nicht ohne ihn leben. Itachi setzte sich in den Schreibtischstuhl und schaute auf den dunklen Computerbildschirm. Er stellte sich die Zukunft vor in dieser Wohnung, wenn Sasuke nicht wieder heim käme. Das Zimmer würde eine Weile lang so bleiben, aber irgendwann würden die Möbel verschwinden und Sasuke Stücke mit ihnen. Cian würde bleiben und alt werden mit Itachi, aber ohne denjenigen den er am meisten liebte. Es würde zerkratzte Sessel geben, aber Itachi konnte ihm nicht böse werden. Er blickte auf das Kätzchen, das das Schlafzimmer betrat und langsam auf ihn zukam, um schließlich auf seinen Schoß zu springen. Es schaute ihn an, als fragte es, wo sein Liebling wäre und Itachi konnte keine Antwort geben. Er drückte das Tierchen an seine Brust und zwang sich nicht zu weinen. Er mochte das Leben nicht, dass er sich vorstellte, aber ihm wurde bewusst, dass es Realität sein konnte.
 

~~
 

Sasuke gehorchte. Mit Schrecken hatte er feststellten müssen, dass Kabuto ihn immer noch im Griff hatte.

„Wenn du nicht in dieses verfickte Auto steigst, werde ich mir was Schönes für dein Tierchen einfallen lassen.“

„Wenn du nicht die Fresse hältst, bring ich deine Mutter um.“

„Wenn du deinen Arsch nicht auf dieses Scheißbett bewegst, hol ich mir den Arsch von deinem Freund.“

Sasuke war in das Auto gestiegen, er hatte geschwiegen und war auf das Bett gekrabbelt, in dem Kabuto ihn genommen, geschlagen und liegen gelassen hatte. Er käme wieder, es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Sasuke fürchtete um das Leben seiner Mutter, die im Wohnzimmer lag und schlief. Er fürchtete um Cian und Itachi, zu denen er fliehen und die er in Gefahr bringen würde.

Sasuke fuhr sich über die tränenden Augen. Er war stärker als das hier. Er wollte zwar Heim, aber er wusste, dass es nichts Wichtigeres im Leben gab, als diejenigen zu schützen, die er liebte. Seine Mutter hatte er immer geliebt. Vom ersten Moment an. Er hatte sie verehrt, weil sie schön war und oft so unnahbar. Um die Liebe seines Vaters hatte er nie kämpfen müssen. Die Liebe seiner Mutter war immer so viel ferner gewesen. So viel schwerer zu erreichen, aber er hatte nach ihr gelechzt, wie ein Durstiger in der Wüste nach Wasser.

Selbst nachdem sein Vater gestorben war, hatte er nicht aufhören können seine Mutter zu lieben. Sie war das einzige gewesen, was ihn hätte schützen können und selbst wenn sie es nicht getan hatte, hatte er sie gebraucht um zu überleben. Allein ihr Anblick hatte oft genügt um aufzustehen und weiterzuleben. Sasuke wusste nicht wieso genau und in den letzten Monaten hatte er sich oft einzureden versucht, er würde sie nicht lieben, aber er liebte sie. Er konnte nicht zulassen, dass ihr was geschah. Wie hatte er nur so lange Zeit fort sein und sie hier bei Kabuto zurücklassen können? Er fühlte sich schuldig, sie nicht vor diesem Mistkerl zu schützen, obwohl sie ihn selbst nie in Schutz genommen hatte.
 

Sasuke vergrub den Kopf in seinen Armen und versuchte seine Tränen zurückzuhalten, als er an seinen kleinen Kater und an Itachi dachte. Er liebte die beiden. Sie bedeuteten nach Hause kommen. Bei ihnen fühlte er sich gut und geboren. Er liebte sie. Genau deswegen konnte er nicht zu ihnen zurück, solange Kabuto frei war. Sasuke grinste traurig, obwohl es hier nichts zu lachen gab.

Er wusste, er war nicht mehr das Kind von damals und er wusste, er hatte das hier einmal überlebt. Er musste nur geduldig sein und durchhalten, irgendwann würde er heim kommen zu seiner neuen Familie die hoffentlich, hoffentlich auf ihn wartete und nicht die Liebe vergaß.
 

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Irgendwann war der kleine Kater wieder von seinem Schoß gesprungen und Itachi hatte in einem Moment des Wahnsinns nach dem Mülleimer gegriffen und durch das Papier und gewühlt um irgendwas zu finden, was ihm helfen konnte. Aber er fand nur Papier, Verpackungen von neuem Schulmaterial, ein paar verdorrte Blätter und eine leere Schachtel Kekse.

Itachi stellte den Eimer zurück an seinen Platz, erhob sich und blickte auf den Schrank des Jungen. Er wollte es nicht tun, wusste dass es falsch war, trotzdem öffnete er die Schranktüren. Er hockte sich hinunter, griff nach dem Karton in dem die Sachen von Sasukes Vater waren und setzte sich mit diesem auf Sasukes Bett. Dort öffnete er ihn und blickte durch die Fotos Sasukes Kindheit. Dieser Junge war sein Ein und Alles. Er musste ihn finden um nicht verrückt zu werden. Ohne Sasuke konnte er nicht leben.

Itachi beschaute ein Foto des fünf- oder sechsjährigen Sasukes. Sein Grinsen war so breit, dass auch Itachi Lächeln musste, während eine Träne über seine Wange lief und auf dass Polaroid tropfte. Bald war seine Sicht so verschwommen, dass er kaum mehr das Gesicht auf dem Foto ausmachen konnte, dass voll war mit Nutella. Wie man sich so versauen konnte, war Itachi ein Rätsel, aber er dankte Sasukes Vater für dieses Bild und nahm sich vor Sasuke zu fragen, ob er es vielleicht behalten durfte.
 

Es dauerte eine Weile, aber irgendwann war Itachi bereit das Foto beiseite zu legen und weiter durch die Bilder und Briefumschläge zu schauen, bis ihm ein Umschlag ins Auge fiel, der vorher nicht in der Schachtel gelegen hatte. Hastig öffnete er ihn und ließ den Inhalt auf die Bettdecke fallen. Sofort fiel ihm Sasukes Gesicht auf dem einen der drei Fotos ins Auge. Er nahm es und beschaute es, wie er das davor beschaut hatte. Wie traurig es war, das beide den gleichen Jungen zeigte. Das Nutellagesicht und dieser … geprügelte Junge.

Er hatte Sasukes Narben gesehen, mehr als einmal und hatte sie berührt, er hatte einen Einblick in Sasukes Seelenleben erhaschen dürfen und kannte den viel zu dünnen, verletzten und dreckigen Straßenjungen, der er gewesen waren, als sie einander kennen lernten, aber dieses Bild machte ihn so unsagbar traurig.

Er griff nach einem zweiten der Bilde und sah das Gesicht eines Mannes, von dem er glaubte, dass es Kabuto war. Er passte zu der Beschreibung des Mannes, die Sasuke ihm irgendwann an einem traurigen Abend gegeben hatte und Itachi fragte, sich, warum er ein Bild von ihm bewahrte.

Darauf keine Antwort findend, griff Itachi nach dem letzten der drei, das falsch herum auf die Bettdecke gefallen war und las den Text der ihm ebenda auffiel.

Wenn du meinen Schwanz gelutscht hast, warst du wenigstens zu was nütze. Machst du das bei deinem hübschen Freund auch brav? Falls nicht, solltest du vielleicht damit beginnen, sonst wirst du ihm nachher noch langweilig und er sieht wie nutzlos du bist, las Itachi und heulte. Wie konnte jemand so was über Sasuke denken? Er war nicht nutzlos und Itachi grauste der Gedanke, dass Sasuke das geglaubt haben konnte. Das er nutzlos war, wenn er keine Schwänze lutschte.
 

Itachi drehte das Foto um. Er konnte die Bilder gerade noch beiseite schmeißen, bevor er nach vorne zu Sasukes Mülleimer griff und seinen Magen in diesem entleerte. Er konnte nichts dafür. Er ekelte sich nicht vor Sasuke. Niemals. Aber es tat ihm so Leid. Wie dieses kleine Kind … Scheiße! Itachi schlug mit der Faust gegen den Bettrahmen des Bettes, wobei eines der Bilder herunterrutschte. Itachi blickte auf die beschriebene Rückseite von Kabutos Gesicht und musste feststellen dass darauf stand: Ich seh’ dich bald.
 

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Sasuke hatte nicht aufstehen wollen, aber seine Blase war so voll, dass er es nicht mehr aushielt. Er hatte Schmerzen, als er vom Bett krabbelte und sich in das Laken einwickelte. Beim gehen wurden sie noch schlimmer, aber es war nichts, was er nicht schon mal ausgehalten hatte. Er war nur wund, denn er blutete nicht. Das war gut.

Er schleppte sich ins Bad, erleichterte sich und trank einen Schluck aus dem Hahn. Wie schnell man sich wieder zurechtfand in einem Leben vor dem man vorher geflohen war. Aber dann wurde ihm bewusst, dass er selten das Bett verlassen hatte, ohne um Erlaubnis zu fragen, aus Angst etwas falsch zu machen. Es war ihm auch nicht erlaubt gewesen aus dem Hahn zu trinken, erinnerte er sich und hoffte, dass Kabuto es nicht bemerkte. Er mochte keine Schmerzen und er war weich geworden bei Itachi.

Sich vom dreckigen Waschbecken abwendend, verließ er das Bad und traf im Flur auf Kabuto, der gerade die Haustür rein kam und klirrend eine Türe voll Bierflaschen abstellte.

Schnellen Schrittes kam der Mann auf ihn zu, griff ihn fest am Oberarm und schrie ihn an, was er hier zu suchen hatte.

„Wolltest du fliehen, oder was? Du kleiner Drecksbengel!“ Er schlug ihm hart in den Rücken, um ihn dazu zu bewegen zurück ins Schlafzimmer zu gehen. Dort riss er ihm das Laken vom Körper und schmiss ihn wieder aufs Bett. Nackt lag Sasuke auf der fleckigen Matratze und schaute an die Zimmerdecke. Er wollte das hier nicht. Hatte es nie gewollt. Er spürte Kabutos schweren Körper auf seinem und fragte sich, wie er das als Kind hatte aushalten können.
 

„Du bist fett geworden, kleiner Mistkäfer. Hast dich wohl füttern lassen, wie eine kleine Made, hab ich recht? Was hat er dir leckeres gegeben?“

Sasuke wollte nicht zuhören. Er hasste Kabutos ekelhaftes Gerede. Deswegen drehte er den Kopf zur Seite. Er wollte Kabuto auch nicht sehen. Wollte ihn nicht spüren, gar nichts. Doch er konnte nicht verhindern, dass Kabuto ihm mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und begann das bisschen an Hüftspeck zu kneifen, dass er in den Wochen bei Itachi bekommen hatte. Er war nicht fett geworden, er war gesund. Das wollte er Kabuto sagen, aber er wagte es nicht. Er ließ sich kneifen, bis die Stelle an seiner Hüfte taub war.
 

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Itachi hatte Kakashi die Bilder nicht gezeigt. Er hatte sie zurückgepackt und war nicht Willens sie mit dem Hatake oder mit der Polizei zu teilen. Er wusste, dass er irgendwo die Adresse Kabutos oder Rias raus finden musste, aber dafür musste er Kakashi loswerden. Er hatte einen Bekannten, der konnte ihm dabei helfen, aber er wollte niemand anders mit rein ziehen. Er wusste, dass es vielleicht falsch war nicht mit der Polizei zu sprechen, aber er konnte nicht anders. Er musste das alleine tun. Es konnte ihm die Karriere kosten. Er nahm es in Kauf. Sasuke war sein Leben.
 

Kakashi würde nicht einfach fahren, deswegen bat Itachi ihn hier die Stellung zu halten, falls die Polizei anrief. Er selbst, sagte er, konnte nicht mehr einfach rum sitzen. Er würde selber ein wenig fahren und nach Sasuke suchen, das war schließlich nicht ganz gelogen. Er fuhr in die Innenstadt. Dort wusste er hatte Pein sein Büro. Pein, der Mann von Konan seiner Arbeitskollegin, war Detektiv und für den Gefallen, den Itachi einfordern wollte, genau richtig.

In sein Büro rein gebeten, setzte er sich in einen der Stühle vor dem Schreibtisch und sagte, ohne Schuld das er was Illegales erbat: „Ich brauche die Adresse von Ria Nakano.“
 

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Sasuke war wieder allein im Bett. Kabuto war gegangen, nachdem er fertig mit ihm gewesen war. Kurz danach hatte er die Haustüre zuschlagen hören. Hoffentlich blieb er lange fort. Vielleicht sogar über Nacht. Sasuke betete und irgendwann schlief er ein.

Er sah Ria nicht, die am Schlafzimmer vorbei auf Toilette ging und auf dem Rückweg am Türrahmen stehen blieb, einen Moment auf ihren Sohn blickte und dann in die Küche schlürfte um sich eine Flasche Bier zu holen. Sie setzte sich ans Fenster, trank und rauchte, bis sie schrie und weinte. Sie hatte das nicht gewollt! Sie war froh gewesen, dass ihr Sohn fort war. Sie hatte ihm nicht helfen können, hatte die Augen verschlossen und Kabuto mehr geliebt als ihr Kind. Sie tat es immer noch. Sie würde Kabuto immer mehr lieben. Kabuto war doch alles was ihr blieb. Kabuto und der Alkohol. Sie genoss den Sex mit ihm, auch wenn er nie auf ihre Bedürfnisse achtete, wie Kaine es vor so vielen Jahren getan hatte. Aber sie brauchte das gar nicht. Es machte keinen Unterschied. Sie würde schließlich auch nie wieder so sehr lieben, wie sie Kaine geliebt hatte. Er war ihr Leben gewesen und dann war er einfach gegangen, hatte sie mit seinen ach so geliebten Sohn alleine gelassen. Dieser verlogene Mistkerl. Er hatte sie immer beschützen wollen, hatte er gesagt und es doch nicht getan. Sie hatte sie zurückgelassen mit der Bürde eines Kindes, dass sie vielleicht irgendwann hätte lieben können, wenn er geblieben wäre. Für ihn hatte sie sich diese Mühe gegeben, denn er hatte ihr Kraft spendend zur Seite gestanden. Er hatte gesagt, dass sie über ihrer Vergangenheit stand. Sie konnte Dinge geben, die sie nie selbst bekommen hatte. Was für ein Lügner! Sie hatte es versucht. Aber es klappte nicht. Es gab eine Zeit da hatte sie ihren Sohn so sehr lieben wollten. Ria schrie.
 

Als sie ruhiger wurde, hörte sie Sasukes Weinen und folgte ihm. Ihr Sohn lag auf dem Bett, eingewickelt in ein dünnes, ehemals vielleicht weißes Bettlaken. Sie trat auf nackten Füßen näher ans Fußende des Bettes, au dem sie sich im Schneidersitz niederließ. Wie sie da saß, kam sie sich selbst beinahe wieder wie das Mädchen vor, dass sie einst gewesen war und dass nie Liebe vom allein erziehenden Vater und den vielen Brüdern bekommen hatte. Liebe … Liebe hat sie immer nur von Kaine bekommen. Vom Vater dieses Kindes, dass sie nicht mit der gleichen Liebe segnen konnte. Als sie ihn da liegen sah, fragte sie sich, was ihr fehlte.

„Mama“, hörte er ihre Stimme. Ihre Hand zuckte nach vorne, für einen Moment berührte sie seinen nackten Zeh, der unter dem Laken hervorblitzte, ehe sie ihre Hand zurückzog, als habe sie sich verbrannt. Sie schaute ihrem Sohn dabei zu, wie er sich aufsetzte und sie anschaute. In seinem Gesicht sah sie Schmerzen und ein Sehnsucht, dass sie nicht deuten konnte.

„Warum heulst du?“, fragte sie mit leiser, kratziger Stimme. Sie wusste nicht, warum sie mit ihm sprach. Sie bedeuteten einander doch nichts.
 

Sasuke wischte sich die Tränen von den Wangen. Wie sollte er seiner Mutter sagen, dass er nicht um sich weinte, sondern um sie?

„Du hast so geschrieen“, war das einzige was er raus bekam und fühlte sich, als müsse er sie schützen.

Vielleicht spürte sie seine Gefühle für das erste Mal im Leben, vielleicht wurde sie auch einfach nur irre, aber sie lachte bis sie weinte. Irgendwann krümmte sie sich auf dem Bett und er war kurz davor sie anzufassen um sie zu beruhigen, als sie sich wegdrehte und auf den Fußboden kotzte.

Sasuke roch den Gestank nach Bier und erinnerte sich an all die Tage in der Vergangenheit an denen er die Kotze seiner Mutter vom Boden gewischt hatte. Er kam nicht umhin, wütend zu sein.
 

Doch dann dachte er an seinen Vater und die Liebe, die er für seine Familie hatte. Sasuke wollte ihn stolz machen. Deswegen griff er nach der Wade seiner Mutter und drückte tröstend zu. Er war ein Mann, egal wie Kabuto zuvor seinen Körper geschunden hatte. Er machte ein tröstendes Geräusch und sagte immer wieder Phrasen wie: „Beruhig dich.“

„ … Wa … warum? …“, stammelte seine Mutter und er schloss kopfschüttelnd die Augen. Er wusste nicht warum. Es war nicht so, als hätte sie je etwas für ihn getan.
 

~~
 

Itachi klingelte. Er wusste nicht wieso. Es machte keinen Sinn, aber was sollte er sonst tun? Einbrechen?

Er würde mit Kabuto sprechen. Der Mann würde bekommen, was er wollte. Jede Summe, die er verlangte, würde es wert sein, solange er nur Sasuke zurückbekam. Scheiß auf sein Bootsrestaurant, er brauchte das nicht. Er brauchte nichts, außer der Gewissheit, dass Sasuke in Sicherheit war.

Es wunderte ihn, als nicht Kabuto öffnete, sondern eine Frau, die ihm gerade bis zur Brust reichte. War das Ria? Ja, er sah das junge Mädchen von den Bildern in dieser alten, traurigen Frau.

„Wer sind Sie?“, fragte sie. Ihre Stimme zitterte. Was Itachi nicht wusste, war dass sie sich in diesem Moment um Sasuke sorgte. Darum, ob Kabuto schon wieder einen Kerl hergeschickt hatte, der ihren Sohn für Geld fickte. Sie hatte das nie gemocht, die fremden Männer in ihrer Wohnung. Aber Kabuto wollte das und was Kabuto sagte, wurde getan. Dennoch wollte sie nicht allein sein, während ein Mann im Nebenzimmer ihren Sohn fickte.

„Mein Name ist von keinem Interesse. Ich bin hier um Sasuke …“ Er verstummte, als die Frau vor ihm wie eine Irre begann zu schreien. Er schaute geschockt zu, konnte nichts anderes tun und als er Sasuke aus einem Raum in den Flur treten sah, stieß er die Frau zur Seite, betrat die Wohnung und lief zu seinem Jungen. Er schlang die Arme um den Körper Sasukes und drückte ihn an sich. Es war egal, dass Sasuke nur dieses Laken um seinen Körper gewickelt trug, schon bald konnte er wieder seine Kleidung anziehen. Bei ihm war Sasuke in Sicherheit, dieses Mal sollte es für immer sein. Dieses Mal wollte Itachi sein Versprechen halten.
 

„Du solltest nicht hier sein“, hörte Itachi Sasuke Stimme und ließ los, obwohl es das schwerste zu sein schien, was er je im Leben getan hatte. Sasuke wollte ihn nicht hier haben? Warum?

„Warum?“, fragte er und trieb Sasuke beinahe die Tränen in die Augen. Sasuke wollte Itachi und seine Mutter und seinen kleinen, schutzlosen Kater doch nur schützen. Männer taten das. Er wollte diejenigen schützen, die er liebte.

„Ich will nicht, dass er dir was tut. Bitte geh, Itachi.“
 

Itachi schüttelte den Kopf. Er kämpft mit den Tränen, als er sich daran erinnerte, dass dies schon das vierte Mal war, dass Sasuke gegangen oder von ihm fortgeholt wurde. Das erste Mal kam er zurück, weil Itachi ihn schlicht drum gebeten hatte. Sie trafen einander im Cafe und Itachi hatte Sasukes Seele berührt. Das zweite Mal musste er auf ihn einreden, damit Sasuke nachgab. Die Kälte hatte ihn weich gemacht und Itachi ihn glaubend, dass es was gab, für dass es sich lohnte, mitzukommen. Das dritte Mal hatte er um ihn gekämpft. Mit dem Moment mit dem er Sasuke zu sich geholt hatte, war er erwachsen geworden, aber Sasuke war all das wert. Und er war es auch jetzt wieder wert. Aber dieses Mal, wurde Itachi jetzt bewusst, musste auch Sasuke um sich selber kämpfen. Denn sonst würde das hier nie ein Ende haben.

„Ich werde nicht gehen“, stellte er dennoch klar.
 

Ria blickte rüber zu den beiden Männern in ihrem Flur. Auf den Fremden und ihren Sohn. Ihr Sohn. Ihr stiegen Tränen in die Augen, als ihr bewusst wurde, wer sie war. Ihr Geist war nüchtern, ihr Augen klar. Sie trat einen Schritt nach vorne und griff nach dem Mann, der die Hand ihres Sohnes hielt.

„Was wollen Sie von ihm?“, fragte sie gerade heraus. Sie erkannte sich nicht wieder, aber gleichzeitig kam es ihr so natürlich vor, was sie tat. Es war wie eine neue Stärke, die sie in sich trug, seit dem Moment, in dem sie feststellte, dass sie eine Mutter war.

„Ich werde ihn nach Hause holen.“

„Sind Sie sein Freund? Tun sie ihm weh?“ Itachis Stirn legte sich in Falten. Er verstand diese Frau nicht, aber im Grunde war es egal. Er wollte nur Sasuke in Sicherheit wissen. Diese Frau bedeutete ihm nichts.

„Ja, ich bin sein Freund“, sagte er dennoch und zog Sasuke zu sich. Er war nicht grob, aber er wollte den Jungen in seiner Nähe wissen, dort wo er sich schützend vor ihn stellen konnte.
 

Furcht stieg in Ria auf. Eine Furcht die sie nicht kannte. Sie wollte nicht, dass dieser Mann ihrem Kind wehtat. Sie wollte nicht, dass ihm irgendwann wieder irgendwer Schaden zufügte. Für einen Moment war sie Mutter und das Oxytocin floss durch ihren Körper. Sie machte ein paar große Schritte nach vorne, griff nach dem Arm des Fremden und zog ihn mit einer Kraft, von der sie nicht wusste, dass sie sie besaß, vom ihrem Sohn fort.

„Was wollen Sie?“, schrie Itachi wütend und schlug ihre Hand beiseite.

„Hey“, machte Sasuke und schüttelte den Kopf, während er nach Itachis freier Hand griff und die drückte. Er spürte den Blick seiner Mutter auf sich und sah sie auf sich zukommen.

Sie griff nach seinem Gesicht und hielt es in ihren kleinen Händen.

„Wir gehen hier weg“, sagte sie und zog ihn ein Stück zu sich, von Itachi fort. Sasuke ließ es geschehen, ließ Itachis Hand jedoch nicht los. „Kabuto wird die nicht mehr wehtun. Und mir auch nicht mehr. Wir gehen weit von hier fort, woandershin. Und der kann dir auch nicht mehr tun.“ Sie zeigte in Richtung des Fremden, von dem sie glaubte, dass er ihren Sohn fickte, während er ihm Liebe versprach. So wie Kabuto es mit ihr tat.
 

Ria strich über Sasukes Wangen. Er roch ihren schalen Atem und spürte ihre raue Haut, aber für einen Moment genoss er die Liebe, die er nie zuvor von ihr bekommen hatte. Er löste seine Hand von Itachis und sah nicht dessen traurigen Blick. Er spürte nicht, dass Itachi glaubte, ihn verloren zu haben. Nun, ein für alle Zeit, weil er gerade entschieden hatte, mit seiner Mutter fort zugehen. Woandershin. Nicht wissend, dass Sasuke das gar nicht entschieden hatte, schaute Itachi zu, wie sein größter Schatz, die Arme um jene Frau legte, die ihn nie geboren hatte. Itachi legte den Kopf leicht schräg, um Sasuke besser ansehen zu können, aber der Junge hatte die Augen geschlossen. Itachi hatte den ganzen Tag über mit der Angst gelebt, Sasuke nie wieder zu sehen. Er war sich klar gewesen, ohne Sasuke nicht leben zu können. Aber das stimmte so nicht. Er konnte lernen ohne Sasuke zu leben, solange er ihn in Sicherheit wusste. Denn Sasuke war nicht sein Junge. Er liebte ihn, das war wahr, aber Sasuke gehörte ihm nicht. Wenn dieser Mann vor seinen Augen entschied fort zugehen, würde er ihn gehen lassen, aber er musste ihn in Sicherheit wissen und er musste wissen, dass das was Sasuke tat, jenes war, was er wollte.
 

„Mama“, hörte er Sasuke sagen und musste zusehen, wie der Junge ihre Hände in seine nahm. „Wir müssen hier weg. Itachi wird uns helfen.“ Er warf dem Mann einen Blick zu, doch seine Mutter hob ihre Hand in seiner, legte beide an seine Wange und sorgte dafür, dass er sie ansah.

„Niemand wird uns helfen. Vielleicht verspricht er dir die Welt, aber… einen Dreck tut er… er wird dir weiter wehtun. Immer, immer weiter. Er wird nie das, was du dir wünschst, dass er es wird.“ Kabuto. Sie hatte sich ein Leben mit ihm gewünscht. Eines, in dem er Kaine ersetzte.

„Holen Sie ein paar Sachen. Ich bringe sie weg von hier“, bot Itachi an. Er wollte das sein, was Sasuke sich von ihm wünschte. Auch wenn es ihm die Tränen in die Augen trieb, dass Sasuke mit seiner Mutter fortgehen wollte, respektierte er diese Entscheidung. Er glaubte immer noch, dass diese Frau nicht zu geben hatte für ihr Kind, aber er hatte sich von Sasuke gewünscht, dass er für sich selber kämpfte. Das tat er nun. Und er entschied selbst. Damit musste Itachi leben.
 

„Wohin?“, fragte Ria und beäugte ihn misstrauisch.

„Zuerst zu mir nach Hause. Sasuke wird ein paar Sachen brauchen, bevor wir entscheiden wo ich Sie beide hinbringe“, sagte Itachi und schaute an Sasuke vorbei gegen die Wand.

„Ich darf nicht mehr bei dir wohnen?“, hörte er Sasukes leise Stimme und blickte sofort in dessen Gesicht. Der Junge weinte.

„Warum möchtest du bei ihm bleiben?“, fragte seine Mutter und griff nach seinen Fingern, doch Sasuke verwehrte ihr eine Antwort, löste sich von ihr und ging ein paar Schritte auf Itachi zu.

„Warum darf ich nicht bleiben?“, fragte er und hatte längst vergessen, dass er eigentlich gewollt hatte, dass Itachi ging. Er hatte sein Zuhause nicht verlieren wollen. Nur seine Lieben in Sicherheit wissen, war ihm wichtiger gewesen. Aber jetzt war er verletzt und er wollte heim.

„Doch! Doch, du darfst bleiben, natürlich darfst du bleiben“, sagte Itachi schnell und wischte seine Tränen weg. „Ich dachte du willst … mit deiner Mutter gehen.“

„Nein. Ich will, dass sie sicher ist, dass Kabuto ihr nichts tun kann. Ich will nicht, dass er einem von euch weh tut.“

„Dann müssen wir jetzt hier weg. Hören Sie? Packen sie ein paar Sachen!“
 

Aber Ria ging nicht, um Sachen zu packen. Stattdessen trat sie einen Schritt näher auf Itachi zu und fragte ihn: „Lieben sie meinen Sohn?“

Itachi blickte Sasuke ins Gesicht, zog ihn zu sich und drückte ihn an seine Seite.

„Mehr als alles andere auf dieser Welt“, sagte er, schaute Sasuke eine Weile lang an und küsste seinen Schopf. „Er ist mein Leben. Ja, ich liebe ihren Sohn.“

„Gehen Sie. Hauen Sie ab. Los, verschwinden Sie. Verschwinde, Sasuke.“

„Mama“, sagte der, doch sie schüttelte den Kopf, eine Träne lief ihr übe die Wange, ehe sie sich abwandte und ihrem Sohn den Rücken zudrehte. Sie war eine Mutter. Dieses Gefühl würde sie nie wieder vergessen, aber es würde nicht bleiben. Sie bereute, nie um dieses Gefühl gekämpft zu haben, denn dieses – das wusste sie nun – war gewesen, was ihr immer gefehlt hatte.

„Mama“, rief Sasuke ihr hinterher und wollte sich von Itachi lösen, aber der festigte seinen Griff und zog den Jungen mit sich aus der Wohnung. Er verstand die Worte dieser Frau Gehen Sie, hatte sie gesagt und vielleicht wirklich gemeint, dass er gehen sollte. Hauen Sie ab, hatte sie gesagt und mit Sicherheit gemeint, dass er ihren Sohn retten sollte. Los, verschwinden Sie, hatte sie gesagt und vielleicht hatte sie ihm die Erlaubnis gegeben, ihr Kind zu lieben.

Verschwinde, Sasuke, hatte sie zu ihrem Sohn gesagt. Itachi strich Sasuke im dreckigen Hausflur über den dunklen Schopf. Er packte ihn an der Schulter, hielt das Laken fest, damit es nicht von Sasukes Körper rutschte und brachte ihn nach unten zu seinem Auto. Dort startete er den Motor und fuhr los.

Er schaute zur Seite. Sasuke hatte die Beine an den Körper gezogen und weinte. Mitleidig schaute er ihn eine Weile lang an, ehe die Ampel auf grün umsprang und er wieder losfuhr.

„Warum?“, murmelte Sasuke und immer wieder: „Warum?“, während er weinte. Er hatte seine Mutter verloren, die ihn vielleicht endlich hat lieben wollen. Er hatte sie verloren, weil sie sich wieder abgewandt und weil er sie im Stich gelassen hatte. Vielleicht konnte er die Antwort auf das Warum selber geben. Er war nicht stark genug. Er liebte Itachi zu sehr und er wollte heim, zu dem einzigen Zuhause, dass er heute noch kannte. Und Itachi liebte ihn. Itachi war Zuhause. Er hatte einfach nur nachgeben könnte. Sasuke fuhr sich über die Augen und schaute zur Seite, zu Itachi. Er hatte ihn wieder überzeugt. Aber vielleicht war das in Ordnung. Es war immer in Ordnung gekommen und eigentlich war von Anfang an klar gewesen, dass nur die Liebe ihn hatte retten können.
 

„Sie wollte dich in Sicherheit wissen“, sagte Itachi. Er parkte vor dem Mietshaus, in dem die gemeinsame Wohnung lag. Sasuke war heim.

Itachi griff rüber und nahm die kleinere Hand in seine. „Ich muss dir was sagen, Sasuke. Darf ich?“

Der Junge nickte. Itachi fuhr mit seinem Finger kosend über die Hand des Jungen.

„Heute wollte ich, dass du für dich selber einstehest. Du hast gekämpft und ich war bereit hinzunehmen, was du tun willst. Weil deine Entscheidung zählt. Auch jetzt. Wenn du willst, dass ich zurückfahre, fahre ich zurück und hole deine Mutter. Wenn du Anzeige erstatten willst, werden wir das tun. Wenn du willst, sage ich der Polizei sogar, dass du nur bei einem Kumpel warst und deine Mutter passiert nichts.“ Itachi wollte das nicht. Er wollte Gerechtigkeit. Aber er meinte seine Worte. Sasuke entschied, was passierte und Itachi würde ihm Folge leisten. Heute und für den Rest ihrer Zeit, würde Sasukes Meinung mindestens genauso viel zählen, wie die seine.

„Ich liebe dich, Sasuke, mein Schatz, und ich würde für immer für dich sorgen, aber ich möchte, dass du genauso gut ohne mich leben kannst. Du sollst, wann immer du möchtest sagen können, dass du mich nicht mehr willst, dass du gehst.“

„Ich will nicht gehen“, sagte Sasuke und lehnte sich rüber, um Itachi zu umarmen. Der Uchiha schloss ihn fest in die Arme und konnte nicht umhin, erneut den dunklen Haarschopf des Jungen zu küssen. Er war so erleichtert. Sasukes warmer Atem prickelte auf Itachis nacktem Hals und in ihm war bloß Liebe.
 

to be continued

by Jess-

Kapitel 23: all this time to love you

Hallo!

So … das war das letzte Kapitel vor dem Epilog und dieses Mal gings, wie versprochen, richtig schnell :) Ich hoffe ich hab Spaß an dem Kapitel und freut euch auf den Epilog, der ist eigentlich schon fertig, muss nur noch ein bisschen überarbeitet werden und kommt dann in den nächsten Tagen online :)

Liebe Grüße

Jessi ;)
 


 


 

Kapitel 23: all this time to love you

He took his pain and turned it into something beautiful.

–Hannah Harrington
 

Itachi hatte Sasuke im Hausflur gesagt, er solle direkt durch in sein Zimmer gehen, wenn sie die Wohnung betraten und etwas Anständiges anziehen. Kakashi war noch in der Wohnung und bevor Itachi nicht mit Sasuke geklärt hatte, wie viel er die Polizei und alle anderen Beteiligten wissen lassen wollte, musste der Junge auf niemanden treffen. Deswegen gab Itachi auch nur Entwarnung, erklärte nichts weiteres, bat Kakashi aber für ihn bei allen Bekannten, die Bescheid bekommen hatten, und bei der Polizei ebenfalls Entwarnung zu geben, während er sich um Sasuke kümmerte. Kakashi zweifelte, aber er wusste, dass Itachi immer nur das tat, was er am Besten für den Jungen glaubte, deswegen stimmte er zu und ging. Sobald der Hatake die Wohnung verlassen hatte, klopfte Itachi an Sasukes Zimmertür und kam herein, als der Junge es ihm erlaubte. Nur mit Jogginghose bekleidet saß dieser vor seinem Bett auf den Fußboden. Itachi war froh, die Fotos vorher weggeräumt zu haben. Er wollte Sasuke nicht mit denen konfrontieren, jetzt wo er eh so fertig mit den Nerven war.

„Hey“, machte der Uchiha dumpf und ließ sich neben Sasuke auf den Teppich sinken. „Warum sitzt du auf dem Boden?“

„Warum sitzt du auf dem Boden?“ Itachi grinste, obwohl es ihm eigentlich nicht danach zumute war.

„Ich weiß nicht. Wegen dir.“

„Ja“, meinte Sasuke und zog die Beine an. Itachi musterte ihn und bemerkte die Gänsehaut auf Sasukes Armen. Er zog die dünne Wolldecke vom Bett und legte sie um Sasukes Schultern.

„Nicht“, murrte der Junge und rutschte ein Stück nach vorne, wodurch die Decke auf den Boden rutschte. „Ich bin dreckig.“
 

Deswegen, dachte Itachi, der Mangel an Kleidung. Sasuke fühlte sich so beschmutzt, dass er nicht mal ein Shirt überzog oder auf seinem Bett Platz nahm. Der Uchiha blickte sich im Zimmer um und erkannte das Laken in der Ecke, wo sonst der Mülleimer stand. Er war erleichtert, daran gedacht zu haben, ihn in der Dusche ausgespült zu haben nach seinem Unfall mit selbigem. Wenn er trocken war, musste er daran denken, ihn zurück in das Zimmer des Jungen zu bringen.

„Du weißt, dass du duschen gehen kannst, wann immer du möchtest.“

„Ich dachte, ich soll das Zimmer nicht verlassen?“

Itachi bemerkte, sich zuvor im Flur falsch ausgedrückt zu haben und bereute es augenblicklich.

„Natürlich kannst du dein Zimmer verlassen. Du wohnst hier. Nichts hat sich geändert, hörst du? Ich hab nur gewollt, dass Kakashi weg ist, damit er dir keine dummen Fragen stellt.“

„Wie viel weiß er?“, fragte Sasuke, ohne darauf einzugehen, was Itachi vor der Sache mit Kakashi gesagt hatte.

„Nur dass du weg warst. Niemand außer uns beiden weiß Bescheid. Es ist deine Entscheidung, was passiert. Aber darüber können wir später noch reden.“ Itachi erhob sich und trat zum Schreibtisch, um das Laken daneben aufzuheben.

„Ich werde es um die Ecke zu den Mülltonnen bringen, wenn du möchtest, kannst du in der Zeit duschen.“
 

Damit verließ Itachi das Zimmer, schnappte sich im Flur die Hausschlüssel und ging los, um das Laken wegzuschmeißen. Er wollte es nicht in seiner Wohnung haben und konnte sich vorstellen das Sasuke ähnlich empfand. Gleichzeitig wollte er dem Jungen ein wenig Raum geben, ohne zu weit und zu lange fort zu sein. Er wusste, dass er vorsichtig sein musste mit Sasuke, aber er wollte ihn nicht wie ein rohes Ei behandeln. Sie hatten so viel gemeinsam durch gestanden und würden sich auch hiervon nicht unterkriegen lassen. Dennoch hatte Sasuke gelitten und Itachi wusste nicht genau, was ihm widerfahren war bei seiner Mutter und Kabuto. Es waren nur ein paar Stunden gewesen, die der Junge in dieser dreckigen, verkommenen Wohnung verbracht hatte, aber Kabuto – dieser Mistkerl – konnte ihn verletzt haben. Er durfte Sasuke heute nicht zu lange alleine lassen, aber er musste ihm zeigen, dass er frei war. Itachi genoss die kühle Luft. Es würde schon irgendwie klappen. Sie konnten das.
 

Itachi schmiss das Laken in einen der Container und machte sich zurück auf den Weg nach Hause. Er hatte sich Zeit gelassen, obwohl die Mülltonnen nicht weit weg waren. Itachi hörte kein Wasserrauschen, als er die Wohnung betrat, deswegen klopfte er erneut an Sasukes Zimmertür und wurde erneut hereingebeten. Der Junge lag nun auf dem Bett, eingewickelt in die dünne Wolldecke, aber seine Schultern waren noch immer nackt. Itachi hockte sich vor das Bett nieder. Er wollte Sasuke nicht zu nahe treten, indem er einfach sein Bett mit in Anspruch nahm, während er nicht wusste, was genau passiert war in Rias Wohnung.

Doch es war Sasuke Hand die nach seiner griff und zudrückte. Itachi lächelte traurig und koste die weiche Haut der Oberfläche mit seinem Daumen.

„Wie geht es dir?“, wagte er zu fragen, doch Sasuke schüttelte den Kopf. Er hatte darauf keine Antwort. Stattdessen zog er an seiner Hand und rückte gleichzeitig ein Stück nach hinten, um Itachi Platz auf seinem Bett zu machen. Sie hatten niemals zuvor zusammen hier gelegen, immer nur in Itachi größerem Bett. Aber Sasuke wollte die Nähe des Älteren. Er brauchte ihn und hoffte mit allem was er hatte, dass Itachi sich nicht so sehr vor ihm ekelte. Oder wenigstens für den Moment seinen Ekel überwinden konnte, um Sasuke ein wenig Trost zu geben.
 

Der Uchiha zögerte keinen Augenblick mehr, schwang sich neben Sasuke aufs Bett und legte sich nieder. Er stützte sich auf einem Ellbogen ab und legte die Hand des anderen Armes auf Sasukes, mit der Wolldecke bedeckten, Seite.

„Möchtest du ein bisschen schlafen?“, fragte Itachi und versicherte sofort: „Ich bleibe auch bei dir, wenn du das möchtest.“

„Nein. Ich bin nicht müde.“

„Okay. Das ist okay. Wir können auch einfach hier liegen. Wir können reden.“

„Du musst dir das nicht anhören“, murmelte Sasuke, nachdem er seinen Kopf gegen Itachis Brust gedrückt hatte und mit geschlossenen Augen dalag. Es war nicht so, dass er Kabutos Gesicht vor Augen hatte, aber er erinnerte sich an die Dinge, die der Kerl mit ihm getan hatte. Sasuke legte seine Arme um Itachi und drückte sich an ihn. Er fühlte sich sicher. Beschützt. Bei Itachi hatte er sich immer wohl gefühlt.
 

Sasuke dachte an seine Träume und mit der Zeit überschatteten die Bilder seiner Träume, die der Realität in der Kabuto ihn genommen hatte, aber er fühlte noch immer die Hände, dort wo er ihn berührt hatte. Die Stelle an seiner Hüfte, an der Kabuto ihn gekniffen hatte, war immer noch taub. Er fühlte sich noch immer dreckig, obwohl er duschen gewesen war, während Itachi das Laken fortgebracht hatte.

Der Junge schüttelte den Kopf. Er wollte Kabuto nicht mehr spüren. Er versuchte im Wachen zu träumen, aber das war ihm nicht möglich. Er dachte an all die Bilder einer Träume, an Itachis Berührungen und seine Küsse.

Itachi, der sagte, dass er ihn liebte. Aber auch der reale Itachi sagte das. Da war Liebe. Und nur Liebe konnte ihn retten.
 

Er wollte Itachi. Er wollte ihn spüren. Der Gedanke erschreckte ihn nicht. Eigentlich hatte er es schon länger gewusst. Der Kuss im Urlaub war gut gewesen, auch wenn er ihm eine Heidenangst gemacht hatte, Itachi könnte ihn nicht mehr wollen, weil er zu weit gegangen war. Und Itachis Berührungen fühlten sich gut an. Er genoss es in seinen Amen zu liegen und jede Nacht neben Itachi einzuschlafen. Er liebte Itachi. Und er wollte ihn.
 

„Lass es uns tun“, sagte er und war über seine eigenen Worte erstaunt. Aber es war wahr. Eine Dusche half nicht gegen das Gefühl dreckig zu sein. Nichts hatte ihn retten können. Aber die Liebe konnte es. Vielleicht konnte Itachi dafür sorgen, dass er rein wurde.

„Worüber redest du?“, fragte Itachi, während er über Sasukes Arme fuhr. Er hatte keinen Plan wovon der Junge sprach.

„Ich bin sauber“, brabbelte Sasuke. „Wir haben die Tests gemacht und ich hab mich geduscht. Ich würde nie … und du kannst ein Kondom benutzten.“

„Nein“, hauchte Itachi. „Nein, nein. Das hab ich nicht gewollt, Sasuke.“ Er drückte den Jungen enger an sich und spürte dessen Tränen, als sein Shirt, da wo Sasukes Kopf an seine Brust gedrückt war, feucht wurde.

„Ich gehe noch mal duschen, Itachi. Ich … ich brauche dich.“

„Du musst mir nichts beweisen“, sagte Itachi und machte einen beruhigenden Laut, während er über Sasukes Haarschopf fuhr. „Ich habe dir nicht gesagt, dass ich dich liebe, damit wir’s tun, sondern weil es die Wahrheit ist, Sasuke. Ich liebe dich. Selbst wenn wir es nie tun würden.“
 

„Ich will dir nichts beweisen.“ Sasuke schniefte. „Bitte … bitte, Itachi. Ich möchte das wirklich.“

Itachi wusste, was er tun sollte. Tun musste. Er sollte weiterhin standhaft bleiben. Er sollte Sasuke trösten und ihm gleichzeitig beweisen, dass sie keinen Sex haben musste, nur weil er ihm gestanden hatte, dass er ihn liebte. Er war der Erwachsene. Er war derjenige, der ganz war. Sasuke hatte Schlimmes erlebt. Vielleicht war er wieder vergewaltigt wurden. Aber irgendwie kam Itachi nicht umher, dem Jungen in seinem Armen zu glauben. Dem Mann in seinen Armen. Wenn er nicht standhalten konnte, sollte er aufhören, Sasuke als Jungen zu bezeichnen.

Itachi spürte Sasuke an sich herabrutschen und dessen Finger an seiner Gürtelschnalle. Ungeschickt öffneten sie diese und dann seine Jeanshose.

„Lass“, sagte Itachi, während er seine langsam wachsende Erektion nicht unterdrücken konnte. Er dachte an seine Träume und an den Kuss im Urlaub. Er sollte wegrutschen und Sasuke zum Aufhören zwingen. Aber er konnte es einfach nicht.
 

Sasukes Finger strichen über die stoffbedeckte Beule in seiner Shorts und Itachi konnte nicht verhindern, dass sein Glied weiter anschwoll. Er liebte Sasuke und er hatte zu oft von ihm geträumt und von Dingen, die sie taten. Er konnte jetzt nicht hier liegen und nicht erregt sein.

Itachi fuhr über Sasukes Wange und brachte ihn dazu, in sein Gesicht zu blicken. Als er sicher war, dass Sasuke nicht sofort wegschaute, nahm er dessen Hand in seiner und führte sie ein Stück weg von seiner Hose.

„Warum willst du das?“ Itachis Stimme war fest, aber er sah an Sasukes Gesicht, dass er weitermachen wollte. Dennoch musste Itachi sich sicher sein, dass das was sie im Begriff zu tun waren, aus dem Richtigen heraus entstand.

„Ich zwinge dich nicht, aufzuhören. Wir können all das tun, was du tun möchtest, aber wir müssen zuerst rede. Ich habe Verantwortung. Ich bin nicht bereit, sie komplett aufzugeben.“

„Okay“, sagte Sasuke und nickte.

„Okay.“ Itachi strich ihm erneut über die Wange, ehe er sein Kopf auf dem Kissen betete, sich auf den Rücken rollte und Sasuke an seine Schulter zog, ehe er die Decke nahm, um seinen offenen Hosenstall samt Beule in der Shorts zu verdecken.

„Also“, sagte er sanft, „Warum willst du das?“

„Duschen hilft nicht. Nicht nach den Dingen, die … der Mistkerl … mit mir gemacht hat. Liebe hilft“, erklärte Sasuke, als würde das alles sofort Sinn machen. Er wusste, dass es für Itachi nicht so war, deswegen fuhr er über dessen Unterarm, weil dort nackte Haut war, die er sicherlich berühren durfte, auch während sie redeten.
 

„Ich fühl mich benutzt. Dreckig, verstehst du? Aber duschen hilft nicht. Ich… ich hab von dir geträumt. Viele Male und deine Berührungen haben sich immer sicher angefühlt.“

„Und deswegen willst du mich berühren?“, fragte Itachi, der Sasukes streichelnde Hand auf seinem nackten Arm bemerkt hatte.

„Ja. Und ich will Kabuto nicht mehr spüren. Ich will dich spüren, Itachi. Du bist so viel besser als das, ich weiß und ich weiß, dass es so viel ist, worum ich dich bitte, aber … ich brauche dich.“

„Wir sind besser als das, hörst du?“, sagte Itachi und küsste Sasukes Stirn. Er meinte Sasuke altes Zuhause und Ria und am allermeisten die Dinge die Kabuto mit dem Körper seines größten Schatzes getan hatte.
 

Itachi zog die Decke ein Stück von Sasukes Schultern und fuhr über die nackte Haut, bis Sasuke eine Gänsehaut bekam.

„Fühlt sich das gut an?“

„Ja.“ Sasuke nickte zustimmen und rollte sich auf den Rücken, während er Itachi mit sich zog, der nicht umhin kam, sich wieder auf seinem Ellbogen aufzustützen und ein Stück auf Sasuke hinab zu blicken. Itachi störte sich nicht an seinem offenen Hosenstall. Er lehnte sich hinab, um Sasukes Schulter zu küssen und dann seine Brust. Wenn der Junge seine Berührungen brauchte, bekam er sie. Nun verstand Itachi und er wollte alles tun, was zu Sasukes Heilung beitrug. Und er wollte es doch auch, warum sollte er sich selbst belügen. Seine Erektion sprach dafür. Sie konnte er nicht lügen strafen.

Er hob seinen Kopf, blickte Sasuke in die Augen und fragte: „Möchtest du mich küssen?“
 

Der junge Mann in seinen Armen grinste und hob seinen Kopf, um Itachi entgegen zu kommen. Seine Berührungen waren Heilung. Er brauchte sie. Aber vielleicht ging es nicht um Heilung allein. Vielleicht ging es auch um Liebe. Und als ihm seine grinsenden Lippen bewusst wurden, mit denen er Itachi küsste, glaubte er, dass es auch irgendwann um Spaß gehen konnte. Er wollte das hier. Es war nicht verwerflich was sie taten. Nichts Verbotenes und nichts Böses, wie alles, was Kabuto mit seinem Körper angestellt hatte. Itachi war … der Mann, den er liebte.
 

Sasuke hob seine Arme und legte sie auf Itachis Rücken. Er spürte Muskeln und Sicherheit und zog ihn näher an sich, wobei ihre Oberkörper einander berührten und er Itachis Erregung an seiner Hüfte spürte. Aber es war okay. Er wollte das. Sasuke küsste Itachis Wange. Er liebte diesen Mann.

„Ich liebe dich“, sagte er und ein Stöhnen war in seiner Stimme, als Itachi über seine Seite fuhr und er nichts dafür konnte, dass sich auch in seiner Shorts eine Beule bildete. Es war nicht wie in seinen Träumen. Es war ein wenig ungeschickter, denn sie pausierten und fragten um Erlaubnis, aber es war nicht weniger schön, denn es war real und es war immer noch gut und sicher. Es war immer noch Itachi, mit dem er es tat.
 

Durch diese Gewissheit mutiger, rutschten Sasukes Hände erneut nach unten und berührten Itachis stoffbedecktes Glied. Er hoffte, Itachi mochte seine Berührungen, küsste die nackte Haut an seinem Hals und als er ihn Stöhnen hörte, machte sich Sasukes daran, seine Jogginghose, samt Shorts herunterzuziehen, damit Itachi leichteren Zugang zu seiner intimsten Stelle hatte. Ratlos blickte Sasuke den Älteren an, als dieser seine Hände in ihrem Tun stoppte. Warum wollte Itachi das nicht? War er ihm doch zu schmutzig, glaubte er vielleicht Sasuke habe Kabuto nicht anständig aus sich raus gewaschen? Er hatte es getan. Sonst hätte er Itachi doch niemals darum gebeten, mit ihm intim zu werden. Das Letzte, was Sasuke wollte, war Itachi mit Kabuto zu beschmutzen.

„Wir sollten heute nicht soweit gehen“, sagte Itachi leise, aber mit Liebe in der Stimme. Er lehnte sich hinunter und küsste Sasukes Brust. „Es gibt viele andere Wege um sich Erleichterung zu verschaffen.“ Er konnte sich vorstelle, warum Sasuke seine Hose runter ziehen wollte, da Itachi bewusst war, welche sexuellen Erfahrungen dieser junge Mann in seinen Armen hatte machen müssen. Es war nie darum gegangen, ihm Lust zu verschaffen, so viel konnte sich Itachi denken. Aber hier, bei dem was sie hier taten, ging es nicht darum, dass der eine dem anderen leichteren Zugang beschaffte. Das hieß nicht, dass Itachi nicht irgendwann seine Shorts ausziehen würde, oder Sasukes Hose runter zog, es hieß schlicht, dass sie langsam machten und wenn einer von ihnen beiden soweit war, konnte man auch großartig nur mit den Händen und mit Küssen zum Höhepunkt kommen.
 

Itachi war sich bewusst, dass er, wenn er begann mit Sasuke intim zu werden und sie daran festhielten, dem Jungen – er konnte noch nicht ganz aufhören, so von Sasuke zu denken – viel beizubringen hatte. Er musste ihm zeigen, dass Sex eine beidseitige Sache war und nicht der eine sich dem anderen präsentierte. Er wollte ihm den Spaß an der Sache zeigen und dass es schön sein konnte, wenn Liebe im Spiel war. Er wollte ihm Zärtlichkeit geben und Sasuke beweisen, dass Sex keine rein körperliche Angelegenheit war. Sie würde reden und lachen und vielleicht auch mal weinen, während sie lernten miteinander intim zu sein, aber all das hatte Zeit. Heute ging es darum, dass Sasuke sich sicher fühlte und solange er das hier in Itachis Armen tat, würde der Uchiha nicht aufhören.

Er lehnte sich erneut hinunter, um Sasukes Brust mit küssen zu bedecken, während er die Finger des Jungen an seinem Rücken spürte. Sie malten ein unsicheres Muster, aber Itachi genoss es. Er spürte, dass dies Dinge waren, die Sasuke nie bei Kabuto getan hatte. Seine Berührungen mochten ein wenig ungeschickt sein, aber sie waren ihm eigen und nicht etwas, was er hatte tun müssen, um Kabuto Erleichterung zu verschaffen.
 

Dennoch war Sasuke beunruhig und verunsichert, dass Itachi nicht mit ihm schlafen wollte. Sasuke wusste, dass Itachi nicht Kabuto war und das was sie hier taten, etwas völlig anderes, als er mit Kabuto getan hatte, aber Sex war für ihn bisher immer darum gegangen, dass der andere Höhepunkt kam und dies war bisher immer nur dann passiert, wenn Kabuto ihn entweder genommen oder seinen Mund benutzt hatte. Vielleicht, schoss es Sasuke dann durch den Kopf, meinte Itachi dass, mit andere Wege um sich Erleichterung zu verschaffen und versteifte sich einen Augenblick. Er hatte es nie gemocht, wenn Kabuto ihn dazu gezwungen hatte, ihn mit dem Mund zu befriedigen, aber für Itachi würde er es tun. Seine Finger stoppten in ihren Bewegungen und seine Hände legten sich flach auf Itachis Rücken. Itachi wäre bestimmt sanfter.

Einen Moment lang schloss Sasuke die Augen und versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Itachi dies von ihm wollen konnte. Dann spürte er den Mund des Älteren auf seiner Wange, direkt dort unter dem geschlossenen Auge und bemerkte, dass er angefangen hatte, zu weinen. Sofort öffnete er die Lider und gleichsam seine Lippen, um sich zu entschuldigen für seine dummen, dummen Tränen.

„Es tut mir so Leid, Itachi. Ich … ich …“, er wusste nichts zu sagen. Er wollte nicht, dass Itachi dachte, er wäre nicht bereit. Okay, vielleicht war er nicht bereit, nicht für alles, aber er wollte so gerne. Er liebte Itachi, er tat es wirklich. Das war keine Sache, die er sich und ihm erzählte, um Itachi zu genügen und das hier war nichts, womit der dem Älteren etwas beweisen wollte. Sasuke war ehrlich gewesen, als er gesagt hatte, er bräuchte Itachi, weil er wirklich glaubte, dass nur das hier – und Itachis Liebe – ihn retten konnten.
 

Itachi gab einen tröstenden Laut von sich, legte sich wieder ein Stück zur Seite und zog Sasuke an seine Brust. „Dir muss nicht Leid tun, du hast nichts falsch gemacht. Shhshh, es ist alles in Ordnung.“ Erneut wurde sein Shirt an der Brust nass, aber das war nicht schlimm. Er strich über Sasukes nackten Rücken und lauschte den Worten des Jungen.

„Ich wollte nicht weinen. Ich … hab nur an Kabuto gedacht und …“ Sasuke stockte, als ihm klar wurde, was er da gerade sagte und entschuldigte sich erneut.

„Du bist nicht wie Kabuto und ich weiß das. Nichts was wir hier tun erinnert mich wirklich an ihn, aber … ich werds versuchen, okay?“

„Was willst du versuchen?“, fragte Itachi verwirrt. Sasuke murmelte etwas gegen Itachis Brust, ehe ihm einfiel, dass der Ältere ihn so ja gar nicht verstehen konnte. Deswegen rückte er ein Stück zurück, wiederholte: „Ihn in den Mund zu nehmen“, und wunderte sich, warum er so unsicher dabei klang. Klar, er war sich nicht sicher, ob er es schaffen würde, ohne zu würgen und ohne dass er wieder heulen musste, aber an sich hatte er das doch schon etliche Male getan. Kein Grund, verschämt zu sein.
 

Auch Itachi wurde klar, wie unsicher und gleichzeitig abgeklärt Sasuke war. Niemand, mit dem Itachi je intim gewesen war, hätte sich getraut, ihm so einen Blowjob anzubieten. Wenn dann war es einfach so passiert. Aber gleichzeitig hatte er auch noch nie jemanden in seinen Armen liegen gehabt, der gleichzeitig weinte und dennoch erregt war. Es war eine skurrile Situation, in der Itachi erkannte, wie vorsichtig er wirklich mit Sasuke und ihrer Sexualität umgehen musste. Gerade weil der Junge schon so viel Schlechtes erlebt hatte und weil seinem Körper schon so viel Schlechtes widerfahren war, war er verunsichert. Er kannte es wahrscheinlich nicht, dass es beim Sex nicht nur darum ging, dass der Andere Erleichterung verspürte, während Sasuke sich benutzt vorkam. Er strich dem Jungen über en dunklen Schopf und schaute ihn an. Er wollte, dass das mit ihnen klappte, aber nicht um jeden Preis. Und nur weil er Sasuke glaubte, dass er das auch wollte, hörte er nicht auf. Stattdessen suchte er mit seinem Mund den des Jüngeren und küsste ihn hauchzart auf die geschlossenen Lippen.

„Wir haben alle Zeit der Welt“, sagte er direkt nach seinem Kuss, ohne sich mehr als ein paar Millimeter zurückzuziehen. „Und ich habe vor meine mit dir zu verbringen.“
 

~~
 

Am nächsten Morgen ging es Sasuke besser. Keiner von ihnen war in der vergangenen Nacht mehr zum Höhepunkt gekommen, aber das war gar nicht wichtig. Sie hatte einander noch gestreichelt, hatten geküsst und miteinander gekuschelt, bis sie in Sasukes Bett eingeschlafen waren. Itachi fühlte sich steifer als sonst, wenn sie zusammen in seinem Bett, das anders als Sasukes für zwei Personen gedacht war, schliefen. Aber auch das war egal. Itachi erinnerte sich an den Tag, an dem er Sasuke im Schnee gefunden hatte, nachdem sich Kabuto an ihm vergriffen hatte. Er hatte Kakashis Hilfe gebraucht, um zu Sasuke durchzudringen und selbst mit Kakashi hatte sich das als schwieriges Unterfangen dargestellt. Seitdem war Sasuke ein anderer geworden. Er war viel erwachsener geworden, hatte eine Art Selbstverantwortung übernommen, die es ihm nicht erlaubte, sich komplett von der Welt zurückzuziehen und gleichzeitig hatte er ein Vertrauen entwickelt, dass es ihm erlaubte, auf Itachi zu bauen. Durch beides, die Verantwortung sich selbst gegenüber und das Vertrauen in Itachi, hatte er gestern Nacht auf seinen Körper hören können und um das bitten, was er glaubte zu brauchen. Er hatte sich nicht zurückgezogen, sondern offen gesprochen und auch heute Morgen schien es, als könnte alles wieder in Ordnung kommen. Sasuke verdrängte nicht. Itachi war sich sicher, dass dem Jungen ganz genau bewusst war, was gestern geschehen war und auch was sie am Abend getan hatten, aber das war gut. Sie konnten reden und sie konnten alles in Ordnung bringen. Sie würden okay sein.
 

Sasuke griff nach dem Nutellaglas. Er aß. Das war gut. Sasuke war am Leben. Er war zwar heute nicht zu Schule gegangen – Itachi hatte ihn entschuldigt – aber Sasuke hatte sofort nach dem Aufstehen gesagt, dass er morgen wieder hingehen wollte. Das Schuljahr hatte angefangen und er wollte nicht sofort zurückhängen. Er wollte es was aus der Möglichkeit machen, die Schule weiterhin besuchen zu können, denn ihm war klar, dass es ihm unter anderen Umständen nie offen gestanden hätte, die Schule wirklich zu beenden. Sasuke lebte nicht nur, er dachte an die Zukunft. Auch das war gut. Itachi, der sich vorgenommen hatte, für die nächsten Wochen noch aufmerksamer zu sein, als überhaupt schon, sah all dies als Zeichen an, dass Sasuke heilte.
 

„Was werden wir Kakashi erzählen? Und deinen Eltern?“, fragte Sasuke irgendwann, als sie immer noch am Frühstückstisch saßen, aber längst schon fertig waren mit Essen. Mit Kaffee und Kakao konnte man lange sitzen bleiben, wenn man gleichzeitig das Tischabräumen und das Ausräumen der Spülmaschine hinauszögern konnte.

„Das ist deine Entscheidung. Wir können die Wahrheit sagen und alles andere auch.“

„Ich will nicht, dass sie die Wahrheit wissen.“ Sasukes Stimme war ernst. Er wirkte nicht verzweifelt, nur sicher in seiner Entscheidung. Deswegen erlaubte Itachi es sich, nach dem Warum zu fragen.

„Du warst bei der Polizei. Wenn wir die Wahrheit sagen, werden die ermitteln und so viele werden Bescheid wissen, die es nicht sollen. Darauf habe ich keine Lust.“

„Wenn wir vor der Polizei nicht die Wahrheit sagen, können die nichts gegen Kabuto ausrichten. Er kann immer wieder auftauchen.“

„Ich weiß“, antwortete Sasuke und Itachi glaubte ihm.
 

„Es ist nicht richtig, wenn er davon kommt und noch viel wichtiger, ist es zu gefährlich für dich.“

„Ich glaub nicht, dass er noch mal kommt. Indem du mich da raus geholt hast, hast du deinen Standpunkt klar gemacht.“

„Ich bin mir nicht sicher ob das reicht, Sasuke. Ich bin mir nicht sicher.“ Itachi griff rüber nach Sasukes Hand. Der Junge nahm sie und drückte zu.

„Aber ich.“
 

Itachi presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Das gefiel ihm nicht. Aber er hatte gesagt, dass es Sasukes Entscheidung war. Er hatte nur gehofft, es wäre eine andere. Er hatte gehofft, Sasuke wäre sich mittlerweile selber wichtig genug, um Anzeige zu erstatten. Sasuke war sich mittlerweile wichtig. Er hatte ein Selbstwertgefühl entwickeln und gleichsam die Fähigkeit eigene Entscheidungen zu treffen. Das war nicht über Nacht gekommen. Schon seit Wochen wurde Sasuke sicherer. Er heilte. Er würde weiter heilen. Vielleicht war er irgendwann soweit, um Anzeige zu erstatten. Und bis dahin …

„In Ordnung. Okay. Aber du musst eines Versprechen.“ Itachi schaute Sasuke ernst an. Er liebte diesen Jungen. Er erinnerte sich an sein Versprechen an ihrem letzten Urlaubstag und wusste, dass er es nicht hatte halten können. Gerade deswegen war ihm dieses Versprechen so wichtig. Er wollte Sasuke unbedingt schützen.

„Ich möchte, dass du mir sagst, wenn du Kabuto irgendwo siehst, oder wenn er Kontakt zu dir aufnimmt. Durch irgendwelche Bilder oder sonst wie. Mir egal, wie. Ich will’s dann wissen. Hast du mich verstanden, Sasuke?“

„Du … weißt von den … Bildern?“ Sasukes Augen weiteten sich. Er entzog Itachi seine Hand. „Du hast … sie angesehen?“

„Ja. Entschuldige. Aber ja.“ Sasuke zog die Nase hoch, aber er weinte nicht. Er wollte nicht mehr weinen. Nicht deswegen. Nicht weil er wieder fürchtete, dass Itachi angeekelt war von ihm. Sasuke dachte an letzte Nacht und an die Küsse. Er war in Itachis Armen eingeschlafen. Itachi ekelte sich nicht vor ihm.

„Okay. Ich will sie wegschmeißen.“

„Das verstehe ich Sasuke, aber wir sollten sie behalten.“

„Was? … Warum?!“, fuhr Sasuke aus. Itachi glaubte fast, er klang wütend.
 

„Beruhig dich“, sagte er deswegen und griff wieder nach seiner Hand. Er spürte sie in seiner zittern und fuhr tröstend über die weiche Haut der Oberfläche. „Wir packen sie weit weg, sodass du sie nicht mehr anschauen musst. Aber wir sollten sie behalten, irgendwann könnten sie Beweise gegen Kabuto sein. Beweise für dein Recht, Sasuke.“

Der Junge schaute zur Seite und Itachi ließ die Sache bleiben. Er wusste, dass Sasuke seine Begründung einsam, aber er selbst verstand, dass er dies nicht zugeben konnte. Sasuke würde die Fotos schon nicht wegschmeißen. Itachi musste ihm keine Zustimmung entlocken. Nicht dafür. Aber das Versprechen wollte er nicht auf sich beruhen lassen. Er wollte das okay von Sasuke. Er wollte, dass Sasuke ihm versprach, dass er zu ihm kam, wenn irgendwas passierte.

Er wartete einen Moment, aber dann sprach er Sasuke erneut an: „Ich brauche dein Versprechen, Sasuke. Sonst kann ich nicht für dich lügen.“

„Ich wird dir sagen, wenn Kabuto Kontakt zu mir aufnimmt“, sagte Sasuke, aber es klang nicht nach einem Versprechen.
 

„Immer. Hörst du. Auch wenn du denkst, ich will es nicht hören oder ich hätte keine Zeit.“

„Okay“, stimmte Sasuke zwar zu, doch noch immer konnte er Itachi nicht überzeugen. Die Art wie er an die Wand schaute, anstatt zu ihm.

„Warum hast du mir dieses Mal nichts gesagt?“, fragte Itachi deswegen. Sasuke zuckte mit den Schultern und der Ältere wartete. Er würde eine Ewigkeit warten. Er wollte nur, dass Sasuke sicher war.

„Ich wollte dich in nichts mit reinziehen“, sagte Sasuke irgendwann und wandte ihm das Gesicht zu. „Du tust alles für mich, schon seit Monaten. Seit wir uns kennen. Aber Kabuto ist nicht dein Ding.“ Er überlegte einen Moment und fuhr dann fort: „Er war in unserer Wohnung, Itachi. Wir müssen die Schlösser austauschen und ich möchte putzen heute.“

Das konnten sie tun, Schlösser austauschen und putzen, das war okay, aber …

„Kabuto ist mein Ding. Ich liebe dich. Ich meinte das ernst gestern. Ich möchte dich beschützen, Sasuke. Ich kann dich verlieren.“

Plötzlich lächelte Sasuke, ein leises Lachen verließ seine Lippen. Er lachte Itachi nicht aus. Er freute sich einfach so. Freute sich Zuhause zu sein und auch über Itachis Worte. Er war immer der gewesen, der Angst gehabt hatte, Itachi zu verlieren, weil er ihm irgendwann einfach nicht mehr genügen würde oder weil Itachi feststellte das zu kaputt war. Aber er hatte es Itachi nie so direkt gesagt. Es war nicht nötig gewesen. Sie beide wussten, dass Sasuke Itachi brauchte. Aber jetzt sagte Itachi so was. Itachi, der in Sasukes Augen, niemals von jemandem abhängig war, sagte ihm nun, dass er ihn nicht verlieren konnte. Das bedeutete Sasuke viel. Er griff rüber nach Itachis anderer Hand und drückte fest zu.

„Ich versprech’s, okay?“

„Ja, okay.“ Itachi lächelte. Er konnte Sasuke nicht schwören, dass ihm nie wieder etwas passieren würde, dass war dumm von ihm gewesen. Aber solange Sasuke sein Versprechen hielt, war es einfacher für Sasukes Sicherheit zu sorgen. Und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, selbst wenn er dieses Mal für Sasuke log. Er wusste, irgendwann bekäme sein Junge die Gerechtigkeit, die er verdiente.
 

~~
 

Es war fast ein ganzes Jahr vergangen, in dem sie weder von Kabuto noch von Ria Nakano etwas gehört hatten. Sasuke hatte seine Mutter zwischenzeitlich vermisst, weil er nicht hatte vergessen können, was sie an jenem Tag seiner kurzen Entführung zu ihm gesagt hatte. Aber er wusste, dass es keinen Weg gab Kontakt aufzunehmen und glaubte, dass es vielleicht eh zu spät war. Ein Tag machte kein ganzes Leben wieder wett. Deswegen erlaubte er es sich hin und wieder traurig zu sein und wenn seine Gefühle zu stark wurden und er kurz davor war, irgendeinen Weg zu suchen, um Kontakt mit ihr aufzunehmen, ging er zu Itachi oder er besuchte Itachis Mutter, zu der er öfter nach der Schule hinfuhr, weil Gaara nebenan wohnte und weil sie es mochte, die beiden Jugendlichen da zu haben. Aber auch mit Itachi zusammen besuchte er weiterhin dessen Eltern. Immermehr fühlte er sich wie ein zweiter Sohn und auch wenn er immer noch fand, dass es manchmal Momente gab, in denen die Familie lieber allein sein sollte, ließen sie ihn selten in einen anderen Raum gehen, wenn sie merkten, dass es daher rührte, dass er ihnen drei Privatsphäre geben wollte. Gespräche über die Familie, über die Arbeit und über alles andere, was im Privaten besprochen wurde, war nichts, wovon Sasuke nichts wissen durfte, denn er war Familie.

Dennoch hatten Itachi und Sasuke nicht von seiner Entführung im letzten Sommer verraten. Nicht den Eltern, nicht den Lehrern oder der Polizei, nicht Sasukes Freunden und auch nicht Kakashi und Iruka, obwohl sich beide sicher waren, dass der Hatake etwas ahnte. Sasuke glaubte nicht, dass Kakashi ewig schwieg, aber er dankte ihm still für die Schonzeit, die er ihm einräumte und durch die es einfach wurde, Itachi weiterhin zu dessen Freunden zu begleiten und nicht das Haus zu räumen, wenn sie zu Besuch kamen. Er mochte Kakashi und Iruka. Sie waren auch seine Freunde, das sollte er nicht vergessen.
 

Sasuke schaute Itachi an, den er liebte. Sie hatten sich Zeit gelassen mit ihrer Beziehung und lange Zeit hatten sie niemandem etwas gesagt. Diesen Sommer war Sasuke siebzehn geworden, vor ein paar Wochen hatte er seinen Führerschein bestanden und obwohl er sich mittlerweile mehr wie ein Erwachsener fühlte, hatten er und Itachi sich schwer damit getan, den engsten Freunden, Kakashi und Iruka und schlussendlich auch Itachis Eltern von ihrer Beziehung zu beichten. Naruto hatte es cool gefunden, aber der wusste auch am wenigsten. Gaara war besorgt gewesen, aber als er merkte, dass Sasuke glücklich war, freute auch der sich für ihn. Iruka war diskret, aber freundlich, während Kakashi härtere Worte mit ihnen sprach. Sie sollten vorsichtig sein, nicht nur weil Itachi gleichzeitig sein Sorgeberechtiger war, sondern auch weil viel auf dem Spiel stand, wenn ihre Beziehung nicht klappte. Er war ihr härtester Kritiker, aber die beiden ließen sich nicht beirren. Sie wollten, dass es funktionierte.

Das merkten auch Itachis Eltern. Der Uchiha hatte gezweifelt. Er hatte Sasuke vorher gesagt, dass es sein konnte, dass sie seine Eltern verloren. Oder das nur er es tat. Itachis Eltern liebten Sasuke und sie kannten seine Geschichte. Itachi hatte nicht gewusst, ob sie ihn verurteilten, für das was er mit Sasuke tat. Deswegen hatte es sein können, dass er seine Eltern verlor und mit ihm auch Sasuke, weil sie ein Paar waren. Aber Itachis Eltern hatten besser reagiert, als er erwartet hatte. Für sie war Sasuke Familie, ob nun als Itachis Schützling oder als sein Freund. Sie wussten, dass ihr Sohn diesem Jungen nicht wehtat, weil sie wussten, dass er ihn liebte, so oder so. Heute war es für sie normal, wenn die beiden einander küssten, so wie es von Anfang an normal gewesen waren, wenn sie sich umarmten.
 

Itachis und Sasukes Leben war gut. Es hatte seine Höhen und Tiefen, viel mehr Höhen als Tiefen und Sasuke heilte immer weiter. Er war wieder gewachsen im letzten Jahr und nichts an seinem Aussehen zeugte mehr von dem geschlagenem, hungerndem, frierendem Kind, das er vor mehr als einundeinhalb Jahren von der Straße gelesen hatte. Sasuke war erwachsen geworden, er war gut in der Schule, hatte das Schuljahr ohne weiteres geschafft, er ging mit Freunden weg und entwickelte immer mehr Selbstbewusstsein. In ihrer Beziehung und im Bett begann er hin und wieder mal die Führung zu übernehmen, wenn er von sich aus entschied wann und was sie unternehmen wollten und wenn er beim Sex den aktiven Part übernahm. Am Anfang hatte Itachi sogen gehabt, mit Sasuke zusammen zu sein, konnte bedeuten, dass der Junge dachte, er selbst habe nichts zu sagen und Itachi entschied alles. Aber seine Sorgen hatten sich früh als unbegründet herausgestellt. Sasuke lernte zu leben, er lernte er selbst zu sein und wurde zu jemandem. Gleichzeitig lernte er schnell, dass eine Beziehung nur funktionieren konnte, wenn sie eben war und eben konnte sie nur sein, wenn beide Partner von ihrem Wert wussten. Sasuke wollte, dass das mit ihm und Itachi funktionierte. Er verstand Itachi heute vielleicht mehr denn je zuvor und auch er wollte ihn nie verlieren. Er hatte nie etwas so sehr gewollt wie das hier. Wenn er in Itachis Augen schaute, sah er pure Liebe. Er sah sie in Itachis Augen und er sah sie in seinen eigenen, die sich in denen des Mannes reflektierten.
 

Sie saßen auf der Terrasse hinter ihrer Wohnung. Am Rande des Gartens lagen die Gärten ihrer Nachbarn und eine leere Straße. Die Stille der Nacht war überwältigend. Sie saßen einander gegenüber. Itachi genoss ein Glas Rotwein und Sasuke den frischen, kühlen Saft, den er so gerne mochte. Eine Briese, ganz sacht, erfrischte die Luft. Die Schwüle des Tages verflog. Vor ihnen lag das Wochenende, hinter ihnen, so fühlte es sich manchmal an, ein halbes Leben. Die Luft roch nach Regen und vielleicht kam morgen ein Gewitter auf, aber vor ihnen lag ein langer, heißer Sommer. Und dahinter, so hofften sie – wie in dieser Nacht so unwahrscheinlich viele Menschen auf diesem kleinen und doch so riesigen Planeten, den sie Heimat nannten – ein langes, wundervolles Leben.
 

to be continued

by Jess-

Epilog

Hallo und willkommen zum Epilog von Catch :)

Ich weiß gar nicht genau was ich sagen soll, jetzt wo ich den Epilog zu Catch hochlade und damit die FF auf Fertiggestellt stellen kann. Das ist schon krass… ohje, ich werde Catch vermissen. Ihr auch?

Wenn ja, hier mein Angebot :D : Es ist kein offenes Ende und ich hab in der FF auch immer sehr viel, sehr genau beschrieben, dennoch ist sehr viel Platz zwischen den Szenen und gerade Itachis und Sasukes Zukunft lässt doch sehr viel Raum für Handlung. Ich mag aber keine Romane mehr zu Catch schreiben. Dennoch, falls ich bestimme Wünsche habt, was ihr noch gerne gelesen hättet und welche Szenen ihr vermisst habt, schreibt mir doch eine Mail und ich schaue, was sich machen lässt. Special-OS sind doch immer eine schöne Sache nicht komplett Bye-bye zu eine fertiggestellten Storys sagen zu müssen, meint ihr nicht?

Also fühlt euch frei und schickt mir eure Ideen und Wünsche und zusammen können wir ja mal schauen, welche Special-OS es zu Catch geben kann. Vielleicht habt ihr ja auch mal Lust einen für mein Stay/Catch-Universum zu schreiben. Auch das fände ich cool.

Was ich damit aber eigentlich sagen möchte: Catch ist nicht beendet, nur weil es fertiggestellt ist und ich keine komplette Fortsetzung schreibe ;)

Liebe Grüße

Jessi :)
 


 


 

Epilog

Forgiveness has nothing to do with absolving a criminal of his crime.

It has everything to do with relieving oneself of the burden of being a victim –

letting go of the pain and transforming oneself from victim to survivor.

– C.R. Strahan
 

8 Jahre später
 

Sasuke erhob sich, nahm den Stapel Akten hoch und trat zum Schrank. Er zog die Schublade auf, packte die Akten hinein, zog eine andere auf und holte eine andere Akte heraus. Er öffnete sie im Stehen und las, was er hatte lesen wollen. Wenn er an Fälle wie diesen dachte, war er froh zu sein wer und was er war. Wenn er Fälle wie diesen bearbeitete und sicher stellte dass die richtige Person bestraft wurde, wusste er dass er das Richtige tat. Es war ihm nicht schwer gefallen, das Jurastudium, aber er hatte über seinen eigenen Schatten springen müssen als er finanzielle Hilfe von Itachi und dessen Vater annahm, um zu studieren. Aber es hatte sich gelohnt. Sasuke blickte aus dem Fenster in die Ferne. Er liebte seinen Beruf, in dem er versuchen konnte Gerechtigkeit zu schaffen.

Sasuke legte die Akte beiseite. Der Fall war abgeschlossen und Sasuke bereit für neue Aufgaben. Er war noch nicht lange fest in der Kanzlei angestellt, aber Fugaku hielt große Stücke auf ihn.

„Ich bin stolz auf dich, Junge“, hatte er gesagt, als Sasuke seinen ersten großen Fall erfolgreich abgeschlossen hatte. Es bedeutete Sasuke viel.
 

Klopf Klopf
 

Sasuke drehte sich auf dem Absatz um und fasste die Tür ins Visier. Er hatte keinen Termin und wollte eigentlich gleich Schluss machen. Itachi hatte ihn zum Italiener eingeladen für heute Abend.

„Herein“, rief er dennoch. Die Tür öffnete sich und eine Frau trat ein. Sasuke riss die Augen auf. Die Gestalt war klein und schmal. Ihre Haltung war geduckt, aber die Frau schaute hoch und suchte seinen Blick.

„Ich brauche rechtlichen Beistand“, sagte sie, „Ich habe gestern Anzeige erstattet.“

Sasuke war versucht, fortzurennen. Er war versucht, sich der Angst seiner Kindheit hinzugeben, aber stattdessen trat er einen Schritt nach vorne und bemerkte, dass er nicht laufen musste. Er war stärker als das.

„Bitte hör mich wenigstens an. Dann kannst du mich immer noch fortschickten.“

„Setz dich.“ Sasuke wies auf einen der beigefarbenen Polsterstühle vor seinem Schreibtisch, ehe er selber an den Tisch trat. Bevor er sich setzte, stellte er fest, wie viel größer er heute war. Seine Mutter überragte er um mindestens einen Kopf. Vielleicht war er heute schon so groß wie sein Vater seinerzeit.
 

Die Frau, seine Mutter, setzte sich. Sie überschlug die Beine nicht, aber sie verdeckte ihren Schoß mit ihrer Tasche. Ihr Blick war in Reue gesenkt und ihre Finger zuckten nervös unter dem Tisch. Heute sah Sasuke das. Sie konnte ihm nie wieder wehtun.

„Sprich“, forderte Sasuke. Er saß steif in seinem Bürostuhl, aber er war gewachsen in den letzten Jahren. Er war nicht mehr das Kind von damals.

„All die Jahre habe ich Fehler über Fehler gemacht. Ich habe mit Füßen getreten, woran dein Vater immer geglaubt hat. Ich habe ihm das Wichtigste nicht in Ehren gehalten. Ich habe sein Kind nicht beschützt. Ich habe mein Kind nicht beschützt.“

Ihre Worte gingen ihm nahe. Um nicht zu heulen und nicht zu schreien, biss er sich das erste Mal seit Jahren wieder so fest auf die Lippe, dass sie fast blutete.

„Du bist jetzt ein Mann und ich kann nichts wieder gut machen. Das hier hätte ich schon vor zehn Jahren machen sollen, direkt an dem Tag, an dem ich dich mit deinem Freund hab gehen lassen. Oder viel eher. Ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen. Ich hätte nie... hätte nie vergessen dürfen wie sehr ich dich geliebt habe.“

Sasuke zog die Nase hoch, aber er weinte nicht. Es war vor neun Jahren gewesen.

„Gegen wen hast du Anzeige erstattet?“, fragte er, um sich von dem Schmerz ihrer Worte abzulenken. Sie hätte nie vergessen dürfen, wie sehr sie ihn liebte. Nicht, wenn sie es wirklich getan hatte.

„Gegen Kabuto.“
 

Sasuke schluckte. Er wusste nicht warum, aber er musste fragen: „Was ist die Klage?“

Ria Nakano war unsicher. Sie kannte den genauen Wortlaut nicht, aber sie gab sich alle Mühe. Das hatte ihr Sohn verdient.

„Körperverletzung. Sexuelle Misshandlung von Minderjährigen. Entführung und Freiheits- ... Freiheits- ...“

„Freiheitsberaubung“, half Sasuke. Er wusste, dass es um ihn ging. Er hatte es von dem Moment an gewusst, in dem seine Mutter sein Büro betreten hatte. Aber...

„Ich kann dich nicht vertreten“, sagte er.

„Sasuke, ich habe kein Recht dich darum zu bitten, aber... ich werde dich bezahlen. Ich werde wie jeder andere Kun-... Klient... wie jeder andere Klient handeln. Ich weiß nicht zu wem ich sonst gehen soll. Wer sonst versteht.“

„Ich...“, wollte sich Sasuke rechtfertigen, obwohl er wusste, er musste das gar nicht.

„Ich werde mich auch selbst anzeigen, selbst beschuldigen“, unterbrach sie ihn, „Ich werde dafür sorgen, dass ich für das bestraft werde, was ich dir angetan habe, aber ... ich will alles richtig machen. Ich will dass er dafür büßt, was er dir angetan hat. Ich kann das alleine nicht. Ich bin nicht klug genug, aber du ... bist wie dein ...“

„Es reicht“, unterbrach dieses Mal Sasuke. Er war nicht mehr das Kind von damals. Vielleicht hatte sie Recht und er war wie sein Vater, aber auf jeden Fall war er nicht mehr derjenige, der heulte und sich alles gefallen ließ. Er lief nicht mehr vor allem fort, aber das hier konnte er wirklich nicht tun.

„Ich werde im Prozess nicht nur ein Zeuge sein, sondern auch das Opfer. Ich darf nicht gleichzeitig als der Anwalt der Klägerin fungieren.“ Er atmete tief durch und entschied sich, dass er das wirklich wollte.

„Wenn du morgen noch so denkst wie heute, bitte ich dich wieder herzukommen. Ich habe einen Anwalt für dich.“
 

Als sie sich bedankte und aufstand um zu gehen, war Sasuke froh, dass sie nicht versucht hatte ihn anzufassen. Er erhob sich ebenfalls, als sie den Raum verlassen hatte, und trat ans Fenster. Während er raus schaute auf einen dunkelblauen Nachthimmel und Straßenlichter, wusste er noch nicht wie er Itachi um das hier bitten sollte, aber er wusste genau, dass er wollte, dass dieser Itachis letzter Fall vor der Eröffnung seines Bootsrestaurants war. Itachi war schließlich immer der stärkste Kämpfer im Kampf um Sasukes Gerechtigkeit gewesen.
 

~~
 

Fast auf den Tag genau, ein Jahr später kam ihr erster Brief. In diesem bat sie schlicht um ein Foto von ihm als Kind. Er schickte eines, obwohl er selbst nur die besaß, die er von seinem Vater bekommen hatte, und die Woche drauf fragte sie um ein weiteres Foto. Sie wollte eines, so wie er jetzt aussah. Sasuke legte den Umschlag zu dem ersten, schickte aber kein Foto. Es dauerte mehrere Wochen bis ein weiterer Brief kam. Sie wollte wissen, ob ihr letzter nicht angekommen war und wiederholte ihre Bitte. Als er wieder nicht reagierte, kam ein weiterer Brief, indem sie mitteilte, dass sie nicht mehr schreiben würde wenn es entgegen Sasukes Wünschen wäre. Dieses Mal schrieb er zurück, versicherte, dass es nicht entgegen seiner Wünsche war. Dennoch legte er kein Foto bei.

Mit ihrem nächsten Brief ließ sie sich Zeit. Das Frühjahr verging, der Sommer war heiß und stickig.

Als Itachi und Sasuke aus Teheran, wo sie ihren Urlaub verbracht hatten, heim kamen, waren drei Pflanzen tot und neben Rechnungen und einer Menge Werbung hatte Kakashi einen Brief von Sasukes Mutter auf den Küchentisch gelegt. Wie einem alten Freund schilderte sie ihm ihren Sommer. Sie hatte begonnen in der Bibliothek des Gefängnisses zu arbeiten. Hatte eine Vielzahl an Büchern gelesen, mehr als je zuvor in ihrem Leben. Die Blumen im Innenhof waren gewachsen, aber nur ein paar ganz zähe hatten den Sommer überlebt, schrieb sie.
 

Sasuke, der zigmal versucht hatte, ihr seinerseits einen Brief zu schreiben und dabei gescheitert war, legte zwei Fotos aus Teheran in einen leeren Umschlag und schickte den ins Gefängnis. Exakt sieben Tage später kam ein weiterer Brief. Sasuke hatte sich informiert, wie lange der Briefverkehr von Dublin aus bis ins Gefängnis und zurück dauerte. Es waren sieben Tage.
 

Seine Mutter bat erneut um ein Bild von ihm. Vielleicht mochte er ja jetzt doch eines schicken, wo er auch die Fotos aus dem Land, das sie nicht kannte, geschickt hatte. Wieder schrieb Sasuke keinen Brief zurück und er schickte auch kein Foto. Tage später packte er eins in die Tasche seiner Hose, nahm Schüssel und Geldbörse und fuhr Richtung Norden. Am Nachmittag kam er auf dem Gefängnisparkplatz an.

Seine Mutter war ungeschminkt, sie hatte abgenommen; war zu dünn, aber vielleicht zehrte auch der Entzug noch an ihr.

Sie waren nicht in der Lage miteinander über Nichtigkeiten zu sprechen. Über Sasuke waren eine Vielzahl der Gefühle eingebrochen. Wut und Enttäuschung, Mitleid und Liebe und alles Mögliche dazwischen.
 

Er hatte ihr gesagt, dass er ihr kein Foto geben wollte, wenn sie es nur haben wollte, um sich schuldig fühlen zu können, wann immer sie es anblickte. Seine Mutter hatte traurig den Kopf geschüttelt, daran würde Sasuke sich ein Leben lang erinnern. Sie hatte gesagt, sie wolle es nicht deswegen. Schuldig fühlte sie sich, was immer sie tat und was immer sie anblickte. Sie wollte die Gewissheit haben, dass trotz all der Dinge, derer sie sich schuldig gemacht hatte, aus ihm ein großartiger, junger Mann geworden war.

Als er nicht antwortete und vom ihr fort aus dem Fenster geblickt hatte, war sie aufgestanden und hatte dem Wächter signalisiert, dass sie zurück wollte.

Das Foto hatte Sasuke ihr hinterlegt.
 

Der Herbst verging mit Regen und Wind, Winter kam und ging und es wurde wieder Frühjahr als Sasukes Mutter schrieb. Sie erzählte von der Hilfe die sie in einem Obdachlosenheim am heiligen Abend bei der Essenausgabe mit anderen Inhaftierten geleistet hatte.

Der Brief war zweieinhalb Seiten lang. Am Ende stand, dass sie eigentlich nur hatte sagen wollen, dass sie ihren größten Fehler erkannt hatte. Ihr größter Fehler war vergessen zu haben, welchen Wert er besaß.

In einem weiteren Brief im Frühsommer schrieb sie, was sie schon als junge Frau in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Das sie ihn geliebt hatte, von dem Moment an, an dem er begonnen hatte zu existieren und in ihrem Bauch zu wachsen. Sie sagte, dass sie damals um nichts in der Welt zugelassen hätte, dass man ihr ihn wegnahm oder ihm Schaden zufügte. Sie wagte nicht um Verzeihung zu bitten, aber sie fragte sich wie und wann ihr all diese Gefühle abhanden gekommen sein konnten.
 

Sasuke haderte lange Wochen mit sich, während er in der Enttäuschung über ihr Schreiben badete. Schlussendlich nahm er selbst einen Zettel und schrieb in fahriger Schrift Gefühle kommen einem nicht abhanden drauf. Den packte er in einen Umschlag und schickte ihn ab.

Sieben Tage später kam ein Umschlag mit einem beinahe leeren, weißen Blatt zurück. Auf dem stand nur, knapp unter der Mitte: Es tut mir Leid.

Der Sommer verging, Herbst und Winter auch und es war fast ein Jahr her seit ihrem letzten Brief, als ein weiterer in Sasukes und Itachis Briefkasten landete. Erneut erzählte sie von ihrer Zeit im Gefängnis, von Arbeiten die sie dort zu verrichten hatte, von dem Weihnachtsfest dort und von Büchern, die sie las.

Sasuke legte den Brief beiseite, setzte sich an den Küchentisch und schrieb bis in die Nacht hinein einen Brief zurück. Am Ende standen nicht mehr als ein paar knappe Sätze auf dem Papier, aber der Mülleimer war voll von zerknitterten Papierbällen.
 

Wir waren Weihnachten in Wien. Da haben wir eine Oper angesehen. Die eine Frau sah aus wie du.

Sasuke
 

Im Frühjahr eröffnete Itachi auf dem Marktplatz ein zweites Restaurant. Am Morgen nach der Eröffnung, kam wieder ein Brief von Sasukes Mutter. Sie war so dankbar, dass er ihr geschrieben hatte. Es tat ihr Leid, dass sie so lange darauf verzichtet hatte, ein Teil seines Lebens zu sein.

Er setzte sich Montagmorgen in der Kanzlei an seinen Schreibtisch, um einen kurzen Brief zu verfassen. Es täte ihm auch Leid, schrieb er, aber er konnte sie nicht einladen wieder an seinem Leben teilzuhaben, nur um Ihretwillen. Er wusste nicht, wie lange er noch mit ihr Schreiben wollte, aber er würde in genau dem Moment damit aufhören, an dem es ihm nicht mehr gut tat.
 

In der Woche darauf kam kein Brief, Sasuke wusste nicht ob er sie verschreckt hatte und er wusste nicht, wie er es fände, wenn es so wäre. Aber Sasuke vergrub sich in Arbeit, es musste eine Menge erledigt werden und er und Itachi waren im Stress, weil sie gleichzeitig renovierten und ihre Hochzeit vorbereiteten. Im März kam ein neuer Brief seiner Mutter. Er war lang, länger als alle zuvor und sie schrieb, wie Leid es ihr täte und dass sie ihn verstünde. Sie schrieb aber auch, dass sie sich wünschte, er würde den Kontakt zu ihr halten. Es half ihr und sie hoffte er könne ihr sagen, was sie tun sollte, damit es ihm dabei gut ging, wenn sie einander schrieben. Sasukes Brief war weitaus kürzer als ihrer, aber er sagte, sie müsse nichts tun. Das wäre eine Sache, die nur er mit sich ausmachen könne und momentan sei er glücklich. Ihre Briefe taten ihm nicht weh und sein Leben wäre geordnet und mit Itachi schön genug, um okay zu sein, selbst in den Momenten in denen ihre Briefe ihn doch schmerzten.
 

Im Mai heirateten Itachi und Sasuke und ohne dass vorher ein Brief seiner Mutter gekommen war, schrieb Sasuke ihr das. Es war kurz und knapp, aber er sagte ihr wie glücklich er war und wunderte sich, dass er kaum mehr das Verlangen verspürte, ihr mit seinen Briefen wehzutun. Er schrieb nicht mehr, er sei glücklich um ihr zu zeigen, wie gut sein Leben ohne sie lief, sondern um ihr zu zeigen, dass er in Ordnung war und das schien es zu sein, was sie sich für ihn wünschte.
 

Im Sommer hatte Sasuke sich daran gewöhnt, dass sein Hintername nun ein anderer war. Itachis Vater hatte einen neuen Anwalt angestellt, um sich und Sasuke, der bald die Kanzlei übernehmen sollte, zu entlasten. Itachi stellte drei neue Angestellte für seine Restaurants ein und die Renovierungsarbeiten in Sasukes altem Zimmer, das in den letzten 10 Jahren alles Mögliche gewesen war, waren abgeschlossen.

Im Vorjahr war ein neues Gesetz in Kraft getreten, das besagte, dass nun auch homosexuelle Lebenspartner gemeinsam Kinder adoptieren und zur Pflege nehmen durften.

Somit bekam Sasukes-Zimmer-Schrägstrich-Büro-Schrägstrich-Abstellkammer-Schrägstrich-Gästezimmer endlich wieder einen Sinn. Ein kleines, rotblondes Mädchen, das gerade auf eigenen Beinen stehen konnte, zog ein in ein Kinderzimmer, gestrichen und möbliert in weiß und rosa. Jenes kleine Mädchen, dass vorher keine Familie hatte, weil seine Eltern es nicht wollten, bekam zwar keine neue Mutter, und dessen machten sich die beiden Uchihas schuldig, aber sie hofften sie konnten die Väter sein, die darüber hinweg trösteten. An Familie und Liebe jedenfalls würde es der Kleinen nie wieder mangeln. Im Hausflur von Itachis Eltern, die ohne weiteres Opa und Oma hatten werden wollen, hingen bald mehr Fotos ihrer Enkelin als Fugakus geliebte Flugzeug-Portraits. Auch die zweite Oma, Sasukes Mutter, die ihre Enkelin vielleicht nie würde treffen dürfen, bekam ein Foto, weil Sasuke sie wissen lassen wollte, dass er ein Vater sein konnte. Und weil Sasuke übersprudelte vor Stolz.
 

Während Itachis und Sasuke Tochter wuchs, schrieben Ria Nakano und ihr Sohn einander weiterhin. Sie schrieben nicht mehr so oft und nicht mehr so regelmäßig, weil Ria schlussendlich hatte einsehen müssen, dass sie die Dinge nie wieder gut machen konnte. Sie wollte nicht wieder den Fehler begehen und ihren Sohn von sich stoßen, solange er ihr schreiben wollte, aber sie erkannte Tag für Tag, auch wenn sie keinen seiner Briefe las, dass er ein viel besserer Mensch war, als sie je würde sein und je gewesen war. Er war so sehr wie Kaine, der die Welt liebte – das sah sie wann immer er ihr Fotos von fremden Ländern schickte – und der seine Familie so sehr liebte, wie es ein Mensch nur tun konnte. Das wusste sie ganz genau, weil sie kein weiteres Foto ihrer Enkelin bekam, auch nicht als sie einmal danach gefragt hatte und weil er nie wieder über sein Kind sprach, außer in jenem Rückbrief der wehgetan hatte. Aber sie wusste, sie verdiente ihn.
 

Meine Tochter, hatte Sasuke geschrieben – und nie ihren Namen genannt -, wird nie mit Alpträumen wach werden. Sie wird, solange ich es verhindern kann, niemals Schmerzen spüren müssen, die über eine Schürfwunde hinweg gehen. Meine Tochter wird es leicht haben. Ich werde alles tun, damit sie niemals durch steiniges Tal wandern muss. Sie wird tanzen und lachen und ihr Leben wird großartig sein. Ich will hoffen, ich werde nie den gleichen Fehler machen, wie Papa ihn gemacht hat, indem ich mein Kind den falschen Menschen anvertraue. Ich werde sie beschützen. Es war kein Fehler dir ein Foto von ihr zu geben, aber ich werde nicht riskieren, den Fehler zu begehen, dich an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Meine Tochter wird kein Kämpfer sein. Ich werde alles dafür geben, dass sie nie einer sein muss.
 

Ria wusste, dass ihr Sohn ein Kämpfer war und sie war stolz auf ihn. Stolz auf diesen Kämpfer. Aber sie verstand auch, dass er nicht wollte, dass sein Kind einer sein musste. Wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie auch alles dafür geben, dass ihr Sohn hätte groß werden können ohne je kämpfen zu müssen. Weder um seine Zukunft, noch um Gerechtigkeit und schon gar nicht um sein Leben. Wenn sie noch einmal von dem Punkt beginnen könnte, wo Kaine sie und Sasuke alleine gelassen hatte, würde sie kämpfen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gedacht, genau das würde sie tun. Aber sie hatte sich ihren Dämonen unterworfen, hatte Kaine für sie kämpfen lassen und als er fort gewesen war, war sie zu schwach gewesen, ihre Dämonen für ihren Sohn zu vernichten. Stattdessen hatte sie zugelassen, dass jemand versuchte ihren Sohn zu vernichten. Sie verstand Sasuke, der sein Leben lang genug hatte kämpfen müssen, um sich zu wünschen, es seiner Tochter zu ersparen. Ria Nakano hoffte, hoffte, hoffte, dass sie ihrem Sohn dies nicht auch kaputt gemacht hatte.
 

Dies, schrieb sie am Tag ihrer Entlassung, ist mein letzter Brief an dich. Ich hoffe du wirst schon lange nicht mehr mit Alpträumen wach, musst keine Schmerzen mehr ertragen und niemals wieder durch steiniges Tal wandern. Ich stelle mir vor, wie du ein halbes Leben lang mit deiner Tochter getanzt, gelacht und gelebt hast. Ich werde mich nicht in euer Leben drängen. Du hast, wie kein anderer, verdient glücklich zu sein und es tut mir Leid, dass ich es dir viele Jahre lang verwehrt habe. Es tut mir Leid, dass ich nicht da gewesen bin, als du mich am meisten gebraucht hast. Ich hätte für dich kämpfen müssen und weil ich es nicht getan hab, hast du selbst gekämpft. Und wie du gekämpft hast! Ich will, dass du weißt, dass das Leben, das du mit deinem Mann und deiner Tochter lebst, ganz alleine dein Verdienst ist.

Ich habe eingesehen, dass in eurem Leben kein Platz für mich ist. Ich bitte dich nicht um Verzeihung, aber ich möchte dir ein letztes Mal sagen, wie Leid es mir tut, dass ich weggesehen habe. Die Liebe für dich, hätte mir nicht abhanden kommen dürfen.
 

An dem Tag, an dem Sasuke den letzten Brief seiner Mutter las, roch die Küche nach Zitronenkuchen. Er hatte nie zuvor geweint, wenn er einen ihrer Briefe las. Doch als er an jenem Tag das Briefpapier zusammenfaltete, schaute er hoch und versuchte die Tränen zu verdrängen, die drohten zu fließen. Er blickte zu seinen kleinen Söhnen, die erst vor ein paar Tagen zu seiner Familie gekommen waren, nachdem man sie aus der Wohnung geholt hatten, in der ihre Mutter sie geschlagen hatte und sie hungern ließ. Den Jungen jetzt dabei zuzusehen, wie sie die Geburtstagstochter ihrer neuen großen Schwester genossen, war Anreiz genug jeden weiteren Tag für sie zu kämpfen. Sasuke versuchte erneut die Tränen runter zu schlucken und blickte zu seiner Tochter, die heute Achtzehn war. Er hatte sein Versprechen nicht halten können. Mit sieben Jahren hatte sie einen gebrochenen Arm gehabt, als sie vom Baumhaus gesprungen war und mit Neun hatte sie gelernt zu kämpfen, gegen Jungen die meinten besser Fußball spielen zu können als sie. Aber das war schon in Ordnung so. Wenn er in ihr lächelndes Gesicht blickte, wusste er, dass er trotzdem nichts falsch gemacht hatte. Er hatte schließlich immer für sie gekämpft.

Sasuke musste selber lächeln, weil er glücklich war. Er blickte zu Itachi, der neben ihm am Esstisch saß und lehnte sich zu ihm rüber, um ihn zu küssen und zu drücken. Es war richtig gewesen nie aufzugeben. Sich nicht, Itachi nicht und nie den Wunsch nach einer Familie und einem guten Leben. Er konnte nicht rückgängig machen, was geschehen war, er konnte die Alpträume nicht abstellen, die manchmal noch kamen, aber er wusste ganz sicher, dass es sich gelohnt hatte.
 

fin
 

by Jess-



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Kommentare zu dieser Fanfic (70)
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Von:  Veritaz
2012-10-15T08:27:26+00:00 15.10.2012 10:27
Wie süß die beiden haben geheiratet und haben Kinder*.* und Sasuke ist jetz ein Anwalt wie toll, Itachi hat endlich seinen Traum verwirklichen können^^ Sasuke hat doch noch seine Gerechtigkeit bekommen und die Briefe waren irgendwie süß aber auch traurig. Kabuto wird schon das bekommen haben was ihm zusteht *gemein lach*
Es ist traurig das es jetzt endet. Deine beiden Fanfics sind einfach großartig und so fantastisch geschrieben das ich das ein oder andere mal ein tränchen verdrücken musste^^ Aber wie du ja geschrieben hast kann es ja sein das ein oder andere kleine Story`s noch auftauchen^^ ich selber habe noch keine Wünsche, da du letzendlich ja alles noch untergebracht hast^^ aber es gibt ja bestimmt genug leute die deine Geschichten lesen und gelesen haben und vielleicht noch die ein oder andere Idee haben^^ ich würde mich jedenfalls freuen und wenn nicht dann ist da ja auch noch die Fanfiction "Frei sein"^^ auf die ich mich auch schon total freue
Danke das ich an deinen Geschichten teilhaben dürfte=)
Lg Veritaz
Von:  moto7
2012-10-13T20:51:44+00:00 13.10.2012 22:51
ich denke, jeder hat erwartet das es im epilog um sasuke und itachi geht. aber das es um sasuke und seine mutter geth, das hätte ich nicht erwartet.
aber hauptsächlich geht es in diesem kapitel um sasukes glück. und seine stärke. und darum, das man die vergangenheit akzeptieren, aber nicht vergessen kann. zeit heilt nicht alles.
das sasuke noch alpträume hat, ist nicht überraschend. es ist normal.
aber wenn sasuke direkt nach dem aufwachen aus einem alptraum itachis gesicht sieht, dann ist der schmerz nur noch halb so schlimm, nicht wahr?
ich finde es gut, das ria weiß, das sie nicht in das leben ihres sohnes eindringen kann und will. das sie es akzeptiert, das sie keinen kontakt zu seinen kindern haben darf. auch wenn es etwas hart ist, aber ich würde das auch nicht wollen.
ich finde es gut, das sasuke und itachi kinder adoptiert haben. und das sasuke sich so rührend um sie kümmert. er hatte am anfang bestimmt zweifel gehabt, ob er das schaffen kann, und ob er seine kinder auch so früh verlässt wie sein vater.
ich hoffe, kabuto hat seine gerechte strafe bekommen. es hat zwar gedauert, aber letztendlich kriegt man immer das, was man verdient.
besonders süß finde ich es, das die zwei geheiratet haben und das sie oft ausgehen und verreisen.

so, genug lob an das schöne kapitel.

kommen wir zum anderen thema.

es ist wirklich traurig, aber es ist für mich trotzdem so, als ob es jetzt vorbei wäre. über neue kapitel würde ich mich trotzdem sehr freuen.
du hast keine ahnung, wie sehr du mich beeindruckt hast. nicht nur als autorin, sondern auch als person an sich.
wegen "stay" bin ich jetzt (wieder) voll der fan von U2 und ihre songs laufen bei mir rauf und runter. ich finde es gut das du am anfang einer geschichte immer zitate hattest.
was ich an dir mag ist, das du nicht nur nen post im gästebuch mit "danke für dein kommentar" hinterlässt, sondern wirklich mit mir schreibst und mich ernst nimmst.
catch und stay sind wirklich meine lieblings fanfictions. einfach, weil bis zum schluss nichts ernstes in sexueller hinsicht passiert ist zwischen itachi und sasuke. also mehr als küssen und so. und trotzdem war die geschichte nicht weniger lesenswert, ganz im gegenteil. ich denke gerade weil du nicht am anfang mit den detail beschriebenen sex stories angefangen hast, war es so spannend.

ich könnte dich immer weiter loben, aber wie ich schon mal sagte, ist die story unglaublich, und du bist auch voll unglaublich das du mich an diesem wunder hast teilhaben lassen, aber ich finde keine worte, weil man dieses unglaubliche nicht in worte fassen kann. aber diese story hat mir echt geholfen, wirklich.
und ich würde mich freuen, wenn wir zwei chatten, das würde mir viel bedeuten.

nun ja. es gibt noch so viel zu sagen, und ich habe so viele gefühle für diese geschichte, und das alles will raus aber manchmal muss ich mich echt zügeln.

okay, ich mache hier mal schluss ^^

LG und danke für dieses kleine wunder
Moto
Von:  wieprei
2012-10-13T17:29:36+00:00 13.10.2012 19:29
Eine wunderbare Geschichte, die mich mehr als einmal zum weinen gebracht hat.
Es ist schade und doch auch gut, das sie nun zu Ende ist.

Lg. Ines
Von: abgemeldet
2012-10-12T13:54:43+00:00 12.10.2012 15:54
das ist echt zu schade, dass es jetzt zu ende geht!!!
deine story ist aber echt so dermaßen berührend dass ich jetzt, nachdem ich auch das ende gelesen hab erstens heulen könnte wie sonst was, weil es einfach sooo putzig und rührend war/ist. zweitens weiß ich aber nicht was ich jetzt machen soll wenn es vorbei ist. ich hoffe der epilog wird erstmal noch richtig schön lang sodass es noch viel zu lesen gibt!!
dein schreibstil haut einen wirklich um! Schreib mal ein buch (ich glaub ich wiederhol mich 'u') ohne witz jetzt du hast ehrlich mega talent
so und ich druck mir gleich die letzten kapitel von dir aus und hefte die in den Catch ordner ab (ja ich hab einen ordner für deine ff :D)
mach bloß weiter so

alles liebe
Sasuke
Von:  moto7
2012-10-11T21:18:36+00:00 11.10.2012 23:18
mal wieder ein unglaubliches kapitel. wirklich großartig^^
das die beiden es langsam angehen finde ich gut, und auch, das sasuke ohne große probleme sein leben endlich leben kann.
wie du sicher in dem langen kommentar vom vorherigem kapitel gelesen hast, finde ich es sehr traurig das catch nun fast zu ende ist.
und auch als ich das ende hier gelsene habe, die letzten absätze, da ist es mir klar geworden. ich habe verstanden, warum mich diese story so berührt und warum sie mir das ein oder andere mal ein paar tränchen in die augen getrieben hatte. einfach, weil itachi und sasuke das haben, was viele nicht haben: eine person, die sie lieben, eine person, von der sie geliebt werden, eine liebe, die unerschütterlich ist und einen weg, den sie gemeinsam gehen.
es ist diese liebe, um die ich die zwei beneide. dieses füreinander da sein, das vertrauen, den respeckt und die rücksicht aufeinander.
das sie sich gegenseitig gut tun, und sich freuen, wenn sie zusammen sind.
das ist es, was die geschichte so realistisch wirken lässt. und ich danke dir, das ich das lesen und erleben durfte.
es gibt so unglaublich viel was ich zu der story noch sagen könnte, aber ich finde nicht die worte um all das zu sagen, weil es so unglaublich ist, das worte nicht reichen würden.
du kannst dir sicher sein, mit dieser geschichte hast du mich unglaublich bewegt und ich werde diese geschichte niewieder vergessen. du hast mich tief berührt und hast mir echt die augen geöffnet. denn jetzt sehe ich das, was ich auch haben will. ich will das, was die zwei haben. und wenn ich sehe, wie die zwei miteinander umgehen, wie einfach fast jeder in deiner geschichte jemanden hat, an den er sich festhalten und abstützen kann, dann weiß ich, das es möglich ist, das zu finden was die zwei schon gefunden haben.
ich will jetzt etwas ändern, viel ändern. du kannst wirklich stolz auf dich sein, das du so ein riesen ding auf die beine gestellt hast. jeder, der diese story verurteilt, ist ein idiot. sie ist unglaublich lesenswert, und ist nur zu empfehlen.
ich werde es vermissen, wenn ich keine benachrichtigung kriege, das ein neues kapitel draussen ist.
"Catch you if I can." und "Stay (Faraway, So Close!)" . das waren die geschichten die ich am allerliebsten auf sämtlichen fanfiction seiten gelesen habe. und dafür hast du meine anerkennung.
ich hoffe, du schreibst weiterhin so tolle geschichten. ich danke dir, du hast mir den ansatz zur heilung gegeben. jetzt muss ich nur noch "meinen itachi" finden^^
du hast meinen respekt. sobald du eine neue fanfiction startest, sag mir bitte bescheid. deine geschichten will ich nicht missen.
LG
moto

Von:  moto7
2012-10-10T21:13:28+00:00 10.10.2012 23:13
ich habe während des lesens die ganze zeit "zeiten ändern dich" von bushido gehört. ich mag ihn zwar nicht sonderlich, aber das lied ist zufällig in meiner playliyt und als ich es hörte, während sasuke immer wieder sagte, er wäre jetzt stark, da hat mich das unglaublich berührt.
ich habe es schonmal gesagt, und ich sags nochmal: diese geschichte ist unglaublich gut, mich hat noch nie eine fiktive geschichte so bewegt. du hast unglaubliches potienzial und du solltest was draus machen.
es isr wunderbar, das ria endlich den mutter instinkt in ihr entdeckt hat. und das itachi sich endlich wirklich eingesteht, das er sasuke so sehr liebt. und sasuke selbst.
ich respektiere die menschen, die sich fertig machen lassen für die menschen, die sie lieben. und sasuke hat genau das getan. er ist wirklich stark geworden, und das er letztendlich wieder zurück zu itachi gegangen ist, heißt nicht, das er schwach ist, oder seine mutter erneut im stich gelassen hat. es ist menschliches handeln gewesen, der wunsch in sicherheit zu sein und bei der person zu sein, die einen liebt.
und es ist so schade das diese unglaublich gute geschichte bald zuende ist. mit dieser geschichte verbinde ich auch viele persönliche dinge, weil ich mich total in die story rein gesteigert habe.
wie gesagt, du solltest unbedingt was draus machen, aus diesem talent.
catch. catch heißt für mich, eine geschichte, die einen bewegt. eine geschichte, die gar nicht so realitätsfern ist, und die mich grade deswegen so berührt. eine geschichte über stärken, schwächen und liebe.
catch ist im grunde die geschichte über das leben. und ich freu mich total für sasuke, das er letztendlich leute um sich hat, die ihn lieben uns respektieren.
und ich weiß, das ich viel schreibe und hier voll sentimental werde. aber die geschichte ist wie gesagt, sehr bewegend und ich hänge wirklich sehr an ihr, weil ich wie schon erwähnt, viel persönliches mit der story verbinde.
ich hoffe, das es ein happy end gibt. das sasuke und itachi zusammen bleiben. und das kabuto seine gerechte strafe bekommt. das ria einen neu anfang machen kann. und das sasuke niemals seine stärke und sein lachen verliert.
puh. ich glaub ich hab jetzt so alles rausgelassen, was ich zu der geschichte sagen wollte. natürlich ist da noch viel mehr, aber das wäre jetzt zu viel^^

zuhause ist kein haus, oder eine stadt. zuhause ist man bei der person, die du liebst und die dich liebt. und sasuke scheint endlich zuhause angekommen zu sein.
Von:  Veritaz
2012-10-10T09:08:21+00:00 10.10.2012 11:08
Omg mach das nie wieder^^ ich hatte echt Angst das Sasuke von Itachi weggeht T_T aber das ist echt süß wie sich Ria verhält, endlich benimmt sie sich wie eine Mutter=) Hoffentlich endet das ganze für sie noch gut=)
Die Liebeserklärung von Itachi war ja nur noch süß*.*

Ich freu mich total auf das nächste Kapi^^
Von:  oODrachenAugeOo
2012-10-08T21:19:23+00:00 08.10.2012 23:19
Hey, hab das Kapitel grade bei Fanfiction.de gelesen!
Naja war ja nicht zu verhindern, dass Sasuke wider den Mist durchmachen musste. Ein gewisser Vorwand war ja schon da: Sasuke sah seine Mutter wieder! Ich hoffe sie wird aus dem Schlamasel rausgeholt und hat mal die Kraft richtig zu leben! Sich vilt sogar das ständige Saufen abzugewöhnen.

Aber sonst finde ich das Ende gut, voll süß :3

Mach weiter so. ich sterbe vor Ungeduld ;)
Von:  oODrachenAugeOo
2012-10-07T09:40:00+00:00 07.10.2012 11:40
Hey, nun hab ich alle Kapitel durch...
Deine Geschichte ist so fesselnt und super geschrieben.
Ich hasse Kindesmisshandlung und diese Mistkerle sollten die Todesstrafe bekommen!
Es sind Wiederholungstäter und gehören entfernt.
Deine Idee aus dieser Sicht von Sasuke zu schreiben, welcher erst verängstigt und durch Itachi lernt, das Leben wieder lockerer zu sehen ist dir sehr gut gelungen!
Ich könnte mir es vorstellen, dass es im realen Leben mit den geschädigten Kindern nicht anders ist.
Ich hoffe nur das die Geschichte nicht so schlimm mehr wird und Kabuto seine gerechte Strafe bekommt!
Aber eines hätte Sasuke schon machen müssen...Die Fotos Itachi zeigen, dass er weiß, in welcher Gefahr dieser schwebt!
Itachi und Sasuke sind ja schon praktisch wie ein Paar :))
Freue mich schon sehr über die nächten Kapitel!
Bis dann,

das oODrachenAugeOo
Von: abgemeldet
2012-09-26T09:33:58+00:00 26.09.2012 11:33
deine ff ist genial auch wenn ich selten dazu komme etwas zu lesen ist es immer deine, die ich mir angucke :)

falls du irgendwann mal die story zu nem verlag schickst und so sag bloß bescheid dann kauf ich die mir! als erstes ;)

lg
Sasuke


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