Es begann mit Blut. von abgemeldet (Womit wird es enden?) ================================================================================ Prolog: #oo ғяüнℓιиg. --------------------- Du riechst es. Du kannst es sehen. An deiner Kleidung. An deinen Händen. Überall. An der Wand. Überall. Du siehst es. An deinen Händen. Du kannst es riechen. Es ist da. Auf dem Boden. Überall. An deinen Händen. Wohin du auch siehst. Überall. Du siehst es. Es riecht nach Blut. Misaki Kojima starrte zweifelnd auf ihren Kalender. Da stand es. In das Kästchen, das das heutige Datum anzeigte, war das Wort 'Frühlingsanfang' gedruckt. Misaki hob die Augenbrauen und sah zum Fenster. Draußen sah es definitiv mehr nach Winter aus. Die Bäume waren noch immer kahl, der Himmel mit einer gleichmäßigen weißen Wolkenschicht bedeckt. 'Den Frühlingsanfang hätte ich mir anders vorgestellt', dachte sie ein wenig missmutig, wandte sich von dem Wandkalender ab und verließ ihr Zimmer. Draußen auf dem Gang herrschte schon reger Betrieb. Es war sieben Uhr morgens, was bedeutete, dass die meisten Bewohner des Jugendheimes, in dem Misa lebte, auf dem Weg zum Essensraum waren. Dort würden sie hastig ihr Frühstück hinunterschlingen, damit sie rechtzeitig den Schulbus erwischten. Jeder machte es so. Misa war da keine Ausnahme. Manchmal fragte sie sich, ob das anders gewesen wäre, wenn ihre Eltern noch gelebt hätten. Vielleicht würde ihre Mutter hübsch den Tisch decken und sie mit einem liebevollen 'Guten Morgen' um halb sieben wecken, sodass immer genug Zeit für ein ausgiebiges Frühstück blieb. Vielleicht würde sie sogar ein belegtes Brot und einen Apfel für die Schule einpacken und für ihre Tochter bereitlegen. Misaki nahm an, dass es solche Eltern gab. Sie war sich aber nicht sicher, ob auch ihre zu dieser Sorte gezählt hatten. Zum Vergleich stellten sich nur ihre beiden besten Freunde zur Verfügung – von denen einer der Sohn des reichsten Mannes der Stadt war, in einer riesigen Villa am Stadtrand lebte und jeden Tag mehr als genug Geld für die Schulcaféteria mitbekam; während der andere selten überhaupt zu Hause schlief, weil er sich mit seinen Eltern nicht verstand. Jener zweite – Kouki war sein Name – hatte sogar einige Wochen im selben Jugendwohnheim wie Misaki gewohnt, war aber letztendlich doch wieder zu seinen Eltern gezogen, nachdem seine Mutter ihn unter Tränen darum gebeten hatte. Wahrscheinlich war sie sogar der Typ Mutter, der eventuell Schulbrote für das einzige Kind schmieren würde. Allerdings hatte sie einfach das Pech, den aufmüpfigsten und unduldsamsten Zeitgenossen des aktuellen Jahrhunderts zum Sohn zu haben. Das war freilich übertrieben und Misa musste grinsen, weil sie wusste, dass viele ihn tatsächlich so sahen – und es ihm schlichtweg egal war. Sie kam gut mit ihm klar (obwohl sie anfangs auch ihre Probleme mit ihm gehabt hatte) und sie wusste, dass sein Charakter nicht nur aus dem Arschloch-Teil bestand, den er der Allgemeinheit zu präsentieren pflegte. Yohan – das war der reiche Bengel mit der Villa – war da anders. Auch er konnte fies sein; besonders gegenüber Kouki. Aber er hatte diese Seite von sich wesentlich besser im Griff. Die Leute mochten ihn im Großen und Ganzen, was aber wohl in manchen Fällen auch schlichtweg an seinem Vermögen liegen konnte. Zum Glück wusste Yohan die habsüchtigen von den ehrlichen Leuten zu unterscheiden. Jemand stieß Misaki an. "Musst du nicht los?" Ihr Kopf zuckte hoch und sie sah ein Mädchen an, das ein paar Jahre jünger war als sie. Die beiden spielten manchmal unten im Aufenthaltsraum zusammen PlayStation. "Was... wie spät ist es denn?", fragte Misa zerstreut und sah auf ihren Teller. Sie war so in Gedanken über ihre beiden besten Freunde vertieft gewesen, dass sie ganz die Zeit – und das Essen – vergessen hatte. "Halb acht", sagte das Mädchen. Misa stand hastig auf und stieß sich schmerzhaft das Knie an der Tischkante. "Wa-?!" Sie zischte leise, rieb sich das Knie und fluchte fast unhörbar auf Italienisch, als sie ihren Teller zu dem dreckigen Geschirr stellte. "Danke", rief sie dem Mädchen noch zu. "Ich muss los. Ciao." Weitere italienische Flüche waren zu hören, als Misa die Treppe hinauflief, ihre Tasche aus ihrem Zimmer holte und wieder hinablief. Sie hatte ein Auslandsjahr in Italien verbracht, sprach die Landessprache seitdem fast fließend und hatte sich angewöhnt, sie zu benutzen, wenn sie sich aufregte. Wie jetzt. Der Schulbus war natürlich schon weg. Sie würde den Linienbus nehmen müssen, der allerdings genau vier Minuten nach Schulbeginn ankam. Na gut. Besser als eine ganze Stunde zu spät zu kommen. Kaum war sie ein paar Sekunden draußen, musste Misa feststellen, dass es kalt war. "Frühlingsanfang!", murrte sie vor sich hin und schlang die Arme um ihren Oberkörper, während sie zur Bushaltestelle trabte. "Col cavolo!" Nein, der Frühling hatte wohl noch nicht angefangen. Dafür sollte heute erneut etwas beginnen, was vor vielen Jahren seinen Anfang nahm. Und damals begann es mit Blut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)