Taking Over von Umi (Thief King/Seth | Bakura/Seto | Bakura/Ryou | Seto/Jounouchi) ================================================================================ Kapitel 6: Words Like Violence ------------------------------ *dem fleißigen Freischalter, der die letzten Tage so tapfer meinen Upload-Wahnsinn mitmacht, mal einen virtuellen Teller mit Keksen rüberschiebt* :) __________________________________________________________________________ "Kaiba, würden Sie Bakura die Hausaufgaben bringen?" Ein abwesendes Nicken war die Antwort und der Lehrer wandte sich wieder seinem Unterricht zu. Der junge Firmenchef hingegen löste seinen Blick nicht vom Fenster und war auch gedanklich überall, nur nicht in der Schule. In der Firma stand ein wichtiges Meeting bevor, Mokuba hatte heute Sportfest und kam eher heim... und Bakura hatte sich seit drei Nächten nicht mehr sehen lassen. Eigentlich ein Grund zu Feiern, immerhin war Ruhe ja genau das, was er gewollt hatte. Nun ja... eigentlich. Die Wirklichkeit sah da anders aus: durch seine undurchschaubare Art und dieses Talent, sich in den passendendsten Momenten rar zu machen, hatte der weißhaarige Dieb seinem Opfer in gewisser Weise den Kopf verdreht. Kaiba war ein Mensch, der es liebte, Dinge im voraus zu berechnen und zu planen; verwirrende und womöglich übernatürliche Überraschungen und Erscheinungen gehörten wahrlich nicht zu seinen Vorlieben. Bakura war aber genau so eine verwirrende und übernatürliche Erscheinung, die sich beim besten Willen nicht kontrollieren oder berechnen ließ. Und der Grabräuber gab ihm, wenn auch in kleinen Dosen, etwas, was er unbewusst schon seit längerem vermisst hatte: körperliche Nähe. Und vielleicht sogar ein klein wenig mehr... Ein kurzer Druck auf die Klingel, aber wie beim letzten Mal reagierte auch heute niemand. Wahrscheinlich war das Ding kaputt... Also versuchte Kaiba es mit Klopfen und kurz darauf öffnete sich tatsächlich einen Spalt breit die Tür und ein leichenblasser, völlig übermüdeter Ryou sah überrascht zu ihm auf. "Was willst du hier?" "Ich soll dir die Hausaufgaben vorbeibringen." "So? Komisch, sonst macht Yugi das immer... egal, schieb sie durch den Briefschlitz." "Wo warst du die letzten Tage?" "Daheim, Sommergrippe. Ich mach die Tür jetzt zu, sonst steckst du dich noch an und du warst erst krank." Gesagt getan. Schulterzuckend ging Kaiba in die Knie und öffnete den Briefschlitz, damit die Kopien nicht knickten. In der Wohnung war es stockfinster... Mit einem kurzen, erschrockenen Ächzen wich der Braunhaarige zurück, als urplötzlich die Klinge eines Küchenmessers auf ihn zuschnellte und zeitgleich ein lautes "Yoru!" ertönte. Leises Knurren war zu hören, Schritte folgten... dann öffnete sich die Tür wieder ein Stück. "Tut mir leid, Kaiba-kun, ich weiß auch nicht, was das sollte." Murrend klopfte der Ältere sich den Staub von der Uniform und stand auf. "Was war denn das?" "Er mag kein Licht. Vielleicht war das der Grund." "Mit er meinst-?" "Geh jetzt." "Was zum-?" "Verschwinde endlich Kaiba-kun, okay?" Die Tür fiel wieder ins Schloss. Eine Weile starrte der junge Firmenchef sie noch verwirrt an, dann machte er auf der Hacke kehrt und verließ das Gebäude eilig. "Bakura-kun ist wieder nicht in der Schule." "Ich hoffe, er ist nicht ernsthaft krank." Große, besorgt dreinschauende violette Augen schoben sich in Kaibas Blickfeld. "Du hast ihm doch gestern die Hausaufgaben gebracht, Kaiba-kun, was hat er?" Der ganze Kindergarten hatte sich vor seiner Bank versammelt. Genervt wandte der Braunhaarige den Blick ab, bis sich schließlich Jounouchi vor ihm aufbaute. "He, antworte!" Müde eisblaue Augen und ein für Außenstehende unsichtbarer Seufzer, schon konnte der Blonde die streitlustige Fassade nicht länger aufrecht erhalten und beugte sich stattdessen zu seinem Ex herunter. Leiser als zuvor wiederholte er Yugis Frage. "Was fehlt Bakura, weißt du was?" "Deine Schuld." "Was?!" "Er hat sich bei dir angesteckt, Grippe." Schon war der Köter wieder auf 180. "Du dämlicher Saftsack, dafür kann ich doch nichts!" "Wer weiß..." Es kostete Jounouchi noch immer viel Anstrengung, sich blind zu stellen und so zu tun, als würde ihm die ungewohnt melancholische Stimmung seines Ex entgehen. In Wahrheit bedrückte sie ihn richtig und ließ ihm kaum eine ruhige Minute. Immer öfter fragte er sich, ob man Kaiba nicht vielleicht schon immer seine Laune so einfach ansehen konnte, wenn man nur etwas aufpasste und ob außer ihm tatsächlich niemand eine Veränderung an ihm wahrnahm. Als es zum Unterricht klingelte und alle sich wieder auf ihren Platz begaben, flüsterte der Blonde Kaiba ein leises "Wenn was ist, dann red ruhig mit mir" ins Ohr, erntete aber nur ein bösartiges "Ich rede nicht mit Straßenkötern". Jounouchi ließ sich mit einem (unfreiwillig wie auf seinen Spitznamen zugeschnittenen) Knurren auf seinen Platz sinken und widerstand nur schwer dem Drang, Kaiba eine runterzuhauen. Als er jedoch einige Zeit später aufgerufen wurde, ein Gedicht von Nietzsche vorzulesen, ließ er es sich nicht nehmen, seinen Ex bei den seiner Meinung nach passendsten Zeilen mit dem finstersten Blick, dessen er fähig war, zu fixieren. "Flieg Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! - Versteck du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn!" Als Kaiba endlich nach Hause kam und die Arbeit hinter ihm lag, war er noch immer wütend auf Jounouchi. Was bildete dieser blöde Köter sich eigentlich ein? Sich erst mit wildem Gezeter von ihm trennen und dann auch noch eingeschnappt sein, weil er keinen unnötigen Kontakt zu ihm haben wollte... und was sollte dieser starre Blick, als er bei der fünften Strophe dieses Gedichts angelangt war? Versteck du Narr, dein blutend Herz in Eis und Hohn. Das traf den Nagel so sehr auf den Kopf, dass es weh tat, und zwar richtig. Der junge Firmenchef hatte ziemlich schwer schlucken müssen, als er das ins Gesicht geschleudert bekommen hatte. Er hätte nie erwartet, dass ausgerechnet der Köter ihn mit Worten verletzen konnte. Noch einmal. Normalerweise prallten sämtliche Beschimpfungen an ihm ab, aber dieser abwertende, bittere Unterton... dieses fast schon Mitleidige in Jounouchis Stimme hatte sich unerwartet tief in den Braunhaarigen hineingebohrt. Zähneknirschend setzte er sich an seinen Schreibtisch, verschränkte die Arme und vergrub das Gesicht in ihnen. Es war, als hätte der Blonde eine gar nicht mal all zu alte Wunde aufgerissen und brutal Salz hineingerieben. Hätte Kaiba sich doch besser nie auf den Kerl eingelassen... dann wäre er auch nicht so anfällig für Angriffe dieser Art geworden. Dann würde es nicht so weh tun. Jeder Herzschlag fühlte sich plötzlich wieder so an, als steckte ein Messer in seiner Brust. Als hätte Jounouchi ihn gerade erst verlassen und nicht vor über zwei Wochen. Als wäre diese Enttäuschung, abgewiesen zu werden, ganz frisch. Er hatte damals nicht geweint - so tief waren seine Gefühle schließlich nicht gegangen - aber trotzdem hatte es geschmerzt wie die Hölle. Und das tat es nun wieder. Die Worte kreisten immer und immer wieder durch seinen Kopf. Versteck du Narr, dein blutend Herz in Eis und Hohn. Und wie sein Herz in diesem Augenblick blutete... Bakura, der gerade zur Balkontür hineinkam, dachte zuerst, der Größere wäre im Sitzen eingeschlafen, bis ein giftiges "Lass mich in Ruhe" aus dessen Richtung drang. Aber der Weißhaarige verschwand nicht, sondern legte sich ruhig auf das Bett und schaute die Decke an. Beinahe eine halbe Stunde verbrachten beide so, ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Irgendwann wurden die Atemzüge des jungen Firmenchefs tiefer und gleichmäßiger, dann hatte er sich wieder soweit unter Kontrolle, dass er aufstehen und sich neben seinen Besucher setzen konnte. Dessen Stimme war unerwartet leise, auch ihm war eine gewisse Erschöpfung anzumerken. "Und, hast du meinen Namen herausgefunden?" "Nein. Du hast ihn verloren, deshalb findest du keine Ruhe." Der Kleinere richtete sich auf. "Gewonnen. Ich werde dir also wiedergeben müssen, was ich dir gestohlen habe..." "Den Stab kannst du von mir aus behalten und alles andere könntest du mir selbst dann nicht wiedergeben, wenn du es wolltest." Ein angedeutetes Schmunzeln schlich über Bakuras Gesicht. Dann schlang er die Arme um den Größeren und strich durch dessen braunes Haar. "Seth!" Der Hohepriester schreckte auf. "Jawohl, mein Pharao?" "Mir scheint, dass du in letzter Zeit nicht ganz bei dir bist. Ist irgendetwas vorgefallen?" "Nein, mein Pharao... es ist nichts vorgefallen." "Du weißt, was mit Lügnern geschieht, Seth?" "Ja, mein Pharao, das ist mir bekannt..." Atemu erhob sich von seinem Thron. "Nun gut, nachdem das geklärt ist..." Er blickte auf seine versammelten Berater hinab. "Wer mir den Mörder Mahados bringt, wird reich belohnt. Ich will ihn lebend haben..." Isis trat vor. "Mein Pharao, welche Strafe habt ihr für dieses Verbrechen vorgesehen?" Der Blick des Angesprochenen wurde müde und schwer, seine Stimme dagegen war kalt... glich dem Zischen einer giftigen Kobra. "Er wird bei lebendigem Leibe gepfählt, auf dass seine Seele nie das Totenreich erblicken möge." Die Worte des Pharaos ließen Seth innerlich zusammenzucken. Es war bekannt, dass auf den Mord an einem Hohepriester der Tod stand... und es war bekannt, dass das Verhältnis Atemus zu Mahado vermutlich weit über Freundschaft hinausging... aber pfählen? Ahnte der junge König etwa, dass der Mörder ein Dieb war... ein Grabschänder? Die Ruhe der Toten zu stören war eines der schlimmsten Vergehen überhaupt und wurde nicht selten mit dem Pfählen bestraft... bei lebendigem Leibe wurde den Verurteilten ein mehrere Meter langer Holzstecken durch den Unterleib gestoßen, mit dem sie vor der Stadt als Warnung an ihre Komplizen aufgestellt wurden. Oft lebten sie noch mehrere Tage, ehe sie an ihren Verletzungen oder an der Hitze zugrunde gingen und dann verwesten. Und da ihre Körper sich zersetzten gab es keine Möglichkeit für sie, ins Reich der Toten zu gelangen... "Seth? Ist alles in Ordnung?" Der Angesprochene nickte nur, obwohl ein eisiger Schauer über seinen Rücken jagte und sich leichte Übelkeit in ihm ausbreitete. Er musste sich den Weißhaarigen vorstellen... am Pfahl... blutend... stinkend... von den Geiern angenagt... Die Stimme des jungen Hohepriesters war nicht viel mehr als ein heiseres Flüstern. "Es ist alles in Ordnung, mein Pharao..." Schritte näherten sich und eine warme Hand legte sich auf seine Wange. "Bist du sicher? Du siehst nicht gut aus." Atemu klang ernsthaft besorgt. "Macht euch keine Sorgen, mein Pharao. Es ist nichts." Es war unheimlich. In der einen Sekunde verhängte der junge König noch ein grausames Todesurteil, in der nächsten war er wieder der unschuldige Cousin Seths, dem es nur um das Wohl anderer zu gehen schien. Der Pharao sah ihn noch kurz misstrauisch an, dann wandte er sich ab und setzte sich wieder auf seinen Thron. "Das war alles für heute. Ihr könnt euch nun entfernen." "Sehr wohl..." Kaum, dass die sechs Hohepriester den Thronsaal verlassen hatten, trennte Seth sich von den anderen und schlich in sein Gemach, anstatt in den Tempel zu gehen. Müde ließ er sich auf sein Bett fallen und strich über das leicht zerknitterte Laken. Es war noch nicht einmal drei Tage her, dass man die Leiche Mahados nahe der Stadt gefunden hatte... und dass ein dreister Dieb in das Gemach des obersten Horuspriesters einbrach... Mit ihm schlief. Und ihn dazu brachte, sich fortan Nacht für Nacht nach ihm zu sehnen... Seths Finger glitten sanft am Griff des Millenniumsstabes herab, den der Eindringling zurückgelassen hatte. Wieso hatte er das getan? War seine Verführung denn nicht dazu gedacht gewesen, den jungen Hohepriester abzulenken, ihn in Sicherheit zu wägen? "Du mieser, kleiner Taschendieb... was fällt dir ein, mir den Verstand zu rauben?" Bakuras Gesichtszüge verhärteten sich, als er die in die nass glänzenden Augen seines Hikaris blickte. "Hör auf zu heulen, ich kann das nicht leiden!" Ryou wandte den Blick ab und fuhr sich über das Gesicht. Seine Stimme war nur ein schwaches Flüstern. "Warum ausgerechnet er? Warum... warum nicht ich?" Die Spitzen des Rings an seinem Hals klimperten leise, als der Dieb abwesend an ihnen herumspielte. "Ich bin das Feuer... und du mein Gegenstück, das Wasser... wir gleichen uns zu sehr aus, es gibt keine Differenzen. Du bist eben mein Hikari." "Und was ist er?" "Er ist der Wind, er stachelt mich an und-" "Und bringt dich zum Lodern, ich verstehe... Du brauchst das." Ein Nicken. "Yoru?" "Hm?" "Pass auf dich auf und mach keinen Unsinn. Lass dich nicht verbrennen." "Es gibt keine Narben... da sind keine, Hikari." "Ich weiß doch... ich weiß." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)