Freitags von Diabolo_17 (LavixKanda) ================================================================================ Kapitel 1: Neu -------------- Es war das zweite Mal, dass seine Familie in ein anderes Land auswanderte. Beim ersten Mal ging es von Japan direkt nach London und jetzt acht Jahre später war London nicht mehr gut genug, jetzt musste es Washington sein. Und warum das alles? Weil sein Vater als Botschafter arbeitete. Mit ihm konnte es der japanische Staat ja machen. Nun stand Yuu hier. Mitten in einer High-School voller lärmender amerikanischer Teenager, bei denen er nicht nur durch sein Aussehen auffiel, nein sondern auch noch wegen seinem britischem Englisch, der noch einen ganz leichten japanischen Akzent hatte. Seine Umhängetasche fest umklammert, schritt der Japaner durch die Schulgänge, auf der Suche nach dem Sekretariat, was trotz einem kleinen Plan, gar nicht so einfach war zu finden. An einer erneuten Tafel blieb er stehen und suchte seinen jetzigen Aufenthaltsort, um gleich darauf wütend die Augenbraue hochzuziehen. Warum war das Sekretariat plötzlich auf der anderen Seite der Schule, wo er doch gerade vorhin war? Sich einen frustrierten Aufschrei verkneifend, ging der Schwarzhaarige wieder zurück. Wütend auf sich selbst, auf seinen Vater, dass er die Stelle hier annehmen musste, und auf das Sekretariat, das sich seinen Spass machte, sich vor ihm zu verstecken. Yuu bog um eine Ecke, um gleich darauf mit einem dieser idiotischen Amikinder zusammenzuprallen. Gerade wollte er den Unbekannten anmeckern, er solle gefälligst besser aufpassen, entschuldigte sich dieser schon. Grund genug für Kanda, diesen kurz zu mustern. Er war vielleicht etwas grösser, als er selbst, trug seine roten Haare in einer schrecklichen Frisur, hatte ein grünes Auge – Moment, nur eins?! – Der Japaner schaute genauer hin. Das zweite wurde von einer Augenklappe verdeckt. Was das wohl sollte? „Bist du neu hier? Ich hab dich hier noch nie gesehen“, fing der Fremde an zu reden und nahm sich die Frechheit heraus, Yuu ebenfalls zu mustern. Der Japaner nickte nur auf die Frage hin und musste wohl über seinen Schattenspringen, um nach dem Sekretariat zu fragen, schliesslich konnte das der Fremde nicht riechen. „Ich suche das Sekretariat. Weisst du, wo das ist?“, fragte er nach und sah den Rothaarigen abwartend an. „Ja, am besten ich begleite dich dort hin, es dauert eh noch ein Weilchen, bis die erste Stunde anfängt“, sagte der Rothaarige freundlich und schenkte Kanda ein breites Lächeln. Yuu liess es über sich ergehen, von ihm aus hätte der Typ auch einen Handstand machen können. Hauptsache er kam zum Sekretariat. Während er von dem Rothaarigen begleitet wurde, bekam er fast dessen ganze Lebensgeschichte mit. Er hiess Lavi, war 18 Jahre alt und sein Grossvater, bei dem er hauptsächlich wohnte, besass einen Bücherladen. Sein Vater sei vor seiner Geburt abgehauen und seine Mutter sei krank. Bei den Hobbys hatte Kanda irgendwann auf Durchzug geschaltet, warum musste der ihm auch seine ganze Leidensgeschichte erzählen? Er kannte ihn doch überhaupt nicht. „So, da wären wir“, meinte Lavi breit grinsend und tatsächlich standen sie vor dem Sekretariat. „Ich wünsche dir noch einen schönen Tag….ähm wie heisst du eigentlich?“, wollte der Rothaarige wissen. „Kanda“, antwortete Yuu knapp und wollte Lavi endlich los werden, nicht dass dieser auch noch seine ganzen Lebenslauf wissen wollte. „Also dann Kanda, see ya“, meinte er grinsend und tollte sich davon. Bevor Kanda rein ging, schaute er ihm noch kontrollierend nach, ob er vielleicht nicht doch noch zurück kam, um ihm von seiner Kindheit zu erzählen. Die Sache im Sekretariat wurde relativ schnell bearbeitet. Mit einem Stundenplan in der Hand und dem wissen, dass in fünf Minuten der Unterricht los gehen würde, stiefelte der Japaner wieder durch die Gänge auf der Suche nach dem Schulzimmer 305. Gerade noch rechtzeitig fand Yuu das Klassenzimmer und setzte sich auf einen freien Platz. Wobei er schon von seinen neuen Mitschüler neugierig angesehen wurde. Der vor ihm drehte sich um und Yuu konnte kaum glauben, dass das tatsächlich der Typ war, der ihn zum Sekretariat begleitet hatte. „Hey, hab gar nicht gedacht, dass ich dich so schnell wieder sehe“, meinte Lavi breit grinsend. „So ein Zufall, nicht?“ Kanda konnte nur nicken. Er war nicht gerade gewillt eine Konversation mit dem Rothaarigen anzufangen. Der Lehrer kam herein, was ihn zum Glück vor einem weiteren Gespräch bewahrte. „So guten Morgen. Es freut mich euch alle mehr oder weniger motiviert hier zu sehen. Wie ihr unschwer mitbekommen habt, haben wir einen neuen Schüler in unserer Mitte.“ Kurz sah ihr Mathematiklehrer auf seine Liste. „Yuu Kanda. Stehen Sie bitte auf und erzählen Sie etwas von sich. Woher Sie kommen und welche Hobbys Sie haben, damit sich die anderen ein Bild von Ihnen machen können.“ Kanda hatte geahnt, dass so etwas kommen würde, da waren Lehrer doch auf der ganzen Welt gleich. Unter den neugierigen Blicken der Schüler und des Lehrers stand er auf und seufzte kurz. Wie er das doch hasste… Deswegen würde sich der Langhaarige schön kurz fassen. „Mein Name ist Kanda, bin 18 Jahre alt. Wohne seit kurzem hier mit meinen Eltern. Habe neun Jahre in London verbracht und komme ursprünglich aus Tokyo. Meine grosse Leidenschaft ist Kendo.“ Mehr hatte er nicht zu sagen und mehr brauchten die anderen auch nicht zu wissen, weswegen er sich wieder hinsetzte. Yuu war das leise Kichern seiner Mitschüler über sein Englisch nicht entgangen, ebenso dieses Gestarre eines schwarzen Teenagers, den Kanda mit einem Blick nur als Hüne betiteln konnte. Der Lehrer bedankte sich noch kurz für Kandas Vorstellung und begann dann ohne Umschweife mit dem Unterricht. Na toll, wurden ihm denn seine Mitleidenden nicht vorgestellt? Der Schwarzhaarige fand das eine Frechheit. War das so üblich in den Staaten? Aufregen brachte nun alles nichts, Yuu holte seine Bücher hervor und begann mitzuschreiben. Plötzlich bekam er einen zerknüllten Zettel auf den Tisch geworfen. Eine Augenbraue gehoben, öffnete er den Wisch, auf dem in typischer Mädchenschrift „Du bist süss" stand. Zettelbotschaften… Waren sie etwa in der Grundschule? Schnaubend zerknüllte Yuu den Wisch wieder und schrieb weiter an seinen Notizen. Nach einer Stunde klingelte es zum Ende der Lektion. Die Gelegenheit für Yuus Vordermann, sich umzudrehen und ein Gespräch mit ihm anzufangen. „Du heisst also Yuu“, meinte Lavi grinsend und Kandas Augenbraue zuckte gefährlich. Ihm war sein Vorname immer noch unangenehm. „Kanda“, erwiderte er deswegen automatisch, doch der Rothaarige ging gar nicht auf ihn ein. „Steve hat schon ein Auge auf dich geworfen“, sagte Lavi weiter und hatte Yuus fragenden Blick nicht übersehen. „Der grosse Schwarze dort hinten, der dich anstarrt.“ „Ja, was ist mit dem?“, wollte der Schwarzhaarige ruppig wissen. „Nun wie soll ich sagen? Er ist der Playboy hier auf der Schule. Er bekommt alle, wirklich alle, die ihm gefallen ins Bett, egal ob männlich oder weiblich, da macht er keinen Unterschied. Ebenso Melissa – die blonde Bombe dort hinten – die dir schon einen Zettel geschrieben hat. Sie sammelt hübsche Typen, um sie vor ihren Freundinnen zu präsentieren.“ Wieso hatte Kanda das dumme Gefühl, dass ihm diese beiden noch eine Menge Ärger bringen würden? Als ob er mit einem dahergelaufenen Idioten oder einer Dorfmatratze ins Bett steigen würde, so weit käme es noch! Yuu verzog angewidert sein Gesicht bei dem Gedanken, dass auch nur einer der beiden sich ihm nähern könnte. „Keine Sorge, solange du dich an mich hältst, solltest du sicher sein“, meinte der Rothaarige grosszügig und grinste immer noch breit. Gut, Yuu beschloss somit, sich in nächster Zeit an Lavi zu halten, aber nur solange, bis er sich hier selbst gut genug auskannte. „Du machst also Kendo? Wie lange schon, Yuu?“ „Nenn mich nicht beim Vornamen“, knurrte der Langhaarige und sah Lavi böse an, doch dieser schien das gar nicht zu bemerken. Er antwortete dem Rothaarigen schliesslich dann doch noch, dass er seit 12 Jahren Kendo betrieb. Wieder klingelte es und die nächste Lektion begann. Lavi drehte sich erst spät um, als der Lehrer wieder das Klassenzimmer betrat und die Schüler zur Ruhe aufforderte. Der Vormittag ging zum Glück schnell vorbei. Lavi hatte ihm kurz alle seine Mitschüler vorgestellt und Kanda begleitete ihn nun zur Mensa. Dort würde er noch mehr Freunde des Rothaarigen kennen lernen, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Sie holten ihr Mittagsmenü, was der Japaner zum Glück nicht als undefinierbare Pampe bekam, sondern als wirklich schmackhaft aussehendes Essen. Dennoch würde es nicht gut schmecken, allein aus Prinzip, weil es Schulessen war. Lavi steuerte einen Tisch an, bei dem schon vier Personen sassen. „Hey Leute“, begrüsste sie Lavi grinsend und stellte sein Tablett auf einen freien Platz. „Darf ich vorstellen? Das sind Linalee, Allen, Crowley und Miranda und das hier ist…“ Bevor Lavi auch nur die Chance hatte, den Vornamen des Langhaarigen zu nennen, unterbrach ihn dieser. „Kanda“, meinte Yuu schlicht und stellte sein Tablett ebenfalls ab. Lavi warf ihm kurz einen irritierten Blick zu, den Kanda elegant übersah, als er sich auf den freien Platz setzte. Es wurde ein Gesprächsthema angeschnitten, bei dem Lavi sofort mitdiskutierte. Yuu hatte beschlossen, schweigen zuzuhören und die Leute am Tisch unauffällig zu mustern. Da gab es diese Linalee, die mit ihrer Frisur an Pippi Langstrumpf erinnerte. Kanda entschied sich, sie innerlich so zu nennen. Dann dieser Knirps mit den weissen Haaren, der eher an eine Bohnenstange erinnerte, die Langstrumpf anstarrte. Yuu sah genauer hin. Ja wirklich, der Knirps hing förmlich an ihren Lippen. Dann war noch dieser andere Typ, der eher einen jämmerlichen Eindruck machte, kein Selbstvertrauen, rein gar nichts. Wenn er mal den Mund aufbrachte, dann kam diese unsichere weinerliche Stimme. Nein, definitiv nicht seine Stufe. Dann diese junge Frau neben ihm, die ebenfalls sehr unsicher wirkte. Sagte sie etwas falsch, betitelte sie sich als dumm und nutzlos. Was war das für ein Haufen?! Kanda war am Ende der Meinung, dass diese Linalee und Lavi wohl den vernünftigsten Eindruck machten. „Wo wohnst du, Kanda?“, wollte das grünhaarige Mädchen von ihm wissen. „In der Massachusetts Avenue“, antwortete Yuu knapp. „Befindet sich dort nicht der Rock Creek Park?“, fragte Lavi grinsend. Kanda nickt nur. Musste ja keiner wissen, dass er in der Botschaft wohnte und dass er ein Diplomatenkind war. Nach der Mittagspause ging’s zum Biologieunterricht. Solange sie keine toten Viecher aufschneiden und begutachten musste, war Kanda das Fach relativ egal. Hier gab es nur zwei Bänke in dem Klassenzimmer, weswegen sich Lavi dreisterweise zu ihm setzte. Bloss weil er neu war, hiess das noch lange nicht, dass er einen Babysitter brauchte. Andererseits hatte der Schwarzhaarige den Blick gesehen, wie Steve Lavi angesehen hatte. Yuu war nun doch froh, den Rothaarigen neben sich zu wissen anstatt dieses schwarzen Monstrums von einem Menschen. Während Yuu seine Notizen machte, als der Unterricht angefangen hatte, löste Lavi das heutige Kreuzworträtsel. Gut, dass sie ganz hinten in der Ecke sassen, sodass der Lehrer es nicht sofort bemerkte. Dennoch – Kanda fand das ungehobelt. Hin und wieder schielte er zu dem leicht Grösseren hinüber, nur um zu sehen, ob dieser alles wusste. Zu Yuus Erstaunen hatte Lavi das Kreuzworträtsel innerhalb von 20 Minuten gelöst, vollständig. „Heute war’s leicht“, meinte der breit grinsend, als er Kandas irritierten Blick gesehen hatte. Lavi liess den Fetzen Papier verschwinden und richtete seine Aufmerksamkeit nun ebenfalls dem Lehrer zu. Doch eigentlich musste der Japaner eingestehen: Der Schulstoff war bis jetzt sehr leicht. Nicht zu vergleichen mit dem, den er in London gehabt hatte. Während einer kurzen Pause zwischen den Lektionen fand Lavi wieder einmal ein Gesprächsthema, um Kanda zu nerven. „Hast du dich schon entschieden, welche Kurse du besuchen willst? Oh und weisst du schon, in welches Sportteam du möchtest?“ Wenn der Langhaarige ehrlich war, dann hatte er den Zettel gar nicht mal richtig angesehen. Er hatte sich nur kurz seine Spind-Nummer gemerkt. Warum konnten ihn seine Eltern nicht auf eine private High School schicken? Das Geld dazu hätten sie gehabt. „Du hast ja noch Zeit bis zum Ende der Woche“, sagte Lavi weiterhin grinsend, als er auf seine ersten beiden Fragen keine Antwort bekam. Yuu gab ein Grummeln von sich und entdeckte schon wieder eine zerknüllte Zettelbotschaft auf seiner Seite des Tisches. Seine Augenbraue zuckte gefährlich, als er es entfaltete und Lavi neugierig näher gerückt war, um mitlesen zu können. „Gibst du mir deine Handynummer? PS: Du bist süss!“ Schon wieder diese typische Mädchenschrift. Kanda schnaubte abfällig und nahm seinen Kugelschreiber, um ihr eine Antwort zu geben. „Du gibst ihr doch nicht wirklich deine Handynummer, oder Yuu? Du wirst nie mehr deine Ruhe vor ihr haben“, hörte er den Rothaarigen quasseln. „Che, als ob ich so dumm wäre“, knurrte der Langhaarige und schob seinem Nebenan den Zettel rüber, auf dem er feinsäuberlich geschrieben hatte: „Ich hasse Süsses!“ Kichernd knüllte der Rothaarige den Zettel für Kanda zusammen und warf ihn an den Kopf der Blondine, die schräg vor ihnen sass. Gespannt beobachteten die beiden jungen Männer, wie diese den Zettel eilig glättete. Neben Yuu hatte Lavi Probleme, das Lachen zu unterdrücken, als dieser das Gesicht des Mädchens sah. Melissa sah aus, als wäre sie in Hundekot getreten. Nun konnte Kanda sich ein fieses Grinsen nicht mehr verkneifen. Der Japaner hatte gerade etwas anderes, was ihn störte, und zog Lavi an seinem Ohr zu sich hin. „Nenn mich nicht bei meinem Vornamen“, fauchte er ihn an und liess den Grösseren wieder los, welcher schon gewimmert hatte, aus Angst, der Japaner könnte ihm seinen Ohrring raus reissen (was schliesslich sehr schmerzhaft sein konnte). Doch Lavi schien sich davon überhaupt nicht beeindruckt zu fühlen. Kaum war die Schule zu Ende, lief er ihm zu seinem Spind nach, in den Kanda seine Bücher beförderte. „Soll ich dich nach Hause begleiten, Yuu?“ Kanda glaubte, sich verhört zu haben. Als er den Spind zudonnerte und den Rothaarigen böse ansah, bemerkte er, dass es sein voller Ernst war. Sah er aus wie ein schwaches Mädchen, dass Begleitschutz brauchte? „Nein“, antwortete er schroff. Trotz dieser Antwort schien diese blöde gute Laune nicht von dem Gesicht des Grösseren zu verschwinden. Schweigend trotteten sie zusammen aus dem Schulgebäude. Yuu bemerkte dabei, dass ihm Lavi immer wieder einige Seitenblicke zuwarf, und das nervte. „Ist was?“, fragte er deswegen nach und Lavis „Nein“ kam viel zu schnell. Na toll, jetzt wusste der Japaner erst recht, dass irgendetwas los war. Aber weiter nachfragen war nicht sein Ding. „Also, man sieht sich morgen wieder, tschüss Yuu“, verabschiedete sich der Rothaarige gut gelaunt draussen vor der Schule bei den Parkplätzen. „Tschüss“, murmelte der Japaner, während Lavi davon ging und sogleich auf die Bohnenstange traf. Gut, den Idioten war er nun los geworden, jetzt musste Kanda nur noch das Auto finden, mit dem er abgeholt werden sollte. Suchend ging der Langhaarige durch die geparkten Autos. Dabei achtete er auf die Kennzeichen – irgendwo musste es doch sein. Er konnte kaum glauben, dass sein Vater ihn vergessen haben sollte. „Suchst du dein Auto?“, hörte der Japaner hinter sich plötzlich eine tiefe Stimme und als er sich um drehte, stand Steve lächelnd da. „Soll ich dir suchen helfen?“ „Nein“, sagte der Schwarzhaarige und ging einen Schritt zurück. Als sich Kanda umdrehte, sprang ihm das gesuchte Auto förmlich in die Augen. Ein schwarzer Mercedes mit dem Diplomatenkennzeichnen. So nahe am Ziel! Nur, wie wurde er den schwarzen Mitschüler wieder los? Yuu spürte, wie sich ein Gewicht auf seine Schulter legte. Blitzschnell drehte er sich um und schlug die Hand weg. „Fass mich nicht an!“ So weit kam es noch, dass wildfremde Menschen dachten, sie müssten ihn anfassen. Unverschämtheit. Das reichte, damit Steve ihn leicht perplex anstarrte und Kanda zum Wagen rauschte. Bloss weg hier. Yuus Tagebuch: Erster Schultag. Grässlich, was sich dort alles in der Schule tummelt. Wie in einem dieser typischen High-School-Teenager-Filmen. Ich könnte schreiend im Kreis rennen. Ich war von einem blonden Modepüpchen plump angemacht worden, ein schwarzer Hüne hat mich angetatscht und so ein komischer Typ mit Augenklappe (Lavi) versucht wohl so etwas wie Freundschaft zu schliessen. Versuche noch, meinen Vater umzustimmen, mich doch zu einer Privatschule zu schicken. To do für diese Woche: - Keinen Selbstmord begehen - Lavi wieder los werden - Vater von der Idee mit der Privatschule überzeugen - Namen der Mitschüler lernen Kapitel 2: Verschlafen ---------------------- Yuu hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, sich für die zusätzlichen Kurse anzumelden, auch wenn er von der Sportauswahl enttäuscht war. Warum gab es hier auf dieser verblödeten Schule kein Kendo? Er hatte sich dann zum Geländelauf durchgerungen, was zum Glück nur einmal in der Woche stattfand. Dann gab es noch andere, die er besuchen musste, ansonsten hätte er in die Aula gehen müssen, um Hausaufgaben zu erledigen. Es war wohl überflüssig zu sagen, dass Kanda darauf keine Lust hatte. Gezwungenermassen hatte er sich dann für den Kurs Japanisch für Fortgeschrittene und Astronomie entschieden. Alles andere war wenig ansprechend gewesen. Irgendwie musste der Japaner die Nachmittage füllen, da der reguläre Unterricht nur vormittags war und die Freifächer nachmittags. Nur am Donnerstag, da musste Kanda wohl die Zeit in der Aula totschlagen. Naja, dafür waren die Hausaufgaben schon erledigt. Lavi war allerdings bei seiner Fächerauswahl sehr enttäuscht gewesen, dass sich Yuu nicht für Tennis entschieden hatte. Was sollte er damit? Was war so toll daran, einen gelben Ball über das Netz zu schlagen? Genau: Gar nichts. Es war langweilig und es konnte manchmal Stunden dauern, bis jemand gewonnen hatte. Nein, danke. Vor allem: wieso sollte er ausgerechnet mit diesem nervigen, einäugigen Etwas die gleichen Kurse besuchen? Es reichte Kanda völlig, ihn im normalen Unterricht neben sich sitzend zu haben. Nun, wenn der Japaner ganz ehrlich zu sich selbst war, dann war Lavi eigentlich doch nicht so nervig. Der blöde Hase wusste sogar noch ziemlich viel, auch wenn dieser anscheinend seine Hausaufgaben nicht rechtzeitig oder gar nicht hatte. Dennoch, bis jetzt hatte der Rothaarige noch gar nie bei dem Japaner abgeschrieben. Ausserdem hatte es der Grössere, und wie Yuu herausgefunden hatte auch Jüngere, es irgendwie geschafft, Kanda dazu zu überreden, ihm die Handynummer zu geben. Grosser Fehler. Denn Lavi hatte anscheinend noch nie etwas von Ruhezeiten gehört. Kanda kam am Donnerstagabend spät nach seinem Kendotraining nach Hause und wollte nichts sehnlicher, als eine Dusche zu nehmen und dann schlafen zu gehen. Seine Hausaufgaben hatte er heute in der Aula gemacht, eigentlich ganz praktisch, da er am Abend dafür kaum Zeit gehabt hätte. So stiefelte der Japaner die Treppe hoch in den oberen Stock, in dem sich die privaten Zimmer der Botschafterfamilie, sowie das Bad befanden. Im Erdgeschoss befanden sich die Büroräume seines Vaters, in denen er Besucher empfing. Das alles befand sich im hellen Ostflügel der Botschaft. Im viel grösseren Hauptgebäude gab es einige Konferenzzimmer, sowie die Büros für die Angestellten, die seinen Vater bei der Arbeit unterstützten und die tägliche Bearbeitung von Visa-Anfragen erledigten. Gleich neben der japanischen Botschaft war rechts die indische und links die von Korea. Die ganze Strasse war vollgepflastert mit Botschaften. Komisch, dass Lavi das bis jetzt noch nicht bemerkt hatte, dachte sich Kanda, als er unter der Dusche stand und das lauwarme Wasser über seine verschwitzte Haut lief. Der Rothaarige konnte sich unglaublich viel merken. Wie die Sache mit der Handynummer. Yuu hatte die Nummer so schnell hinunter gerattert, dass ein normaler Mensch sie sich unmöglich hätte merken können. Doch Lavi hatte wie immer nur gegrinst und sich bedankt. Tatsächlich bekam der Japaner am Abend darauf eine SMS von dem Jüngeren. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Lavi hinter sein Geheimnis kam. Ein beunruhigender Gedanke für den Langhaarigen. Nach dem Duschen schlang sich Yuu ein Tuch um die Hüfte und trocknete sich so lange die Haare ab, bis sie nicht mehr tropften. Kaum war Kanda in seinem Zimmer, klingelte auch schon sein Handy. Eine SMS war gekommen. Augenrollend, da sich der Japaner denken konnte, wer es war, nahm er das Gerät in die Hand und – tatsächlich – es war Lavi. War ja klar. Musste er diesem Idioten eigentlich morgen echt mal sagen, dass er keinen Bock hatte, die ganze Zeit von ihm belästigt zu werden?! Dennoch öffnete der Schwarzhaarige die Nachricht. „Hey Yu!“ Seinen Namen schrieb man mit zwei U, Trottel. „Bin gerade mit meinen Hausaufgaben fertig geworden. Hoffe, du auch?!? Wünsch dir noch ‘ne gute Nacht. See ya. LG Lavi.“ Kanda schnaubte. Was interessierte es ihn, ob der mit seinen Hausaufgaben fertig war oder nicht? Idiot! Wenn SMSen von dem Rothaarigen kamen, dann waren die immer so sinnlos. Yuu musste morgen unbedingt Lavis Mobiltelefon in die Hand kriegen und seine Nummer löschen. Am nächsten Morgen wurde Kanda durch eine SMS aus dem Schlaf gerissen. Knurrend und grummelnd drehte sich der Schwarzhaarige um und tastete nach seinem Handy, welches auf seinem Nachttisch lag. Wehe, das war Lavi, dann würde er ihm heute höchstpersönlich den Kopf umdrehen. „Morgen Yu! Na, auch schon wach? Wollte dir schon mal einen guten Morgen wünschen. Seh dich in der Schule =) Lavi.“ Kanda konnte das Grinsen des Jüngeren förmlich durch diese Nachricht sickern sehen. Ja, er würde ihn heute umbringen. Mit einem Grummeln legte sich der Japaner nochmals hin. Wie spät war es eigentlich? Noch einmal tastete er nach dem Handy und die Zeit liess ihm das Blut in den Andern gefrieren. In 20 Minuten fing die Schule an. „Scheisse!“ Sofort war der Langhaarige hellwach und sprang aus dem Bett, um sich so schnell wie möglich anzuziehen. In einem Rekordtempo hatte sich Yuu angezogen, seine Zähne geputzt und die Haare gekämmt. Für die Suche nach seinem verschollenen Haarband hatte er keine Zeit, das musste bis heute Abend warten. Seine Umhängetasche schnappend, sprintete der Langhaarige die Treppe hinunter. Zum Glück hatte er seine Hausaufgaben schon gestern fein säuberlich in die Tasche getan. „Verschlafen?“, ertönte die tiefe Stimme seines Vaters, als Yuu gerade seine Schuhe anzog. Ein Nicken als Antwort musste genügen. So riss er kurz darauf die Türe auf, der schwarze Mercedes stand auf seinem Parkplatz, gut. Nur - wo war sein Fahrer, der ihn immer zu Schule brachte? „Hitoshi hatte vorhin gerade angerufen und sich krank gemeldet.“ Fassungslos drehte sich Yuu zu seinem Vater um. Hatte sich denn heute die ganze Welt gegen ihn verschworen? Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln käme er nie pünktlich zur Schule. Da hielt ihm sein grossgewachsener Vater die Hand hin, in dem sich die Autoschlüssel befanden. „Na los, du willst doch nicht in der zweiten Woche schon zu spät kommen?“ Kanda konnte einen leicht spottenden Unterton feststellen, aber heute war’s ihm egal. „Danke“, mit einer flinken Bewegung schnappte er sich die Autoschlüssel und rannte zum Wagen. Gerade noch rechtzeitig kam Yuu in das Klassenzimmer und konnte sich auf seinen Platz setzen, bevor ihr Lehrer hinein kam. „Du bist heute total spät dran, Yuu.“ Lavi hatte sich zu dem Schwarzhaarigen umgedreht, welcher immer noch ganz ausser Atem war. „Klappe“, knurrte er ihm nur zu und suchte in seiner Umhängetaschen nach seinen Büchern. Eigentlich müsste der Japaner total sauer auf den Rothaarigen sein, weil dieser ihn so blöd angrinste. Doch weil er ihn noch rechtzeitig durch die SMS geweckt hatte, hielt sich seine Wut in Grenzen. Trotzdem wusste Yuu, dass er etwas Zuhause vergessen hatte. Wo waren seine Stifte? So gut er auch seine Umhängetasche durchwühlte, er fand einfach keinen Stift. Verdammt. Kanda musste seinen Schreibbeutel Zuhause liegen gelassen haben. Was nutzten ihm nun sein Notizblock und die Bücher, wenn er nichts schreiben konnte? Ja, heute ging definitiv alles schief. Genervt strich sich der Schwarzhaarige eine Strähne hinters Ohr, die ihm die Sicht nahm. Nicht einmal ein Haargummi hatte er dabei. Da legte ihm Lavi einen Kugelschreiber auf den Pult. Verwundert hob Kanda seinen Blick und sah direkt in das grüne Auge seines Vordermanns. „Du hast verschlafen, richtig? Du bist sonst immer pünktlich und du hast deine Haare immer ordentlich zusammengebunden. Also dachte ich, du musst was vergessen haben und das scheint dein Stift zu sein“, fasste Lavi alles grinsend zusammen. Bevor Yuu irgendetwas erwidern konnte, hatte der Lehrer sie gemahnt, sie sollten ruhig sein, sonst dürften sie die Stunde draussen verbringen. Sofort drehte sich der Rothaarige wieder um und folgte mehr oder weniger aufmerksam dem Unterricht. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Yuus Lippen, als er den Rücken des Rothaarigen ansah. Vielleicht war der wirklich nicht so nervig, wie er immer gedacht hatte. Bei der Mittagspause beschloss der Schwarzhaarige, dass er Lavi den Kugelschreiber heute Nachmittag zurück geben wollte. Soweit er sich erinnern konnte, hatte der Rothaarige Freitagnachmittag länger Schule als er. Doch welches Fach? Es musste eines seiner tausend Freifächer sein, leider konnte sich Kanda nicht mehr daran erinnern welches. Er musste auf Durchzug geschaltet haben, als Lavi ihn einmal damit vollgequatscht hatte. Mit der Hoffnung, dass es der Grössere – es waren genau zwei Zentimeter, die Lavi grösser war als er – nochmals irgendwem erzählte, folgte er ihm in die Mensa. „Na Kanda, hast du heute mal gedacht, du spielst ein Mädchen?“ Yuu spürte schon wie sein Blut zu kochen begann, als ihn diese blöde Bohnenstange mit seiner ätzenden Stimme zu provozieren anfing. Er konnte Allen nicht ausstehen und die Bohnenstange konnte ihn nicht leiden. Weswegen sie sich am Mittag häufig stritten und es damit endete, dass Lavi Kanda festhalten musste, damit er sich nicht auf dieses weisshaarige Etwas stürzte, um es zu erwürgen. Bevor Yuu aber irgendetwas Bissiges erwidern konnte, schritt Linalee ein und legte ihre Hand auf die der Bohnenstange. Hatte Kanda etwas verpasst? Doch ein Seitenblick auf Lavi zeigte, dass auch ihm das neu war. „Allen, was haben wir gestern miteinander besprochen?“, fragte sie in einem ruhigen Ton nach, während sich die beiden Neuankömmlingen setzten. Was es auch immer war, der Schwarzhaarige verstand von dem Gemurmel des Weisshaarigen kein Wort. „Sagt mal ihr beiden, haben wir etwas verpasst, was euch angeht?“, fragte Lavi nach. Endlich, dachte sich der Langhaarige, sonst hätte er über seinen Schatten springen und selbst nachfragen müssen. Linalee kicherte leicht verschämt, und auch die Bohnenstange bekam rote Wangen. Plötzlich klatschte Miranda in die Hände und umarmte die Schwarzhaarige neben sich. „Oh, das ist so schön“, meinte sie und wollte Linalee gar nicht mehr aus ihrer Umarmung lassen. Dann fing die Chinesin an zu erzählen, dass sie und Allen seit gestern Abend offiziell zusammen seien. Sobald das für Yuu geklärt war, hörte er den weiteren Ausführungen der jungen Frau nicht mehr zu und stocherte stattdessen lustlos in seinem Essen herum. „Ich frage mich immer noch, wieso du dich für Japanisch entschieden hast. Du bist doch Japaner, da brauchst du das doch nicht auch noch hier zu lernen“, fing Lavi plötzlich an mit Yuu zu reden. Was ihm im Moment sehr gelegen kam, so könnte er vielleicht unauffällig nachfragen, welche Fächer der Rothaarige heute belegte. „Ist doch egal. Da habe ich ganz leicht gute Noten“, meinte er schulterzuckend. Ausserdem konnte er vielleicht noch irgendetwas lernen. Kanda hatte erwartet, dass Lavi nun irgendetwas von sich erzählte, aber da kam nichts. Innerlich schrie er gerade frustriert auf, sonst war der Jüngere immer so mitteilungsbedürftig. „Was machst du schon wieder?“ „Heute ist Sport angesagt. Habe bis Schulschluss Tennis“, meinte Lavi grinsend. Ah ja, gut, das musste sich der Japaner nun merken. Dann wusste er nun, wo er auf Lavi heute Nachmittag warten musste. Yuu war mehr als enttäuscht von diesem Japanisch-Kurs für Fortgeschrittene. Er hatte die ganze Zeit im Unterricht gesessen und aus dem Fenster gestarrt. Nein, der Kurs war für die Füchse. Zwar hatte die Lehrerin eine Ahnung, wovon sie sprach, aber ihre Aussprache war schrecklich. So war der Langhaarige mehr als froh, dass der Unterricht vorbei war und er nun eigentlich nach Hause konnte. Aber zuerst musste Kanda auf Lavi warten, schliesslich war der ausgeliehene Kugelschreiber noch nicht zurückgegeben. Der Japaner wartete auf einer Bank vor der Sporthalle auf Lavi, der in etwa einer Stunde herauskommen sollte. Das Umziehen hatte Kanda schon miteinberechnet. Es blieb ihm also genug Zeit, seine Hausaufgaben zu erledigen. Was sollte er sonst eine Stunde lang tun? „Yuu, was machst du denn hier?“, ertönte hinter ihm plötzlich eine bekannte Stimme und Lavi liess sich neben ihn auf die Bank sinken. Kanda schenkte ihm einen bösen Blick. Wann schnallte der Rothaarige endlich, dass er ihn nicht beim Vornamen nennen sollte? Er klappte das Buch zu und streckte dem Grösseren den Kugelschreiber entgegen. „Jetzt sag bloss, du hast hier auf mich gewartet, nur um mir den Kugelschreiber zurück zu geben?“, fragte Lavi lächelnd nach. Der Japaner nickte nur zur Antwort, während der Rothaarige ihm den Stift abnahm. „Hättest ihn auch behalten können.“ „Che, wenn ich was ausleihe, dann geb ich es auch wieder zurück“, entgegnete der Schwarzhaarige nur. Breit grinsend verstaute Lavi den Kugelschreiber in seiner Tasche und lehnte sich dann zurück. „Du bist gar nicht so übel, wie du immer tust, Yuu.“ Der Langhaarige schnaubte abfällig. „Nenn mich nicht beim Vornamen.“ Lavi lachte, was Kanda dazu anleitete, ihn verwundert anzusehen. „Ich mag dich. Mit dir ist es nie langweilig.“ Wieder ein abfälliges Schnauben seitens des Japaners. Doch wieso liessen diese drei Worte sein Herz rasen? Yuus Tagebuch: Heute verschlafen. Absolut peinlich gewesen, dass mich ausgerechnet eine SMS dieses Idioten geweckt hat. Durfte dafür Vaters Auto benutzen. War aber zu schnell unterwegs, hat mich sogar geblitzt. Egal, für etwas geniesst man Immunität. Die Bohnenstange und Langstrumpf sind nun zusammen. Hat mich nicht interessiert. Hab irgendwo gelesen, dass Schwangerschaften in einer High School nicht selten sind. Mal schauen, ob die wissen, was Kondome sind. Der rothaarige Idiot hat gesagt, er mag mich. Mir gefällt das nicht, hab mich dabei so komisch gefühlt. Vielleicht werde ich krank. To do für nächste Woche: - Vater immer noch von der Privatschule überzeugen - Meine Nummer in Lavis Handy löschen - Nicht krank werden Kapitel 3: Kino --------------- „Hey Yuu-chan“ Genervt schlug Angesprochener den Spind zu und drehte sich zu dem rothaarigen Monster neben sich um. Seit geschlagenen zwei Wochen terrorisierte ihn Lavi mit diesem grässlichen Chan. Warum hatte dieser auch japanische Anredungsformen googlen müssen? Kanda könnte jedes Mal die Wände hoch. „Nenn. Mich. Nicht. So!“, zischte er durch die zusammengebissenen Zähne und schaute Lavi böse an. Doch der Rothaarige hatte sie noch nie von seinen bösen Blicken beeindrucken lassen, stattdessen lehnte er sich neben Kanda an die Schliessfächer und grinste ihn an. „Willst du nicht wissen, was ich von dir möchte?“, wollte der Jüngere wissen. „Nein.“ „Ich sag’s dir trotzdem.“ „Welchen Teil von Nein hast du nicht verstanden?“, wollte der Japaner genervt wissen und war sehr nahe dran, ihm eines seiner Schulbücher an den Kopf zu werfen. Wieder ging Lavi nicht darauf ein. Hatte der Typ Watte in seine Ohren gestopft, um Kanda nicht zu hören? „Also, mein Grossvater hat zwei Kinogutscheine gewonnen. Da er aber findet, dass es unnütz sei, ins Kino zu gehen, von wegen es mache den Kopf weich….“, fing der Rothaarige an und Kanda stellte wieder auf Durchzug. War es ihm wirklich so unmöglich, einfach auf den Punkt zukommen? Desinteressiert hörte der Langhaarige zu und filterte etwas aus dem ganzen Blabla heraus, dass Lavis Grossvater – Wen interessierte es?! – nichts vom Kino hielt, er dort seinen ersten Kuss seiner zweiten Frau bekommen hatte und so weiter und so fort. Versucht unauffällig schaute sich der Schwarzhaarige nach einem möglichen Fluchtweg um, da stoppte Lavi seine Erzählung. „Hey Yuu, hörst du mir überhaupt zu?“ Kanda verkniff sich ein Nein, da Lavi sowieso nicht darauf einging. „Also, um es kurz zu machen. Willst du mit mir heute Abend ins Kino gehen?“ Äh…..was?! Leicht verwirrt sah Yuu den Grösseren an. Er mit IHM ins Kino? Ha, wie lächerlich! In welcher Märchenwelt lebte der eigentlich?! Gerade wollte der Japaner ihm das unter die Nase reiben, da fiel ihm ein, was ihm sein Vater gestern Abend mitgeteilt hatte. Irgendetwas war heute Abend... Ach ja, Politiker würden kommen, dann noch etwas mit Treffen und Bla. Nein, da wollte Yuu nicht anwesend sein. „Wann?“, fragte er deswegen. Lavi schien kurz selbst die Welt nicht mehr zu verstehen, denn er hatte anscheinend mit einem grösseren Widerstand des Schwarzhaarigen gerechnet. So aber grinste er breit und schien sich zu freuen. „Ich würde dich heute Abend so gegen sieben abholen, passt dir das?“, fragte Lavi nach. Kurz dachte Kanda nach: Wann würden nochmal die Gäste seines Vaters kommen? Verdammt, er sollte besser zuhören, wenn ihm so etwas mitgeteilt wurde. So aber: „Ja, sollte gehen.“ „Und ähm, kann ich noch deine genaue Adresse haben? Ich meine, ich weiss ja, dass du an der Massachusetts Avenue wohnst, aber wo genau?“ „2520“, nannte Yuu die Nummer der Botschaft und fragte sich gleichzeitig, ob das eine gute Idee war, dass ihn der Rothaarige dort abholte. „Gut, hab ich mir im Kopf gespeichert. Ich hol dich dann heute Abend ab, tschüss Yuu“, meinte Lavi grinsend und machte sich davon zu seinem Tennistraining. Seufzend sah ihm der Kleinere nach. Jetzt konnte er Lavi nicht mehr sagen, dass er ihn doch nicht Zuhause abholen sollte. Er schleppte sich zu seinem Japanischkurs, wie jeden Freitagnachmittag und war dort noch unaufmerksamer als sonst. Auch wenn sich Yuu einredete, er ginge nur mit Lavi ins Kino, damit er nicht bei diesem Besuch anwesend sein musste - was er sowieso schon immer gehasst hatte. Ein ungewohntes Kribbeln verspürte er in seiner Bauchgegend. Es war nur ein Kinobesuch, nicht mehr und nicht weniger. Es gingen Tausende von Leuten ins Kino. Warum also machte sein Magen jetzt deswegen solch Purzelbäume? Genervt von seinem Körper und seinen idiotischen Gedanken, die absolut nichts mit der Realität zu tun hatten, kritzelte er sein Notizpapier voll. Dennoch, seine Gedanken kreisten immer noch um heute Abend. Was machte man nach dem Kino? Sie könnten noch essen gehen, aber wenn der Film um Acht anfängt, dann wäre es reichlich spät. Abwesend kaute Yuu auf seinem Kugelschreiber herum. Wieso machte er sich überhaupt Gedanken darüber? Als ob man nach dem Kino etwas machen müsste. Andererseits wollte Kanda auf keinen Fall früh zurückkehren, da die Gefahr bestand, dass dieser Besuch noch dort war. Yuu schaute die Tischplatte vor sich an und hätte am liebsten seinen Kopf dagegengeschlagen. Der blöde Hase machte ihn noch ganz krank! Zuhause durfte er seiner Mutter irgendwie erklären, dass er heute Abend nicht anwesend war. Sie würden auch gut ohne ihn auskommen. Vor allem dann, als seine Mutter meinte, dass eine Tochter von irgendwem anwesend sein würde. Yuu interessierte es nicht. Besonders dann nicht, als er das Blitzen in den Augen seiner Mutter gesehen hatte. Das schrie geradezu nach Zwangsverkupplung. Darauf konnte Kanda erst recht verzichten. Der Langhaarige stieg unter die Dusche. Auch wenn man mit einem blöden Hasen ins Kino ging, nach Schweiss stinken musste man ja nicht gerade. Ausserdem schien die Frage, was er anziehen sollte, doch grösser zu sein, als sich Yuu vorgestellt hatte. Er stand nach dem Duschen vor seinem geöffneten Kleiderschrank. Sollte er ein Hemd anziehen? Ein Blick nach draussen, sagte ihm aber, dass dafür der Abend viel zu warm war. Dann vielleicht doch eines seiner ärmellosen Shirts? Dann würde man seine Tätowierung sehen, die sich von seiner Brust über den linken Oberarm erstreckte. Kam vielleicht bei den Staatsgästen nicht ganz so gut an, aber er musste diese ja nicht begrüssen. Also war diese Sorge unbegründet. Der Japaner entschied sich dann für ein dunkelblaues, ärmelloses Shirt und schwarze Hosen. Das reichte. Irgendwo war doch noch sein blaues Haarband. Je näher der Zeiger der Sieben kam, umso unruhiger wurde Kanda. Er wartete jetzt bestimmt schon seit zehn Minuten auf der Bank vor der Botschaft auf Lavi. Wieso schon so früh? Der Langhaarige hatte es drinnen einfach nicht mehr ausgehalten. Immer wieder sah er auf sein Handy. Lavi hatte ihm vor etwa 15 Minuten geschrieben, dass er nun abfahren würde. Da war der Vollpfosten immer noch nicht. Wie lange brauchte man, um hierher zu kommen? Kanda schnaubte. Der Rothaarige hatte wohl ein schlechtes Navigationsgerät. Vielleicht hatte er auch keines. Dann war das Lavis Pech. Yuu schaute auf die Uhr. Sollte der Grössere nicht in zehn Minuten erscheinen, war das ganze abgeblasen. Als Kanda wieder zur Strasse sah, fuhr wieder dieser silberne Wagen vorbei, bestimmt zum vierten Mal. Doch sich wirklich etwas dabei denken tat er nicht, der suchte wohl etwas. Keine Minute später kam eine SMS von Lavi. „Hey Yuu.“ Ein zufriedenes Grinsen schlich sich auf Kandas Lippen, endlich hatte der blöde Hase kapiert, wie man seinen Namen schrieb. „Hab mich wohl verfahren. Was sagtest du? 2520 Massachusetts Avenue oder hab ich mir die Adresse falsch gemerkt? LG. Lavi.“ Zuerst überlegte sich der Japaner, ob er Lavi zurückschreiben sollte, dass er seinen Arsch hierher zu schieben hatte und das auf der Stelle. Doch er erbarmte sich seiner und wählte seine Nummer. „Yuu!“ Lavi hörte sich leicht verzweifelt an, fand der Japaner. „Wo bist du?“, wollte er gelangweilt wissen. Lavi hatte seine Adresse und der wagte es, ihn nicht zu finden?! „Ich stehe bei dem grossen Kreisel. Ich hab mich verfahren. Man ich bin in einer Gegend, da gibt’s nur Botschaften, stell dir das mal vor! Ich hatte keine Ahnung, dass hier alle auf einem Haufen stehen.“ Kanda rollte mit den Augen, als sein Gesprächspartner auch noch anfing zu lachen. Der Kreisel befand sich mehr als nur in der Nähe. „Fahr zurück zu den vielen Botschaften. Ich warte vor der Japanischen.“ Mit diesen Worten drückte Kanda auf den roten Hörer seines Handys und stand auf. Er ging zum Gehsteig und wartete dort auf den Rothaarigen. Jetzt sollte dieser ihn gewiss finden. Tatsächlich kam kurz darauf wieder dieser silberne Wagen und blinkte, um abzubiegen. Dann war das also doch Lavi gewesen, der hier ganze vier Mal vorbeigefahren war. „Hast aber ganz schön lange gebraucht“, murrte der Japaner, als er in den Wagen einstieg. Lavi sah ihn nur mit offenem Mund und grossen Augen an. „Was ist?!“, wollte Yuu wissen, als er sich angeschnallt hatte und der lästige Blick des Grösseren auf ihm ruhte. „Du wohnst hier?“ Lavi deutete auf das Botschaftsgebäude. Zur Antwort schnaubte der Schwarzhaarige nur. „Dein Vater ist also…?“ „Botschafter. Können wir jetzt gehen?“, fiel ihm Yuu ins Wort und sah Lavi genervt an. Lavi nickte und lächelte den Japaner wieder an. So richtig fassen konnte es dieser noch gar nicht. Sie fuhren los und Yuu hatte schnell die Orientierung verloren. „Ich glaub’s immer noch nicht. Ich meine, was suchst du auf unserer Schule? Du solltest doch auf einer privaten sein. Weisst schon, mit all den Bonzen und Politikerkindern zusammen. Solltest du nicht rund um die Uhr beschützt werden? Du bist so etwas wie eine höher gestellte Persönlichkeit“, schnatterte Lavi drauf los und Yuu beschloss auf keine Frage zu antworten. Wie denn auch? So schnell wie der das Zeug runterquasselte. „Du bist absolut kein guter Zuhörer, Yuu“, meinte Lavi und sah den Älteren grinsend an, als sie vor einer Ampel standen. „Schau auf die Strasse“, knurrte Kanda, denn die Ampel sprang gerade auf grün. Ein Kichern ertönte und Yuu rollte mit den Augen. Das konnte noch ein herrlicher Abend werden. Dennoch er war froh darüber, dass er mit Lavi weggehen konnte. Doch das brauchte er dem Rothaarigen nicht auf die Nase zu binden. Es dauerte seine Zeit, bis sie beim Kino ankamen, und dann erst recht, einen Parkplatz zu finden. Lavi hatte Kanda erzählt, dass das Auto seinem Grossvater gehörte. Doch weil dieser langsam zu alt war zum Fahren, hatte er ihn meistens. „Also warum bist du nicht auf einer Privatschule?“, fragte Lavi bestimmt zum zweiten Mal nach, als sie zum Kino gingen. „Meine Eltern fanden, dass ich so meine Sozialkompetenz fördere“, antwortete Kanda trocken. Was zum Teil stimmte. Seine Eltern wollten andererseits auch, dass sich Yuu durch die Stellung seines Vaters nicht als etwas Besonderes ansah. Da war die staatliche High-School gerade richtig für so etwas. Lavi grinste auf Kandas Antwort und meinte: „Da hast du wohl noch einen weiten Weg vor dir. Aber du hast Glück, dass ich dir dabei helfen werde.“ Als ob Yuu Hilfe dabei bräuchte. Ausserdem hatte er gar nicht vor, irgendetwas an seinem Verhalten zu ändern. Er war zufrieden mit seinem Charakter, und wem das nicht passte, war selbst schuld. Im Kino sahen sie sich die aktuellen Filme an und der Rothaarige kratzte sich etwas verlegen am Kopf. Was schaute man mit jemandem, der wie Kanda einfach nur desinteressiert die Kinoplakate ansah. In Yuus Kopf begann es zu arbeiten. Er hasste Romantik, ebenso war ihm der Humor zu flach. Auf Action stand er auch nicht, da alles zu übertrieben war. Von Dramen, Horrorfilmen und Animationsfilmen wollte er gar nicht erst anfangen. Der Japaner kam zu dem glorreichen Entschluss, dass alles Müll war. „Was möchtest du schauen, Yuu-chan?“, fragte Lavi schliesslich nach, als der Kleinere die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte und nicht mehr so finster drein blickte. Doch die Finsternis in dessen Augen kam augenblicklich wieder. „Nenn mich nicht so!“, fauchte der Ältere aufgebracht und funkelte den Rotschopf böse an. Dann antwortete er doch noch indirekt auf die Frage mit einem abfälligen Schnauben. „Ist mir egal.“, war seine Meinung zu der ganzen Sache. Leise seufzte Lavi auf. Irgendwie hatte er sich das einfacher vorgestellt. So zuckte er nur mit den Schultern und stellte sich an eine der Schlangen vor der Kinokasse an. Dann würde er eben selbst entscheiden, was sie heute Abend anschauten. Mit einer grossen Tüte Popcorn sass Kanda neben Lavi im Kino, mit dem er sich das Popcorn teilte. Der Film, den der Rothaarige ausgesucht hatte, hatte ihm überhaupt nichts gesagt. War das gut oder schlecht? Egal, er musste sich überraschen lassen. Immer wieder hatte der Rothaarige versucht, ihr Gespräch in Gang zu halten, doch Yuu war immer recht kurz angebunden gewesen, doch wenn es der Jüngere geschafft hatte, das richtige Thema zu finden, hatte der Japaner gerne erzählt. Kaum zu glauben, dass jemand, der ohne Probleme den lieben langen Tag reden konnte, so gut zuzuhören vermochte. Der Film fing harmlos an und Yuu rollte schon mit den Augen beim Gedanken, dass es sich um einen drögen High-School Film handelte, bei dem alle ihre Jungfräulichkeit los werden wollten. Doch der Langhaarige wurde eines Besseren belehrt. Die Szene mit dem einsamen Haus am See, mit einem grossen Wald dahinter und einer Gruppe Teenager schrie geradezu nach Horrorfilm. Sein Verdacht wurde bestätigt, dass jux ein mehrfacher Mörder dem Gefängnis entflohen war und zufälligerweise mit einer Kettensäge auch dort in der Nähe war. Kanda drehte seinen Kopf zu Lavi. Was um Himmels Willen hatte sich dieser bei der Filmauswahl gedacht?! Wenn Yuu etwas mehr hasste als kitschige Romantikfilme mit einem grässlichen Happy End, dann waren es Horrorfilme. Ihm wurde schlecht bei denen und ganz tief in ihm drinnen fürchtete er sich vor ihnen. Es dauerte keine zwanzig Minuten und der erste unglückliche Teenager musste qualvoll sterben. Der Japaner hätte schwören können, dass Lavi breit grinste und sich prächtig darüber amüsierte. Warum konnten sie sich keinen schnöden Teenagerfilm ansehen? Er musste sich ablenken, und zwar auf der Stelle. Fieberhaft suchte Kanda eine Möglichkeit, wie er dem Film elegant entkommen konnte ohne vor Lavi als Weichei da zustehen, das keine Blutspritzer sehen konnte. Lavis Hand suchte im Blindflug nach der Tüte Popcorn, welche Yuu auf seinem Schoss platziert hatte. Der Kleinere hob leicht gereizt eine Augenbraue, weil der Rothaarige die Tüte gefunden hatte und nun eine Handvoll von dem weissen Zeug nahm. Bestimmt krümmelte er ihn gerade voll, als er die Hand zurück zog und genussvoll das Maiserzeugnis verschlang. Da kam ihm die Idee. Er könnte noch die restlichen Schalen von dem Popcorn kratzen. Da war er beschäftigt, bis die Pause kam. Oder bis ihm Lavi das Zeug weggegessen hatte. Es ging sogar sehr gut, sich von diesem grässlichen Film abzulenken. Yuu war stolz auf sich selbst. Dennoch - wenn die Musik zu dramatisch wurde, konnte er nicht umhin, doch einen kurzen Blick auf die grosse Kinoleinwand zu werfen. Leider war sein Timing grottenschlecht und es flogen entweder Leichenteile herum oder es wurde gerade jemand verstümmelt. Eine Welle der Übelkeit kroch in Kanda hoch und schnell konzentrierte er sich wieder auf das Popcorn. Lavi stattdessen starrte fasziniert auf das Geschehen und tauchte seine Hand immer seltener in die Tüte. „Wann kommt endlich die Pause?“, dachte sich Kanda genervt, als die junge Frau neben ihm angefangen hatte zu wimmern und die Hand ihrer Begleitung zu deformieren anfing. Doch richtig darüber aufregen konnte sich der junge Japaner nicht. Ging es ihm doch nicht anders. Warum hatte Lavi ihn bloss ins Kino geschleppt? Geistesabwesend kramte der Langhaarige in der Popcorntüte herum und spürte plötzlich Lavis Hand. Erschrocken drehte er seinen Kopf zu seinem Sitznachbarn, der immer noch völlig gefesselt geradeaus starrte. Kandas Herz begann zu rasen, als die warmen Finger über seine Hand glitten. Was machte der blöde Hase da?! Yuu war drauf und dran, seine Hand wegzuziehen, doch das käme schräg rüber - besonders dann, wenn er den Rothaarigen nicht anschnauzen konnte. Lavis Berührung dauerte keine fünf Sekunden und die Hand war wieder weg, natürlich mit Popcorn. Nach weiteren fünfzehn qualvollen Minuten wurde Kanda erlöst, indem das Licht anging. Der erste Teil des Filmes galt als überstanden. Länger hätte er das nicht mehr durchgehalten, und das Popcorn ging auch schon zur Neige. Lavi drehte sich grinsend zu ihm um. „Der Film ist toll, nicht?“, fing er schon an und Kanda verzog seinen Mund. Der Rothaarige stand auf und streckte sich. „Ich hohl uns mal ein Eis.“ Der Rothaarige verschwand und Yuu konnte ihm nicht einmal mehr nachrufen, dass er doch Süsses hasste. Seufzend rutschte der Schwarzhaarige tiefer in den Sessel und sah sich auf dem Handydisplay die Zeit an. Es war gerade mal halb Zehn und erst die Hälfte des Filmes geschafft. Nochmals sich so lange durchzuquälen würde Yuu aber nicht überleben. Blöder Hase, das nächste Mal wollte er mitbestimmen, was sie sich ansahen. Kandas Augen weiteten sich geschockt. Moment ‚das nächste Mal‘? Che, es würde kein nächstes Mal geben. Das hatte er gerade grummelnd beschlossen. „Hier.“ Lavi hielt dem Japaner ein Eis unter die Nase. Er hob eine Augenbraue. „Was soll ich damit?“, wollte er wissen, als er das Erdbeereis dem Grösseren leicht widerwillig abnahm. „Essen, was denn sonst? Ich hab mir gedacht, du bist eher der Erdbeer- als der Schokoladentyp.“ Kanda war eher ein Ich-hasse-Süsses-Typ. „Erzähl mal, wie findest du den Film bis jetzt? Jedes Mal wenn ich zu dir geschaut habe, hast du irgendetwas an dem Popcorn herumgefingert“, sagte Lavi und sah Kanda interessiert an, der gerade sein Eis von der Verpackung befreite und es leicht angewidert ansah. Wie er den Film fand? Der Schwarzhaarige hatte gerade zu viele Worte, die sein Missfallen ausdrücken konnten und er wusste schlicht weg nicht, welches gerade das Treffendste war. „Hab schon besseres gesehen“, antwortete er ihm dann, hoffentlich hatte Yuu ihm somit auch die Frage auf das Popcorn beantwortet. „Du findest es also langweilig?“, hakte Lavi nach und schien etwas enttäuscht. Schliesslich liebte er Horrorfilme und der hier war ganz grosse klasse. Und Kanda schien das nicht einmal zu jucken. Vorsichtig leckte der Japaner über das Eis und verzog kurz seinen Mundwinkel. Es war zu süss. Es schmeckte künstlich. Es war hässlich und es tropfte schon auf seine Finger. Wenn Kanda keine klebrigen Finger wollte, musste er das Eis wohl schneller essen. „Ja“, murmelte er und war froh, dass er so dem Jüngeren nicht die Wahrheit sagen musste. Wer stand schon gerne als Feigling da? Genau - niemand und schon gar nicht ein Yuu Kanda! Der Saal wurde wieder abgedunkelt und für den Langhaarigen begann die Qual von Neuem. Dieses Mal gab es kein Popcorn, an dem er sich ablenken konnte – Lavi hatte es erst vor wenigen Minuten leer gegessen. Auch das Eis war schneller gegessen, als er gedacht hatte. Verdammt, unwohl sah sich Kanda nach einer Ablenkung um. Ein hysterischer Schrei und Yuu schaute zur Leinwand. Fehler, grosser Fehler. Er sah gerade noch, wie die Blondine geköpft wurde. Eine Welle der Furcht und Übelkeit strömte durch seinen Körper und er verkrampfte sich in seinem Sitz. Wann war der Film zu Ende? Ewig konnte es bestimmt nicht mehr gehen. Schliesslich waren nur noch der Klassenstreber und seine Tusse übrig….ach, und der Killer auch. Erschrocken zuckte er noch zusammen, als sich der Rothaarige tatsächlich erdreistete, seine Hand auf Kandas zu legen, welche völlig verkrampft war. „Lügner“, flüsterte Lavi ihm ins Ohr, „von wegen langweilig. Du fürchtest dich.“ Beschämt und unglaublich wütend darüber, dass der blöde Hase dahinter gekommen war, färbten sich seine Wangen rot und er drehte seinen Kopf mit einem „Che“ weg. Lavi sagte zum Glück nichts mehr, nur hatte dieser nicht im Sinn, Kandas Hand wieder loszulassen. Der Ältere sass mit einem hochroten Kopf da und versuchte seinem Körper zu befehlen, seine Hand loszureissen. Doch es passierte nichts. Stattdessen kribbelte es nur, als hätten Ameisen eine neue Strasse entdeckt. Völlig abgelenkt zwischen diesem mysteriösen Kribbeln und der Tatsache, dass sein Körper nicht mehr gehorchte, konnte sich der Schwarzhaarige nicht mehr auf den Film konzentrieren. Was auch besser so war. Hätte er doch sonst bei diesem klischeehaften Ende das Erdbeereis auf dem schnellsten Weg nach oben befördert. Erst als das Licht anging und der Rothaarige seine Hand weg nahm, wurde Yuu zurück ins Hier und Jetzt versetzt. Schnaubend stand er auf, funkelte den Rothaarigen böse an und wollte schon davonstolzieren. Schliesslich hatte dieser ihn einfach so angefasst! Doch das mit dem davonstolzieren wurde nichts. Was brauchten die vor ihm so lange? Warum mussten die ausgerechnet jetzt den schmalen Gang zu den Treppen verstopfen? „Bist du jetzt sauer, Yuu-chan?“, wollte Lavi hinter ihm wissen, als es endlich voran ging. Keine Antwort. Yuu wollte ihn mit Ignoranz bestrafen. „Du bist also doch sauer.“ Er hörte hinter sich ein tiefes Seufzen. Ja, sollte Lavi doch in Schuldgefühlen ertrinken, war Kanda nur recht. Was musste dieser ihn auch anfassen? Und erst recht seine Hand halten?! Schweigend gingen sie nebeneinander aus dem Kinosaal, während Lavi ihm immer wieder besorgte Blicke zuwarf. Der junge Japaner ignorierte diese gekonnt. Besser gesagt, er versuchte es. Als sie das Kino verlassen hatten, hielt es der Langhaarige nicht mehr aus und blieb stehen. „Sieh mich nicht so an!“, verlangte er leicht wütend und musste gleich darauf feststellen, dass es um diese Zeit doch nicht mehr so warm war, wie er noch Zuhause gedacht hatte. Weil es ihn fröstelte, verschränkte Yuu seine Arme. „Aber Yuu-chan, du frierst ja.“ Lavi schien schon vergessen zu haben, dass der Langhaarige eigentlich sauer auf ihn war. Oder der Jüngere überspielte das einfach. „Che, nenn mich nicht so!“ Wann lernte es dieser blöde Hase endlich, dass er nicht Yuu für ihn war und schon gar nicht Yuu-chan?! Ohne wieder auf den Japaner einzugehen, zog Lavi ihn mit zum geparkten Auto. Der Rothaarige nuschelte nur etwas vonwegen dass er sich keine Erkältung einfangen sollte. Eine halbe Stunde später stand der Wagen des Rothaarigen vor der japanischen Botschaft. Lavi schenkte Yuu ein breites Lächeln. „Der Abend mit dir hat Spass gemacht. Wir könnten das doch Wiederholen, nicht? Nur - das nächste Mal suchst besser du dir einen Film aus.“ Als ob es ein nächstes Mal geben würde! Das stand noch gar nicht fest. Ausser, wenn sein Vater wieder irgendwelche politischen Gäste zu sich eingeladen hätte, dann könnte es sich Kanda nochmals durch den Kopf gehen lassen. „Also dann. Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende und ich seh dich am Montag wieder in der Schule.“ Lavi lächelte immer noch. Und irgendetwas an dem Rothaarigen verleitete Yuu zu nicken und ihn ebenfalls ganz kurz anzulächeln. Bevor er die Beifahrertür öffnete und ausstieg. „Ach Lavi. Solltest du irgendjemanden erzählen, dass ich hier wohne, bringe ich dich um, ist das klar?“ „Ich würde auch sonst niemandem etwas sagen, auch wenn du mich nicht mit dem Tod bedrohen würdest.“ Das Lächeln des anderen hatte sich in ein breites Grinsen verwandelt. „Dann schönen Abend noch.“ Mit diesen Worten schlug Kanda die Autotür zu und ging zur Botschaft. Hinter sich hörte er, wie Lavi wegfuhr. Yuus Tagebuch: Dank Lavi weiss ich wieder, warum ich Horrorfilme nicht ausstehen kann. Was ist so unterhaltsam daran zu sehen, wie Menschen abgemetzelt werden und Gedärme und Blut herumfliegen? Und Erdbeereis…nie mehr wieder! Nicht einmal dann, wenn es von Lavi bezahlt wird. Der ist sowieso seltsam. Hält einfach so meine Hand! Das ist doch nicht normal? Ich bin doch kein Mädchen, das sich vor Angst in die Hosen macht. Ausserdem hab ich mich seltsam dabei gefühlt. Bestimmt löst Lavi in mir irgendeine Allergie aus. To do für nächste Woche: -Meine Allergie im Auge behalten - Ich will immer noch auf eine Privatschule -> Vater davon überzeugen. Wichtig! - Lavi eine Kopfnuss verpassen, wenn er mir ein Chan anhängt. - Lavi töten, wenn er irgendetwas in der Schule herumerzählt. Kapitel 4: Zweierarbeit ----------------------- Montag. Kanda hasste Montage. Es gab nichts Schlimmeres als Montage. Denn Montage bedeuteten eine neue Woche. Eine neue Woche bedeutete, diese unnützen Klassenkameraden zu sehen. Seine unnützen Klassenkammeraden zu sehen, bedeutete jemanden ganz Spezielles zu sehen. Und dieser jemand war niemand anders als Lavi. Schon am frühen Morgen tyrannisierte dieser einem mit SMSen. Gut - einmal war es ganz praktisch gewesen, da er Yuu noch rechtzeitig geweckt hatte. Das hiess aber noch lange nicht, dass der Japaner das Vorhaben, seine Nummer aus dem Handy des Rothaarigen zu löschen, aufgegeben hatte. Mies gelaunt, weil heute Montag war, knallte der Langhaarige sein Schliessfach zu. Sein Englischlehrer hatte erwähnt gehabt, dass sie heute eine spezielle Arbeit beginnen würden. War das nicht die beste Motivation für einen Montagmorgen? „Guten Morgen, Yuu-chan.“ Das einäugige Etwas hatte ihn gefunden. Angesprochener rollte mit den Augen. „Morgen“, murmelte er trocken, bevor er sich zu Lavi umdrehte, der ihn wie immer fröhlich anstrahlte. „Na, hast du noch ein schönes Wochenende gehabt?“, wollte dieser wissen. Kanda dachte kurz nach. Als schön hätte er es bezeichnet, wenn sein Vater seinem Drängen auf eine andere Schule nachgegeben hätte. Aber da das nicht passiert war und weil seine Mutter ihn nun mit einer Tochter von sowieso wem verkuppeln wollte, nein. Sein Wochenende war nicht schön gewesen. „Geht so.“, antwortete der Kleinere deswegen, als sie sich zum Klassenzimmer begaben. „Tut mir leid für dich. Meins war auch nicht gerade spannend. Ich musste meinem Grossvater im Buchladen helfen und das ist ziemlich öde.“ Yuu konnte sich dunkel daran erinnern, dass der Quatschkopf mal etwas gesagt hatte, dass sein Alter Buchhändler war. Pech für ihn. „Bist du auch schon aufgeregt, was wir wohl bei Mr. Tiedoll tun müssen?“, wollte Lavi schliesslich wissen. „Total...“, war Yuus sarkastische Antwort darauf. Mr. Tiedoll war seiner Meinung nach völlig durchgeknallt. Ein Lehrer, dem die frühe Pensionierung nicht schaden würde. Vor allem, weil dieser es auf den Japaner abgesehen hatte. Er behandelte ihn wie ein Kind, erzählte ihm in den kurzen Pausen zwischen den Lektionen uninteressante Dinge über sein Hobby. Malen. Pah. Genauso überflüssig wie die anstehende Arbeit. Auch wenn die meisten Mitschüler fanden, dass solche Arbeiten bei Froi Tiedoll immer etwas Besonderes waren. Yuu interessierte das kaum. Er wollte es nur hinter sich haben. Zum Glück war das hier sein letztes Schuljahr. Eine halbe Stunde später wurde den Schülern durch Mr. Tiedoll ihre Arbeit erklärt. Yuu wünschte sich, dass irgendwelche Männer in weissen Anzügen hinein kämen und ihren Lehrer mitnehmen würden. Am besten in einer dieser Hab-mich-lieb-Jacken. Leider wurde der Wunsch des Schwarzhaarigen nicht erfüllt. Ihr Lehrer stand immer noch da, mit dem breitesten Lächeln, welches er je gesehen hatte. Und das hatte etwas zu bedeuten, schliesslich wurde er von Lavi verfolgt. Je mehr Tiedoll von ihrer bevorstehenden Arbeit erzählte, desto tiefer rutschte der junge Japaner seinen Stuhl hinunter. Zweiergruppen sollten es sein. Yuu fühlte sich immer mehr wie in einem klischeehaften Teenagerfilm. Es dauerte auch keine Minute, bis die erste Zettelbotschaft bei ihm auf dem Tisch landete. „Willst du mit mir zusammenarbeiten?“ Diese Mädchenschrift kannte Kanda, und als sein Blick zu Melissa schweifte, welche ihn auch gleich fröhlich anlächelte, wurde sein Verdacht nur noch bestätigt. Sollte er sich auf eine Antwort herablassen? Nein, es gab etwas viel Effektiveres. Yuu nahm den Zettel und riss ihn in zwei Hälften. So, das sollte Antwort genug sein. Sie starrte ihn sogleich sauer an. So eine dumme Kuh. Froi Tiedoll erklärte ihre Aufgabe nun munter weiter. Sie mussten eine Geschichte schreiben. Bei welchem Lehrer war dieser Hirnfurz entstanden? Yuu grummelte vor sich hin, als die Erklärungen nun weitergingen. Sie mussten mindestens 50 Seiten schreiben, gegen oben gäbe es keine Begrenzung. Auch die Themenauswahl sei egal, sie mussten nur 20 Wörter, welche sie auf einem Blatt bekämen, in ihrer Geschichte einbauen. Abgabetermin sei der 22. Dezember. Natürlich müssten sich die Zweiergruppen bei ihm melden, damit er sehen könne, wer mit wem zusammenarbeitet. Kanda wusste nun genau, warum er Montage nicht ausstehen konnte. „Wir arbeiten zusammen, oder?“, fragte Lavi, als er sich zu Yuu umgedreht hatte, in der Fünf-Minuten-Pause. Er mit ihm zusammenarbeiten? Kanda wollte schon abfällig schnauben. Doch mit wem sollte er sonst die Arbeit machen? Unauffällig sah er sich im Klassenzimmer um. Es gab niemanden, mit dem er freiwillig auch nur im Aufzug stecken bleiben wollte. „Von mir aus“, murmelte er deswegen, was den Rothaarigen zum Strahlen brachte. „Hast du schon eine Idee, worüber wir schreiben könnten?“ Nein, hatte der Langhaarige nicht. Er war schliesslich Schüler und kein Schriftsteller. Aber etwas trug er schon die ganze Zeit mit sich herum, doch Lavi würde das lächerlich finden, also bloss nichts sagen. „Also auch nicht“, meinte nun der Grössere seufzend. „Liest du gerne? Dann könnten wir schon mal das Genre festlegen.“ „Ja, Fantasy und nur das. Alles andere ist doch blöd.“ Bestimmt hatte Lavi nun erwartet, dass er so etwas sagte wie Krimi oder Thriller, aber Yuu war ganz auf der Fantasyschiene und das schon seit Jahren. „Das ist schon mal ein Anfang.“ Ein Lächeln huschte über Lavis Gesicht. „Komm doch heute nach der Schule mit zu mir. Dann können wir uns im Buchladen meines Opas Ideen besorgen. Was hältst du davon?“ „In Ordnung“, antwortete Yuu darauf. Denn etwas Besseres wusste er so auf die Schnelle auch nicht. So wurde Yuu nach der Schule zu Lavi nach Hause geschleppt. Aber warum nach Hause, wenn sie doch nur zu der Buchhandlung wollten? Die Wohnung, welche der Rothaarige mit seinem Grossvater teilte, befand sich im gleichen Haus wie der Buchladen. „Der Alte wird sich freuen, dich endlich mal kennen zu lernen, Yuu“, meinte Lavi grinsend. „Ich wette, du hast ihm irgendwelche Dinge erzählt, die nicht stimmen“, murmelte der Japaner und seufzte. Er hatte am Mittag extra Zuhause anrufen müssen, damit ihn niemand nach Schulschluss abholte. „Quatsch, ich würde doch nie etwas über dich erzählen, was nicht wahr ist, Yuu-chan.“ Warum glaubte ihm Kanda bloss nicht? „Du kannst mir wirklich glauben, deswegen brauchst du mich nicht so böse anzusehen“, sagte Lavi weiter und grinste ihn an. Natürlich glaubte ihm Yuu nicht und musste sich wohl einfach überraschen lassen. Nach einer halben Ewigkeit erreichten sie Lavis Zuhause. Der Rothaarige öffnete die Tür zur Bücherei. „Hereinspaziert.“ Breit grinsend liess er Kanda vor gehen, welcher sich erst einmal in dem kleinen, aber gemütlichen Laden umschauen musste. „Auch wenn es nicht so aussieht, aber hier findest du alles, was dein Herz begehrt, von kitischigen Vampirliebesgeschichten zu den Verschwörungstheorien von Dan Brown und dem sagenhaften detektivischen Genie Holmes. Natürlich haben wir auch Sachbücher und Ratgeber und so weiter und so fort.“ Der Laden war vollgestopft mit Büchern, und links und rechts führten kleine Gänge zu den nächsten Räumen. Yuu fühlte sich augenblicklich heimisch. Der Geruch von bedrucktem Papier und dieses leicht verstaubte Ambiente. Einfach perfekt. „Du solltest öfters Lächeln“, erklang Lavis Stimme nahe bei ihm. Erschrocken drehte sich der Schwarzhaarige zu ihm um. Er hatte nicht bemerkt, dass sich ein Lächeln auf seine Lippen geschlichen hatte. „Oh Mann, Yuu, nicht wieder den Mund verziehen! Lächeln, das konntest du vorhin so gut.“, jammerte der Rothaarige gleich los, als es von seinem Gesicht verschwunden war. „Du bekommst davon auch keinen Muskelkater.“ „Lavi, sag doch, dass du wieder da bist.“, ertönte eine ältere Stimme und Yuu schaute in jene Richtung. Doch er musste zuerst seinen Blick nach unten korrigieren. Vor ihm stand ein alter Mann, mit einer sehr aussergewöhnlichen Bemalung um dessen Augen und er kam Kanda gerade mal bis zur Brust. Oder besser gesagt, die Haare des Alten kamen ihm bis dorthin. „Och Alter, sei nicht so“, grummelte Lavi vor sich hin, bevor er sich dann zu Kanda umwandte, um ihm grinsend zu erzählen, dass das dort sein Grossvater sei. Yuu sah den alten Mann vor sich musternd an, bevor er sich dann Lavi nochmals genau ansah. Das sollte sein Grossvater sein? Er konnte keine Ähnlichkeit feststellen. Woher das wohl kam? „Du musst also dieser Diplomatenjunge sein“, schnarrte der Alte und hatte eine Hand des Japaners gepackt. „Ja, definitiv, typische Hände dafür.“ Schnell entzog sie ihm Kanda und sah sich dann seine Hand an. Was war an der so besonders? Ausserdem….Böse schaute er Lavi an. Was musste er seinem Grossvater auch davon erzählen?! „Warum hast du ihn mitgebracht, Lavi? Er wird sich hier nicht wohlfühlen, das ist nicht seine Welt.“ „Sei nicht so, du alter Griesgram. Wir müssen ein Projekt für die Schule machen und wir wollten uns hier Idee suchen und deswegen werden wir uns auch gleich in eine Ecke verziehen.“ Mit diesen Worten wurde Kanda von Lavi durch den Laden gezogen zu einem der angrenzenden Räume. „So, das hier ist unsere Fantasy-Ecke“, erklärte Lavi und deutete auf ein grosses Regal, welches nur so mit Büchern vollgestopft war. Schnell huschte Yuus Blick über die Buchtitel. Alles was Rang und Namen hatte war hier vertreten und auch einige andere, von denen Kanda noch nie etwas gehört hatte. Lavi hatte sich unterdessen auf den Boden gesetzt und seinen Notizblock und einen Schreiber aus seiner Schultasche geholt. „Setz dich, Yuu-chan“, wurde der Japaner aufgefordert. Bevor er sich aber setzte, schlug er dem Rothaarigen jedoch kurz an den Hinterkopf. „Au! Yuu, wofür war denn das?“, jammerte dieser und legte seine Hand an die schmerzende Stelle. „Du lernst doch nur so, dass ich nicht so genannt werden will“, war die Antwort darauf. Der Langhaarige hatte sich im Schneidersitz gegenüber von Lavi hingesetzt. „In welcher Zeit soll unsere Geschichte spielen?“ Der Grünäugige war zum Entschluss gekommen, dass es so am einfachsten war, in etwa auf das zu kommen, was sie schreiben wollten. „Gegenwart“, gab Yuu prompt zur Antwort. „Oder so ein alternatives Mittelalter wäre auch nicht schlecht.“ Lavi schrieb die Stichworte auf und ergänzte sie mit seinen eigenen Ideen. „Wo soll sie spielen?“ Und so ging es weiter. Es wurde über den Ort diskutiert, über die Hauptfiguren und natürlich über die Handlung. Irgendwann hörte Yuu, dass die Türe vorne beim Laden abgeschlossen wurde. Wie spät war es denn schon? Auch Lavi schien das bemerkt zu haben und streckte sich, wobei dessen Gelenke knacksten. „Wie spät ist es?“, wollte Kanda deswegen wissen und hatte das Gefühl, schon seit einer halben Ewigkeit im Schneidersitz auf dem Boden zu sitzen. „Sieben, wir schliessen immer um sieben“, antwortete Lavi lächelnd und sammelte ihre Schreibunterlagen zusammen. Schon so spät war es also? Sie hatten wirklich fast zwei Stunden hier gesessen und an ihrem Projekt gearbeitet? „Magst du bei uns essen? Der alte Panda hat bestimmt nichts dagegen, wenn du uns Gesellschaft leistest.“ „Panda?“, fragte Yuu verwundert nach. Damit meinte der blöde Hase doch nicht etwa seinen Grossvater, oder? „Ja, er sieht doch aus wie einer, mit seiner Schminke um die Augen herum.“ Lavi lachte und stand auf. Der Japaner wollte es ihm gleich tun, als er merkte, dass seine Beine nicht reagierten. Was zum Henker war nun los?! Knurrend, weil ihm seine Beine nicht gehorchten wollte sich Kanda mit Abstossen zum Aufstehen bewegen, doch das scheiterte genauso. Lavi sah dem ganzen mit einem mehr als amüsierten Ausdruck zu. „Deine Beine sind wohl eingeschlafen“, meinte dieser Neunmalklug, dafür erntete der Rothaarige von Kanda einen bösen Blick. Darauf war er gerade selbst gekommen. Lavi hielt ihm hilfsbereit eine Hand hin. „Komm schon, Yuu-chan. Ich will dir nur aufhelfen, nichts weiter, du brauchst mich nicht so böse anzusehen.“ Der Jüngere lächelte ihn amüsiert an und der Langhaarige musste einsehen, dass er sich ohne Hilfe wohl kaum vom Fleck bewegen konnte, jedenfalls nicht so schnell. Kanda griff nach Lavis Hand, welcher ihn mit einem Ruck hochzog. Yuu stand wieder, jedoch nicht für lange, denn er merkte, dass ihm die Beine einknickten, da er kein Gefühl darin hatte. Er wäre wieder auf dem Boden gelandet, hätte ihn der blöde Hase nicht festgehalten. Kanda fühlte sich wie ein Fisch. Dieser konnte auch nur stumm den Mund auf und zu machen. Er wollte Lavi anfahren, was dieser eigentlich einfiel, ihn zu halten, doch er bekam keinen einzigen Ton raus. „Ich halte dich nur so lange, bis du wieder alleine stehen kannst.“, beruhigte ihn der Grössere und drückte den Japaner etwas näher an sich, das spürte der Langhaarige ganz genau. Was er nun ebenfalls spürte, war, dass das Blut durch die nun wieder offenen Arterien schoss, was sehr schmerzhaft war. Kanda hatte nicht einmal richtig bemerkt, dass er seine Hände in Lavis Oberteil gekrallt hatte, weil dieses Kribbeln so unangenehm war. Doch als es nach ein paar Sekunden vorbei war, liess er den Rothaarigen ruckartig los. „So, dann komm mit. Jetzt kannst du ja wieder gehen.“ Lavi sah ihn schmunzelnd an und ging voraus. Yuu spürte, wie sein Gesicht rot anlief. Alles nur, weil dieser blöde Hase ihn halten musste. Und nein, es hatte sich kein bisschen gut angefühlt! Kanda spürte noch dieses Kribbeln auf der Haut, wo Lavis Hände ihn berührt hatten. Was natürlich nur an seiner Allergie liegen konnte, was sollte es auch sonst sein? Der Japaner wurde von dem Rothaarigen in den oberen Stock geführt, wo er und sein Grossvater ihre Wohnung hatten. Es war in einem Wort chaotisch, was sich vor dem Langhaarigen ausbreitete. Augenblicklich wanderte seine Augenbraue nach oben. „Das ist unser Wohnzimmer.“ Lavi grinste ihn an und Yuu glaubte kaum, was er sah. Die Möbel hatten eine dicke Staubschicht, weil wohl keiner der beiden Herren die Muse gehabt hatte, mal abzustauben, ausserdem lagen einige Zeitungen herum. „Ich zeig dir auch mein Zimmer, komm, Yuu.“ Wollte Kanda wirklich Lavis Zimmer sehen? Konnte es schlimmer sein? Mit den schlimmsten Befürchtungen folgte er dem Grösseren, welcher ihm dann stolz sein Zimmer präsentierte. Die zweite Augenbraue gesellte sich zu der Ersten nach oben. Das Zimmer war relativ klein. Irgendwo konnte der Japaner auf dem Schreibtisch einen Laptop ausmachen, der aber von einem Berg Papier fast begraben wurde. Ausserdem lagen auf dem Boden Schulbücher und Kleidungsstücke. „Hast du hier Bombenanschläge durchgeführt?“, wollte Kanda wissen, was dem Rothaarigen ein verlegenes Kichern entlockte. „Ist es wirklich so schlimm?“ „Wann hast du das letzte Mal hier richtig aufgeräumt?“ Das ging Yuu gegen den Strich. Er liebte es, wenn alles ordentlich war, das hier war nur das reinste Chaos. Er spürte, wie es in seinen Fingern zuckte, doch er würde hier bestimmt nicht anfangen, Lavis Gerümpel aufzuräumen. Wie schaffte es ein einzelner Mensch in so einem kleinen Zimmer – Es gab hier gerademal das Bett, einen Schrank, ein Regal mit Büchern und einen Schreibtisch – so ein Chaos anzurichten? „Ich mag das so. Es ist wenigstens gemütlich, ich kann diese klinische Sauberkeit sowieso nicht ausstehen“, antwortete Lavi ausweichend, als sich Kanda einen Weg ins Zimmer gebahnt hatte und zum Schreibtisch getreten war. „Soll ich dir mal zeigen, was meine Mutter immer macht, wenn sie findet, mein Zimmer sei zu staubig?“ Der junge Japaner erwartete nicht einmal eine Antwort von Lavi, sondern schrieb einfach so in die feine Staubschicht. Der Rothaarige war neugierig näher getreten und sah dann Kanda leicht empört an. „Bin ich nicht“, sagte er und wischte das Wort Schwein wieder vom Pult. Yuu grinste den Rothaarigen leicht belustigt an. „Aber wenn es dich zum Lachen bringt, dann kannst du das überall hinschreiben.“ Sofort war Lavis gute Laune wieder aufgetaucht. „Che, hättest du wohl gerne.“ Bevor Lavi irgendetwas erwidern konnte, wurden die beiden zum Essen gerufen. „Endlich, mein Magen hängt schon in den Kniekehlen“, meinte der Rothaarige und wie zur Bestätigung knurrte dessen Magen. Kanda wurde zur Küche geführt, die ebenfalls leicht chaotisch wirkte. Während des Essens wurde diskutiert: über Politik und aktuelle Tagesthemen oder einfach nur darüber, was heute in der Schule passiert war, wobei sich der Japaner bei der Unterhaltung raushielt. Doch lange wurde Yuu nicht verschont, denn Lavis Grossvater wollte einige Dinge von ihm wissen, wie es eigentlich war in einer Diplomatenfamilie zu leben und so weiter. Der Langhaarige gab brav Auskunft, auch wenn es ihm unangenehm war, dass Lavi das hörte. Yuu konnte es sich nicht erklären, aber er schämte sich plötzlich dafür. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte der Rothaarige, als sie fertig mit essen waren und er Kanda dazu überreden konnte, ihm seine Mailadresse zu geben. Wie sonst sollten sie ihre neusten Kapitel austauschen für ihre Geschichte? Das hatte dann auch ein Sturkopf wie der Japaner eingesehen. „Ich weiss nicht…“, fing Kanda an und holte sein Handy hervor, um zu sehen wie spät es überhaupt war. Eventuell könnte er auch den Bus nehmen. „Vertraust du meinen Fahrkünsten nicht? Ich möchte dich daran erinnern, dass ich dich am Freitag heil wieder nach Hause gebracht habe.“ Yuu sah zu Lavi und hob eine Augenbraue. „Und was war mit der alten Frau, die du fast überfahren hast?“, wollte er wissen. „Ach die, was kann ich denn dafür, dass die sich plötzlich dazu entscheidet, die Strasse zu überqueren?“ Lavi verzog leicht seinen Mund und sah zur Decke. War doch so: alte Menschen wussten nie, ob sie die Strasse überqueren wollten oder nicht. „Und du hast ein Rot an der Ampel übersehen“, zählte Kanda weiter auf. „Gar nicht wahr, ich konnte noch rechtzeitig anhalten. Und wie gesagt, dich habe ich heil nach Hause gebracht.“ Der Grössere grinste breit und es wurde noch breiter, als der Schwarzhaarige sich geschlagen gab. „Dann darf ich dich nach Hause fahren?“ „Wenn du so darauf bestehst….“ Kanda packte seine Schulsachen, während Lavi den Autoschlüssel holte und verabschiedete sich danach von dessen Grossvater. Irgendwie hatte dieser doch die Ähnlichkeit mit einem Panda. Yuus Tagebuch: Ich hasse Schulprojekte und Montage. Warum passieren immer blöde Dinge an Montagen? Ausserdem scheine ich doch eine Allergie gegen Lavi zu haben. Hat sich schliesslich bestätigt, als er mich festhielt, da mir peinlicherweise meine Beine eingeschlafen waren. Mein Schulprojekt muss ich mit diesem blöden Hasen machen. Das kann ja heiter werden. Bin gespannt, wie Lavi einen Roman schreiben will, er kann ja nicht mal richtig Autofahren. To do für diese Woche: - Nicht mehr in ein Auto steigen, wenn Lavi der Fahrer ist. - Mindestens ein Kapitel bis Sonntag schaffen. - Eventuell einen Arzttermin vereinbaren wegen meiner Allergie. Kapitel 5: Schreibübungen ------------------------- Eisblaue Augen schauten mich verführerisch an. Ich wusste, dass ich das nicht durfte. Doch Regeln hatten mich noch nie interessiert. „Na, was ist?“, wollte er von mir wissen und kam mir noch näher. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, was wie Feuer brannte. Er kam noch näher, als ich keine Antwort gab und… Ja, und was?! Kanda schnaufte und raufte sich die langen Haare, welche sonst immer so ordentlich über seinen Rücken fielen. Seit einer Stunde zerbrach er sich über diesen Absatz den Kopf. Die Protagonisten sollten sich küssen, aber Yuu konnte das doch nicht schreiben. Ausserdem hatte er eher geplant, dass Lavi so etwas schreiben würde, doch nicht er. Aber die Hauptfiguren waren ihm einfach durch die Finger gerannt und hatten getan was sie wollten. Und das ganze Kapitel zu löschen, kam für ihn nicht in Frage, zu lange hatte er an diesem geschrieben. Seufzend liess sich Yuu nach hinten in die Stuhllehne fallen und seufzte lauft auf. „So ein Mist!“, knurrte er laut und hörte ein ‚Ping‘. Das war Lavi, der bestimmt per MSN wissen wollte, wie weit er war. Wieso hatte ihm der Schwarzhaarige nur versprochen, dass er heute Abend sein Kapitel fertig haben würde? Er war ja so ein Idiot. Ein nächstens ‚Ping‘, deutete an, dass Lavi langsam ungeduldig wurde. Wieder ein Knurren entfuhr seiner Kehle. Er setzte sich wieder gerade hin und musste zu seiner Enttäuschung feststellen, dass der Satz immer noch unvollständig war. Auch durch böses Anstarren wurde er nicht geschrieben. Es war doch nur ein blödes Wort, doch dieses zu schreiben war leichter gesagt als getan, besonders wenn man Yuu Kanda hiess. Schliesslich öffnete Yuu das MSN Fenster und wie er es geahnt hatte, wollte Lavi wissen, wo er stand. Ich bekomme einen Satz nicht fertig – Kanda hatte keine Ahnung, wieso er das schrieb. Vielleicht weil er die Hoffnung hatte, Lavi würde das für ihn übernehmen. Lass mich raten. Du bekommst keine romantische Szene hin? Yuu grummelte. Wieso wusste der blöde Hase das?! Sie hatten gewisse Vorgaben auf diesem bescheuerten Blatt Papier bekommen, das ihr Lehrer verteilt hatte. Leider hatten sie zu spät bemerkt, dass eine romantische Beziehung in der Geschichte mehr Punkte brachte, als eine freundschaftliche. Und diese Punkte brauchten sie, denn sonst bekamen sie nicht die Mindestanzahl zusammen. Das hiess, ihre beiden Hauptcharaktere mussten – sehr zu seinem Missfallen – irgendwie verkuppelt werden. Ihre Protagonisten waren Jungs. Zu fortgeschritten war ihre Geschichte schon gewesen, um das alles noch umzuändern. Eine Horrorvorstellung für den jungen Japaner, diese nun küssen zu lassen. Yuu, brauchst du nun Hilfe oder nicht? …Ja. Yuu konnte sich vorstellen, dass sich dieses einäugige Etwas nun bestimmt breitgrinste. Lavi postete ihm dann eine Liste mit Youtube-Links zu verschiedensten Liebesliedern. Was soll ich damit?! – Kanda schnaubte, er wollte sich ganz bestimmt nicht solch schnulziges Zeug anhören, er wollte diesen verdammten Satz endlich beenden. Das mach ich immer, um in die richtige Stimmung für so etwas zu kommen. Hör es dir an, es wirkt wirklich Wunder. Also dann, ich erwarte morgen Abend das fertige Kapitel mit einer super süssen, romantischen Szene. Tschüss. Damit hatte sich Lavi ausgeloggt. Fassungslos starrte der Langhaarige den Bildschirm an. Das konnte nicht dessen ernst sein! Er war nahe dran, schreiend im Kreis zu rennen. „Ich bin definitiv am Tiefpunkt angelangt.“, murmelte der Japaner vor sich hin, als er tatsächlich den ersten Link anklickte. „Um in die richtige Stimmung zu kommen“, zitierte er Lavi. „Ich will nicht wissen, was für Zeug der sonst noch schreibt oder dabei tut.“ Nach mehreren geöffneten Youtube-Seiten, die Kanda alle schnell wieder geschlossen hatte, weil die Lieder zu schnulzig waren, fand er schliesslich doch eines, welches ihn inspirierte. Er hörte sich das Lied bis zu Ende an und dann gleich wieder. Warum war er nicht schon vor dem Lied darauf gekommen? Schnell wurde der ganze Absatz, an dem er seit Stunden dran gewesen war, gelöscht und neu geschrieben. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie langsam er eigentlich schrieb. Kaum hatte er ein paar Sätze, die sich gut anhörten, war das Lied schon wieder zu Ende. So musste er es wohl an die gefühlte tausend Mal angehört haben, als es an seine Zimmertür klopfte. „Ja?“, fragend drehte er sich um und seine Mutter kam herein. „Arbeitest du immer noch an deinem Projekt?“, wollte sie lächelnd wissen und kam ins Zimmer. „Was hörst du dir an? Das Lied kommt mir bekannt vor.“ Yuu hatte sich wieder zu seinem Laptop umgedreht und seufzte leise. „Lavi hat mir eine Liste geschickt mit Liedern, die mir helfen sollten, eine gute Szene zu schreiben.“ Seine Mutter wusste von der Geschichte, hatte sich doch Kanda lautstark bei ihr beschwert, dass sie nun gar nichts mehr ändern konnten und die beiden Jungs verkuppeln mussten. „Darf ich mal sehen, was du bis jetzt geschrieben hast?“, fragte sie nach und Yuu schüttelte sofort den Kopf. Nein, auf gar keinen Fall. Es war schon peinlich genug, wenn es morgen Lavi lesen würde. „Dieses Lied kenn ich in einer anderen Version. Darf ich mal?“ Seine Mutter hatte sich über Yuu gebeugt und bei Youtube einen anderen Interpreten gesucht. „Hier, die Version ist auch super.“ Sie klickte das Video an und sofort schlich sich ein dümmliches Grinsen auf ihr Gesicht. „Glee?“ Yuu sah seine Mutter entgeistert an, als sie es doch tatsächlich wagte, ihn mit ihrer Lieblingsserie zu tyrannisieren. Reichte das nicht, wenn er sich die Folgen mit ihr zusammen ansehen musste, wenn seine Mutter sich die auf DVD kaufte? „Hör es dir an. Vielleicht hilft es dir ja. So, ich geh dann wieder. Schreib nicht mehr zu lange, es ist schon spät. Gute Nacht.“ Sie hatte Yuu noch einen Kuss auf die Wange gegeben, bevor sie sein Zimmer wieder verliess. Der junge Japaner schrieb schliesslich mit beiden Versionen, natürlich abwechselnd gehört, sein Kapitel zu Ende. Irgendwo hatte er sogar noch eine von Bruce Springsteen gefunden, aber diese nur einmal angehört. „Endlich fertig.“, murmelte Kanda, als er das letzte Wort hingeschrieben hatte. Eigentlich war es doch nicht so schlimm gewesen, wie er gedacht hatte. Kurz überflog er das Kapitel nochmals, um eventuelle Rechtschreibfehler auszumerzen, sollten sie ihm noch auffallen. Doch um ein Uhr morgens fiel ihm das relativ schwer. So speicherte er nur und zog das Kapitel auf den USB-Stick, um den Lavi morgen – nein falsch, heute – zu geben. Nicht einmal mehr denken konnte Kanda richtig. Bloss nichts wie ins Bett. Gähnend schloss Yuu seinen Spind. Er war absolut nicht ausgeschlafen, was zum einen daran lag, dass er so lange noch fertig geschrieben hatte und zum anderen hatte er davon geträumt. Nicht einmal mehr im Schlaf hatte Kanda seine Ruhe vor diesem bescheuerten Schulprojekt. Von weitem hörte er Lavis Stimme. Yuu sah zu ihm hinüber, der Rothaarige stand gerade bei Allens Schliessfach und unterhielt sich mit ihm. Kanda suchte in seiner Tasche nach dem Stick und ging dann zu den beiden hinüber. „Morgen Yuu“, wurde er gleich vom rothaarigen Monster begrüsst. „Guten Morgen, Kanda. Na, was ziehst du wieder für eine Miene wie sieben Tage Regenwetter?“ Böse funkelte Yuu die Bohnenstange an. Seine Stimmung rutschte gerade ins Bodenlose. Wortlos drückte er Lavi den Stick in die Hand. „Ich werde mir nie wieder ‚Fire‘ anhören. Weder von den Pointer Sisters, noch von Bruce Springsteen und schon gar nicht mehr von diesem bescheuerten Schulchor“, fauchte der Langhaarige den blöden Hasen an und rauschte davon. „Du kennst Glee, Kanda?!“, rief ihm die blöde Bohnenstange nach und Kanda konnte das Grinsen sehen, ohne sich auch nur umdrehen zu müssen. „Halt die Klappe!“ Yuus Tagebuch: Ich werde keine Liebesszene mehr schreiben! Erstens kann ich das nicht und zweitens will ich nicht mehr diese dämlichen Lieder hören. Das darf ganz alleine Lavi machen, der hat schon Erfahrung damit. Mir läuft dieses dämliche Lied nach. Ausserdem, warum kennt die Bohnenstange Glee? Der wird sich das doch nicht freiwillig ansehen?! Obwohl…..dem könnte ich es noch zutrauen. To do für diese Woche: - Keine Liebesszenen mehr schreiben - die werden alle Lavi zugeschoben - Diesen Ohrwurm los werden…. - Die Bohnenstange aushorchen, ob er wirklich Glee schaut und ihn dann fertig machen. - Ich muss immer noch einen Arzttermin vereinbaren…. - Vater davon überzeugen, mich doch auf eine Privatschule zu stecken. Kapitel 6: Verreisen -------------------- „Geh jetzt hin und frag ihn!“ Yuu konnte von weitem Linalees Stimme hören, wie sie auf Allen einzureden versuchte. Doch worum es ging, hatte er keine Ahnung, es interessierte ihn natürlich auch nicht. Offiziell nicht. Es dauerte nicht lange und Lavi klinkte sich in die Unterhaltung ein. „Also wenn du ihn nicht fragst: Ich mach das schon!“, meinte der Rothaarige fröhlich und Yuu fragte sich insgeheim, wer was gefragt werden musste. Der Japaner stand an seinem Schliessfach und tat so, als würde er irgendetwas suchen. Alles nur zwecks eines Alibis, damit er in Wahrheit lauschen konnte. Denn die Drei standen vielleicht fünf Meter von ihm entfernt und es war zwar schwierig, ihre Worte aus dem Lärm der anderen Schüler herauszufiltern, aber es ging. „Nein, Allen soll das machen.“ Wieder Linalees Stimme. Worüber diskutierten die Drei bloss? In Yuu wurde die Neugierde geweckt, aber von aussen liess er sich nichts anmerken. Das würde nicht seinem gewohnten Verhalten entsprechen. „Aber Mausebärchen….“ Kurz wurde Kanda schlecht, als er den Kosenamen für Linalee hörte. „Nichts aber Mausebärchen! Du fragst ihn jetzt.“ „Linalee…“ Yuu hatte keine Ahnung, dass die Bohnenstange so quengeln konnte. Da hörte er Schritte, die er genau kannte. Lavi konnte es also wieder richten, aber wieso hatte der Schwarzhaarige davon nichts gehört? „Yuu-chan.“ Er drehte sich zu ihm um und der Rothaarige grinste ihn wieder einmal breit an. „Nenn mich nicht so. Was willst du?“, brummte Kanda. War wirklich er es gewesen, der gefragt werden musste? Kurz blickte der Kleinere an Lavi vorbei. Allen und Linalee waren immer noch am diskutieren. „Du hast zugehört?“ Lavi war seinem Blick gefolgt. „War nicht zu überhören“, meinte Yuu knapp und sah dann den blöden Hasen wieder an. „Was willst du mich fragen?“ „Nun, eigentlich sollte dich Allen Fragen, aber der ziert sich, weil er sich nicht getraut. Er hat was gestammelt, dass du und er sich nicht so gut verstehen. Linalee aber besteht darauf, dass er dich fragt….“ „Lavi“, knurrte Kanda genervt, als dieser wieder anfing, um den heissen Brei zu reden. Nie konnte der Typ direkt auf den Punkt kommen. „Also wir wollten dich fragen, ob du Lust hast, mit uns an den See zu fahren übers Wochenende.“, stellte Lavi endlich die Frage, auf die Yuu gerade warten musste. „Linalees Eltern haben dort ein grosses Ferienhaus und sie hatte die Idee, dass wir alle dorthin fahren könnten. Miranda und Crowley haben schon zugesagt. Jetzt bräuchten wir nur noch deine Zusage und dann könnte es los gehen.“ Nachdenklich sah Kanda den Rothaarigen an. Würde er es aushalten ein ganzes Wochenende lang mit den Chaoten in einem Haus zu leben? Mit Linalee war es bestimmt kein Problem, sie war zuverlässig, aber die anderen? Allen voran natürlich Lavi, das Chaos in Person. „Das hat sich die Bohnenstange nicht getraut zu fragen?“, wich der Japaner erst einmal einer Beantwortung aus. In seinem Kopf wirbelte es herum. Es wäre wohl dieses Wochenende. War da irgendetwas geplant, an dem er dabei sein musste? Kanda wusste gerade nichts aus dem Stehgreif. Ausserdem müssten sie doch noch an ihrem Projekt arbeiten. Ging das überhaupt dort? „Wir können da auch an unserer Geschichte weiter schreiben, wenn du dir deswegen Sorgen machst, Yuu.“ Lavi wurde ihm langsam unheimlich. Konnte der etwa Gedanken lesen? Der Rothaarige kicherte amüsiert, denn wieder schien er im Kleineren lesen zu können wie in einem Buch. „Hallo Kanda.“ Linalee war hinzugekommen und lächelte ihn freundlich an. Wenigstens sie hielt sich daran, wie der Japaner genannt werden wollte. Davon könnte sich Lavi eine Scheibe abschneiden. „Die Bohnenstange?“, fragte er eher gelangweilt nach und sah wieder an Lavi vorbei. Allen stand immer noch dort, wo er vorher gewesen war und schaute nur zu ihnen herüber. „Da Lavi dich nun gefragt hat. Was sagst du dazu?“ Yuu wurde von ihr mit einem aufmerksamen Blick betrachtet. „Ich muss zuerst mal nachsehen, ob wir noch nichts vorhaben“, meinte er dann etwas ausweichend, damit er sich noch nicht festlegen musste. „Sehr gut. Frag dann gleich nach, ob du dann das Auto haben kannst.“ Äh was?! Perplex schaute der Japaner die kleinere Linalee an, die nun etwas ins Drucksen kam und hilfesuchend zu Lavi sah. „Also Yuu-chan, es ist so: Linalee hat den Führerschein noch nicht, Allens Vater gibt ihm das Auto nicht, weil er mal einen Seitenspiegel kaputt gemacht hat und ich bekomm für dieses Wochenende das Auto vom ollen Panda nicht, weil er es selbst braucht. Er hat eine Freundin über Facebook gefunden und die will er nun besuchen gehen.“ Das reichte für Kanda, mehr musste er gar nicht wissen, was Lavi nun über das Liebesleben seines Grossvaters berichtete. „Miranda hat selbst nur ein kleines Auto, da passen nur Crowely und ihr Gepäck rein“, redete das Mädchen weiter, als auch sie bemerkte, dass Lavi darauf nicht zu sprechen kam. Yuu verschränkte die Arme vor seiner Brust und sah die beiden abschätzend an. „Ich bekomm das Gefühl nicht los, das ihr mich nur wegen des Autos dabei haben möchtet“, fing er langsam an, wobei Lavi schon abwehrend die Hände hoch nahm. „Ach was, Yuu-chan. Wir hätten dich so oder so gefragt.“ Warum bezweifelte der Japaner das bloss? „Du willst doch nicht etwa mitkommen oder?“ Da war Allen gewesen, der sich doch dazu entschlossen hatte näher zu kommen. „Allen!“ Linalee schaute ihren Freund wütend an, als dieser so abschätzend nachfragte. „Doch“, antwortete Kanda. Er wollte tatsächlich mit, und sei es nur, um der Bohnenstange das Wochenende zu versauen. Freitagnachmittag. Kanda sass auf der Bank vor der Sporthalle und wartete dort auf die anderen Drei. Sie hatten abgemacht, sich dort zu treffen. Da Yuu am frühesten mit dem Unterricht fertig war, fuhr er mit seinen Hausaufgaben fort. Man wusste schliesslich nie, ob man am Wochenende noch dazu kommen würde. Vor allem an einem Wochenende wie diesem. Seine Eltern hatten ihm das Auto der Botschaft gegeben, welches nahe auf einem Parkplatz stand und auf seinen Einsatz wartete. „Hallo Yuu.“ Angesprochener rollte die Augen, als ein frisch geduschter Lavi sich neben ihn hinsetzte. Die noch nassen Haare hingen ihm ins Gesicht, welche leider nicht dieses breite Grinsen bedecken konnte. Zu schade, wie Kanda fand. Er schrieb noch die letzte Gleichung hin und schloss sein Matheheft. „Der schwarze Mercedes da vorne, ist das dein Auto?“, wollte Lavi wissen. „Nein, der gehört der Botschaft.“ „Cool. Nur - ist das D nicht ein bisschen auffällig?“ „Das muss so sein.“, war Kandas trockene Antwort darauf. Sie hatten keine anderen Autos als solche mit diesen Kennzeichen. Wenn es Lavi nicht passte, dann konnte der von ihm aus auch den Weg zu Fuss gehen. „Allen und Linalee sind spät dran“, bemerkte Lavi, als dieser kurz auf seine Uhr geschaut hatte. „Die sollen mal vorwärts machen, ich will endlich losfahren. Drei Stunden haben wir schliesslich noch vor uns.“ Yuu konnte diese Unpünktlichkeit nicht ausstehen, ausserdem war es die Idee der Chinesin gewesen, sich hier zu treffen. Soweit er wusste, hatten sich Miranda und Crowley schon auf den Weg gemacht und würden als Erste bei diesem Ferienhaus sein. Kanda wollte am liebsten auch schon dort sein, die drei Stunden Autofahrt würden die Hölle werden. Vor allem mit dieser dämlichen Bohnenstange. „Sie kommen!“, rief Lavi aus und stand auf, um ihnen zu winken. „Allen, Linalee, hier drüben sind wir.“ „Du bist auch auffällig genug, wenn du nicht so rumschreien würdest.“, fauchte Kanda, während er sein Schulzeug in die Umhängetasche verstaute. „Was braucht ihr auch so lange?“, meckerte er sogleich los und war aufgestanden. Der Japaner wollte endlich los fahren. Je schneller sie da waren umso besser. „Wir hatten im Gegensatz zu dir noch Unterricht“, verteidigte sich die Bohnenstange, als ob das Kanda interessieren würde. „Ich finde es immer noch toll von deinen Eltern, dass sie dir das Auto geben“, fing Linalee lächelnd an, als Yuu zum Auto ging. Mal sehen, ob das wirklich so toll sein wird. Vielleicht hätten seine Eltern doch am besten Nein gesagt. Kanda öffnete das Auto und ging zum Kofferraum. Allen bewunderte unterdessen das Auto. „Deine Eltern müssen reich sein, wenn sie sich so einen Wagen leisten können.“, meinte die Bohnenstange und beförderte sein Gepäck in den Kofferraum. Yuu brummte nur etwas Unverständliches und konnte sehen, wie sich Lavi ein Grinsen verkniff. Anscheinend hatte dieser doch dicht gehalten, hätte er dem Plappermaul überhaupt nicht zugetraut. Fünf Minuten später sassen alle im Auto und Yuu fuhr in die Richtung, die ihm das Navigationsgerät vorschlug. „Habt ihr eigentlich gehört, dass von In deinem Zimmer der zweite Teil rauskommt?“, erzählte Linalee den anderen ganz aufgeregt und Yuu fragte sich gerade, welcher Film das war. Sie redeten doch von einem Film oder? Kurz sah er in den Rückspiegel, um so der Asiatin hinter ihm einen Blick zuzuwerfen, bevor er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. „Wirklich? Wo hast du das gelesen?“ Lavi, welcher auf der Beifahrerseite sass, hatte sich etwas zu der jungen Frau umgedreht. „Internet“, meinte diese grinsend. „Sehen wir uns den wieder zusammen an?“ Das war die Bohnenstange gewesen, welche ebenfalls hinten sass. Yuu hatte ihn höchstpersönlich dorthin befördert. „Natürlich, ich borge uns die DVD wieder aus und dann gibt’s einen gemütlichen Abend mit dem Schocker des Jahres.“ Lavi grinste breit bei der Vorstellung. Kanda ahnte allmählich, vom welchem Filmgenre die Rede war. „Kanda hat den ersten Teil aber noch nicht gesehen“, warf Linalee ein. Warum wollte sie ihn unbedingt dabei haben? Der Japaner verzichtete gerne auf diesen Abend und besonders auf diesen Film. „Yuu mag solche Filme nicht“, meinte Lavi. Verächtlich schnaubte Kanda auf, ausgerechnet dieses einäugige Monster musste ihn vor diesem Abend retten. „Hat Kanda etwa Angst?“ Yuu knurrte über diese freche Aussage der Bohnenstange, er brauchte nicht mal in den Spiegel zu sehen, um zu wissen, dass dieser ihn hämisch angrinste. „Nein“, murrte er zur Antwort mit einem drohenden Unterton, der der dämlichen Bohnenstange hoffentlich signalisierte, dass er nicht darüber reden wollte. „Sie sind ihm zu langweilig, nicht Yuu?“ Kanda warf Lavi kurz einen Seitenblick rüber. Schon wieder sprang Lavi für ihn ein. „Ja.“ „Das ist wirklich schade, Kanda. Du verpasst den tollsten Horrorfilm aller Zeiten“, warf Linalee ein. „Ich verzichte.“ Vorher würde er zu seinem Englischlehrer gehen und sich eine Stunde lang übers Malen belehren lassen, als auch nur eine Sekunde von diesem Film zu sehen. Das wollte etwas heissen. „Und er hat doch Angst.“ Diese verdammte Bohnenstange. Yuu knurrte wütend vor sich hin. Irgendwann dieses Wochenende würde er ihm an die Kehle gehen. „Hab ich nicht.“ Er wusste zu gut, dass es kindisch war darauf einzugehen, aber der Typ kratzte an seinem Stolz. „Hast du doch.“ „Nein!“ Seine Finger krallten sich um das Lenkrad. Es hätte bestimmt geschrien, wenn es gekonnt hätte, während in Kanda das Blut kochte. Die Bohnenstange hatte grosses Glück, dass er fahren musste, denn sonst wäre er auf ihn los gegangen. „Hört auf damit und damit meine ich beide, Allen.“ Linalee war dazwischen gegangen und funkelte ihren Freund böse an, als dieser gerade den Mund aufmachen wollte. „Genau, seid friedlich miteinander, wir wollen uns schliesslich erholen“, meinte Lavi fröhlich. „Sag Yuu, hat das Auto einen USB Anschluss?“ Der Japaner runzelte die Stirn. „Was weiss ich.“ Was wollte der Chaot damit? Die Chinesin hinter ihm war plötzlich begeistert von dieser Idee. „Das haben die meisten neueren Wagen.“ Yuu stieg immer noch nicht, was die damit wollten. Sie sollten ihm nur das Auto ganz lassen. „Hab ihn gefunden“, rief Lavi schliesslich triumphierend, als er den Anschluss bei einem der Getränkehalter versteckt gefunden hatte. „Welchen iPod wollen wir anschliessen?“ Was mischte sich nun die Bohnenstange ein? Moment. Bei Kanda fiel nun der Groschen. „Unterlasst es, irgendwelche idiotische Musik hier drin zu hören“, wies er die anderen an. Nicht umsonst hatte er das Autoradio ausgeschaltet. „Es wird dir schon keinen Zacken aus der Krone fallen, wenn wir das machen.“ Diese dämliche Bohnenstange. Kanda knurrte. Lavi hatte unterdessen den iPod von Linalee bekommen und diesen an den Adapter angesteckt. Natürlich musste das Ganze noch mit dem Anschluss verbunden werden. Das Radio wurde von dem Rothaarigen eingeschaltet. „Mal sehen, wo der hinkommt…“, murmelte der vor sich hin, während ihm Langstrumpf von hinten nicht gerade gute Tipps gab. Tja, Frauen und Technik. Es dauerte nicht lange und die ersten Töne von - von wem überhaupt? - erklangen im Auto. Yuu sah im Rückspiegel, dass Linalee sich zurück gelehnt hatte und zufrieden lächelte. Diese Stimme. Yuu kannte sie, doch wer war das schon wieder? Er kam nicht drauf. Baby, baby, baby, oh Beim Refrain erkannte Kanda den Sänger. Das war nicht Bieber oder? Es durfte nicht Bieber sein, doch als es noch schmalziger wurde, war sich der Japaner ganz sicher. Es war Bieber. Leise summte die Schwarzhaarige hinter ihm vor sich hin. Warum sagte niemand etwas? Warum nahmen es die beiden anderen hin, dass dieser Halbstarke gehört wurde? „Keine Angst, Yuu. In einer Stunde wechseln wir den iPod“, meinte Lavi lächelnd. „Che.“ Bis dahin war er doch durchweicht von diesen Tönen. Was hatte ihn bloss geritten mit denen zu einem See zu fahren?! Nach etwa eineinhalb Stunden mussten sie bei einer Raststätte raus. Die Chinesin musste unbedingt aufs Klo und weil sie schon anhielten, ging Allen gleich auch. Yuu stieg ebenfalls aus dem Auto, um einmal drum herum zu gehen, damit seine Beine gelockert wurden. Lavi öffnete nur die Tür, um frische Luft rein zulassen. Sie hatten erst die Hälfte geschafft. Yuu wurde elend zu Mute, wenn er daran dachte, dass nochmals anderthalb Stunden Fahrt vor ihm lag. Mit diesen Passagieren! „Wir haben’s bald geschafft“, meinte Lavi aufmunternd, als sich Kanda neben ihm gegen das Auto gelehnt hatte. „Wird auch Zeit.“, grummelte der Japaner vor sich hin. „So schlimm sind wir auch nicht. Du tust gerade so, als ob wir die Pest hätten.“ Yuu sah zu Lavi runter, der ihn grinsend ansah. „Habt ihr nicht? Nun, dann wird es was anderes sein.“ „Yuu, das ist nicht nett.“, jammerte nun der Rothaarige wie ein kleines Kind und verzog seinen Mund. „War ich das je?“ Kanda hob gespielt überraschend seine Augenbrauen und wusste nicht wieso, aber er spürte wie sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen. Warum brachte ihn dieses einäugige Etwas dazu? Er mochte ihn doch nicht mal, ausserdem löste Lavi bei ihm diese Allergie aus. Dabei fiel Yuu ein, dass er immer noch keinen Arzt deswegen aufgesucht hatte. Auf seiner To Do Liste war es drauf. Ach, er hatte einfach zu wenig Zeit. „Du bist nicht so abschreckend, wie du immer tust, Yuu.“ Lavi sah ihn mit einem Blick an, der Kandas Haut zum Kribbeln brachte. Der Schwarzhaarige schluckte einmal leer und sah zur Seite weg. Was fiel diesem Rothaar ein? Warum konnte der nicht wie alle anderen auch, einfach Abstand von ihm nehmen? Yuu wurde nicht schlau aus ihm. Der Japaner war fast schon erleichtert, dass die Bohnenstange und Linalee zurück kamen. Endlich konnten sie weiter fahren. Es war schon dunkel, als das Haus, welches sie in den nächsten zwei Tagen bewohnen würden, in Sichtweite kam. Im Haus leuchtete schon das Licht und ein Smart stand davor. „Miranda und Crowley haben wohl schon das Abendessen gemacht“, meinte Linalee, die sich etwas nach vorne gelehnt hatte, um besser sehen zu können. „Endlich, ich hab Hunger“, maulte die Bohnenstange und Lavi nickte zustimmend. Auch Kanda musste zugeben, dass sein Magen leer war. „Lina, denkst du die Küche wird noch ganz sein?“, warf Lavi nachdenklich ein. Die Chinesin wurde kurz ruhig hinter Kanda und schien sich nicht ganz sicher. Da hatte der blöde Hase mal nicht so unrecht. Die Pechmarie und der Möchtegern-Vampir zusammen in einer Küche und Kochen? Yuu machte sich mal auf das Schlimmste gefasst. „Ich hoffe doch, dass die Küche noch ganz sein wird“, murmelte schliesslich Linalee. Kanda stellte seinen Wagen neben den Smart ab und war einfach nur froh, angekommen zu sein, als er den Motor abstellte. „Danke Kanda, fürs Fahren“, lächelte ihn die junge Frau an, bevor sie aus dem Auto stieg. Die Bohnenstange öffnete schon den Kofferraum, als Yuu ausstieg und sich streckte. Zum Glück hatte das Auto einen Tempomat, sonst wäre er wohl erst recht verspannt. „Kanda“, rief ihn Linalee, als der Angesprochene gerade das Haus kurz anschaute. „Was?“, brummte er, als er sich zu ihr umdrehte. „Warum haben deine Eltern ein Diplomatenkennzeichen?“ Verflucht. Er hätte sie nie an den Kofferraum lassen dürfen. Allen schaute seiner Freundin über die Schulter. Oberhalb der Zahlen stand ganz gross Diplomat. Darunter das D und die dazugehörigen Zahlen. Wie konnte sich Kanda denn jetzt da wieder rausreden? Lavi sah ihn aufmerksam an und schien ihm mit dem Blick sagen zu wollen, dass er es doch sagen sollte. Das wollte aber Yuu nicht. Die unerwartete Hilfe kam durch Miranda, die gerade die Haustüre öffnete und Linalee lautstark begrüsste. Erst nach der Begrüssung fing Pechmarie an zu erzählen, wie das Kochen eine reine Katastrophe wurde. Die Küche stand noch, aber das Essen war wohl nicht mehr geniessbar. Die Bohnenstange machte ein langes Gesicht. „Müssen wir jetzt ohne Abendessen auskommen?“, jammerte er herum. Yuu nutzte die Gelegenheit, um mit Lavi das Gepäck aus dem Kofferraum zu räumen. „Glück gehabt, nur Lina wird das nicht so schnell vergessen“, flüsterte mir der blöde Hase zu. Vielleicht ja doch. Denn jetzt war Linalee abgelenkt, da die Bohnenstange herumnörgelte, dass er etwas zu Essen wolle und sie ihm versprechen musste, etwas Neues zu kochen. Gleichzeitig musste sie Miranda irgendwie beruhigen. Was hatte sich Kanda bloss gedacht, sein Wochenende mit diesem Kindergarten zu verbringen?! Yuus Tagebuch: Fast aufgeflogen wegen Langstrumpf. Sie hat mich nicht nochmals darauf angesprochen, zum Glück. Vielleicht hat sie es doch vergessen. Der dämliche Hase sagt zwar nein, aber ist mir egal. Pechmarie und Möchtegern-Vampir haben die Küche heil gelassen. Das Abendessen musste Lina dann selbst kochen. War nicht so schlimm, wie ich es erwartet hatte. Das Wochenende soll aber schnell vorbei gehen, hält ja keiner aus hier. Auch wenn das Haus schön ist und gross. Lavi sollte noch zu mir ins Zimmer kommen, unsere Projektarbeit ist noch nicht fertig. Hab ihm gedroht, wenn wir nicht daran arbeiten, muss er zu Fuss nach Washington zurück. To do für den nächsten Tag: - Niemanden mit dem Buttermesser umbringen. - Langstrumpf vom Kennzeichen ablenken. - Für Langstrumpf eine gute Ausrede einfallen lassen. - Den Tag überleben. Kapitel 7: Lagerfeuer --------------------- Kanda schlug sein Tagebuch zu und seufzte leise auf, bevor er das Buch zurück in den Koffer legte. In ein paar Minuten sollte Lavi kommen, damit sie an ihrer Geschichte weiter schreiben konnten, doch er bezweifelte sehr, dass der andere pünktlich war. Einige noch leicht nasse Strähnen fielen ihm ins Gesicht, da er nach dem Duschen seine Haare nicht zusammengebunden hatte. Da Lavi eh bald kommen würde, holte Yuu den Laptop aus der Tasche und stellte das Gerät aufs Bett, um es einzuschalten. In diesem Moment klopfte es an die Tür. Da war bestimmt das rothaarige Ungeheuer. „Komm rein“, brummte Kanda deswegen und setzte sich aufs Bett. Er hob den Blick, als die Türe geöffnet wurde. Sein Blick traf Lavi. Doch der Blickkontakt hielt nicht lange, da er ihn gleich wieder abbrach. „Allen hat gesagt, er würde später noch Horrorgeschichten erzählen, das wird bestimmt lustig“, fing der blöde Hase an zu reden und setzte sich zu Kanda aufs Bett. Auf Horrorgeschichten konnte er sehr gut verzichten. Bloss nicht. „So um Mitternacht soll’s anfangen, das dürfen wir nicht verpassen, Yuu-chan.“ Der besagte Yuu-chan hob eine Augenbraue. „Ich werde ganz bestimmt nicht gehen“, brummte er und öffnete, sobald der Laptop das Betriebssystem hochgefahren hatte, die Worddatei mit ihrer Geschichte. „Und du auch nicht. Wir haben hier zu tun.“ „Bis dahin geht es noch ein paar Stunden und bis dann haben wir bestimmt ein Kapitel geschrieben. Geniess doch mal das Leben.“ Der hatte gut reden. Kanda wollte die Projektarbeit endlich zu Ende haben und ganz bestimmt nicht die Horrorgeschichten der Bohnenstange hören. Wer wusste schon, ob ihm dabei schlecht werden würde. „Ah, ich weiss, was dir nicht passt.“ Hä? Fragend sah Kanda den Rothaarigen neben sich an, der ihn breit angrinste. „Du brauchst keine Angst zu haben: Wenn du willst, halte ich sogar wieder deine Hand.“ Der blöde Hase wurde ihm langsam zu frech. „Du…“, knurrte er drohend und wollte ihn schon mit einer Kopfnuss bestrafen, als Lavi seine Hand auffing. Kandas Augen wurden schmaler, als dieser ihn auch noch unschuldig anlächelte. „Ist doch so, dafür musst du dich nicht schämen.“ Verstand der das nicht?! Er wollte aber keine Angst haben und schon gar nicht wollte er, dass jemand seine Hand hielt. Besonders nicht, wenn dieser jemand Lavi war. Als ihm dieser auch noch aufmunternd den Kopf tätschelte, war es vorbei mit Kandas Nerven. Er stürzte sich auf Lavi, um ihn zu erwürgen. Wenn schon kein Messer in der Nähe war, musste er sich eben die Hände schmutzig machen. Zu Yuus Enttäuschung bekam Lavi seine Hände gepackt, als der Japaner auf ihm war und drehte sie so, dass nun er unter dem blöden Hasen war. „Na, na, Yuu. Du sollst dich doch nicht so aufregen.“ Irgendwann würde Kanda ihm dieses dämliche Grinsen aus dem Gesicht wischen. Der Untenliegende knurrte nur und versuchte sich zu befreien, doch Lavi dachte nicht daran, ihn aus dieser Lage raus zulassen. „Bist du wieder lieb?“, fragte das einäugige Monster nach und kam bestimmt mit Absicht Kandas Ohr so nahe. Yuus Herz raste und dieses Kribbeln an seinem ganzen Körper machte die Situation auch nicht besser. Seine Allergie. Bestimmt hatte er schon überall rote Pusteln, wegen diesem Idioten über ihm, der das ganze so witzig fand. Da ihm Lavi so ungewollt nahe war, konnte Kanda zum ersten Mal erkennen, dass dieser kaum sichtbare Sommersprossen auf der Nase verteilt hatte. Kanda hasste Sommersprossen und war unglaublich froh keine zu haben. Aber bei Lavi wirkten sie irgendwie…..niedlich. Oh nein, das Wort war doch nicht wirklich in seinen Gedanken aufgetaucht oder? Lavi machte ihn noch völlig verrückt mit dieser Nähe. „Geh endlich runter von mir!“, grummelte Kanda, als sein Blick den von Lavi kreuzte und er das Gefühl hatte, von diesem grünen Auge hineingezogen zu werden. „Cool!“, meinte der blöde Hase begeistert und hielt Yuus Kinn fest, um noch näher zu kommen. Kanda war das viel zu nahe. „Du hast ja blaue Augen. Ich dachte immer die seien Schwarz.“ Schnellchecker. Jetzt durfte Kanda ihm die Geschichte erzählen, warum er so dunkelblaue hatte und nicht schwarze, wie es sich für einen Japaner gehörte. „Wieso…?“, fing Lavi schon an, da unterbrach ihn Yuu mit einem simplen: „Grossmutter.“ War das jetzt geklärt, konnte der nun endlich von ihm runter gehen?! Er griff nach Lavis Handgelenk und löste somit dessen Hand von seinem Kinn. Gleichzeitig funkelte er ihn wütend an, was dem anderen signalisieren sollte, sich endlich von ihm runter zu bewegen. Schliesslich wurde es ihm zu blöd und er schlug Lavi schmerzhaft in die Rippen, was diesen dazu brachte, sich von ihm runter zu rollen und jammernd die schmerzende Stelle zu halten. Che, das hatte der blöde Hase nun davon. „Du bist verdammt schwer“, fauchte er ihn noch an, als er sich wieder aufgerichtet hatte und versuchte, sein Herz wieder zu beruhigen. „Bin ich gar nicht“, kam es von dem Rothaarigen, der immer noch dort lag und nun wehleidig zu dem ihm hoch sah. „Ausserdem sollst du mich nicht schlagen. Ich hab mir bestimmt ‘ne Rippe gebrochen.“ Übertreiben musste der auch nicht grade. „Du hast es verdient und deine Rippen sind noch heil.“ Yuu rollte mit den Augen und wandte sich seinem Laptop zu. Er wollte endlich an dem Kapitel weiterarbeiten, aber Lavi wollte wohl eher rumblödeln. Idiot. So machte sich Kanda selbst daran, ein paar Sätze zu schreiben, wobei er Lavis Blick spürte, der sich von hinten durch seinen Rücken zu bohren schien. Leise knurrte er vor sich hin, da ihm die Worte immer mehr fehlten, bis er schliesslich ganz ins Stocken kam - mitten im Satz. Hinter ihm raschelte es und ehe er sich’s versah, hatte sich Lavi über seine Schulter zum Laptop gelehnt und las aufmerksam die paar Sätze durch, die Kanda mit Mühe hingeschrieben hatte. „…ich wollte mich umdrehen, um zu sehen, was mich angegriffen hatte, doch es wurde alles schwarz vor meinen Augen.“ Hä? Verständnislos sah er nach links zu Lavi, der ihn auffordernd ansah. „Los, schreib schon hin“, meinte der lächelnd. Dabei streifte sein Atem Kandas Haut, was ihn völlig aus dem Konzept brachte. Dämliche Allergie! Schnell tippte er das Diktierte hin und rückte dann ein Stück von dem rothaarigen Monster weg. Was ihm von besagtem Monster einen verwirrten Blick einbrachte. Doch bevor Lavi einen dämlichen Kommentar abgeben konnte, klopfte es an die Zimmertüre. „Herein“, rief Lavi gut gelaunt. Was rief der blöde Hase einfach?! Das war Kandas Zimmer! Kurz darauf wurde die Tür aufgemacht und Linalees Kopf wurde sichtbar. „Hey, ich wollte fragen, ob ihr beide zu uns ins Wohnzimmer kommt. Wir wollen uns noch einen Film ansehen“, sagte sie lächelnd und Yuu hatte den absurden Eindruck, dass ihr Blick etwas länger auf ihm verharrte, so als wollte sie ihn scannen. Da wurde ihm wieder bewusst, dass sie ihn wahrscheinlich noch wegen dem Autokennzeichen mit Fragen durchlöchern würde. Mist. „Was wollt ihr euch denn ansehen?“, fragte Lavi. „Wir dachten an American Pie.“ Oh nein. Kanda unterdrückte den Drang, seinen Kopf an die nächste Wand zu schlagen. „Wir kommen gleich.“ Völlig entgeistert sah Kanda zu Lavi. Bitte was?! Nein, er wollte sich diesen dämlichen Teenager-Film nicht ansehen. Bei dem es nur um das eine ging: Wie man seine Jungfräulichkeit los wurde. Dieser Film fristete sein Dasein bei Yuus Filmliste einen Platz weit unten, wie auch Horrorfilme. Doch weder der Rothaarige neben ihm, noch die Chinesin schienen etwas davon zu ahnen. „Sehr gut, wir schieben schon mal die DVD in den Player. Kommt also gleich“, informierte Linalee lächelnd und verschwand wieder. „Was?“ Lavi sah Kanda grinsend ins Gesicht, der ihn völlig entsetzt ansah. „Besser als ein Horrorfilm, oder nicht? Komm Yuu-chan, das wird lustig.“ „Aber was ist mit unserem Projekt?“ Es war armselig, das musste selbst er einsehen, aber seine einzige Chance diesen blöden Film nicht ansehen zu müssen. „Da schreiben wir morgen weiter. Sieh mich nicht so an. Wir sind gut in der Zeit und wir bringen es mit Sicherheit rechtzeitig fertig, auch wenn wir heute Abend nicht daran arbeiten.“ Yuu bezweifelte es, aber er gab sich geschlagen, als ihn Lavi bittend ansah. „Aber ausgerechnet American Pie? Gibt es denn keine anderen Filme, die etwas mehr Hirn haben?“ „Weil er lustig ist und du hast ihn dir auch schon angesehen, sonst würdest du dich gar nicht so darüber aufregen.“ Yuu grummelte vor sich hin. Dieser blöde Hase, woher wusste er das?! Kanda hatte ihn tatsächlich mal gesehen, aber nur weil ihn sein bester Freund in London dazu gezwungen hatte. Aber das war ein Abend seines Lebens, an den er nicht erinnert werden wollte. Während er noch die Erinnerungen an den einen schrecklichen Abend zu verdrängen versuchte, schaltete Lavi den Laptop ab. „Also, dann mal los!“ Er ergriff Kandas Hand und zog ihn aus dem Zimmer. „Lass mich auf der Stelle los!“, keifte dieser, als er so von Lavi mitgeschleppt wurde. Doch der blöde Hase grinste nur und schüttelte den Kopf. „Nee, Yuu-chan, sonst verkriechst du dich noch im Zimmer und kommst gar nicht.“ Aber seine Allergie! Es war für den Japaner gar nicht lustig, wie sein Körper wieder auf das Monster vor ihm reagierte. Linalee drehte sich zu ihnen um, als Lavi ihn ins Wohnzimmer geschleift hatte und erst dort seine Hand losliess. „Gut, dass ihr kommt. Wir wollten grade anfangen“, lächelte die Chinesin und Lavi setzte sich auf die grosse Couch, was ihm Kanda gleichtun wollte, doch Lina hielt ihn auf. „Kanda, hilfst du mir bitte mit den Getränken und dem Knabberzeug?“, fragte sie ihn und deutete in Richtung Küche. Sah er aus wie ein Sklave? Man verlangte von ihm diesen Film zu sehen und dann sollte er noch helfen die Snacks der anderen aufzutischen?! Aber weil man Lina nicht widersprach, da sie sonst ziemlich ungemütlich werden konnte, fügte er sich seinem Schicksal. „Von mir aus“, grummelte er und folgte der jungen Frau in die Küche. Dort holte sie die Gläser hervor und Yuu hatte plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl, als es in ihren Augen so komisch aufblitzte. „Sag mal, Kanda. Dein Vater, heisst der mit Vornamen Kenji?“, fragte sie ihn unschuldig, als sie ihm die Gläser in die Arme drückte. „Wieso willst du das wissen?“, fragte Kanda nach und sah sie misstrauisch an. Das war gar nicht gut. Woher kannte sie den Namen seines Vaters?! „Du wohnst an der Massachusetts Avenue“, sagte sie weiter, ohne auf seine Frage zu achten. „Wusstest du, dass dort auch die japanische Botschaft ist?“ Nein, ihm gefiel das ganz und gar nicht mehr. „Worauf willst du hinaus?“ Die war noch schlimmer als Lavi. Wo war der überhaupt, wenn man ihn mal brauchen konnte?! „Eigentlich brauchst du’s gar nicht zu dementieren, denn wir wissen, dass du der Sohn des japanischen Botschafters bist. Richtig, Kanda?“ „Wie…?“, setzte er schon zur Frage an, biss sich dann aber auf die Zunge. Darauf wartete sie doch nur, dass er sich verplapperte. „Wie wir’s rausgefunden haben? Ganz einfach, ich habe das Autokennzeichen aufgeschrieben und wir haben im Internet nachgesehen. Das Auto gehört der Botschaft und als wir die Homepage der japanischen Botschaft besucht haben, ist da der Name Kenji Kanda als Botschafter aufgetaucht. Wie gesagt, leugnen ist zwecklos.“ „Wer ist wir?“ Yuu wollte nun wissen, wie viele davon erfahren haben. „Allen und ich. Wir haben also recht?“ Kanda seufzte geschlagen und nickte kurz, bevor er den Kopf wegdrehte. „Das ist doch so toll!“, meinte Linalee begeistert und strahlte Kanda an. „Ist es gar nicht. Und du und die Bohnenstange haltet die Klappe. Ich will nicht, dass das durch die Schule geht!“ „Was soll nicht durch die Schule gehen?“, fragte Lavi vom Türrahmen her und sah die beiden neugierig an. Wieso tauchte der jetzt auf?! „Hast du denen einen Tipp gegeben?“, fauchte Kanda den blöden Hasen an, der ihn leicht verdattert ansah. „Bei was denn?“ Das rothaarige Monster war also unschuldig, so ratlos wie er aussah. „Du weisst es also?“, fragte nun Lina den Rothaarigen, der immer verwirrter aussah. „Wie lange schon?“ „Was denn?“ Lavi sah ratlos von Kanda zu Linalee und wieder zurück. „Egal“, knurrte Yuu und stampfte aus der Küche, drückte Lavi noch die Gläser in die Arme, danach packte er ihn am Kragen und zog ihn mit sich. „Sie wissen’s“, erklärte der Japaner nur kurz, bevor er ihn kurz ansah. Er konnte sehen, dass es in Lavis Kopf arbeitete. „Wegen der Botschaft?“, fragte er dann. Kanda grummelte nur zustimmend und liess den blöden Hasen wieder los. „Wieso bist du eigentlich in die Küche gekommen?“ Warum war der nicht früher dort?! Er hätte die Verrückte aufhalten können! „Allen hat mich geschickt, ich soll mal nachsehen, warum das so lange dauert.“ Einige Minuten später sassen alle auf dem Sofa, ihre Getränke auf dem Wohnzimmertisch, auf dem ebenfalls zwei Schüsseln mit Popcorn und Chips standen und sahen sich gebannt den Film an. Naja eher der Rest der Gruppe tat es, Kanda war genervt davon und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Irgendwann, es musste bei der Szene sein, als so ein Idiot sich lächerlich machte für diese Spanierin und sich auszog, fielen Kanda die Augen zu. Die Sonnenstrahlen kitzelten sein Gesicht, als er sich auf die Seite gedreht hatte. Auch trug das leichte Klopfen an der Türe nicht dazu bei, dass er wieder einschlief. „Kanda, das Frühstück ist fertig“, erklang Linalees Stimme, dann war es wieder ruhig. Endlich. Moment…. Wie war er eigentlich ins Bett gekommen? Sofort war der Japaner hellwach und sass keine Sekunde später senkrecht im Bett. Er konnte sich nicht erinnern ins Bett gegangen zu sein. Okay, alles der Reihe nach. Was war gestern passiert? Lavi dieser Vollpfosten wollte mit den andern diesen dämlichen Film ansehen. Gut, daran konnte er sich noch erinnern. Lina hat ihn dann dazu verdonnert, ihr zu helfen und ihm dabei mitgeteilt, dass sie wusste, wer er war. Das war schlecht. Darüber musste sich Kanda später noch Gedanken machen. Lavi war gekommen und hat ihn von diesem Gespräch….ähm…erlöst? Nein, ein anderes Wort musste her. Ach egal. Danach hatte er sich neben den blöden Hasen gesetzt und den Film mit angesehen, vermutlich ganz oder? Nein, denn sonst hätte er sich über dieses blöde Ende aufgeregt. War er etwa eingeschlafen?! Wenn ja, wer hatte ihn ins Zimmer gebracht? Die Mädchen konnte Yuu schon einmal ausschliessen. Die Bohnenstange wohl kaum, die hätte ihn auf dem Sofa schlafen lassen. Blieben noch der Möchtegern Vampir und der blöde Hase. Vielleicht beide? Egal, darüber konnte sich Kanda später noch den Kopf zerbrechen. „Morgen, Yuu-chan, gut geschlafen?“ Konnte Lavi nicht mal am Morgen seine Klappe halten? Er grummelte etwas vor sich hin und bemerkte, wie die Bohnenstange breit grinste. Wieso bekam er das Gefühl nicht los, dass das etwas mit gestern Abend zu tun hatte? Kanda setzte sich hin und begnügte sich mit einem schwarzen Kaffee, um seine Lebensgeister zu wecken. Linalee redete unterdessen etwas von Aufgabenteilung, bei der Kanda nicht zuhörte. Sie würde es ihm schon nochmal sagen, was er zu tun hatte, oder wer mit wem etwas machen musste. Warum grinste ihn nun das einäugige Ungeheuer so breit an? Vielleicht hätte er doch zuhören sollen… „Also, lass uns dann einkaufen gehen“, meinte Lavi gut gelaunt, als sie ihr Frühstück beendet hatten. „Hä?“, war seine geistreiche Antwort darauf. Lavi zog darauf seine Augenbrauen hoch, was ihn noch mehr zu einem Idioten machte. „Die Aufgabenteilung, Yuu. Wir müssen einkaufen gehen. Du solltest zuhören wenn Lina was sagt, du weisst doch, dass sie sonst böse werden kann.“ Oh ja, das wusste Kanda. Mit einer bösen Linalee war nicht zu spassen: Sie hatte ihm mal ein Buch an den Kopf geschlagen, sodass er den ganzen Tag Kopfschmerzen gehabt hatte. „Wieso wir? Entscheidet sie das?“ Wenn ja, wieso musste sie ihn zum Einkaufen schicken mit diesem blöden Hasen?! „Du kannst auch mit Crowley abtauschen und das Geschirr abwaschen.“ „Ich komme.“ Kanda war aufgestanden und hatte den Autoschlüssel geholt, sowie seine Jacke, da der Altweibersommer leider auch schon vorbei war. „Es muss hier in der Nähe einen Supermarkt geben, hat mir Lina erzählt“, meinte das einäugige Monster, als sie zum Auto gingen. „Wirklich? Und wo?“ Nur in der Nähe reichte Yuu nicht, er musste doch wissen, in welche Richtung er fahren musste! „Äh….sie hat’s mir erklärt, aber ich hab’s vergessen“, entschuldigte sich Lavi und kratzte sich am Hinterkopf. Trottel. Selten dämlicher Trottel. „Ich dachte, du könntest dir solche Dinge merken“, meinte Kanda angesäuert. „Naja, nicht alles.“ „Aber meine Handynummer konntest du dir merken“, warf der Japaner ein und deutete Lavi ins Auto zu steigen. „Das ist auch keine Wegbeschreibung von einem Mädchen. Sie hatte doch schon Probleme damit, links und rechts auseinander zu halten“, verteidigte sich der blöde Hase, während Yuu den Wagen startete und den Rückwärtsgang einlegte. Kanda rollte mit den Augen und holte sein iPhone aus der Tasche, um es dem verwunderten Lavi in die Hand zu drücken, als er das Auto gewendet hatte. „Mach dich nützlich und such bei der Karte nach dem nächsten Supermarkt.“ Lavi war für ein paar Minuten still, während Kanda einfach mal in eine Richtung fuhr, seiner Intuition folgend. „Ich hab’s gefunden“, meinte dann sein Beifahrer grinsend. „Weiter geradeaus bis zur Kreuzung, dann links abbiegen und nach etwa einem Kilometer müsste der Supermarkt auftauchen.“ Sie waren hier wirklich in der Pampa gelandet. „Du warst gestern Abend während des Films eingeschlafen, warst wohl richtig erschöpft oder?“, fing Lavi ein Gespräch an und Kanda witterte seine Chance zu erfahren, wer ihn ins Bett gebracht hatte. „Viel verpasst hab ich nicht mehr.“ „Du hast richtig niedlich ausgesehen beim Schlafen.“ „Che, Idiot“, grummelte Kanda vor sich hin. Wieso musste der blöde Hase ihn mit dem Wort niedlich in Verbindung bringen?! Er war nicht niedlich und schon gar nicht beim Schlafen! Dennoch klärte es nicht auf, wie Kanda ins Bett kam. Egal. Er wollte nicht als niedlich bezeichnet werden. Woher hatte Lavi bloss dieses Wort?! Das war doch sowas von unmännlich. Endlich erreichten sie den Supermarkt und Yuu fand auch einen Parkplatz, der Nahe am Gebäude war, so dass sie nicht eine halbe Ewigkeit laufen mussten. „Also, was brauchen wir alles?“, redete Lavi gut gelaunt vor sich hin, während Kanda mit dem Einkaufswagen neben ihm stand und der blöde Hase die Einkaufsliste durchging. „Komm mit, Yuu.“ Lavi ging voraus und er folgte ihm skeptisch. „Kennst du dich hier aus?“, fragte er nach. „Nein, aber Supermärkte sind eigentlich immer gleich aufgebaut.“ Das bezweifelte Kanda doch recht stark. Als Erstes führte Lavi sie über Umwege zum Süssigkeiten-Regal. „Das ist jetzt nicht dein Ernst“, knurrte Yuu leise, als sich Lavi wirklich erdreistete, die Auswahl genauer in Augenschein zu nehmen. Sie sollten hier Lebensmittel einkaufen und keine Süssigkeiten. „Doch, wir wollen heute Abend ein kleines Lagerfeuer machen.“ Wann wurde denn das bestimmt? Warum bekam er solche Dinge nie mit?! Der blöde Hase griff nach einer Marshmallowpackung und wedelte mit dieser vor Yuus Gesicht herum. „Kennst du das? Man kann die im Feuer warm machen.“ „Ja, kenn ich. Die werden dann so ekelhaft klebrig und noch süsser, als sie eh schon sind.“ „Das ist nicht ekelhaft, das ist köstlich.“ „Ich weiss nicht, was du unter köstlich verstehst: Wenn einem die Zähne zusammengeklebt werden vor lauter Zucker.“ Sie waren eklig. Punkt. Lavi verzog sein Gesicht, schüttelte dann den Kopf ganz so, als konnte er es nicht glauben, was der Japaner da von sich gab. Jedenfalls warf der blöde Hase zwei Packungen puren Karieserreger in den Einkaufswagen. „Und was sonst noch? Lina wird uns nicht hier her geschickt haben, um uns mit Süssigkeiten zu verpflegen“, wollte Kanda wissen, als auch noch eine Packung Apfelringe im Wagen landeten. „Ja ja, komm nur mit.“ Manchmal wollte er ihm wirklich den Hals umdrehen. Warum hatte das Yuu nicht gestern getan, als er die Chance dazu hatte? Lavi würde wohl nie mehr so nahe kommen. Zum Glück. So folgte ihm dann Yuu durch den Supermarkt und der Wagen füllte sich immer mehr. „Brauchen wir wirklich so viel für nur noch heute und morgen?“ „Hast du Allen eigentlich schon mal beim Essen zugesehen?“, antwortete Lavi mit einer Gegenfrage. „Che, als ob ich der Bohnenstange beim Essen zuschaue.“ „Solltest du mal. Er isst Unmengen und er ist soo dünn!“ Lavi hielt seine Hand, die zur Faust geballt war hoch und streckte nur seinen kleinen Finger. „Wenn ich so futtern würde wie der, würde ich ‘ne Tonne wiegen.“ „Das heisst aber noch lange nicht, dass ich seinen Frass mitfinanziere.“ Kanda schaute in den Einkaufswagen. Sie wollten die Ausgaben fürs Essen durch sechs teilen, so hatte jeder etwas davon und es sollte gereicht sein. Wie gesagt: sollte. Denn wenn jemand so viel futterte wie Allen, dann war es nicht mehr gerecht, fand er jedenfalls. „Sei nicht so kleinlich, wir haben schliesslich auch was davon“, wiegelte Lavi ab. „Dass sich die Bohnenstange vollstopft? Was soll ich denn davon haben?“ Nein, Yuu sah das definitiv nicht ein. „Das ist doch nicht euer Ernst oder? Auch schon mal dran gedacht, dass wir Oktober haben?!“ Sie waren gerade vom Einkaufen zurückgekommen, als Linalee fragte, ob sie alles hatten für ihr Lagerfeuer. Der Japaner sah das überhaupt nicht ein, dass sie mitten im Oktober draussen sitzen sollten, um ein Feuer und ihre Marshmallows zu rösten. So eine Kinderkacke. „Reg dich nicht auf, du wirst es überleben“, winkte sie ab. „Ohh hast du Angst, dass du frieren könntest?“ War ja klar, dass die Bohnenstange einen dämlichen Kommentar von sich geben musste. „Nein, ich will mir keine Erkältung einfangen“, fauchte Yuu zurück. Warum war er noch gleich mitgekommen? Ach ja, weil sie fast darum gebettelt hatten. Lavi, der ihre Einkäufe in die Küche getragen hatte, sah wie immer belustigt aus. Der war doch auch so ein Idiot wie alle anderen hier. Am späteren Nachmittag sassen Kanda und Lavi im Wohnzimmer und arbeiteten an ihrem Projekt – Yuu hatte ihn dazu gezwungen – und als die anderen sich schon auf den Abend freuten, fing es an zu regnen. Das freute wiederum den Japaner, da er sich schon gerettet sah vor diesem nutzlosen Lagerfeuer. „Ich hab’s doch gesagt, dass man sowas nicht im Oktober macht“, meinte er zu Lavi, der ebenfalls enttäuscht aussah. Der hatte sich also auch darauf gefreut? Che, Kanda hatte die Idee schon von Anfang an nicht gut gefunden. „Linalee, meinst du, wir können den Kamin einfeuern?“, fragte Miranda vorsichtig. Kanda glaubte, sich verhört zu haben. Es war nie eine gute Idee, wenn etwas von der Pechmarie kam. Zu seinem Leidwesen war Linalee von dieser Idee sogar angetan und auch Allen meinte, es sollte eigentlich kein Problem sein. Mist. Also doch Würste braten. Blieb ihm den gar nichts erspart? Lavi grinste erfreut neben ihm, während er nur das Gesicht verzog. Warum konnten sie nicht einfach normal zu Abend kochen? Warum musste es ein Lagerfeuer sein, das jetzt in das Haus verlegt wurde? Wehe Lavi stopfte ihm ein Marshmallow in den Mund, dann würde er erst recht Amok laufen. Moment, warum sollte das der blöde Hase überhaupt machen? Verrückt war der ja, aber ganz bestimmt nicht lebensmüde. Er hatte also nichts zu befürchten. Yuus Tagebuch Ich bring ihn um. Morgen setz ich ihn auf dem Highway aus! Dieser….dieser….argh, ich hab nicht mal einen passenden Namen für ihn! Er hat es tatsächlich gewagt, mir eines dieser grässlichen Gummidinger, die einem die Zähne zusammenkleben, in den Mund zu stopfen! Und dazu dieses Grinsen! Ich hasse ihn! Und die Bohnenstange gleich mit, der hat das natürlich auch noch lustig gefunden! Korrektur: Ich setze beide auf dem Highway aus. Ich wusste ja gleich, dass das mit dem Lagerfeuer nichts wird! Kurz: der Tag war scheisse. Angefangen, dass Langstumpf das mit der Botschaft herausgefunden hat, bis zu diesem Abendessen. Ich versuch jetzt zu schlafen. Vielleicht ist morgen alles besser und Lavi hat sich vor Angst gleich selbst auf dem Highway ausgesetzt. To do für morgen: - Lavi aussetzen - Bohnenstange auch aussetzen - Beruhigungstropfen nehmen - Langstumpf das Versprechen abringen, dass sie niemandem etwas sagt. Oder doch besser drohen? - Unbedingt herausfinden wie ich ins Bett gekommen bin. Notfalls jemanden dafür umbringen. Hosted by Animexx e.V. 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